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  • Kuprecht, Alex (svp/udc, SZ) SR/CE
  • Martullo-Blocher, Magdalena (svp/udc, GR) NR/CN

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In der Wintersession entschied sich eine für die kleine Kammer relativ knappe Mehrheit von 23 zu 18 Stimmen, auf die Vorlage zur Änderung des Geschäftsreglements des Ständerats einzutreten, mit der neu bei allen Abstimmungen auch im Ständerat Namenslisten veröffentlicht werden sollen – also nicht nur bei Gesamt- und Schlussabstimmungen, sondern bei allen Abstimmungen, die mit der 2014 eingeführten elektronischen Anlage getätigt werden. Für die SPK-SR, die den Entwurf mit 7 zu 6 Stimmen zur Annahme empfahl, sprach Thomas Minder (parteilos, TG), der Urheber der parlamentarischen Initiative, auf die der Entwurf zurückging: Die Befürchtung der Minderheit, dass sich die Debattenkultur mit Veröffentlichung der Abstimmungsresultate verschlechtere, könne er nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil habe sie sich seit Einführung der Abstimmungsanlage sogar verbessert. Freilich gebe es in den Medien verbreitete Ratings und Auswertungen zum Abstimmungsverhalten. Die würden aber mit dem Einbezug von Detailabstimmungen zusätzlich «die Hunderte von spannenden Positionsbezügen, mit denen wir aufeinander zugehen, Differenzen zwischen den Räten abbauen, abseits der Parteilinie abstimmen», berücksichtigen und so eine wesentlich breitere Datengrundlage liefern.
Die Minderheit, die gegen Eintreten votierte, wurde von Daniel Jositsch (sp, ZH) vertreten. Es sei schwierig gegen die Vorlage und damit gegen die «Transparenz-Hysterie» anzutreten. Er befürchte aber, dass das Wesentliche, was den Ständerat vom Nationalrat unterscheide, durch die Neuregelung verloren ginge: die Debatte, von der die Abstimmungsresultate lediglich Resultat seien. Er habe überhaupt keine Probleme mit Ratings, wenn aber auch der Ständerat nur noch Abstimmungen für Ratings produziere, müssten sich Journalistinnen und Journalisten nicht mehr die Mühe machen, zu recherchieren, wie ein Resultat genau zustande gekommen sei und welche Argumente vorgebracht wurden. Er befürchte darüber hinaus, dass bald auch die Forderung nach Transparenz von Kommissionssitzungen kommen werde.
Die in der Folge vorgebrachten Meinungen verliefen nicht entlang der Fraktionsgrenzen. So sprach sich etwa Jositschs Fraktionskollege Hans Stöckli (sp, BE) für ein konsequentes Öffentlichkeitsprinzip aus und Lisa Mazzone (gp, GE) gab zu bedenken, dass vor allem den Bürgerinnen und Bürgern ein Dienst erwiesen werde, wenn ihnen Informationen einfacher zur Verfügung gestellt würden. Auf der anderen Seite warb Daniel Fässler (mitte, AI) mit dem Argument gegen Eintreten, dass parteitreues Abstimmen wohl zunehmen werde und man sein Abstimmungsverhalten gegenüber der eigenen Partei, dem Kanton, den Medien wesentlich häufiger rechtfertigen müsse. Auch Alex Kuprecht (svp, SZ) bedauerte, dass der «Ständerat immer nationalrätlicher geworden» sei, und befand, dass die Resistenz gegen den zunehmenden Druck der eigenen Partei nicht mehr so stark sei wie früher. Wichtig sei der Bevölkerung zudem nicht, wie man bei Detailfragen abstimme, sondern wie man zum gesamten Gesetz stehe, weshalb es die Veröffentlichung von Detailabstimmungen auch nicht brauche. Pointiert äusserte sich zum Schluss Roberto Zanetti (sp, SO): Er hätte wohl früher für Nichteintreten gestimmt, weil aber «aus der Chambre de Réflexion (...) eine Chambre der reflexartigen Vertretung der Einzelinteressen (...) und die Rumpelkammer der Steuerumgehung und Steueroptimierung geworden» sei, wolle auch er genauer nachverfolgen können, wer im Detail wie stimme.
Nachdem Eintreten beschlossen worden war, sprach sich auch eine 28 zu 14-Mehrheit für die Vorlage aus. Deutlicher war dann die Schlussabstimmung, bei der die Vorlage mit 32 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen gutgeheissen wurde. Die Gegenstimmen stammten erneut aus allen Fraktionen. Damit werden auch im Ständerat künftig sämtliche elektronisch erfassten Abstimmungsresultate veröffentlicht.

Öffentliche Abstimmungen im Ständerat (Pa.Iv. 19.498)
Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat

Nachdem die grosse Kammer der parlamentarischen Initiative von Sidney Kamerzin (mitte, VS) Folge gegeben hatte, musste sich das Büro-SR ein weiteres Mal über das Anliegen für ein papierloses Parlament beugen. Zum zweiten Mal empfahl es den Vorstoss zur Ablehnung. Die Möglichkeit, alle Unterlagen elektronisch zu erhalten, bestehe bereits heute, wovon allerdings erst 29 Mitglieder des Nationalrats und 7 des Ständerats Gebrauch machten. Ein Grund für diese geringe Anzahl seien die noch bestehenden Nachteile. Dabei sei nicht nur an die «E-Mailflut» zu denken, sondern an die Schwierigkeit, auf alle Unterlagen zugreifen zu können, so der Bericht des Büros. Dies sei erst ab 2023 mit «CuriaPlus» möglich. Mit dieser sich im Aufbau befindlichen Plattform seien alle Kommissions- und Ratsinformationen zu einem Geschäft zentral erhältlich, durchsuch- und bearbeitbar. CuriaPlus werde eine papierlose parlamentarische Arbeit ohne Zusatzaufwand ermöglichen.
In der ständerätlichen Ratsdebatte machte sich Ruedi Noser (fdp, ZH) für die Unterstützung des nationalrätlichen Beschlusses und für Folgegeben stark. Angelehnt an die Argumente des Büro-SR würde er bei der Ausarbeitung der parlamentarischen Initiative durch das Büro-NR empfehlen, dass nicht ein Verbot von Papier verlangt wird, sondern dass das Prinzip «digital first» eingeführt werde. Anders als heute würden die Unterlagen also nicht automatisch in Papierform verteilt («Papier first»), sondern wer dies wolle, müsse Papier nachfragen. Zudem würde er empfehlen, die Initiative auf die neue Legislatur hin umzusetzen, wenn auch die neue digitale Infrastruktur zur Verfügung stehen werde. Zwar fand Noser in Hans Wicki (fdp, NW), Matthias Michel (fdp, ZG) und Lisa Mazzone (gp, GE) Unterstützung – alle drei brachten in ihren Voten zum Ausdruck, mithelfen zu wollen, weniger Papier zu produzieren. Die Mehrheit des Ständerats wollte der Initiative aber mit 25 zu 15 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) keine Folge geben. Hauptargumente – vorgebracht von Werner Salzmann (svp, BE) und Alex Kuprecht (svp, SZ) – waren ebenfalls, dass CuriaPlus bereits im Entstehen sei und dass eine raschere Umsetzung auch mit Folgegeben der Initiative wohl kaum möglich wäre.

Papierloses Parlament (Pa.Iv. 20.442)

Am 13. September 2021 war die Covid-19-Zertifikatspflicht ausgeweitet worden. Dieses Zertifikat galt als Nachweis dafür, dass eine Person gegen Covid-19 geimpft, davon genesen oder negativ dagegen getestet worden war. Das Vorweisen eines solchen Zertifikats war zum Beispiel Bedingung für die Teilnahme an Veranstaltungen, den Besuch von Restaurants oder Kinos oder für Reisen in andere Länder. Explizit ausgenommen von der Zertifikatspflicht waren hingegen Parlamente und Gemeindeversammlungen, damit die politischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht eingeschränkt werden.
Bereits Ende August 2021 hatten sich Gesundheitspolitikerinnen der SP dafür starkgemacht, dass auch für das eidgenössische Parlament eine Zertifikatspflicht eingeführt wird; sie stiessen allerdings sogar in der eigenen Fraktion auf Widerstand. Dies wäre zwar gesundheitspolitisch sinnvoll, rechtlich aber wohl nicht machbar, so die ziemlich einhellige Meinung in allen Parteien. Eine solche Pflicht würde nicht nur gegen den Schutz der politischen Rechte verstossen, es müsste dafür wohl gar eine Gesetzesänderung beschlossen werden.
Darauf hin folgte jedoch ein ziemlich starkes mediales Gewitter: Es sei «absurd», dass das Parlament keine Zertifikatspflicht einführen und einen «Corona-Sonderzug für Politiker» fahren wolle, wetterte etwa der Tages-Anzeiger. Die «zertifikatsfreie Zone» sei ein «verheerendes Signal». Man werde so zudem den Verdacht nicht los, dass die Zertifikatspflicht wohl doch wesentlich einschneidender sei, als der Bundesrat jeweils betone. Selbst ansonsten eher massnahmenkritische SVP-Politikerinnen und -Politiker hätten gemerkt, dass «das Politikerprivileg im Volk schlecht ankommt», analysierte die Sonntags-Zeitung. Man könne nicht Gesetze machen und von den Bürgerinnen und Bürgern verlangen, diese einzuhalten, sich selbst als Parlament dann aber nicht daran halten, zitierte der Blick etwa Alex Kuprecht (svp, SZ). In der Folge forderten sämtliche Parteipräsidentinnen und -präsidenten mit Ausnahme des Präsidenten der SVP in einem offenen Brief an die Verwaltungsdelegation, für die Herbstsession eine Covid-19-Zertifikatspflicht für den Zutritt zum Parlamentsgebäude einzuführen. Es gebe «keinen überzeugenden Grund», Parlamentsmitglieder davon auszunehmen, so der Brief.

Die SPK-SR nahm in der Folge den Ball auf und reichte eine parlamentarische Initiative für eine für die Änderung der Zugangsbedingungen nötige Revision des Parlamentsgesetzes ein. Da für den Zugang nur mindestens ein Covid-19-Test nötig sei, sei es verhältnismässig, eine Covid-19-Zertifikatspflicht auch für den Eintritt zum Bundeshauses zu verlangen, begründete die Kommission ihr Vorgehen. Damit könnten auch Maskenpflicht und Plexiglaswände aufgehoben und somit die Kommunikation zwischen Parlamentsmitgliedern verbessert werden. Da die SPK-NR lediglich einen Tag nach ihrer Einreichung der parlamentarischen Initiative Folge gab, legte die ständerätliche Kommission ein paar Tage später bereits einen dringlichen Entwurf für eine entsprechende Revision des Parlamentsgesetzes vor, der vom Bundesrat begrüsst und noch in der Herbstsession 2021 von beiden Kammern beraten wurde.

Man stehe vor einem staatspolitisch brisanten Entscheid, leitete Andrea Caroni (fdp, AR) die Debatte im Ständerat ein. Man müsse sich bewusst sein, dass man damit unter Umständen Ratsmitglieder von der Teilnahme an einer Session ausschliesse. Freilich sei auch das öffentliche Interesse gross, sei doch viel mediale Kritik auf das Parlament eingeprasselt, weil zwar für den Zugang zu zahlreichen Innenräumen, nicht aber für den Zugang zum Bundeshaus eine Zertifikatspflicht gelte. Die gesetzliche Grundlage für eine Zertifikatspflicht sei nun aber nötig, weil sie nicht nur die Handlungsfähigkeit des Parlaments verbessere, sondern weil man damit auch beweisen könne, dass die vom Parlament beschlossene Pflicht auch im Bundeshaus problemlos umgesetzt werden könne. Die Kommission empfehle die Vorlage mit 9 zu 2 Stimmen zur Annahme, so der Kommissionssprecher Caroni. Mit einem Einzelantrag warb Beat Rieder (mitte, VS) in der Folge für Nichteintreten. Statt auf «Selbstverantwortung, Solidarität und Eigenverantwortung» setze man mit der Zertifikatspflicht auf «einen staatlichen Kontrollmechanismus». All diese Massnahmen würden zudem mit einem Tempo durchgepeitscht, welches die Bevölkerung spalte. Ein Ja zur Vorlage könne zudem auch als Signal an den Bundesrat gelesen werden, ohne Grenzen «grundrechtswidrige Entscheide» treffen zu dürfen. Mit 35 zu 7 Stimmen entschied sich der Ständerat allerdings für Eintreten.
Der Entwurf der SPK-SR sah vor, dass Personen ab dem 16. Altersjahr nur dann Zutritt zum Parlamentsgebäude erhalten, wenn sie ein Covid-19-Zertifikat vorweisen. Die Kosten für notwendige Tests für die Ausstellung eines Zertifikats sollten jenen Personen vergütet werden, die zwingend Zutritt zum Parlamentsgebäude benötigten. Der Verwaltungsdelegation oblag die Definition dieser Personengruppe und die Organisation der Kontrolle. Ihr wurde auch das Entscheidungsrecht übertragen, die Zertifikatspflicht wieder aufzuheben, wenn die epidemiologische Lage dies erlaubt. Stefan Engler (mitte, GR) verlangte in der Detailberatung eine Ausnahmeregelung für Personen, die eine Maske tragen und sich für das Contact Tracing registrieren liessen. Mit 21 zu 14 Stimmen (7 Enthaltungen) hiess der Ständerat diesen Antrag gut. Mit 23 zu 18 Stimmen (2 Enthaltungen) abgelehnt wurde hingegen ein Antrag einer Kommissionsminderheit, die eine Zertifikatspflicht nicht nur für den Zugang zum Parlamentsgebäude, sondern auch zu Kommissionssitzungen und ausserparlamentarischen Aktivitäten verlangt hätte. Die Gesamtabstimmung passierte der so modifizierte Entwurf mit 36 zu 6 Stimmen (1 Enthaltung).

Auch im Nationalrat wurden, einen Tag nach dem ständerätlichen Entscheid, Eintreten und Detailberatung in einer einzigen Debatte durchgeführt. Wie aufgrund des oben erwähnten Briefes der Parteipräsidien zu erwarten, wurde die Einführung einer Zertifikatspflicht von allen Fraktionen ausser der SVP begrüsst. Er habe ein «ungutes Gefühl», argumentierte Gregor Rutz (svp, ZH) für seine Fraktion. Unter Zeitdruck beschlossene Gesetze seien selten gut, weil man in Krisensituationen zu «Flüchtigkeitsfehlern» neige. Dieses schlechte Gefühl nähre sich auch am Umstand, dass man hier aufgrund medialen Drucks agiere und nicht, weil es gesundheitspolitisch nötig sei. Der SVP-Fraktionssprecher erinnerte zudem an die Geschichtsbücher: 1932 seien sozialdemokratische und kommunistische Nationalratsmitglieder per Parlamentsbeschluss ausgeschlossen worden. Der Ausschluss von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die sich weder testen noch impfen lassen wollten, komme dieser «verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen» Aktion sehr nahe. Die Fraktion sehe aber auch, dass das Gesetz den Parlamentsbetrieb erleichtern würde. Die Mehrheit der SVP-Fraktion werde sich deshalb der Stimme enthalten.
Eintreten wurde in der Folge ohne Gegenantrag beschlossen. In der Detailberatung lagen zwei Minderheitenanträge vor. Eine Minderheit Binder (mitte, AG) beantragte die Streichung der vom Ständerat gemachten Ausnahme. Die Zertifikatspflicht sei keine Impfpflicht. Man könne von Parlamentsmitgliedern verlangen, dass sie sich testen lassen, weshalb eine Ausnahme nicht nötig sei, so die Argumentation dieser durch Marianne Streiff-Feller (evp, BE) vertretenen Minderheit. Eine zweite Minderheit Rutz wollte die Verwaltungsdelegation verpflichten, alle acht Wochen zu prüfen, ob die Massnahme noch notwendig sei. Beide Minderheiten wurden deutlich abgelehnt. Mit 146 zu 27 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) passierte der gegenüber dem Ständerat unveränderte Entwurf die Gesamtabstimmung. Sämtliche Nein-Stimmen und Enthaltungen stammten von der SVP-Fraktion (mit Ausnahme einer Enthaltung aus der grünen Fraktion). 10 SVP-Mitglieder stimmten für die Änderung des Parlamentsgesetzes.

Beide Kammern stimmten wiederum nur wenige Tage später der Dringlichkeitsklausel zu – der Ständerat mit 35 zu 4 Stimmen und der Nationalrat mit 143 zu 35 Stimmen (6 Enthaltungen). Die Stimmenverhältnisse änderten sich auch in den Schlussabstimmungen am Ende der Herbstsession nicht. Der Entwurf wurde im Ständerat mit 38 zu 5 Stimmen (1 Enthaltung) und im Nationalrat mit 149 zu 35 Stimmen (12 Enthaltungen) angenommen.

In der Folge setzte die Verwaltungsdelegation die Zertifikatspflicht um. Ab dem 2. Oktober 2021 – also nach der Herbstsession 2021 – mussten alle Besucherinnen und Besucher des Bundeshauses ein Covid-19-Zertifikat vorlegen. Parlamentsmitglieder und Verwaltungsangestellte, die im Parlamentsgebäude ein- und ausgehen, konnten sich einmalig registrieren lassen, woraufhin ihr Covid-19-Zertifikat auf den elektronischen Zutrittsausweisen vermerkt wurde. Ratsmitglieder, die kein Zertifikat vorwiesen, mussten eine Maske tragen. Für die Wintersession 2021 beschloss die Verwaltungsdelegation dank der Zertifikatspflicht, die Plexiglasscheiben abzubauen und die Maskenpflicht aufzuheben.

Covid-Zertifikatspflicht im Bundeshaus

Weil der Bundesrat dem Parlament die dringlichen Notkredite zur nachträglichen Genehmigung unterbreiten wollte, beraumte die Regierung im Frühling 2020 eine ausserordentliche Session zur «Bewältigung der Corona-Krise» ein. Am 25. März beantragte dann auch die dafür nötige Mehrheit des Ständerats eine ausserordentliche Session, damit nicht nur alleine über die Notkredite, sondern auch über weitere Fragen beraten werden konnte. Die Einberufung der ausserordentlichen Session behagte laut Presse nicht allen Parlamentarierinnen und Parlamentariern – vor allem aus den Reihen der SVP wurde die Entscheidung kritisiert, da ja bis zum 19. April eigentlich ein Versammlungsverbot gelte. Der Bundesrat war allerdings der Meinung, dass eine Session unter Einhaltung der Hygienemassnahmen möglich sein müsse. Da die Frühjahrssession am 15. März 2020 vor allem auch deshalb abgebrochen worden war, weil Social Distancing im Parlamentsgebäude und den Ratssälen praktisch nicht möglich ist, musste für die Durchführung der ausserordentlichen Session und – wie bald einmal klar wurde – auch für diejenige der ordentlichen Sommersession geeignetere Räume gefunden werden.

Hauptanforderung an die alternativen Räumlichkeiten war vor allem eine genügende Grösse. Das von einigen Seiten geforderte digitale Parlament war zwar nicht undenkbar, das Parlamentsgesetz sieht aber eine physische Präsenz vor. Eine Änderung dieser Regel wäre zwar grundsätzlich möglich, bräuchte aber zuvor einen Beschluss nach altem Reglement. Reglementarisch festgelegt ist auch, dass eine Parlamentssitzung in Bern stattfinden muss, wobei bei der Suche nach grösseren Räumlichkeiten vorerst nicht ganz klar war, ob mit Bern die Stadt inklusive Agglomeration oder sogar der gesamte Kanton gemeint sei. Der Vorschlag von Damian Müller (fdp, LU), die Session extra muros in Luzern abzuhalten, hätte also ebenfalls einen vorgängigen Ratsbeschluss benötigt. Rasch kam dann als naheliegende Option die BernExpo ins Spiel, da die Messehallen im Osten der Stadt Bern aufgrund der Absagen aller Kongresse und Messen leer standen.

Ende März entschied sich die Koordinationskonferenz, die sich aus den Büros der beiden Räte zusammensetzt, die ausserordentliche Session vom 4. bis zum 7. Mai dort abzuhalten, wo an diesem Datum in der Regel die Frühlingsmesse BEA stattfindet. «Statt Tiershows, Riesenrad und Gewerbestände gibt es nun Parlamentsdebatten», fasste die NZZ zusammen. In der Zwischenzeit hatten auch jene Kommissionen ihre Arbeit wieder aufgenommen, die seit dem Sessionsabbruch nicht mehr getagt hatten; dies war auch im Hinblick auf die ordentliche Sommersession nötig, an welcher die im Frühjahr aufgrund des Sessionsabbruchs nicht mehr behandelten Geschäfte möglichst rasch abgeschlossen werden sollten. Während die hinsichtlich Anzahl Mitglieder kleineren Ständeratskommissionen im grössten Sitzungszimmer im Bundeshaus tagten, trafen sich die grösseren Nationalratskommissionen im Hotel Bellevue in Bern. Erlaubt wurden auch Kommissionssitzungen per Videokonferenz, wenn sichergestellt wurde, dass keine Dritten die Beratungen mitverfolgen konnten. Die Verwaltungsdelegation – ein aus je drei Mitgliedern der beiden Büros bestehendes Gremium – hatte in der Zwischenzeit die Frage der Entschädigung der Parlamentarier hinsichtlich der Teilnahme an diesen Sitzungen geregelt.

In der 5'200 Quadratmeter grossen Expo-Halle, in welcher der Nationalrat tagen sollte, gab es genug Raum, damit die Abstandsregeln eingehalten werden konnten. Für die Ständerätinnen und Ständeräte war ein Raum im Dachgeschoss der BernExpo vorgesehen. Die Kosten für die Einrichtung der Infrastruktur (CHF 375'000 für Abstimmungsanlagen, Aufzeichnung der Debatte, Video-Conferencing etc.) – für Kopfzerbrechen sorgte insbesondere die elektronische Abstimmungsanlage –, die Miete (BernExpo: CHF 2.074 Mio.; Hotel Bellevue: CHF 43'200), die Gewährleistung der Sicherheit und die Hygienemassnahmen (CHF 430'000 für Fedpol, Securitas und Sanität) sowie für weitere Ausgaben (CHF 200'000 für Personalkosten, Verpflegung) wurden mit CHF 3.125 Mio. veranschlagt. Diese Summe gab in den Medien zu reden. Der Tages-Anzeiger kritisierte insbesondere die Miete für die vier Sitzungssäle, die für die Kommissionssitzungen während der Sessionen in der BernExpo zusätzlich gemietet werden sollten, da diese rund CHF 90'000 pro Tag kosten würden – wesentlich mehr als die Bellevue-Säle, die aber für die Session nicht mehr benutzt werden sollten.

Für die Sitzungen in den Expohallen mussten die Geschäftsreglemente für National- und Ständerat angepasst werden. Entschieden wurde zudem, dass möglichst auf Papier verzichtet werden und das Tragen von Masken erlaubt werden sollte. Nicht weiter verfolgt wurde laut einer Medienmitteilung der Verwaltungsdelegation hingegen die Idee einer separaten Infrastruktur für vulnerable Personen. Keinen Zutritt sollten Besucherinnen und Besucher, persönliche Mitarbeitende und Lobbyistinnen und Lobbyisten erhalten. Medienschaffende erhielten lediglich eingeschränkten Zugang, wobei bei Interviews die Distanzregel eingehalten werden musste. Im Gegensatz zur Frühjahrssession wurde diesmal Kritik von Lobbyverbänden laut.
In den Medien wurde vermutet, dass der Ratsbetrieb wohl vor allem leiser werden würde – die Distanz von 2 Metern verunmögliche Gespräche zwischen Sitznachbarinnen und -nachbarn sowie Gespräche von Gruppen – und angesichts der schlichten Betonräume unter Neonlicht mit weniger Pathos auskommen müsse als im prunkvollen Bundeshaus.

In der Tat wurden die mit einer von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga vorgetragenen Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie eröffneten Beratungen von einigen Medien als «gewöhnungsbedürftig» bezeichnet. Als «Mischung aus Kaserne und Einkaufszentrum» beschrieb Corina Gredig (glp, ZH) die Räumlichkeiten. Christian Levrat (sp, FR) sprach angesichts des fehlenden Tageslichts gar von «DDR-Stimmung». Um den Überblick zu behalten, griff Sandra Sollberger (svp, BL) gar zum Feldstecher. Masken wurden hingegen kaum benutzt – auch von Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) nur sporadisch, nachdem die SVP-Politikerin in der Frühjahrssession 2020 mit dem Tragen einer Maske von sich reden gemacht hatte. Die drei Rednerpulte wurden nach jedem Votum gereinigt.
Zu schreiben gab in den Medien vor allem, dass sich einige Parlamentsmitglieder an einem Abend im Restaurant im Messekomplex getroffen hätten. Dass dabei die Zwei-Meter-Regel eingehalten worden sei, «darf mit Fug und Recht bezweifelt werden», berichtete der Blick. Die «illegale Party» (Tages-Anzeiger) zeige aber vor allem auch auf, wie schwierig es sei, Abstandsregeln im politischen Alltag einzuhalten, wenn etwa alle Parlamentsmitglieder nach einer Sitzung aus dem Messegelände strömten, beschwichtigten einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier in den Medien.

Bereits am 1. Mai hatte die Verwaltungsdelegation entschieden, dass auch die ordentliche Sommersession in den Räumen der BernExpo durchgeführt werden solle. Ein Vergleich der Kosten mit anderen möglichen Standorten hatte gezeigt, dass in Bern vor allem die Aufwendungen für Sicherheit und Logistik weniger stark ins Gewicht fielen: Die Kosten für die ordentliche Sommersession in der BernExpo wurden auf CHF 3.84 Mio veranschlagt. Zudem könne man in der ausserordentlichen Session im Mai Abläufe testen, die dann in der Sommersession weitergeführt werden könnten. Für die Herbstsession erhoffe man sich aber dann eine Rückkehr ins Bundeshaus.

Ausserordentliche Session in der Bernexpo

Wie der Nationalrat musste auch der Ständerat sein Geschäftsreglement anpassen, um ausserhalb des Bundeshauses tagen zu können. Um die Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen im Rahmen der Coronavirus-Pandemie einhalten zu können, tagte auch der Ständerat während der ausserordentlichen Session Anfang Mai in den Räumlichkeiten der BernExpo. Das Büro-SR schlug analog zum Nationalrat vor, dass Vorstösse, parlamentarische Initiativen und die Unterstützung von Anträgen nicht mehr schriftlich, sondern per E-Mail erfolgen sollen. Auf eine physische Verteilung von Unterlagen solle verzichtet werden. Darüber hinaus war ein Votum vom Platz aus, wie dies im Bundeshaus praktiziert wird, nicht möglich. Auch die Ständerätinnen und Ständeräte mussten sich also für ihre Voten an ein stets von Neuem zu desinfizierendes Rednerpult begeben. Der Sprecher des Büros, Alex Kuprecht (svp, SZ) begründete dies mit der Videoübertragung, die sehr kompliziert geworden wäre, wenn die Voten vom Platz aus hätten abgegeben werden sollen. Ebenfalls wie im Nationalrat war vorgesehen, die Stimmabgabe mit dem elektronischen Ersatzsystem durchzuführen und die Stimme jeweils vom Platz aus abzugeben – die Ersatzanlage war nicht fix mit dem Arbeitsplatz verbunden und eine Abgabe der Stimme hätte darum auch anderswo geschehen können. Anders als der Nationalrat wollte das Büro-SR allerdings vorübergehend auf eine Veröffentlichung der Abstimmungsdaten verzichten, weil eine Anzeigetafel, wie sie im Ständerat angebracht sei, fehle.
Die entsprechende vorübergehende Streichung von Absatz 2, Artikel 44a des Geschäftsreglements weckte allerdings den Argwohn des Tagesanzeigers: «Ständeräte wollen geheim abstimmen», titelte die Zeitung am Tag der Sessionseröffnung. Man wolle «die geheime Stimmabgabe einführen.» Schon bisher sei das Stimmverhalten in der kleinen Kammer nur sehr mühsam eruierbar gewesen, weil die erhobenen Hände und später die Anzeigetafel fotografiert oder gefilmt werden müssten. In der Tat werden im Ständerat seit 2014 normalerweise nur die Gesamt- und Schlussabstimmungen, nicht aber die Detailabstimmungen namentlich veröffentlicht. Wenn aber die Resultate überhaupt nicht mehr veröffentlicht würden, so sei dies ein Vorgang, den es seit 1848 noch nie gegeben habe. Der ständerätliche Vorschlag, für die Session in der BernExpo auf jegliche Veröffentlichung zu verzichten, sei von der Öffentlichkeit noch nicht bemerkt, geschweige denn diskutiert worden.

In der Folge standen bei der Diskussion über die befristeten Änderungen des Geschäftsreglements – das erste Geschäft in der ausserordentlichen Session – zwei Anträge im Zentrum. Das Büro hatte seinen eigenen Antrag auf Streichung der Veröffentlichung in der Zwischenzeit zurückgezogen, um diese beiden Vorschläge diskutieren zu können. Der Antrag von Werner Salzmann (svp, BE) sah vor, dass alle Abstimmungen nachträglich mittels Namenslisten veröffentlicht werden sollen, und Daniel Jositsch (sp, ZH) beantragte, die Stimme durch Aufstehen abzugeben. Beide berichteten, durch die Medien aufgeschreckt geworden zu sein, und gaben zu, sich wohl im Vorfeld zu wenig genau mit dem vorliegenden Reglement auseinandergesetzt zu haben. Der Sprecher des Büros, Alex Kuprecht (svp, SZ), legte freilich dar, dass sich der Ständerat mit der Einführung der elektronischen Anlage im Bundeshaus ganz bewusst dagegen verwahrt habe, auch die individuellen Entscheidungen in den Detailabstimmungen namentlich auszuweisen. Es sei sinnvoll, dass dies im Nationalrat geschehe, «wo sich primär die parteipolitischen Positionen in ausgeprägter Form gegenüberstehen». Dies sei aber in der kleinen Kammer nicht so, weshalb man nur die Schluss- und Gesamtabstimmungen namentlich veröffentliche (es sei denn, die Veröffentlichung werde von 10 Mitgliedern verlangt). An dieser Position habe sich im Büro auch in erschwerten Verhältnissen nichts geändert – allerdings war zu dieser Frage noch eine parlamentarische Initiative Minder (parteilos, SH; Pa.Iv. 19.498) hängig, über die der Rat in einer der folgenden Sessionen zu befinden haben wird.
Unter Namensaufruf – 10 Ständeratsmitglieder hatten einen entsprechenden Antrag von Werner Salzmann mitunterzeichnet – gab die kleine Kammer dem Vorschlag Jositschs den Vorzug. 25 Mitglieder stimmten diesem zu, während 20 Mitglieder die Veröffentlichung aller Namenslisten, wie von Werner Salzmann gefordert, bevorzugt hätten. In der Schlussabstimmung standen dann 43 Ständeratsmitglieder für die Annahme des Entwurfs auf, während sich ein Mitglied dagegen erhob (1 Enthaltung).
Die Ersatzanlage kam im Ständerat damit also nicht zum Einsatz. Immerhin habe diese für beide Räte CHF 47'000 gekostet, doppelte der Tagesanzeiger nach. Wenigstens hätten die Räte «nach einem mittleren Shitstorm» kapituliert, so dass es dank der Zeitung nicht vollständig zu einer «eidgenössischen Blackbox» gekommen sei.

Beratungen ausserhalb des Parlamentsgebäudes - Änderungen des Geschäftsreglements des Ständerats (Pa.Iv. 20.408)

«Die Schweizer Demokratie machte eine Pause» fasste die WoZ rückblickend die Ereignisse um den 15. März 2020 zusammen, als Covid-19 auch das Parlament erfasste und dieses zu einem Abbruch der Frühlingssession veranlasste. Dabei zeigt die Chronologie der Ereignisse nicht nur exemplarisch, wie unvermittelt die Pandemie auch über die Schweiz hereinbrach, sondern sie regte auch Diskussionen über die Krisenresistenz der Legislative an.
Zwar waren zu Beginn der Frühjahrssession am 2. März schon dunkle Wolken am Horizont zu sehen und entsprechend hatte die Verwaltungsdelegation schon vor der Session beschlossen, keine Besucher zuzulassen. Halten sich an einem Sessionstag normalerweise mehr als tausend Personen im Bundeshaus auf, wurde – neben den mit einem Badge ausgerüsteten Interessenvertreterinnen und -vertretern – nur noch fest akkreditierten Medienschaffenden ein Aufenthalt in den Räumlichkeiten gewährt, was in der WoZ einen geharnischten Kommentar nach sich zog: Das Parlament schliesse lieber die Presse aus statt die Lobbys. Neben dem Besuchsverbot galt – wie überall – auch im Bundeshaus die Empfehlung, keine Hände zu schütteln. Allerdings war die ebenfalls empfohlene Distanz von zwei Metern in den engen Ratssälen nicht einzuhalten.
Für einen medial breit kommentierten «Eklat» (Tages-Anzeiger) sorgte dann am ersten Sessionstag Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), die als Einzige mit einer Schutzmaske den Ratssaal betrat und deshalb von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret aus dem Saal gewiesen wurde – das Tragen von Masken ist in den Ratssälen nicht erlaubt. Sie wolle sich vor Ansteckungen schützen und hätte eine Absage der Session begrüsst, gab die SVP-Politikerin zu Protokoll, die dann ihren Platz immerhin für die Abstimmungen wieder einnehmen durfte, die Debatten aber im Fraktionszimmer verfolgen musste. Die «Maskerade» (Blick) wurde als «Kindergarten» (Min Li Marti, sp, ZH) oder als «coup médiatique» (Le Temps) der SVP gewertet, die damit Angst bewirtschafte. Die SVP sei jetzt plötzlich «für Verhüllung und Maulkörbe», kommentierte der Blick lapidar. Einige SVP-Ratsmitglieder verteidigten freilich die Aktion Martullo-Blochers. So berichtete etwa Alfred Heer (svp, ZH), dass er als Europaratsmitglied nicht nach Strassburg dürfte, wenn er sich in den letzten 14 Tagen in Risikogebieten aufgehalten hätte. Hier in Bern sei er freilich nicht nach seinen Auslandreisen gefragt worden.
Zu Beginn der zweiten Woche war es erneut die SVP, die auf die vor allem im Nachbarland Italien stark ansteigenden Corona-Ansteckungen reagieren wollte. Mit einem Ordnungsantrag (20.9004) verlangte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) einen Sessionsunterbruch. Das BAG habe neben dem «Social Distancing» auch ein Fernbleiben von öffentlichen Veranstaltungen vor allem für Risikogruppen empfohlen. Nicht nur sei im Parlament das Einhalten des Abstands nicht möglich, es gäbe auch zahlreiche Risikogruppen, so die Begründung für den Ordnungsantrag. «Analog zur Begrenzungsinitiative wäre es richtig gewesen, zu kontrollieren, wer überhaupt ins Land kommt», kritisierte Aeschi in seiner Begründung die vorangegangenen Entscheidungen des Bundesrats. Der Sprecher des Büros, Andreas Aebi (svp, BE), empfahl eine mit 10 zu 1 Stimmen (1 Enthaltung) beschlossene Ablehnung des Antrags. Man müsse sich auf Fakten stützen und solle keine Ängste schüren. Es würde als schlechtes Beispiel gewertet werden, wenn sich das Parlament «aus der Verantwortung stehlen würde». Mit 155 zu 13 Stimmen (8 Enthaltungen) wurde der Antrag deutlich abgelehnt. In der Presse wurden der Antrag der SVP und vor allem das Votum Aeschis zur eigenen Initiative als «taktisches Spielchen» (Blick) kritisiert. Mit Schüren von Angst wolle die Partei Stimmung für ihre Begrenzungsinitiative machen, vermutete etwa Roger Nordmann (sp, VD). Es wäre der SVP wohl auch gelegen gekommen, wenn mit einem Abbruch die Beratungen zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, welche vielerseits als Massnahme gegen die Begrenzungsinitiative verstanden wird, auf Eis gelegt worden wären, vermutete der Blick weiter.
Freilich wurde für die zweite Woche der Zugang zum Bundeshaus noch einmal eingeschränkt. Mitgliedern des diplomatischen Corps und ehemaligen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wurde der Zutritt verwehrt. Darüber hinaus galt die dringende Empfehlung, zu Hause zu bleiben, wenn man sich krank fühlte. Den Fraktionen wurden zudem grössere Räume für ihre Sitzungen zur Verfügung gestellt.
Den am darauffolgenden Freitag vor der dritten Sessionswoche gefällten Entscheid der Verwaltungsdelegation, die Session nicht abzubrechen – schliesslich sei das Parlament Arbeitsort und nicht «Veranstaltung» – machten dann jedoch die sich überstürzenden Ereignisse obsolet. So wurden sich die Fraktionen noch am Sonntag vor der dritten Sessionswoche einig, dass der Abbruch der dritten Sessionswoche in Anbetracht der sich rapide verschlechternden Situation – tags zuvor waren in der Schweiz 1'563 Neuinfektionen verzeichnet worden – für die Gesundheit der Parlamentsmitglieder, die einer Risikogruppe angehörten, das Beste sei. Politische Geschäfte könnten jetzt warten, gab Andrea Gmür (cvp, LU), Präsidentin der Mitte-Fraktion, der Aargauer Zeitung zu Protokoll, «wir Politikerinnen und Politiker werden nun zuerst zu Hause benötigt».
Das Parlament sei nun also doch noch zur «Einsicht» gekommen, urteilte die NZZ. Mit der Fortführung der Session hätte man ein fragwürdiges Signal an die Bevölkerung gesendet. Zwar käme es nun zwar bei einigen Geschäften zu Verzögerungen, aber es sei «nicht anzunehmen, dass Menschenleben gefährdet sind, weil National- und Ständerat ihre Entscheide erst später fällen». Freilich wurde auch Kritik am Sessionsabbruch laut. Gerade in einer Krisensituation müsse das Parlament handlungsfähig sein und entscheiden können, gab etwa Claude Longchamp in der Aargauer Zeitung zu Protokoll. Auch die nun wohl fehlende Meinungsbildung für die geplanten Abstimmungen im Mai (Begrenzungsinitiative, Jagdgesetz und Erhöhung der Kinderabzüge) wurde angemahnt. Das sei einer Musterdemokratie, als die sich die Schweiz verstehe, unwürdig, so ein weiterer Kommentar in der Aargauer Zeitung; man habe fast «den Eindruck, gewisse Nationalräte seien froh, die Verantwortung an den Bundesrat delegieren zu können. Diese Haltung ist inakzeptabel». Als Folge wurden auch die Forderungen nach einer Digitalisierung des Ratsbetriebs oder der direkten Demokratie lauter.
Zudem wurden für die für Anfang Mai anstehende Sondersession alternative Standorte gesucht. Diese solle wenn immer möglich durchgeführt werden, allerdings nicht im Bundeshaus, gaben die Ratsbüros bekannt. Diese – wie auch vor allem die Finanzkommission – tagten dann in der Tat relativ schnell wieder; vor allem virtuell. Der Abbruch der Session sei nötig gewesen, weil die Hygienemassnahmen nicht hatten eingehalten werden können, die Handlungsfähigkeit des Parlaments sei dank der Arbeit der Kommissionen aber immer gewährt gewesen, verteidigte denn auch Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) den Entscheid. Einig waren sich Presse und Politiker immerhin darin, dass man über die Krisenresistenz des Parlaments nachdenken müsse.

Keine dritte Sitzungswoche der Frühlingssession der Bundesversammlung

Es sei «fast so anspruchsvoll wie bei einer Hochzeit», die Sitzordnung im neuen Nationalrat zu finden, titelte die NZZ. In der Tat sorge die Frage: «Wer sitzt wo?» alle vier Jahre für «Gesprächsstoff» (Blick) und sei «ein Prozess mit Nebengeräuschen» (Aargauer Zeitung). «Ein falscher Sitznachbar ist die Hölle», befand gar der Tages-Anzeiger.
Bei der Sitzverteilung gehe es zuerst um die Anordnung der einzelnen Fraktionen im Nationalratssaal. Die hinteren Sitze seien begehrter, weshalb sie in der Regel nicht nur von den Fraktionsspitzen, sondern auch von den grösseren Parteien besetzt werden, während mit den kleineren Fraktionen gegen vorne aufgefüllt werde, so die Medien. Da die Grünen bei den Wahlen 2019 stark zugelegt hatten, hätten sie eigentlich – wie bisher die vier grossen Parteien, wobei die SVP die rechte Ratshälfte von hinten nach vorne aufgefüllt hatte – auch nach hinten zügeln können. Weil es allerdings nicht möglich war, die Fraktionen zusammenzuhalten, das Links-Rechts-Schema abzubilden und auf einzelne Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen – so sollte der auf den Rollstuhl angewiesene Christian Lohr (cvp, TG) einen Platz bei seiner Mitte-Fraktion und gleichzeitig nahe beim Eingang erhalten – verzichteten die Grünen auf dieses Privileg, nachdem elf von den Parlamentsdiensten unterbreitete Vorschläge für eine neue Zuordnung der Fraktionen in die einzelnen Sektoren jeweils abgelehnt worden waren. Als Gegengeschäft auf ihren Verzicht erhielten die Grünen ein Jahr früher als vorgesehen das Nationalratspräsidium, das voraussichtlich also 2022 von Irène Kälin (gp, AG) besetzt werden wird. Darüber hinaus erhielten die Grünen die beiden Präsidien der wichtigen Kommissionen UREK und KVF. Der Zuwachs der Grünen verdrängte die GLP-Fraktion allerdings in die rechte Hälfte des Ratssaales. Die GLP-Fraktion sitzt in der 51. Legislatur damit also neu vor der FDP und links der SVP.
Von den Medien kommentiert wurde zudem die Sitzverteilung innerhalb der Fraktionen, die von diesen innerhalb ihrer zugeteilten Sektoren selber vorgenommen wird und vom SP-Fraktionschef Roger Nordmann (sp, VD) laut Aargauer Zeitung als Geschäft mit «viel Sprengstoff» bezeichnet wurde. Als beliebt gelten auch fraktionsintern die hinteren Plätze sowie jene am Rand der einzelnen Sektoren. Wer ganz hinten einen Platz erhalte, sei in der Hierarchie weit oben, so die NZZ. «Hinterbänkler», die in anderen Ländern unwichtige oder keine Funktionen in einem Parlament besetzen und deshalb die hinteren Sitze erhalten, seien also in der Schweiz besonders bedeutend – so die Neue Zürcher Zeitung. Die FDP platziere ihre neuen Gesichter bewusst alle in der vordersten Reihe, wusste der Blick zu berichten. Und auch die beiden CVP-Neulinge Simon Stadler (cvp, UR) und Priska Wismer-Felder (cvp, LU) sässen zwar in der drittletzten Sitzreihe im Saal, diese entspreche aber zugleich der vordersten CVP-Reihe. Ihre Sitze befänden sich zwischen den je drei BDP- und EVP-Vertreterinnen und -Vertretern, die ebenfalls der neuen Mitte-Fraktion angehören. Plätze am Rand seien praktisch, vor allem, wenn sie eine «Spurtdistanz» von der Cafeteria zu den Abstimmungen zuliessen, zitierte die NZZ den ehemaligen Nationalrat Mario Fehr (sp, ZH). Es gebe aber auch sehr unbeliebte Sitze, so der Tages-Anzeiger. Auf der Plenums-Seite des Ratssaales hat es total 188 Nationalratssitze (und die 46 für die Ständerätinnen und -räte reservierten Sitze an der Rückwand) und vis-à-vis vom Plenum sitzt das 11-köpfige Präsidium (Präsident, 1. und 2. Vizepräsident, je vier Stimmenzählende und Ersatzstimmenzählende). Rechts neben den drei Präsidialsitzen bleibt also ein Platz, der vom Tages-Anzeiger als «Strafbank» bezeichnet wurde. Auf diesen setzte die SVP-Fraktion Lorenzo Quadri (lega, TI). Auch die Fraktion der Grünen setzte die beiden parteifremden Mitglieder Denis de la Reussille (pda, NE) und Stéfanie Prezioso Batou (eag, GE) auf eher unbeliebte Plätze in der ersten Reihe. Dass Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) neu auf dem gleichen hinteren Platz sitze, wie einst ihr Vater, war dem Tages-Anzeiger genauso einen Vermerk wert wie die Beobachtung, dass die «Querdenker» Lukas Reimann (svp, SG) und David Zuberbühler (svp, AR) von der SVP-Fraktion in die erste Reihe platziert wurden. Dies sei der elektronischen Anzeigetafel geschuldet. Es sehe geschlossener aus, wenn die Abweichler am Rand sässen, mutmasste die Zeitung. Wer diesmal mit dem Sitznachbarn oder der Sitznachbarin Glück oder Pech habe, lasse sich aber wohl erst mit der Zeit sagen, schloss der Tages-Anzeiger.

Sitzordnung im neuen Nationalrat

Das in der NZZ prominent platzierte, aber auch von anderen Medien aufgenommene Parlamentarierrating 2018, das von der Forschungsstelle Sotomo aufgrund des Abstimmungsverhaltens im National- und Ständerat berechnet wird, zeigte seit der letzten Ausgabe 2017 nur wenig Veränderungen hinsichtlich Positionierung der Parteien. Noch immer war eine deutliche Trennung der einzelnen Fraktionen im Nationalrat zu beobachten, mit Ausnahme der SP und der Grünen sowie der CVP und der BDP, bei denen sich die Positionierungen einzelner Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf einer Skala von -10 (ganz links) und +10 (ganz rechts) teilweise überlappten. Die Extrempole des Nationalrats wurden von Fraktionsmitgliedern der SP- bzw. der SVP eingenommen: Silvia Schenker (sp, BS; -10.0) sowie Luzi Stamm (svp, AG; 10.0) und Toni Brunner (svp, SG; 10.0) besetzten die Skalengrenzen. Das Spektrum der SP-Fraktion reichte von dieser Extremposition bis -8.5. Dieser «rechte Flügel» der Sozialdemokraten wurde vom neu in den Nationalrat nachgerückten Adrian Wüthrich (sp, BE) besetzt. Die Spannweite der Grünen reichte von -9.5 (Regula Rytz; gp, BE) bis -8.6 (Bastien Girod; gp, ZH). Im Schnitt waren die Mitglieder der SP-Fraktion erneut etwas linker positioniert als jene der GP-Fraktion. Das war zwischen 1995 und 2011 umgekehrt. Zwischen dem links-grünen Pol und der Mitte tat sich eine ziemliche Lücke auf. Die beiden der CVP-Fraktion angehörenden EVP-Mitglieder Marianne Streiff-Feller (evp, BE) und Niklaus Gugger (evp, ZH), der Ende 2017 in den Nationalrat nachgerutscht war, waren mit ihren Werten von -4.1 bzw. -3.7 zwar deutlich am linken Fraktionsrand angesiedelt, damit aber noch immer mehr als vier Skalenpunkte von SP und GP entfernt positioniert. Immer noch links der Mitte reihte sich anschliessend die GLP-Fraktion ein, die sich erneut als sehr homogen präsentierte (-3.3 bis -3.0). Die CVP- und die BDP-Fraktion überlappten sich ebenfalls. Bei beiden kam dabei der rechte Rand genau bei der Position 0 zu liegen; bei der BDP wurde dieser von Hans Grunder (bdp, BE) und bei der CVP von Daniel Fässler (cvp, AI), Gerhard Pfister (cvp, ZG) und Fabio Regazzi (cvp, TI) besetzt. Den linken Rand besetzten bei der CVP Kathy Riklin (cvp, ZH: -1.5) und bei der BDP Rosmarie Quadranti (bdp, ZH: -1.9). Auch auf der rechten Ratsseite klaffte eine Lücke. Der Abstand zwischen der FDP, deren Spektrum sich zwischen 1.0 (Christa Markwalder; fdp, BE) und 3.4 (Walter Müller; fdp, SG) aufspannte und der SVP, deren linker Pol bei 7.4 zu liegen kam (Jean-Pierre Grin, svp, VD) betrug ebenfalls 4 Skalenpunkte.

In der NZZ wurden auch die Positionen einzelner Parlamentsmitglieder diskutiert, die sich über die Jahre stark verändert hatten. So hatte etwa Thomas Müller (svp, SG) laut der Auswertung einen Sprung auf der Skala von 1.5 nach 9.5. gemacht. Müller war 2006 als CVP-Politiker gewählt worden und hatte 2011 in die SVP gewechselt, wo er dann mit den Jahren einen eigentlichen Rechtsrutsch vollzog. Die Gegenrichtung hatte Gerhard Pfister eingenommen, der von einer rechten Position (4.0) genau in die Mitte (0) gerückt war. Dies sei erst nach seiner Übernahme des CVP-Präsidiums passiert, was belege, so die NZZ, dass Pfister die CVP nicht nach rechts gezogen, sondern den rechten Flügel in die Partei integriert habe.

Im Ständerat waren die Lücken zwischen den Fraktionen geringer. Zwischen dem am weitesten «rechts» stehenden SP-Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH: -5.6) und der am weitesten «links» positionierten CVP-Ständerätin Anne Seydoux-Christe (JU) lagen knapp 2 Skalenpunkte. Mit Raphaël Comte (fdp, NE) fand sich gar ein FDP-Ständerat an dieser Position (-3.8). Allerdings war Comte damit relativ weit von seiner restlichen Ständeratsfraktion entfernt, bei der Philipp Müller (fdp, AG) bei 3.6 den rechten Rand einnahm. Auch hier war der Skalenabstand zur SVP, deren Spektrum sich zwischen den beiden Schwyzer Ständeräten, Alex Kuprecht (6.9) und Peter Föhn (10.0) erstreckte, mit 3.3 Punkten kleiner als im Nationalrat.

Nationalratsrating

In der ersten Sitzung der Wintersession findet im Ständerat jeweils die Wahl des Büros statt. Mit Raphaël Comte (fdp, NE) räumte der jüngste Ständeratspräsident seit 140 Jahren seinen Stuhl, um seinem ersten Vizepräsidenten, Ivo Bischofberger (cvp, AI), Platz zu machen. Das vergangene Jahr sei den Rätinnen und Räten der kleinen Kammer wahrscheinlich sehr lange vorgekommen, er selber habe den Eindruck, erst vor wenigen Sekunden auf dem Präsidentensessel Platz genommen zu haben – so der scheidende Comte. Zum Glück entspreche die Schweiz nicht dem von Brecht beklagten unglücklichen Land, das Helden brauche. Vielmehr sei der ständige Wechsel im Präsidium eben auch ein Zeichen dafür, dass die Macht in vielen Händen liege und kollektiv ausgeübt werde. Präsidenten kämen und gingen und seien letztlich nur Diener der Institutionen, die alleine zählten und Freiheit und Recht garantierten.
Die Streichmusik Neff, die – so Comte abschliessend – „donne vraiment envie d'aller à Appenzell“, umrahmte die Wahl von Bischofberger, der mit 43 von 43 gültigen Stimmen zum neuen Präsidenten gewählt wurde; einer der 45 eingelangten Wahlzettel blieb leer und einer war ungültig.
Der 194. Ständeratspräsident nahm den Ball seines Vorgängers auf und erinnerte an die beiden Bronzestatuen beim Haupteingang des Parlamentsgebäudes. Der alte Mann und der Jüngling gemahnten daran, dass alles, was im Parlament geschehe, bald Teil der Vergangenheit sei. Auch sein Präsidialjahr werde in einem Jahr Geschichte sein. Er werde es unter das Motto „Klein, aber wertvoll“ stellen. Auch kleine Kantone würden wichtige und nützliche Beiträge für den Zusammenhalt des Landes liefern. Föderalismus habe einen hohen Stellenwert, was sich nicht zuletzt in der Debattenkultur im Ständerat zeige, der Sorge zu geben sei. Vom Zeitgeist der Effekthascherei und dem einfachen Schwarz-Weiss-Schema dürfe sich die kleine Kammer nicht anstecken lassen.
In der Presse wurde Bischofberger als beharrlich und engagiert beschrieben. Konkordanz und Kompromiss würden beim Appenzell-Innerrhoder gross geschrieben. Allerdings wolle er es auch allen recht machen, was nicht immer nur positiv sei (TA). Der „naturfröhliche“ und bodenständige Bischofberger reiche nur sehr sparsam, aber immer sehr gut vorbereitete Vorstösse ein, er sei ein akribischer Schaffer (NZZ).
Im Anschluss wurden die weiteren Mitglieder des Büros gewählt. Zur ersten Vizepräsidentin wurde Karin Keller-Sutter (fdp, SG) gekürt. Sie erhielt 39 von 40 gültigen Stimmen. Eine Stimme ging auf Diverse, vier der 44 eingelangten Wahlzettel blieben leer. Die Reihe war erneut an der CVP, die mit Jean-René Fournier (cvp, VS) den zweiten Vizepräsidenten stellt. Fournier, der also nach Keller-Sutter im Jahr 2017/2018 das Präsidium 2018/2019 übernehmen wird, erhielt 41 von 43 gültigen Stimmen. Auf zwei Wahlzetteln standen andere Namen und zwei der 45 eingelangten Wahlzettel blieben weiss. Als Nächstes stand die Wahl der Stimmenzählerin an, die ebenfalls zum Büro gehört und – unter der Bedingung ihrer Wiederwahl bei den eidgenössischen Wahlen 2019 – die kleine Kammer 2019/2020 präsidieren wird: Géraldine Savary (sp, VD) erhielt 37 von 41 gültigen Stimmen, von denen vier an Diverse gingen. Bei der Genossin aus der Waadt blieben vier der 45 eingelangten Wahlzettel leer. Abgeschlossen wurde der Reigen mit der Wahl von Alex Kuprecht (svp, SZ) zum Ersatzstimmenzähler. Auch er erhielt 37 Stimmen, allerdings von 39 gültigen. Auf sechs der 45 eingelangten Wahlzettel fand sich kein Name.

Ständerat - Wahl Präsidium / Büro 2016
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Mit der Wahl des 36 Jahre alten Raphaël Comte (fdp, NE) wurde der jüngste Ständeratspräsident seit 140 Jahren gewählt. Comte war 2010 als Nachfolger des 2009 zum Bundesrat gekürten Didier Burkhalter von der Neuenburger Bevölkerung in den Ständerat gewählt worden – damals erst 30 Jahre alt. In den sechs Jahren im Ständerat gelang es dem Neuenburger Freisinnigen, der bereits als 20-jähriger ins Gemeindeparlament und mit 21 Jahren ins Kantonalparlament gewählt worden war und als jüngster Parteipräsident in der Neuenburger Geschichte mit 24 Jahren die kantonale FDP-Spitze übernahm, sich als eigenständiger Kopf zu profilieren. Er gilt in der FDP-Fraktion als Linksliberaler und wich etwa bei der Energiestrategie oder der Altersvorsorge 2020 von der Parteilinie ab, was ihm bei anderen Parteien auch den Ruf eines Partners einbrachte, mit dem man Kompromisse schmieden kann. Der ausgebildete Jurist Comte hat die Politik zum Beruf gemacht – im Express wurde er entsprechend als „animal politique“ beschrieben. Laut einem Interview in der NZZ sieht Comte diese Professionalisierung aber durchaus als Vorteil an, weil man im Ständerat ein Generalist sein müsse und ein beruflicher Hintergrund zwar in bestimmten Bereichen eine Spezialisierung erlaube, eine breite Optik auf alle Geschäfte aber eher verhindere. In zahlreichen Medien wurde Comte auch als möglicher zukünftiger Bundesrat gehandelt und mit einem berühmten Vorgänger verglichen: Numa Droz, der vor 140 Jahren jüngste Ständeratspräsident der Geschichte, war später Bundesrat geworden und hatte ebenfalls der Neuenburger FDP angehört.
Zum Auftakt der 50. Legislatur wurde Comte schliesslich mit allen 44 gültigen Stimmen (ein Wahlzettel blieb leer) mit einem Glanzresultat zum Präsidenten der kleinen Kammer gewählt. In seiner Rede erinnerte er an den 2013 verstorbenen Pankraz Freitag (fdp, GL), der eigentlich an seiner Stelle sein müsste. In der Tat war Comte 2013 als Nachfolger von Freitag von seiner Partei für das Amt des zweiten Vizepräsidenten bestimmt worden. Dies zeige, so Comte, dass der Zufall und äussere Umstände wichtig seien. Weil man nicht immer alles in der eigenen Hand haben könne, sei Demut insbesondere in der Politik wichtig. Zudem bedankte er sich bei seinem Vorgänger Claude Hêche (sp, JU) und rief für die neue Legislatur zur Zusammenarbeit auf. Insbesondere in der Chambre de Réflexion müsse man lösungs- und nicht problemorientiert sein. Die Parteien sollen im Vorzimmer der kleinen Kammer bleiben. Zudem kündigte der neu gekürte Ständeratspräsident eine „Tour de Suisse“ an: Er wolle in jedem Kanton die Bevölkerung an einer kantonstypischen Veranstaltung treffen.
In seiner neuen Rolle als Vorsitzender präsidierte Comte schliesslich die Wahl des Büros des Ständerates: Ivo Bischofberger (cvp, AI) wurde vom Rat mit 45 von 46 eingelangten Stimmen bestätigt. Erneut war ein Wahlzettel leer geblieben. 42 von 46 Stimmen entfielen auf Karin Keller-Sutter (fdp, SG), die damit zur zweiten Vizepräsidentin gekürt wurde. Diesmal blieben 3 Wahlzettel leer und einer ungültig. Zum Stimmenzähler wurde Jean-René Fournier (cvp, VS) ernannt (38 Stimmen, 1 leerer und 1 ungültiger Wahlzettel, 4 Stimmen für Diverse), Ersatzstimmenzählerin wurde Géraldine Savary (sp, VD) (35 Stimmen, 6 leer, 2 ungültig, 2 Diverse). Alex Kuprecht (svp, SZ) schliesslich wurde zum weiteren Mitglied des Büros gewählt (38 Stimmen, 4 leer, 3 Diverse). Diese sechs Personen werden fortan das Büro des Ständerats bilden. Normalerweise rutschen die gleichen Personen im Folgejahr in der Hierarchie des Büros jeweils einen Rang nach oben.

Wahl des Ständeratspräsidenten 2015
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros