Nachdem der Ständerat die bundesrätliche Vorlage ohne Änderungen gutgeheissen hatte, beugte sich in der Herbstsession 2023 auch der Nationalrat über die Botschaft zur Änderung des Eisenbahngesetzes (EBG) sowie zur Umsetzung der technischen Säule des 4. EU-Eisenbahnpakets. Für die KVF-NR erläuterten Isabelle Pasquier-Eichenberger (gp, NE) und Kurt Fluri (fdp, SO) die grosse Bedeutung der Harmonisierung technischer Vorgaben für die exportorientierte Bahnindustrie der Schweiz sowie für den Personenverkehr. Die Kommissionsmehrheit beantragte ihrem Rat, dem bundesrätlichen Entwurf vorbehaltlos zuzustimmen. Auch Bundesrat Albert Rösti unterstrich die Wichtigkeit des Eisenbahnpakets für den internationalen Eisenbahnverkehr, dessen integraler Bestandteil die Schweiz sei. Die grosse Kammer beschloss daraufhin Eintreten ohne Gegenantrag.
Anlass zu Diskussionen gab aber wie bereits im Ständerat das Verbandsbeschwerderecht von Behindertenorganisationen: KVF-NR-Mitglied Bruno Storni (sp, TI) beantragte dem Nationalrat mit einem Minderheitsantrag, das Verbandsbeschwerderecht für Behindertenorganisationen explizit in die Vorlage aufzunehmen, um das Behindertengleichstellungsgesetz einzuhalten. Er forderte, dass das BAV seine Aufgaben und Funktionen bezüglich der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Schienenverkehr beibehalte. Das EU-Recht gehe im Bereich der Barrierefreiheit des öffentlichen Verkehrs weniger weit als das Schweizer Recht und bisher seien bei der European Railway Association (ERA) nur Teilaspekte der Schweizer Anforderungen aufgegriffen worden. Die Kommissionsmehrheit hatte sich laut Fluri mit 14 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen den Minderheitsantrag ausgesprochen, da mit diesem die angestrebte Harmonisierung und Verfahrensbeschleunigung teilweise aufgehoben würde und die «verfassungsrechtlich zugesicherte Autonomie von Menschen mit Behinderungen» im bundesrätlichen Entwurf gewährleistet sei. Mitte und GLP teilten die Meinung der Kommissionsmehrheit und stellten sich gegen den Minderheitsantrag. Unterstützung fand der Antrag bei der SP und den Grünen. Die Fraktionen der SVP und FDP verzichteten auf ein Votum.
Auch der Bundesrat lehnte das Anliegen Stornis ab, da der Antrag «mit dieser Vorlage unvereinbar» sei. Die Zulassungsverfahren würden laut Rösti so wieder erschwert. Das BAV prüfe weiterhin die Einhaltung des Behindertengleichstellungsgesetzes, worüber es der ERA Bericht erstatte. Die spezifischen Schweizer Anforderungen würden dadurch von der ERA berücksichtigt. Das Schweizer Verbandsbeschwerderecht sei zudem nicht mit den EU-Bestimmungen vereinbar. Rösti versicherte aber, dass betroffene Personen weiterhin Beschwerde einlegen könnten. Der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag schlussendlich mit 121 zu 70 Stimmen ohne Enthaltung ab.
In der Gesamtabstimmung hiess die grosse Kammer den bundesrätlichen Entwurf sodann – wie bereits der Ständerat – einstimmig gut.
Noch in derselben Session kam die Vorlage in die Schlussabstimmung. Beide Räte sprachen sich einstimmig bei 195 bzw. 44 zu 0 Stimmen ohne Enthaltungen für die Annahme des Entwurfs aus, womit das Geschäft erledigt war.