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  • Klimapolitik

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  • Nidegger, Yves (svp/udc, GE) NR/CN
  • Schlatter-Schmid, Marionna (gp/verts, ZH) NR/CN
  • Trede, Aline (gp/verts, BE) NR/CN

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Die für ein fakultatives Referendum nötigen 50'000 Unterschriften innert 100 Tagen zusammenzubringen, ist ohne viele motivierte Mitwirkende und eine gute Organisation nur in Ausnahmesituationen möglich. Für mitgliederstarke, organisatorisch gut eingespielte und referendumserfahrene Parteien wie die SVP ist ein Scheitern an der Unterschriftenhürde aber eine Seltenheit.
Es sorgte deshalb für einiges Aufsehen, als Parteipräsident Marco Chiesa (svp, TI) und Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) Mitte Dezember 2022 öffentlich die Alarmglocke läuteten, weil ihre Partei mit der Unterschriftensammlung fürs Referendum gegen das Klima- und Innovationsgesetz «massiv» im Hintertreffen sei: Nach mehr als der Hälfte der Sammelfrist fehlten noch 20'000 Unterschriften, und über die anstehenden Feiertage könne erfahrungsgemäss nicht mit vielen Unterschriften gerechnet werden.

Als Gründe für die Schwierigkeiten kursierten in der Presse verschiedene Erklärungen: Chiesa selbst gab im Sonntags-Blick an, das Engagement von Fraktionsmitgliedern und Kantonalparteien in der Unterschriftensammlung sei «ungenügend». Hinzu komme «Pech», weil nach den Rücktritten von Ueli Maurer (svp, ZH) und Simonetta Sommaruga (sp, BE) die Bundesratswahlen die Schlagzeilen dominierten und das Referendum deshalb weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhalten habe.
Auch die NZZ erwähnte die Bundesratswahlen, allerdings in etwas anderem Licht: Dass die SVP sich mit Blick auf den SP-Sitz von Beginn an zur Konkordanz bekannt und ihrerseits Albert Rösti (svp, BE) ohne nennenswerte Gegenwehr in den Bundesrat gebracht habe, habe «die frühere Oppositionspartei in den vergangenen Wochen züchtig und zahm gemacht»: Die Bundesratswahlen hätten gezeigt, dass die SVP selbst zum «Establishment» gehöre und sich dies für sie «wohlig anfühlt». Das «harmonisch-konkordante Schaulaufen» der Partei stachle die Basis nicht zum Unterschriftensammeln in der Kälte und zu einem Referendumskampf an.
Daneben wusste die NZZ noch von einem anderen Problemfaktor zu berichten: Im Büro des ehemaligen Nationalrats Ulrich Schlüer (ZH, svp), wo die ausgefüllten Unterschriftenbogen aus der ganzen Schweiz geordnet und für die Beglaubigung bereitgemacht würden, habe es gehapert. Schlüer scheine den Überblick über die Anzahl der bisher eingegangenen Unterschriften verloren und anfänglich eine viel zu tiefe Zahl genannt zu haben – in der Parteispitze sei gar von «Chaos» die Rede. Die Unzufriedenheit mit Schlüer gehe so weit, dass Christoph Blocher (ZH, svp) seinem langjährigen Weggefährten kurzerhand die ebenfalls laufende Unterschriftensammlung für die Neutralitätsinitiative entzogen und dort nun eigene Leute für das administrative Kampagnen-Management und die Unterschriften-Logistik eingesetzt habe, mutmasste die NZZ weiter.
Einen weiteren Erklärungsansatz für die Schwierigkeiten beim Referendum gegen das Klima- und Innovationsgesetz hielt Nationalrat Yves Nidegger (svp, GE) in 24heures bereit: Das Referendumsanliegen sei relativ kompliziert zu erklären, und im Gegensatz zum CO2-Gesetz, das die SVP ebenfalls gegen fast alle anderen Parteien bekämpft habe, gehe es zudem um Subventionen und Ziele statt um Preiserhöhungen und Verbote. Auf der Strasse mache es in den Augen der angesprochenen Passantinnen und Passanten deshalb nicht sofort «Klick» wie bei anderen Anliegen, mit denen sich die SVP profiliere.

Die Sorge vor einem blamablen Scheitern in der Unterschriftensammlung schien in der Bundeshausfraktion so gross, dass sie wenige Tage nach Chiesas Sonntags-Blick-Interview zu ungewöhnlichen Massnahmen griff: Zwar ist es bei der SVP üblich, dass den Fraktionsmitgliedern bei Referenden und Initiativen der Partei jeweils unverbindliche Zielvorgaben zur Anzahl zu sammelnder Unterschriften gemacht werden. Beim Klima- und Innovationsgesetz wurde nun aber auf Antrag von Nationalrat Alfred Heer (svp, ZH) nicht nur die ursprünglich bei 100 Unterschriften angesetzte Vorgabe auf 150 Unterschriften pro Fraktionsmitglied erhöht, sondern auch ein Strafgeld von 10 Franken pro fehlende Unterschrift festgelegt, welches Fraktionsmitglieder der Partei zu entrichten hätten, wenn sie ihre Zielvorgabe verpassen sollten. Der Beschluss, der mit 13 zu 11 Stimmen knapp und in Abwesenheit von mehr als der Hälfte der Fraktionsmitglieder gefällt worden war, sorgte in der Folge für einiges böses Blut. Nationalrat Roland Rino Büchel (svp, SG) etwa habe nach der Abstimmung die Sitzung kurzerhand verlassen, beim nächsten Geldautomaten 1500 Franken abgehoben und nach dem Motto «Ihr wollt Stutz statt Stimmen? Könnt ihr haben!» dem Fraktionschef noch in derselben Sitzung auf den Tisch «geknallt», wie die NZZ kolportierte. Sein Ratskollege Yves Nidegger wiederum liess sich in 24heures mit der Aussage zitieren, der Beschluss sei demotivierend und nicht umsetzbar, kurz: «in jeder Hinsicht idiotisch» («idiote à tous points de vue»). Jean-Pierre Grin (svp, VD) sprach gar von parteiinterner «Diktatur» und zeigte sich entschlossen, keinesfalls auch nur einen Rappen Strafgeld abzuliefern. Grin befürchtete, die kontroverse Massnahme könnte sogar kontraproduktiv wirken: Ein Fraktionskollege habe ihm gesagt, er werde unter diesen Voraussetzungen aus Protest keine Unterschriften mehr sammeln.

Ob trotz, wegen oder ungeachtet des umstrittenen Fraktionsbeschlusses: Die Unterschriftensammlung nahm in der Folge Fahrt auf, und schon zwei Wochen nach dem Läuten der Alarmglocke – und drei Wochen vor Ablauf der Sammelfrist – liess Kampagnenleiter und Nationalrat Michael Graber (svp, VS) in der NZZ verlauten, es sehe inzwischen «sehr gut» aus für das Zustandekommen des Referendums. In der Tat konnte die SVP letztlich sogar 103'015 gültige Unterschriften einreichen – doppelt so viele wie nötig. Seit fast zehn Jahren hatte überhaupt nur ein fakultatives Referendum (jenes gegen die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie) noch mehr Unterschriften erzielt.

SVP-Referendum gegen das Klimagesetz 2023

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2022 mit fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen mit dem Titel «Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur» von Vertreterinnen und Vertretern der Grünen-, der GLP-, der FDP.Liberalen-, der SP- sowie der Mitte-Fraktion. Marionna Schlatter (gp, ZH) und Jon Pult (sp, GR) erläuterten den Initiativtext und setzten sich dafür ein, dass in der Bundesverfassung ein Grundrecht auf eine gesunde Umwelt festgeschrieben wird. Zudem solle in der BV auch eine Grundlage dafür geschaffen werde, dass die Natur zumindest teilweise eine Rechtspersönlichkeit erhält. Nur dadurch könne der ungenügende Schutz der Natur justiziabel gemacht werden. Anschliessend empfahl Yves Nidegger (svp, GE) im Namen der Mehrheit der RK-NR, den fünf Initiativen keine Folge zu geben. Zum einen sei die Bestimmung des Rechts auf eine gesunde Umwelt zu unbestimmt, um dieses zu einem Verfassungsrecht zu erklären. Zum anderen sei die Forderung, die Natur zum Rechtssubjekt zu machen, in der Schweizer Rechtsordnung nicht vorgesehen, denn einem Rechtssubjekt stünden gemäss der hiesigen Rechtsordnung nicht nur Rechte zu, sondern oblägen auch gewisse Pflichten, die man der Natur nicht auferlegen könne. In der Abstimmung sprachen sich 87 Mitglieder des Nationalrates für Folgegeben aus, 101 votierten dagegen und 1 Person enthielt sich der Stimme. Gegen Folgegeben stimmten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie die fast geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte. Die fünf parlamentarischen Initiativen sind damit erledigt.

Fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen mit dem Titel "Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur"

Der Bundesrat präsentierte im September 2022 den Entwurf für die Revision des CO2-Gesetzes. Der Gesetzesentwurf beinhaltete Massnahmen für die Zeit von 2025 bis 2030 und knüpfte damit an das geltende CO2-Gesetz an, welches das Parlament bis 2024 verlängert hatte. Gemäss Botschaft habe der Bundesrat die Bedenken, die im Rahmen der letzten, gescheiterten Revision aufgekommen waren, ernst genommen und sehe daher keine neuen oder höheren Abgaben vor.
Das Ziel der Revision bestehe darin, die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 gegenüber 1990 um 50 Prozent zu reduzieren, wobei die Reduktion zu zwei Dritteln im Inland und zu einem Drittel mit Massnahmen im Ausland erfolgen soll. Für die Regelung der Rahmenbedingungen, unter welchen CO2-Emissionen der Schweiz mittels Projekten im Ausland kompensiert werden können, habe die Schweiz bereits verschiedene Abkommen mit einzelnen Staaten abgeschlossen, wie etwa jenes mit Peru.
Der Gesetzesentwurf sah Massnahmen in verschiedenen Bereichen vor; insgesamt sollen rund CHF 4.1 Mrd. in den Klimaschutz investiert werden:
Der Grossteil der Investitionen in der Höhe von rund CHF 2.8 Mrd. wollte der Bundesrat für Klimaschutzmassnahmen im Gebäudebereich aufwenden. Die Mittel aus der CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe sollen knapp zur Hälfte für Klimaschutzmassnahmen wie dem Gebäudeprogramm eingesetzt werden. Weitere Bereiche, die in den Genuss der Mittel aus der CO2-Abgabe kommen sollen, sind die Förderung von Geothermie und die Energieplanung einzelner Gemeinden. Auch soll der bereits bestehende Technologiefonds weiter alimentiert werden, mit dem unter anderem neu die Risiken beim Ausbau von Fernwärmenetzen abgesichert werden können. Die Bevölkerung und die Wirtschaft erhalten die übrigen circa 50 Prozent aus der CO2-Abgabe rückerstattet.
Im Verkehrsbereich sah der Bundesrat Mittel in der Höhe von rund CHF 800 Mio. vor. Damit soll die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ausgebaut und die Anschaffung von Elektrobussen für den öffentlichen Verkehr und für internationale Zugverbindungen gefördert werden. Im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr sollen den Transportunternehmen für die Bereitstellung neuer Angebote, inklusive Nachtzüge, bis Ende 2030 Finanzhilfen gewährt werden können. Im Bereich des Güterverkehrs sollen Elektro- und Wasserstofflastwagen bis 2030 von der LSVA befreit bleiben, um auch Anreize für CO2-arme Transportmittel zu schaffen. Ein solcher Anreiz soll auch für die Autoimporteure bestehen bleiben: Gemäss Botschaft werden die CO2-Zielwerte für importierte Fahrzeuge wie in der EU weiter verschärft; bei Nichteinhaltung der Zielwerte werden Strafen ausgesprochen.
Die Importeure von Benzin und Diesel müssen weiterhin einen Grossteil der CO2-Emissionen mit Klimaschutzmassnahmen kompensieren. 5 bis 10 Prozent der CO2-Emissionen aus Treibstoffen sollen die Importeure direkt durch das Inverkehrbringen erneuerbarer Treibstoffe einsparen.
Weiter möchte der Bundesrat die Anbieter von Flugzeugtreibstoffen dazu verpflichten, dem Kerosin, das in der Schweiz getankt wird, erneuerbare Treibstoffe beizumischen, wie es auch die EU vorsehe.
Gemäss Entwurf soll es künftig grundsätzlich allen Unternehmen offenstehen, sich von der CO2-Abgabe zu befreien, wenn sie eine CO2-Reduktionsverpflichtung abschliessen. Wie bis anhin sind Grossemittenten von der CO2-Abgabe ausgenommen, sie nehmen stattdessen am mit der EU verknüpften Emissionshandelssystem teil.
Schliesslich soll auch der Finanzmarkt einen Beitrag leisten, indem die die Aufsichtsbehörden zur Berichterstattung über die klimabedingten Risiken verpflichtet werden.

Mit dieser Botschaft beantragte der Bundesrat auch mehrere Vorstösse zur Abschreibung, namentlich ein Postulat Ammann (mitte, SG; Po. 19.3643), ein Postulat der UREK-SR (Po. 19.3949), eine Motion Trede (gp, BE; Mo. 19.4614) sowie eine Motion der KVF-NR (Mo. 21.3977).

CO2-Gesetz post 2024 (BRG 22.061)
Dossier: Wie geht es nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 weiter?

Im März 2021 reichten die Nationalrätinnen und Nationalräte Marionna Schlatter (Pa. Iv. 21.436; gp, ZH), Beat Flach (Pa. Iv. 21.437; glp, AG), Anna Giacometti (Pa. Iv. 21.438; fdp, GR), Nik Gugger (Pa. Iv. 21.439; evp, ZH) und Jon Pult (Pa. Iv. 21.440; sp, GR) fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen mit dem Titel «Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur» ein. Sie forderten damit nicht weniger als die Revision der Bundesverfassung (BV), mit dem Ziel, das Recht des Menschen auf eine gesunde Umwelt als Grundrecht festzuhalten sowie der Natur zumindest partiell den Status eines Rechtsobjekts zu verleihen.
Die RK-NR befasste sich im Mai 2022 mit den fünf Initiativen. Eine Mehrheit der Kommission (14 zu 11 Stimmen) kam dabei zum Schluss, dass den Initiativen keine Folge zu geben sei. Die Mehrheit vertrat die Ansicht, dass die Begriffe «gesunde Umwelt» sowie «Natur» zu unpräzise seien, um sie als grundrechtlichen Anspruch respektive als Rechtssubjekt in der BV zu verankern. Eine Minderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass die Initiativen die Chance bieten, um über Grundsatzfragen rund um den Schutz der Natur zu debattieren, und wollte ihnen daher Folge geben.

Fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen mit dem Titel "Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur"

Der Nationalrat beugte sich in der Frühjahressession 2022 als Erstrat über die umfassende Revision des Strassenverkehrsgesetzes. Die Debatte gliederte sich in drei Blöcke – erstens umweltfreundliche Technologien und automatisiertes Fahren, zweitens Anpassungen im Bereich Via sicura sowie drittens verschiedene kleinere Änderungen, quasi ein Varia-Block. Die Ziele der Revision bestanden gemäss Kommissionssprecher Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) in der Förderung umweltfreundlicher Technologien in der Mobilität sowie in der Überprüfung der Verkehrssicherheit.
Im ersten Block waren die neuen Bestimmungen für umweltfreundliche Technologien unbestritten; für etwas mehr Gesprächsbedarf sorgten die Regeln zum automatisierten Fahren: Die Grünen hatten hierzu drei Minderheitsanträge eingereicht: Eine Minderheit Schlatter (gp, ZH) wollte das automatisierte Fahren nur auf Autobahnen und -strassen sowie auf Nebenstrassen mit wenig Langsamverkehr zulassen. Eine weitere Minderheit Schlatter wollte das Inverkehrbringen von automatisierten Lieferrobotern verbieten. Eine Minderheit Trede (gp, BE) wiederum vertrat die Ansicht, dass Versuche mit Fahrzeugen mit einem Automatisierungssystem und die Erkenntnisse daraus nicht nur zu dokumentieren seien, sondern auch von unabhängiger Forschung begleitet werden sollen. Die Forschenden sollten dabei insbesondere die Konsequenzen für die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden untersuchen. Allerdings fand keiner dieser drei Anträge eine Mehrheit.
Der zweite Block zu den Anpassungen von Via Sicura gab in der grossen Kammer viel zu reden. Die Mehrheit des Rates war sich einig, dass den verantwortlichen Behörden und Gerichten bei Geschwindigkeitsübertretungen mehr Ermessensspielraum gewährt werden solle. Folglich wurde gegen den Widerstand der Grünen und Teilen der SP beschlossen, bei Raserdelikten die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr aus dem SVG zu streichen. Betreffend die Mindestentzugsdauer des Führerscheins bei Raserdelikten konnte sich ein Antrag Jauslin (fdp, AG), der demjenigen des Bundesrates entsprach, durchsetzen. Damit wurde die Mindestentzugsdauer von derzeit 24 Monate auf 12 Monate halbiert. Die Kommissionsmehrheit, welche 6 Monate gefordert hatte, sowie zwei links-grüne Minderheitsanträge, die sich für 18 respektive 24 Monate Mindestentzugsdauer ausgesprochen hatten, fanden folglich keine Mehrheit.
Im Rahmen des dritten Blocks wurde gegen den Willen des Bundesrates beschlossen, dass für fahrradfahrende Kinder bis 16 Jahre keine Helmpflicht gelten soll. Matthias Aebischer (sp, BE), Präsident von Pro Velo Schweiz, freute sich über diesen Entscheid, da das Ziel darin bestehen müsse, «dass möglichst viele Leute Velo fahren». Keine Mehrheit fanden zwei Minderheitsanträge Aebischer, wonach Fahrräder nur mit einem Mindestabstand von 1.5 Metern und im Kreisverkehr überhaupt nicht hätten überholt werden dürfen. Zudem beschloss der Nationalrat gegen den Willen der geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen sowie einzelner GLP- und Mitte-Mitglieder, dass neu auch motorisierte Zweiräder auf dem Trottoir abgestellt werden dürfen, sofern den zu Fuss Gehenden noch genügend Platz bleibt. Schliesslich beschloss die grosse Kammer, dass Rundstreckenrennen von Motorfahrzeugen in Zukunft grundsätzlich erlaubt werden sollen, aber der Bewilligung des jeweiligen Standortkantons bedürfen.
In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 156 zu 28 Stimmen deutlich angenommen. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden GP-Fraktion. Marionna Schlatter hatte schon in ihrem Eintretensvotum darauf hingewiesen, dass die Grünen die Vorlage ablehnen würden, falls nicht noch Verbesserungen vorgenommen würden. Die Vorlage würde ansonsten dazu führen, dass «die Verantwortung für die Sicherheit an die schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer» abgeschoben werde.

Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (BRG 21.080)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Auf Antrag der vorberatenden KVF-SR stimmte in der Wintersession 2021 auch der Ständerat der Motion Trede (gp, BE) zu, welche die Erarbeitung eines Konzepts zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Schienenpersonenverkehrs verlangte. Wie Kommissionssprecherin Häberli-Koller (mitte, TG) im Rat ausführte, teilte die Kommissionsmehrheit die Auffassung, dass das Angebot im internationalen Schienenpersonenverkehr ausgebaut werden solle, um die CO2-Emissionen im Mobilitätsbereich weiter zu senken.

Konzept zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Schienenpersonenverkehrs (Mo. 19.4614)
Dossier: Nachtzugverbindungen

In der Herbstession diskutierte der Nationalrat die vom Büro-NR ausgearbeitete Teilrevision des Parlamentsressourcengesetzes. Die Arbeiten gingen auf eine parlamentarische Initiative von Michael Töngi (gp, LU) zurück, die fordert, dass Parlamentsangehörige per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen. In der Zwischenzeit hatte der Bundesrat, angeregt von einer weiteren, allerdings in den Räten abgelehnten parlamentarischen Initiative Töngi (Pa.Iv. 19.408), in einer Verordnung festgelegt, dass Bundesangestellte nur noch mit dem Flugzeug reisen dürfen, wenn die Reisezeit mit dem Zug sechs Stunden überschreitet oder eine zusätzliche Übernachtung nötig ist. Für die Revision schlug das Büro-NR eine analoge Regelung vor – wie Aline Trede (gp, BE) als Sprecherin des Büros ausführte –, obwohl ursprünglich eine Reiseobergrenze von acht Stunden gefordert worden war. Auf die entsprechenden Nachfragen von Thomas Aeschi (svp, ZG) und Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) antwortete Aline Trede, dass Brüssel in dieser Vorlage der Knackpunkt gewesen sei, weil die Reise zum EU-Sitz etwas mehr als 6 Stunden mit dem Zug beanspruche. Es gehe aber bei der Vorlage primär darum, sich bewusst zu werden, dass nicht für alle Reisen das Flugzeug nötig sei. In der Folge doppelte Thomas Aeschi nach und rechnete vor, dass nicht nur die Reise nach Brüssel, sondern auch nach Rom, Berlin und Wien mehr als sechs Stunden dauere. Auch der Passus mit der Übernachtung zeige, dass man es mit dem Gesetz nicht wirklich ernst meine und diese Schlupflöcher letztlich Verhaltensänderungen bei den Parlamentsmitgliedern verhindern würden, weshalb nicht auf die Vorlage eingetreten werden solle. Dieser Antrag wurde in der Folge mit 114 zu 57 aus der SVP-, der FDP und der Mitte-Fraktion stammenden Stimmen abgelehnt. Etwas mehr Unterstützung, nämlich 70 Stimmen wiederum aus den gleichen Fraktionen, erhielt der Minderheitsantrag Aeschi, der eine grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen Bahn- und Flugreisen lediglich dann vorgesehen hätte, wenn Flüge billiger sind als die entsprechende Reise mit dem Zug. Diskussionslos standen diesem Antrag allerdings 105 Stimmen gegenüber. Die darauffolgende Gesamtabstimmung passierte der Entwurf mit 114 zu 64 Stimmen (5 Enthaltungen).

Parlamentsangehörige sollen per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen (Pa.Iv. 19.407)

Im Dezember 2019 forderte Aline Trede (gp, BE) ein Konzept zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Personenverkehrs auf der Schiene. Trede argumentierte, dass die SBB den Ausbau aus Gründen des Klimaschutzes vorantreiben müssten. Der geforderte Plan solle insbesondere zu den Direktverbindungen in die umliegenden europäischen Städte, zu den Nachtzügen sowie zur Erschliessung der grenznahen Agglomerationen Auskunft geben. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. Er zeigte sich bereit, ein entsprechendes Konzept vorzulegen, und wollte dabei auch aufzeigen, wie sich eine allfällige Marktöffnung im internationalen Schienenpersonenverkehr auswirken würde. Nachdem Thomas Hurter (svp, SH) die Motion bekämpft hatte, wurde sie in der Sommersession 2021 im Nationalrat behandelt. Dort argumentierte Hurter, dass die Motion überholt sei, da die SBB bereits im Rahmen der strategischen Ziele 2019-2022 die Zielvorgabe erhalten hätten, den internationalen Personenverkehr auszubauen. Zudem sei auch nicht klar, wer diesen Ausbau, der nicht kostendeckend sei, bezahlen solle. Der Nationalrat folgte Hurters Argumentation indessen nicht und nahm die Motion mit 107 zu 77 bei 7 Enthaltungen an. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion, von der Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion sowie von einigen wenigen Mitgliedern der Mitte-Fraktion.

Konzept zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Schienenpersonenverkehrs (Mo. 19.4614)
Dossier: Nachtzugverbindungen

Gemäss des Kundgebungsreglements der Stadt Bern gilt während Sessionen des eidgenössischen Parlaments auf dem Bundesplatz ein Demonstrationsverbot. Weil dieses Verbot nicht haltbar sei – insbesondere während Sessionen sollten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, ihre Volksvertreterinnen und -vertreter auf ihre Sorgen aufmerksam zu machen – müsse sich der Bund bei der Gemeinde Bern für eine Aufhebung dieses Passus im Kundgebungsreglement einsetzen. Dies forderte Aline Trede (gp, BE) in ihrer Motion, mit der sie Aktionen und Demonstrationen auf dem Bundesplatz auch während Sessionen ermöglichen wollte, wie sie ihren Vorstoss betitelte. In der Nationalratsdebatte in der Sommersession 2021 erklärte die Bernerin, dass es ein Bewilligungsverfahren geben solle und Aktionen, die den Sessionsbetrieb zu stark störten oder gar die Sicherheit bedrohten, weiterhin nicht zugelassen werden dürften. Für das Büro-NR, das die Motion ablehnte, ergriff Roland Rino Büchel (svp, SG) das Wort. Das Kundgebungsverbot bestehe seit 1925 und gebe immer wieder Anlass zu Diskussionen. Man habe aber mit der Stadt Bern seit 2016 ein «Memorandum of Understanding», das Kleinstkundgebungen ohne Lärmemissionen erlaube. Die Zusammenarbeit mit der Stadt funktioniere gut. Die unbewilligte Klimademonstration während der letzten Woche der Herbstsession 2020 habe aber eben gezeigt, dass Störungen nicht nur wegen Lärm, sondern auch wegen der Blockierung der Zugänge zum Parlamentsgebäude auftreten können. Bereits früher habe der Nationalrat ähnliche Vorstösse abgelehnt und das Büro bringe nach wie vor dieselben Gegenargumente vor: Das Parlament müsse seine Arbeit «sicher, ordnungsgemäss und störungsfrei» ausführen können und die Stadt Bern sei verpflichtet, dies zu garantieren. Dies sah auch die Ratsmehrheit so und versenkte den Vorstoss mit 117 zu 67 Stimmen. Lediglich die SP- und die GP-Fraktion stimmten geschlossen für eine Öffnung des Demonstrationsverbots.

Aktionen und Demonstrationen auf dem Bundesplatz (Mo. 20.4244)

Am frühen Montagmorgen des 21. Septembers 2020, also zu Beginn der dritten Woche der Herbstsession der eidgenössischen Räte, besetzten einige Hundert Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten den Bundesplatz vor dem Bundeshaus in Bern. Die Medien waren sich rasch einig, dass dies ein geschickter, medienwirksamer Schachzug war, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Forderungen der Gruppierung, die sich «Rise up for Change» nennt, waren sehr vielfältig und bestanden gemäss einzelnen Medienberichten etwa aus der ökologischen Ausrichtung der Landwirtschaft oder der Verpflichtung des Finanzsektors, seine Geldflüsse offenzulegen. Auch sollen die Banken aufhören, in die fossile Industrie zu investieren. Zudem sei die Bevölkerung bei der Umsetzung der Klimaziele besser einzubeziehen. Da Kundgebungen auf dem Bundesplatz während den Sessionen des Parlaments seit 1925 verboten sind, war die Besetzung des Bundesplatzes illegal. Die Stadtberner Regierung stellte den Aktivistinnen und Aktivisten am Montagabend ein Ultimatum, den Bundesplatz bis am Dienstagmittag zu verlassen. Wie die Medien berichteten, gab es bereits vor diesem Ultimatum von Seiten des Ratsbüros von National- und Ständerat und von Politikerinnen und Politikern von rechts bis in die politische Mitte die Forderung an die Stadt Bern, den Bundesplatz schnellstmöglich zu räumen. Christian Imark (svp, SO) forderte den Bundesrat per Motion gar dazu auf, die Stadt Bern zu enteignen und somit auf dem Bundesplatz zukünftig selber für die Durchsetzung von Recht und Ordnung zu sorgen. Viele Politiker und Politikerinnen von rechts-bürgerlicher Seite, beispielsweise Peter Keller (svp, NW) oder Hans-Peter Portmann (fdp, ZH), warfen der Berner Stadtregierung vor, zu wenig hart durchzugreifen. Auch für die Medien war die Haltung der Berner Stadtregierung Anlass für ausführliche Berichterstattung. Sie spekulierten teilweise, dass sich die rot-grüne Berner Exekutive im Dilemma zwischen Durchsetzung der Rechtstaatlichkeit einerseits und Sympathie für die Protestierenden andererseits befinde und vor den Wahlen im November 2020 keine Fehler machen wolle. Linke Politikerinnen und Politiker äusserten mehr Verständnis für die Aktion und für die Haltung der Stadtregierung. Aline Trede (gp, BE) und Balthasar Glättli (gp, ZH) forderten in den Medien denn auch, das Verbot von Kundgebungen während der Session aufzuheben. Nachdem die Klimaaktivistinnen und -aktivisten auch ein zweites Ultimatum der Stadt Bern hatten verstreichen lassen, wurde das Camp rund 48 Stunden nach Beginn der Aktion von der Berner Polizei und Feuerwehr geräumt. Ob und was die Aktion für die Klimapolitik gebracht hatte, wurde von den Zeitungen unterschiedlich eingeschätzt. Die Weltwoche schrieb von «Erosion des Rechtsstaates» und «rechtsstaatlicher Verlotterung» und die NZZ war der Ansicht, dass die Platzbesetzung dem Anliegen des Klimaschutzes eher schade. Dem stimmte ein Kommentar im Blick zu, wonach die Aktivistinnen und Aktivisten mit dieser Aktion viele Leute verschreckt und keine neuen Sympathisanten dazu gewonnen hätten. Die linke Wochenzeitung fand den zivilen Ungehorsam angesichts der weltweiten Klimaerwärmung hingegen gerechtfertigt. Weiter wurde von den Medien vermutet, dass die Räumung den Klimaaktivisten helfe, weil nichts so langweilig gewesen wäre, wie ein Protest, der nicht geräumt werde, dann langsam an Besetzerinnen und Besetzern verliere und so schliesslich im Sande verlaufe. Auch habe die Klimabewegung durch das Protestcamp wieder an Schwung gewonnen, nachdem die Klimapolitik über Monate hinweg von der Corona-Pandemie überschattet worden sei.

Besetzung des Bundesplatzes durch Klimajugend
Dossier: Klimawandel in der Schweiz