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In seiner Rolle als Chefredaktor der Weltwoche betreibt Nationalrat Roger Köppel (svp, ZH) ein tägliches Videoformat, in dem er seine politischen Ansichten kundtut. Dabei schien er hinsichtlich Vermischung seines Mandats und seiner journalistischen Tätigkeit Ende März 2022 insofern eine Grenze überschritten zu haben, als dass er in seinem «Weltwoche daily» aus einer Notiz vorlas, die der APK-NR, der Köppel angehört, vertraulich vorgelegen hatte und geheimdienstliche Informationen über eine Razzia des russischen Geheimdienstes bei einer Schweizer Firma mit Sitz in Moskau enthielt. Köppel, der die Sanktionsmassnahmen der Schweiz gegen Russland im Rahmen des Ukraine-Krieges kritisierte, verwendete das Beispiel als Hinweis für eine zu befürchtende Reaktion Russlands auf die Sanktionen. Die Medien, die breit über den Vorfall berichteten, vermuteten eine Verletzung des Kommissionsgeheimnisses. In der Tat startete die Bundesanwaltschaft Anfang April eine entsprechende Untersuchung und reichte schliesslich Anfang Mai ein Gesuch um Aufhebung der Immunität ein. Auch die APK-NR war in der Zwischenzeit tätig geworden, hatte Anzeige gegen Köppel eingereicht und den Vorfall dem Büro-NR gemeldet, welches Disziplinarmassnahmen in Form eines Verweises oder eines maximal sechsmonatigen Ausschlusses aus der Kommission verfügen kann.
In den Medien wurde die Amtsgeheimnisverletzung ambivalent diskutiert. In Interviews gaben Parlamentarierinnen und Parlamentarier einerseits zu bedenken, dass Indiskretionen – egal ob gezielt oder aus Versehen – die Kommissionsverhandlungen erschweren. Andererseits gab es Medienkommentare, die die Ermittlungen als «Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit, die man mit einer Dauerempörung verdrängen will» bezeichneten und einen Verzicht auf noch mehr «Kommissare» und «Verfahren» (NZZ) forderten oder gar explizit lobten, dass hier «Vertrauliches ans Licht gebracht» wurde (Sonntags-Zeitung).

Das Gesuch der Bundesanwaltschaft um Aufhebung der Immunität von Roger Köppel musste in der Folge von den dafür verantwortlichen Kommissionen behandelt werden. Köppel selber gab offiziell bekannt, freiwillig auf seine Immunität zu verzichten, um Zeit und unnötige Kosten zu sparen – dies ist freilich nicht möglich, weil ein Ratsmitglied nicht von sich aus auf Immunität verzichten kann. Nicht eine Person ist durch Immunität geschützt, sondern ein Mitglied der Bundesversammlung als Institution, die in Form von Kommissionen über Aufhebung entscheidet. In der Folge kam es zu einer Premiere (vgl. dazu die aktuellen Fälle 21.190 und 22.190). Erstmals kam die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-NR) nämlich zum Entscheid, einem aktuell amtierenden Ratsmitglied die Immunität zu entziehen. Bevor sie zu diesem Entschluss kam, lud sie den SVP-Parlamentarier zu einer Anhörung, bei der dieser erklärte, das Dokument sei ihm in seiner Funktion als Journalist aus anderer Quelle zugespielt worden. Als Medienschaffender könne er freilich gar kein Amtsgeheimnis verletzen. Die IK-NR befand freilich, dass die vermutete Straftat der Amtsgeheimnisverletzung mit dem Parlamentsmandat in einem Zusammenhang stehe, unbesehen davon, ob Köppel als Journalist gehandelt habe oder nicht. Würden sich Medienschaffende, die ein Nationalratsmandat innehätten auf ihren Quellenschutz berufen können, so würden Abgeordnete mit dieser Berufsgattung von vornherein keine relative Immunität geniessen, was nicht deren Zweck sei, so die Begründung der Kommission. Diese mit 5 zu 3 Stimmen (1 Enthaltung) gemachte Feststellung bedeutete, dass die Kommission in einem ersten Schritt auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft um Aufhebung der Immunität eintrat. Die erwähnte Premiere betraf nun den zweiten Schritt der Kommissionsentscheidung. Erneut mit 5 zu 3 Stimmen (1 Enthaltung) entschied sich die IK-NR nämlich für eine Aufhebung der relativen Immunität von Roger Köppel. Um einen solchen Entscheid fällen zu können, muss eine Interessenabwägung zwischen institutionellem Interesse (reibungsloser Ablauf des Ratsbetriebs ermöglichen) und rechtsstaatlichem Interesse an einem Strafverfahren (eine schwere Straftat soll möglichst aufgeklärt werden) vorgenommen werden. Dass die APK-NR die Amtsgeheimnisverletzung angezeigt habe, sei ein Indiz dafür, dass die beiden Interessen mindestens deckungsgleich seien, was die Aufhebung der Immunität anzeige, so die Begründung der IK-NR. Erneut zeigten sich die Medien mit diesem Entscheid, über den sie breit berichteten, nur bedingt einverstanden. Im Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler sollen Parlamentsmitglieder «recherchieren dürfen, attackieren dürfen, polemisieren dürfen». Eine Demokratie habe dies auszuhalten und nicht zu verfolgen, fand der Sonntags-Blick. Köppels Fall sei nicht im Gerichtssaal, sondern im Parlament zu behandeln, urteilte der Tages-Anzeiger. Die Strafjustiz könne ihre Energie sicherlich besser nutzen. Auch der Blick nahm den Journalistenkollegen in Schutz: Man könne heute nicht mehr «glaubwürdig ein guter Chefredaktor und ein guter Nationalrat sein».

Freilich war der Entscheid der IK-NR erst vorläufig, musste das Gesuch der Bundesanwaltschaft doch auch noch von der ständerätlichen Rechtskommission (RK-SR), die sich für die kleine Kammer mit Immunitätsfragen auseinandersetzt, behandelt werden. In ihrer Sitzung Ende Juni trat auch die RK-SR einstimmig auf das Gesuch ein. Der Zusammenhang zwischen Straftat und Parlamentsmandat sei klar gegeben, die relative Immunität also betroffen. Allerdings entschied sich die RK-SR sodann mit 9 zu 0 Stimmen (3 Enthaltungen) gegen eine Aufhebung der relativen Immunität. Die Amtsgeheimnisverletzung sei erwiesen und es müsse befürchtet werden, dass das EDA, von dem das Dokument stammt, die Kommissionen künftig weniger bereitwillig mit geheimen Informationen bedienen werde, begann die Kommission ihre Begründung. Die eine Bedingung für Aufhebung der relativen Immunität, das institutionelle Interesse, sei also gegeben, weil die Funktionsweise des Parlaments eingeschränkt worden sei. Allerdings müsse das strafrechtliche Interesse, die zweite Bedingung für eine Aufhebung der relativen Immunität, als sehr gering eingeschätzt werden, da eigentlich nur das Parlament bzw. dessen Kommissionen geschädigt würden, nicht aber die Öffentlichkeit. Eine Amtsgeheimnisverletzung müsse deshalb eher parlamentsintern als strafrechtlich geahndet werden; das Parlamentsrecht sehe hier genügend Sanktionsmöglichkeiten vor, die zudem eher präventive Effekte erzielen würden als eine Strafverfolgung, die ermöglicht werde, wenn der Schutz durch die relative Immunität aufgehoben würde. Der Tages-Anzeiger begrüsste dieses Urteil explizit: Die Entscheide der Behörden, die Arbeit der Medien zu erschweren, nehme in letzter Zeit zu, befand die Zeitung mit Blick auf jüngste Parlamentsentscheide: «Die Schaffung von Transparenz, so scheint es, gilt Teilen von Politik und Justiz als dringlich zu bekämpfendes Übel».

Damit ging das Geschäft des Parlaments zurück an die IK-NR, die es am 22. August 2022 noch einmal behandelte. Sie nahm den Ball ihrer Schwesterkommission auf und schwenkte auf die Idee parlamentsinterner Sanktionen statt Strafverfolgung um. Mit 4 zu 0 Stimmen (4 Enthaltungen) beschloss die IK-NR, die relative Immunität Köppels doch nicht aufzuheben. Man teile die Beurteilung der RK-SR, dass das strafrechtliche Interesse nur klein und eine parlamentsinterne Sanktion wohl effektiver sei. Mit 5 zu 3 Stimmen wies die IK-NR deshalb das Büro-NR an, entsprechende Disziplinarmassnahmen zu ergreifen. Die Medien interessierten sich in der Folge nur noch am Rande dafür, dass die Immunität Köppels nun doch nicht aufgehoben wird. Immerhin stiess die Einleitung des Disziplinarverfahrens durch das Büro-NR gegen Köppel Mitte September auf Interesse. Mit 11 zu 2 Stimmen habe sich das Büro dafür entschieden, wussten Tages-Anzeiger und Blick zu berichten.

Das Büro selber legte dann freilich Ende November 2022 eine Medienmitteilung vor, in der es ausführte, dass es nicht möglich sei, ohne Zweifel nachzuweisen, dass Roger Köppel das geheime Dokument als Journalist oder als Kommissionsmitglied erhalten habe. Weil der Zürcher SVP-Parlamentarier «glaubhaft dargelegt» habe «dass er die Umstände bedauert, künftig sorgfältiger vorgehen sowie die Ordnungs- und Verfahrensvorschriften weiterhin strikt beachten» werde, habe das Büro «in dubio pro reo» auf Disziplinarmassnahmen verzichtet. Im Wiederholungsfall behalte sich das Büro allerdings Massnahmen vor.

Immunität von Nationalrat Roger Köppel. Gesuch um Aufhebung (22.191)

Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass auch der Parlamentsbetrieb mit verschiedenen Ratings und Rankings vermessen werden kann, welche die Arbeit, den Einfluss oder die ideologische Positionierung der Parlamentsmitglieder zu bestimmen versuchen. Der Versuch, anschauliche Ranglisten zu erstellen und so auch durch Personalisierung die Komplexität von Politik zu reduzieren, dient vor allem den Medien, die sich auch 2019 den verschiedenen Analysen widmeten.

Den Beginn machte Anfang Juli eine neue Plattform namens «politik.ch» mit einer Auswertung der Präsenz während der ganzen bisherigen 50. Legislatur. «Präsenz» wurde dabei mit der Teilnahme an den total 4'076 Abstimmungen, die im Nationalrat bis zur vorletzten Session durchgeführt wurden, gemessen. Zum «Absenzenkönig von Bern» – so die Aargauer Zeitung, die über die Studie berichtete – wurde Roger Köppel (svp, ZH) gekürt. Er habe 22.4 Prozent aller Abstimmungen «geschwänzt», gefolgt von Martin Bäumle (glp, ZH; 21.9%) und Hans Grunder (bdp, BE; 21.7%). Frauen stimmten tendenziell disziplinierter ab, schloss die Zeitung, weil sich am anderen Ende der Skala Andrea Geissbühler (svp, BE), Barbara Keller-Inhelder (svp, SG) und Sandra Sollberger (svp, BL) fanden, die alle weniger als sechs der über 4'000 Abstimmungen verpasst hatten. Die Aargauer Zeitung liess die Protagonisten zu Wort kommen. Bei wichtigen Abstimmungen sei er vor Ort, nicht aber, wenn «das ausufernde Berufsparlament mit sich selbst beschäftigt» sei, verteidigte sich Roger Köppel. «Das Volk» habe sie ins Parlament gewählt und erwarte, dass sie an den Abstimmungen teilnehme, befand hingegen Andrea Geissbühler. Im Schnitt hatten die Nationalrätinnen und Nationalräte drei Prozent der Abstimmungen verpasst. Im Tages-Anzeiger wurde daran erinnert, dass «immer brav auf dem ehrwürdigen Nationalratssessel zu sitzen» nicht mit politischem Einfluss gleichzusetzen sei. Die wichtigsten Entscheidungen fielen nicht im Ratssaal, sondern «in den Kommissionen, in den Hinterzimmern des Bundeshauses und den Salons des Bellevue-Hotels».

Einen Versuch, diese Art von Einfluss zu messen, unternahm die Sonntagszeitung mit ihrem alle zwei Jahre publizierten «Parlamentarier-Rating». Hier erhält Punkte, wer viele Reden hält, in wichtigen Kommissionen sitzt und erfolgreich Vorstösse einreicht; wer innerhalb der eigenen Partei wichtige Funktionen innehat, einer starken Fraktion angehört, hohe Medienpräsenz hat und ausserhalb des Parlaments gut vernetzt ist. Wie schon zwei Jahre zuvor wies die Zeitung SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) als «mächtigsten» Parlamentarier aus, gefolgt von Pirmin Bischof (cvp, SO) und Thomas Aeschi (svp, ZG). Levrat sei «immer dabei, wenn es in der Schweizer Politik etwas anzuschieben oder zu blockieren» gelte. Allerdings falle die SP-interne grosse Lücke hinter Levrat auf. In den Top Ten gebe es kein weiteres SP-Mitglied, was darauf hindeute, dass die parteiinterne Erneuerung wohl noch nicht geschafft sei. Ausgerechnet bei den Frauen schneide die SP schlecht ab. Unter den 15 höchst bewerteten Frauen – diese Liste wurde von Tiana Angelina Moser (glp, ZH; total Rang 6) und Lisa Mazzone (gp, GE; Rang 13) angeführt – fänden sich lediglich zwei Genossinen: Maria Carobbio Guscetti (sp, TI; Rang 23) und Barbara Gysi (sp, SG; Rang 34). Für das Rating berücksichtigt wurden nur jene Parlamentsmitglieder, die seit Beginn der Legislatur in den Räten gesessen hatten und bei den eidgenössischen Wahlen 2019 wieder antreten wollten. Entsprechend war der 173. Rang auch der letzte. Dort befand sich Bruno Walliser (svp, ZH). Indem die Sonntagszeitung die Rangierung hinsichtlich Medienpräsenz mit der Gesamtrangierung verglich, machte sie auch «die grössten Blender» aus. Die drei Zürcher Abgeordneten Claudio Zanetti (svp), Roger Köppel (svp) und Regine Sauter (fdp) seien zwar «Lieblinge der Medien», spielten im Parlament aber «eine bescheidene Rolle».

Auf der Basis der Abstimmungen im Nationalrat berechnete die Sonntagszeitung in einer weiteren Analyse, wie häufig alle Volksvertreterinnen und -vertreter bei Gesamtabstimmungen in der 50. Legislatur zur Mehrheit gehört hatten. Wenig überraschend fanden sich auf den vorderen Rängen – die Sonntagszeitung nannte sie «die Erfolgreichsten» – Mitglieder der CVP- und der BDP-Fraktion, die jeweils mit links oder rechts oder innerhalb einer grossen Koalition Mehrheiten schaffen. Angeführt wurde die Liste von Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL), die bei 98.5 Prozent aller Gesamtabstimmungen gleich wie die Mehrheit gestimmt hatte, was ihr in der Weltwoche den Titel «[d]ie mit dem Strom schwimmt» einbrachte. Auf Platz zwei und drei folgten Viola Amherd (cvp, VS; 98.3%) und Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS; 98.2%). Bei den 68 «Erfolglosesten» handelte es sich durchgängig um SVP-Fraktionsmitglieder, angeführt von Erich Hess (svp, BE; 46.8%), Toni Brunner (svp, SG; 48.8)%) und Pirmin Schwander (svp, SZ; 49.8%).

Mitte Oktober warteten dann schliesslich die NZZ und Le Temps mit ihrem alljährlich erscheinenden «Parlamentarier-Rating» auf. Erneut wiesen die auf der Basis des Abstimmungsverhaltens vorgenommenen Positionierungen der Parlamentsmitglieder auf einer Skala von -10 (ganz links) bis +10 (ganz rechts) auf eine zunehmende Homogenisierung innerhalb der Parteien hin. Insbesondere an den Polen habe die Fraktionsdisziplin ein noch nie gekanntes Ausmass erreicht, so die NZZ. So hätten sich die Mitglieder der SP-Fraktion vor den Wahlen 2015 auf einer Skalen-Spannweite von 3.4 Punkten verteilt, im aktuellen Rating betrage dieser Wert lediglich noch 1.2 Punkte. Die Extrempositionen in der SP besetzten im aktuellen Rating Silvia Schenker (sp, BS; -10.0) und Adrian Wüthrich (sp, BE; -8.8). Eine im Vergleich zu 2015 wesentlich grössere Fraktionsdisziplin wiesen bei dieser Berechnung auch die Grünen auf. Lagen das am meisten linke und am meisten rechte grüne Fraktionsmitglied 2015 noch um 2.7 Skalenpunkte auseinander, trennten Maya Graf (gp, BL; -9.2) und die drei ganz am linken Rand politisierenden Michael Töngi (gp, LU; -10.0), Irène Kälin (gp, AG; -10.0) und Regula Rytz (gp, BE; -10.0) im Jahr 2019 lediglich noch 0.8 Skalenpunkte. Damit waren die Grünen im Durchschnitt erstmals seit 2011 wieder weiter links positioniert als die SP: «Les Verts n'ont jamais été aussi à gauche», war dies Le Temps gar die Überschrift der Analyse wert. Am anderen Ende der Skala, bei der SVP, verringerte sich der Wert der Spannweite von 3.7 auf 1.2 Punkte – ohne Berücksichtigung von Roberta Pantani (lega, TI), die zwar der SVP-Fraktion angehört, aber die Lega vertritt und mit einem Wert von 8.2 die am weitesten «linke» Position in der SVP-Fraktion im Nationalrat vertrat. Gleich drei SVP-Nationalräte politisierten ganz rechts aussen und wiesen einen Skalenwert von 10.0 aus: Toni Brunner, Luzi Stamm (svp, AG) und Adrian Amstutz (svp, BE). Jean-Pierre Grin (svp, VD) fand sich bei Position 8.8 und war damit das am weitesten links positionierte Mitglied der SVP im Nationalrat. Selbst bei der CVP war eine Disziplinierung festzustellen: Es zeigte sich im Vergleich zu 2015 ein Rückgang der Spannweite von 3.6 auf 2.6 Punkte, wobei die Fraktion im Vergleich zum Vorjahr zahlreiche Mitglieder leicht rechts von der Mitte aufwies und sich von -1.0 (Dominique de Buman; cvp, FR) bis 1.6 (Philipp-Matthias Bregy; cvp, VS) erstreckte. Die der CVP-Fraktion angehörenden EVP-Mitglieder waren wesentlich weiter links als ihre Fraktion: Niklaus Gugger (ZH) wurde auf der Skala bei -4.2 und Marianne Streiff-Feller (BE) bei -4.3 eingestuft. Die restlichen drei Fraktionen hingegen waren im Vergleich zu 2015 heterogener geworden. Bei der FDP war die Zunahme von 2.5 auf 2.6 Skalenpunkte freilich minim. Die Fraktionsgrenzen wurden bei den Freisinnigen von Walter Müller (fdp, SG; 4.5) und Christa Markwalder (fdp, BE; 1.9) eingenommen. Grössere Sprünge machten die BDP und die GLP. Während sich bei der BDP die Spannweite im Vergleich zu 2015 von 1.2 auf 2.0 fast verdoppelte – wie schon 2015 deckte Rosmarie Quadranti (bdp, ZH; -1.7) die linke Flanke ab, während sich Hans Grunder (bdp, BE; 0.3) am rechten Rand der BDP positionierte – wuchs die Heterogenität innerhalb der traditionell eigentlich sehr homogenen GLP von 0.5 auf 2.7 Skalenpunkte an. Hauptgrund dafür war Daniel Frei (glp, ZH), der von der SP in die GLP gewechselt hatte und mit seiner Position von -5.7 zwar weit weg vom rechten Rand der SP (-8.8), aber auch weit weg vom linken Rand der bisherigen GLP-Mitglieder war. Dieser wurde von Kathrin Bertschy (glp, BE; -3.5) eingenommen, die in der Tat lediglich 0.5 Skalenpunkte von Martin Bäumle (-3.0), also dem rechten GLP-Rand, positioniert war. Die politische Landschaft verarme, schloss die NZZ aus diesen Zahlen. Vor allem zwischen den Mitte- und den Polparteien klaffe eine Lücke. Dort hätten früher moderate SVP- und SP-Vertreter als Brückenbauer gewirkt. Schuld für die zunehmende Fraktionsdisziplin seien aber nicht nur die Parteizentralen, sondern auch die wachsende Zahl an zu behandelnden Geschäften, bei denen Parlamentsmitglieder keine fundierte eigene Meinung mehr bilden könnten und deshalb gemäss der Empfehlung der Parteileitung stimmten.
Die zahlreichen auf die neue Legislatur 2019 bis 2023 hin angekündigten Rücktritte im Ständerat veranlasste die Verfasser des Ratings zur Spekulation eines Rechtsrutschs der kleinen Kammer nach den Wahlen 2019. Die politische Mitte des Ständerats befinde sich bei Pirmin Bischof, also bei -2.8. Da elf zurücktretende Kantonsvertreterinnen und -vertreter links und lediglich sieben rechts von Bischof seien und alle zurücktretenden im Schnitt deutlich linker (-5.3) positioniert seien als die wieder antretenden (-2.3), stellten die Ständeratswahlen vor allem für Mitte-Links eine Herausforderung dar, so die NZZ. Eindrücklich liess sich dies anhand von Raphaël Comte (fdp, NE) nachzeichnen. Der Neuenburger Freisinnige positionierte sich mit -5.7 näher bei Daniel Jositsch (sp, ZH), der mit -6.8 den rechten Rand der SP in der kleinen Kammer besetzte, als bei seinem am weitesten rechts positionierten Fraktionskollegen Philipp Müller (fdp, AG; 4.5) und dem Schnitt der FDP (2.3). Da Comte nicht mehr antrete, sei wohl auch in der FDP mit einem Rechtsrutsch in der kleinen Kammer zu rechnen.

Nationalratsrating

In der Sommersession versenkte der Nationalrat die parlamentarische Initiative Köppel (svp, ZH), mit der eine Halbierung der Bezüge der Parlamentsmitglieder gefordert wurde. Unterstützung erhielt der bei der Abstimmung nicht anwesende Zürcher Nationalrat lediglich von 41 der 63 stimmenden SVP-Fraktionsmitglieder. Die restlichen 22 stimmten gemeinsam mit den anderen 123 anwesende Nationalrätinnen und Nationalräten für die Beibehaltung der bestehenden Entschädigungen.

Halbierung der Bezüge (Pa.Iv. 17.505)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Als «kontraproduktiv» bezeichnete das Büro-NR in seinem Bericht die parlamentarische Initiative Köppel (svp, ZH), mit der die Halbierung der Bezüge von Parlamentsmitgliedern gefordert wurde. Das bestehende Entschädigungssystem wahre nicht nur den Milizgedanken, sondern erlaube auch eine effiziente und sachliche Behandlung der Ratsgeschäfte. Beides sei mit einer Halbierung der Bezüge nicht mehr gewährleistet, da die Gefahr bestehe, dass nur noch Personen ein Parlamentsmandat übernehmen würden, die nicht auf Einkommen angewiesen seien – im Bericht des Büros wurde vor einem «Mandat als Hobby» gewarnt – oder mit ihrem Beruf bereits eine starke Politikorientierung hätten, wie es beispielsweise bei Verbands- oder Gewerkschaftsvertretenden der Fall sei. Das Büro verwies zudem auf seine Idee einer Pauschalregelung, die freilich in der Zwischenzeit zurückgezogen worden sei.
Eine aus den drei SVP-Mitgliedern bestehende Büro-Minderheit monierte hingegen, dass die heutige Entschädigung einer gut bezahlten Vollzeitstelle im Berufsleben entspreche und damit der Entwicklung hin zu einem Berufsparlament Vorschub geleistet werde. Nur eine Halbierung würde Anreize setzen, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier wieder vermehrt einem Beruf ausserhalb des Parlaments nachgehen würden.

Halbierung der Bezüge (Pa.Iv. 17.505)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Eine Halbierung der Bezüge von Parlamentsmitgliedern fordert Roger Köppel (svp, ZH) mit einer parlamentarischen Initiative. Die «verhängnisvolle Entwicklung», die immer weiter weg vom eigentlichen Milizparlament führe, solle damit aufgehalten werden, so der Zürcher SVP-Parlamentarier. Die Höhe der aktuellen Entschädigungen führe dazu, dass immer weniger Parlamentarierinnen und Parlamentarier noch einem Beruf nachgingen. Es gäbe je länger je mehr nur noch «Berufspolitiker» oder «privatisierende Millionäre», aber kaum mehr «Selbstverantwortliche, aktive Unternehmer oder echte Angestellte». Die Entschädigungen würden zudem einen Anreiz für unnötige und ausufernde Sitzungen bieten. Köppel, der mit seinem Vorstoss einen altbekannten Vorschlag von Christoph Blocher aufnahm, schlug konkrete Zahlen vor, die der Hälfte der aktuell im Parlamentsressourcengesetz aufgeführten Beträge entsprechen: CHF 13'000 Jahreseinkommen für die Vorbereitung der Ratsarbeit; CHF 220 Taggeld; CHF 220 Entschädigung für die Kommissionspräsidien; CH 110 Entschädigung für Berichterstattung. Diese Ressourcen sollen zudem steuerbar sein. Auch die steuerfreien Zulagen für die Rats- bzw. Vizepräsidien sollen auf CHF 22'000 bzw. CHF 5'500 gekürzt werden. Explizit ausnehmen wollte Köppel Bereiche, die bereits von anderen Vorstössen ins Visier genommen wurden: Bezüge für Mahlzeiten, Mitarbeitende, Übernachtungen oder Reisen.

Halbierung der Bezüge (Pa.Iv. 17.505)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Ende November 2017 löste ein Artikel in der Zeitung Le Temps über Yannick Buttet (cvp, VS) eine Debatte aus, mit der die aktuellen Diskussionen um #metoo – ein Kürzel, das im Rahmen der Anklage gegen den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein aufgekommen war und auf sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe aufmerksam machen will – auch in Bundesbern virulent wurden und die letztlich zur Demission des Walliser Nationalrats führten.

Le Temps berichtete, dass gegen Buttet eine Klage wegen Stalking eingereicht worden sei. Er habe eine Frau, mit der er eine aussereheliche Beziehung gehabt habe, seit dem Ende dieser Beziehung über ein Jahr lang mit Sprachnachrichten und Telefonanrufen eingedeckt. Als er sie an ihrem Wohnort aufgesucht habe, habe die Frau die Polizei gerufen, die Buttet im Garten der ehemaligen Geliebten verhaftet habe.
Buttet bestritt die Vorwürfe nicht. Eine Ehekrise habe sein Verhalten beeinflusst und er entschuldige sich bei all jenen, «que j’ai pu blesser involontairement» (Le Temps). Anlass zu den Diskussionen gaben allerdings weniger das Privatleben von Buttet und der Stalking-Vorwurf – auch wenn zahlreiche Medien dem als wertkonservativ bezeichneten CVP-Vizepräsidenten, der sich für ein traditionelles Familienbild einsetze, Heuchelei vorwarfen («Ausgerechnet der Saubermann» titelte etwa der Tages-Anzeiger). Eine Debatte lösten vielmehr die von Le Temps in Bundesbern eingeholten Reaktionen verschiedener Politikerinnen und Journalistinnen auf die Affäre Buttet aus: Buttet habe «des pulsions sexuelles incontrôlées»; wenn er trinke, ändere sich seine Persönlichkeit: «Il se comporte mal et il a des gestes déplacés»; «il va trop loin et il ne connaît plus de limites», gaben die befragten Frauen zu Protokoll. Gar von «dérapages choquants» war die Rede. «Si tu couches, je vote pour ta motion» sei einer Parlamentarierin angeboten worden. Die Interviewten wollten allerdings anonym bleiben. Sie müssten um ihre Karriere fürchten, wenn sie sich öffentlich äussern würden. In der Folge nahm die Deutschschweizer Presse den Fall auf und weitete ihn aus. Anscheinend wisse nicht nur Buttet nicht, wo die Grenzen seien. Mehrere Parlamentarierinnen kamen zu Wort und berichteten über «unangebrachte Gesten, die sie wirklich darüber nachdenken lassen, wohin sie gehen oder ob sie es noch wagen, mit gewissen Personen den Lift zu nehmen» (Céline Amaudruz; svp, GE), über «sexistische Sprüche» (Yvonne Feri; sp, AG) oder gar Vergewaltigungsdrohungen in Kommissionssitzungen (Maria Roth-Bernasconi; sp, GE). Viele Parlamentarierinnen erhielten Bemerkungen zu ihrer Kleidung, ihrem Make-Up, ihren Beinen, ihren Brüsten; viele wüssten nicht, wie sie reagieren sollten, würden resignieren und versuchten, damit zu leben.
Maya Graf (gp, BL) forderte als Präsidentin des Frauendachverbandes Alliance F eine Meldestelle für Parlamentsmitglieder, bei der sexuelle Belästigung gemeldet werden könne. Sexismus gehöre leider immer noch zur Tagesordnung; das sei im Parlament nicht anders. Freilich gab es auch Stimmen, die ein Sexismus-Problem im Bundeshaus als «Blödsinn» bezeichneten (Verena Herzog; svp, TG) und keinen Handlungsbedarf sahen. Um gewählte Nationalrätin zu sein, müsse man stark und durchsetzungsfähig sein und könne sich wohl zur Wehr setzen, befand Andrea Gmür (cvp, LU). Natalie Rickli (svp, ZH) warnte davor, nun gleich alle Männer im Bundeshaus unter Generalverdacht zu stellen. Auch Kathrin Bertschy (glp, BE) betonte im Tages-Anzeiger, dass sich die grosse Mehrheit der männlichen Kollegen auch bei informelleren Anlässen, in denen Alkohol fliesse, «normal und anständig» verhalten würde. Wie überall gebe es aber auch hier «ein paar Typen, die enthemmter sind und die Grenzen nicht kennen.»

Wie ambivalent die Debatte um #metoo ist und wie schwierig es eben ist, sich zu wehren, zeigten die Auseinandersetzungen um die Anschuldigungen von Céline Amaudruz zu den unangebrachten Gesten und ihren Bedenken, mit gewissen Personen den Lift zu benutzen. Nachdem der Sonntags-Blick kolportiert hatte, dass ihre Andeutung wohl Buttet gegolten haben müsse – der Walliser soll sie beim Apéro nach der Wahl von Ignazio Cassis in stark angetrunkenem Zustand belästigt haben –, wurde die Genferin laut Medien in ihrer Fraktion von Adrian Amstutz (svp, BE) heftig kritisiert. Sie schade der Partei und allen Parlamentariern, wenn sie Äusserungen mache ohne konkret zu werden und Namen zu nennen. Laut Sonntags-Blick habe die Genferin darauf unter Tränen das Fraktionszimmer verlassen. In seinem Editorial in der Weltwoche doppelte Roger Köppel (svp, ZH) nach: Das Klima im Bundeshaus sei «sexismusfeindlich», Männer stünden unter Generalverdacht. Und weiter: «Eine Politikerin, die ich noch nie ohne kurzen Rock oder hautenge Bluse gesehen habe, beschwert sich, sie würde mit gewissen Herren niemals in den Lift steigen.» Das Problem sei, so die Tribune de Genève, dass Frauen von Opfern zu Täterinnen gemacht würden – auch im Bundeshaus. Die «manipulierende Wirkung der medialen Öffentlichkeit» – so die Wochen-Zeitung – sei vor allem für Frauen verheerend, denen, wenn sie eine Anschuldigung vorbrächten, eine mediale Hetzjagd und die Ausleuchtung ihres Privatlebens drohe: «Kann eine Situation juristisch nicht eindeutig geklärt werden, bleibt die Geschichte vor allem an der Frau kleben. Sie kriegt den Schlampenstempel aufgedrückt.»

Buttet wurde kurz nach Bekanntwerden der Anschuldigungen von seinem Amt als CVP-Vizepräsident suspendiert. Einen Rücktritt als Nationalrat schloss Buttet vorerst allerdings aus, auch wenn sich gar CVP-Bundesrätin Doris Leuthard in die Debatte einbrachte. Falls die Vorwürfe korrekt seien, habe Herr Buttet ein Problem, sagte die Magistratin bei einem TV-Interview: «Alle diese Herren, die sich nicht zu benehmen wissen, nerven mich [...]. In der Politik ist das inakzeptabel», wurde das Interview bei RTS im Blick zitiert. Rund fünf Tage nach Bekanntwerden des Stalking-Vorwurfs liess sich Buttet krank schreiben. Er wolle eine Kur beginnen, um sein Alkoholproblem in den Griff zu kriegen, liess er über seinen Anwalt verkünden. Damit vermied er eine geplante Anhörung durch die Parteileitung. CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) nahm in der Folge vor der Presse Stellung. Buttets Verhalten sei in der Tat inakzeptabel, aber auch für ihn gelte die Unschuldsvermutung.
Freilich wurden nicht nur die Rücktrittsforderungen, sondern auch die Forderungen nach einem Parteiausschluss lauter. Insbesondere nachdem in Le Temps sechs weitere Frauen zu Wort gekommen waren, die detailliert sexuelle Belästigungen von Buttet beschrieben, und nachdem bekannt wurde, dass die Walliser Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Nötigung eingeleitet hatte. Ohne mit seiner Partei das Gespräch gesucht zu haben, zog Buttet wohl auch deshalb die Reissleine und gab am Sonntag, 18. Dezember 2017 seine Demission als Nationalrat bekannt. Er erklärte via Communiqué, im Interesse der CVP und seiner Familie zurückzutreten. Er wolle sein Umfeld schützen und die notwendige Ruhe für den Heilungsprozess von seiner Alkoholabhängigkeit schaffen. Für Buttet, der Gemeindepräsident von Collombey-Muraz (VS) blieb, rutschte Benjamin Roduit (cvp, VS) in den Nationalrat nach.

Eine rasche Reaktion auf die Debatten zeigten die beiden Ratspräsidien. Karin Keller-Sutter (fdp, SG) und Dominique de Buman (cvp, FR) fassten eine «Lex Buttet» (Blick) ins Auge. Sexuelle Belästigung müsse verurteilt werden und gegen sie sei «mit aller Entschiedenheit» vorzugehen, so die Ständeratspräsidentin und der Nationalratspräsident in einem gemeinsamen Communiqué. Mitte Dezember legte die Verwaltungsdelegation in Absprache mit den Rats- und den Fraktionspräsidien dann ein Dokument vor, in dem den Parlamentsmitgliedern geraten wurde, sich bei sexueller Belästigung künftig an die Fraktionsspitzen oder eine externe Beratungsstelle zu wenden. Das Dokument hielt zudem den Unterschied zwischen einem Flirt und sexueller Belästigung fest, wie er auch im Ratgeber für Arbeitnehmende des Bundes vermerkt ist: Ein Flirt sei «aufbauend», «von beiden Seiten erwünscht» und löse «Freude aus», während sexuelle Belästigung «erniedrigend», «von einer Person nicht erwünscht» sei und «Ärger» auslöse. Mit diesem Dokument drifte die Debatte ins Lächerliche ab, bedauerte Natalie Rickli, als «fausse bonne idée» bezeichnete Doris Fiala (fdp, ZH) das Unterfangen laut Tages-Anzeiger. Leider mache man nur noch Witze, wenn man «wie Schulbuben» behandelt werde, obwohl es bei Stalking und sexuellen Belästigungen um wichtige Themen ginge. Géraldine Savary (sp, VD) befand es hingegen für nützlich, in Erinnerung zu rufen, «was normal sein sollte, es aber offenbar nicht für alle ist». Es sei gut darüber zu reden, weil das vor allem den Frauen helfe, sich bewusst zu werden, dass man Grenzen setzen dürfe und müsse, gab sie dem Tages-Anzeiger zu Protokoll.

Einige Medien reflektierten ihre eigene Rolle in der Affäre: Buttets Karriere ende, bevor erwiesen sei, ob und was er sich zuschulden habe kommen lassen – so etwa die Basler Zeitung. Die Unschuldsvermutung habe keinen Wert mehr und in den letzten drei Wochen habe eine «veritable Hetzjagd» mit zahlreichen anonymen Beschuldigungen stattgefunden. Nur eine Frau habe aber genug Rückgrat gehabt, Buttet anzuzeigen, seine ehemalige Geliebte. Die «tolérance zéro» sei zur Norm im Parlament geworden, urteilte die Tribune de Genève und stellte einen Vergleich mit dem Rücktritt von Jonas Fricker (gp, AG), dem Wirbel um ein aussereheliches Kind von Christophe Darbellay (VS, cvp) und der Affäre um Geri Müller (gp, AG) her. Jemand mache einen Fehler, es komme zu einem Mediengewitter und zu grossem politischen Druck, dem nur noch durch einen Rücktritt begegnet werden könne. Man müsse sich fragen, ob die immer schneller agierenden Medien Meinungen abbildeten oder selber formten. Sie hätten auf jeden Fall die Macht, zu definieren, was moralisch vertretbar sei. Die Vermischung von privatem und öffentlichem Leben nehme zu. Man müsse freilich unterscheiden zwischen moralischen und strafrechtlichen Verfehlungen – so die Tribune de Genève.

Mitte August 2018 wurde bekannt, dass Buttet wegen Nötigung und unrechtmässiger Aneignung zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Er selber bezeichnete die damals publik gewordene Verhaftung laut der NZZ als Resultat einer politischen Verschwörung. Er überlege sich, im Herbst 2019 für den Ständerat zu kandidieren.

Affäre Buttet

Viel mediale Aufregung verursachte die Reaktion von Bundesrätin Simonetta Sommaruga auf ein Votum von Neo-Nationalrat Roger Köppel (svp, ZH) im Rahmen der Debatte um das Freizügigkeitsabkommen mit Kroatien. Der Zürcher SVP-Nationalrat warf der Magistratin unter anderem vor, sich mit „einer frivolen Leichtfertigkeit [...] über Verfassungsbestimmungen hinweg[zu]setzen“ und „lieber von Plangenehmigungsverfahren statt von Enteignungen [zu reden], wenn Sie den Leuten die Häuser und Wohnungen wegnehmen wollen". Sommaruga erhob sich während Köppels Rede und begab sich aus dem Ratssaal. Wenige Momente später folgte ihr die SP-Fraktion und einige weitere Ratsmitglieder. Die Reaktionen auf diesen "Eklat" (BaZ) waren gemischt. Während die Einen Köppel Respektlosigkeit und mangelnden Anstand vorwarfen, befanden die Anderen die Reaktion der Justizministerin als dünnhäutig: Der Provokation werde so eine noch grössere Bühne geboten. Bei der Fortsetzung der Session am Nachmittag fragte Köppel bei der Bundesrätin nach, weshalb sie den Saal verlassen habe, worauf diese erwiderte, dass sie gerne Fragen zu Kroatien beantworte. In einem BaZ-Interview kritisierte der Zürcher Nationalrat das Verhalten als "Affront gegenüber dem Gesetzgeber". Die Justizministerin war freilich seit einiger Zeit Zielscheibe der Weltwoche, bei der Köppel als Chefredaktor und Verleger fungiert.
Die Kommentarspalten in der Presse füllten sich in der Folge noch einmal, als Christa Markwalder (fdp, BE), die als Nationalratspräsidentin die Rede von Köppel hätte mahnen oder gar unterbinden können, zu Protokoll gab, die Causa Sommaruga vs. Köppel beruhe auf einem Missverständnis. Simonetta Sommaruga habe lediglich die Toilette aufgesucht. In das beharrliche Schweigen der Berner Magistratin zum Thema investierten zumindest die Boulevard- und Sonntagsmedien noch einmal einige Druckerschwärze.

Sommaruga vs. Köppel

Die Bestimmung der Kommissionszusammensetzung nach eidgenössischen Wahlen ist ein für die Politikgestaltung in der Legislatur ziemlich entscheidendes, aber in den Medien selten ausführlich beleuchtetes Ereignis. Die je elf Kommissionen in beiden Kammern werden mit je 13 (Ständerat) bzw. je 25 (Nationalrat) Parlamentarierinnen und Parlamentariern besetzt. Wie viele Sitze die Parteien in diesen Kommissionen erhalten, ist erstens abhängig von den Mandaten. Bei der Verteilung der total 143 Mandate im Ständerat und der 275 Mandate im Nationalrat kommt es zweitens allerdings zu Restmandaten, die vom Büro-NR bzw. dem Büro-SR verteilt werden. Wie diese Verteilung aussieht, kann für die Politik der Kommissionen entscheidend sein. Dies war für die 50. Legislaturperiode insbesondere auch deshalb der Fall, weil die SVP und die FDP aufgrund ihrer Wahlgewinne in mehreren Kommissionen zusammen die Mehrheit haben werden. Ein provisorischer Verteilschlüssel wurde Mitte November vorgelegt. Welche Parlamentarierinnen und Parlamentarier Einsitz in welchen Kommissionen nehmen, bestimmen dann die Fraktionen selber. Die Kommissionspräsidien werden alle zwei Jahre neu besetzt. Die Wahl aller Präsidien und aller Kommissionsmitglieder fand dann am 10. Dezember statt.
In der Tat waren die SVP und die FDP in sechs (WAK-NR, SPK-NR, KVF-NR, SiK-NR, RK-NR, FK-NR) der elf Nationalratskommissionen in der Mehrheit und konnten so politischen Geschäften von Beginn weg ihren Stempel aufdrücken. Insbesondere die WAK, in der als Schnittstelle Geschäfte aus allen Bereichen behandelt werden, wird als wichtig erachtet.
Die SVP wird für die nächsten beiden Jahre die KVF-NR, die SPK-NR, die GPK-NR, die APK-NR und die WBK-NR präsidieren. Die SiK-NR und die SGK-NR werden von der FDP und die Urek-NR von der CVP geleitet. Die SP wird der WAK-NR, der FK-NR und der RK-NR vorstehen. Dies war für Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) wichtig, da sie mit dem zu erwartenden Präsidiumssitz in der WAK auch ihren persönlichen Wahlkampf befeuert hatte.
Die Zuteilung der einzelnen Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu den Kommissionen sei eine der undankbarsten Aufgaben eines Fraktionschefs, zitierte die BaZ SP-Sprecher Michael Sorg. Normalerweise müssen neu gewählte Parlamentsmitglieder warten, bis sie in ihre Wunsch-Kommission einsitzen können. Dies war nicht der Fall für Roger Köppel (svp, ZH), der in die APK gewählt wurde, und auch nicht für Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), die auf Anhieb in der prestigeträchtigen WAK sitzen wird. Auch Neo-Nationalrat Tim Guldimann (sp, ZH) durfte in seiner Wunschkommission, der APK, Einsitz nehmen.

Kommissionszusammensetzung