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Zu Beginn der Wintersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024–2026. Anna Giacometti (fdp, GR) und Jean-Pierre Grin (svp, VD) präsentierten dem Rat das Budget und die Änderungsvorschläge der Kommissionsmehrheit. Beide betonten die «düsteren finanzpolitischen Aussichten» (Giacometti), welche in den Finanzplanjahren grosse Korrekturmassnahmen nötig machen würden. Besser sehe es noch für das Jahr 2023 und somit für den Voranschlag aus, hier schlug die Kommissionsmehrheit gar Mehrausgaben von CHF 11.2 Mio. vor, womit die Schuldenbremse immer noch eingehalten werden könne. Insgesamt beantragte die Kommission sieben Änderungen am bundesrätlichen Voranschlag, welche der Rat allesamt annahm. Kaum Erfolg hatten hingegen die Minderheitsanträge.

Das geplante Defizit in den Finanzplanjahren war auch Thema in den folgenden Fraktionsvoten. Als besonders dramatisch erachtete etwa Lars Guggisberg (svp, BE) die finanzielle Situation des Bundes: Man befinde sich «finanzpolitisch seit Jahren im freien Fall», zumal das Parlament immer mehr Geld ausgebe als vorhanden sei. Nun müsse man Prioritäten setzen, weshalb die SVP insbesondere im Finanzplan entsprechende Kürzungsanträge stelle. Ähnlich formulierte es Alex Farinelli (fdp, TI) für die FDP-Fraktion, der die Bundesfinanzen mit der Titanic verglich – zwar scheine alles ruhig, bei genauerer Betrachtung sei «das Bild, insbesondere das mittelfristige, [aber] wesentlich problematischer und beunruhigender». Auch er verlangte daher die Setzung von Prioritäten. Demgegenüber hob Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) das positive strukturelle Saldo des Voranschlags hervor, betonte aber auch, dass man für die Finanzplanjahre Korrekturmassnahmen einbringen müsse – insbesondere auch, weil die Gewinnausschüttung durch die SNB ausbleiben könne.
Deutlich weniger besorgt zeigten sich die Sprechenden der anderen Fraktionen über die finanzpolitische Situation. Roland Fischer (glp, LU) erachtete in Anbetracht der tiefen Schuldenquote des Bundes nicht in erster Linie die Defizite als problematisch, sondern die Ausgestaltung der Schuldenbremse, die es nicht erlaube, Schulden zu machen, um Investitionen zu tätigen. Auch Sarah Wyss (sp, BS) zeigte sich durch die «Mehrbelastungen ab 2024 [...] nicht besonders beunruhig[t]». Man müsse zwar reagieren, dabei aber vor allem auf Nachhaltigkeit setzen und von «kurzfristige[r] Sparwut» absehen. Gerhard Andrey (gp, FR) sah die Schuld für die finanzpolitischen Probleme vor allem bei denjenigen Mitgliedern des Parlaments, welche das Armeebudget stark aufgestockt und einen Abbau der Corona-Schulden über zukünftige Überschüsse durchgesetzt hätten. Statt über Sparmassnahmen solle man aber nun über zusätzliche Einnahmen, etwa im Rahmen einer Erbschaftssteuer, sprechen.

In der Folge behandelte der Nationalrat den Voranschlag 2023 in sechs Blöcken, beginnend mit einem ersten Block zu den Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hierbei lagen dem Rat keine Mehrheitsanträge der Kommission vor, jedoch zahlreiche Minderheitsanträge von Mitgliedern der Polparteien. Einerseits verlangten Minderheiten Badertscher (gp, BE), Friedl (sp, SG), Wettstein (gp, SO) sowie zwei Einzelanträge Pasquier-Eichenberger (gp, GE) etwa eine Aufstockung der Beiträge für humanitäre Aktionen oder an die Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Ostens, teilweise auch in den Finanzplanjahren. Andererseits forderten Minderheiten Grin (svp, VD), Guggisberg (svp, BE), Fischer (svp, ZH) sowie ein Einzelantrag der SVP-Fraktion etwa eine Reduktion des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten, an die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit oder an die Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer (teilweise auch oder nur in den Finanzplanjahren) sowie die ordentliche Verbuchung der Ausgaben für Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Die Minderheitsanträge blieben jedoch allesamt erfolglos.

Im zweiten Block zu Kultur, Bildung, Forschung, Familie und Sport lagen dem Nationalrat vier Kommissionsanträge vor. Im Sportbereich wollte die Kommission einerseits einen Kredit für die Sportverbände zugunsten der nationalen Meldestelle von Swiss Sport Integrity um CHF 360'000 aufstocken, zumal seit deren Schaffung Anfang 2022 dreimal mehr Meldungen eingegangen seien, als erwartet worden waren. CHF 650'000 sollten zudem für die Ausrichtung der Staffel-Weltmeisterschaft 2024 in Lausanne gesprochen werden, wobei der Bund einen Drittel der Gesamtfinanzierung übernehmen würde. Keine Aufstockung, sondern eine ausdrückliche Verwendung der CHF 390'000, welche der Bundesrat im Bereich Kinderschutz/Kinderrechte veranschlagt hatte, für eine Übergangslösung zur Stärkung der Kinderrechte verlangte die Kommission bei den Krediten des BSV. Eine Übergangslösung war nötig geworden, weil die Ombudsstelle für Kinderrechte, für die der Betrag gedacht war, noch nicht über eine gesetzliche Grundlage verfügte. Schliesslich verlangte die Kommission, dass CHF 35 Mio., welche nach dem Ausschluss der Schweiz aus Horizon Europe bei den EU-Forschungsprogrammen nicht benötigt werden, stattdessen Innosuisse zugesprochen werden. Der Nationalrat hiess alle vier Kommissionsanträge stillschweigend gut.
Weitere CHF 50 Mio. aus dem Kredit der EU-Forschungsprogramme zum Kredit für die Institutionen der Forschungsförderung verschieben wollte eine Minderheit Munz (sp, SH). Zudem verlangten zwei weitere Minderheiten Munz Aufstockungen bei der internationalen Mobilität Bildung zugunsten des Programms Erasmus+. Die Kredite gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduzieren wollten hingegen eine Minderheit I Grin bei den Institutionen der Forschungsförderung sowie eine Minderheit Guggisberg in den Finanzplanjahren bei der internationalen Mobilität Bildung und bei den Stipendien an ausländische Studierende. Mit 123 zu 68 Stimmen kürzte der Nationalrat in Übereinstimmung mit der Minderheit Munz den Kredit der EU-Forschungsprogramme zugunsten der Institutionen der Forschungsförderung, lehnte aber ansonsten sämtliche Minderheitsanträge ab. Dazu gehörten auch zwei Minderheiten Nicolet (svp, VD), welche bei Pro Helvetia (auch in den Finanzplanjahren) und bei der familienergänzenden Kinderbetreuung kürzen wollten.

Im Block 3 zu Umwelt und Energie hiess der Nationalrat die veranschlagten CHF 42 Mio. für Programme von EnergieSchweiz für den Heizungsersatz, zur Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe, zur Einführung von neuen Technologien und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie CHF 4 Mrd. für den Rettungsschirm Elektrizitätswirtschaft, welchen der Bundesrat in einer Nachmeldung beantragt hatte, gut. Eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) hatte erfolglos eine Kürzung bei den Programmen von EnergieSchweiz im Voranschlag und in den Finanzplanjahren gefordert. Erfolglos blieben auch alle anderen Minderheiten etwa zur Streichung von CHF 10 Mio. für eine Winter-Energiespar-Initiative, zur Reduktion des Kredits für die Reservekraftwerke, aber auch für eine Erhöhung des Kredits für die Reservekraftwerke um CHF 100 Mio., um eine Erhöhung der Energiekosten für die Bevölkerung zu verhindern.

Erfolglos blieben auch sämtliche Minderheitsanträge im vierten Block zu den Themen «soziale Wohlfahrt, Gesundheit und Sicherheit», wo etwa eine Minderheit Wettstein (gp, SO) eine Erhöhung des Bundesbeitrags an das Schweizerische Rote Kreuz oder verschiedene Minderheiten Kürzungen beim Rüstungsaufwand oder bei verschiedenen Positionen zur Verteidigung beantragten.

Im fünften Block zu Standortförderung, Steuern und Landwirtschaft gab es nur einzelne Forderungen zu den ersten beiden Bereichen, etwa verlangte eine Minderheit Gysi (sp, SG) zusätzliche Mittel und Stellen in der Steuerverwaltung für mehr Mehrwertssteuerkontrollen und eine Minderheit Guggisberg eine Streichung der Neuen Regionalpolitik, da diese Aufgabe der Kantone sei. Das Hauptinteresse des Nationalrats galt in diesem Block aber der Landwirtschaft, zu der zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vorlagen: Die Kommissionsmehrheit verlangte eine Erhöhung des Kredits für die Qualitäts- und Absatzförderung zugunsten des Schweizer Weins um CHF 6.2 Mio. (in Umsetzung einer Motion 22.3022, die vom Nationalrat angenommen, aber vom Ständerat an die WAK-SR verwiesen worden war). Eine Minderheit Munz wollte stattdessen einen Teil der bereits veranschlagten Mittel zur Umsetzung der Motion einsetzen, der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und beschloss die Krediterhöhung. Weiter beantragte die Kommissionsmehrheit, in den Planungsgrössen zu den Direktzahlungen die Höhe der Versorgungssicherheitsbeiträge auf CHF 1.1 Mrd. festzuschreiben, so dass diese entgegen der Absicht des Bundesrates nicht gekürzt werden könnten. Der Nationalrat folgte auch dieser Kommissionsmehrheit, während eine Minderheit Munz besagte Planungsgrösse erfolglos streichen wollte. Schliesslich sollten die Mittel für Wildtiere, Jagd und Fischerei gemäss Kommissionsmehrheit um CHF 4 Mio. zugunsten von Sofortmassnahmen für den Herdenschutz aufgestockt werden, wobei der Nationalrat auch hier der Komissionsmehrheit und nicht einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) auf Beibehalten des bundesrätlichen Betrags folgte. Erfolgreich war zudem eine Minderheit Grin für eine Erhöhung des Kredits für die Pflanzen- und Tierzucht um CHF 3.9 Mio. zugunsten einheimischer Nutztierrassen, nicht aber ein weiterer Minderheitsantrag Grin für einen Verzicht auf die Aufstockung des Funktionsaufwands beim Bundesamt für Landwirtschaft um CHF 900'000 zur Umsetzung einer parlamentarischen Initiative zur Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.

Im sechsten Block ging es abschliessend um den Eigenaufwand des Bundes und um die Schuldenbremse, wobei die Kommissionsmehrheit nur einen Antrag auf Änderung gegenüber der bundesrätlichen Version stellte: Bei den Planungsgrössen zum BABS sollte der Soll-Wert der Kundenzufriedenheit bei den Ausbildungsleistungen von 80 auf 85 Prozent und in den Finanzplanjahren auf 90 Prozent erhöht werden. Stillschweigend hiess der Nationalrat die Änderung gut. Zudem lagen zahlreiche Minderheitsanträge Nicolet auf Kürzungen im Personalbereich verschiedener Bundesämter (BAFU, BAG, BAK, BAV, BFS) sowie beim UVEK vor, die jedoch allesamt abgelehnt wurden – genauso wie weitere Kürzungsanträge im Personalbereich sowie bei den Sach- und Betriebsausgaben des SEM, zur Kürzung des Personalaufwands im Bereich der Social-Media-Strategie und der Digitalisierung sowie für Querschnittskürzungen beim BBL. Abgelehnt wurde aber auch ein Minderheitsantrag Schneider Schüttel zur Schaffung von zwei zusätzlichen Stellen beim BLV im Bereich Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Schliesslich scheiterte auch ein Antrag der SVP-Fraktion, die aus der Gewinnausschüttung der SNB veranschlagten Einnahmen von CHF 666.7 Mio. zu streichen, da die SNB diese nach ihren Verlusten voraussichtlich nicht würde tätigen können.

Nach langen Diskussionen, bei denen sämtliche Mehrheits- sowie einzelne Minderheitsanträge angenommen worden waren, hiess der Nationalrat den Voranschlag in der Gesamtabstimmung mit 137 zu 49 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von einem Mitglied der Grünen. Angenommen wurden in der Folge auch der Bundesbeschluss über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2023 (138 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen), der Bundesbeschluss über den Finanzplan für die Jahre 2024-2026 (179 zu 12 Stimmen) sowie der Bundesbeschluss über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2023 (191 zu 0 Stimmen).

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024-2026 (BRG 22.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Eine Woche nach der Lesung im Ständerat begann der Nationalrat die Differenzbereinigung zum Nachtrag Ib des Voranschlags 2022. Schnell aus der Welt geschafft war die Differenz zur Frage, ob bei den KAE-Nachzahlungen Verzugszinsen anfallen sollen. Eine Minderheit Gmür (mitte, SZ) störte sich daran, dass bei einem Verzicht auf Verzugszinsen bei den Nachzahlungen nur diejenigen Unternehmen, die Beschwerde gegen die Verfügung der ALV eingereicht hatten, solche Zinsen verlangen könnten, nicht aber alle übrigen Unternehmen. Entsprechend wollte er diese Regelung streichen lassen. Mit 158 zu 27 Stimmen folgte der Nationalrat jedoch der Kommissionsmehrheit und dem Ständerat und bereinigte diese Differenz. Einzig eine Mehrheit der Mitte-Fraktion war dem Minderheitssprecher gefolgt.
Deutlich mehr zu diskutieren gaben die Kredite zu den Covid-19-Impfstoffkäufen. In der Zwischenzeit hatten die schon im Ständerat diskutierten offenen Fragen zumindest teilweise beantwortet werden können – über Pfingsten hatte das EDI einen entsprechenden Bericht erstellt. Dieser zeige drei Versäumnisse auf, berichteten die Kommissionssprecherinnen im Nationalrat, Anna Giacometti (fdp, GR) und Barbara Gysi (sp, SG). Erstens habe bei einer Impfstoffbestellung für CHF 172 Mio. nur ein bewilligter Verpflichtungskredit, aber kein bewilligter Nachtragskredit vorgelegen. Umgekehrt gebe es zweitens für CHF 319 Mio. einen Voranschlagskredit aus dem Jahr 2020, aber keinen Verpflichtungskredit. Und drittens hätten die Nachrechnungen ergeben, dass aktuell nicht CHF 314 Mio., sondern CHF 234 Mio. zusätzlich nötig seien, weil unter anderem 2021 bereits ein Kredit über CHF 50 Mio. bewilligt worden sei. Eine ausführlichere Administrativuntersuchung werde diesbezüglich noch durchgeführt. Dabei interessierte das Parlament insbesondere die Frage, ob der Parlamentsvorbehalt – also die Möglichkeit, dass der Bund von einem Vertrag zurücktritt, wenn das Parlament den entsprechenden Finanzierungskredit trotz Verpflichtungskredit verweigert – in allen Verträgen eingebaut worden war. Diese Frage betreffe die «souveraineté du Parlement en matière budgétaire», wie Johanna Gapany (fdp, FR) betonte. Der Bundesrat versprach einen entsprechenden Bericht bis im Sommer 2022.

Von diesen Ungereimtheiten betroffen war in erster Linie der Nachtragskredit für die Impfungen. Ursprünglich hatte der Bundesrat hier CHF 314 Mio. vorgesehen, reduzierte diesen Betrag jedoch auf CHF 234 Mio. – CHF 172 Mio. für Impfkosten 2022 und CHF 62 Mio. für Reservierungskosten für Impfungen des Jahres 2023. Sowohl National- als auch Ständerat hiessen diesen neuen Antrag des Bundesrates trotz anderslautender Minderheitsanträge gut.
Umstrittener war der Verpflichtungskredit für die Impfungen. Der Bundesrat hatte in der Zwischenzeit nochmals dargelegt, wie sich dieser zusammensetzt: So sind CHF 319 Mio. für den fehlenden Verpflichtungskredit des Jahres 2020 nötig – dies sei eine technische Korrektur, für die wohl keine Änderung des Verpflichtungskredits mehr möglich war. Hinzu kämen CHF 461 Mio. für den Impfstoffkauf 2023. Umstritten war in der Folge im National- und im Ständerat, ob der Verpflichtungskredit für die Impfstoffbeschaffungen 2023 reduziert werden soll.
Ein Lager – im Nationalrat bestehend aus Mitgliedern der SP, GLP, FDP, Grünen und EVP, im Ständerat aus Mitgliedern der SP und Teilen der Grünen und der Mitte – kritisierte, dass die Verträge mit den Impfstofflieferanten für das Jahr 2023 bei einer Reduktion des Verpflichtungskredits neu ausgehandelt werden müssten – wobei weder Menge noch Preis garantiert seien. Damit gefährde man die Versorgung der Bevölkerung mit den Covid-19-Impfstoffen.
Das andere Lager – im Nationalrat bestehend aus der SVP und der Mitte-Partei, im Ständerat zusätzlich auch aus der FDP und Teilen von Grünen und Mitte – erachtete die Hälfte der 14 Mio. Impfdosen, welche der Bundesrat mit dem Verpflichtungskredit zu kaufen plante, als ausreichend. Bei etwa 3.5 Mio. Risikopersonen könne man bei 7 Mio. Dosen noch immer eine «Redundanzstrategie» mit genügend Impfstoffen von beiden Herstellern, Moderna und Pfizer/BioNTech, fahren. Verschiedene Sprechende störten sich auch immer wieder daran, dass man noch immer nicht genügend Informationen von Verwaltung und Regierung habe, um die Situation der Impfstoffkäufe genau zu erfassen. Die Diskussionen in den beiden Räten gingen dabei aber über den Impfstoffkauf hinaus, vielmehr standen bald die Rolle des Parlaments in der Budgetberatung und die Frage, ob das Parlament in die Impfstrategie des Bundesrates eingreifen dürfe, solle oder müsse, im Zentrum.
Der Finanzminister räumte Fehler in der Verwaltung ein, diese seien jedoch für den Verpflichtungskredit nicht relevant: Hier stelle sich lediglich die Frage, wie viele Impfdosen gekauft werden sollen. Er kritisierte das Parlament für dessen Absicht, in einer zweistündigen Sitzung eine neue Beschaffungsstrategie festzulegen. Der Bundesrat habe das Anliegen, dass weniger Impfstoffe gekauft werden sollen, aufgenommen – dafür brauche man keine Reduktion des Verpflichtungskredits, die ein Verfallen der ausgehandelten Verträge nach sich ziehen würde.

Trotz anderslautender Anträge, teilweise auch der Kommissionsmehrheiten, entschied sich der Nationalrat in seinen folgenden zwei Beratungen, dem Bundesrat zu folgen, und genehmigte den Kredit für 14 Mio. Impfdosen, während sich der Ständerat – ebenfalls zweimal – für einen reduzierten Betrag von CHF 560 Mio. und eine Halbierung der Anzahl Impfdosen entschied. Beide Positionen waren in den Räten sehr umstritten. Die Einigungskonferenz entschied sich schliesslich mit 14 zu 12 Stimmen knapp, dem Ständerat zu folgen und somit den Verpflichtungskredit auf CHF 560 Mio. zu reduzieren. Mit 100 zu 83 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat jedoch den Antrag der Einigungskonferenz ab. Da in Budgetfragen in einem solchen Fall der tiefere der zuletzt diskutierten Beträge eingesetzt wird, hatte das inhaltlich aber keine Folgen: Der ständerätliche Antrag von CHF 560 Mio. setzte sich durch, wenn auch unter Protest der Mehrheit des Nationalrats. Die kleine Kammer musste somit nicht mehr über den Antrag der Einigungskonferenz befinden. Somit mussten die Impfstoffverträge für das Jahr 2023 neu ausgehandelt werden.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Sommersession 2022 behandelten National- und Ständerat den Nachtrag Ib zum Voranschlag 2022. Den Anfang machte der Nationalrat, bei dem die Minderheitensprecherinnen Anna Giacometti (fdp, GR) und Barbara Gysi (sp, SG) darauf hinwiesen, dass die Mehrheit der FK-NR dem Bundesrat in allen Punkten folgen wolle. Der Rat diskutierte in der Folge über verschiedene Minderheitsanträge der SVP-Fraktion.
Eine erste Gruppe von Anträgen hatte zum Ziel, nach der Corona-Pandemie «sehr rasch zu den üblichen Finanzierungen und Abläufen zurück[zu]kehren», wie es etwa Sandra Sollberger (svp, BL) formulierte. Entsprechend wollte eine Minderheit Sollberger den Zusatzkredit sowie den Verpflichtungskredit zur Beschaffung neuer Impfstoffe gegen Covid-19 weniger stark erhöhen als der Bundesrat (auf CHF 195 Mio. statt CHF 314 Mio. respektive auf CHF 233 Mio. statt CHF 780 Mio.). Die Minderheitensprecherin wollte, dass die Impfstoffe «über die üblichen Prozesse bezahlt werden, analog zu anderen Impfungen». In der Kommission waren überdies Stimmen laut geworden, welche die geplante Menge an Impfstoffbestellungen als zu hoch erachteten. Die Kommissionssprecherinnen wiesen darauf hin, dass eine Bestellung der Impfstoffe im normalen Verfahren nicht möglich sei, da die Firmen nur an Länder, nicht an Private lieferten. Mit 111 zu 78 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) folgte der Rat dem Mehrheitsantrag und somit dem Bundesrat. Die ablehnenden Stimmen stammten von der SVP- und der Mehrheit der Mitte-Fraktion sowie von einzelnen Personen der FDP.Liberalen-Fraktion.
Ebenfalls basierend auf dem Argument, «que l'office doit reprendre un rythme normal», dass das BAG also zu einem normalen Rhythmus zurückkehren müsse, beantragten zwei Minderheiten Nicolet (svp, VD) die Streichung der Nachtragskredite für das Globalbudget des BAG (CHF 38.7 Mio.) und für die Prävention (CHF 15 Mio.). Mit dem Nachtrag zum Globalbudget wollte der Bundesrat die Übertragung verschiedener Aufgaben der Krisenorganisation auf die «normalen Linienstrukturen» (Gysi) finanzieren, der Betrag für die Prävention war insbesondere zur Erforschung von Long Covid gedacht. Mit 137 zu 54 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 138 zu 54 Stimmen liess der Nationalrat die beiden Kredite jedoch unverändert.
Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) störte sich am hohen Nachtragskredit von CHF 2.1 Mrd. für die ALV und wollte diesen auf CHF 100 Mio. reduzieren. Statt allen betroffenen Unternehmen die ausstehenden Beträge für Ferien- und Feiertagsentschädigungen bei der Kurzarbeit zu bezahlen, sollten nur diejenigen Unternehmen Geld erhalten, die wegen zu tiefer KAE geklagt hatten. Die Kommissionsmehrheit wollte jedoch diejenigen Unternehmen, die «in gutem Glauben gehandelt» («hanno agito in buona fede») und die Verfügungen nicht angefochten hatten, nicht bestrafen, betonte Anna Giacometti. Mit 139 zu 51 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) folgte der Nationalrat auch hier der Kommissionsmehrheit.
Einwände hatten Minderheiten aus der SVP-Fraktion schliesslich auch gegen den Nachtragskredit beim Globalbudget des BFS von CHF 6.7 Mio. (Minderheit Nicolet), beim bereits gesprochenen Kredit bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (CHF 324 Mio.; Minderheit Aeschi) sowie bei demjenigen zum Klimapaket zur Auslandskompensation der Bundesverwaltung in der Höhe von CHF 37.7 Mio (Minderheit Egger; svp, SG). Die Anträge fanden jedoch nur bei Mitgliedern der SVP-Fraktion Zustimmung und wurden jeweils mit 138 zu 54 Stimmen abgelehnt.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Nachtrag Ib mit 138 Stimmen zu 54 ablehnenden Stimmen der SVP-Fraktion an.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung