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Zum dritten Mal seit 2008 nahm der UNO-Menschenrechtsrat im Herbst 2017 eine allgemeine regelmässige Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) der Menschenrechtslage in der Schweiz vor. Insgesamt richteten 111 UNO-Mitgliedstaaten 251 Empfehlungen zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes an die Schweiz. Viele davon betrafen die Umwandlung des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) in eine unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution. Überdies wurde der Schweiz ein verstärktes Engagement in den Bereichen Diskriminierung und Rassismus, Migration und Asyl sowie Geschlechtergleichstellung, Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung nahegelegt. So wurde beispielsweise kritisiert, dass die Schweiz keine Strafbestimmungen gegen Diskriminierung aufgrund des Alters, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Migrationsstatus kenne. Angesprochen wurde auch die Vereinbarkeit von Volksinitiativen und Völkerrecht sowie die Einhaltung der Menschenrechte durch multinationale Unternehmen.
Im Februar 2018 verabschiedete der Bundesrat die Schweizer Stellungnahme zu den Empfehlungen der UPR, von denen er 160 annahm und 91 ablehnte, wobei viele der angenommenen Empfehlungen bereits umgesetzt worden seien. Neben der bereits aufgegleisten Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution erklärte sich der Bundesrat etwa bereit, sich verstärkt gegen Rassismus und Diskriminierung einzusetzen, die Suizidprävention zu intensivieren und die Geschlechtergleichstellung, insbesondere bei den Löhnen, gezielter anzustreben. Demgegenüber lehnte er es unter anderem ab, Volksinitiativen systematisch auf ihre Vereinbarkeit mit den internationalen Menschenrechten zu prüfen. Die viereinhalb Jahre bis zur nächsten Überprüfung stünden nun «im Zeichen der Umsetzung der angenommenen Empfehlungen und der Fortführung des Dialogs mit allen involvierten Akteuren», gab der Bundesrat per Medienmitteilung bekannt. Der UNO-Menschenrechtsrat nahm den Bericht der Schweiz im März 2018 an.

Dritte UPR vor dem UNO-Menschenrechtsrat

Remettant en cause les différents rapports faisant état d'un régime dictatorial dans le pays de la corne de l'Afrique, le conseiller national Burgherr (udc, AG) demande au Conseil fédéral de durcir la pratique de l'asile à l'égard de l'Erythrée. Partant en outre du principe que les personnes qui désertent l'armée ne sont en danger que dès le moment où elles fuient, elles ne devraient pas recevoir l'asile en Suisse, comme prévu par la dernière révision de la loi sur l'asile. Le député évoque de plus des rapports plus récents qui attesteraient que les personnes retournant en Erythrée ne risquent pas de persécution et montrent même des signes d'une évolution encourageante de la situation du pays. Simonetta Sommaruga, lors du débat en chambre basse, a exposé les raisons du désaccord du Conseil fédéral par rapport à l'objet: il est impossible d'imposer un durcissement généralisé pour l'ensemble des ressortissants et ressortissantes d'un pays, car cela contrevient au droit constitutionnel et à la tâche du SEM qui consiste à examiner chaque demande d'asile. Cette application du secrétariat d'Etat aux migrations permet d'ailleurs de ne pas accorder l'asile aux personnes qui n'en ont pas besoin, selon la conseillère fédérale socialiste. Les députées et députés ont suivi cet avis et se sont prononcés à 118 voix contre 73 et 2 abstentions en défaveur de la motion.

durcir la pratique de l'asile à l'égard de l'Erythrée

Noch in der gleichen Woche wie die erste nationalrätliche Debatte fand das Differenzbereinigungsverfahren statt, wobei nicht mehr viele Fragen zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Überwachung von Versicherten offen waren. Der Ständerat zeigte sich grösstenteils mit den Vorschlägen des Nationalrats einverstanden: Er hiess die Notwendigkeit eines Antrags auf Überwachung mit technischen Hilfsmitteln zur Standortbestimmung sowie die Schweigepflicht für die Mitarbeitenden der externen Unternehmen gut. Er bestand jedoch darauf, Observationen nur durch Personen mit Direktionsfunktion erlauben zu lassen. Da eine Observation „einen beachtlichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person” darstelle, sei diese Entscheidung auf Stufe Direktion zu treffen, erklärte Pirmin Bischof (cvp, SO) für die SGK-SR. Er ergänzte, dass die Kommission aufgrund der vorgängigen nationalrätlichen Diskussion noch zwei Fragen bei der Verwaltung habe abklären lassen. Demnach würden erstens Drohnen gemäss Verwaltung ebenfalls zu den technischen Hilfsmitteln der Standortbestimmung zählen, wenn sie für die Standortbestimmung eingesetzt würden – nicht aber, wenn sie für die konkrete Observation verwendet würden. Zweitens stellte die Verwaltung klar, dass gemäss ihrer Auffassung die Rahmenfrist von sechs Monaten für die Überwachung durch das Einreichen eines Antrages zur Verwendung der Hilfsmittel zur Standortbestimmung nicht neu zu laufen beginne.
Noch an demselben Tag beschäftigte sich auch der Nationalrat erneut mit der Vorlage. Nachdem die Problematik des Drohneneinsatzes auf Nachfrage von Silvia Schenker (sp, BS) durch Isabelle Moret (fdp, VD) geklärt wurde – Drohnen seien bewilligungspflichtig für die Standortfeststellung einsetzbar, jedoch nicht um Ton- und Bildaufnahmen zu machen, betonte sie – nahm sich die grosse Kammer der letzten Differenz an: Auf Antrag der SGK-NR lenkte sie ein und akzeptierte die Bestimmung des Ständerats; somit dürfen nur Personen mit Direktionsfunktion zukünftig Observationen anordnen.
Tags darauf folgten die Schlussabstimmungen in beiden Räten. Der Nationalrat nahm die Vorlage mit 141 zu 51 Stimmen an, wobei sich an den Lagern nichts geändert hatte: Die SP- und die Grünen-Fraktion waren einstimmig gegen die Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen, die übrigen Fraktionen sprachen sich einstimmig dafür aus. Im Ständerat fiel das Bild ähnlich aus, hier standen 29 zustimmende 10 ablehnenden Stimmen und 3 Enthaltungen gegenüber.

Damit war das Geschäft innert dreier Monate durch das Parlament „gepeitscht” worden, wie es Balthasar Glättli (gp, ZH) gleichentags formulierte; zuletzt wurde es in einer Woche dreimal vom National- und zweimal vom Ständerat beraten. „Wahnsinn. Raserei. Eskalation” titelte der Tages Anzeiger bereits am Tag der Schlussabstimmungen und sprach dabei nicht vom Resultat, sondern vom Behandlungstempo. „Warum diese Eile, dieses Politisieren nahe am Notrecht?” fragte er weiter und gab die Antwort gleich selber: Die Beteuerungen zahlreicher Politikerinnen und Politiker – namentlich erwähnt wurden Josef Dittli (fdp, UR), Alex Kuprecht (svp, SZ), Roland Eberle (svp, TG), Lorenz Hess (bdp, BE) und Ruth Humbel (cvp, AG) –, wonach ein vehementer Zeitdruck herrsche und die Missbrauchsbekämpfung für die Sozialversicherungen immens wichtig sei, stünden in Zusammenhang mit den Mandaten der Sprechenden bei Versicherern, „die direkt vom Gesetz profitier[t]en”. Diesen Vorwurf liess Lorenz Hess nicht gelten; er argumentierte, das Gesetz betreffe vor allem die Suva und die IV, für die Visana, deren Präsident er ist, seien Observationen nebensächlich. Gerade die Suva hatte aber gemäss Tages Anzeiger bei der Beratung dieser Vorlage eine wichtige Rolle gespielt, wie auch der Basler Strafrechtsprofessor Markus Schefer bestätigte. Ihre Vorschläge seien im Gesetzgebungsprozess „willig aufgenommen“ worden, erklärte er.
Mit Bezug auf diesen Artikel des Tages Anzeigers reichte Balthasar Glättli noch am selben Tag eine Interpellation (Ip. 18.3330) ein und wollte wissen, ob andere Gesetzesrevisionen ähnlich schnell vom Parlament verabschiedet worden waren, ob Beratungs- und Verwaltungsratsmandate bei von der Vorlage betroffenen Versicherern als relevante Interessenbindungen gelten und welche Konsequenzen allfällige in den Kommissionsdiskussionen oder im Plenum nicht offengelegte Interessenbindungen hätten. Für ihn sei „klar, dass die Versicherungsvertreter im Rat auf ihre Interessenbindungen hätten hinweisen sollen“. Anfang Mai beantwortete das Büro-NR die Interpellation: Seit der Wintersession 2011 seien 110 von 400 Bundesgesetzen und Bundesbeschlüssen innert zweier aufeinanderfolgender Sessionen fertig behandelt worden. Das Büro bestätigte, dass die erwähnten Mandate offenzulegen seien und die Betroffenen dies getan hätten – die entsprechenden Mandate seien in einem Register der Parlamentsdienste öffentlich zugänglich aufgeführt. Dadurch würden sie als bekannt vorausgesetzt und müssten im Rahmen von einzelnen Geschäften nicht genannt werden. Somit kam es bei der Beratung des Observationsartikels zu keinen Unregelmässigkeiten bezüglich der Offenlegung von Interessenbindungen. Bestehen bleibt jedoch der grosse potenzielle Einfluss der Versicherer, was nicht zuletzt auch Alex Kuprecht bestätigte: „Hätten alle Politiker in den Ausstand treten müssen, die bei einer Krankenkasse, einer Versicherung oder einer Pensionskasse ein Mandat haben, hätten wir das Gesetz gar nicht beraten können”, erklärte er gegenüber dem Tages Anzeiger.

Parlament schafft eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten (Pa. Iv. 16.479)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

In der Frühjahrssession 2018 behandelte der Ständerat die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)». Die Debatte wurde vom Schweizer Fernsehen direkt übertragen. Robert Cramer (gp, GE), Sprecher der RK-SR, erörterte zunächst die ablehnende Position der Kommission, die sich unter anderem auch auf die Anhörung verschiedener Rechtsprofessorinnen und Rechtsprofessoren stütze, welche einhellig der Meinung seien, dass die Initiative mehr Probleme verursache, als sie löst. Die momentane Situation lasse den obersten Gerichten den nötigen Spielraum für eine Abwägung zwischen Völkerrecht und Landesrecht. Es sei in den Augen der Experten nicht angebracht, die beiden Normen gegeneinander auszuspielen, da internationales Recht, das in der Schweiz angewendet werde, genauso legitim und demokratisch abgestützt sei wie das Landesrecht selbst. Cramer erklärte, dass die Kommission auch verschiedene Akteure aus der Wirtschaft angehört habe, wobei die Stellungnahmen auch hier einhellig gegen die Initiative ausgefallen seien. Die Kommission sei auch deshalb mit 12 zu 1 Stimmen zum Schluss gekommen, dem Rat die Ablehnung der Initiative zu empfehlen. Allerdings gebe es zwei Minderheitenanträge: Zum einen lege Andrea Caroni (fdp, AR) – unterstützt von vier Kommissionsmitgliedern – einen Gegenvorschlag vor, zum anderen empfehle Thomas Minder (parteilos, SH) die Initiative zur Annahme.

Andrea Caroni betonte in seinem Votum für seinen Gegenvorschlag, dass die Schweizer Rechtsordnung bei Konfliktfragen unterschiedlicher Normstufen sehr klar sei, mit Ausnahme eben des Verhältnisses zwischen Landes- und Völkerrecht. Dort herrsche «Improvisation» oder «Durchwursteln» vor, wobei in der Regel die Bundesgerichte «mit der Wurst betraut» seien. Dies sei aber «institutionell falsch» und es brauche deshalb eine klare Regelung. Eine solche müsse im Normalfall – hier wich der Gegenvorschlag deutlich von der Initiative ab – dem Völkerrecht den Vorrang geben, da man hier im Sinne von «Pacta sunt servanda» gegebene Versprechen einzuhalten habe. In begründeten Ausnahmefällen solle allerdings die Möglichkeit bestehen, durch ausdrücklichen und expliziten Beschluss durch den Verfassungs- oder Gesetzgeber vom Vorrang des Völkerrechts abzuweichen. Caroni exemplifizierte seine Idee an der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die ja nicht explizit eine Änderung von Völkerrecht vorgesehen habe. Wäre sein Vorschlag damals schon umgesetzt gewesen, dann hätte in der Initiative entweder explizit erwähnt werden müssen, dass ein internationaler Vertrag – konkret das Personenfreizügigkeitsabkommen – gekündigt werden solle, oder die Nichterwähnung hätte bedeutet, dass die Initianten das Völkerrecht implizit akzeptierten und bei der Umsetzung darauf Rücksicht genommen werden müsse. Caroni führte weiter aus, dass er seinen Vorschlag nicht aus taktischen Überlegungen einreiche, weil er Angst vor einer Annahme der Initiative an der Urne habe. Es gehe ihm vielmehr um das inhaltliche Anliegen, das er mit den Initianten teile: Die konkrete Regelung des Verhältnisses zwischen Landes- und Völkerrecht. Allerdings schlug er selber vor, auf den Gegenvorschlag zu verzichten – und diesen vorerst zu schubladisieren –, wenn die Initianten ihr Begehren nicht zu dessen Gunsten zurückziehen würden. Die Materie sei für sich genommen schon komplex genug. Wenn gleich zwei Vorlagen an die Urne kämen, sei dies dem Verständnis des Themas wohl eher abträglich.

Thomas Minder zählte in der Verteidigung seines Minderheitenantrags zur Annahme der Volksinitiative eine Reihe von aktuellen Vorstössen auf, in denen das Parlament Beschlüsse fasse, die im Widerspruch zu bestehendem internationalen Recht stünden: So verstosse etwa die Motion Grin (svp, VD), welche die Ausklammerung von Palmöl beim Freihandelsabkommen mit Malaysia verlange und soeben vom Nationalrat angenommen worden sei, gegen EFTA-Recht. Ebenso stünde eine Annahme der Fair-Food-Initiative im Widerspruch zu zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen. Es gebe aber auch andere Beispiele, wo Vertragspartner der Schweiz Verträge nicht gänzlich einhielten. So habe etwa die EU bei Horizon 2020 oder Erasmus plus völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt. Niemand habe damals nach einer Kündigung der Bilateralen Verträge gerufen, sondern man habe die Kröte geschluckt. Bei den über 5'000 völkerrechtlichen Verträgen, welche die Schweiz abgeschlossen habe – in ihrem Schlussvotum sprach Bundesrätin Simonetta Sommaruga von rund 4'000 Verträgen – bestünden zahlreiche potenzielle Normenkonflikte. Und hier setze die Initiative an, indem sie klar festlege, dass bei Normenkonflikten die Verfassung vorzugehen habe.

In der Folge äusserten sich 17 Ständerätinnen und -räte zur Vorlage, wobei sich die Argumente mehr oder weniger wiederholten: Die Initiative sei konfus und widersprüchlich; der SVP wurde vorgeworfen sich damit nicht gegen fremde Richter, sondern gegen das eigene Bundesgericht zu wenden. Betont wurde zudem die Gefährdung schweizerischer Wirtschaftsinteressen. Die Verlässlichkeit der Schweiz würde bei einer Annahme des Begehrens auf dem Spiel stehen. Völkerrecht helfe zudem insbesondere Kleinstaaten, die ohne rechtliche Absicherung dem Recht des Stärkeren ausgesetzt wären.

Die Ständeräte der SVP sprachen sich für eine Annahme der Initiative aus, weil laut Werner Hösli (svp, GL) die «Macht des Volkes» geschützt werden müsse; gemäss Peter Föhn (svp, SZ) der zunehmenden Aushöhlung der Bundesverfassung durch internationale Bestimmungen Einhalt geboten werden müsse; oder der Politikverdrossenheit begegnet werden müsse, die – so Alex Kuprecht (svp, SZ) – auch deshalb wachse, weil «die Menschen das Gefühl haben [...], dass die da oben in Bern sowieso machen, was sie wollen» – etwa bei der Umsetzung angenommener Volksinitiativen. Gefordert sei deshalb ein «bisschen mehr 'Switzerland first'».

Der Ständerat war sich also mehrheitlich einig darin, dass die Initiative abzulehnen sei. Weniger einig waren sich die Kantonsvertreterinnen und -vertreter hingegen darüber, ob die Normenkonflikte, die sich langfristig wohl noch häufen werden, gesondert geregelt werden müssten, oder ob die so genannte Schubert-Praxis genüge. Zur Frage stand folglich, ob man es wie bis anhin dem Bundesgericht überlassen wolle, zu regeln, wann Landesrecht ausnahmsweise Völkerrecht vorgehen solle. Nicht wenige Voten plädierten für den Gegenvorschlag Caroni. Letztlich setzte sich allerdings die Überzeugung durch, dass auch der Gegenvorschlag eine «fausse bonne idée» sei, wie sich Didier Berberat (sp, NE) ausdrückte.

In ihrem Schlussvotum wollte Justizministerin Simonetta Sommaruga klarstellen, dass es «grundfalsch» sei, das Völkerrecht mit Unterdrückung und Fremdbestimmung in Verbindung zu bringen. Sie wies auf verschiedene Geschäfte hin, mit denen die Problematik der Beziehung internationaler Verträge und innerstaatlichen Rechts angegangen werde – so etwa eine Erweiterung des obligatorischen Staatsvertragsreferendums oder die Anpassung der Symmetrie bei der Kündigung von Staatsverträgen. Die Bundesrätin hielt zudem Gericht über das Parlament: Man habe in der Debatte einige Male gehört, dass der Volkswille nicht richtig umgesetzt werde, diese Kritik richte sich aber eigentlich an die Volks- und Kantonsvertretung. Das Parlament habe ja bereits die Möglichkeit, im Einzelfall zu entscheiden, dass Landesrecht gegenüber internationalem Recht der Vorrang gegeben werden solle. Und wenn es dies nicht tue, dann habe es sicherlich gute Gründe dafür. Der Bundesrat empfehle die Initiative insbesondere deshalb zur Ablehnung, weil sie starre Regeln fordere und so die zahlreichen, heute bestehenden Möglichkeiten für pragmatische Einzelfalllösungen beschneide. Das Begehren verspreche zwar Klarheit im Verhältnis zwischen Landesrecht und internationalem Recht, schaffe aber grundsätzlich das Gegenteil, nämlich Rechtsunsicherheit. Dies wäre freilich – so die Magistratin abschliessend – auch beim diskutierten Gegenvorschlag der Fall.

Nach rund vierstündiger Debatte schritt die kleine Kammer zur Abstimmung. Das Stimmverhältnis von 27 zu 15 Stimmen für Nichteintreten auf den Gegenvorschlag Caroni widerspiegelte den doch recht grossen Wunsch nach Klärung, während die Initiative mit 36 zu 6 Stimmen letztlich recht deutlich zur Ablehnung empfohlen wurde.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

In der Frühjahrssession 2018 behandelte der Nationalrat die parlamentarische Initiative der SGK-SR sowie diejenige von Mauro Tuena (Pa. Iv. 16.482) zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Überwachung von Versicherten – also für die sogenannten Sozialdetektive. Detailliert ausgearbeitet wurde zunächst die Kommissionsinitiative, falls diese angenommen würde – so erklärte Tuena –, würde er anschliessend seine Initiative zurückziehen.
Zuerst wurden zwei Anträge auf Nichteintreten (Minderheitsantrag Schenker) sowie auf Rückweisung der Kommissionsinitiative an die Kommission (Antrag Leutenegger Oberholzer) behandelt. Im Rückweisungsantrag fasste Susanne Leutenegger Oberholzer (sp, BL) die Argumente von linker Ratsseite gegen die Vorlage nochmals zusammen: Da eine verdeckte Observation per se einen groben Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen darstelle, müsse sie ein Instrument der Ultima Ratio sein. In der vorgeschlagenen Regelung seien jedoch noch nicht einmal eine Definition des Anfangsverdachts oder konkrete gesetzliche Hürden für die Anordnung der Überwachung aufgeführt, wodurch die Unschuldsvermutung verletzt würde. Die Verletzungen der Privatsphäre, wie sie die Vorlage vorsieht, seien ausschliesslich der Polizei erlaubt. Dass mit der Vorlage privaten Unternehmen weiterreichende Rechte gewährt würden als der Polizei, verletze das Gewaltmonopol. Zur Wahrung der Verhältnismässigkeit bedürfe es schliesslich einer Reihe von Änderungen in der Vorlage: Die Observationen müssten durch eine gerichtliche Instanz angeordnet werden, ihre Dauer müsste beschränkt werden, der Schutz der Privatsphäre müsste absolut garantiert werden, der Missbrauch der gesammelten Daten müsste effektiv bekämpft werden und die gesammelten Informationen müssten den Betroffenen vorgelegt und auf Anfrage vernichtet werden. Zudem brauche es ein Verwertungsverbot für auf unkontrollierte Weise erlangte Beweismittel in Strafverfahren. Diese Meinung würden auch vier staatsrechtlich versierte Professorinnen und Professoren teilen, die ihre Bedenken per Brief mitgeteilt hätten. In ihrer jetzigen Form widerspreche die Vorlage der Bundesverfassung sowie der EMRK, weshalb sie einer Rückweisung an die Kommission und einer externen rechtlichen Beurteilung bedürfe, schloss Leutenegger Oberholzer ihren Rückweisungsantrag. In der Eintretensdebatte fanden diese Einwände ausserhalb des linken Lagers keinen Rückhalt: Für die Kommission verwies Lorenz Hess (bdp, BE) darauf, dass mit der Vorlage lediglich eine gesetzliche Grundlage für die bisherige Praxis geschaffen werde. In der Kommission habe man Personen aus der Praxis angehört, Bildmaterial begutachtet und juristische Beurteilungen gelesen, die gezeigt hätten, dass solche Überwachungen nötig seien. Observationen würden von den Versicherern als letztes Mittel angeordnet: die „versicherungsinternen Hürden (...) sind enorm hoch“. Die vorliegende Lösung enthalte das „bestmögliche Gleichgewicht zwischen Persönlichkeitsschutz und Persönlichkeitsrechten auf der einen und den allgemeinen Interessen auf der anderen Seite“, so Hess. Er betonte auch, dass der EGMR nicht die Observationen als solche, sondern deren fehlende gesetzliche Grundlage in Frage gestellt habe. Diesbezüglich entwickelte sich in der Folge eine Debatte zur Frage, ob der EGMR auch inhaltliche Kritik an der Praxis geübt habe oder nicht. Schliesslich entschied sich die grosse Kammer mit 141 zu 53 Stimmen für Eintreten und mit 140 zu 54 Stimmen gegen den Antrag Leutenegger Oberholzer, wobei lediglich die SP- und die Grünen-Fraktion die Minderheitenpositionen unterstützten.

Dieselben Lager zeigten sich anschliessend auch in der Detailberatung. Die linke Ratshälfte versuchte mittels Minderheitsanträgen, die Bestimmungen zur Observation zu verschärfen, scheiterte jedoch mit allen Vorstössen. Der Nationalrat wollte nicht, dass Observationen allgemein von Gerichten angeordnet werden müssen, dass die Überwachung auf öffentliche Gebiete beschränkt wird, dass unrechtmässig erlangte Beweise in Strafprozessen nicht verwendet werden dürfen, dass der Einsatz anderer technischer Hilfsmittel ausser den genannten, zum Beispiel Drohnen, ausdrücklich untersagt wird oder dass GPS nur eingesetzt werden darf, wenn die Abklärungen sonst aussichtslos sind. Insgesamt schuf der Nationalrat nur wenige Differenzen zum Erstrat. Umstritten war im bürgerlichen Lager vor allem der Einsatz von technischen Hilfsmitteln zur Standortbestimmung. Diesen wollte der Ständerat nur in Fällen erlauben, in denen das Versicherungsgericht die entsprechende Observation genehmigt hatte. Der Nationalrat schuf jedoch entgegen einem Minderheitsantrag Tuena eine Bewilligungspflicht für den Einsatz selbst (125 zu 67 Stimmen): Eine Observation mit technischen Hilfsmitteln zur Standortbestimmung bedarf der Annahme eines Antrags beim Versicherungsgericht, wobei der Antrag unter anderem Angaben zu Zielen der Observation, Betroffenen, eine Begründung der Notwendigkeit sowie Beginn und Ende der Observation beinhalten muss. Darüber hinaus unterstellte der Nationalrat die Mitarbeitenden von externen Unternehmen, die mit der Observation beauftragt wurden, einer Schweigepflicht und legte fest, dass sie die erhobenen Daten nur im Rahmen ihres Auftrags verwenden dürfen. Eine Abschwächung der ständerätlichen Fassung sah der Nationalrat schliesslich bei der Genehmigung durch die Versicherungen vor: Hatte der Ständerat noch auf einer „Person mit Direktionsfunktion” bestanden, reichte für den Nationalrat „eine im fallbearbeitenden Bereich (...) verantwortliche Person" aus (124 zu 65 Stimmen 3 Enthaltungen). In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 140 zu 52 Stimmen gegen den Widerstand der SP- und der Grünen-Fraktion an. Aufgrund dieses Entscheids zog Mauro Tuena seine parlamentarische Initiative wie angekündigt zurück.

Parlament schafft eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten (Pa. Iv. 16.479)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Le rapport sur le postulat 13.4193 dessine des pistes dans l'optique d'une modification légale des procédures d'assainissement pour les particuliers. Plus précisément, ce postulat, adopté par la chambre basse, souhaite trouver des solutions pour lutter contre le surendettement des particuliers, et renforcer le principe d'égalité de traitement des créanciers. Grâce à une approche comparative, le rapport propose une combinaison de deux instruments afin d'atteindre les objectifs visés par le postulat. D'un côté, la législation devrait envisager le concordat forcé pour les particuliers qui disposent d'un revenu. D'un autre côté, une procédure d'assainissement, avec annulation des dettes, pour les débiteurs à faible ou sans revenu semble nécessaire. Cette double approche garantirait l'égalité des droits pour les créanciers et éliminerait les incitations négatives pour les débiteurs à l'aide sociale. Une telle modification législative serait un premier pas dans la lutte contre le surendettement et la pauvreté des particuliers. De plus, les velléités entrepreneuriales seraient encouragées.

Sanierung von Privatpersonen (Po. 13.4193)

Mit einer parlamentarischen Initiative, eingereicht im März 2016, forderte Nationalrat Yves Nidegger (svp, GE), die Anpassung von Art. 261bis StGB, der unter anderem die Leugnung von Völkermord unter Strafe stellt. Die Nennung von Völkermord solle entweder gestrichen oder durch den Zusatz «Völkermord, der von einem zuständigen internationalen Gerichtshof anerkennt ist» präzisiert werden. Nidegger begründete seine Forderung mit dem Fall Perinçek, in dem der EGMR die Schweiz im Zusammenhang mit Art. 261bis StGB wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt hatte. Mit der vorgeschlagenen Anpassung sollen nicht mehr die Schweizer Gerichte entscheiden müssen, was als Völkermord gilt.
Die RK-NR gab der Initiative im Mai 2017 Folge. Einige Monate später sprach sich allerdings die RK-SR einstimmig gegen den Beschluss ihrer Schwesterkommission aus, weil sie befand, der EGMR sei in seinem Urteil nicht zum Schluss gekommen, dass die Kriminalisierung der Völkermordleugnung in Art. 261bis StGB als solche ein Problem darstelle, sondern dass die Bestimmung im konkreten Fall vom Bundesgericht falsch angewendet worden sei. Die RK-SR wollte den Artikel deshalb nicht grundsätzlich infrage stellen. Infolgedessen lenkte die Mehrheit der RK-NR auf die Position der ständerätlichen Kommission ein und beantragte ihrem Rat nun mit 15 zu 8 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2018 seiner Kommissionsmehrheit und verwarf die Initiative mit 123 zu 67 Stimmen. Zu den Befürworterinnen und Befürwortern aus der SVP-Fraktion hatten sich nur gerade zwei Freisinnige gesellt.

Fall Perinçek gegen die Schweiz. Artikel 261bis StGB soll mit den Menschenrechten vereinbar sein (Pa.Iv. 16.421)

Im März 2018 legte der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vor. Die geplanten Massnahmen, von denen viele aufgrund von parlamentarischen Vorstössen in die Gesetzesrevision aufgenommen wurden, teilte er in drei Bereiche ein: Missbrauchsbekämpfung, Anpassung an den internationalen Kontext und Optimierung des Systems.
Zur Missbrauchsbekämpfung schlug der Bundesrat insbesondere Massnahmen vor, die bereits im Rahmen der (abgelehnten) IV-Revision 6b behandelt und anschliessend in einer Motion Schwaller (cvp, FR; Mo. 13.3990) erneut gefordert worden waren. Unter anderem sollen bei begründetem Verdacht auf unrechtmässige Leistungserwirkung, bei Meldepflichtverletzung oder bei nicht fristgerechter Teilnahme an Lebens- oder Zivilstandskontrollen Leistungen der Sozialversicherungen vorsorglich eingestellt werden können. Die Verwirkungsfrist für die Rückforderung unrechtmässig bezogener Leistungen soll verlängert werden und bei Nichtantreten eines Straf- oder Massnahmenvollzugs sollen Sozialversicherungsleistungen nicht mehr ausbezahlt werden müssen, wie es die Motion Lustenberger (cvp, NR; Mo. 12.3753) gefordert hatte. Die meisten dieser Regelungen entsprachen der Praxis der Sozialversicherungen, sollen nun aber kodifiziert werden. Mit den gesetzlichen Grundlagen für die Überwachung der Versicherten war ein Grossteil der Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung zuvor bereits in ein eigenes Geschäft ausgelagert und vordringlich behandelt worden.
Bei den Anpassungen an den internationalen Kontext geht es einerseits darum, eine Gesetzesgrundlage für die Umstellung des internationalen Informationsaustauschs auf eine elektronische Übermittlung zu schaffen. Andererseits sollen internationale Sozialversicherungsabkommen zukünftig mit einfachem Bundesbeschluss genehmigt werden können und somit dem fakultativen Referendum entzogen werden. Es entspricht der langjährigen Praxis, Abkommen, die über ein ähnliches Verpflichtungsniveau verfügen wie eine grosse Anzahl vergleichbarer, bereits abgeschlossener Abkommen, nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Nachdem das Bundesamt für Justiz 2014 in einem Bericht beschieden hatte, dass das Kriterium der Neuheit einer Bestimmung für ein solches Vorgehen nicht ausreiche, entschied der Bundesrat, diese Praxis im ATSG festzuschreiben.
Optimiert werden soll das Sozialversicherungssystem schliesslich durch eine Anpassung der Regressbestimmungen, bei denen dieselben Mitwirkungspflichten geschaffen werden sollen wie bei der Prüfung eines Leistungsanspruchs, sowie durch die Schaffung einer differenzierten Kostenpflicht für alle Sozialversicherungsverfahren – ähnlich der Regelung, welche die SVP-Fraktion in einer Motion gefordert hatte (Mo. 09.3406). Hier entschied sich der Bundesrat für die erste Variante, die er in der Vernehmlassung vorgeschlagen hatte und die dort auf mehr Gegenliebe gestossen war als ein fixer Kostenrahmen zwischen CHF 200 und 1000 (Variante 2).

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Wäre sie Ende 2017 zur Abstimmung gestanden, hätten der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» drei Viertel der Schweizer Stimmbevölkerung zugestimmt, so die Resultate einer erneuten Umfrage im Auftrag von «Le Matin Dimanche» und der Sonntags-Zeitung, die im Januar 2018 veröffentlicht wurden. Demnach hätten 60 Prozent der Befragten die Initiative sicher annehmen wollen, während ihr 17 Prozent eher zugestimmt hätten. 20 Prozent hätten sicher oder eher nein gesagt und 3 Prozent hatten keine Meinung. Ebenfalls eine Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung befürwortete zum gleichen Zeitpunkt ein Kopftuchverbot an Schulen, das von der CVP im Zuge der Burka-Diskussion zur Debatte gestellt worden war. 51 Prozent der Befragten sprachen sich klar und 18 Prozent eher für ein solches aus. Demgegenüber waren 29 Prozent (eher) dagegen. Der Vorschlag der SP, muslimische Gemeinden unter der Voraussetzung, dass sie sich zu einem gemässigten Islam bekennen und transparent organisieren, staatlich anzuerkennen, fand in derselben Umfrage keine klare Mehrheit. 48 Prozent äusserten sich dazu (eher) positiv, 42 Prozent (eher) negativ. Die Initianten des Verhüllungsverbots gaben sich in der Presse mit den Resultaten der Umfrage zufrieden; für die Leute sei klar, dass man in der Öffentlichkeit sein Gesicht zeige, wurde Walter Wobmann (svp, SO) vom «Corriere del Ticino» zitiert. Umgekehrt vermochten die Resultate die Initiativgegner jedoch nicht in Aufruhr zu versetzen. Viele Initiativen starteten mit einer hohen Zustimmung in der Bevölkerung, bevor sich die Debatte ausgleiche, mahnte auch der Genfer SVP-Nationalrat Yves Nidegger gegenüber der «Tribune de Genève» noch zur Vorsicht.
Ende Januar 2019 fassten schliesslich die SP-Frauen – «einstimmig, aber wenig enthusiastisch», wie die NZZ schrieb – die Nein-Parole zum Verhüllungsverbot. An ihrer Jahrestagung rangen sie mit der Frage, ob man als Feministin eine Initiative des Egerkinger Komitees unterstützen dürfe. Mehrheitlich lehnten sie zwar die Burka als Ausdruck der Unterdrückung der Frau ab, sahen die Initiative aber nicht als den richtigen Weg, zumal Musliminnen damit in der Verfassung mit einem Stigma behaftet würden. Stattdessen wollten sie auf die von der SP gestartete «Offensive für Gleichstellung und Feminismus» setzen, um die Gleichstellung muslimischer Migrantinnen zu gewährleisten, berichtete die NZZ.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Mitte Dezember 2017 gab der Bundesrat den Medien bekannt, dass er die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ablehne, ihr aber mit einem indirekten Gegenvorschlag begegnen möchte. Die Initiative für ein nationales Verbot sei abzulehnen, weil die Kantone selber entscheiden können sollten, ob sie die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum verbieten wollen oder nicht. So hätten die Kantone Tessin und St. Gallen ein solches Verbot befürwortet, während es in Zürich, Solothurn, Schwyz, Basel-Stadt und Glarus abgelehnt worden sei. Diesen unterschiedlichen Befindlichkeiten gelte es Rechnung zu tragen. Der Bundesrat anerkenne jedoch, dass die Gesichtsverhüllung problematisch sein könne, und zwar zum einen, wenn jemand zur Verhüllung gezwungen werde, und zum anderen im Kontakt mit den Behörden. Er wollte sich dieser Problematik daher mit einem indirekten Gegenvorschlag annehmen, der Regelungen auf Gesetzesebene vorsehe, ohne den Kompetenzbereich des Bundes zu überschreiten. Konkret solle es im Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten werden, jemanden zur Verhüllung des Gesichts zu zwingen. Zudem solle der Kontakt mit Bundesbehörden und Bundesrecht vollziehenden Behörden unter Androhung von Strafe unverhüllt erfolgen müssen. Der Bundesrat beauftragte das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vernehmlassungsvorlage bis Ende Juni 2018.
Bei den Initianten vermochte der Vorschlag des Bundesrats wenig Eindruck zu erwecken; er sei «schwammig» und entspreche nicht dem Anliegen der Initiative, so Walter Wobmann (svp, SO) gegenüber der Basler Zeitung. Das Komitee halte an der Initiative fest und blicke der Abstimmung nach wie vor zuversichtlich entgegen. Die SVP lehnte den bundesrätlichen Vorschlag ebenfalls als «wirkungslos» ab, wie in der Presse zu lesen war. Auf wenig Gegenliebe stiess der Vorschlag indes auch bei den Grünen. Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH) bezeichnete ihn gegenüber der Basler Zeitung als «falsch und überflüssig», weil Nötigung ohnehin strafbar sei, und machte ihm in der Aargauer Zeitung den gleichen Vorwurf wie der Initiative selbst, nämlich zur «Stimmungsmache gegen Muslime in der Schweiz» beizutragen. Positiver äusserten sich die CVP und die SP zur Stossrichtung des Bundesrates, wenngleich sich die SP weiter auf ihren eigenen direkten Gegenentwurf zur Verbesserung der Gleichstellung der Frauen konzentrieren wollte. SP-Nationalrat Cédric Wermuth (sp, AG) bedauerte im Tages-Anzeiger, dass der Bundesrat sich nicht getraut habe, «die Debatte neu auszurichten», und dass der Gegenvorschlag «keine Antwort auf das Unbehagen» liefere, das hinter der Initiative stehe. Von verschiedenen Seiten wurde der bundesrätliche Vorschlag auch als nicht oder nur schwer umsetzbar kritisiert, da Frauen, die gezwungen werden, sich zu verschleiern, dies eher nicht bei der Polizei zur Anzeige bringen würden. Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR), der bereits ein Gegenkomitee zur Initiative gegründet hatte, begrüsste dagegen den Vorschlag des Bundesrates. Er sei zwar nicht «das Ei des Kolumbus», eröffne aber die Möglichkeit für eine gezielte Debatte über die Probleme im Zusammenhang mit der Gesichtsverhüllung und über allfällige Lösungen, so Caroni gegenüber «Le Temps».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Wie erhofft konnte der Ständerat den Erlassentwurf zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Überwachung von Versicherten, der in Erfüllung einer Kommissionsinitiative der SGK-SR durch das Kommissionssekretariat erarbeitet worden war, in der Wintersession 2017 behandeln. Mittels der Kommissionsinitiative war der Observationsartikel aus der Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechtes (ATSG) herausgenommen worden, um den Prozess zu beschleunigen. Konrad Graber (cvp, LU) ging dennoch auf die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung des ATSG ein. So wiesen die Vernehmlassungsantworten zwei Grundstossrichtungen auf: Den Behinderten- und Arbeitnehmerorganisationen, der SP und den Grünen gingen die vorgeschlagenen Regelungen zu weit, den Kantonen, Arbeitgeberorganisationen und bürgerlichen Parteien hingegen nicht weit genug. Ein ähnliches Muster zeigte sich in der Folge auch in der Ständeratsdebatte zum Erlassentwurf. Alex Kuprecht (svp, SZ) akzentuierte den Handlungsbedarf, der durch betrügerisch erworbene Renten in Millionenhöhe entstehe. Er betonte zudem, dass die im Erlassentwurf aufgeführten Observationen nicht leichtfertig durchgeführt würden, sondern zahlreiche Verdachtsmomente dazu notwendig seien. Letzterem widersprachen Hans Stöckli (sp, BE), Paul Rechsteiner (sp, SG) und Géraldine Savary (sp, VD) vehement: So hätten sich ein Drittel aller bisherigen Observationen als falsch, unnötig oder nicht zielführend erwiesen. Im neuen Erlass habe das Kommissionssekretariat die bundesrätliche Vorlage und damit die Möglichkeiten zur Überwachung erheblich verschärft. Neu sollen auch Tonaufzeichnungen und GPS-Tracker zur Ergänzung der Überwachung verwendet werden können und die Überwachung soll auf alle von öffentlichen Orten einsehbaren Bereiche ausgeweitet werden.
Die linke Ratsseite kritisierte insbesondere, dass diese Massnahmen zur Anwendung kämen, bevor ein begründeter Verdacht auf einen Straftatbestand bestehe, also bevor die Sozialversicherer Strafanzeige erstatten könnten. Somit erlaube die Revision strengere Observationsmöglichkeiten für den zivilen Teil eines Vergehens als für den strafrechtlichen Teil, was der Verhältnismässigkeit zuwiderlaufe. Diese kritische Meinung zur Reform teilte auch eine Gruppe von vier Staatsrechtlern, welche die Reform in einem Schreiben aufgrund der vielen Blankettnormen ohne erforderliche rechtsstaatliche Sicherungen als ausserordentlich problematisch bezeichneten. Stöckli kritisierte neben dem Erlasstext auch dessen Ausarbeitung: Beim Nachrichtendienstgesetz habe man „sehr seriös und unter Einbezug aller Eventualitäten eine rechtsstaatlich korrekte Gesetzgebung vorgenommen”, während hier in kürzester Zeit Massnahmen geschaffen worden seien, die wesentlich weiter gingen als die Massnahmen zum Staatsschutz und zur Terrorismusbekämpfung. Zudem sei der bundesrätliche Vorschlag nach der Vernehmlassung verschärft worden, ohne dass es nochmals Anhörungen gegeben hätte. Rechsteiner wies überdies auf die Rechtsungleichheit hin, welche diese Änderungen in Kombination mit der zwei Tage zuvor abgelehnten Verschärfung der staatlichen Mittel gegenüber Steuerdelinquenten bewirkten.
Um diese zahlreichen Bedenken klären zu können, schlug Raphaël Comte (fdp, NE) vor, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen. Dies lehnten aber zahlreiche Sprecherinnen und Sprecher ab, da eine Rückweisung zu einer Verzögerung von mindestens drei Monaten führen und keinen Mehrwert bringen würde. Stattdessen könnten diese Fragen auch im Plenum geklärt werden. Folglich wurde der Antrag Comte mit 15 zu 23 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) abgelehnt. In der Detailberatung wurde zuerst geklärt, inwiefern richterliche Bewilligungen für Observationen nötig sein sollen. Der kleinen Kammer ging der Minderheitsantrag Rechsteiner zu weit, wonach für alle Observationen neben konkreten Anhaltspunkten auf einen unrechtmässigen Leistungsbezug sowie der Aussichtslosigkeit oder der unverhältnismässigen Erschwerung von Abklärungen ohne Observationen auch eine richterliche Genehmigung vorliegen müsse. Stattdessen folgte sie dem Antrag Caroni (fdp, AR) und verlangte nur für den Einsatz von technischen Instrumenten zur Standortbestimmung eine richterliche Bewilligung. Ansonsten sollen Personen mit Direktionsfunktion beim Versicherungsträger die Berechtigung zur Anordnung von Observationen erhalten. Ein weiterer umstrittener Punkt betraf die Frage, ob Observationen ausschliesslich im öffentlich zugänglichen Raum oder in einer weiteren Fassung auch an einer von einem allgemein zugänglichen Ort frei einsehbaren Stelle erlaubt sein sollen. Stöckli sprach sich dafür aus, die bestehende Gesetzgebung im Strafprozess zu übernehmen und damit auch die Vernehmlassungskritik ernst zu nehmen, in der befürchtet worden war, dass neu auch Observationen im Privatbereich möglich werden würden. Bundesrat Berset bestätigte jedoch, dass eine weitere Fassung der Regelung die geltende Praxis kodifiziere, die überdies gemäss Kuprecht auch vom Bundesgericht gestützt worden war (BGE 8C 272/2011). Folglich entschied sich auch der Ständerat mit 33 zu 10 Stimmen für diese Fassung. Der Bundesrat solle die Anforderungen an mit Observationen beauftragte Personen definieren können, entschied der Ständerat abschliessend. In der Gesamtabstimmung zeigten sich die meisten Mitglieder des Ständerats mit den Änderungen einverstanden und nahmen die Vorlage mit 32 zu 8 Stimmen (bei einer Enthaltung) an.

Parlament schafft eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten (Pa. Iv. 16.479)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Im BWIS soll eine Bestimmung eingefügt werden, die den Erlass von Ausreisesperren für potenzielle Gewaltextremisten ermöglicht. Ähnlich wie Hooligans (Art. 24c BWIS) sollen damit auch Personen aus politisch extremistischen Kreisen daran gehindert werden können, sich an gewalttätigen Ausschreitungen im Ausland zu beteiligen, so die Forderung einer Motion Rieder (cvp, VS). Der Bundesrat unterstützte das Anliegen im Grundsatz, betonte in seiner Stellungnahme jedoch, dass eine Ausreisesperre einen schweren Grundrechtseingriff darstelle und daher nur erlassen werden dürfe, wenn kein milderes Mittel zielführend sei bzw. wenn die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz bedroht sei. In diesem Sinne sei das EJPD bereits daran, ein Ausreiseverbot für terroristische Gefährder auszuarbeiten, womit dem Anliegen der Motion in verhältnismässiger Weise Rechnung getragen werde. Aus diesem Grund beantragte er deren Ablehnung. Die Mehrheit im Ständerat liess sich von den rechtsstaatlichen Bedenken der Regierung jedoch nicht überzeugen und stimmte der Motion in der Wintersession 2017 mit 29 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu.

Mo. Rieder: Ausreisesperren für potenzielle Gewaltextremisten

Einen Tag vor Ablauf der Sammelfrist Mitte September 2019 gab das Egerkinger Komitee in den Medien bekannt, die benötigten 100'000 Unterschriften für die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» beisammen zu haben und die Initiative pünktlich am 15. September bei der Bundeskanzlei einreichen zu wollen. Dies sei dem Komitee durch einen «massiven Schlussspurt» gelungen, so Initiant Walter Wobmann (svp, SO) gegenüber der Basler Zeitung. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass das Initiativkomitee mit einer massiv erhöhten Zahl an ungültigen Unterschriften zu kämpfen hatte. Mitte Oktober bestätigte die Bundeskanzlei sodann das Zustandekommen der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 105'553 gültigen Unterschriften.
Während sich emanzipierte Frauen und Feministinnen aller Couleur in den Medien um die Frage stritten, ob die Burka verboten gehört oder nicht, sprach sich die Bundeshausfraktion der CVP als erste mehrheitlich für das Verhüllungsverbot aus, wie Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) in der Presse bekanntgab, obgleich das Verbot nicht unbedingt in der Verfassung verankert werden müsse. Auch ihre Basis stehe hinter dem Verbot, so Pfister weiter. Die SP arbeitete indessen an einem Gegenentwurf zur Stärkung der Frauenrechte. Es bestehe Handlungsbedarf, nicht nur familiäre und berufliche, sondern auch gesellschaftliche Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen, und zwar nicht nur, aber auch bei Ausländerinnen, zitierte der Tages-Anzeiger die Berner SP-Nationalrätin Nadine Masshardt. Dazu soll der Gleichstellungsartikel in der Verfassung ausgeweitet werden. Darüber hinaus wollte der Entwurf der SP die Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau zum expliziten Ziel der schweizerischen Aussenpolitik erklären. Für Initiant Wobmann war dieser Vorschlag «an den Haaren herbeigezogen» und ohne Bezug zur Initiative. Die Frage, ob die Gleichstellung von Migrantinnen allgemein stärker gefördert werden müsse, müsse in einem anderen Kontext diskutiert werden, liess er im Tages-Anzeiger verlauten. Ebenfalls der Initiative mit einem Gegenvorschlag gegenübertreten wollte gemäss der Sonntags-Zeitung Justizministerin Simonetta Sommaruga, wobei sie den Fokus jedoch auf das Verbot des Verhüllungszwangs zu legen plante.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

La députée Feri (ps, AG) a proposé au Conseil national la création d'un observatoire national de la pauvreté. Cet organe, institué par le Conseil fédéral, mettrait à la disposition de le Confédération, des cantons et des communes des données ciblées et scientifiques sur la pauvreté en Suisse. Cette mesure a pour but de renforcer les outils de lutte contre la pauvreté. Le Conseil fédéral a proposé de refuser l'objet, estimant qu'il est prématuré de mettre en œuvre un tel programme avant la parution du rapport final sur le programme national de prévention contre la pauvreté, lancé en 2013. Le Conseil national a suivi cet avis en rejetant la motion à l'unanimité.

Création d'un observation national de la pauvreté

Da mit der Verbesserung der informationellen Selbstbestimmung das zentrale Anliegen der beiden parlamentarischen Initiativen Vischer (gp, ZH; Pa.Iv. 14.413) und Derder (fdp, VD; Pa.Iv. 14.434) voraussichtlich im Zuge der Totalrevision des Datenschutzgesetzes umgesetzt werden soll, verzichtete die zuständige SPK-NR vorerst auf eine eigene gesetzgeberische Tätigkeit. Sie wollte zuerst die Botschaft des Bundesrates zum Datenschutzgesetz abwarten. Im August 2017 musste die Kommission nun entscheiden, was mit den zwei Jahre zuvor gutgeheissenen Vorstössen geschehen soll. Die mit Stichentscheid des Präsidenten Heinz Brand (svp, GR) äusserst knapp zustande gekommene Kommissionsmehrheit plädierte für eine zweijährige Fristverlängerung bei beiden Vorstössen. Die SPK-NR werde als zuständige Kommission für Datenschutz auch das Datenschutzgesetz vorberaten und damit die Möglichkeit haben, allenfalls nicht berücksichtigte Forderungen der Initiativen als Anträge einzubringen. Danach könnten die beiden Initiativen abgeschrieben werden. Anstelle der Fristverlängerung beantragte die Kommissionsminderheit die Abschreibung der beiden Vorstösse, da Art. 13 BV (Schutz der Privatsphäre) bereits den Schutz der persönlichen Daten umfasse, womit die Initiativen obsolet seien. Diese Argumentation von Minderheitssprecher Philippe Nantermod (fdp, VS) überzeugte in der Herbstsession 2017 auch die Mehrheit im Nationalrat: Mit 118 zu 76 Stimmen sprach sich die grosse Kammer für Abschreiben der beiden parlamentarischen Initiativen aus.

Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Pa.Iv. 14.413) / Schutz der digitalen Identität von Bürgerinnen und Bürgern (Pa.Iv. 14.434)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Im August 2016 legte der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft zur Genehmigung des 2014 von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) verabschiedeten Protokolls zum Übereinkommen Nr. 29 über die Zwangs- oder Pflichtarbeit vor. Das Protokoll bringt das 1930 in Kraft getretene und von der Schweiz ratifizierte Übereinkommen Nr. 29 auf den neusten Stand und fordert Regierungen auf, Massnahmen zur Prävention von Zwangsarbeit zu ergreifen, die Opfer zu schützen und ihnen Zugang zu Rechtsschutz- und Rechtsbehelfsmechanismen zu gewähren. Da das Übereinkommen Nr. 29 als IAO-Kernabkommen gilt und das Protokoll Bestandteil des Abkommens ist, gilt das Protokoll ebenfalls als Kernabkommen.
Der Nationalrat beriet in der Wintersession 2016 über die Genehmigung des Protokolls. Seine APK war zuvor zum Schluss gekommen, dass durch eine Ratifizierung keine Gesetzesanpassungen nötig würden und hatte der Vorlage danach mit 15 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt. Bei der Debatte im Rat argumentierte die Ratsminderheit um Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU), dass das Protokoll unnötig sei, da die Schweiz schon alle gesetzlichen Bestimmungen, welche im Protokoll gefordert werden, etabliert habe und eine Ratifizierung durch die Schweiz deshalb nicht dazu beitrage, Menschen vor Zwangsarbeit zu schützen. Zudem werde die Definition des Begriffs Zwangsarbeit zu stark ausgeweitet, was z.B. Auswirkungen auf den Militär- und Zivildienst oder die Beschäftigung von Asylsuchenden haben könne. Die Kommissionsmehrheit und Bundesrat Johann Schneider-Ammann hielten hingegen fest, dass die Definition von Zwangsarbeit schon im Abkommen von 1930 festgelegt worden sei, durch das Protokoll nicht ausgeweitet werde und keine der von der SVP erwähnten Beispiele wie Militär- oder Zivildienst betreffe. Ausserdem sei die Ratifizierung des Protokolls ein Akt internationaler Solidarität mit den weltweit immer noch fast 21 Millionen Opfern von Zwangsarbeit. In der Gesamtabstimmung gesellte sich einzig FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler (fdp, ZH) zu der geschlossen Nein stimmenden SVP-Fraktion. So wurde der Bundesbeschluss mit 125 zu 67 Stimmen klar angenommen.
Deutlich weniger Widerstand erfuhr die Vorlage im Ständerat, der dem Bundesbeschluss in der Frühlingssession 2017 mit 33 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen zustimmte. Bei den Schlussabstimmungen kam es zu keinen Überraschungen mehr, womit das Protokoll mit 125 zu 70 Stimmen bei 2 Enthaltungen im Nationalrat und 38 zu 7 Stimmen im Ständerat genehmigt wurde. Als die Referendumsfrist ungenutzt verstrichen war, ratifizierte der Bundesrat das Protokoll am 28. September 2017.

Internationale Arbeitsorganisation. Protokoll zum Übereinkommen Nr. 29 über Zwangsarbeit (BRG 16.058)

Le député Ruppen (udc, VS) a déposé une motion intitulée: APEA. Améliorer la transparence. Par ce moyen, il souhaite que les personnes qui contactent l'autorité de protection de l'adulte et de l'enfant pour dénoncer une maltraitance de manière malveillante soient punies financièrement et que leur nom soit divulgué. Le Conseil fédéral estime que la règle de confidentialité qui a cours en ce qui concerne les appels signalant une personne ayant besoin d'aide garantit l'accès à cette aide pour le plus grand nombre. Les cas de malveillance étant extrêmement rares, les sept sages n'estiment pas nécessaire une modification de la loi. La chambre basse a suivi cet avis, rejetant la motion agrarienne par 111 voix contre 72 sans abstentions.

APEA. Améliorer la transparence

Le Conseil national a refusé en septembre 2017 une motion Reimann (udc, SG) intitulée: Autorisation de séjour ou d'établissement. Exclure les allocataires sociaux. Les députées et députés ont suivi l'avis du Conseil fédéral, qui considérait que les modifications apportées en décembre 2016 à la loi sur les étrangers étaient suffisantes pour atteindre les objectifs poursuivis par la motion. L'objet a été refusé par 115 voix contre 68 et 1 abstention.

Autorisation de séjour ou d'établissement. Exclure les allocataires sociaux

In der Herbstsession 2017 stimmte der Nationalrat einer Motion Wehrli (fdp, VD) zum Thema Kindesunterhalt zu. Der Vorstoss zielte darauf ab, die Ungleichbehandlung von Eltern mit Kindern in Ausbildung und Eltern mit Kindern, die nicht in Ausbildung sind, zu beseitigen. Nach dem Ansinnen des Motionärs sollen Eltern gegenüber ihren 18- bis 25-jährigen Kindern nicht nur dann unterhaltspflichtig sein, wenn die Kinder eine Ausbildung absolvieren, sondern auch dann, wenn die Kinder nicht in Ausbildung und mittellos sind. Im letzteren Fall müssen Eltern gemäss heute geltendem Recht ihre Kinder nur dann finanziell unterstützen, wenn sie selbst „in günstigen Verhältnissen“ leben. Ist dies nicht der Fall, kommen die Sozialdienste für die Lebenskosten des Kindes auf – allerdings nur solange das Kind nicht in Ausbildung ist. Die geforderte Anpassung im ZGB möchte folglich auch verhindern, dass Kinder davon abgehalten werden, eine Ausbildung zu beginnen. In erster Linie soll jedoch die Sozialhilfe entlastet werden, indem Eltern bei Bedürftigkeit in jedem Fall für den Unterhalt ihres unter 25-jährigen Kindes aufkommen müssen, unabhängig von dessen Ausbildungsstatus.

Kindesunterhalt. Änderung von Artikel 277 ZGB, um die Ungleichbehandlung von Eltern mit Kindern in Ausbildung und Eltern mit Kindern, die nicht in Ausbildung sind, zu beseitigen (Mo. 16.3212)

Die Veröffentlichung des Ergebnisses der Vorprüfung durch die Bundeskanzlei Mitte März 2016 war für das Egerkinger Komitee der Startschuss zur Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», deren Text sich am Tessiner Verhüllungsverbot orientierte. Die dazugehörige medienwirksame Inszenierung auf dem Bundesplatz, bei der einige Komitee-Mitglieder als vermummte Chaoten und Burkaträgerinnen – zum Teil mit Sprengstoffgürtel-Attrappe – verkleidet posierten, hatte für das Komitee ein juristisches Nachspiel. Im Kanton Bern gilt seit 1999 ein Vermummungsverbot bei unbewilligten Demonstrationen, weshalb die Stadt Bern das Komitee wegen «Kundgebung ohne Bewilligung» mit 500 Franken büsste, wie die Aargauer Zeitung berichtete. Da die eidgenössischen Räte sich später aber gegen die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Walter Wobmanns – Präsident des Komitees und Nationalrat – entschieden, musste die Busse nicht bezahlt werden.
Einige Monate nach Anlaufen der Unterschriftensammlung, im Sommer 2016, vereinnahmte der Zürcher SP-Regierungsrat Mario Fehr die Schlagzeilen zur Burka-Debatte, indem er sich als prominenter Vertreter des linken Lagers zu den bisher hauptsächlich rechtsbürgerlichen Befürwortern eines Verhüllungsverbots gesellte. Burkas gehörten nicht in die Schweiz, denn in einer liberalen Gesellschaft zeige man das Gesicht, zitierte ihn die Presse. Erwartungsgemäss löste er mit dieser «Provokation», wie die NZZ seinen öffentlichen Positionsbezug gegen die Parteilinie nannte, weit über seine eigene Partei hinaus einen Sturm der Entrüstung aus. Linke wie Liberale warfen ihm ein seltsames Verständnis von Liberalismus vor. Doch es zeigte sich auch, dass die SP in dieser Frage keineswegs geeint war. Mit Pierre-Yves Maillard (sp, VD) und Anita Fetz (sp, BS) sprachen sich in den Tagen darauf zwei weitere SP-Aushängeschilder gegen die Burka in der Schweiz aus und auch bei der Parteibasis erfreue sich Fehr – nicht nur, aber auch wegen seiner Haltung in der Burka-Frage – grosser Beliebtheit, erklärte der Zürcher SP-Präsident Daniel Frei. Christian Levrat (sp, FR), Präsident der SP Schweiz, betonte gegenüber «La Liberté» unterdessen, dass die Burka aus der Schweiz verschwinden müsse, aber die Initiative der SVP der falsche Weg sei. Einig waren sich die Beteiligten letztlich darin, dass die Debatte über das Burkaverbot parteiintern noch geführt werden müsse.
Damit war die SP jedoch nicht allein; gespalten zeigten sich in der Burka-Frage auch die FDP, die CVP und sogar die SVP, deren Nationalräte Claudio Zanetti (svp, ZH) und Alfred Heer (svp, ZH) zu den prominentesten Gegnern des Burkaverbots gehörten. Handkehrum sprachen sich nach dem «Bekenntnis» Fehrs auch immer mehr bürgerliche Politikerinnen und Politiker öffentlich für ein Burkaverbot aus, auch wenn dieses ihrer Meinung nach nicht in die Verfassung gehöre, sondern vielmehr auf Gesetzesebene oder kantonal geregelt werden solle. Den «rasanten Meinungsumschwung» im bürgerlichen Lager beäugte Initiant Walter Wobmann eher skeptisch und brachte den Vorwurf des politischen Opportunismus aufs Tapet.
Nichts zur Entkräftung dieses Vorwurfs beitragen konnten die Ende August publizierten Resultate einer repräsentativen Umfrage von «Le Matin Dimanche» und der Sonntagszeitung, wonach 71 Prozent der befragten Stimmberechtigten ein Verhüllungsverbot in der Schweiz befürworteten. Fast alle (96%) der befragten SVP-Wählerinnen und -Wähler sprachen sich dafür aus; bei den anderen bürgerlichen Parteien BDP, CVP und FDP äusserten sich rund drei Viertel positiv zu einem Verbot. Die Wählerschaften der GLP und der SP zeigten sich mit 54 bzw. 47 Prozent Zustimmung gespalten, während die Basis der Grünen als einzige klare Ablehnung signalisierte. Eine weitere Umfrage im Auftrag der «Schweiz am Sonntag», deren Ergebnisse drei Wochen später veröffentlicht wurden, bestätigte diese Tendenz, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Hier sprachen sich schweizweit rund 61 Prozent der Befragten für ein Verhüllungsverbot aus, ältere deutlich stärker als jüngere.
Als Alternative zum Burkaverbot in der Verfassung, das allenfalls Signalwirkung habe, aber keine Probleme löse, erneuerte CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) unterdessen die Idee eines Religionsartikels in der Verfassung. Es müsse eine grundsätzliche und breitere Diskussion darüber stattfinden, «welche Werte in unserer Gesellschaft für alle gelten sollen» und «wie unsere Rechtsordnung gegen fundamentalistische Ideologien durchgesetzt werden» könne, so Pfister gegenüber dem St. Galler Tagblatt. Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth griff die Idee Pfisters auf und präsentierte in der «Schweiz am Sonntag» einen Entwurf für einen solchen Religionsartikel, den er als «Koalitionsangebot an die progressiven Kräfte – nicht nur, aber auch im Islam» bezeichnete. Der Vorschlag sah Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung für alle religiösen Gemeinschaften bei gleichzeitiger Verpflichtung derselben auf die Werte der Bundesverfassung vor und gründete in der Hoffnung, durch die staatliche Anerkennung des Islams dessen fundamentalistische Strömungen zurückzudrängen. Da ein solcher Toleranzartikel jedoch einerseits die Abschaffung des Minarettverbots bedeutete und andererseits viele neue Fragen nach tolerablen und intolerablen Glaubensäusserungen aufwürfe, räumten ihm die Medien keine allzu grossen Erfolgschancen ein. Auch von Seiten christlicher und muslimischer Religionsgemeinschaften äusserten sich kritische Stimmen zu diesem Vorhaben.
Zur Halbzeit der Sammelfrist, Anfang 2017, gab Initiant Walter Wobmann in der Presse bekannt, sein Komitee habe bereits 70'000 Unterschriften beisammen und schaue somit zuversichtlich dem Ablauf der Frist Mitte September entgegen. Derweil zeichnete sich auch immer deutlicher ab, dass ein indirekter Gegenvorschlag mit einem Verbot auf Gesetzesstufe durchaus denkbar sein würde und dass ein solcher bei vielen v.a. bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wohl auf Unterstützung zählen könnte. Darauf liess sich Wobmann im «Blick» zitieren: Falls der Inhalt des Gegenvorschlags deckungsgleich zu jenem der Volksinitiative wäre, werde man den Rückzug der Initiative in Betracht ziehen.
Anfang September 2017, also noch vor Ablauf der Sammelfrist, präsentierte der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni bereits ein Nein-Komitee zum Verhüllungsverbot, für dessen Co-Präsidium er Vertreterinnen und Vertreter aus allen Fraktionen gewinnen konnte. Zu seinen Mitstreitenden zählten gemäss «Sonntags-Blick» SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, die Zürcher Nationalrätinnen Tiana Angelina Moser von der GLP, Barbara Schmid-Federer von der CVP und Rosmarie Quadranti von der BDP sowie die Ständeräte Hans Stöckli (sp, BE) und Robert Cramer (gp, GE). Caroni nannte die Initiative des Egerkinger Komitees «Symbolpolitik», die ein «Scheinproblem» lösen wolle. Es gehe den Initianten nicht um Frauenrechte, sondern um den «Kulturkampf gegen den Islam». Ausserdem verletze ein nationales Verbot den Föderalismus; einen Entscheid sollte jeder Kanton für sich treffen, präsentierte er seine Argumente im «Sonntags-Blick». Initiant Wobmann kommentierte die Gründung des Gegenkomitees laut «Blick» mit der Bemerkung, Caroni verfüge über «spezielle Hirnwindungen». Unverständlich sei für ihn auch, was in seinen Parteikollegen Zanetti gefahren sei, dass er sich so vehement gegen die Initiative engagiere.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Im September 2017 legte der Bundesrat seinen Bericht vor, mit welchem dem Anliegen aus zwei Postulaten aus dem Jahr 2014 Rechnung getragen wird. Darin ging es um eine Kostenschätzung bezüglich der Sozialhilfe. So sollte der Bundesrat Transparenz schaffen in Bezug auf Kostenentwicklung und Beauftragung privater Firmen.
Bereits in seiner Vorstossantwort limitierte der Bundesrat die Ziele seines Berichtes auf eine Auswertung von bestehenden Daten sowie auf einen Überblick in denjenigen Bereichen, in denen solche Informationen nicht oder nur lückenhaft vorhanden sind. Insofern konnte nicht mehr als eine Auslegeordnung erwartet werden. So wurde eingangs des Berichts auch vermerkt, dass keine politischen Empfehlungen daraus abzuleiten seien.
Die Kostenentwicklung – der wohl am stärksten interessierende Faktor – konnte jedoch genau wiedergegeben werden. Die Sozialhilfequote blieb zwischen 2005 und 2015 zwar stabil, die Ausgaben der Sozialhilfe stiegen jedoch in diesem Zeitraum markant an: von CHF 1.7 Mrd. auf CHF 2.6 Mrd. Das sei auf den Anstieg der Anzahl von Bezügerinnen und Bezügern (plus 11.8%) zurückzuführen sowie auf die höheren Ausgaben, welche pro Person angefallen seien. Hier wurde eine Zunahme um 33 Prozentpunkte festgestellt. Dies wiederum wurde unter anderem mit gestiegenen Gesundheitskosten, höheren Mietzinsen im Wohnungswesen sowie mit längeren Bezugsperioden begründet. Während für einzelne Bereiche kaum eine Veränderung herbeigeführt werden könne, dürften für andere kostenoptimierende Massnahmen infrage kommen, erklärte der Bundesrat. Eine auf Bildung und Qualifikation ausgerichtete Präventionspolitik etwa könne helfen. Weiter beurteilte die Regierung Investitionen in Rahmenbedingungen, welche die soziale und berufliche Integration förderten, als erfolgversprechend.
Bezüglich der Entwicklung der Anzahl beauftragter Firmen könne gemäss Bericht nur bedingt Auskunft gegeben werden, weil die verfügbaren Quelle nicht ausreichend seien. Dargelegt wurde jedoch im Bericht, was unter dem Begriff «Sozialfirmen» zu verstehen sei und welche Art von Aufträge diese entgegennähmen: Deren Aufträge würden aus verschiedenen Bereichen erwachsen, wie der Sozialversicherungsgesetzgebung, der Sozialhilfe und dem Kindesschutz. Umfassende Schlüsse bezüglich der Transparenz der Tarife dieser Firmen – der eigentliche vom Bundesamt für Justiz erteilte Auftrag – liessen sich aus der Analyse nicht ableiten. Dazu wäre eine schweizweite Untersuchung nötig, hiess es vonseiten der Autoren der Evaluation.

Sozialhilfe. Transparenz schaffen in Bezug auf Kostenentwicklung sowie Beauftragung privater Firmen

In Erfüllung der beiden Postulate «Transparenz statt Polemik bei der Sozialhilfe» der Sozialdemokratischen Fraktion und «Sozialhilfe. Transparenz schaffen in Bezug auf Kostenentwicklung sowie Beauftragung privater Firmen» von Pascale Bruderer Wyss (sp, AG, Po. 14.3915) veröffentlichte der Bundesrat im September 2017 einen Bericht zur Kostenentwicklung in der Sozialhilfe. Dieser enthielt die Erläuterung von Begriffen und Konzepten der Sozialhilfe, die Darstellung wirtschaftlicher Sozialhilfekosten und die Analyse verschiedener Faktoren zum Kostenanstieg. Insgesamt sei die Sozialhilfequote stabil geblieben, mehr Beziehende und höhere pro Kopf-Ausgaben hätten jedoch zu einem Ausgabenanstieg geführt. Erklärt werden könne dieser Anstieg unter anderem durch demografische, sozioökonomische und institutionelle Faktoren. Während gewisse soziodemografische Variablen kurz- und mittelfristig nicht verändert werden können, sei es möglich, längerfristig auf die Entwicklung anderer Faktoren Einfluss zu nehmen, indem der Fokus auf Präventionspolitik im Bereich von Bildung und Qualifikation sowie auf Rahmenbedingungen bezüglich sozialer und beruflicher Integration und institutioneller Anpassungen gelegt werde, so der Bundesrat in seinem Bericht. Nichtsdestotrotz dürften Sozialhilfeausgaben nicht isoliert angeschaut werden; vielmehr sei zur Problembehebung das Ergreifen von Massnahmen an mehreren Stellen notwendig. In der Folge wurden die beiden Postulate vom Nationalrat in der Sommersession 2018 im Zusammenhang mit den Beratungen des Berichts über die Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2017 abgeschrieben.

Transparenz statt Polemik bei der Sozialhilfe (Po. 14.3892)

Wie Bundesrat Guy Parmelin bereits im Anschluss an die Volksabstimmung vom 25. September 2016 angekündigt hatte, schickte der Bundesrat Anfang 2017 die Verordnungen zum neuen Nachrichtendienstgesetz in die Vernehmlassung. Es handelte sich dabei einerseits um die Verordnung über den Nachrichtendienst (NDV), die dort greift, wo das NDG der Präzisierung bedarf. So werden darin etwa die Zusammenarbeit des NDB mit in- und ausländischen Stellen, die Informationsbeschaffung, der Datenschutz und die Archivierung, die Kontrolle, der interne Schutz, die Sicherheitsmassnahmen sowie die Bewaffnung des NDB konkretisiert. Andererseits handelte es sich um die Verordnung über die Informations- und Speichersysteme des NDB, die technische Regelungen zum Betrieb, zum Inhalt und zur Nutzung dieser Systeme enthält. In einer separaten Vernehmlassung, die im März eröffnet wurde, holte der Bundesrat zudem Stellungnahmen zur Verordnung über die Aufsicht über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (VAND) ein. Diese dritte Umsetzungsverordnung regelt administrative Fragen bezüglich der Aufsichtsbehörde (AB-ND), die Kontrolle der Funk- und Kabelaufklärung durch die Unabhängige Kontrollinstanz (UKI) sowie die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und der Dienstaufsicht in den Kantonen. Für Kritik sorgte, dass die AB-ND administrativ dem Generalsekretariat des VBS zugeordnet werden sollte. Das entspreche nicht dem Willen des Parlaments, das während der Beratung des NDG den Bundesrat per Motion (15.3498) dazu aufgefordert hatte, Möglichkeiten für eine Aufsicht ausserhalb der Bundesverwaltung aufzuzeigen, monierte Nationalrätin Edith Graf-Litscher (sp, TG) gegenüber der Presse; nicht zuletzt habe das Versprechen einer starken und unabhängigen Aufsicht Viele dazu bewogen, dem Gesetz in der Volksabstimmung zuzustimmen. Weniger problematisch sahen dies Ständerat Alex Kuprecht (svp, SZ), Präsident der GPDel und damit der parlamentarischen Oberaufsicht über den NDB, sowie EDÖB Adrian Lobsiger, die beide die operative Selbstbestimmung der Aufsicht durch deren rein administrative Ansiedlung beim VBS – überdies mit eigenem Budget – nicht gefährdet sahen, wie sie in den Medien erklärten.
Daneben traf der Bundesrat weitere Vorbereitungen für die geplante Inkraftsetzung des neuen NDG am 1. September 2017. So hob er in der bestehenden Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes (V-NDB) die Vorschrift auf, dass der NDB Informationen über das Inland und solche über das Ausland in intern getrennten Organisationseinheiten beschaffen muss. Damit werde «ein letztes Überbleibsel» der einst getrennten Inlands- und Auslandsnachrichtendienste abgeschafft, wie es in der entsprechenden Medienmitteilung hiess. Die V-NDB wird mit Inkrafttreten des neuen NDG ihre Geltung zwar verlieren, doch dass die Fusion im Hinblick auf das neue NDG schon vorzeitig vollzogen werde, sei organisatorisch «sicher sinnvoll», zitierte die NZZ GPDel-Präsident Kuprecht. Gemäss Bundesrat könne der NDB nun seine Organisationsstruktur optimieren und Synergien nutzen. Zudem wählte der Bundesrat im Mai – und damit fast ein halbes Jahr später als von Verteidigungsminister Parmelin ursprünglich angekündigt – den Juristen Thomas Fritschi zum Leiter der AB-ND. Er werde die Aufsichtsbehörde ab August organisatorisch und personell aufbauen, gab die Regierung per Medienmitteilung bekannt.
In der Vernehmlassung wurden erhebliche Einwände hauptsächlich von Mitgliedern des ehemaligen Referendumskomitees vorgebracht, darunter die Forderung, die AB-ND ausserhalb der Bundesverwaltung anzusiedeln. Im Ergebnisbericht erläuterte das VBS, dass dafür eine Änderung des formellen Gesetzes vonnöten wäre, weshalb dieser und weitere Vorschläge nicht in den Entwurf übernommen wurden. Die Kantone als Hauptadressaten des Verordnungsrechts sowie die KKJPD und die KKPKS unterstützten die in den Vorentwürfen eingeschlagene Stossrichtung dagegen einhellig. Von ihnen geäusserte Anpassungswünsche, wie auch die Empfehlungen des Bundesverwaltungsgerichts und der GPDel habe der Bundesrat weitestgehend in die Entwürfe übernommen, erläuterte er per Medienmitteilung. Die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte nahmen darauf zur Kenntnis, dass die Regierung die wichtigsten in der Vernehmlassung ausgesprochenen Empfehlungen berücksichtigt habe und verzichteten auf weitere Änderungsvorschläge an den Bundesrat. Sie sprachen sich für eine schnellstmögliche Inkraftsetzung des NDG und der dazugehörigen Verordnungen aus, damit der NDB seinem Auftrag zum Schutz des Landes nachkommen könne.
Der Bundesrat verabschiedete die drei Verordnungen Mitte August und setzte sie zusammen mit dem NDG auf den 1. September 2017 in Kraft. Ab dann kann der NDB seine neuen Kompetenzen wahrnehmen und die neuen Überwachungsmittel einsetzen.
Einen Tag vor dem Inkrafttreten kündigte eine Handvoll Personen aus dem Umfeld der Digitalen Gesellschaft an, beim NDB ein Gesuch um Unterlassung der neuen Kabelaufklärung, d.h. der Durchsuchung des grenzüberschreitenden Internetverkehrs nach Stichworten, einzureichen. Wie die Aargauer Zeitung berichtete, konnten sie unter anderem den Schweizer Anwalt Edward Snowdens, Marcel Bosonnet, für ihre Sache gewinnen. Dennoch rechneten sie nicht damit, dass der NDB ihrem Begehren stattgeben werde, planten aber, anschliessend den Rechtsweg zu beschreiten, «notfalls bis zum EGMR in Strassburg», wie die Zeitung den federführenden Anwalt und Präsidenten von Grundrechte.ch Viktor Györffy zitierte. Spätestens dort würden sie recht erhalten, zeigte sich Györffy überzeugt, denn die «anlasslose Massenüberwachung», die der NDB von jetzt an praktiziere, verletze das Grundrecht auf Privatsphäre, die Unschuldsvermutung und das Verhältnismässigkeitsprinzip.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Anfang Juli 2017 legte der Bundesrat die Botschaft zur Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» vor. Die Regierung empfahl das Begehren ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Als Hauptargumente führte sie die Gefahr negativer aussenpolitischer sowie aussenwirtschaftlicher Auswirkungen an. Sich über bestehende internationale Verträge hinwegzusetzen, entspreche nicht der Rechtskultur der Schweiz und untergrabe die Rechts- und Planungssicherheit. Zudem weise die Volksinitiative innere Widersprüche auf. Es sei bereits heute klar, dass die Bundesverfassung oberste Rechtsquelle ist. Der Gegensatz zwischen Landesrecht und Völkerrecht sei konstruiert: «Völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, bedeutet keine Einschränkung, sondern Ausübung der nationalen Souveränität». Zwar gäbe es gemäss dem Bundesrat durchaus Spannungen zwischen Völker- und Landesrecht, insbesondere bei der Umsetzung von völkerrechtswidrigen Volksinitiativen, diese seien aber eher als Chance anzusehen, weil pragmatische und breit abgestützte Lösungsfindungen möglich seien, was mit der von der Initiative vorgeschlagenen starren Hierarchie hingegen verbaut würde. Die «in der Selbstbestimmungsinitiative enthaltene Ermächtigung zum Vertragsbruch» hätte nachteilige Auswirkungen für Wirtschaft und Aussenpolitik. Gerade der Kleinstaat Schweiz sei angewiesen auf völkerrechtliche Verträge, um nicht dem Recht des Stärkeren ausgeliefert zu sein. Nur wenn man sich selber an Verträge halte, könne man auch Zuverlässigkeit von anderen Vertragspartnern erwarten. Anstelle der versprochenen Klärung des Verhältnisses von Landesrecht und Völkerrecht würde man sich bei einer Annahme eher eine Erschwerung aufhalsen. Zudem würde die direkte Demokratie bei wichtigen Fragen damit nicht gestärkt, sondern geschwächt, weil man letztlich den Gerichten die Deutungshoheit überlassen müsste.
Vor der Presse wandte sich Justizministerin Simonetta Sommaruga mit deutlichen Worten gegen die Initiative. Sie warf den Initianten laut der Tribune de Genève vor, im Text vor allem hinsichtlich der Anwendung – wann genau herrscht ein Konflikt zwischen Landes- und Völkerrecht und wer entscheidet, ob ein Vertrag allenfalls gekündigt werden müsste – willentlich unpräzise geblieben zu sein, um die Verantwortung nicht übernehmen zu müssen («Les initiants sont restés volontairement flous pour ne pas assumer leurs responsabilités»). Während die SVP sich ob dem Entscheid des Bundesrates erbost zeigte, – Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) gab seine Enttäuschung zu Protokoll, dass der Bundesrat nicht einsehen wolle, dass das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht problematisch sei und deshalb eine Lösung gefunden werden müsse – begrüssten Parteien, Wirtschaftsverbände und verschiedene Interessenorganisationen den Entscheid.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Ende Juni 2017 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Unterstützung der nationalen Menschenrechtsinstitution. Dieses bildet die gesetzliche Grundlage zur Ablösung des als Pilotprojekt konzipierten Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) durch eine dauerhafte nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI). Das neue Gesetz stütze sich auf die positiven Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt und behebe gleichzeitig die festgestellten Mängel, insbesondere bezüglich der Unabhängigkeit, wie sie in den «Pariser Prinzipien» genannten UNO-Standards für nationale Menschenrechtsinstitutionen gefordert werde, erläuterte der Bundesrat in einer Medienmitteilung. Die NMRI soll zu ihrer Finanzierung – im Gegensatz zum SKMR, bei dem der Bund bisher Leistungen im Umfang von rund einer Million Franken jährlich einkaufte – vom Bund Finanzhilfe im Sinne des Subventionsgesetzes im gleichen Umfang erhalten. Sie soll so unabhängig von den Bundesbehörden selbstständig Themen in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgreifen und bearbeiten können.
In der Presse wurden zum Teil sehr kritische Töne angeschlagen, sowohl bezüglich der Kosten als auch des Nutzens der neuen Institution. Während die NZZ einmal mehr den Verdacht äusserte, die Schaffung der NMRI diene vor allem der aussenpolitischen Imagepflege, sahen die BaZ und «Weltwoche»-Herausgeber Roger Köppel (svp, ZH) darin «ein vom Bund finanziertes Propaganda-Instrument» für linke politische Anliegen. Der Tages-Anzeiger betonte hingegen die durch die Anbindung an die Universitäten vorwiegend wissenschaftliche Ausrichtung der Institution und ordnete die Schweizer NMRI angesichts ihrer bescheidenen Kompetenzen im internationalen Vergleich als «eher zahme Wächterin über die Menschenrechte» ein. Auch unter Experten herrschte Dissens bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Institution, berichtete der Tages-Anzeiger weiter.

Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI)
Dossier: Nationale Menschenrechtsinstitution