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Le seizième rapport de l'Observatoire sur la libre circulation des personnes entre la Suisse et l'UE indique un bilan migratoire global de 51'500 personnes en 2019, soit 3'200 immigré.e.s de moins qu'en 2018. Les soldes migratoires des ressortissant.e.s de l'UE/AELE et des Etats tiers ont légèrement diminué par rapport à l'année précédente (UE/AELE: 30'700 personnes en 2019, 31'200 en 2018; Etats tiers: 20'800 en 2019, 23'500 en 2018). Si le principal motif d'immigration des ressortissant.e.s d'Etats tiers est le regroupement familial, c'est l'exercice d'une activité lucrative qui motive les membres de l'UE ou de l'AELE à venir en Suisse. S'agissant du taux d'activité, il a avoisiné les 87.7% pour les ressortissant.e.s de l'UE et les 84.6% pour les ressortissant.e.s suisses. Si le taux de chômage de la population indigène est resté en deçà de la moyenne, il demeurait néanmoins au-delà de la moyenne pour les ressortissant.e.s de l'UE. Sur la base des taux d'activité et de chômage, le rapport indique que le potentiel de main-d’œuvre, indigène ou étrangère, est utilisé de manière satisfaisante en Suisse. La main-d’œuvre immigrée travaille – en comparaison avec la population active née en Suisse – plus souvent de nuit ou le soir, mais moins le dimanche. Elle exerce plus souvent une activité professionnelle temporaire.

Observatoriumsberichte zum Freizügigkeitsabkommen

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse fasste im Juni 2020 die Parolen zu den Abstimmungsvorlagen vom 27. September. Wie der Verband in einer Medienmitteilung festhielt, sagte er Nein zur Begrenzungsinitiative und Ja zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge. Zum Referendum über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten beschloss er Stimmfreigabe. Keine Parolen fasste er zum Vaterschaftsurlaub und zum Jagdgesetz. Bereits Ende 2019 hatte sich der Verband gegen die Begrenzungsinitiative positioniert, die Abstimmungen im Frühling 2020 wurden dann aber aufgrund der Corona-Pandemie auf September verschoben.
Die Begrenzungsinitiative stelle für den Wirtschaftsstandort Schweiz ein Experiment dar und gefährde den Wohlstand, hielt Economiesuisse in ihrer Medienmitteilung fest. Die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge sei nötig, da die aktuelle Flotte in die Jahre gekommen sei und der Luftraum auch zukünftig ausreichend geschützt werden müsse. Zudem betonte der Verband die Rolle der Luftwaffe als Bestandteil des Sicherheitsverbunds, von welchem auch Unternehmen und deren Mitarbeitende profitieren würden.
Die Stimmfreigabe zum Referendum betreffend die Kinderdrittbetreuungskosten begründete Economiesuisse mit der vorwiegend gesellschaftspolitischen und mangelnden volkswirtschaftlichen Relevanz des Kinderabzugs. Sie betonte jedoch auch, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage aus Sicht der Wirtschaft zu wenig ausgewogen sei.

Economiesuisse fasste im Juni die Parolen zu den Abstimmungsvorlagen vom 27. September 2020

Hilfswerke warnten zu Beginn des Lockdowns im März davor, dass die zur Eindämmung des Coronavirus getroffenen Massnahmen in Asylzentren vielerorts kaum oder gar nicht umsetzbar seien, weder für die im Asylwesen Beschäftigten noch für die Geflüchteten. So berichteten Angestellte den Medien, dass in Küchen und Sanitäranlagen die Hygiene- und Abstandsregeln nicht eingehalten werden könnten. Auch an Desinfektionsmittel mangle es und Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Angestellten seien teilweise schlecht über die Situation und die geltenden Massnahmen informiert worden. Die Situation, so war den Medien zu entnehmen, schien je nach Unterkunft zu variieren. Ein enormes Ansteckungsrisiko bestand beispielsweise in vereinzelten Unterkünften im Kanton Zürich, wo die Lage mit bis zu 18 Betten pro Zimmer angespannt war, wie der Tages-Anzeiger berichtete.

Bund und Kantone suchten deshalb nach zusätzlichen Asylunterkünften, damit die Hygieneregeln besser eingehalten und das Ansteckungsrisiko in entsprechenden Anlagen gesenkt werden könnten. Der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller betonte etwa, man habe die Informationen zu den Massnahmen in über zehn Sprachen publiziert und die Situation mithilfe von provisorischen Absperrungen und angepassten Zeitplänen für die Benutzung der Küche entschärft, bis die zusätzlichen Unterkünfte bezugsbereit waren. Der Bundesrat entschied, zuvor stillgelegte Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen, damit die Situation auch in den Bundesasylzentren verbessert werden konnte. Die Forderung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, laufende Asylverfahren aufgrund der Krise vorübergehend einzustellen, lehnte der Bund jedoch ab. Die zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte an einer Pressekonferenz im April, es gelte, die Rechtssicherheit zu bewahren. Erhielten aber Asylsuchende während der sogenannten «ausserordentlichen Lage» einen negativen Asylentscheid, sodass sie dadurch das Land verlassen mussten, erhielten die Betroffenen aufgrund der Situation mehr Zeit, um auszureisen.

Insgesamt, resümierten Behörden und Medien, gab es bis im Juni wider den Befürchtungen nur eine geringe Zahl an Ansteckungen in den Unterkünften zu beklagen. In betroffenen Zentren wurden im Falle einer Infektionsmeldung entweder strenge Isolationsmassnahmen getroffen oder die Infizierten wurden wie beispielsweise in Frick (AG) in eigens dafür eingerichtete externe Quarantänestationen gebracht. Doch trotz tiefer Ansteckungszahlen war die Situation eine grosse, in erster Linie auch psychische Belastung für Betroffene: Wie ein Bewohner einer vom Bund eingerichteten Unterkunft in einer Zivilschutzanlage gegenüber der Basler Zeitung berichtete, war die Sorge, sich auf solch engem Raum anzustecken, allgegenwärtig. Auch nach den getroffenen Vorkehrungen und Bemühungen des Bundes und der Mitarbeitenden sei es den Bewohnerinnen und Bewohnern nämlich nicht immer möglich gewesen, die schützenden Massnahmen einzuhalten. Es zeigten sich allerdings auch positive Entwicklungen, wie die Aargauer Zeitung festhielt: Damit die «schulische, berufliche und soziale Kommunikation» in den Zentren aufrechterhalten werden konnte, wurde vielerorts der Ausbau von WLAN-Anschlüssen vorangetrieben, wie dies bereits seit längerer Zeit von unterschiedlichen Stellen gefordert worden war.

Corona und Asylzentren

Der SGB und der Arbeitnehmerdachverband Travail.Suisse und damit einhergehend auch die grossen Gewerkschaften Unia, Syna und VPOD fassten im Februar 2020 die Nein-Parole zur Begrenzungsinitiative, wie der SGB per Medienmitteilung kommunizierte.
Die Initiative wolle den Lohnschutz aufweichen, die Arbeitsbedingungen verschlechtern und die Schweiz isolieren, so die Hauptargumente der ablehnenden Arbeitnehmerverbände. VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) betonte zudem, für migrantische Arbeitskräfte drohe sich bei einer Annahme der Initiative die arbeitsrechtliche Situation besonders zu verschlechtern, da deren Rechte mit der Initiative geschwächt und sie so leichter ausgebeutet werden könnten.
Die Gewerkschaften kündigten mit der Parolenfassung ebenfalls eine grossangelegte Gegenkampagne an, die sodann in den Medien thematisiert wurde. Wie die Initiativgegnerinnen und -gegner bekannt gaben, planten sie, eine Abstimmungszeitung in jeden Schweizer Haushalt verschicken zu wollen. Damit würden die Gewerkschaften auf ein «bevorzugtes Kampagneninstrument der SVP» setzen, konstatierte der Tages-Anzeiger und titelte: «Gewerkschaften greifen SVP mit deren eigenen Mitteln an».
Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die ursprünglich für Mai vorgesehene Abstimmung auf September verschoben, weshalb auch die Kampagne unterbrochen wurde. Im Juni gab der SGB schliesslich bekannt, die Kampagne gegen die Begrenzungsinitiative fortzuführen.

Gewerkschaften sagen Nein zu Begrenzungsinitiative

Wie der SGV gegenüber den Medien kommunizierte, hatte er bereits im Oktober 2019 die Nein-Parole zur Begrenzungsinitiative gefasst; im Juni 2020 bekräftigte er seine Entscheidung, nachdem die Abstimmung aufgrund der Corona-Pandemie von Mai auf September hatte verschoben werden müssen.
Schon im Herbst 2019 hatte der SGV mit einem laut eigenen Angaben drohenden Fachkräftemangel argumentiert, der sich bei einer Annahme der Initiative verschärfen würde. Im Sommer 2020 fügte der Verband an, das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU, dessen Kündigung bei einer Annahme der Initiative zur Debatte stünde, sei für die Schweizer Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Dank diesem Abkommen könnten KMU «flexibel und unbürokratisch» auf den Fachkräftepool der EU zurückgreifen. Der SGV führte als Dachverband der Schweizer KMU mit seinem Gegenkomitee deshalb eine – wie er es nannte – «KMU-Kampagne gegen die Begrenzungsinitiative», weil der Zugriff auf EU-Arbeitskräfte ein wichtiges Anliegen der Unternehmen sei.

Wie die NZZ im Februar 2020 berichtete, befanden sich einige Vertreterinnen und Vertreter der SVP, welche die Initiative zusammen mit der AUNS lanciert hatte, aufgrund der Nein-Parole in der Zwickmühle. Sylvia Flückiger-Bäni (svp, AG), Vorstandsmitglied des SGV, räumte gegenüber der Zeitung ein, dass sie sich im Clinch befinde und eigentlich die Initiative ihrer Partei unterstützen möchte. Ferner liess Jean-François Rime (svp, FR) verlauten, sich nicht im Abstimmungskampf engagieren zu wollen. Rime bekleidete damals noch das Amt des SGV-Präsidenten. Ursprünglich war vorgesehen, dass Rime bis zum Zeitpunkt der Abstimmung im Mai 2020 sein Amt an seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger übergeben haben würde, da seine Amtszeit regulär im Frühling zu Ende gewesen wäre. Wegen der Corona-Pandemie wurde jedoch neben dem Abstimmungstermin auch die Neuwahl des SGV-Präsidiums auf den Herbst verschoben.

Gewerbeverband fasste Ja-Parole zur Begrenzungsinitiative

Im Januar 2020 veröffentlichte der Bundesrat den Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2019, welcher der Digitalisierung in einem Schwerpunktkapitel besondere Aufmerksamkeit schenkte. Der Bericht kam zum Schluss, dass die globale Unsicherheit hinsichtlich internationaler Ordnungen immer stärker auch die Schweiz erfasse. Die wachsende Globalisierungsskepsis zeige sich durch die Abschottung und den Protektionismus gewisser Länder und stehe in krassem Gegensatz zur verstärkten Vernetzung von Wertschöpfungsketten durch die Digitalisierung. Damit die Schweiz auch in einer digitalisierten Weltwirtschaft wettbewerbsfähig sei, müsse man die ungehinderte grenzüberschreitende Datenübermittlung sicherstellen, was noch nicht mit allen Partnerländern gelungen sei. Man engagiere sich sowohl in der OECD, wie auch in der WTO und durch bilaterale Instrumente dafür, dass globale internationale Standards und Regeln baldmöglichst eingeführt werden können. Innenpolitisch habe die Annahme der STAF dazu geführt, dass der Unternehmensstandort Schweiz an Attraktivität gewonnen habe. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU würden nach wie vor von den seit 2014 laufenden Verhandlungen des institutionellen Rahmenabkommens, der Aberkennung der Börsenäquivalenz und der «Mind the Gap»-Strategie geprägt. Im Berichtsjahr wurden mehrere bilaterale Wirtschaftsabkommen abgeschlossen, unter anderem mit den Mercosur-Staaten und Indonesien. Auch das Thema Nachhaltigkeit habe angesichts der Klimaerwärmung und der Übernutzung natürlicher Ressourcen an Bedeutung gewonnen und wurde nicht zuletzt in den jüngsten Freihandelsabkommen berücksichtigt. Nach wie vor unklar sind die zu erwartenden Konsequenzen der Konzernverantwortungsinitiative, die sich zum Zeitpunkt der Berichtsveröffentlichung noch in der parlamentarischen Diskussion befand. Auch die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit war Thema des Berichts, wobei 2019 die Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 in die Vernehmlassung ging. Darüber hinaus stünden Kapitalerhöhungen der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Weltbankgruppe kurz bevor. In der Export- und Sanktionspolitik beschäftigte man sich 2019 hauptsächlich mit den Volksinitiativen «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» und «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer».
Neben dem eigentlichen Bericht unterbreitete der Bundesrat dem Parlament auch die folgenden Botschaften mit dem Antrag auf Zustimmung: Landwirtschaftsabkommen mit Israel, Änderung des Protokolls A über landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte zwischen den EFTA-Staaten und Israel, Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich, Abkommen mit der Türkei im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems. Hinzu kam der Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2019.
In der Frühjahrssession 2020 wurde der Bericht vom Nationalrat sehr wohlwollend beraten und zur Kenntnis genommen. Nur Jacqueline Badran (sp, ZH) kritisierte diesen im Namen ihrer Partei ausdrücklich wegen der fehlenden Kohärenz zwischen Aussenwirtschaftspolitik, Aussenpolitik, Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheitspolitik. Im Anschluss nahm der Rat auch die erwähnten Abkommen mit wenigen Gegenstimmen an. Auch der Ständerat nahm den Bericht wenige Tage später zur Kenntnis und stimmte sämtlichen Abkommen einstimmig zu. Auch in der Schlussabstimmung, die aufgrund des Sessionsabbruchs erst in der Sommersession 2020 durchgeführt werden konnte, wurden alle drei Bundesbeschlüsse mit überwältigenden Mehrheiten angenommen.

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2019
Dossier: Aussenwirtschaftspolitische Berichte

In der Sommersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Zweitrat mit dem Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT). In der langen Eintretensdebatte wurden die grundsätzlichen Fragen erörtert, ob die vorgesehenen Massnahmen mit den Menschenrechten vereinbar seien und ob es sie überhaupt brauche. Während die Fraktionen der Grünliberalen, der Grünen und der Sozialdemokraten beide Fragen entschieden verneinten, zeigte sich die bürgerliche Ratsseite sowohl von der Notwendigkeit als auch von der Völkerrechtskonformität des Gesetzes vollkommen überzeugt. GLP-Nationalrätin Katja Christ (glp, BS) beantragte Nichteintreten, weil die Gesetzesvorlage die Schweiz nicht sicherer mache, sondern den Rechtsstaat untergrabe. «Rund achtzig Nichtregierungsorganisationen sowie namhafte Straf- und Völkerrechtler» seien sich darin einig, dass mit den geplanten Massnahmen «eine Grenze überschritten» werde, nahm Christ auf die mediale Diskussion im Vorfeld der Ratsdebatte Bezug und warnte pathetisch: «Die Freiheit stirbt mit Sicherheit». Ins gleiche Horn blies Grünen-Vertreterin Marionna Schlatter (gp, ZH), die das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen wollte. Sie forderte, die unklare Definition des Gefährders müsse überarbeitet werden, «denn weder Sie noch sonst jemand kann das Gegenteil beweisen, wenn ihr oder ihm vorgeworfen wird, potenziell gefährlich zu sein.» Gerade die Grundrechte seien «unser stärkstes Schutzschild» im Kampf gegen den Terrorismus und sie hoffe deshalb, dass die öffentliche Kritik der Menschenrechtsbeauftragten des Europarats sowie der UNO-Sonderberichterstatter «in diesem Saal etwas bewegt» habe. Dasselbe postulierte die Sozialdemokratin Franziska Roth (sp, SO), die ebenfalls einen Rückweisungsantrag stellte. Das Gesetz gefährde «das, was wir eigentlich vor Terrorismus schützen wollen, und das ist, gelinde gesagt, Stumpfsinn», polterte sie. Der Bundesrat müsse die vorgeschlagenen Massnahmen – insbesondere jene, die Kinder und Jugendliche betreffen, was «der Schweiz nicht würdig» sei – deshalb auf Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung und mit dem Völkerrecht sowie auf ihre Notwendigkeit prüfen und einen Mitbericht der RK-NR einfordern. Kommissionssprecher Mauro Tuena (svp, ZH) plädierte dagegen für Eintreten und gegen die Rückweisungen, denn die Verschärfungen seien angesichts der terroristischen Bedrohungslage dringend notwendig. «Mit diesen Präventivmassnahmen können Menschenleben gerettet werden», appellierte er an das Ratsplenum. SVP-Fraktionssprecher Jean-Luc Addor (svp, VS) erklärte, die Schweiz befinde sich gegenüber dem Terrorismus in einer «Situation der legitimen Selbstverteidigung» und dass Kinder von Terrorgruppen benutzt würden, sei «eine traurige Realität». Dass internationale Menschenrechtsinstitutionen die Schweiz öffentlich kritisiert hatten, oder in seinen Worten sich «mit mindestens zweifelhafter Legitimität» für «berechtigt» gehalten hätten, den Volksvertretern eines souveränen Staats «eine Predigt zu halten» und ihnen zu «erklären», was sie tun dürften und was nicht, bezeichnete er indes als «einigermassen originell». FDP-Sprecher Rocco Cattaneo (fdp, TI) hob hervor, dass mit diesem Gesetz die kantonalen und kommunalen Polizeikorps «endlich» die Möglichkeit erhielten, schnell zu reagieren. Alois Gmür (cvp, SZ) legte die Position der Mitte-Fraktion so dar, dass es eben «gewisse Opfer» brauche, «wenn man tatsächlich mehr Sicherheit will», worauf ihm SP-Nationalrat Fabian Molina (sp, ZH) die rhetorische Frage stellte, ob es dann nicht am sinnvollsten wäre, «dass man alle Männer von 15 bis 50 Jahren präventiv unter Hausarrest stellen würde, um die Anzahl der Delikte gegen Leib und Leben auf nahezu null zu reduzieren». Mit vielen Fragen konfrontiert wurde auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die in ihrem Votum die Notwendigkeit der Vorlage betonte und mehrfach bekräftigte, der Bundesrat habe die Grundrechtsfragen «vertieft und sorgfältig geprüft». Die international geäusserten Bedenken teile sie nicht und erachte sie als «unbegründet», erläuterte sie. Es handle sich dabei um «eine politische Stellungnahme», die aber «rechtlich nicht sehr präzis» und eher «Ausdruck einer allgemeinen Sorge» gewesen sei.
Nach einem langen, veritablen Schlagabtausch zwischen dem befürwortenden und dem ablehnenden Lager trat der Nationalrat schliesslich mit 107 zu 84 Stimmen bei einer Enthaltung auf das Geschäft ein. Die beiden Rückweisungsanträge wurden mit 85 zu 106 Stimmen (1 Enthaltung) respektive 85 zu 105 Stimmen (2 Enthaltungen) abgelehnt. Es standen sich dabei das links-grün-grünliberale und das bürgerliche Lager jeweils geschlossen gegenüber. In der Detailberatung brachte das links-grüne Lager etliche Minderheitsanträge zur Abschwächung der Vorlage ein, die allesamt scheiterten. Ebenso erfolglos blieb der einzige Änderungsantrag der Kommissionsmehrheit, die einen neuen Artikel zur sogenannten gesicherten Unterbringung von Gefährdern (GUG) einbringen wollte. Mit diesem Artikel könnten «klar Leben gerettet werden», argumentierte Kommissionssprecher Tuena, während die Kommissionsminderheit um Beat Flach (glp, AG) betonte, diese Massnahme sei nicht EMRK-konform. Auch nach Ansicht des Bundesrates gehe eine solche Präventivhaft – im Gegensatz zum Hausarrest als ultima ratio – «tatsächlich zu weit», weshalb der Bundesrat trotz Bitten der Kantone ausdrücklich auf die GUG verzichtet habe, wie die Justizministerin ausführte. Mit 113 zu 78 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgte der Nationalrat der Minderheit und lehnte die Präventivhaft ab – dies, weil sich hier zusätzlich zur links-grünen Ratsseite auch die grosse Mehrheit der FDP-Fraktion sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion zum Nein-Lager gesellten. Somit nahm die grosse Kammer die inhaltlich unveränderte Vorlage – es wurden jedoch einige redaktionelle Anpassungen vorgenommen – in der Gesamtabstimmung mit 111 zu 86 Stimmen ohne Enthaltungen an. Abgelehnt hatten das Gesetz die geschlossenen Fraktionen der SP, der Grünen und der Grünliberalen sowie SVP-Nationalrat Pirmin Schwander (svp, SZ).

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Nachdem die eidgenössischen Räte den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», das Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung, mit der Bereinigung aller Differenzen auf Kurs gebracht hatten – die Schlussabstimmungen standen aufgrund des pandemiebedingten Abbruchs der Frühjahrssession indes noch aus –, beriet der Nationalrat in der Sommersession 2020 die Volksinitiative an sich. Der Ständerat hatte schon im Herbst 2019 über die Initiative debattiert und sie zur Ablehnung empfohlen. Die Volkskammer als Zweitrat hatte die Diskussion zur Initiative seinerzeit ausgesetzt, bis die Beratungen zum Gegenvorschlag abgeschlossen sein würden, und nahm sie nun ein knappes Jahr später in Angriff. Die SPK-NR beantragte ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. In der mehrstündigen, emotionalen Ratsdebatte standen sich das befürwortende – bestehend aus der SVP-Fraktion sowie einem grossen Teil der Mitte-Fraktion – und das gegnerische Lager – bestehend aus allen anderen Fraktionen – unverrückbar gegenüber. Als «Dialog der Gehörlosen» bezeichnete «Le Temps» die Diskussion, in der nur die bereits bekannten, festgefahrenen ideologischen Positionen zu den Frauenrechten und zum «Kulturkampf» («Le Temps») vorgetragen wurden. Die Befürworterseite argumentierte im Kern, das Verhüllungsverbot setze ein klares Zeichen gegen die Unterdrückung der Frau und stärke die offene Gesellschaft sowie die Sicherheit in der Schweiz. Die Gegenseite betonte in erster Linie die Unvereinbarkeit eines solchen Verbots mit der liberalen Gesellschaftsordnung. 91 Wortmeldungen später entschied der Nationalrat mit 114 zu 76 Stimmen bei 3 Enthaltungen, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Für die Initiative standen neben der geschlossenen SVP-Fraktion zwei Drittel der Mitte-Fraktion sowie zwei Stimmen aus der FDP- (de Quattro/fdp, VD; Dobler/fdp, SG) und eine aus der GLP-Fraktion (Chevalley/glp, VD) ein. Abschliessend billigte die Volkskammer, dass ihre Kommission die Petition 15.2044 für die Ungültigkeitserklärung der Initiative aus Gründen der Einheit der Materie zur Kenntnis genommen hatte. Wie Kommissionssprecher Damien Cottier (fdp, NE) im Ratsplenum erläuterte, war die Kommission der Ansicht gewesen, dass die Volksinitiative die Einheit der Materie wahre, indem sie ein einziges Thema, nämlich das Verbot der Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit, betreffe.

In den Schlussabstimmungen zwei Tage darauf wurde der Bundesbeschluss, mit dem das Parlament die Volksinitiative zur Ablehnung empfahl, im Nationalrat mit 113 zu 77 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen, wobei die befürwortenden und ablehnenden Stimmen dieselben geblieben waren wie bei der inhaltlichen Beratung. Der Ständerat stimmte dem Bundesbeschluss mit 36 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu; hier bestand die Opposition aus der geschlossenen SVP-Fraktion und CVP-Vertreter Beat Rieder (cvp, VS).

Weil sie aufgrund des Sessionsabbruchs nicht mehr in der Frühjahrssession 2020 stattgefunden hatten, standen auch die Schlussabstimmungen zum Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung in der Sommersession 2020 auf der Agenda der eidgenössischen Räte. Den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» nahm der Nationalrat mit 104 zu 85 Stimmen bei 9 Enthaltungen an. Während sich die Mitte-Fraktion hier grossmehrheitlich dafür aussprach, stimmten neben der geschlossenen SVP- eine breite Mehrheit der Grünen Fraktion sowie einige Angehörige der FDP- und der Mitte-Fraktionen dagegen. Der Ständerat verabschiedete das Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung mit 35 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen, wobei auch hier alle SVP- und zwei Mitte-Stimmen ablehnend waren.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

In der Sommersession 2020 genehmigte der Ständerat einstimmig (bei 2 Enthaltungen) das Protokoll vom 10. Oktober 2018 zur Änderung des Übereinkommens SEV 108 des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Noch im Juni 2020 werde die EU über die Angemessenheit des schweizerischen Datenschutzniveaus entscheiden, und weil die eidgenössischen Räte das Datenschutzgesetz bis dahin noch nicht fertig beraten haben werden, spiele die Ratifikation des Änderungsprotokolls eine zentrale Rolle für den Entscheid der EU, betonte Bundesrätin Karin Keller-Sutter neuerlich die Bedeutung des Abkommens. In den Schlussabstimmungen sprachen sich der Nationalrat mit 143 zu 6 Stimmen bei 49 Enthaltungen (alle Gegenstimmen und Enthaltungen aus der SVP-Fraktion) und der Ständerat wiederum einstimmig bei 2 Enthaltungen für die Genehmigung des Europaratsprotokolls aus. Damit kann der Bundesrat, unter Vorbehalt des fakultativen Referendums, das Änderungsprotokoll zum Übereinkommen SEV 108 ratifizieren.

Änderung des Übereinkommens SEV 108 des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (BRG 19.068)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Aufgrund des coronabedingten Abbruchs der Frühjahrssession 2020 standen die Schlussabstimmungen zur Änderung des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Comte (fdp, NE) erst in der Sommersession desselben Jahres auf der Tagesordnung der eidgenössischen Räte. Konkret wurde mit der Gesetzesänderung die Frist zur Einreichung der Gesuche um Solidaritätsbeiträge gestrichen. Der Entwurf wurde vom Ständerat einstimmig bei einer Enthaltung (Philippe Bauer; fdp, NE) und vom Nationalrat mit einer Gegenstimme (Erich Hess; svp, BE) angenommen.

Fristverlängerung für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 19.471)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

In der Sommersession 2020 beriet der Ständerat über die Motion der APK-NR zur schrittweisen Öffnung der Grenzen und Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit. Die APK-SR hatte sich im Vorfeld der Session mit 10 zu 1 Stimmen für die Annahme der Motion ausgesprochen.
Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erwähnte in der Ratsdebatte die inhaltliche Unbestrittenheit der Motion innerhalb der Kommission. Ein Kommissionsmitglied habe sich laut Müller an der Kompetenzzuschreibung gestört, da einzig und allein der Bundesrat über die Grenzöffnung zu entscheiden hätte und nicht das Parlament. Die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter resümierte in der Folge die Geschehnisse seit der Einreichung der Motion. So seien die Einreise- und Zulassungsbeschränkungen für Personen aus dem Schengenraum bereits am 15. Juni 2020 aufgehoben worden und auch die Personenfreizügigkeit sei wiederhergestellt worden. Noch nicht geklärt sei das Verfahren bei Touristen und Arbeitnehmenden aus Drittstaaten, welche das Kriterium der wirtschaftlichen Notwendigkeit nicht erfüllen würden. Der Bundesrat werde in Absprache mit den Schengen-Staaten in den kommenden Wochen über die weitergehenden Lockerungsschritte entscheiden. Die Motion wurde, da ihr Anliegen bereits erfüllt worden war, stillschweigend angenommen.

Schrittweise Öffnung der Grenzen und Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit (Mo. 20.3130)
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

Der Ständerat hatte in der Frühjahrssession 2020 die vom Bundesrat vorgeschlagenen polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) weitgehend unverändert übernommen. Damit sollen terroristische Gefährderinnen und Gefährder als letztes Mittel unter Hausarrest gestellt werden können, auch wenn sie noch minderjährig sind. Daran entzündete sich nachfolgend eine öffentliche Debatte über die Rechtsstaatlichkeit solcher Massnahmen. Wer ein Gefährder oder eine Gefährderin ist, sei nur «äusserst schwammig» definiert, monierte die WOZ, und es sei beängstigend, «wie sorglos die ParlamentarierInnen mit den Grundrechten umgehen». Weiter lastete die Zeitung der Kantonskammer «Arbeitsverweigerung» an, weil sie sich nicht mit diesen grundlegenden Fragen auseinandergesetzt habe. Kritisch ausgefallen ist, wie die Presse im Mai berichtete, auch ein Rechtsgutachten, das vom Bund und den Kantonen in Auftrag gegeben worden war. Darin warnte Rechtsprofessor Andreas Donatsch vor einer Verletzung der EMRK – dass ein Mensch als gefährlich eingestuft werde, genüge nicht, um ihn einzusperren. Zum selben Schluss kamen sowohl das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte als auch die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović. Man befürchte, «dass die Anwendung dieses Gesetzes zu erheblichen Verletzungen der Menschen- und Grundrechte führt», zitierte beispielsweise der «Sonntags-Blick» aus dem Schreiben an den Bundesrat, das fünf UNO-Sonderberichterstatter unterzeichnet hatten. Die unpräzisen Formulierungen bzw. das vage Konzept des «potenziellen Terroristen» bereiteten das Feld für willkürliche Freiheitsentzüge und die vorgesehenen Massnahmen seien so weder mit der EMRK noch – da zum Teil schon ab 12 Jahren angedacht – mit der UNO-Kinderrechtskonvention vereinbar, lautete die internationale Schelte. Europaratskommissarin Mijatović forderte die Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier zudem in einem Brief auf, «ihr Vorhaben zu revidieren», wie «Le Temps» berichtete.
Die SiK-NR goss unterdessen munter Öl ins Feuer, als sie ungeachtet der Kritik am bundesrätlichen Entwurf diesen noch verschärfte. In ihrer Sitzung Mitte Mai 2020 ergänzte sie die polizeilichen Massnahmen mit 11 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen um eine sogenannte gesicherte Unterbringung von Gefährdern (GUG), d.h. eine Präventivhaft für Personen, die keine Straftat begangen haben, denen der Nachrichtendienst dies aber zutraut. Sie wolle damit eine vom Nationalrat 2018 angenommene entsprechende Motion 16.3673 umsetzen, war ihrer Medienmitteilung zu entnehmen. Die Aargauer Zeitung kommentierte diesen Entscheid in Anbetracht der Debatte um die Rechtsstaatlichkeit des – im Vergleich zur Haft weniger einschneidenden – Hausarrests als «überraschend». Als Anführer der starken Minderheit, die sich in der Kommission gegen die Präventivhaft stellte, liessen die Medien Nationalrat Beat Flach (glp, AG) zu Wort kommen: Ein liberaler Rechtsstaat müsse andere – auch «verrückt andere» – Meinungen zulassen, denn wenn wir unsere Grundwerte über Bord würfen, hätten die Terroristen uns «in die Knie gezwungen», so Flach gegenüber der Aargauer Zeitung. Relativierend äusserte sich in derselben Zeitung dagegen Kommissionspräsidentin Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU): «Damit man in der Schweiz als Gefährder eingestuft wird, braucht es mehr als eine extreme Meinungsäusserung.»
Bevor sich in der Sommersession 2020 der Nationalrat mit dem Geschäft befassen wird, sprachen sich in der Presse Vertreterinnen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sowie Kinder- und Grundrechtsexperten noch einmal vehement gegen die umstrittenen Massnahmen aus. Bei der Terrorbekämpfung dürften die Menschenrechte nicht aussen vor bleiben, forderten sie unisono. Ausserdem habe die Schweiz mit Genf als «UNO-Menschenrechtshauptstadt» durchaus einen Ruf zu verlieren, gab eine Vertreterin von Amnesty International gegenüber dem «Corriere del Ticino» zu bedenken.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Die Beratungen der politischen Agenda des Bundesrats sind immer wieder ein umstrittener Diskussionspunkt in den Räten. Dies zeigte sich auch bei der Beratung der Legislaturplanung 2019–2023 während der Sommersession im Ständerat. Die neuerliche Diskussion, ob die Legislaturplanung vom Parlament lediglich zur Kenntnis genommen oder detailliert beraten und als einfacher, nicht bindender Bundesbeschluss verabschiedet werden soll wie dies seit 2004 vorgesehen ist, wurde zusätzlich durch die Corona-Krise angeheizt. Die ausserordentliche Situation zeige – so etwa Damian Müller (fdp, LU) –, dass es richtig sei, wenn die Legislaturplanung zu einem nicht bindenden Beschluss führe, weil der Bundesrat nur so auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren könne. Das bedeute aber eben auch, dass es keine langen Beratungen und keine Legislaturplanungskommission brauche, weil dies letztlich viel zu viel unnötige Zeit und Kosten in Anspruch nehme. Man habe bessere Instrumente, um ganz spezifisch einzelne Massnahmen mitzusteuern, die man dann aber im konkreten Moment anwenden solle. Eine einfache Kenntnisnahme der Legislaturplanungsbotschaft reiche vollends. Dies habe er auch in einer parlamentarischen Initiative so angeregt, für dessen Unterstützung der Luzerner Freisinnige denn in seinem Votum auch schon vorsorglich warb. Heidi Z'graggen (cvp, UR) erwiderte, dass der Weg des Bundesrats, auf den das Land gesteuert werden solle, ein genaues Hinschauen verdiene und nicht einfach durchgewinkt werden sollte. Auch Carlo Sommaruga (sp, GE) führte die Pandemie an, wies aber darauf hin, dass es wegen unvorhergesehener Ereignisse wichtig sei, die Legislaturplanung auch als Legislative anpassen zu können. Thomas Minder (parteilos, SH) wiederum reihte sich zu den Kritikern des aktuellen Vorgehens ein und wies darauf hin, dass zahlreiche Massnahmen im Bericht nach der Corona-Krise Makulatur geworden seien. Er warf dem Bundesrat und der Legislaturplanungskommission deswegen «Unflexibilität» vor. Man müsse neu planen und eine angepasste Vision präsentieren. «Die Sitzung heute Nachmittag ist für mich ein verlorener Tag», schloss der Schaffhauser Ständerat. Auch Olivier Français (fdp, VD) monierte, man habe für die Beratung des Papiers viel zu viel Zeit einberaumt. In der Folge äusserte sich Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zu Wort und gab zu bedenken, dass ein ans Parlament überwiesener Bundesbeschluss nicht einfach so zurückgenommen werden könne. Man habe aber durchaus Flexibilität bewiesen, indem eben der Bericht auch zusammen mit der Legislaturplanungskommission noch einmal überarbeitet worden sei, was sich ja auch in verschiedenen, nachträglich zu debattierenden Änderungsanträgen niedergeschlagen habe. Das Parlament müsse die Möglichkeit haben, die Planung der Regierung zu überprüfen, so die Magistratin.
Nach diesem Vorgeplänkel – eine Eintretensdebatte gab es nicht, weil Eintreten für die Legislaturplanung obligatorisch ist – wurden in der kleinen Kammer also besagte Änderungen diskutiert. Covid-19 spielte dabei freilich nur noch eine marginale Rolle, indem Artikel 1 mit einem Passus ergänzt wurde, dass sich die Politik des Bundes nach den drei Leitlinien zu richten und dabei auch die Lehren aus der Covid-19-Pandemie zu ziehen habe. Zusätzlich wurde als Massnahme eine Vernehmlassung zu einer Revision des Epidemiengesetzes angenommen. Der erste Änderungsantrag betraf zudem die dritte Leitlinie, die nicht nur den Schutz des Klimas, sondern zusätzlich auch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen anstreben soll. Der Rat folgte mit 28 zu 13 Stimmen diesem Vorschlag und lehnte damit einen Minderheitsantrag Sommaruga ab, der auch die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 in der dritten Leitlinie verankern wollte. Die von Carlo Sommaruga angeführten Minderheitsvorschläge für einen verstärkten Einbezug von Nachhaltigkeitszielen blitzten auch in der Folge samt und sonders ab. Eine Mehrheit fand aber eine von der Legislaturplanungskommission vorgeschlagene sprachliche Änderung einer Massnahme zur Erreichung des 2. Ziels von Leitlinie 1 (effiziente und digitale Erbringung staatlicher Leistungen). Statt die Bundesaufgaben «kontinuierlich» zu überprüfen, sollen sie «regelmässig» überprüft werden. Neu eingeführt wurden zudem verschiedene zusätzliche Massnahmen in verschiedenen Zielen: die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, eine Strategie zur Umsetzung einer digitalen Gouvernanz, die Gewährleistung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU und dem UK, die Erarbeitung einer Strategie für Barrierefreiheit, die Gewährleistung einer optimalen IKT-Infrastruktur in allen Regionen der Schweiz, einen Bericht über die Rahmenbedingungen für eine Landesausstellung, die Erneuerung der Mittel zum Schutz der Bevölkerung «gegen Bedrohungen aus der dritten Dimension» (gemeint ist die Luftabwehr), einen Aktionsplan «Biodiversität» sowie eine Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz. Lange diskutiert wurde im Rat über Bildungsthemen. Auf taube Ohren stiess dabei die Minderheit Chiesa (svp, TI) für eine Strategie zur Initiierung globaler Bildungsprogramme. Heidi Z'graggen forderte vergeblich die Streichung einer von der Kommission eingeführten Botschaft zur politischen Bildung der jungen Generation und gab zu bedenken, dass die Bildung Sache der Kantone bleiben müsse. Angenommen wurde hingegen eine Minderheit Juillard (cvp, JU), die als Massnahme einen Aktionsplan für die Förderung der Mehrsprachigkeit und den Unterricht in Heimatlicher Sprache unter Einbezug der Kantone forderte. Keine Chance hatten die Anträge von rechts, mit welchen die Massnahmen für die geregelten Beziehungen der Schweiz zur EU gestrichen oder wenigstens abgeschwächt hätten werden sollen. Eine Gesamtabstimmung war für diese Art Geschäft nicht vorgesehen. Die derart ergänzte Legislaturplanung ging nun an den Nationalrat.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Aufgrund des Corona-bedingten Sessionsabbruchs nahm der Ständerat erst in der Sommersession 2020 Kenntnis vom Aussenpolitischen Bericht 2019. Damian Müller (fdp, LU) äusserte sich im Namen der APK-SR dazu und lobte vor allem die erfolgreiche Erarbeitung der «Mind the Gap»-Strategie zur Sicherstellung der Rechte und Pflichten gegenüber dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit, die enge Kooperation mit den Nachbarländern und die Bemühungen um den Abschluss des institutionellen Rahmenabkommens mit der EU.

Aussenpolitischer Bericht 2019
Dossier: Aussenpolitische Berichte (ab 2009)

Wie bereits in ihrer ebenfalls im Juni 2020 eingereichten parlamentarischen Initiative 20.443 peilte Gabriela Suter (sp, AG) auch mit der Initiative «Endlich wirksam gegen lärmende Motorräder vorgehen» vom Juni 2020 auf eine Verringerung der Lärmbelastung durch Motorfahrzeuge. Suter forderte, dass für Motorräder mit einem Standpegel von über 95 Dezibel ein Fahrverbot erlassen werde. In ihrer Begründung der Initiative wies sie unter anderem darauf hin, dass das österreichische Bundesland Tirol im Juni 2020 ein ebensolches Verbot eingeführt habe. Damit entfalle offensichtlich das bisher gegen ähnliche Vorstösse ins Feld geführte Argument, wonach sich die Schweizer Lärmvorschriften an die EU-Richtlinien halten müssen, um das Landverkehrsabkommen mit der EU nicht zu gefährden.

Endlich wirksam gegen lärmende Motorräder vorgehen

Der Ständerat nahm sich in der Sommersession 2020 des Verpflichtungskredits zur Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands an, wobei keine neuen Argumente eingebracht wurden. Damian Müller (fdp, LU) sprach dem Verpflichtungskredit im Namen der APK-SR seine Unterstützung aus, nicht zuletzt weil die Schweiz volkswirtschaftlich und finanziell von ihrer Assoziierung an Schengen/Dublin profitiere. Die APK-SR sehe im Bereich der inneren Sicherheit zudem einen sicherheitspolitischen Mehrwert – dank dem automatischen Datenaustausch –, der sich monetär gar nicht erfassen liesse. Da sich die Schweiz zur termingerechten Übernahme aller Weiterentwicklungen verpflichtet habe, sei der Verpflichtungskredit laut Finanzhaushaltsgesetz notwendig, führte Müller aus. Bundesrätin Keller-Sutter warnte vor einer Verzögerung der Umsetzung, da dies Mehraufwände und Mehrkosten mit sich bringen würde. Sie hob die Wichtigkeit der Neu- und Weiterentwicklungsprojekte für die Schweiz hervor, welche dem Schutz der Aussengrenzen, der Bekämpfung der illegalen Migration und der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung dienen würden. Die in den kommenden fünf Jahren benötigten CHF 122 Mio., von denen CHF 23 Mio. Eigenleistungen und CHF 13.7 Mio. eigene Sachmittel sind, stellten bereits den vierten Verpflichtungskredit für IT-Entwicklungen im Bereich Schengen/Dublin dar, wobei bisher noch nie Kostenüberschreitungen oder Nachtragskreditbegehren aufgetreten seien. Bundesrätin Keller-Sutter kündigte an, dass weitere Verpflichtungskredite anstehen und durch die neuen Aufgaben der Schengen-Staaten, wie beispielsweise die Einrichtung des Europäischen- Reiseinformations- und -genehmigungssystems, höhere Betriebskosten anfallen würden. Sie erwähnte dabei aber auch die Möglichkeit, derartige Projekte durch Beiträge aus dem europäischen Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Aussengrenze und Visa mitzufinanzieren. Der Ständerat stimmte dem Kredit mit 36 zu 2 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) zu und übernahm damit auch die Ergänzung des Nationalrats, demgemäss das Geld erst freigegeben wird, wenn das Parlament die gesetzlichen Grundlagen in Sachen Datenschutz beschlossen hat.

Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands. Verpflichtungskredit
Dossier: Dublin-Verordnung

In der Sommersession 2020 setzte der Ständerat die Differenzbereinigung bei der Totalrevision des Datenschutzgesetzes fort. In zwei Punkten, die das Auskunftsrecht der von einer Datenbearbeitung betroffenen Person und die Informationspflicht der datenbearbeitenden Stelle betrafen, fügte sich die kleine Kammer stillschweigend und diskussionslos den Beschlüssen des Nationalrates. So muss die betroffene Person nicht zwingend über die Liste ihrer Rechte und die allfällige Absicht, eine Kreditwürdigkeitsprüfung vorzunehmen, informiert werden. Eine angeforderte Auskunft muss zudem «die bearbeiteten Personendaten als solche» beinhalten, wobei die SPK-SR zum Schluss gekommen war, dass die vom Nationalrat eingefügte Ergänzung «als solche» nichts nütze, aber auch nichts schade, wie deren Berichterstatter Daniel Fässler (cvp, AI) vor dem Plenum erläuterte. Stillschweigend hielt der Ständerat hingegen an seinem Entscheid fest, dass alle genetischen Daten als besonders schützenswerte Personendaten gelten sollen, da die einschränkende Definition des Nationalrates gemäss dem Kommissionssprecher wohl nicht EU-konform wäre.
Für eine kurze Debatte sorgte die Frage, welche Daten für eine an sich persönlichkeitsverletzende Kreditwürdigkeitsprüfung verwendet werden dürfen. Eine Minderheit Müller (fdp, LU) schlug vor, den Einbezug von bis zu zehn Jahre alten Daten zu erlauben – dies hatte der Nationalrat so entschieden –, wobei aber Daten aus öffentlich zugänglichen staatlichen Registern von dieser Beschränkung ausdrücklich auszunehmen seien. Mit einer kurzen und starren Frist würden die Interessen der Gläubiger zu wenig berücksichtigt, begründete Damian Müller den Antrag. Der Rat folgte mit 25 zu 17 Stimmen jedoch seiner Kommissionsmehrheit und hielt an seinem letzten Beschluss fest, wonach die verwendeten Daten nicht älter als fünf Jahre sein dürfen, wie es auch der Bundesrat ursprünglich vorgesehen hatte. Kommissionssprecher Fässler argumentierte, dass ältere Daten mitunter ungenau seien und daher nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Persönlichkeitsverletzung zugelassen werden sollten.
Gerungen wurde in der Ständekammer indes immer noch um die Definition von «Profiling mit hohem Risiko», nachdem der Nationalrat dem risikobasierten Ansatz zur Regulierung des Profilings zugestimmt, sich aber mit der Abgrenzung der Risikostufen nicht zufrieden gezeigt hatte. Die Kommission schlug ihrem Rat einstimmig eine neue Formulierung vor, die sich am heute geltenden Konzept des Persönlichkeitsprofils orientierte und die die Idee der grossen Kammer aufnahm, das Risiko am Ergebnis der Datenbearbeitung anstatt am Prozess festzumachen. Mit einem Einzelantrag wollte Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH) der Formulierung des Nationalrats den Vorzug geben, weil der Vorschlag der ständerätlichen SPK das Profiling faktisch verbiete und den unklaren und veralteten Begriff «wesentliche Aspekte der Persönlichkeit» verwende. Kommissionssprecher Fässler und Bundesrätin Karin Keller-Sutter widersprachen dieser Darstellung jedoch: Profiling mit hohem Risiko werde nicht verboten, sondern lediglich höheren Anforderungen unterworfen, der kritisierte Begriff sei im geltenden Recht bereits etabliert und der Vorschlag Noser käme einer Nicht-Regulierung des Profilings gleich, wie sie wohl kaum mit dem EU-Datenschutzniveau vereinbar wäre. Zudem hätten der von Noser gewünschten Lösung im Nationalrat nur 65 Mitglieder zugestimmt, während 57 sie abgelehnt und sich 65 der Stimme enthalten hatten, weshalb darin kaum der endgültige Wille der grossen Kammer zum Ausdruck gekommen sei. Der Ständerat folgte mit 39 zu 5 Stimmen (1 Enthaltung) klar seiner Kommission und schrieb die neue Formulierung ins Gesetz, wonach Profiling dann mit hohem Risiko verbunden ist, wenn es «die Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit einer natürlichen Person erlaubt». Damit wird das heutige Schutzniveau bei der automatisierten Datenbearbeitung gehalten, aber weder erhöht, wie es im Sinne der Ständeratsmehrheit und der linken Seite des Nationalrats gewesen wäre, noch gesenkt, was dem bürgerlichen Ansinnen entsprochen hätte. Mit noch drei inhaltlichen Differenzen ging die Vorlage wieder an den Nationalrat.

Revision des Datenschutzgesetzes (BRG 17.059)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Im März 2020 veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung des Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG). Im Herbst 2018 hatte die EU die Schweiz über die Einführung eines neuen Informationssystems im Schengen-Raum in Kenntnis gesetzt. Zukünftig benötigen nicht visumspflichtige Drittstaatenangehörige als zusätzliche Einreisevoraussetzung eine Reisegenehmigung, um die Schengen-Aussengrenzen für kurzfristige Aufenthalte zu überschreiten. Die eingereichten Daten würden mit anderen Systemen wie dem SIS, dem VIS und dem EES abgeglichen, um potenzielle Sicherheits-, Migrations- oder Gesundheitsrisiken frühzeitig erkennen zu können. Wird ein Treffer gemeldet, so müssen die nationalen ETIAS-Stellen den Fall individuell prüfen und über eine Reisegenehmigung entscheiden. Damit ETIAS auf die nationalen Daten des Zentralen Migrationsinformationssystems der Schweiz zugreifen könne, müsse das Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und Asylbereich ergänzt werden. Zudem sei eine Anpassung der Einreisevoraussetzungen des AIG nötig, da alle Drittstaatenangehörigen eine Reisegenehmigung besitzen müssten.
Des Weiteren schlug der Bundesrat eine vorübergehende Änderung des AIG vor, wodurch das neue Schengen-Datenschutzgesetz teilweise auf den NDB angewendet werden könne. Dies würde in denjenigen Fällen geschehen, in welchen der NDB Daten aus dem Visa-Informationssystem, dem EES und dem SIS verarbeitet. Sobald das revidierte Schweizer Datenschutzgesetz in Kraft tritt, würden diese Änderungen wieder aufgehoben, da die notwendigen Datenschutzbestimmungen dort enthalten sein werden.

In der Sommersession 2020 nahm Andrea Caroni (fdp, AR) während der Beratung in der kleinen Kammer im Namen der SPK-S Stellung zur Vorlage. Man sei innerhalb der Kommission zum Schluss gekommen, dass das neue System zwar etwas mehr Bürokratie mit sich bringe, die Prävention unerwünschter Einreisen bei gleichzeitiger «grundsätzlicher Visumsfreiheit» jedoch möglichst effizient gewährleiste. Kritischer äusserte sich Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE), welche den Nutzen des Systems als Solches in Frage stellte. Wie gewisse Kantone bereits in der Vernehmlassung angemerkt hätten, könnten Terroristen und Kriminelle weiterhin auch auf illegale Art und Weise einreisen. Mazzone bemängelte zudem die Gefahr eines Generalverdachts gegenüber Einreisenden, die Unklarheiten hinsichtlich des Datenschutzes und die grössere Arbeitsbelastung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Ständerat nahm dann den Bundesbeschluss über die Genehmigung des ETIAS und die Anpassung der Einreisevoraussetzungen allerdings mit 40 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) einstimmig an. Auch die temporäre Änderung des AIG wurde mit 41 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) einstimmig angenommen.

Europäisches Reiseinformations- und -genehmigungssystem (BRG 20.027)

Zum Start der Pilotphase der Proximity-Tracing-App des Bundes Ende Mai 2020 veröffentlichte der Bundesrat die Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage, die das BAG Ende April in Auftrag gegeben hatte, um die Einstellung der Schweizer Bevölkerung zur Corona-App zu erfahren. Demnach begrüssten 70 Prozent der Bevölkerung die Einführung der App und 59 Prozent erklärten sich klar oder eher dazu bereit, sie zu installieren. Eine Mehrheit der Befragten stellte sich aber klar gegen eine Installationspflicht, insbesondere gegen einen punktuellen App-Zwang zum Beispiel durch Arbeitgeber oder als Bedingung für den Zugang zu bestimmten Angeboten und Dienstleistungen. Als für die Installationsbereitschaft entscheidende Faktoren identifizierte die Studie das konkret vorhandene Wissen über die Funktionalitäten der App und das Vertrauen in den Bundesrat. In Widerstand gegen die App resultierten dahingegen konkrete Datenschutzbedenken sowie die allgemeine Befürchtung, dass im Zuge der Corona-Pandemie der Persönlichkeitsschutz dauerhaft eingeschränkt werden könnte. Besonders skeptisch zeigten sich jene Personen, die trotz Corona-Einschränkungen viele ausserhäusliche Kontakte pflegten und die sich vor einer Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit und einer zwangsweise durchgesetzten Quarantäne fürchteten. Die Autoren kamen zum Schluss, «dass die Faktoren Eigenverantwortung, Vertrauen und freiwillige Solidarität die Basis bilden für eine weite Verbreitung einer Proximity-Tracing-App in der Schweiz». Um möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, die App zu installieren, plane das BAG, sobald das Parlament grünes Licht für die App gegeben haben wird, eine entsprechende Informationskampagne zu starten, berichtete «Le Temps».

Einführung der SwissCovid-App

Der Bundesrat präsentierte im Mai 2020 die Finanzierungsbotschaft für die Beteiligung am Horizon-Paket 2021–2027 der EU. Neben dem Kernstück «Horizon Europe» umfasst das Paket auch das Euratom-Programm, das Programm ITER (Fusionsforschung) und das Digital Europe Programme. Der Bundesrat beantragte dafür insgesamt CHF 6'154 Mio. Stimmt das Parlament diesen Mitteln zu, erhält der Bundesrat das Mandat, eine Erneuerung des bilateralen Forschungsabkommens zwischen der Schweiz und der EU auszuhandeln. Damit könnte eine ununterbrochene Assoziierung der Schweiz gewährleistet werden. Die vom Bundesrat beantragten Mittel decken die mutmasslichen Pflichtbeiträge (insgesamt CHF 5'423 Mio.) einer vollumfänglichen Beteiligung der Schweiz als assoziierter Staat an den vier erwähnten Programmen ab. Auch ist eine Reserve für allfällig höher ausfallende Pflichtbeiträge vorgesehen (CHF 614 Mio.). Ausserdem enthält der Antrag die Finanzierung nationaler Begleitmassnahmen (CHF 117 Mio.).
Zurzeit sind die Teilnahmebedingungen für Nicht-EU-Mitgliedstaaten wie die Schweiz am Horizon-Paket noch nicht geklärt. Der Bundesrat strebt eine vollumfängliche Beteiligung am gesamten Horizon-Paket als assoziierter Staat an. Offizielle Verhandlungen mit der EU über ein Beteiligungsabkommen können aber erst aufgenommen werden, wenn auf Seite EU die nötigen Rechtsgrundlagen verabschiedet sind. Ziel des Bundesrates ist, dass sich Forschende in der Schweiz bereits an den ersten Ausschreibungen von «Horizon Europe» und den damit verbundenen Initiativen beteiligen können. Sollte eine Vollassoziierung an das Horizon-Paket nicht oder vorübergehend nicht möglich sein, können die Mittel, nötigenfalls während der gesamten Laufzeit des Pakets, für die projektweise Finanzierung von Schweizer Partnern durch den Bund benutzt werden. Damit will der Bundesrat den inländischen Forschungs- und Innovationsakteuren möglichst analoge Bedingungen wie bei einer Assoziierung bieten.

Horizon-Paket 2021–2027
Dossier: Erasmus und Horizon

Per Motion forderte die APK-NR vom Bundesrat einen epidemologisch angemessenen Fahrplan für die schrittweise Öffnung der Grenzen und Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit vergleichbar mit den 3-stufigen Lockerungen im Inland. Die Schliessung der Landesgrenzen im Zuge der Corona-Pandemie bedeutete für Grenzgängerinnen und Grenzgänger lange Wartezeiten und für unverheiratete Paare und getrennte Familien eine grosse Belastung.
Der Bundesrat stimmte dem Anliegen der Kommission zu und legte am 29. April eine Vorgehensweise zur Lockerung der Einreise in die Schweiz und der Zulassung ausländischer Staatsangehöriger zum Arbeitsmarkt vor. Ein erster Schritt bestehe darin, dass ab dem 11. Mai die Gesuche von Erwerbstätigen aus dem EU/EFTA-Raum und Drittstaaten wieder bearbeitet werden, die vor dem 25. März eingereicht wurden. Zudem solle der Familiennachzug für EU-Staatsangehörige und Schweizer Bürger ermöglicht werden. Der zweite Schritt sehe ab dem 8. Juni die Bearbeitung aller Gesuche aus dem EU/EFTA-Raum vor, wobei hierbei eine Koordination mit Kantonen und Sozialpartnern erfolge und eine sistierte Stellenmeldepflicht aktiv werde. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion.
Der Nationalrat beriet in der ausserordentlichen Session im Mai 2020 über den Vorstoss, wobei die Kommissionssprecherin Christa Markwalder (fdp, BE) darauf drängte, die Motion für die Wirtschaft, den Tourismus und die Grundrechte der Schweizer Bevölkerung anzunehmen. Die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter musste sich in der Folge zahlreichen kritischen Fragen der Nationalrätinnen und Nationalräte zur Arbeitslosigkeit, der Personenfreizügigkeit und potenziellen kantonalen Sonderregelungen stellen. So plädierte Nationalrat Aeschi (svp, ZG) für die Aufhebung der Personenfreizügigkeit zu Gunsten der Schweizer Arbeitslosen. Und Vertreterinnen der Grenzkantone Basel, Basel-Stadt und Schaffhausen forderten eine frühere Öffnung der Grenzen zu den Nachbarländern Deutschland und Frankreich. Bundesrätin Keller-Sutter verwies jedoch in sämtlichen Fällen auf den bereits bekannten Fahrplan des Bundesrats. Die Motion wurde vom Nationalrat nach dieser längeren Fragerunde mit 129 zu 49 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) angenommen.

Schrittweise Öffnung der Grenzen und Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit (Mo. 20.3130)
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

In seiner Botschaft zum Massnahmenpaket zur Medienförderung beantragte der Bundesrat ein Postulat der KVF-NR, das die Prüfung der Schaffung einer unabhängige Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen verlangte, zur Abschreibung. Der Vernehmlassungsentwurf zum geplanten neuen Mediengesetz hätte die Schaffung einer unabhängigen Aufsichts- und Regulierungsbehörde beinhaltet, diese Massnahme sei in der Vernehmlassung jedoch kritisch beurteilt worden. Vom Tisch sei diese Forderung allerdings nicht: Sollte es zu einer Zusammenarbeit mit der EU im Rahmen des neuen Programms «Kreatives Europa» (2021–2027) kommen, müsste die Schaffung einer solchen Instanz erneut geprüft werden, da die EU ihren Mitgliedstaaten eine unabhängige Aufsichtsbehörde im Bereich der audiovisuellen Mediendienste vorschreibe.

Postulat verlang Bericht über unabhängige Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen (Po. 16.3630)
Dossier: Bericht zum Service public im Medienbereich: Anforderungen, Ergebnisse und Stellungnahmen
Dossier: Service public-Diskussion nach knappem Volks-Ja zum RTVG (2015)

Der Nationalrat nahm im März 2020 den Aussenpolitischen Bericht 2019 zur Kenntnis. Der Bericht gibt einen Gesamtüberblick über die Aussenpolitik der Schweiz im Berichtsjahr. Dabei zieht er auch Bilanz über die bundesrätliche Aussenpolitische Strategie 2016-2019, wobei diese im Generellen positiv ausfiel. Einzelne Ziele, insbesondere in der Europapolitik, konnten noch nicht erreicht werden. Grund dafür war vor allem der nach wie vor ausstehende Abschluss eines institutionellen Rahmenabkommens, welches den bilateralen Weg mit der EU konsolidieren und weiterentwickeln sollte. Im Jahr 2019 beobachtete der Bundesrat gemäss Bericht fünf globale Trends, dazu gehörten die internationale Protestbewegung der Klimajugend und jene in Hongkong genauso wie die digitale Transformation und deren Risiken. Auch der zunehmende strategische Wettbewerb zwischen den Grossmächten, explizit der Handelskonflikt zwischen den USA und China, die Schwächung des Multilateralismus sowie die damit einhergehende Abnahme des Sicherheitsniveaus liessen sich im Berichtsjahr beobachten. Institutionen wie die NATO, die OSZE und die EU würden stärker in Frage gestellt und die Situation im Mittleren Osten gewinne sowohl in Syrien, im Iran, in Jemen wie auch in der Golfregion an Brisanz, erklärte der Bundesrat im Bericht.
Die letzte grosse Entwicklungstendez sei die Verlangsamung der Globalisierung, was für die Schweiz bedeute, dass der europäische Markt kurz- und mittelfristig an Bedeutung gewinnen dürfte. Daraus folge als logische Konsequenz ein Bedeutungsgewinn der bilateralen Beziehungen mit europäischen Staaten, auch ausserhalb der EU. Kommissionssprecher Molina (sp, ZH) würdigte im Namen der APK-NR die guten Dienste der Schweiz als Trägerin von Schutzmachtmandaten und die Umsetzung der UNO-Agenda 2030 trotz mangelnder Kohärenz zwischen den Politikfeldern. Kritischer äusserte er sich zur fehlenden Führung des Bundesrats in der Europapolitik, dennoch beantragte die Kommission, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Roger Köppel (svp, ZH) liess hingegen kaum ein gutes Haar an der Aussenpolitik der Schweiz und bemängelte angesichts der sich anbahnenden Corona-Krise den «Irrweg», den die Schweiz mit ihrer «globalen Abhängigkeit» eingeschlagen habe. Die Fraktion der FDP fand lobende Worte für den Bericht und die gestärkte Rolle der Schweiz als mediierende Kraft im Nahen Osten. Sibel Arslan (basta, BS) bemängelte stellvertretend für die grüne Fraktion diverse inhaltliche Lücken, wie die Verfolgung von LGBTIQ-Menschen und die neue Richtlinie zur Zusammenarbeit mit Schweizer NGOs. Zum Abschluss betonte der anwesende Bundesrat Ignazio Cassis, dass die Aussenpolitik sowohl verfassungsrechtlich wie auch faktisch eine Angelegenheit des Gesamtbundesrats sei. Er zeigte sich überzeugt, dass der Problematik der fehlenden Kohärenz in der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 Rechnung getragen werde und sich die Schweizer Aussenpolitik dementsprechend noch kohärenter und glaubwürdiger präsentieren dürfte.
Die Kenntnisnahme durch den Ständerat erfolgte aufgrund des Sessionsabbruchs nicht mehr in der Frühlingssession 2020.

Aussenpolitischer Bericht 2019
Dossier: Aussenpolitische Berichte (ab 2009)

Mit 100 zu 90 Stimmen bei einer Enthaltung nahm der Nationalrat in der Frühjahrssession 2020 eine Motion Quadranti (bdp, ZH) an, mit der die BDP-Nationalrätin den Bundesrat aufforderte, die Vorlage zur Schaffung der nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) rasch dem Parlament zu unterbreiten sowie eine Übergangslösung unter Beibehaltung des Status quo mit dem Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) sicherzustellen, bis die neue Institution ihre Arbeit aufnehmen wird. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bundesrat die entsprechende Botschaft bereits zuhanden des Parlaments verabschiedet, weshalb die Annahme der Motion nunmehr symbolischen Charakter hatte. Quadranti hatte den Vorstoss nach längerem Stillstand des Projekts bereits im Sommer 2019 eingereicht, worauf er aber von SVP-Nationalrat Gregor Rutz (svp, ZH) bekämpft und die Diskussion vorerst verschoben worden war. Nach dem Ausscheiden Quadrantis aus dem Rat am Ende der Legislaturperiode war die Motion von ihrem Parteikollegen Martin Landolt (bdp, GL) übernommen und im Frühjahr 2020 erneut dem Nationalrat vorgelegt worden. Bekämpfer Gregor Rutz äusserte Zweifel am Nutzen einer solchen Institution für die Schweiz, die seiner Ansicht nach «dasjenige Land auf diesem Planeten [sei], das die Menschenrechte am besten schütz[e]», weil nämlich das Stimmvolk über deren Einhaltung wache. Anstatt einer neuen Institution schlug er vor, die Stimmbevölkerung als Menschenrechtsinstitution akkreditieren zu lassen, was vom zuständigen Bundesrat Ignazio Cassis als «interessante[r] Ansatz» zur Kenntnis genommen wurde. Es gebe durchaus «Raum für gute Impulse» und er freue sich auf die materielle Beratung des Geschäfts zur Schaffung der NMRI, schloss der Aussenminister.

Schaffung der nationalen Menschenrechtsinstitution und Übergangslösung unter Beibehaltung des Status quo mit dem SKMR (Mo. 19.3610)
Dossier: Nationale Menschenrechtsinstitution

Nach zweimaliger Bekämpfung des Postulats von Eric Nussbaumer (sp, BL) zur parlamentarischen Mitwirkung in den Angelegenheiten Schweiz/EU beriet die grosse Kammer in der Frühjahrssession 2020 darüber. Postulant Nussbaumer forderte nachdrücklich mehr Kohärenz in der Schweizer Aussenpolitik. Dazu gehöre seiner Meinung nach auch, dass man die Stellung der Bundesversammlung in aussenpolitischen Themen respektiere, insbesondere im Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU. Die verbesserte Einbindung des Parlaments in aussenpolitische Prozesse sei schon seit Jahren ein Thema im Parlament, wie unter anderem die Motion der APK-SR (Mo.10.3354) von 2010 belege. Der Bundesrat solle dem Parlament aufzeigen, wie es besser informiert werden und in der aussenpolitischen Gestaltung mitwirken könne. Der SVP-Fraktion, aus deren Mitte die beiden Bekämpfungen stammten, warf er vor, dass sie die oberste Macht im Staat, nebst Volk und Ständen, nicht in die Mitwirkung einschliessen wolle.
Diesen Vorwurf liess sich Pirmin Schwander (svp, SZ) nicht gefallen und hielt dagegen, dass die Bundesverfassung die Mitwirkungsrechte des Parlaments bereits zur Genüge regle und das Postulat daher obsolet sei. Er befürchtete des Weiteren, dass die von Nussbaumer vorgeschlagenen Massnahmen die Glaubwürdigkeit einer kohärenten Aussenpolitik des Bundesrats gefährden würden. Der anwesende Bundesrat Cassis empfahl das Postulat im Namen des Bundesrats zur Annahme. Der Bundesrat sei gewillt, mit der Botschaft zum institutionellen Abkommen Schweiz-EU auch die Möglichkeiten der zukünftigen Mitwirkung des Parlaments in europapolitischen Angelegenheiten darzustellen. Die grosse Kammer folgte dieser Empfehlung mit 140 zu 50 Stimmen deutlich, nur die Fraktion der SVP stimmte geschlossen gegen das Anliegen.

Postulat zur parlamentarischen Mitwirkung in Angelegenheiten Schweiz/EU (18.3059)