Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Sexualstraftaten
  • Grundrechte

Akteure

Prozesse

423 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Aufgrund eines Postulats Bäumlin (sp, BE) legte der Bundesrat einen Bericht über die Menschenrechtspolitik der Schweiz vor. Dieser setzt sich insbesondere auch mit der Frage der Kohärenz dieser Politik mit den übrigen aussen-, wirtschafts- und entwicklungspolitischen Aktivitäten der Schweiz auseinander. Das Parlament nahm diesen Bericht nach eingehender Diskussion zur Kenntnis und der Nationalrat überwies ein Postulat, das für die Zukunft eine regelmässige Berichterstattung fordert.

Bericht über die Menschenrechtspolitik der Schweiz

Der Nationalrat nahm ein Postulat Leuthard (cvp, AG) an, das den Bundesrat ersucht, das Opferhilfegesetz derart anzupassen, dass die Verwirkungsfrist für Opfer von sexuellen Übergriffen auf fünf Jahre verlängert wird. Gleichzeitig soll die Haftung der Kantone als subsidiäre Leistungserbringer für Genugtuungsforderungen auf maximal zwei Drittel beschränkt werden.

Verwirkungsfrist

Nachdem er mit parlamentarischen Vorstössen zu entsprechenden Aktivitäten verpflichtet worden war und 1998 eine Vernehmlassung durchgeführt hatte, legte der Bundesrat seine Vorschläge zu einer Verbesserung der Stellung der Opfer von sexuellen Delikten mit Kindern vor. Er beantragte, dass die zehnjährige Verjährungsfrist erst ab dem 18. Altersjahr des geschädigten Kindes beginnen soll. Er begründete diesen Vorschlag mit dem Umstand, dass die von sexueller Ausbeutung betroffenen Kinder oft unter Druck stehen (v.a. wenn es sich um Täter aus dem Familienkreis handelt) und erst lange nach der Tat den Schritt an die Öffentlichkeit wagen. Er schlug zudem vor, die bisher für Inzest (Beischlaf mit Blutsverwandten) geltende Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre zu erhöhen. Analog zur Regelung bei sexuellen Handlungen soll bei der Beteiligung von Kindern unter sechzehn Jahren die Verjährung ebenfalls erst ab dem Erreichen des Mündigkeitsalters zu laufen beginnen.

Revison des StGB betreffend Kinderpronografie und sexuellem Missbrauch von Kindern
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

In der gleichen Botschaft beantragte die Regierung auch eine Verschärfung der Vorschriften gegen die unerlaubte Pornografie und gegen extreme Gewaltdarstellungen. Derartige Massnahmen waren nicht nur vom Parlament verlangt worden (Motion 96.3650), sie entsprechen auch den Empfehlungen der UNESCO und anderen internationalen Organisationen und sind in den meisten Industriestaaten bereits eingeführt worden. Demnach soll zukünftig nicht nur Herstellung und Vertrieb, sondern bereits der Erwerb und der Besitz derartiger Produkte bestraft werden. Allerdings gilt dies nicht für alle harten pornografischen Darstellungen, sondern, wie in der Vernehmlassung mehrheitlich verlangt wurde, nur für die Kinderpornografie.

Revison des StGB betreffend Kinderpronografie und sexuellem Missbrauch von Kindern
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Als Zweitrat stimmte auch der Ständerat der Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes und der entsprechenden Revision des Strafrechts zu. Ebenfalls als Zweitrat genehmigte die kleine Kammer den Rückzug der seinerzeit zu Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gemachten Vorbehalte und Erklärungen. Das Anliegen der 1998 vom Nationalrat überwiesenen Motion Baumberger (cvp, ZH) für eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls von 1952 zur EMRK wurde auch vom Ständerat gutgeheissen, allerdings nur in Postulatsform. Nicht zu übersehen war dabei eine recht starke Opposition, welche in einem der Prinzipien des Protokolls – die regelmässige Durchführung von allgemeinen und geheimen Wahlen – eine Bedrohung der Landsgemeindetradition sah.

Genozid-Konvention der UNO von 1948

Der Nationalrat genehmigte in der Dezembersession diese Uno-Übereinkunft einstimmig und hiess auch die entsprechende Strafgesetzrevision gut. Zu diskutieren gab einzig ein Antrag der SVP-Fraktion. Um die Durchführung von Friedenskonferenzen in der Schweiz nicht zu gefährden, wollte sie den Vorbehalt einfügen, dass mutmassliche Täter, welche an einer derartigen Veranstaltung teilnehmen, nicht verfolgt werden müssen. Mit dem Argument, dass die Schweiz in solchen Fällen vom zuständigen Uno-Tribunal von der Verpflichtung zur Strafverfolgung entbunden werden könnte, lehnte die Ratsmehrheit den SVP-Antrag ab.

Genozid-Konvention der UNO von 1948

Der Ständerat wandelte eine 1997 vom Nationalrat überwiesene Motion Jeanprêtre (sp, VD) für den Ausbau der logistischen Mittel zur Bekämpfung der Pädophilie in ein Postulat um.

Logistische Mittel zur Bekämpfung der Pädophilie (Mo. 97.3485)

Im Nationalrat setzte sich eine Koalition aus SP und CVP durch und gab auf Antrag seiner Kommission einer parlamentarischen Initiative Fankhauser (sp, BL) Folge, welche – in Form einer Anregung – die Einrichtung einer Ombudsstelle für Menschenrechte verlangte. Vertreter der SVP, der FDP und der LP hatten den Vorschlag als im Aufgabenbereich zu eingeschränkt und in der Funktionsbeschreibung zu vage bekämpft.

Ombudsstelle für Menschenrechte (Pa. Iv. 98.445)

Der im Vorjahr vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Sistieren des Laufens der zehnjährigen Verjährungsfrist bei sexuellen Delikten mit Kindern bis zum 18. Altersjahr der Opfer rief ein gemischtes Echo hervor. Die beiden Strafrechtler Martin Killias und Guido Jenny, aber auch die SP befürchteten, dass es bei einer derart verlängerten Verjährungsfrist zu Fehlurteilen kommen könnte und die Gefahr von verleumderischen Anzeigen bestehen würde. Neben der SP zeigte sich auch die SVP skeptisch.

Vernehmlassung zur StGB-Revison (kinderpornografie/sexueller Missbrauch von Kindern)
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Die im Berichtsjahr durchgeführte Vernehmlassung über eine Verschärfung der Vorschriften gegen die harte Pornografie und gegen extreme Gewaltdarstellungen führte zu einer Überarbeitung des Entwurfs. Insbesondere soll dabei abgeklärt werden, ob die vorgesehene Strafbarkeit des Besitzes generell, oder nur für bestimmte Kategorien der harten, d.h. verbotenen Pornografie gelten soll (z.B. sexuelle Handlungen mit Kindern).

Parlamentarische Vorstösse zur Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Ende März legte der Bundesrat einen Beschluss betreffend der Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vor. Gleichzeitig beantragte er entsprechende Strafgesetzänderungen. Diese Ratifizierung war 1996 vom Nationalrat angeregt worden und hatte in der Vernehmlassung ein durchwegs positives Echo erhalten. Es wird damit die Möglichkeit geschaffen, Völkermord nicht nur wie gemäss Genfer Konvention im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen zu bekämpfen. Mit einer Strafe von zehnjährigem bis lebenslänglichem Zuchthaus soll bestraft werden, wer Angehörige verfolgter Menschengruppen tötet oder verletzt, oder wer versucht, solchen Gruppen ihre Lebensgrundlagen zu entziehen. Diese Form des Genozids ausserhalb eines eigentlichen bewaffneten Konflikts hatte in den letzten Jahren in Ex-Jugoslawien und in Ruanda besondere Aktualität erhalten und zur Einrichtung eines Internationalen Tribunals zur Verfolgung der in diesen beiden Ländern begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt. Die neue Strafnorm soll auch gegen ausländische Staatsangehörige angewandt werden, die ihre Tat – was die Regel sein dürfte – im Ausland begangen haben und deren Staat keine Strafverfolgung wünscht. Mit dieser Gesetzesrevision würde ein erster Schritt zur Teilnahme der Schweiz am neu geschaffenen Internationalen Strafgerichtshof in Rom gemacht; erforderlich wäre dazu aber auch noch eine neue Gesetzesbestimmung zur Verfolgung weiterer „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Genozid-Konvention der UNO von 1948

Der Bundesrat beantragte dem Parlament, die 1974 bei der Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gemachten Vorbehalte und Auslegenden Erklärungen zurückzuziehen. Diese betrafen Art. 6 und bezogen sich auf die Garantie einer öffentlichen Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung, welche die Schweiz im Falle von nach kantonalem Recht durchgeführten Verhandlungen vor Verwaltungsbehörden nicht gewährleisten konnte. Die Auslegenden Erklärungen bezogen sich auf die Garantie einer gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheiden und die Verpflichtung, Angeklagten unentgeltlich Verteidiger und Dolmetscher zur Verfügung zu stellen. Die Rechtssprechung sowohl des europäischen Gerichtshofs als in der Folge auch des Bundesgerichts hatte diese Vorbehalte und Erklärungen als unzulässig beurteilt. Da sie damit ihre Existenzberechtigung verloren haben, schlug der Bundesrat vor, sie auch formal fallenzulassen. Der Nationalrat stimmte diesem Antrag bei zwei Enthaltungen (Föhn, svp, SZ und Beck, lp, VD) zu.

Genozid-Konvention der UNO von 1948

Der Nationalrat lehnte eine von der SVP und der FP unterstützte Motion Gusset (fp, TG) für eine Revision des Rassismusartikels im Strafgesetzbuch mit 96 zu 42 Stimmen ab. Gusset hatte dabei namentlich ein präzisere Fassung von einzelnen Bestimmungen wie etwa «Propagandaaktionen» verlangt, da sowohl in der Bevölkerung als auch bei den Gerichten Unklarheit bestehe, welche Äusserungen in welchen Formen nun strafbar seien und welche nicht. Der Bundesrat teilte zwar die Meinung, dass der Rassismusartikel Auslegungsprobleme biete, dies sei jedoch bei neuen gesetzlichen Bestimmungen oft der Fall. Er beantragte, da ihm keine besser geeigneten Formulierungen bekannt seien, erfolgreich die Ablehnung der Motion.

Motion Gusset zum Antirassismusgesetz (Mo. 97.3327)
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Der Nationalrat überwies eine Motion Baumberger (cvp, ZH) für eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls von 1952 zur Europäischen Menschenrechtskonvention, welches die Schweiz 1976 unterzeichnet hat. Inhaltlich geht es bei diesem Protokoll um den Schutz vor willkürlicher Enteignung, um das Recht auf Bildung und um die Durchführung von geheimen und freien Wahlen. Der Bundesrat erklärte sich mit der Motion einverstanden, will aber zuerst noch eine Konsultation der interessierten Kreise und der Kantone durchführen.

Protocole 1 CEDH
Dossier: EMRK Zusatzprotokolle

Am 10. Dezember wurde der 50. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO gefeiert. Die Schweiz beging diesen Anlass mit diversen Symposien, Leitartikeln in der Presse und Ansprachen – unter anderem durch Bundespräsident Cotti und Ständeratspräsident Rhinow (fdp, BL) vor der Vereinigten Bundesversammlung. Bei dieser Gelegenheit erschien auch eine CD-ROM mit dem Titel «Isle of Right», welche primär einem jugendlichen Publikum auf spielerische Weise die Geschichte und die Bedeutung der Menschenrechte näherbringen will.

der 50. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Nachdem im Vorjahr das Parlament der Verlängerung der Verjährungsfrist bei Sexualdelikten mit Kindern wieder auf zehn Jahre zugestimmt hatte, kam der Bundesrat nun auch dessen 1997 als Postulat überwiesener Forderung nach, die Verjährungsfrist bei diesen Tatbeständen erst ab dem 18. Altersjahr des Opfers laufen zu lassen. Im August gab er eine entsprechende Sexualstrafrechtsrevision in die Vernehmlassung.

Vernehmlassung zur StGB-Revison (kinderpornografie/sexueller Missbrauch von Kindern)
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Noch strengere Massnahmen gegen rückfallgefährdete Gewalttäter als das revidierte Strafgesetzbuch verlangt eine im Oktober lancierte Volksinitiative mit dem Titel «für lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewalttäter». Diese sieht nicht nur den Verzicht auf eine Freilassung nach Verbüssung der Zuchthausstrafe vor, sondern auch die Streichung von Hafturlauben. Falls das Gutachten, das eine Nichttherapierbarkeit konstatiert hat, durch eine spätere Beurteilung revidiert wird, könnten die Behörden die Verwahrung aufheben. Sollte der Verurteilte rückfällig werden, wären allerdings diese Behörden haftbar. Treibende Kraft hinter dieser Initiative sind Mütter von jugendlichen Opfern von brutalen Gewalt- und Sexualdelikten; dem Komitee gehören aber auch Mitglieder der Jungen SVP (Thomas Fuchs, BE) resp. der Freiheits-Partei (Jürg Scherrer, BE) an. (Siehe auch Motion Aeppli).

Verwahrungsinitiative
Dossier: Lebenslängliche Verwahrung von Straftätern (Volksinitiative und Gesetz)

Die Rechtsprechung war weiterhin mit der Suche nach einer einheitlichen Auslegung des Antirassimusgesetzes befasst. In Genf wurde die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers bestätigt, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Roger Garaudy verkauft hatte. Da der Buchhändler nicht aus antisemitischen Gründen gehandelt habe, reduzierte das Gericht die Busse. In einem analogen Fall hatte demgegenüber das Waadtländer Kantonsgericht einen erstinstanzlich verurteilten Buchhändler mit der Begründung freigesprochen, dass nur der Autor und der Herausgeber derartiger Publikationen bestraft werden können. Das Bezirksgericht Baden (AG) sprach gegen zwei notorische Holocaust-Leugner, den Basler Publizisten Jürgen Graf und dessen Verleger, den im Aargau lebenden Deutschen Gerhard Förster, exemplarisch hohe Strafen aus. Sie wurden zu einem unbedingten Freiheitsentzug von 15 resp. 12 Monaten verurteilt.

Einheitliche Auslegung des Antirassismusgesetz von 1995
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Im Berichtsjahr unterbreitete der Bundesrat eine Verschärfung der Vorschriften gegen die harte Pornographie und gegen extreme Gewaltdarstellungen. Hier soll zukünftig nicht nur die Herstellung und Verbreitung, sondern auch der Besitz strafbar werden. Beide Vorschläge wurden in der Vernehmlassung einhellig begrüsst. Im Rahmen der StGB-Revision beantragte der Bundesrat, dass im Ausland begangener sexueller Missbrauch von Kindern auch dann in der Schweiz verfolgt wird, wenn die Tat im betreffenden Staat nicht strafbar ist.

Parlamentarische Vorstösse zur Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Der Ständerat überwies in Postulatsform eine Motion Béguin (fdp, NE) für die Schaffung einer Zentralstelle des Bundes für die Bekämpfung der Pädophilie und einer Datenbank mit Bildern von Opfern und Tätern zwecks Verbesserung der Ermittlung bei Delikten. Zuvor hatte der Bundesrat zugesichert, dass die damit befasste Stelle beim Bundesamt für Polizeiwesen (Fachstelle Menschenhandel) ausgebaut und die Errichtung einer Datenbank abgeklärt wird.

Logistische Mittel zur Bekämpfung der Pädophilie (Mo. 97.3485)

Die im Vorjahr eingeleitete Vernehmlassung über einen Beitritt der Schweiz zum internationalen Übereinkommen zum Verbot und zur Verhütung des Völkermordes (Genozid-Konvention) der UNO von 1948 ergab breite Zustimmung. Die SP und Amnesty International verlangten, dass bei der notwendigen Anpassung der Strafrechtsnormen der Begriff Genozid nicht nur ethnische, sondern auch soziale und politische Gruppen einschliessen soll.

Genozid-Konvention der UNO von 1948

Bei den Grundrechten gaben namentlich das Diskriminierungsverbot und das Streikrecht zu reden. Bei ersterem ging die Auseinandersetzung nicht um das Verbot der Diskriminierung an sich, sondern um die Frage, ob die Gruppen, welche namentlich nicht diskriminiert werden dürfen, einzeln exemplarisch zu nennen seien, und wenn ja, welche dazugehören würden. Der Ständerat entschied sich gegen eine Aufzählung. Die CVP und die Linke setzten sich im Nationalrat hingegen erfolgreich für eine – nicht abschliessende – Aufzählung ein, da damit auch ein Signal an die Bevölkerung zugunsten dieser Gruppen ausgesendet werde. Der Ständerat fügte sich in der Differenzbereinigung diesem Entscheid. Das Recht auf Streik und Aussperrung (mit der Einschränkung, dass sie Arbeitsbeziehungen betreffen und keine vertraglichen Friedenspflichten verletzen dürfen) wurde vom Ständerat mit dem Argument gestrichen, dass dieses Recht zwar durch die Rechtsprechung gewährleistet sei, ihm aber kein Grundrechtscharakter zukomme. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Formel setzte sich im Nationalrat jedoch gegen einen namentlich von der SVP und einer Mehrheit der FDP getragenen Streichungsantrag mit 91:67 Stimmen durch. In der Differenzbereinigung gab der Ständerat insofern nach, als er zwar kein Grundrecht auf Streik anerkannte, aber diesen unter den erwähnten Bedingungen für zulässig erklärte.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Bei den Grundrechten wichen die Räte in zwei Punkten von ihrer Devise ab, keine materiellen Neuerungen gegenüber der bestehenden Verfassung und der Rechtspraxis einzuführen. Nachdem sich Redner aus allen Parteien dafür eingesetzt hatten, nahm der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission einen Artikel in die Verfassung auf, der den Bund verpflichtet, auf dem Gesetzesweg Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen von Behinderten zu treffen. Der Ständerat hatte einen entsprechenden Antrag Brändli (svp, GR) ursprünglich abgelehnt, lenkte dann aber ein. Der Nationalrat nahm zudem in erster Lesung einen von der SP geforderten speziellen Kinderartikel unter die Grundrechte auf. Danach sollen Kinder und Jugendliche Recht auf besonderen Schutz und Anspruch auf eine harmonische Entwicklung haben. Bundesrat Koller hatte vergeblich gegen den Anspruch auf harmonische Entwicklung argumentiert, dass damit ein einklagbares Grundrecht geschaffen werde, das gar nicht justiziabel sei. Der Ständerat reduzierte diesen Anspruch dann auf das Postulat der Förderung der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und konnte sich damit durchsetzen.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Das Urteil eines Schaffhauser Gerichtes gegen Emil Rahm wegen Verbreitung eines Buches, welches antisemitische Aussagen enthält, führte zu einer Petition des zu einer Busse von CHF 5'000 Verurteilten an die Bundesversammlung. Er verlangte darin eine Ergänzung des Antirassismusgesetzes für dessen Auslegung bei Klagen gegen Verleger und Buchhändler. Insbesondere forderte er, in diesen Fällen auch die Gesinnung des Angeklagten miteinzubeziehen und – bei nicht rassistischer Gesinnung – diesen für den Vertrieb von gerichtlich nicht verbotenen Büchern nicht zu bestrafen. Der Ständerat sah jedoch keinen Anlass, das Gesetz in diesem Sinne zu präzisieren. Der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband erkannte allerdings ebenfalls Probleme bei der Auslegung der neuen Strafnorm, welche bereits mehrmals zur Verurteilung von Buchhändlern geführt hatte. Er beschloss deshalb, ein juristisches Gutachten in Auftrag zu geben. In der Westschweiz führte die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Garaudy vertrieben hatte, zu einer grundsätzlichen Diskussion über die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das Antirassismusgesetz.

Einheitliche Auslegung des Antirassismusgesetz von 1995
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Anlässlich der Behandlung einer als Postulat überwiesenen Motion Jeanprêtre (sp, VD) (Mo. 96.3660) für die Schaffung einer speziellen Koordinationsstelle zur internationalen Bekämpfung der Kinderprostitution und der Aktivitäten von Pädophilen wies Bundesrat Koller darauf hin, dass die schweizerischen Polizeibehörden in diesem Bereich bereits heute eng mit ausländischen Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten. Eine weitere Motion Jeanprêtre (Mo. 96.3659) zur Bekämpfung der Ausbeutung von Kindern durch sogenannte Sexualtouristen überwies der Nationalrat mit dem Einverständnis des Bundesrates diskussionslos. Sie verlangt, das Strafgesetzbuch in dem Sinne zu ändern, dass im Ausland begangene Sexualdelikte mit Kindern unabhängig von der Nationalität des Täters und den im entsprechenden Land geltenden Gesetzen in der Schweiz verfolgt werden können. Der Ständerat und nach ihm auch der Nationalrat hiessen ebenfalls eine analoge Motion Béguin (fdp, NE) (Mo. 96.3649) gut. Im gleichen Zusammenhang überwies der Nationalrat auch eine Motion Jeanprêtre (Mo. 97.3485) für den Aufbau resp. Ausbau von Polizeidiensten, welche sich der Bekämpfung der Pädophilie und ihrer Organisationen widmen. Die Forderung, auch Strafen gegen Organisationen, namentlich Reiseveranstalter, welche in diesem Bereich tätig sind, aussprechen zu können, wurde von der Sozialdemokratin von Felten (BS) eingebracht. Der Nationalrat wandelte ihre Motion (Mo. 97.3366) in ein Postulat um. In der Praxis erfüllen die richterlichen Behörden die Forderungen der Motionen Jeanprêtre und Béguin bereits teilweise. Nachdem im Vorjahr ein Schweizer in der Waadt wegen Unzucht mit Kindern in Sri Lanka verurteilt worden war, nahmen die Zürcher Behörden 1997 einen anderen Schweizer in Untersuchungshaft, der jahrelang in Sri Lanka gelebt hatte und dort wegen Unzucht mit Kindern verhaftet, dann aber nicht verurteilt, sondern ausgewiesen worden war.

Logistische Mittel zur Bekämpfung der Pädophilie (Mo. 97.3485)