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Die Terrorismusbekämpfung umfasse, führte Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) als Berichterstatter der SiK-SR in der Wintersession 2019 vor dem Ratsplenum aus, die drei Elemente des Nachrichtendiensts, der strafrechtlichen Instrumente und der polizeilichen Instrumente. Da der Ständerat die Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus gerade eben an die Kommission zurückgewiesen habe, müsse man das mit jener über die polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) wohl auch tun, weil «die beiden Vorlagen eine Gesamtheit» bildeten, folgerte Jositsch. Der entsprechende Antrag auf Rückweisung mit dem Ziel, die beiden Vorlagen dann gemeinsam behandeln zu können, stammte von Ständerat Roberto Zanetti (sp, SO) und wurde von der Mehrheit der Kantonskammer mit 34 zu 10 Stimmen unterstützt.
Um überhaupt über die Rückweisung befinden zu können, hatte der Rat aber zuerst auf das Geschäft eintreten müssen. In der Eintretensdebatte hatte Ständerat Thomas Minder (parteilos, SH) deutliche Worte für das seiner Meinung nach zu lasche «Kuschelgesetz» gefunden. Obwohl er «von diesen präventiven Soft-Massnahmen nicht begeistert» sei, seien sie immerhin «besser als gar nichts», hatte er seine Absicht begründet, dennoch einzutreten. Sowohl Kommissionssprecher Jositsch als auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatten der Kritik entgegengesetzt, man habe die innerhalb der Grenzen des Rechtsstaats gelegenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Die von Minder geforderte Präventivhaft für terroristische Gefährderinnen und Gefährder bedeute letztlich, Personen aufgrund ihrer Gesinnung zu inhaftieren. «Man muss sich immer überlegen, wie es wäre, wenn ein solches Instrument in den Händen des politischen Gegners wäre. Das möchte ich mir also nicht unbedingt vorstellen müssen», so die Justizministerin.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In der Herbstsession 2019 befasste sich der Ständerat als Erstrat mit der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» sowie mit dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates, dem Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung. In der ausführlichen Debatte über die Symbolik der Gesichtsverhüllung und deren Vereinbarkeit mit in der Schweizer Gesellschaft zentralen Werten war der Grundtenor parteienübergreifend derselbe: Man sei nicht für die Burka, denn sie sei tatsächlich Ausdruck eines fundamentalistischen Islams und der Unterdrückung der Frau und als solcher in der Schweizer Gesellschaft problematisch. Ausserhalb der SVP-Fraktion setzte sich dennoch keine Kantonsvertreterin und kein Kantonsvertreter für die Annahme der Initiative ein, da sie mehrheitlich nicht als Lösung des Problems gesehen wurde. Ein solches Verbot tauge nicht, da das – allseits anerkannte – Problem nicht rechtlicher, sondern gesellschaftlicher Natur sei, wie Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) argumentierte: «Wir können nicht mit dem Gesetz gewissermassen am gesellschaftlichen Grashalm ziehen [...].» Mit 34 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen empfahl der Ständerat die Initiative zur Ablehnung und versenkte einen Minderheitsantrag Minder (parteilos, SH)/Föhn (svp, SZ) auf Empfehlung zur Annahme.
Der bundesrätliche Gegenvorschlag hatte unterdessen in der SPK-SR zwei Änderungen erfahren, die die Ständekammer beide stillschweigend genehmigte. Erstens soll nicht nur, wer sich wiederholt der Aufforderung zur Enthüllung widersetzt, mit Busse bestraft werden, sondern generell, wer sich dieser Aufforderung widersetzt. Zweitens wurde ein neuer Absatz eingefügt, demnach bei Verletzung der Enthüllungspflicht eine allfällig verlangte Leistung verweigert werden kann, sofern das anwendbare materielle Recht eine solche Verweigerung nicht ausschliesst. Das so angepasste Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung nahm der Ständerat mit 35 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Obwohl er nicht restlos zu überzeugen vermochte, führe letztlich nichts am Gegenvorschlag vorbei, resümierte Werner Luginbühl (bdp, BE).
Schliesslich stimmte die kleine Kammer auch der Fristverlängerung für die Behandlung der Volksinitiative um ein Jahr zu und nahm zur Kenntnis, dass ihre Kommission der Petition für die Ungültigerklärung der Initiative aus Gründen der Einheit der Materie (Pet. 15.2044) keine Folge gegeben hatte. Wie Kommissionssprecherin Pascale Bruderer Wyss (sp, AG) erläuterte, sei die Kommission zum Schluss gekommen, dass der Initiativtext ein einziges Sachthema betreffe, nämlich die Frage nach dem Umgang mit verhüllten Personen in der Öffentlichkeit, und die Einheit der Materie somit gegeben sei.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Anders als zuvor der Nationalrat war die SPK-SR mehrheitlich (6 zu 4 Stimmen, 2 Enthaltungen) der Ansicht, das Non-Refoulement-Prinzip sei ein fester Bestandteil der Bundesverfassung und schütze selbst verurteilte Terroristinnen und Terroristen zu Recht vor der Ausschaffung in ein Land, wo ihnen Folter oder die Todesstrafe droht. Demzufolge beantragte sie die Motion Regazzi (cvp, TI), die die Ausweisung von Dschihadistinnen und Dschihadisten in Folterstaaten ermöglichen sollte, ohne Gegenantrag zur Ablehnung. Dem Ständeratsplenum wurde in der Frühjahrssession 2019 dann jedoch ein Einzelantrag Minder (parteilos, SH) auf Annahme der Motion vorgelegt. Der parteilose Antragsteller argumentierte, das zwingende Völkerrecht greife hier nicht, sei gar «für jeden Rechtsstaat absurd und total unbefriedigend», denn «diese Nichtrückkehrer, diese Dschihadisten, diese Gefährder» kosteten den Staat «Millionen von Franken» und verursachten «in den Kantonen, beim Bund und in der Bevölkerung Frust und Unverständnis». Nicht zuletzt nahm er damit Bezug auf die fünf wegen Terrorismus verurteilten Iraker der «Schaffhauser IS-Zelle», die nach verbüsster Strafe nicht in den Irak ausgeschafft werden können, da ihnen dort mutmasslich Folter droht. FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR) entgegnete mit einem Plädoyer für den Rechtsstaat, in dem er seine Ratskolleginnen und -kollegen dazu aufrief, sich nicht für Folter herzugeben und nicht das «innere Heiligtum» des Rechtsstaats preiszugeben. Die Schweiz solle ihre «höchsten Werte [...] nicht im blinden Eifer gegen die blinden Eiferer zerstören, damit wir nicht eines Tages werden wie sie». Überdies sei der Fokus der Motion auf Dschihadistinnen und Dschihadisten – «das Feindbild du jour» – unverständlich, denn Massenmord und Terrorismus seien nicht an eine Religion gebunden. Gegen den Vorstoss argumentierte ebenso Justizministerin Karin Keller-Sutter: Das menschenrechtliche Rückschiebungsverbot könne als Teil des zwingenden Völkerrechts nicht einfach umgangen werden. Zusätzlich wies sie auf die laufenden Arbeiten zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus hin und erläuterte, es sei nicht ganz einfach, geforderte Massnahmen wie beispielsweise die geschützte Unterbringung von Gefährderinnen und Gefährdern grundrechtskonform umzusetzen. Doch damit biss sie – wie im Nationalrat schon ihre Vorgängerin – letztlich auf Granit. Mit 22 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung nahm die kleine Kammer die Motion an. Auch wenn man das zwingende Völkerrecht nicht brechen könne, so müsse doch etwas getan werden, war in etwa der Grundtenor des Entscheids.
Das für eine Motion ungewöhnlich grosse Medienecho widerspiegelte ebenfalls die Umstrittenheit des Entscheids. Angesichts der Kritik, die Motion stelle den Rechtsstaat infrage, verteidigten die Befürworter – allen voran Motionär Fabio Regazzi – ihren Standpunkt, verurteilte Terroristen müssten sich nicht auf die Menschenrechte berufen können und «man müsse die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen» (NZZ). Demgegenüber sprach Gegner und FDP-Nationalrat Kurt Fluri (SO) gegenüber der NZZ von «Hysterie» und «Populismus». Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Schweiz bezeichnete den Gesetzgebungsauftrag als «inakzeptabel». Als Element des zwingenden Völkerrechts könne das Non-Refoulement-Prinzip in einem Rechtsstaat keinesfalls, auch nicht unter dem Deckmantel der inneren Sicherheit, derogiert werden. Wie der Bundesrat den verbindlichen Auftrag umsetzen will, war zunächst noch unklar; gemäss NZZ wolle das Justizdepartement «die Sache nun genauer analysieren».

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Bei den Schlussabstimmungen der beiden Räte zeigte sich wenig überraschend das gleiche Bild wie bei den jeweiligen Debatten. Der Ständerat hiess den Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» mit der Empfehlung zur Ablehnung des Volksbegehrens mit 38 zu 6 Stimmen ohne Enthaltungen gut. Die sechs Stimmen stammten von den fünf SVP-Ständeräten sowie von Thomas Minder (parteilos, SH). Und auch im Nationalrat lehnte die geschlossene SVP-Fraktion den Bundesbeschluss ab, kam aber mit 68 zu 129 Stimmen (keine Enthaltungen) nicht dagegen an.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

In der Frühjahrssession 2018 behandelte der Ständerat die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)». Die Debatte wurde vom Schweizer Fernsehen direkt übertragen. Robert Cramer (gp, GE), Sprecher der RK-SR, erörterte zunächst die ablehnende Position der Kommission, die sich unter anderem auch auf die Anhörung verschiedener Rechtsprofessorinnen und Rechtsprofessoren stütze, welche einhellig der Meinung seien, dass die Initiative mehr Probleme verursache, als sie löst. Die momentane Situation lasse den obersten Gerichten den nötigen Spielraum für eine Abwägung zwischen Völkerrecht und Landesrecht. Es sei in den Augen der Experten nicht angebracht, die beiden Normen gegeneinander auszuspielen, da internationales Recht, das in der Schweiz angewendet werde, genauso legitim und demokratisch abgestützt sei wie das Landesrecht selbst. Cramer erklärte, dass die Kommission auch verschiedene Akteure aus der Wirtschaft angehört habe, wobei die Stellungnahmen auch hier einhellig gegen die Initiative ausgefallen seien. Die Kommission sei auch deshalb mit 12 zu 1 Stimmen zum Schluss gekommen, dem Rat die Ablehnung der Initiative zu empfehlen. Allerdings gebe es zwei Minderheitenanträge: Zum einen lege Andrea Caroni (fdp, AR) – unterstützt von vier Kommissionsmitgliedern – einen Gegenvorschlag vor, zum anderen empfehle Thomas Minder (parteilos, SH) die Initiative zur Annahme.

Andrea Caroni betonte in seinem Votum für seinen Gegenvorschlag, dass die Schweizer Rechtsordnung bei Konfliktfragen unterschiedlicher Normstufen sehr klar sei, mit Ausnahme eben des Verhältnisses zwischen Landes- und Völkerrecht. Dort herrsche «Improvisation» oder «Durchwursteln» vor, wobei in der Regel die Bundesgerichte «mit der Wurst betraut» seien. Dies sei aber «institutionell falsch» und es brauche deshalb eine klare Regelung. Eine solche müsse im Normalfall – hier wich der Gegenvorschlag deutlich von der Initiative ab – dem Völkerrecht den Vorrang geben, da man hier im Sinne von «Pacta sunt servanda» gegebene Versprechen einzuhalten habe. In begründeten Ausnahmefällen solle allerdings die Möglichkeit bestehen, durch ausdrücklichen und expliziten Beschluss durch den Verfassungs- oder Gesetzgeber vom Vorrang des Völkerrechts abzuweichen. Caroni exemplifizierte seine Idee an der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die ja nicht explizit eine Änderung von Völkerrecht vorgesehen habe. Wäre sein Vorschlag damals schon umgesetzt gewesen, dann hätte in der Initiative entweder explizit erwähnt werden müssen, dass ein internationaler Vertrag – konkret das Personenfreizügigkeitsabkommen – gekündigt werden solle, oder die Nichterwähnung hätte bedeutet, dass die Initianten das Völkerrecht implizit akzeptierten und bei der Umsetzung darauf Rücksicht genommen werden müsse. Caroni führte weiter aus, dass er seinen Vorschlag nicht aus taktischen Überlegungen einreiche, weil er Angst vor einer Annahme der Initiative an der Urne habe. Es gehe ihm vielmehr um das inhaltliche Anliegen, das er mit den Initianten teile: Die konkrete Regelung des Verhältnisses zwischen Landes- und Völkerrecht. Allerdings schlug er selber vor, auf den Gegenvorschlag zu verzichten – und diesen vorerst zu schubladisieren –, wenn die Initianten ihr Begehren nicht zu dessen Gunsten zurückziehen würden. Die Materie sei für sich genommen schon komplex genug. Wenn gleich zwei Vorlagen an die Urne kämen, sei dies dem Verständnis des Themas wohl eher abträglich.

Thomas Minder zählte in der Verteidigung seines Minderheitenantrags zur Annahme der Volksinitiative eine Reihe von aktuellen Vorstössen auf, in denen das Parlament Beschlüsse fasse, die im Widerspruch zu bestehendem internationalen Recht stünden: So verstosse etwa die Motion Grin (svp, VD), welche die Ausklammerung von Palmöl beim Freihandelsabkommen mit Malaysia verlange und soeben vom Nationalrat angenommen worden sei, gegen EFTA-Recht. Ebenso stünde eine Annahme der Fair-Food-Initiative im Widerspruch zu zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen. Es gebe aber auch andere Beispiele, wo Vertragspartner der Schweiz Verträge nicht gänzlich einhielten. So habe etwa die EU bei Horizon 2020 oder Erasmus plus völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt. Niemand habe damals nach einer Kündigung der Bilateralen Verträge gerufen, sondern man habe die Kröte geschluckt. Bei den über 5'000 völkerrechtlichen Verträgen, welche die Schweiz abgeschlossen habe – in ihrem Schlussvotum sprach Bundesrätin Simonetta Sommaruga von rund 4'000 Verträgen – bestünden zahlreiche potenzielle Normenkonflikte. Und hier setze die Initiative an, indem sie klar festlege, dass bei Normenkonflikten die Verfassung vorzugehen habe.

In der Folge äusserten sich 17 Ständerätinnen und -räte zur Vorlage, wobei sich die Argumente mehr oder weniger wiederholten: Die Initiative sei konfus und widersprüchlich; der SVP wurde vorgeworfen sich damit nicht gegen fremde Richter, sondern gegen das eigene Bundesgericht zu wenden. Betont wurde zudem die Gefährdung schweizerischer Wirtschaftsinteressen. Die Verlässlichkeit der Schweiz würde bei einer Annahme des Begehrens auf dem Spiel stehen. Völkerrecht helfe zudem insbesondere Kleinstaaten, die ohne rechtliche Absicherung dem Recht des Stärkeren ausgesetzt wären.

Die Ständeräte der SVP sprachen sich für eine Annahme der Initiative aus, weil laut Werner Hösli (svp, GL) die «Macht des Volkes» geschützt werden müsse; gemäss Peter Föhn (svp, SZ) der zunehmenden Aushöhlung der Bundesverfassung durch internationale Bestimmungen Einhalt geboten werden müsse; oder der Politikverdrossenheit begegnet werden müsse, die – so Alex Kuprecht (svp, SZ) – auch deshalb wachse, weil «die Menschen das Gefühl haben [...], dass die da oben in Bern sowieso machen, was sie wollen» – etwa bei der Umsetzung angenommener Volksinitiativen. Gefordert sei deshalb ein «bisschen mehr 'Switzerland first'».

Der Ständerat war sich also mehrheitlich einig darin, dass die Initiative abzulehnen sei. Weniger einig waren sich die Kantonsvertreterinnen und -vertreter hingegen darüber, ob die Normenkonflikte, die sich langfristig wohl noch häufen werden, gesondert geregelt werden müssten, oder ob die so genannte Schubert-Praxis genüge. Zur Frage stand folglich, ob man es wie bis anhin dem Bundesgericht überlassen wolle, zu regeln, wann Landesrecht ausnahmsweise Völkerrecht vorgehen solle. Nicht wenige Voten plädierten für den Gegenvorschlag Caroni. Letztlich setzte sich allerdings die Überzeugung durch, dass auch der Gegenvorschlag eine «fausse bonne idée» sei, wie sich Didier Berberat (sp, NE) ausdrückte.

In ihrem Schlussvotum wollte Justizministerin Simonetta Sommaruga klarstellen, dass es «grundfalsch» sei, das Völkerrecht mit Unterdrückung und Fremdbestimmung in Verbindung zu bringen. Sie wies auf verschiedene Geschäfte hin, mit denen die Problematik der Beziehung internationaler Verträge und innerstaatlichen Rechts angegangen werde – so etwa eine Erweiterung des obligatorischen Staatsvertragsreferendums oder die Anpassung der Symmetrie bei der Kündigung von Staatsverträgen. Die Bundesrätin hielt zudem Gericht über das Parlament: Man habe in der Debatte einige Male gehört, dass der Volkswille nicht richtig umgesetzt werde, diese Kritik richte sich aber eigentlich an die Volks- und Kantonsvertretung. Das Parlament habe ja bereits die Möglichkeit, im Einzelfall zu entscheiden, dass Landesrecht gegenüber internationalem Recht der Vorrang gegeben werden solle. Und wenn es dies nicht tue, dann habe es sicherlich gute Gründe dafür. Der Bundesrat empfehle die Initiative insbesondere deshalb zur Ablehnung, weil sie starre Regeln fordere und so die zahlreichen, heute bestehenden Möglichkeiten für pragmatische Einzelfalllösungen beschneide. Das Begehren verspreche zwar Klarheit im Verhältnis zwischen Landesrecht und internationalem Recht, schaffe aber grundsätzlich das Gegenteil, nämlich Rechtsunsicherheit. Dies wäre freilich – so die Magistratin abschliessend – auch beim diskutierten Gegenvorschlag der Fall.

Nach rund vierstündiger Debatte schritt die kleine Kammer zur Abstimmung. Das Stimmverhältnis von 27 zu 15 Stimmen für Nichteintreten auf den Gegenvorschlag Caroni widerspiegelte den doch recht grossen Wunsch nach Klärung, während die Initiative mit 36 zu 6 Stimmen letztlich recht deutlich zur Ablehnung empfohlen wurde.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Das Berichtsjahr wurde stark durch die Debatte um die Managergehälter geprägt. Dies lag nicht zuletzt im Umstand begründet, dass in diesem Bereich gleich zwei Volksabstimmungen abgehalten wurden. Am 3. März gelangte die Abzocker-Initiative zur Abstimmung. Das bereits im Jahre 2008 von einer Gruppe um den Schaffhauser Unternehmer und späteren Ständerat Thomas Minder eingereichte Begehren enthielt 24 Forderungen, die im Wesentlichen auf eine Stärkung der Aktionärsrechte abzielten. Im Vorjahr hatte sich das Parlament nach langem Feilschen auf einen indirekten Gegenvorschlag geeinigt, der auf Gesetzesstufe der Volksinitiative weit entgegen kam und im Falle eines Neins in Kraft getreten wäre. Unterstützt wurde das Volksbegehren von der SP, den Grünen, der EVP und der CSP sowie einem Teil der Gewerkschaften (Unia, Syna, SEV und Bankpersonalverband). Während sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund zu keiner Stimmempfehlung durchringen konnte, gaben Travail Suisse, KV Schweiz und die Schweizerische Kaderorganisation (SKO) Nein-Parolen heraus. Die Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, Gewerbeverband und Arbeitgeberverband) sowie die bürgerlichen Parteien (SVP, FDP, CVP, GLP und BDP) sprachen sich ebenfalls gegen die Volksinitiative aus. Bei letzteren stiess die Vorlage an der Basis allerdings auf grosse Sympathien. Vor allem in der SVP und bei den Grünliberalen wichen zahlreiche Kantonalsektionen von der nationalen Parteilinie ab. Das Initiativkomitee verfügte über keinerlei Kampagnenerfahrung und über wenig finanzielle Ressourcen. Diese Makel kompensierte die befürwortende Seite mit viel Engagement. So wurde der partizipative Einbezug der Bevölkerung grossgeschrieben. Noch nie wurde im Rahmen einer eidgenössischen Abstimmungskampagne so konsequent auf die neuen sozialen Medien gesetzt. Zudem profitierte das Anliegen von einem ausgeprägten Empörungspotenzial, und der Initiant Thomas Minder genoss als Unternehmer hohe Glaubwürdigkeit. Die Federführung des gegnerischen Lagers übernahm Economiesuisse. Die üppig ausgestattete Contra-Kampagne stand jedoch unter keinem guten Stern. In die negativen Schlagzeilen geriet der Wirtschaftsdachverband zum Jahresbeginn, als bekannt wurde, dass eine im Dienste von Economiesuisse stehende PR-Agentur Studierende engagiert hatte, um unter falschen Identitäten zu bloggen oder im Internet Leserkommentare gegen die Volksinitiative zu schreiben. Für einigen Wirbel sorgte im Februar ein dreiminütiger Film namens “Grounding 2026“, den der Schweizer Regisseur Michael Steiner im Auftrag von Economiesuisse erstellte hatte, um die Schlusskampagne des Nein-Lagers zu befeuern. Aufgrund der dramatischen Szenen beschloss der Verband schliesslich, das Video nicht auszustrahlen. Darüber hinaus wurde am 15. Februar publik, dass Daniel Vasella, der abtretende Verwaltungsratspräsident des Pharma-Konzerns Novartis, eine Abgangsentschädigung von 72 Millionen Franken erhalten sollte. Obwohl dieser nach wenigen Tagen auf diesen Betrag verzichtete, spielte die öffentliche Empörung dem Pro-Lager in die Hände. Wie aufgrund der Umfrageresultate erwartet werden konnte, wurde die Abzocker-Initiative nach einem äusserst engagierten Abstimmungskampf deutlich angenommen. Sämtliche Stände sowie 67.9% der Partizipierenden stimmten der Vorlage zu. Die Stimmbeteiligung betrug überdurchschnittliche 46%. Die höchsten Ja-Anteile wurden im Kanton Jura (77%) und in Schaffhausen (76%), dem Heimatkanton des Initianten, registriert. Die tiefste Zustimmung verzeichneten die Tiefsteuer-Kantone Obwalden (56%), Nidwalden und Zug (jeweils 58%).

Die VOX-Analyse kam zum Schluss, dass sowohl die Sympathisanten der SP (86%) als auch jene der SVP (72%) der Initiative deutlich zustimmten. Während die Basis der CVP unentschlossen war (Ja-Anteil von 53%), lehnten die der FDP nahestehenden Kreise die Vorlage in ihrer Mehrheit ab (Nein-Anteil von 61%). Die Stimmbeteiligung der SP- und der SVP-Wählerschaft übertraf jene der beiden bürgerlichen Mitteparteien deutlich. Somit konnte von einer Demobilisierung der CVP- und FDP-Sympathisanten die Rede sein. Das primäre Motiv der Ja-Stimmenden betraf gemäss der VOX-Analyse das Unverständnis über die Höhe der Managerlöhne. Unter den Initiativgegnern herrschte die Meinung vor, dass der indirekte Gegenvorschlag zu bevorzugen war und dass die Missstände weder mit der Initiative noch mit dem Gegenvorschlag aus der Welt geschafft werden konnten. Der neue Verfassungsartikel musste durch eine Ausführungsgesetzgebung konkretisiert werden. Der Initiativtext sah jedoch vor, dass der Bundesrat innerhalb eines Jahres die 24 Forderungen auf Verordnungsstufe umsetzen musste. Bereits im November setzte die Landesregierung die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Gesellschaften per 1. Januar 2014 in Kraft. Das Initiativkomitee kritisierte die milde Umsetzung der Strafbestimmungen und den Umstand, dass Verwaltungsräte und Mitglieder der Geschäftsleitung weiterhin in den Genuss von Antrittsprämien und Beratungsmandaten kommen konnten.


Abstimmung vom 3. März 2013

Beteiligung: 46,0%
Ja: 1 615 720 (67,9%) / 20 6/2 Stände
Nein: 762 273 (32,1%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja:, SPS, GPS, EVP, CSP.
– Nein: SVP (11)*, FDP(1)*, CVP(1)*, GLP(5)*, BDP, eco, SAV, sgv, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Abzocker-Initiative (BRG 08.080)
Dossier: Aktienrechtsrevision und die Abzocker-Initiative

Die SVP-Fraktion wollte mit einer parlamentarischen Initiative eine Änderung des Parlamentsgesetzes erwirken. Artikel 102 Absatz 2 sieht vor, dass das Parlament bei gleichzeitigem Vorliegen einer Volksinitiative und eines Gegenvorschlages nur den Gegenvorschlag zur Annahme empfehlen kann, nicht aber die Initiative. Die SVP wollte dieses Verbot mit der Begründung streichen, dass dadurch die freie Willensäusserung des Parlaments nicht mehr eingeschränkt werde. Mit 118 zu 64 Stimmen gab die grosse Kammer der Initiative allerdings keine Folge. Sie stützte sich dabei auf die Begründung ihrer Staatspolitischen Kommission, das Parlament dürfe Gegenvorschläge nicht aus taktischen Gründen entwerfen, sondern müsse den Gegenentwurf als bessere Lösung präsentieren. Abgelehnt wurde auch eine Motion Minder (parteilos, SH) (12.3963), die ein Verbot der Gleichzeitigkeit von direktem und indirektem Gegenvorschlag sowie ein Verfahren mit einer vorgängigen Eventualfrage (statt dem Stichentscheid) und zwei Abstimmungsfragen (Initiative vs. geltendes Recht bzw. Gegenvorschlag vs. geltendes Recht) vorgesehen hätte.

Abstimmungsempfehlung des Parlaments bei Volksinitiativen mit Gegenvorschlag (10.469)

Wie in den vergangenen Jahren stand auch 2012 die Abzocker-Initiative im Zentrum des öffentlichen Interesses. Die eidgenössischen Räte einigten sich darauf, der Volksinitiative einen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe gegenüberzustellen. Dieser beinhaltete eine Revision des Aktienrechts, welche die Forderungen der Volksinitiative teilweise aufnahm. Mit der Bereinigung der Differenzen aus dem Vorjahr setzte sich im Berichtsjahr zuerst der Ständerat auseinander. Bei der zentralen Frage der Abstimmungen über die Vergütungen der Geschäftsleitung schloss sich die kleine Kammer der Version des Nationalrats an. Demnach sollte die Generalversammlung jährlich über die Vergütung der Geschäftsleitung abstimmen. Allerdings sollten die Statuten festlegen, ob dieser Abstimmung bindende oder konsultative Wirkung zukam. Auch in Bezug auf das Vergütungsreglement kam der Ständerat dem Nationalrat entgegen. Die Kantonsvertreter verzichteten darauf, ein Maximalverhältnis zwischen Grundentschädigung und Boni festzulegen. Hingegen hielt der Ständerat bezüglich der Ausnahmeregelung für Abgangsentschädigungen und Vorauszahlungen an seiner Fassung fest. Nach dem Willen des Ständerates sollte hierzu eine Zweidrittelmehrheit der Generalversammlung erforderlich sein. In der Frühjahrssession stimmte der Nationalrat in sämtlichen Punkten der ständerätlichen Version zu. Die einzige Ausnahme betraf die Zulassungskriterien von Abgangsentschädigungen und Vorauszahlungen. Die Ratslinke setzte sich vergebens für die strengere Lösung des Ständerates ein. Das nationalrätliche Ratsplenum bestand jedoch darauf, dass solche Transaktionen entweder im Vergütungsreglement oder durch einen einfachen Entscheid der Generalversammlung beschlossen werden konnten. Aufgrund dieser Divergenz musste eine Einigungskonferenz einberufen werden. Diese sprach sich für die Version des Ständerates aus. In der Schlussabstimmung wurde der indirekte Gegenvorschlag vom Nationalrat einstimmig und vom Ständerat mit 42 zu einer Stimme angenommen. Die einzige Nein-Stimme stammte von Thomas Minder, dem parteilosen Vater der Abzocker-Initiative. Im Falle einer Ablehnung der Volksinitiative wären die Gesetzesbestimmungen des Gegenvorschlags in Kraft getreten.

Der indirekte Gegenvorschlag kam der Volksinitiative weit entgegen. Von den 24 Forderungen der Abzocker-Initiative übernahm er deren sechs vollständig (jährliche Aktionärsabstimmung über die Vergütung vom Verwaltungsrat, jährliche Aktionärsabstimmung über die Gesamtsumme aller Vergütungen des Beirats, jährliche Wahl der unabhängigen Stimmrechtsvertretung, Verbot der Organstimmrechtsvertretung, Verbot des Depotstimmrechts und Stimmrechtsoffenlegung durch Pensionskassen). Ausserdem ging der indirekte Gegenvorschlag in zwei Bereichen sogar über die Forderungen der Volksinitiative hinaus. So beinhaltete er eine griffigere Ausgestaltung der Klage auf Rückerstattung ungerechtfertigter Leistungen. Zudem wurden die Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Festlegung der Vergütungen konkretisiert. Das Parlament übernahm vierzehn Forderungen teilweise, wobei im Gegensatz zu den zwingenden Vorschriften der Initiative meist dispositive Regelungen vorgesehen wurden. Vier Forderungen blieben unberücksichtigt (jährliche Wahl des Verwaltungsratspräsidenten durch die Generalversammlung, jährliche Wahl der Mitglieder des Vergütungsausschusses, Verbot der Delegierung der Gesellschaft an eine juristische Person und strafrechtliche Bestimmungen).

Nachdem das Parlament im Vorjahr im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags auf eine Bonussteuer verzichtet hatte, kam dieses Anliegen im Berichtjahr erneut auf das Tapet. Zahlreiche Parlamentarier erachteten es als notwendig, der populären Volksinitiative eine solche Steuer in Form eines direkten Gegenvorschlags auf Verfassungsebene gegenüberzustellen. In der Frühjahrssession nahm der Nationalrat die Bonussteuer mit 100 zu 87 Stimmen an. Demnach hatten Unternehmungen Boni von über drei Millionen Franken zu versteuern. Im Gegensatz zum Vorjahr schlugen sich die Grünliberalen zunächst auf die Seite der befürwortenden Fraktionen der SP, der Grünen und der CVP. Die Vertreter der SVP, der FDP und einer Mehrheit der BDP sprachen sich vehement gegen die Einführung einer neuen Unternehmenssteuer aus. In der Sommersession hiess auch der Ständerat die Bonussteuer gut. Mit 23 zu 15 Stimmen folgte er dem Entscheid des Nationalrats. Nachdem der Ständerat den direkten Gegenvorschlag in der Schlussabstimmung mit 26 zu 14 Stimmen annahm, scheiterte das Vorhaben aber schliesslich im Nationalrat mit 87 zu 104 Stimmen. Den Ausschlag gaben wiederum die Abgeordneten der Grünliberalen Partei, die sich letztlich geschlossen gegen die Bonussteuer aussprachen. Der Bundesrat setzte die mit Spannung erwartete Abstimmung über die Abzocker-Initiative auf den 3. März 2013 an.

Indirekter Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative
Dossier: Aktienrechtsrevision und die Abzocker-Initiative