Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Bundespatentgericht
  • Organisation der Bundesrechtspflege

Akteure

Prozesse

  • Wahlgeschäft
104 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Weil die amtierende Bundesverwaltungsgerichtspräsidentin Marianne Ryter (sp) in der Sommersession 2021 ans Bundesgericht gewählt worden war, wurde eine Ersatzwahl für das Präsidium des Bundesverwaltungsgerichts nötig. Die GK schlug für den Rest der Amtsperiode 2021-2022 vor, den amtierenden Vizepräsidenten, Vito Valenti (fdp), zum Präsidenten zu wählen und Kathrin Dietrich (mitte), die seit 2005 am BVGer amtete, zur Vizepräsidentin zu küren.
Die Vorschläge waren unbestritten, was sich auch bei der Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung zeigte: Vito Valenti erhielt 234 von 234 gültigen Stimmen – von den 235 eingelangten Wahlzetteln war einer leer geblieben. Auf Kathrin Dietrich entfielen 227 Stimmen. Bei ihr waren von den 235 eingelangten Wahlzetteln 8 leer geblieben.

Ersatzwahl für das Präsidium des Bundesverwaltungsgerichts

Die Vereinigte Bundesversammlung hatte für die Amtsperiode 2022-2023 das Präsidium und Vizepräsidium des Bundesstrafgerichts neu zu besetzen. Gemäss Strafbehördenorganisationsgesetz hat das Bundesstrafgericht dem Parlament einen Wahlvorschlag zu unterbreiten. Es schlug Alberto Fabbri (mitte) als Präsidenten und Joséphine Contu Albrizio (fdp) als Vizepräsidentin vor. Die GK merkte in ihrem Bericht an, dass sie den Vorschlag unterstütze, auch wenn sie bedauere, dass beide Personen deutscher Muttersprache seien und die lateinische Schweiz nicht an der Spitze des BStGer vertreten sei. Bei Alberto Fabbri merkte sie zudem an, dass er zwar erst seit 2021 Bundesstrafrichter sei, aber dank der Leitung der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt über langjährige Führungserfahrung verfüge.
In den Medien wurde die Hoffnung geäussert, dass mit dem Wechsel an der Spitze des BStGer wieder Ruhe am «Krisengericht» einkehren möge, so etwa der Tages-Anzeiger. Fabbri stehe für einen «Neuanfang», urteilte auch die NZZ. Das Bundesstrafgericht war aufgrund von in den Medien angestellten Vermutungen über Mobbing und Sexismus in die Schlagzeilen geraten.
In der Wintersession folgte das Parlament den Empfehlungen und wählte Fabbri mit 209 von 235 eingelangten Stimmen. 26 Wahlzettel waren leer geblieben. Da Fabbri schon bei seiner Wahl ins Bundesstrafgericht von der SVP als «nicht wählbar» bezeichnet worden war, liegt die Vermutung nahe, dass die Leerstimmen in erster Linie von Vertretenden der SVP-Fraktion stammten. Mit 226 von 235 eingelangten Stimmen wurde Contu Albrizio zur Vizepräsidentin gekürt. Bei ihr bleiben 9 Wahlzettel leer.

Präsidium und Vizepräsidium des Bundesstrafgerichts

Weil Claudia Solcà (mitte) und Stephan Blättler (svp) per Ende 2021 aus dem Amt ausschieden und Cornelia Cova (svp) ihren Rücktritt per Ende April 2022 eingereicht hatte, mussten drei neue Richterinnen oder Richter ans Bundesstrafgericht gewählt werden. Auf die Stellenausschreibungen der GK – gesucht waren eine Person mit italienischer Muttersprache für die Berufungskammer und zwei Personen mit deutscher Muttersprache für die Beschwerdekammer – meldeten sich insgesamt 32 Kandidierende (darunter 4 Frauen), wobei 12 abgewiesen werden mussten, da es sich um italienische Staatsangehörige handelte. Die GK entschied sich für Maric Demont (gp) und Felix Ulrich (svp), die als ordentliche Richter den in der Beschwerdekammer untervertretenen Parteien angehörten, sowie für Maurizio Albisetti Bernasconi (mitte), der mit seiner Wahl die Untervertretung der Mitte-Partei an der Berufungskammer abschwächte.
Die drei Wahlvorschläge wurden in der Wintersession von der Vereinigten Bundesversammlung bestätigt. Auf den 235 eingelangten Wahlzetteln stand 232 Mal der Name Felix Ulrich, 231 Mal der Name Maurizio Albisetti Bernasconi und 217 Mal der Name Maric Demont.

Wahlen ans Bundesstrafgericht

Am Bundesverwaltungsgericht mussten drei Stellen neu besetzt werden. Die Vakanzen ergaben sich durch die Rücktritte von Roland Flury (fdp) und Gérard Scherrer (parteilos) sowie aufgrund der Wahl von Marianne Ryter (sp) ans Bundesgericht. Auf die Ausschreibung für eine Richterstelle für eine Person mit französischer und zwei Stellen für Personen mit deutscher Muttersprache bewarben sich 18 Männer und neun Frauen. Aus diesen Bewerbungen entschied sich die GK für die deutschsprachigen Christoph Errass (glp) und Iris Widmer (gp) und die französischsprachige Chrystel Tornare Villanueva (svp).
Die Nomination der SVP-Richterin stiess bei den Fraktionen der GP und der SP auf Widerstand. Sibel Arslan (basta, BS) reichte einen Ordnungsantrag ein, mit dem sie eine Verschiebung der Wahl für die französische Richterstelle beantragte. Sie begründete dies in der Debatte der Vereinigten Bundesversammlung in der Wintersession 2021 mit dem fehlenden Parteienproporz in der Abteilung IV des BVGer. Sie zitierte eine Studie, die vor allem in den beiden Asylabteilungen einen Zusammenhang zwischen Parteizugehörigkeit einer Richterin oder eines Richters und Gutheissen einer Asylrechtsbeschwerde aufzeige: Gerichtspersonen, die der SVP angehörten, würden signifikant weniger Beschwerden gutheissen als jene von SP und GP. Freilich sei bei «pluralistisch zusammengesetzten Spruchkörpern» die «Gefahr der Verpolitisierung» kleiner, weshalb es eben Diversität brauche. Mit der Wahl von Chrystel Tornare Villanueva wäre die SVP in den beiden Asylabteilungen stark übervertreten, zudem würden die drei französischsprachigen Richterinnen und Richter gar alle drei «von der rechten politischen Seite» stammen. Ihr Antrag richte sich keinesfalls gegen die Person Tornare Villanueva, betonte Arslan. Sie sei im Gegenteil erfreut, dass eine Frau gewählt würde, aber diese parteipolitische Konstellation müsse verhindert werden. Für die GK brachte Andrea Caroni (fdp, AR) die Argumente gegen den Ordnungsantrag vor. Bei Richterwahlen müsse es darum gehen, fachlich geeignete Personen zu wählen. Dies sei bei Chrystel Tornare Villanueva unbestritten der Fall. Die Wahl der Partei folge der Vertretung am Gesamtgericht und die SVP sei am BVGer untervertreten. Zudem sei der Antrag nicht konsequent. In der Abteilung IV sei demnach nicht nur die SVP übervertreten, sondern auch die GP. Im September 2021 sei aber trotz leichter Übervertretung zusätzlich «eine grüne Richterin» gewählt worden. Damals habe niemand einen Ordnungsantrag gestellt, so Caroni.
Bei der Abstimmung über ebendiesen Ordnungsantrag sprachen sich 41 Ständerätinnen und -räte unter Namensaufruf gegen die Verschiebung der Wahl aus, eine Ständerätin dafür. Auch der Nationalrat lehnte den Antrag mit 156 zu 28 Stimmen deutlich ab.
In der Folge wurden alle drei vorgeschlagenen Kandidierenden gewählt. Bei 234 eingelangten Wahlzetteln entfielen 223 Stimmen auf Christoph Errass, 201 Stimmen auf Iris Widmer und 187 Stimmen auf Chrystel Tornare Villanueva.

Wahl ans Bundesverwaltungsgericht

Nach dem Rücktritt von Stefan Keller dauerte es ein halbes Jahr, bis seine Stelle des ausserordentlichen Bundesanwalts wieder besetzt wurde. Zwar hatte die AB-BA Ende Mai 2021 den ehemaligen Zürcher Staatsanwalt Ulrich Weder ad interim für die Stelle bestimmt, trotzdem brauchte die GK lange Zeit, um eine neue Leitung für das von Keller eröffnete Verfahren gegen Michael Lauber zu bestimmen. Sie begründete dies in ihrem Kommissionsbericht mit der schwierigen Kandidierendensuche. Zwar habe die AB-BA bereits im Juni aus rund 30 Bewerbungen fünf Personen ausgesucht, diese hätten sich aber alle zurückgezogen. Auch nachdem sowohl die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK) als auch die Konferenz der Kantonalen Justiz und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) für die Kandidierendensuche beigezogen worden seien, habe man Mitte November zur Kenntnis nehmen müssen, dass keine einzige Bewerbung eingegangen sei. Die GK habe sich deshalb entschlossen, die Übergangslösung mit Ulrich Weder zur fixen Lösung zu machen. Neben Ulrich Weder schlage die Kommission zudem die Wahl von Hans Maurer vor, der – ebenfalls ehemaliger Zürcher Staatsanwalt – Weder bei den laufenden Untersuchungen zur Seite gestanden habe. Die Kommission betonte, dass es sich hier nicht um die Wahl von Bundesanwälten handle, sondern dass hier ausserordentliche Personalressourcen eingesetzt würden, um «die unabhängige Abklärung eines Einzelfalls bereitzustellen». Man sei der Meinung, dass dies nach wie vor angezeigt sei. Die Wahl zweier gleichberechtigter ausserordentlicher Bundesanwälte helfe zudem, das Verfahren zu beschleunigen und effizienter zu machen. Zwar hätten die beiden vorgeschlagenen Weder und Maurer die Alterslimite für ordentliche Bundesanwälte bereits überschritten – Ulrich Weder hat Jahrgang 1951, Hans Maurer Jahrgang 1952 – die GK sei aber der Ansicht, dass für dieses «ad-hoc-Untersuchungsmandat» die Altersgrenze nicht angewendet werden müsse. Die GK betrachte die beiden Personen als «Idealbesetzung».
Dies sah offensichtlich auch eine Mehrheit der Vereinigten Bundesversammlung so: Maurer (189 Stimmen) und Weder (189 Stimmen) erhielten fast alle 192 gültigen Stimmen. Allerdings blieben von den 235 eingelangten Wahlzetteln 43 leer.

Sonderstaatsanwalt für den «Fall Lauber»

Mitte Mai beschloss die GK, die vakante Stelle für eine neue Bundesanwältin oder einen neuen Bundesanwalt noch einmal auszuschreiben. In der Zwischenzeit sei die Zustimmung zum Beschluss, die Alterslimite für die Bundesanwaltschaft auf 68 Jahre anzuheben, absehbar, argumentierte die GK. Dies war der Grund für das Zuwarten für die dritte Ausschreibung gewesen. Weil das Ziel sei, in der Herbstsession 2021 einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin von Michael Lauber zu wählen, werde die Bewerbungsfrist auf Mitte Juni 2021 befristet.
Ziemlich genau ein Jahr nach dem Rücktrittsangebot Laubers präsentierte die GK mit Stefan Blättler den möglichen Nachfolger. In ihrer Medienmitteilung gab die Kommission bekannt, dass sie sich aus etwa einem Dutzend Bewerbungen einstimmig für den Berner Juristen entschieden habe, der «alle Qualitäten aufweist, die es heute für dieses Amt braucht»: Als langjähriger Polizeichef des Kantons Bern verfüge Blättler nicht nur über Erfahrung in der Strafverfolgung, sondern auch über die notwendigen Führungskompetenzen. Zudem spreche er die drei Amtssprachen fliessend.
In den Medien wurde dem 62-Jährigen zugetraut, wieder Ruhe in die Bundesanwaltschaft zu bringen. Die NZZ beschrieb ihn als «pragmatisch und lösungsorientiert», der Tages-Anzeiger betitelte ihn als «Anti-Lauber», weil er «stets sachlich, nie emotional» eher im Hintergrund wirke und sich auch aufgrund seiner Erfahrung nicht profilieren müsse. Und auch die Aargauer Zeitung bezeichnete den designierten Bundesanwalt als «eine Art Gegenprogramm zu Lauber». Das werde sich wohl auch bei der Priorisierung der Fälle zeigen: Nicht «Wolkenschiebereien wie Fifa-Verfahren» würden wohl zukünftig im Zentrum stehen, sondern die Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
In der Herbstsession 2021 schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl. Blättler wurde mit 206 von 214 eingereichten Stimmen gewählt. Sechs Bulletins blieben leer und zwei entfielen auf andere Namen. Damit wurde der Berner für den Rest der Amtsperiode 2020 bis 2023 zum Bundesanwalt gekürt. Das ausgezeichnete Wahlresultat könne sozusagen als Vorschusskredit interpretiert werden, welcher das Parlament dem neuen Bundesanwalt gewähre, urteilte die Liberté. Allerdings müsse sich die Politik nun generelle Gedanken über eine Reform der Bundesanwaltschaft machen, forderte die NZZ. Auf den neuen Bundesanwalt warteten «gewaltige Herausforderungen», prophezeite indes der Tages-Anzeiger.

Wahl eines neuen Bundesanwalts
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Die Wahl von drei neuen Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts war in der Herbstsession 2021 gänzlich unbestritten: Susanne Christine Bolz-Reimann (gp; 207 Stimmen), Regina Derrer (gp; 204 Stimmen) und Thomas Segessenmann (glp, 208 Stimmen) erhielten alle drei fast alle gültigen 209 Stimmen. Die Ersatzwahl war nötig geworden, weil Christa Luterbacher (sp) und Daniel Stufetti (svp) pensioniert wurden und Maria Amgwerd (mitte) ihren Rücktritt eingereicht hatte. Die drei neuen Bundesverwaltungsrichterinnen und -richter waren von der GK aus insgesamt 20 Bewerbungen (9 Frauen) auserkoren worden. Alle drei brachten als Gerichtsschreiberinnen bzw. Gerichtsschreiber Kenntnisse des BVGer mit. Mit ihrer Wahl wurde die Untervertretung der GP und der GLP am Gericht «wenigstens teilweise ausgeglichen», wie dem Bericht der GK zu entnehmen war.

Bundesverwaltungsgericht. Wahl von drei Mitgliedern

18 der 20 Richterinnen und Richter am Bundesstrafgericht stellten sich für die Gesamterneuerungswahlen für die Amtsdauer 2022–2027 erneut zur Verfügung. Ihren Rücktritt hatten Claudia Solcà und Stephan Blättler gegeben. Unter den wieder Antretenden befand sich auch die aktuelle Präsidentin des Bundesstrafgerichts, Sylvia Frei, die im Rahmen der Kritik am Bundesstrafgericht 2019 in die Schlagzeilen geraten war, woran die NZZ im Vorfeld der Gesamterneuerungswahlen erinnerte. Die Aargauer Zeitung wusste überdies zu berichten, am BStGer gehe «die Angst um», nicht wiedergewählt zu werden, obwohl die GK alle 18 Kandidierenden zur Wiederwahl empfohlen hatte. Dasselbe galt für alle 13 für eine weitere Amtsperiode kandidierenden nebenamtlichen Richterinnen und Richter. Die GK zitierte in ihrem Wahlvorschlag die GPK, die bei ihrer Untersuchung der «Krise am Bundesstrafgericht» (Aargauer Zeitung) keine Kritikpunkte gefunden habe, «welche die fachliche oder persönliche Eignung der sich zur Wiederwahl stellenden Richterinnen und Richter ernsthaft infrage stellen» würden. Die beiden frei werdenden Sitze sowie das Präsidium würden in der kommenden Wintersession 2022 neu bestellt, so die Kommission.
Die Vereinigte Bundesversammlung bestätigte sowohl die haupt- als auch die nebenamtlichen Richterinnen und Richter in der Herbstsession 2022 in globo: Auf den Wahlzetteln waren jeweils alle 18 bzw. 13 Personen aufgeführt, die lediglich gestrichen werden konnten. Davon machten die Parlamentsmitglieder vor allem bei jenen Kandidierenden Gebrauch, die 2019 in die Schlagzeilen geraten waren. Auf den 212 eingelangten und gültigen Wahlzetteln wurde etwa der Name von Sylvia Frei 45 Mal gestrichen. Auch Jean-Luc Bacher (179 Stimmen), Andrea Blum (170 Stimmen) und Olivier Thormann (163 Stimmen) erhielten weniger als 180 Stimmen – auch sie waren 2019 in negatives mediales Rampenlicht geraten. Die Namen aller anderen voll- und nebenamtlichen Richterinnen und Richter wurden weniger als 16 Mal gestrichen. Das absolute Mehr von 107 Stimmen übersprangen freilich alle Kandidierenden locker.

Das Bundesstrafgericht setzt sich für die Amtsperiode 2022 bis 2027 entsprechend aus folgenden Personen zusammen:
Der FDP gehören an: Jean-Luc Bacher (179 Stimmen), Joséphine Contu Albrizio (206), Fiorenza Bergomi (205) und Olivier Thormann in der Berufungskammer (163).
Der GP gehören an: Daniel Kipfer-Fasciati (203) und Nathalie Zufferey (199).
Der Mitte gehören an: Stefan Heimgartner (204), Martin Stupf (203) und Alberto Fabbri (196).
Der SP gehören an: Miriam Forni (200), Giorgio Bomio-Giovanascini (198), Roy Garré (202) und Stéphane Zenger (201).
Der SVP gehören an: Sylvia Frei (177), Cornelia Cova (206), David Bouverat (206) und in der Berufungskammer Andrea Blum (170).
Parteilos ist Patrick Robert-Nicoud (204).

Bundesstrafgericht. Gesamterneuerung für die Amtsdauer 2022 – 2027

Anfang Juni gab die GK ihre Wahlvorschläge für die beiden vakanten ordentlichen deutschsprachigen Gerichtsstellen am Bundesgericht bekannt: Sie beantragte für die Amtsperiode 2021-2026 die Wahl von Stephan Hartmann (gp) und Marianne Ryter (sp), die Andreas Zünd (sp) und Hansjörg Seiler (svp) ersetzen sollten. Zünd war an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewählt worden und Seiler ging in Pension. Die GK habe sich aus 22 Bewerbungen (10 von Frauen) für die beiden vorgeschlagenen Personen entschieden, die zudem mit der GP und der SP zwei Parteien vertreten, die im Bundesgericht «stark untervertreten» seien.
Während der Wahlvorschlag für Stephan Hartmann von allen Fraktionen unterstützt wurde, sprach sich die SVP-Fraktion aufgrund «schwerwiegender Vorwürfe» gegen die Wahl der aktuellen Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, Marianne Ryter, aus. Die SVP-Minderheit in der GK beantragte entsprechend, die für die Sommersession 2021 vorgesehene Wahl auf die Herbstsession zu verschieben und anstelle von Marianne Ryter den aktuell nebenamtlichen Bundesrichter Markus Berger (sp) zu wählen.
In einer Medienmitteilung konkretisierte die SVP die Vorwürfe: Ryter habe ihre Fürsorgepflicht als Gerichtspräsidentin verletzt, weil sie wegen eines «Mobbing-Falls» gegen einen SVP-Richter am BVGer keine Untersuchung eingeleitet habe. Es gelte die Unschuldsvermutung, aber die Vorwürfe seien bei der Anhörung Ryters nicht ausgeräumt worden, weshalb es hier eine Untersuchung und entsprechend eine Verschiebung der Wahl brauche – so das Communiqué der Volkspartei.
Es kam – nachdem GK-Präsident Andrea Caroni (fdp, AR) erklärt hatte, dass die Kommission mehrheitlich zum Schluss gekommen sei, dass es keine Anhaltspunkte gebe, die eine Wahl von Marianne Ryter in Frage stellen würden – zu einem teilweise recht heftigen Schlagabtausch in der Versammlung: Die SVP versuchte zu zeigen, dass gewichtige Fragen zur Integrität von Marianne Ryter bestehen, während die Sprecherinnen und Sprecher der anderen Fraktionen der SVP mehr oder weniger vorwarfen, die Richterwahlen zu «verpolitisieren» (Mathias Aebischer, sp, BE) bzw. «Kampagnen» zu betreiben (Sibel Arslan basta, BS). Lorenz Hess (bdp, BE) warnte mit Verweis auf die anstehende Justizinitiative, dass das Parlament gut daran täte, «hier zu zeigen, dass wir in der Lage sind, korrekte Prozesse durchzuführen». In der Folge lehnte die Vereinigte Bundesversammlung den Minderheitenantrag ab. Die Ständerätinnen und Ständeräte taten dies per Namensaufruf mit 39 zu 6 Stimmen, die elektronische Abstimmung der Nationalrätinnen und Nationalräte ergab ein Stimmenverhältnis von 180 zu 55 Stimmen. Der Minderheitsantrag wurde lediglich von der SVP-Fraktion unterstützt. Diese Opposition zeigte sich dann noch einmal bei der Wahl: Von den 235 eingelangten Wahlzetteln waren 6 leer und 229 gültig. Der Name «Stefan Hartmann» stand auf 223 dieser Zettel, der Name «Marianne Ryter» hingegen lediglich 161 Mal. Er war in 58 Fällen mit dem Namen «Markus Berger» ersetzt worden.
In den Medien wurden in der Folge der «Sittenzerfall in der Bundesjustiz» (Aargauer Zeitung) und das «zu sorglose» Parlament (NZZ) kritisiert. Damit würde «Wasser auf die Mühlen» der Kritikerinnen und Kritiker dieses Wahlsystems geleitet, so die NZZ.

Wahlen ans Bundesgericht

In der letzten Woche der Frühjahrssession 2021 schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl einer Bundesverwaltungsrichterin und eines Bundesverwaltungsrichters. Sowohl Chiara Piras (gp) als auch Alexander Misic (glp) erhielten 186 Stimmen. Auf 10 der 202 ausgeteilten vorgedruckten Wahlzetteln waren die Namen gestrichen worden (diese wurden also leer eingelegt) und sechs Wahlzettel waren verändert und mit anderen Namen versehen worden. Die Wahl der beiden Neuen für den Rest der Amtsperiode 2019-2024 war nötig geworden, weil Sylvie Cossy von ihrem Amt zurückgetreten und Daniel Riedo pensioniert worden war. Somit waren insgesamt 155 Stellenprozente für deutschsprachige Gerichtspersonen mit guten Italienischkenntnissen frei geworden. Aus den insgesamt 16 Bewerbungen (darunter 11 von Frauen) seien die beiden nun Gewählten wegen ihrer beruflichen Erfahrung hervorgestochen. Zudem seien die GP und die GLP im Moment am Bundesverwaltungsgericht untervertreten, was mit der Wahl der beiden «wenigstens teilweise ausgeglichen werden» könne – so der Bericht der GK mit der Wahlempfehlung.

Wahl einer Bundesverwaltungsrichterin und eines Bundesverwaltungsrichters

«Trotz ihrer fachlichen Eignung erfüllt keine der drei Personen [...] die zahlreichen persönlichen und beruflichen Kriterien, die erforderlich sind, um dieses anspruchsvolle Amt auszuüben», begründete die GK in ihrer Medienmitteilung vom 24. Februar 2021 ihren Entscheid, die Stelle für eine neue Bundesanwältin oder einen neuen Bundesanwalt gar ein drittes Mal auszuschreiben. Weder Maria-Antonella Bino, noch Lucienne Fauquex oder Félix Reinmann hätten in der Kommission eine genügend breite Unterstützung gefunden, liess die GK verlauten. Damit war klar, dass das Parlament auch in der Frühjahrssession 2021 keine Nachfolgerin und keinen Nachfolger für Michael Lauber wählen würde.
In der Presse wurden Machtspiele in der Kommission vermutet, wie Sibel Arslan (basta, BS) dem Blick zu Protokoll gab. Die Zeitung sprach von einer Sackgasse, in die sich die GK manövriert habe. Es würden sich in einer dritten Runde kaum mehr valable Kandidierende finden. Die Kriterien seien so hoch angesetzt, dass sie niemand erfüllen könne. Die Tribune de Genève sprach gar von künftigen «Kamikaze»-Kandidaturen. Christian Lüscher (fdp, GE) gab der Tribune zu Protokoll, dass sich die Kommission sehr amateurhaft verhalten habe. Die NZZ sprach überdies von einem «Trauerspiel» und einem «Scherbenhaufen»; Le Temps von einer «Farce».
Einzelne GK-Mitglieder wehrten sich allerdings gegen diese Urteile. Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) gab der Libérté zu Protokoll, dass man das Verfahren sehr ernst nehme, und auch Andrea Caroni (fdp, AR) befand, dass Qualität vor Tempo gehe. Auch die Weltwoche sah das Problem nicht in erster Linie in der Kommission, sondern in der «mageren Auswahl an geeigneten Kandidaten», in der Wahl durch das Parlament und dem «verfehlten Aufsichtssystem». Diesen Aspekt nahm auch die NZZ auf, die von einem Konstruktionsfehler sprach, weil statt der Regierung das Parlament Wahlbehörde sei. Die Bundesanwaltschaft verkomme zum Spielball der Politik und von Diskretion, die bei Stellenbesetzungen eigentlich oberstes Gebot sein müsse, fehle deshalb jede Spur. Sie verglich die Wahl gar mit der Fernsehsendung «Germany's Next Topmodel», in der jede Woche Kandidatinnen und Kandidaten vorgeführt und abserviert würden. Die Diskussion darum, ob wie früher der Bundesrat oder eben das Parlament die Bundesanwältin oder den Bundesanwalt wählen solle, wurde damit – wie schon nach der ersten erfolglosen Runde – erneut virulent.

Die GK selber entschied Mitte März 2021, mit einer Neuausschreibung der Stelle zuzuwarten. Man wolle zuerst anstehende Entscheide abwarten, so etwa die Erhöhung der Alterslimite für die Bundesanwaltschaft, aber auch den Bericht der GPK zur künftigen Organisation der obersten Strafbehörde. Es müssten zudem bessere Instrumente zur Suche nach Kandidierenden entwickelt und die Vertraulichkeit des Verfahrens verbessert werden, war der Medienmitteilung der GK zu entnehmen. Letzteres unterstrich auch eine Aussage von Andrea Caroni (fdp, AR), die für grossen Wirbel gesorgt hatte. Er hatte kritisiert, dass «mindestens jemand in dieser Kommission [...] hochgradig kriminell» sei. Es würden laufend vertrauliche Informationen an die Medien gespielt. Freilich räumte der GK-Präsident im St. Galler Tagblatt auch ein, dass es «nicht unproblematisch» und «nie frei von Politik» sei, wenn 17 Parlamentsmitglieder ein Bewerbungskomitee bildeten.

Wahl eines neuen Bundesanwalts
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Nachdem die GK Ende November 2020 die Stelle für eine neue Bundesanwältin oder einen neuen Bundesanwalt nach Absage der ersten Runde neu ausgeschrieben hatte, gingen die Mutmassungen in den Medien über den Nachfolger des Ende August 2020 zurückgetretenen Michael Lauber bereits Anfang Dezember wieder von vorne los. Die Aargauer Zeitung vermutete, dass GK-Mitglied Thomas Aeschi (svp, ZG) «einem nahestehenden Kandidaten» die Kandidatur nahegelegt habe: Thomas Würgler, dem pensionierten Kommandanten der Kantonspolizei Zürich. Dazu passe, so die Zeitung weiter, dass die GK die Alterslimite für den Verbleib in der Bundesanwaltschaft erhöhen wolle – Würgler war bereits 65 Jahre alt und überschritt somit die bisherige Alterslimite. Die Kandidatur Würglers wurde Mitte Januar 2021, kurz nach Ablauf der Bewerbungsfrist, offiziell bestätigt. Obwohl GK-Präsident Andrea Caroni (fdp, AR) die Bewerbungen «wie ein Staatsgeheimnis» hüte, wie die Aargauer Zeitung betonte, wurde auch die Bewerbung von Maria-Antonella Bino bekannt. Die ehemalige stellvertretende Bundesanwältin und Konkurrentin bei der ersten Wahl Laubers 2011 war bereits in der ersten Bewerbungsrunde als Kandidatin gehandelt worden, hatte damals aber laut Medien kein Interesse gezeigt.
Kurz vor der ersten Anhörung der Kandidierenden am 10. Februar 2021 machte die NZZ publik, dass vier Bewerbungen eingereicht worden seien. Neben Würgler und Bino hätten auch Lucienne Fauquex, Leiterin des bundesanwaltschaftlichen Rechtsdienstes, und Félix Reinmann, Generalsekretär im Sicherheitsdepartement des Kantons Genf, ihre Kandidaturen eingereicht. Die NZZ mutmasste, dass Würgler wohl aus dem Rennen ausscheiden würde, weil er mit Jahrgang 1959 zu alt und die von der GK geforderte Erhöhung der Alterslimite von der RK-NR vorerst knapp abgelehnt worden sei und wohl nicht mehr rechtzeitig umgesetzt werden könne. Die Zeitung vermutete Christian Lüscher (fdp, GE) als treibende Kraft hinter dem Nein der RK-NR, weil er Würgler habe verhindern wollen. Die NZZ befürchtete entsprechend, dass die Wahl zum «Polit-Schacher» verkomme.

In der Tat gab die GK tags darauf bekannt, für drei der vier Personen ein externes Assessment durchzuführen und sie für eine zweite Anhörung Ende Februar 2021 einzuladen. Nicht auf dieser Liste war Thomas Würgler, wohl aber Bino, Reinmann und Fauquex. Bei Letzterer könnte sich allerdings ebenfalls das Altersproblem stellen, rechnete die NZZ vor. Da für sie als Frau das Rentenalter 64 gelte, könne sie – 62-jährig – höchstens bis 2023 im Amt bleiben. In den meisten Medien wurde positiv hervorgehoben, dass unter dem Trio zwei Frauen waren. Ein Favorit oder eine Favoritin könne aber nicht ausgemacht werden, meinte etwa die Libérté. Damit war freilich der Tages-Anzeiger nicht einverstanden, der Maria-Antonella Bino als «Frau mit Biss» und als «klare Favoritin» bezeichnete. Die Aargauer Zeitung erachtete Bino allerdings als «sehr bankennah» und als «zweite Version von Lauber». Reinmann gelte hingegen als «hartnäckiger und gewissenhafter Ermittler». Viel deute aber darauf hin, dass eine Frau Bundesanwältin werden würde. Vorteil für Fauquex sei zudem, dass sie aufgrund ihres Alters als nur kurzzeitig tätige «Übergangschefin» dem Parlament Zeit geben könnte, die Bundesanwaltschaft neu zu organisieren.

Wahl eines neuen Bundesanwalts
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Es kommt nur sehr selten vor, das die GK Empfehlungen für Wahlen an eidgenössische Gerichte nicht einstimmig abgibt. Dies war allerdings der Fall bei den Wahlen des Präsidiums und des Vizepräsidiums für das Bundesgericht für die Jahre 2021-2022. Das Bundesgericht hatte die amtierende Vizepräsidentin Martha Niquille (cvp) als Präsidentin und Bundesrichter Yves Donzallaz (svp) als Vizepräsidenten vorgeschlagen. Die GK und das Parlament seien zwar nicht weisungsgebunden, aus «Respekt vor den Institutionen und der Gewaltentrennung» entspreche die Kommission aber dem Antrag des Bundesgerichts, war in der Wahlempfehlung der GK zu lesen. Die SVP-Minderheit in der GK beantragte allerdings, dass das Parlament den Wahlvorschlag zurückweist, damit die GK zwei neue Personen zur Wahl vorschlagen könne.
Als Grund dafür führte Pirmin Schwander (svp, SZ), der den Antrag der GK-Minderheit in der Wintersession 2020 in der Debatte der Vereinigten Bundesversammlung vertrat, die Rolle der beiden Kandidierenden in der Untersuchung der Vorkommnisse am Bundesstrafgericht an. Die Kandidierenden waren in die Schlagzeilen geraten, weil sie der Verwaltungskommission des Bundesgerichts angehörten, die die entsprechenden Ereignisse untersuchen sollten. Der aus dieser Untersuchung resultierende Bericht war bei der GPK auf einige Kritik gestossen und hatte gar eine Strafanzeige gegen die drei Berichterstatter – neben Niquille und Donzallaz hatte auch der zurückgetretene Ulrich Meyer (sp) der Kommission angehört – nach sich gezogen. Auch in den Medien war der Bericht als mangelhaft hinsichtlich dem Verfahren und inhaltlich problematisch bezeichnet worden. Pirmin Schwander nannte den Bericht eine «Missachtung des parlamentarischen Auftrages, ein[en] Aufsichtsbericht, der unter Missachtung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien erstinstanzliche Richter mittels Publikation im Internet an den Pranger stellte.» Die «auch in den Medien aufgegriffene Unprofessionalität» habe das Vertrauen in die Judikative geschmälert. Vertrauen und Professionalität könnten nur wiederhergestellt werden, wenn Personen das Präsidium übernähmen, die von internen Querelen unbelastet seien, so Schwander. Von Schwander unerwähnt blieb hingegen, dass sich die SVP im Rahmen der Gesamterneuerungswahlen der Bundesrichterinnen und -richter bereits gegen die Wiederwahl ihres Richters Yves Donzallaz gestellt hatte, weil dieser die Grundhaltung «seiner Partei» nicht mehr teile, wie damals das Verdikt der SVP lautete. Donzallaz war damals trotzdem bestätigt worden.
Der Sprecher für die Mehrheit der GK, Andrea Caroni (fdp, AR) berichtete, dass der Untersuchungsbericht sehr wohl auch Gegenstand der Anhörung der beiden Kandidierenden gewesen sei. Beide hätten ihr Verhalten erklären können und hätten sich motiviert gezeigt, die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Institutionen – Bundesgericht, Bundesstrafgericht und GPK – zu befördern. Martha Niquille habe sich zudem für die Tonalität im Bericht entschuldigt. Caroni erinnerte auch daran, dass das Bundesgericht bei Annahme des Rückweisungsauftrags bis frühestens zur Frühjahrssession 2021 ohne Präsidium sein würde.
Dieser Rückweisungsantrag wurde unter Namensaufruf der Ständeratsmitglieder und mittels elektronischer Abstimmung der Nationalratsmitglieder mit 168 zu 54 Stimmen (ohne Enthaltungen) abgelehnt. Lediglich sämtliche Mitglieder der SVP-Fraktionen stimmten für eine Rückweisung. In der Folge interessierten dann die Wahlresultate: Martha Niquille erhielt 173 gültige Stimmen. Eingelangt waren 227 Wahlzettel, von denen 53 leer eingelegt wurden und einer einen anderen Namen enthielt. Für Yves Donzallaz gingen 223 Wahlzettel ein; auf 160 davon stand sein Name, 62 waren leer geblieben und einer enthielt einen anderen Namen.
Ob den unschönen Tönen ging etwas unter, dass mit Martha Niquille zum ersten Mal in der 162-jährigen Geschichte des Bundesgerichts eine Frau an die Spitze des obersten eidgenössischen Gerichts gewählt worden war.

Bundesgericht. Präsidium und Vizepräsidium 2021-2022
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Das Präsidium des Bundesverwaltungsgerichts wird alle zwei Jahre neu bestellt. Der Vorschlag für die Besetzung wird dabei vom Gericht selber der GK unterbreitet, die den Antrag an die Fraktionen weiterleitet. Dass für die Jahre 2021/2022 Marianne Ryter (sp) zur Präsidentin und Vito Valenti (fdp) zum Vizepräsidenten gewählt werden sollen, war in keiner Fraktion umstritten. Entsprechend erlangte Marianne Ryter in der Wintersession 2020 208 von 227 eingelangten Stimmen (5 leer, 14 ungültig) und wurde damit an die Spitze des Gerichts mit Sitz in St. Gallen gewählt. Vito Valenti erhielt 218 Stimmen; von den 227 eingelangten Wahlzetteln waren bei ihm neun leer geblieben.

Bundesverwaltungsgericht - Wahl des Präsidiums

In der Wintersession 2020 wählte die Vereinigte Bundesversammlung einen neuen nebenamtlichen Richter ans Bundesgericht. Die aufgrund der Wahl von Christoph Hurni (glp) zum ordentlichen Bundesrichter vakant gewordene Stelle sollte von einer Person mit Hauptsprache Italienisch und Kenntnissen im Zivilrecht besetzt werden. Von den 14 Bewerbungen (davon 6 Frauen) entschied sich die GK für Mattia Pontarolo (cvp), der nicht nur alle Voraussetzungen erfülle, sondern dessen Wahl auch zu einer Korrektur der leichten Untervertretung der Mitte-Fraktion im Bundesgericht führen würde. Die Bundesversammlung folgte der Empfehlung der GK und wählte Pontarolo mit 219 von 227 eingelangten Stimmen. 8 Wahlzettel waren leer geblieben.

Wahl eines nebenamtlichen Richters am Bundesgericht

Anfang Dezember 2020 beschloss die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft die Wiederwahl von Hanspeter Uster als Präsident der AB-BA. Die sieben von der Vereinigten Bundesversammlung jeweils für vier Jahre gewählten Mitglieder der Behörde bestimmen das Präsidium aus ihren Reihen selber, wobei eine einmalige Wiederwahl für die zweijährige Amtsperiode möglich ist. Neben Hanspeter Uster, der einstimmig für seine zweite präsidiale Amtsperiode von 2021-2022 gewählt wurde, beschloss das Gremium ebenfalls ohne Gegenstimmen, Isabelle Augsburger-Bucheli, die bereits vier Jahre im Vizepräsidium gesessen hatte, durch Alexia Heine zu ersetzen.

Wiederwahl von Hanspeter Uster als Präsident der AB-BA für die Amtsperiode 2021-2022
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Am 25. November 2020 nahm die GK die Resultate des externen Assessments für die beiden Kandidaturen für die Stelle einer neuen Bundesanwältin oder eines neuen Bundesanwalts zur Grundlage, das Verfahren neu aufzurollen und das Amt noch einmal auszuschreiben. Keiner der beiden Kandidierenden – noch im Rennen wären Olivier Jornot und Andreas Müller gewesen – bringe die nötigen Fähigkeiten mit, die es für das Amt der Bundesanwaltschaft brauche. Es müsse eine Person mit langjähriger Erfahrung sein, die Führungskompetenzen habe und geeignet sei, «Ruhe in eine Behörde zu bringen, um die es in den letzten Jahren viel Wirbel gab», wie sich die Kommission in ihrer Medienmitteilung äusserte. Neues Ziel sei es, dem Parlament in der Frühjahrssession 2021 eine neue Kandidatur zu präsentieren. Zudem schlage man zuhanden der Rechtskommission vor, das Rücktrittsalter für die Bundesanwaltschaftsstelle auf 68 Jahre (von heute 65 bzw. 64) anzuheben.
In der Presse wurde vermutet, dass eine Kombination aus beiden Personen «den idealen Kandidaten ergeben» hätte (NZZ). Ob eine zweite Runde geeignetere Kandidaturen bringen würde, stehe allerdings in den Sternen, vor allem auch dann, wenn Details aus den Bewerbungen an die Öffentlichkeit gelangten, so die NZZ weiter. Dies habe wohl auch damit zu tun, dass das Parlament selber die Wahlbehörde sei, kritisierte die Aargauer Zeitung. Auch der Tages-Anzeiger bemängelte das Verfahren: Die GK schreibe die Stelle lediglich aus, suche aber nicht aktiv nach geeigneten Personen. Die mit dem Verfahren verknüpften Unsicherheiten würden dieses wohl noch weiter verlängern, augurte die Westschweizer Zeitung Le Temps. Sie bezeichnete den Entscheid überdies als Überraschung, da Olivier Jornot ein nahezu perfekt passendes Profil mitgebracht habe. Und auch die Tribune de Genève ärgerte sich über die negative Presse, die Jornot erhalten habe: Man regle alte Fehden in der Öffentlichkeit, bevor die Verantwortlichen überhaupt entschieden hätten.
Andrea Caroni (fdp, AR), Präsident der GK, gab der Aargauer Zeitung zu Protokoll, dass eine Wahlempfehlung einer der beiden Kandidierenden unverantwortlich gewesen wäre. Christian Lüscher (fdp, GE) kritisierte allerdings, dass die Kommission ihre Verantwortung nicht wahrgenommen habe: Die Deutschschweizer Presse habe sich – unterstützt durch Indiskretionen der deutschsprachigen Mitglieder der Kommission – gegen den Kandidierenden aus der Romandie eingeschossen. Lüscher dachte laut darüber nach, die Wahl des Bundesanwaltes wieder dem Bundesrat zu überlassen, wie dies bis 2010 der Fall gewesen war.

Wahl eines neuen Bundesanwalts
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Die GK hatte die Bewerbungsfrist für die Stelle einer neuen Bundesanwältin oder eines neuen Bundesanwalts auf den 2. Oktober 2020 angesetzt. Es dauerte einige Zeit, bis die Namen der Kandidaturen von der Presse eruiert worden waren – die GK wollte die Zahl der Bewerbungen vorerst nicht bekannt geben; die Zeitungen schätzten, dass sich rund sechs Bewerbungen eingefunden hätten. Der erste, der seine Bewerbung offiziell in den Medien bestätigte, war Olivier Jornot, Staatsanwalt des Kantons Genf. Da lange Zeit einzig die Kandidatur des Genfer Staatsanwaltes bekannt war, stand er im Mittelpunkt des medialen Interesses. Im Tages-Anzeiger wurde Jornot als «Hardliner» beschrieben und die NZZ wusste zu berichten, dass seine «kompromisslosen Methoden [...] umstritten» seien, dass er sich aber nicht scheue, «den Mächtigen kräftig auf die Füsse zu treten». Die Aargauer Zeitung betitelte Jornot als «'harte[n] Hund' mit Beisshemmungen» und stellte seine Eignung in Frage. Thematisiert wurde auch ein Disziplinarverfahren, das wegen einer «Partynacht» (NZZ) gegen ihn angestrengt worden sei; «sein schillerndes Vorleben [sei] nichts für schwache Nerven», betonte die Weltwoche. Er werde in seiner Heimat «mehr gefürchtet als geliebt».

Ende Oktober 2020 gab die Subkommission der GK unter der Leitung von Sibel Arslan (basta, BS) bekannt, dass die Kommission drei Kandidierende für eine erste Anhörung ausgewählt habe – ohne jedoch Namen zu nennen. In einer Medienmitteilung Mitte November liess die GK nach dieser ersten Anhörung verlauten, für zwei der drei Kandidaturen ein Evaluationsverfahren durchzuführen.
Einer der beiden verbliebenen Kandidierenden war Olivier Jornot, wie die Tribune de Genève tags darauf zu berichten wusste. Die Zeitung empörte sich dabei über die Deutschschweizer Presse, die nicht an Schlagzeilen gespart habe, um den Genfer zu porträtieren, was in Bern in der Regel nicht gut ankomme. Jornot weise jedoch laut Le Temps ein Profil auf, das «parfaitement à la description» des gesuchten neuen Bundesanwaltes passe.
Zudem gelangte die Information an die Presse, dass einige Mitglieder der GK beide Kandidierenden als ungeeignet empfinden würden. Die NZZ kritisierte diese Indiskretion, die letztlich erneut dem Ansehen des Amtes schaden werde. Andrea Caroni (fdp, AR), Präsident der GK, sprach gar davon, Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung einzureichen. Schliesslich fand auch der Name der zweiten Bewerbung den Weg in die Presse: Andreas Müller arbeitete seit 2011 für die Bundesanwaltschaft. Der Tages-Anzeiger beschrieb den Deutschfreiburger als «zurückhaltend, diskret, ja sogar als scheu». Er habe lange Erfahrung innerhalb der Bundesanwaltschaft, könne aber keine Führungsqualitäten vorweisen. Da Müller in der sogenannten «Affäre Tinner» verhindert habe, dass wichtige Akten geschreddert wurden, betitelte der Tages-Anzeiger das Verfahren als einen «Zweikampf zwischen dem 'Sheriff' und dem Aktenretter».

Wahl eines neuen Bundesanwalts
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Nach dem Rücktritt von Michael Lauber hatte die GK die Aufgabe, die Wahl einer neuen Bundesanwältin oder eines neuen Bundesanwalts zu organisieren. Die Kommission setzte sich einen ambitionierten Fahrplan: Bereits in der Wintersession 2020 sollte die Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers durch die Vereinigte Bundesversammlung vorgenommen werden. In der Zwischenzeit übernahmen die beiden Stellvertreter Ruedi Montanari und Jacques Rayroud die Leitung der Bundesanwaltschaft interimistisch.

Schon früh wurden in der Presse zahlreiche Namen potentieller Nachfolgerinnen und Nachfolger kolportiert. Die NZZ bezeichnete schon kurz nach der Rücktrittsankündigung Laubers den amtierenden Staatsanwalt des Kantons Zürich, Peter Pellegrini, als Kronfavoriten. Die Aargauer Zeitung nannte die Namen der Staatsanwälte des Kantons Basel-Stadt – Alberto Fabbri – und des Kantons Bern – Michel-André Fels. Rasch wurden aber auch Forderungen laut, eine Frau und jemanden aus der Romandie zu berücksichtigen, zumal es bisher mit Carla del Ponte erst eine Bundesanwältin gegeben habe (von 1994 bis 1998) und auch die Romandie bisher eher untervertreten gewesen sei. Beide Forderungen erfüllte Maria-Antonella Bino. Die aus Genf stammende und bis 2013 als stellvertretende Bundesanwältin amtende Bino erhielt rasch mediale Aufmerksamkeit und Unterstützung von GK-Mitglied Christian Lüscher (fdp, GE). Aber auch Gaëlle van Hove, Richterin am Genfer Strafgericht, wurde als mögliche Westschweizer Frauenkandidatur gehandelt. Kathrin Bertschy (glp, BE), ebenfalls Mitglied der GK, forderte im Tages-Anzeiger mindestens gleich viele Kandidatinnen wie Kandidaten. Sie nannte verschiedene mögliche Kandidatinnen, allesamt aktuelle Staatsanwältinnen: Gabriela Mutti, Franziska Müller, Barbara Loppacher oder Sara Schödler hätten sich einen Namen gemacht, zitierte der Tages-Anzeiger die Berner GLP-Nationalrätin. Die Aargauer Zeitung konzentrierte sich hingegen auf die Mindervertretung der Romandie und präsentierte neben Bino und van Hove gleich sechs weitere Namen aus der Westschweiz: Olivier Jornot, Yves Bertossa, Stéphane Grodecki, Eric Cottier, Fabien Gasser und Juliette Noto.
Im Rahmen der medialen Diskussionen um das Kandidatinnen- und Kandidatenkarussell wurden auch mögliche Reformen der Bundesanwaltschaft diskutiert. Die SP reichte eine parlamentarische Initiative ein, mit der die eidgenössische Strafverfolgung effizienter organisiert werden soll. In Diskussion war auch ein Postulat von Daniel Jositsch (sp, ZH), das eine Analyse der Strukturen forderte, sowie eine Untersuchung der GPK zum Verhältnis zwischen der Bundesanwaltschaft und deren Aufsichtsbehörde (AB-BA).

Wahl eines neuen Bundesanwalts
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Die in der Regel als relativ unbestritten geltenden Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichts wurden 2020 zur Vorlage für eine fast epische Diskussion um die Gewaltenteilung. Den Wahlen für die Amtsperiode 2021-2026 war nämlich die medial virulent diskutierte Ankündigung der SVP vorausgegangen, Yves Donzallaz, einen der SVP angehörenden Bundesrichter, nicht wiederzuwählen.
Ursprung der Weigerung der SVP war unter anderem ein Entscheid des Bundesgerichtes im Sommer 2019, einem Amtshilfegesuch Frankreichs zuzustimmen, das die Auslieferung von Bankkundendaten verlangte. In diesem Urteil hatte besagter Donzallaz laut Blick «das Zünglein an der Waage» gespielt, zum Unverständnis seiner Partei. In der Folge stellten SVP-Politiker in den Medien offen die Frage, «ob wir Bundesrichter unserer Partei wiederwählen wollen, wenn sie in keiner Weise unser Gedankengut vertreten» – so etwa Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) in der Sonntagszeitung. Pirmin Schwander (svp, SZ) forderte in der gleichen Zeitung gar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den eigenen Bundesrichter. Thomas Matter (svp, ZH) wiederum kündigte in der Liberté an, dass er den Namen dieses Richters bei dessen Wiederwahl sicher nicht vergessen werde. Donzallaz war laut der Basler Zeitung bereits 2015 von der Weltwoche als «Abweichler» bezeichnet worden, weil er mitentschieden hatte, dass das Freizügigkeitsabkommen mit der EU Vorrang vor der Masseneinwanderungsinitiative der SVP habe.
Gegen die Reaktion der SVP wurde in den Medien rasch Kritik laut. Sie wurde von vielen Kommentatorinnen und Kommentatoren als Angriff auf die Unabhängigkeit der Judikative oder als Respektlosigkeit gegenüber der Gewaltenteilung verurteilt. Diskutiert wurde in der Folge auch, ob Parteipolitik überhaupt einen Einfluss auf die Rechtsprechung haben dürfe – eine Frage, die auch mit der Justizinitiative einer Antwort harrt, die im Tages-Anzeiger als «grösste Profiteurin der Querelen» bezeichnet wurde. Auch die Weltwoche kritisierte einen Angriff auf die Gewaltenteilung, allerdings aus alternativer Perspektive: Die Judikative setze sich beim Urteil über die Herausgabe der Bankkundendaten im Verbund mit der Exekutive über die Legislative und den Souverän hinweg. Zu reden gab schliesslich auch der unmittelbar nach der SVP-Kritik gefällte Entscheid des SVP-Fraktionschefs Thomas Aeschi, in der Gerichtskommission Einsitz zu nehmen. Die SVP mache «die Richterwahlen zur Chefsache», urteilte die Aargauer Zeitung.

Kurz nach der Entscheidung des Bundesgerichtes im Herbst 2019 ebbte die entsprechende Diksussion zwar wieder ab, allerdings nur um rund ein Jahr später bei der Vorbereitung der Wiederwahl der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts wieder sehr laut zu werden. Der Sonntagsblick berichtete rund drei Wochen vor der für die Herbstsession 2020 angesetzten Wahl von mehreren Quellen, die bestätigten, dass die SVP in der vorberatenden GK beantragt habe, Yves Donzallaz nicht mehr als Vertreter der SVP zu behandeln und ihn nicht mehr zur Wiederwahl zu empfehlen. Die Kommissionsmehrheit habe jedoch nicht auf die Forderungen eingehen wollen. In der NZZ gab Donzallaz zu Protokoll, dass die SVP seit Jahren versuche, die Justiz zu instrumentalisieren. Den Versuchen, das Recht einer politischen Ideologie zu unterwerfen, müsse aber entschieden entgegengetreten werden. Er sei nicht verpflichtet, gegenüber einer Partei Entscheidungen zu rechtfertigen. Zwar sei es legitim, die Rechtsprechung zu kritisieren, nicht aber Richterinnen und Richter persönlich anzugreifen. Donzallaz berichtete auch, dass er von keinen Druckversuchen durch andere Parteien wisse. «Ganz ehrlich glaube ich, es handelt sich dabei um ein spezifisches Problem der SVP», betonte er. In der Aargauer Zeitung bestätigte ein ehemaliger SVP-Bundesrichter, der jedoch nicht namentlich genannt werden wollte, dass Druckversuche der Volkspartei schon in den 1990er Jahren vorgekommen seien. Man habe sich aber stets auf den Standpunkt gestellt, dass man nicht auf das Parteibuch vereidigt worden sei.

Einige Wellen warf auch, dass Donzallaz von seiner eigenen Partei vor dem Wahlgeschäft zu einem Hearing eingeladen wurde. Der Bundesrichter selber sprach von einer «Gewissensprüfung». Er habe während der Diskussion vor der Fraktion ausgeschlossen, dass er beim Urteilen ein Parteiprogramm anwenden könne, da er nur Verfassung und Gesetz verpflichtet sei. Für die SVP-Fraktion argumentierte hingegen Gregor Rutz (svp, ZH), dass jede Richterin und jeder Richter eine politische Grundhaltung habe, die das eigene Urteil beeinflussen würde. Der Parteienproporz sei dazu da, dies zu berücksichtigen und auszugleichen. Wenn nun aber ein Richter die Grundhaltung «seiner Partei» nicht mehr teile, dann müsse Letztere korrigierend eingreifen. Laut Tages-Anzeiger machte die SVP ihrem Richter das Angebot, aus der Partei auszutreten. Als Parteiloser würde er auch von der SVP wiedergewählt, sei ihm beschieden worden.

Die politische Kritik am Verhalten der SVP wurde in der Folge lauter. Dass die Volkspartei die Institutionen nicht mehr respektiere, müsse Konsequenzen haben, forderte CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) im Tages-Anzeiger. SP-Präsident Christian Levrat (sp, FR) forderte ein Nachdenken über ein neues Wahlsystem, wenn sich die SVP aus dem Konsens über einen freiwilligen Parteienproporz und die Unabhängigkeit der eigenen Richterinnen und Richter verabschiede. Diskutiert wurde etwa eine Wahl auf Lebenszeit, um Unabhängigkeit nach einer gewissen pluralistisch garantierten Wahl zu garantieren. Kritisiert wurden auch die Mandatssteuern, mit denen Richter zu stark an die eigene Partei gebunden würden. Zudem müsste auch eine Anzahl parteiloser Richter gewählt werden, vorgeschlagen etwa von einer unabhängigen Fachkommission. Freilich gab CVP-Bundesrichterin Julia Hänni im Blick zu bedenken, dass die Unabhängigkeit der Judikative in jedem System vor allem auch vom Respekt der Politik vor dieser Unabhängigkeit abhänge.

Am 9. September 2020 entschied die GK, alle wieder antretenden Bundesrichterinnen und Bundesrichter zur Wiederwahl zu empfehlen. Tags darauf gaben die Parteispitzen der CVP, FDP und SP bekannt, den eigentlich für die anstehende Herbstsession geplanten «Konkordanzgipfel», bei dem das Verfahren für die Besetzung des Bundesrats beziehungsweise die Suche nach einer neuen Zauberformel hätten diskutiert werden sollen, nicht durchführen zu wollen. Man könne mit einer Partei, welche die Institutionen geringschätze, nicht über Konkordanz diskutieren – so die Begründung. Die NZZ schlussfolgerte daraus, dass die SVP nicht nur die Unabhängigkeit der Justiz gefährde, sondern auch ihre eigene Position – auf dem Spiel stünden gar die eigenen Bundesratssitze. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi wehrte sich gegen den Vorwurf, die Partei halte nichts von der Gewaltentrennung. Bei den Gesprächen mit Donzallaz habe sich gezeigt, dass dieser die Werte der SVP nicht mehr vertrete. Die Partei könne deshalb die Verantwortung für dessen Wahl nicht mittragen. Seine Weigerung, aus der Partei auszutreten, zeuge zudem von «Charakterschwäche». Über Konkordanz werde man so oder so wieder reden; die Absage des Gipfels sei wohl eher dem Umstand geschuldet, dass man dafür keinen geeigneten Termin gefunden habe.

Noch mehr Öl ins Feuer goss dann die SP mit der Forderung, die Richterwahlen zu verschieben. Fraktionschef Roger Nordmann (sp, VD) wollte einen entsprechenden Ordnungsantrag einreichen. Es sei vor der Wahl abzuklären, wie unabhängig die Richterinnen und Richter der SVP seien. Sollte dieser Antrag nicht durchkommen, drohte Christian Levrat im Sonntagsblick, würde er gegen die Wiederwahl aller SVP-Richterinnen und -Richter stimmen. Auch dies provozierte Kritik: So äusserte sich etwa der Grüne Ständerat Matthias Zopfi (gp, GL) im Tages-Anzeiger, dass die anderen Parteien die Richterwahlen nicht noch mehr «verpolitisieren» sollten. Für GLP-Präsident Jürg Grossen (glp, BE) wäre eine kollektive Nichtwahl eine weitere Schwächung der Institution. Man habe ja kein Problem mit dem Gericht, sondern mit der SVP.

Wie so vieles in der Schweizer Politik wurde dann auch die Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter parlamentarisch wesentlich weniger heiss gegessen als es im Vorfeld medial aufgekocht wurde. Freilich wurden am 23. September 2020 in der Vereinigten Bundesversammlung im Rahmen des Ordnungsantrags der SP-Fraktion nochmals die parteipolitischen Klingen gekreuzt. Daniel Jositsch (sp, ZH) führte für seine Partei aus, dass die SVP «den politischen Kampf aus dem Parlament hinaus ins Bundesgericht tragen» wolle. Die Abwahlempfehlung eines eigenen Bundesrichters werfe die Frage auf, ob andere SVP-Richterinnen und -Richter noch unabhängig urteilen würden, wenn sie eine Abwahl befürchten müssten. Die Frage nach der Unabhängigkeit der SVP-Richterinnen und -Richter müsse die GK ab sofort vor jeder Wiederwahl prüfen, weshalb die Wahlen auf die Wintersession verschoben werden sollten. Andrea Caroni (fdp, AR) fasste als Sprecher der GK das Prozedere zusammen: Weil bei keiner der 37 wieder kandidierenden Personen Hinweise auf Amtspflichtverletzung gefunden worden seien, würden auch alle zur Wiederwahl empfohlen – diese Überprüfung sei nota bene die einzige Aufgabe der GK. Alle Fraktionen hätten den Entscheid, alle Richterinnen und Richter zur Wiederwahl zu empfehlen, unterstützt – mit Ausnahme der SVP, die die Wiederwahl von Bundesrichter Yves Donzallaz nicht unterstütze. Man habe in der GK auch über eine Verschiebung der Wahl und eine Art Gewissensprüfung diskutiert, dies aber verworfen, eben gerade weil die Unabhängigkeit der Judikative geschützt werden müsse. Mit einer Verschiebung würden alle 37 Kandidierenden dem Generalverdacht ausgesetzt, «Parteisoldaten» zu sein. Andererseits sei kaum zu erwarten, dass sich aufgrund einer Gewissensprüfung jemand als «fremdgesteuerten Parteisoldat» bezeichnen werde.
In der Folge legte Thomas Aeschi für die SVP auch im Parlament noch einmal dar, weshalb sie ihren Bundesrichter nicht zur Wiederwahl empfehlen könne. «Nicht die SVP politisiert die Justiz; die Justiz hat begonnen zu politisieren», führte der Fraktionschef aus. Da dürfe es nicht verwundern, dass die Zusammensetzung des Bundesgerichtes zum Thema werde. Man befürchte insbesondere, dass EU-Recht über Schweizer Recht gestellt werde, wogegen sich die SVP vehement wehre. Wenn nun aber ein eigener Richter die Werthaltungen seiner Partei nicht mehr teile, dann könne die SVP die Verantwortung für ihn nicht mehr tragen. «Wenn Sie, die anderen Fraktionen, Yves Donzallaz wiederwählen, sind Sie verantwortlich für sein künftiges richterliches Wirken: Dann ist er Ihr Richter, dann ist es Ihre Verantwortung», so Aeschi zum Schluss.

In der Folge wurde der Ordnungsantrag der SP-Fraktion mit 42 zu 190 Stimmen (6 Enthaltungen) abgelehnt – Zustimmung fand er ausschliesslich bei den Mitgliedern der SP-Fraktion. Anschliessend wurden alle 37 Kandidierenden wiedergewählt. Da auf den Wahlzetteln alle 37 Namen standen und lediglich gestrichen werden konnten, interessierten natürlich die individuellen Resultate. Am wenigsten von den 239 möglichen Stimmen erhielt wie erwartet Yves Donzallaz. Seine 177 Stimmen lagen aber klar über den nötigen 120 (absolutes Mehr). Die restlichen Kandidierenden erhielten zwischen 197 (Andreas Zünd, SP) und 236 Stimmen (Luca Marazzi, FDP; Thomas Stadelmann, CVP).
Auch die zur Wiederwahl stehenden 12 nebenamtlichen Bundesrichterinnen und -richter schafften die erneute Wahl problemlos (mit zwischen 220 und 236 von 240 möglichen Stimmen). Für den zurücktretenden Ulrich Meyer (SP) wurde Christoph Hurni (GLP) zum ordentlichen Richter gewählt (mit 232 von 241 Stimmen; 9 Wahlzettel blieben leer). Und schliesslich barg auch die Ergänzungswahl von sechs nebenamtlichen Richterinnen und Richtern keine Überraschungen mehr. Auch hier erhielten alle mehr als 200 von 239 möglichen Stimmen.

Freilich – so schloss die NZZ bereits am Tag vor der Wahl – stand das Schweizer Justizsystem bei diesen Wiederwahlen auf dem Prüfstand, auch wenn der Wahltag selbst ohne Überraschung endete. Eine Justizreform sei unumgänglich, folgerte auch der Tages-Anzeiger. Der Angriff der SVP sei zwar gescheitert und ein «Psychodrama» sei verhindert worden – so auch Le Temps, Tribune de Genève und Liberté –, die Justiz stehe nun aber unter Spannung. Dafür, dass die Diskussionen um die Wahl von Richterinnen und Richtern nicht versandet, wird auf jeden Fall die Justiz-Initiative sorgen.

Bundesgericht. Gesamterneuerungswahlen für die Amtsperiode 2021-2026
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Die GK empfahl Marc Thommen zum Nachfolger von Rolf Grädel als Fachperson in der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA). Die siebenköpfige AB-BA umfasst neben Richterinnen oder Richtern aus dem Bundesgericht und dem Bundesstrafgericht (je eine Person) zwei Anwältinnen oder Anwälte und drei Fachpersonen, die weder in einem eidgenössischen Gericht tätig noch in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen sein dürfen. Marc Thommen erfülle diese Bedingungen, verfüge über umfangreiche Kenntnisse im Strafrecht und habe die GK an seiner Anhörung sehr überzeugt. Parteipolitische Überlegungen spielten bei der AB-BA keine Rolle – so der Kommissionsbericht. Die Wahl eines neuen Mitglieds der AB-BA war nicht umstritten und die Vereinigte Bundesversammlung wählte Thommen mit 235 von 241 eingelangten Stimmen zum Nachfolger von Grädel. Sechs Stimmzettel waren leer geblieben.

Ersatzwahl für ein Mitglied der AB-BA (2020)
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Nachdem die Immunität von Michael Lauber von den beiden zuständigen Kommissionen aufgehoben worden war, hatte das Parlament zu bestimmen, wer die Strafuntersuchung gegen den mittlerweile aus dem Amt ausgeschiedenen Bundesanwalt, dem Amtsmissbrauch, Amtsgeheimnisverletzung und Begünstigung vorgeworfen wurden, führen soll. Die Vereinigte Bundesversammlung musste hierfür in der Herbstsession 2020 einen Sonderstaatsanwalt wählen – ein Novum in der Geschichte der Schweiz. Die GK schlug dem Parlament einstimmig Stefan Keller vor, der bereits von der AB-BA als ausserordentlicher Bundesanwalt für die Voruntersuchung eingesetzt worden war. Der Obwalder Jurist war entsprechend mit dem Fall bestens vertraut und die GK traute ihm zu, eine «lückenlose Fortsetzung des Verfahrens» zu gewährleisten, wie sie in ihrem Bericht Anfang September 2020 darlegte. Ein Vorteil von Keller sei zudem seine Unabhängigkeit.
In den Medien wurde Keller als «unorthodox» bezeichnet (Tages-Anzeiger). Der Blick zitierte Beat Flach (glp, AG), der die Wahl Kellers als «Hochrisikospiel» bezeichnete. Kellers Eignung für das «schwierige Amt des Sonderermittlers» sei von der GK nur sehr oberflächlich abgeklärt worden, behauptete der Blick.
Im Parlament war die Wahl freilich unbestritten. GK-Präsident Andrea Caroni (fdp, AR) kritisierte in seinem Votum die medialen Versuche, «Herrn Keller in ein schiefes Licht zu rücken», und ärgerte sich darüber, dass erneut ein vertrauliches Dokument der Gerichtskommission an die Medien gelangt sei. Mit 220 von 223 gültigen Stimmen (von den 241 Wahlzetteln waren 237 eingegangen und 14 leer geblieben) wurde Keller deutlich zum ausserordentlichen Bundesanwalt bestimmt.

Sonderstaatsanwalt für den «Fall Lauber»

Mit Sonja Koch und Beatrice van de Graaf waren im Herbst 2019 zwei nebenamtliche Richterinnen zu ordentlichen Richterinnen am Bundesgericht berufen worden. Diese beiden Nebenämter galt es nun wieder zu besetzen. Die Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung wäre eigentlich für die Frühjahrssession vorgesehen gewesen, wurde aber aufgrund des Covid-19-bedingten Sessionsabbruchs auf die Sommersession verschoben. Die beiden Frauen wurden durch zwei Männer ersetzt. Die GK hatte sich für Christoph Hurni und Christian Kölz entschieden, die aus insgesamt 31 Bewerbungen (davon 8 Frauen) hervorgestochen seien, so die GK in ihrem Bericht. Beide gehörten zudem Parteien an, die am BGer untervertreten sind, nämlich der GLP und der GP. Bei den nebenamtlichen Gerichtsstellen sei die Geschlechterverteilung zudem mit der Wahl der beiden neuen ausgeglichen (9 Frauen und 8 Männer). Bei der Wahl der zwei nebenamtlichen Richter ans Bundesgericht durch die Vereinigte Bundesversammlung entfielen von den 218 eingelangten Wahlzetteln 209 auf Christoph Hurni und 207 auf Christian Kölz.

Wahl von zwei nebenamtlichen Richter.innen

Nicht wie vorgesehen in der Frühjahrssession 2020, sondern wegen des Sessionsabbruchs aufgrund der Corona-Pandemie erst in der Sommersession wählte die Vereinigte Bundesversammlung Laurent Merz für den Rest der Amtsperiode 2015 bis 2020 zum ordentlichen Bundesrichter. Die Ersatzwahl war nötig geworden, weil Bundesrichter Jean Fonjallaz per Ende Juni 2020 in Pension gehen wird. Die GK empfahl Merz aus zwölf Bewerbungen (je sechs Frauen und Männer), da er nicht nur die Arbeitsweise des BGer kenne, wo er dreizehn Jahre als Gerichtsschreiber tätig gewesen, sondern auch weil er zweisprachig (französisch/deutsch) sei und der Grünen Partei angehöre, die am Bundesgericht stark untervertreten sei. Merz erhielt 203 Stimmen; von den 217 eingelangten Wahlzetteln – 221 waren ausgeteilt worden – blieben 14 leer.

Wahl ordentlicher Richter.innen am Bundesgericht

Lediglich 158 gültige Stimmen erhielt Alberto Fabbri (cvp) bei seiner Wahl zum ordentlichen Richter am Bundesstrafgericht. Damit übersprang er zwar das absolute Mehr (85) bei weitem, die 43 leeren und die 3 ungültigen Stimmen sowie die 11 Stimmen, die auf Diverse entfielen, sind aber für Wahlen ans Bundesstrafgericht eher eine Seltenheit. Üblicherweise erhalten Kandidierende für Ämter am Gericht in Bellinzona im Schnitt der letzten rund 20 Jahre jeweils mehr als 200 gültige Stimmen.
Fabbri, Staatsanwalt von Basel-Stadt und Mitglied der CVP, war jedoch ins Fadenkreuz der SVP geraten, weil er 2007 «aktenkundig Teil einer Verschwörung gegen den damaligen Justizminister Christoph Blocher» gewesen sei, wie die Volkspartei mit Verweis auf die «Roschacher-Affäre» bekannt gab. Fabbri habe damals mitgeholfen, die sich später als haltlos erweisenden Vorwürfe gegen den ehemaligen SVP-Bundesrat zu verbreiten, wonach dieser ein Komplott zur Absetzung von Bundesanwalt Roschacher geschmiedet habe. Er sei nicht nur deshalb für die SVP nicht wählbar, führte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) vor dem Wahlakt in der Vereinigten Bundesversammlung aus, sondern auch aufgrund zahlreicher anderer Verfehlungen, «handwerklicher Fehler» und «charakterlicher Mängel», die Aeschi in der Folge aufführte. Andrea Gmür-Schönenberger (cvp, LU), die als Sprecherin für die CVP auf Aeschi folgte, bezeichnet die Vorwürfe als haltlos. Die Mitte-Fraktion habe sämtliche Anschuldigungen überprüft und Alberto Fabbri habe sich «nie, nicht ein einziges Mal, irgendetwas zuschulden kommen lassen». Besonders stossend empfand die CVP-Ständerätin die Anschuldigungen, zumal die GK den Kandidaten bereits geprüft und als Nachfolger für den zurücktretenden Emmanuel Hochstrasser (svp) für den Rest der Amtsperiode 2016-2021 empfohlen habe, was von sämtlichen Fraktionen – inklusive der SVP-Fraktion – bestätigt worden sei. Erst nach Ablauf der Fristen sei seitens der SVP Kritik lauf geworden, betonte Gmür-Schönenberger.

Bundesstrafgericht. Wahl eines ordentlichen Richters