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Das befristete Gesetz über den Aufbau des Bundesverwaltungsgerichts stiess auch im Nationalrat auf Zustimmung und wurde vom Parlament in der Frühjahrssession gutgeheissen. In der Herbstsession wählte die Vereinigte Bundesversammlung die neuen 72 Richterinnen und Richter dieser Institution; zum Präsidenten wurde Hans Urech erkoren. Das Gericht, das weitgehend die bestehenden Verwaltungsrekurskommissionen ersetzt, wird seine Arbeit im Jahr 2007 aufnehmen. Standort wird vorerst Bern sein; der Umzug nach St. Gallen, wo zuerst ein neues Gebäude erstellt werden muss, ist für 2011 vorgesehen.

Aufbau des Bundesverwaltungsgerichts

Unmittelbar nach dem Abschluss der Parlamentsberatungen forderte Bundesrat Blocher das Bundesgericht auf, angesichts der beschlossenen Entlastungsmassnahmen Vorschläge für Kosteneinsparungen im Umfang von rund 20% zu machen. Formeller Anlass für diese Aufforderung war die Bestimmung der Zahl der Richter an dem organisatorisch um das Eidgenössische Versicherungsgericht erweiterten Bundesgericht. Darüber entscheidet zwar das Parlament, der Bundesrat muss dem Parlament aber einen Vorschlag unterbreiten. Gemäss dem neuen Gesetz kann die Zahl zwischen 35 und 45 variieren, aktuell sind es 41 Richter (30 beim Bundes- und 11 beim Versicherungsgericht). Bei den zwei Gerichten kam diese Aufforderung Blochers nicht gut an: Angesichts der Arbeitsüberlastung sei eine Reduktion der Richterzahl nicht möglich, und zudem sei es auch noch nicht klar, ob die vom Parlament beschlossenen Massnahmen Kosteneinsparungen zur Folge hätten. In einer gemeinsamen Erklärung gaben die Gerichte bekannt, dass sie in dieser Sache eine Zusammenarbeit mit dem Vorsteher des EJPD ablehnten; über allfällige Budgetkürzungen wolle man nur mit dem dafür allein zuständigen Parlament sprechen.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Im Juli gab der Bundesrat seinen Vorschlag für die Reorganisation der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft in die Vernehmlassung. Die bisherige Zweispurigkeit (administrative Aufsicht durch das EJPD, fachliche durch das Bundesstrafgericht) soll aufgehoben und die Kontrolle zur Gänze dem EJPD übertragen werden. Die mit den Vorarbeiten beauftragte Expertengruppe hatte im Vorentwurf zusätzliche Bestimmungen aufgenommen, um die Gefahr einer Einflussnahme der Regierung oder des Justizministers auf die Verfahren der Bundesanwaltschaft zu minimieren. Zudem überwies der Ständerat die vom Nationalrat im Vorjahr gutgeheissene Motion Hofmann (sp, AG) (04.3411) für eine Überprüfung der Aufsichtsstruktur der Bundesanwaltschaft ebenfalls.

BRG Strafbehördenorganisationsgesetz (08.066) - das Parlament will den Bundesanwalt selber wählen
Dossier: Strafbehördenorganisationsgesetz (StBOG)
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts

Nach der Bereinigung der letzten Differenzen verabschiedete das Parlament in der Sommersession das revidierte Gesetz über das Bundesgericht und das neue Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht einstimmig. In der Frühjahrssession befasste sich der Ständerat mit der im Vorjahr vom Nationalrat beschlossenen neuen Fassung, welche sich auf den Zusatzbericht einer Arbeitsgruppe stützte. Die kleine Kammer schloss sich weitgehend diesen Entscheidungen an. Dazu gehörte namentlich auch die lange umstritten gewesene Festlegung der Streitwertgrenzen für Zivilsachen. In der zweiten Runde der Differenzbereinigung ging es insbesondere noch um die Rekursmöglichkeiten bei der internationalen Rechtshilfe. Durchgesetzt hat sich die von Bundesrat und Ständerat vertretene Ansicht, dass in besonderen Fällen (z.B. wenn bei einer Auslieferung im Ausland die Todesstrafe droht) der Entscheid des Bundesstrafgerichts an das Bundesgericht weitergezogen werden kann.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Im Berichtsjahr wurde in den Medien einige Kritik an der Bundesanwaltschaft und deren Leiter, Valentin Roschacher, laut. Einerseits wurden ihnen Pannen bei Ermittlungsverfahren angelastet, andererseits wurde behauptet, dass es der Bundesanwaltschaft nicht gelinge, das neue Bundesstrafgericht, welches am 1. April in Bellinzona seine Arbeit aufgenommen hatte, mit einer ausreichend grossen Zahl von Fällen zu ‚beliefern’ und damit plangemäss auszulasten. Der Nationalrat überwies in der Herbstsession eine Motion Hofmann (sp, AG) (04.3411) für eine Überprüfung der Aufsichtsstruktur der Bundesanwaltschaft. Anfang Dezember fällte der Bundesrat den Grundsatzentscheid, dass die bisherige Zweispurigkeit der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft (administrativ durch das EJPD, fachlich durch das Bundesstrafgericht) aufgehoben werden soll. Der Chef des EJPD, Christoph Blocher, sprach sich für eine Unterstellung unter sein Departement aus. Dabei betonte er, dass dieser Grundsatzentscheid nichts mit den oben erwähnten Kritiken an Roschachers Amtsführung zu tun, sondern rein organisatorische Gründe habe.

BRG Strafbehördenorganisationsgesetz (08.066) - das Parlament will den Bundesanwalt selber wählen
Dossier: Strafbehördenorganisationsgesetz (StBOG)
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts

In einer im Sommer präsentierten Botschaft schlug der Bundesrat ein befristetes Gesetz vor, das den gesetzlichen Rahmen für die Aufbauphase des neuen Bundesverwaltungsgerichts bildet. Geschaffen werden soll damit insbesondere ein Gremium, welches noch vor der für 2007 geplanten Einsetzung des Gerichts die für die Inbetriebnahme erforderlichen Entscheide fällt (z.B. über die Einstellung von administrativem Personal). Der Ständerat hiess dieses Gesetz in der Dezembersession gut.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Als Zweitrat nahm der Nationalrat die Beratung der Totalrevision der Bestimmungen über die Organisation und Verfahren der Bundesgerichte und des neuen Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht auf. Dabei hatte es, nachdem das Bundesgericht seine Unzufriedenheit mit der Version des Ständerates kundgetan hatte, eine kleine Verzögerung gegeben. Auf Ersuchen der Rechtskommission des Nationalrats präsentierte eine vom EJPD-Vorsteher geleitete Arbeitsgruppe einen neuen Vorschlag. Dieser erhöhte die Streitwertgrenze für Zivilsachen nur auf CHF 30'000 statt auf CHF 40'000 und verzichtete bei Straf- und Steuersachen im Gegensatz zur Version der kleinen Kammer ganz auf eine Streitwertgrenze. (Für Fälle von grundsätzlicher Bedeutung besteht ohnehin keine Streitwertgrenze.) Die Nationalratskommission übernahm diese Vorschläge und ging sogar noch etwas weiter, indem sie bei arbeits- und mietrechtlichen Streitsachen die Streitwertgrenze auf CHF 15'000 reduzierte. Eintreten war im Plenum unbestritten. Abgesehen von der erwähnten Streitwertgrenze wurden die Entscheide des Ständerats von den Kommissionssprechern als tragfähiger Kompromiss gelobt und vermochten sich fast durchwegs durchzusetzen.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Der Ständerat setzte in der Herbstsession seine Beratungen zur Justizreform fort. Nachdem das Parlament im Vorjahr die Schaffung eines Bundesverwaltungs- und eines Bundsstrafgerichts beschlossen und deren Standorte und die Wahlprozeduren festgelegt hatte, war nun noch über die Totalrevision der Bestimmungen über die Organisation und Verfahren der Bundesgerichte zu entscheiden. Beim neuen Gesetz über das Bundesverwaltungsgerichts nahm die kleine Kammer einige auch vom Bundesrat nicht bestrittene Änderungen vor. Bei der Revision des Bundesgesetzes über das Bundesgericht waren die Auseinandersetzungen heftiger. Sie betrafen namentlich die von der Kommission vorgeschlagenen Entlastungsmassnahmen. Diese sahen einerseits für privatrechtliche Klagen eine Streitwertgrenze von CHF 40'000 vor. Zum anderen sollten bestimmte, in einem Katalog aufgeführte öffentlich-rechtliche Urteile sowie strafrechtliche Fälle bis zu einer bestimmten Bussenhöhe nicht mehr vor Bundesgericht weitergezogen werden können. Ausgenommen von diesen Einschränkungen sind Klagen, welche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betreffen oder bei denen keine einheitliche Rechtssprechung vorliegt. Das Plenum folgte seiner Kommission und dem Bundesrat bei der neuen Streitwertgrenze von CHF 40'000 Ein Antrag Studer (sp, NE), diese in miet- und arbeitsrechtlichen Fällen auf CHF 20'000 zu senken, unterlag mit 24 zu 9 Stimmen. Auch die Entlastungsmassnahmen für den öffentlich-rechtlichen und den strafrechtlichen Bereich wurden akzeptiert. Allerdings erweiterte der Rat die Bestimmung, dass Urteile von grundsätzlicher Bedeutung an das Bundesgericht weitergezogen werden dürfen, um die Regel, dass dies auch für Beschwerden gelten soll, bei denen die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts gerügt wird. Bei der Zahl der ordentlichen Bundesrichter war der Ständerat etwas grosszügiger als der Bundesrat, indem er sie auf 40-50 festlegte (der Bundesrat hatte 35-45 beantragt, zur Zeit sind es 41). Die administrative Integration des Luzerner Versicherungsgerichts in das Lausanner Bundesgericht fand relativ knapp Zustimmung.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Nach der Rückweisung der bundesrätlichen Vorlage zur Schaffung eines Bundesstrafgerichts und eines Bundesverwaltungsgerichts durch den Ständerat im Vorjahr hatte dessen Rechtskommission einen Vorschlag für eine parlamentarische Gerichtskommission zur Wahlvorbereitung ausgearbeitet. Das Projekt sah vor, dass diese Kommission bei ihrer Arbeit von einem ständigen Sekretariat und einem Expertenbeirat unterstützt wird. Letzterer wirkt bei der Wahlvorbereitung für das Bundesstraf- und das Bundesverwaltungsgericht mit und kann – muss aber nicht – bei den Bundesgerichtswahlen beigezogen werden. Um den anlässlich der Rückweisung im Jahr 2001 geäusserten Ängsten vor einem zu grossen Einfluss dieser Experten Rechnung zu tragen, werden deren Empfehlungen und Evaluationen nicht veröffentlicht. Die parlamentarische Gerichtskommission selbst setzt sich aus zwölf Mitgliedern des Nationalrats und fünf des Ständerats zusammen, wobei jede Fraktion Anspruch auf mindestens einen Sitz hat. Die Oberaufsicht über die Gerichte sollen weiterhin die Geschäftsprüfungskommissionen und nicht diese neue Gerichtskommission haben. Diese Vorschläge kamen im Ständerat in der Frühjahrssession gut an. Umstritten war nur noch die Frage der parlamentarischen Oberaufsicht über die Gerichte. Mit der Auflage, dass sie ihre Arbeit neu organisieren müssen, wurde diese bei den GPK belassen. Der Nationalrat begann im Herbst mit den Beratungen. In der Frage der Vorbereitung der Richterwahlen war er weitgehend mit dem Ständeratsmodell einverstanden. Er lehnte es allerdings ab, bereits jetzt über die Schaffung einer konsultativen Expertenkommission (Beirat) zu entscheiden, da zuerst die Frage der Organisation der Oberaufsicht über die Bundesgerichte geklärt werden müsse. Nachdem der Nationalrat in der zweiten Runde einen Kompromissvorschlag der kleinen Kammer abgelehnt hatte, einen solchen Beirat wenigsten mit einer Kann-Formel zu ermöglichen, gab der Ständerat nach. Das Gesetz über das Bundesstrafgericht wurde in der Herbstsession verabschiedet; die neuen Bestimmungen über die Richterwahl in der Wintersession.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Zu einem grossen Schlagabtausch regionaler Interessen kam es im Ständerat bei der Frage des Standorts der beiden neuen Gerichte. Die Kommissionsmehrheit unterstützte den Vorschlag des Bundesrates (Aarau und Freiburg); eine aus Marty (fdp, TI), Dettling (fdp, SZ), Schweiger (fdp, ZG) und Slongo (cvp, NW) gebildete Minderheit war für Bellinzona und St. Gallen. (Zu dieser Minderheit gehörten bezüglich Bellinzona auch noch Stadler (cvp, UR) und bezüglich St. Gallen Bürgi (svp, TG)). Die Befürworter dieser Standorte versuchten einerseits darzulegen, dass bezüglich der vom Bundesrat angeführten sachlichen Kriterien für die Standortwahl (vor allem Distanz zu den Bevölkerungszentren und Personalrekrutierung) auch Bellinzona und St. Gallen geeignet seien. Viel stärker berücksichtigt werden müsse aber das staatspolitische Element einer Dezentralisierung der eidgenössischen Institutionen, und dieses spreche eindeutig für Gerichtssitze in der italienischsprachigen Schweiz und der Ostschweiz. Mit jeweils 26:15 Stimmen beschloss der Ständerat, das Bundesstrafgericht in Bellinzona und das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen anzusiedeln. Im Nationalrat empfahl die Kommission ebenfalls, allerdings mit nur knapper Mehrheit, die Standorte Aarau und Freiburg. Nachdem sich nahezu alle Abgeordnete aus den betroffenen vier Kantonen für ihre Region eingesetzt hatten, beschloss der Rat mit 123:61 Stimmen, Bellinzona den Vorzug vor Aarau zu geben. Knapper war der Entscheid beim wesentlich personalreicheren Bundesverwaltungsgericht. Nachdem Freiburg und St. Gallen je 92 Stimmen auf sich vereinigt hatten, gab die Ratspräsidentin Maury-Pasquier (sp, GE) den Ausschlag für Freiburg. Da aber der Ständerat auf seinem Entscheid für St. Gallen beharrte, gab die grosse Kammer mit 95:84 Stimmen nach. Der Ständerat verabschiedete anschliessend eine Empfehlung Lombardi (cvp, TI) (02.3377), welche den Bundesrat auffordert, die Bundesverwaltung zu dezentralisieren und dabei vor allem Freiburg und Aarau zu berücksichtigen.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Der Ständerat befasste sich als Erstrat in der Wintersession mit dem Geschäft. Da die vorberatende Kommission mit dem Antrag, dass der Bundesrat die neuen Richter wählen soll, überhaupt nicht einverstanden war, hatte sie einen Alternativvorschlag in Form eines eigenständigen Gesetzes ausgearbeitet. Wahlbehörde für die neuen Gerichte sollte gleich wie beim Bundesgericht die Vereinigte Bundesversammlung sein. Um ihr die Arbeit zu erleichtern, sollte jedoch eine von der Bundesversammlung gewählte Justizkommission, welche sich aus hoch qualifizierten Fachleuten zusammensetzt, geschaffen werden. Diese hätte zuhanden der parlamentarischen Richterwahlkommission die Ausschreibungen für vakante Stellen durchzuführen, die Bewerbungsdossiers zu studieren und Wahlvorschläge zu machen. Zudem würde sie das Parlament bei der Oberaufsicht über die Bundesgerichte unterstützen. Der Bundesrat war mit diesem Vorschlag einverstanden, da eine Wahlvorbereitung durch eine ausserparlamentarische Expertenkommission Gewähr für eine sorgfältige Kandidatenauswahl biete. Bekämpft wurde der Antrag jedoch von Carlo Schmid (cvp, AI), der in seinem Rückweisungsantrag vorschlug, auf diese Justizkommission zu verzichten. Unbestritten sei zwar, dass die Bundesversammlung Wahl- und Aufsichtsorgan auch für die neuen Gerichte sein soll. Um eine sorgfältige Auswahl der Richter durch die Bundesversammlung zu gewährleisten, sollte aber gemäss Schmid nicht eine Fachkommission gebildet, sondern die parlamentarische Richterwahlkommission mit einem ständigen Sekretariat versehen werden. Seine Kritik an der Schaffung einer Justizkommission begründete Schmid vor allem damit, dass dieses Gremium, wegen seiner fachlich prominenten Zusammensetzung und seiner hohen Legitimation infolge seiner Wahl durch die Bundesversammlung, in der Praxis nicht Hilfsorgan, sondern eine mächtige eigenständige Institution sein würde. Schmids Kritik konnte sich mit 22:18 Stimmen durchsetzen, und die vorberatende Kommission wurde beauftragt, eine Vorlage zur Stärkung der Richterwahlkommission auszuarbeiten. Bei der Beratung der Schaffung des Bundesstrafgerichts hielt sich der Ständerat weitgehend an die Regierungsanträge (mit Ausnahme der oben dargestellten Frage des Wahl- und Oberaufsichtsorgans). Die Beratungen zum Bundesverwaltungsgericht wurden noch nicht aufgenommen.

Im Herbst lieferte der Bundesrat in einer Zusatzbotschaft auch noch seinen Standortentscheid für die neuen Gerichte mit ihren rund 70 resp. 260 Arbeitsplätzen nach. Er beantragte, das Bundesstrafgericht in Aarau und das Bundesverwaltungsgericht in Freiburg anzusiedeln. Für Aarau sprach wegen der erforderlichen häufigen Kontakte zur Bundsanwaltschaft in Bern die zentrale Verkehrslage; für Freiburg die Tatsache, dass ein Teil des Personals der bisher in Bern und Lausanne angesiedelten Rekurskommissionen übernommen wird und zudem die Rekrutierung der gut 50 französischsprachigen Juristen und Juristinnen hier einfacher sein wird als an einem Standort in der Deutschschweiz. Ursprünglich waren 21 mögliche Standorte in acht Kantonen (AG, BE, BL, FR, LU, SG, SO und TG) evaluiert worden. In die engere Auswahl gelangten dann die Städte Aarau, Freiburg, Olten, St. Gallen und Solothurn (Zur Nichtberücksichtigung des Kantons Solothurn siehe auch die Antwort auf eine Frage Rudolf Steiner (fdp, SO) (01.5139)). Die von Tessiner Parlamentariern verlangte Ansiedelung eines der beiden Gerichte im Tessin erachtete der Bundesrat als nicht sachgemäss, da zu viele Kriterien nicht erfüllt seien. Negativ seien vor allem die zu periphere Lage sowohl für die meisten Prozessbeteiligten als auch für die Personalrekrutierung sowie die grosse Distanz zu juristischen Universitätsfakultäten. Insbesondere das Argument der dezentralen Lage wurde auch gegen den von vielen Ostschweizer Politikern mit Nachdruck geforderten Standort St. Gallen vorgebracht. Der Ständerat hat sich in seinen Beratungen in der Wintersession noch nicht zur Standortfrage geäussert.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Im Rahmen der Umsetzung der Justizreform legte der Bundesrat Ende Februar seinen Entwurf für die Totalrevision der Bundesrechtspflege vor. Damit sollen insbesondere die gesetzlichen Grundlagen für die Einrichtung eines Bundesstrafgerichts und eines Bundesverwaltungsgerichts geschaffen werden. Diese hätten als neue erste Instanzen bei Delikten zu dienen, die unter die Bundesgerichtsbarkeit fallen, und würden damit dem Bundesgericht eine merkliche Entlastung bringen. Mit dem Bundesverwaltungsgericht könnten zudem die mehr als zwanzig bestehenden Rekurskommissionen des Bundes und die Beschwerdedienste der Departemente aufgehoben werden. Als Wahlbehörde für die Ernennung der an den beiden neuen Gerichten tätigen Richter schlug der Bundesrat sich selbst vor. Er begründete dies mit dem Argument, dass das Parlament mit dieser Aufgabe angesichts der grossen Anzahl der an die beiden neuen Instanzen zu wählenden Richter (10 bis 35 beim Bundesstraf- und 50-70 beim Bundesverwaltungsgericht) überfordert wäre. Als weitere Massnahme zur Entlastung des Bundesgerichts schlug die Regierung die Erhöhung der Streitwertgrenze bei vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen in Zivilsachen von CHF 8'000 auf 40'000 vor. Als organisatorische Neuerung soll ferner das Versicherungsgericht in Luzern in das Bundesgericht in Lausanne integriert werden, wobei der Standort Luzern erhalten bleibt. Diese organisatorische Zusammenfassung wurde sowohl vom Bundesgericht als auch vom Versicherungsgericht als sachlich nicht opportun und unter dem Gesichtspunkt der Effizienzsteigerung unergiebig abgelehnt. Formell besteht die Vorlage aus drei neuen Gesetzen (Bundesgerichtsgesetz, Strafgerichtsgesetz und Verwaltungsgerichtsgesetz), wobei das Bundesgerichtsgesetz das bisherige Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege ersetzt. (Zur Volksabstimmung über die Justizreform im Rahmen der Revision der Bundesverfassung siehe hier.)

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Die Justizreform wird zwar durch den Ausbau der Vorinstanzen, was allerdings noch durch die Kantone umgesetzt werden muss, eine gewisse Entlastung der Bundesgerichte bringen, an ihrer chronischen Überlastung aber nichts Grundsätzliches ändern. Als Zweitrat hiess deshalb auch der Nationalrat die mit parlamentarischen Initiativen (99.440 / 99.441) der GPK beider Räte geforderten dringlichen Massnahmen zur Entlastung des Bundesgerichts in Lausanne und des Bundesversicherungsgerichts in Luzern gut. Am meisten umstritten war wie bereits in der kleinen Kammer die von der GPK und dem Bundesrat vorgeschlagene Abschaffung der umfassenden materiellen Prüfungspflicht des Sozialversicherungsgerichts, gegen welche vor allem Behinderten- und Patientenorganisationen sowie Gewerkschaften protestierten. Der Nationalrat lehnte diese Abschaffung ab. Nachdem der Ständerat in dieser Frage in der Differenzbereinigung nachgegeben hatte, konnten die Entlastungsmassnahmen in der Sommersession verabschiedet werden.

Parlamentarische Initiativen zur Entlastung des Bundesgerichtes (1999)

Gemäss der VOX-Analyse zur Justizreform (Abstimmung vom 12. März 2000) fand die Justizreform neben den vier zur Abstimmung stehenden Volksinitiativen («Beschleunigung der direkten Demokratie», «für menschenwürdige Fortpflanzung», «Verkehrshalbierung» und «gerechte Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden») kaum Beachtung. Dies war wohl auch der Grund dafür, dass 49 Prozent der Befragten keine Angaben zum Inhalt der Vorlagen machen konnten. Zudem fielen auch die Motive für das Ja recht schwammig aus («wichtig, richtig, sinnvoll»; «es braucht Veränderungen»), vielfach wurden als Begründung für ein Ja auch Empfehlungen von Behörden und Parteien vorgebracht. In der Nachbefragungsanalyse zeigten sich zudem keinerlei soziale oder politische Merkmale, hinsichtlich derer sich die Ja- und die Nein-Stimmenden voneinander unterscheiden liessen.

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

In der Volksabstimmung vom 12. März hiessen die Stimmberechtigten mit sehr deutlichem Mehr die im Vorjahr vom Parlament verabschiedete Justizreform gut. Nachdem die beiden am meisten umstrittenen Punkte, die Zugangsbeschränkungen und die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit vom Parlament massiv entschärft resp. eliminiert worden waren, gab es kaum mehr Opposition gegen die Vorlage. Keine nationale Partei gab die Nein-Parole aus; lediglich die relativ unbedeutenden Kantonalsektionen der SVP in Genf und im Wallis lehnten die Reform ab.

Das Verdikt fiel mit einem Ja-Stimmenanteil von 86 Prozent sehr deutlich aus; nicht ein Kanton hatte sich dagegen ausgesprochen. Am klarsten fiel die Annahme in Genf mit 92 Prozent, am knappsten im Wallis mit 71 Prozent aus.


Justizreform
Abstimmung vom 12. März 2000

Beteiligung: 41,9%
Ja: 1'610'107 (86,4%) / 20 6/2 Stände
Nein: 254'355 (13,6%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: SP, FDP, CVP, SVP (2*), GP, LP (1*), EVP, FP, SD, EDU, PdA, CSP; Economiesuisse (Vorort), SGB, CNG.
– Nein: -
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Der Ständerat befasste sich in der Dezembersession mit den Sofortmassnahmen zur Entlastung des Bundesgerichts. Die Genferin Brunner (sp) hatte vergeblich beantragt, darauf nicht einzutreten. Diese parlamentarische Initiative sei überflüssig, weil der Bundesrat die rasche Vorlage einer Gesetzesrevision nach der Volksabstimmung über die Verfassungsreform vom März 2000 versprochen habe. In der Detailberatung war lediglich die Sonderregelung beim Vorgehen bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Versicherungsgericht umstritten. In den Augen der Kommissionsmehrheit ist die dort geltende umfassende materielle Prüfungspflicht nicht mehr erforderlich, da in den Kantonen die Sozialversicherungsgerichte als Vorinstanzen gut ausgebaut sind. Gegen den Widerstand der Linken, welche dieses positive Urteil über die Qualität der kantonalen Instanzen in Frage stellte, folgte der Rat auch bei diesem Punkt seiner Kommission.

Parlamentarische Initiativen zur Entlastung des Bundesgerichtes (1999)

Das Parlament beseitigte im Berichtsjahr die letzten Differenzen beim Reformpaket Justizreform. Als erster war der Nationalrat an der Reihe. Bei der Hauptdifferenz, der Einführung einer limitierten Verfassungsgerichtsbarkeit, beantragte die von der SP, der CVP und der FDP-Mehrheit unterstützte Kommissionsmehrheit eine Kompromissformel, welche die im Anwendungsfall zugelassene gerichtliche Überprüfung auf die Konformität mit Grundrechten (anstelle der vom Ständerat beschlossenen Verfassungsmässigkeit) und mit dem direkt anwendbaren Völkerrecht beschränkt hätte. Eine von der SVP und einer Minderheit der FDP gebildete Kommissionsminderheit sprach sich gegen jegliche Verfassungsgerichtsbarkeit aus, während die EVP/LdU-Fraktion die etwas weitere Fassung des Ständerates (Verfassungskonformität) befürwortete. Durchsetzen konnte sich mit 95:56 Stimmen die Version der Kommissionsmehrheit. Bei der Einführung einer Zugangsbeschränkung setzte sich im Sinne eines Kompromisses mehr oder weniger der im Vorjahr von Gross (sp, TG) eingebrachte und damals noch unterlegene Vorschlag durch. Für bestimmte Sachgebiete darf auf gesetzlichem Weg der Zugang zum Bundesgericht ausgeschlossen werden, und bei Auseinandersetzungen, die keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betreffen, kann eine Streitwertgrenze eingeführt werden. Offensichtlich unbegründete Beschwerden dürfen hingegen nicht ausgeschlossen, sondern müssen mit einem vereinfachten Verfahren beurteilt werden.

Der Ständerat schloss sich dem Kompromiss bei der Verfassungsgerichtsbarkeit an. In der letzten Runde der Differenzbereinigung vollzog dann jedoch der Nationalrat eine Kehrtwende. Die Angst überwog, dass die Reform in der Volksabstimmung wegen dieser umstrittenen Normenkontrolle scheitern könnte und damit auch die unbestrittenen Anliegen – namentlich die Vereinheitlichung des Prozessrechts und die Entlastungsmassnahmen für die Bundesgerichte – nicht verwirklicht würden. Der Vorschlag, entweder dem Volk eine Variantenabstimmung zu präsentieren oder eine Trennung in zwei Teilbeschlüsse durchzuführen, scheiterte am Veto des Ständerats. Auf Antrag seiner Kommissionsmehrheit beschloss der Nationalrat deshalb die Streichung der Verfassungsgerichtsbarkeit in jeglicher Form. In der Einigungskonferenz setzte sich dieses Vorgehen durch, womit der Schlussabstimmung nichts mehr im Wege stand. Diese fiel mit 165:8 resp. 37:0 Stimmen deutlich aus. Die LdU/EVP-Fraktion hatte sich aus Protest gegen den Verzicht auf die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit der Stimme enthalten, und ihr Sprecher, der Berner Zwygart (evp), deponierte eine parlamentarische Initiative für eine Normenkontrolle (99.455).

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Nach Ansicht der Geschäftsprüfungskommissionen beider Parlamentskammern müssen das Bundsgericht in Lausanne und das Bundesversicherungsgericht in Luzern mit dringlichen Massnahmen entlastet werden. Da die vom Bundesrat geplante Totalrevision des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, welche die Umsetzung des Verfassungsreformpakets Justizreform darstellt, kaum vor dem Jahr 2002 in Kraft treten kann, schlugen sie mit einer parlamentarischen Initiative eine Reihe von politisch unbestrittenen Neuerungen vor, über welche sofort beschlossen werden könnte. Die einzelnen Vorschläge hatten die Kommissionen in enger Zusammenarbeit mit den beiden Gerichten aufgestellt. Der Bundesrat erklärte sich mit diesem Vorgehen und den vorgeschlagenen Sofortmassnahmen grundsätzlich einverstanden. Er betonte, dass die Vorschläge mit dem in seinem Auftrag von Experten ausgearbeiteten Vorentwurf im Einklang stehen würden. Bei einigen Massnahmen würde er aber eine Realisierung im Rahmen der Totalrevision vorziehen, bei einer andern (Erledigung von Prozessen auf dem Zirkularweg), lehnte er den Vorschlag der GPK ab. Diese hatte beantragt, dass Prozesse nicht nur bei Einstimmigkeit der Richter, sondern auch bei Mehrheitsentscheiden auf diese Weise durchgeführt werden können.

Parlamentarische Initiativen zur Entlastung des Bundesgerichtes (1999)

Mit einer Motion schlug Nationalrätin von Felten (gp, BS) vor, dass bei nicht einstimmig gefällten Bundesgerichtsurteilen auch die Minderheitsmeinung (sogenannte dissenting opinion) publiziert werden soll. Diese im angelsächsischen Raum übliche Praxis habe sich bei der Fortentwicklung des Rechts als äusserst nützlich erwiesen. Der Bundesrat lehnte dies ab und verwies darauf, dass bei den öffentlichen Urteilen auch die Gegenposition zu Wort komme und es zudem schweizerische Praxis sei, Urteile umfassend, also auch unter Berücksichtigung von alternativen Auffassungen zu begründen. Der Rat folgte dieser Sichtweise mit knappem Mehr.

dissenting opinion

Bei einer Ersatzwahl für das Bundesgericht durch die Vereinigte Bundesversammlung kam es zu einer Premiere. Mit Thomas Merkli wurde erstmals ein Angehöriger der Grünen Partei zum Bundesrichter gewählt. Unterstützt von den Fraktionen der GP, der SP, der LdU/EVP, der SVP und der SD/Lega setzte er sich knapp gegen einen freisinnigen Konkurrenten durch.

Grünen Partei

Als Vorgriff auf die mit der Verfassungsrevision angestrebte Entlastung des Bundesgerichts hatte Bundesrat Koller im Herbst des Vorjahres einen Vorentwurf für ein Ausführungsgesetz in die Vernehmlassung gegeben. Während sich die bürgerlichen Regierungsparteien weitgehend mit dem Vorschlag einverstanden erklärten, lehnten der Mieterverband und die Gewerkschaften die vorgesehenen Zugangsbeschränkungen rundweg ab.

Parlamentarische Initiativen zur Entlastung des Bundesgerichtes (1999)

In der Differenzbereinigung hielt der Ständerat auf Antrag seiner Kommission mit einer klareren Mehrheit (26:11) als in der Erstberatung an der Einführung einer beschränkten Verfassungsgerichtsbarkeit fest. Kommissionssprecher Rhinow (fdp, BL) wies darauf hin, dass die Verletzung von Grundrechten durch Bundesgesetze (Ausnahme Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsgarantie, welche in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht enthalten sind) bereits heute bei den Instanzen der EMRK in Strassburg eingeklagt werden können. Bei den Zugangsbeschränkungen hielt die kleine Kammer ebenfalls an ihrem Entscheid fest. Die Nationalratskommission beschloss, dem Plenum, das sich im Berichtsjahr nicht mehr mit dem Geschäft befasste, Festhalten an der Streichung der Verfassungsgerichtsbarkeit zu beantragen.

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Der Nationalrat befasste sich in der Sommersession mit dem Geschäft. In der Eintretensdebatte formulierten die Vertreter der Fraktionen der SP und der Grünen zwar heftige Kritik am Kommissionsentwurf wegen den vorgesehenen Zugangsbeschränkungen, verzichteten aber auf einen Nichteintretens- oder Rückweisungsantrag. Die Vereinheitlichung der kantonalen Prozessordnungen wurde von den Liberalen Leuba (NE) und Sandoz (VD) vergeblich aus grundsätzlich föderalistischen Gründen bekämpft. Ein von der SP und den Grünen unterstützter Antrag Thür (gp, AG), der im Sinne der Rechtsvereinheitlichung eine besondere Instanz am Bundesgericht schaffen wollte, welche in den Kantonen zu beurteilende Fälle von grundsätzlicher Bedeutung an sich ziehen könnte, wurde mit 58:48 Stimmen abgelehnt. Die Einführung einer beschränkten Verfassungsgerichtsbarkeit wurde von einer quer durch das politische Spektrum verlaufenden Front (Mehrheit der SP- und SVP-Fraktionen, Liberale, Schweizer Demokraten sowie eine Minderheit der FDP-Fraktion) bekämpft, da sich das bisherige System bewährt habe und die Neuerung mit der schweizerischen direktdemokratischen Tradition im Widerspruch stehe. Diese breite Opposition setzte mit 87:39 Stimmen durch.

Die SP, aber auch die Grünen und die SD lehnten die vorgeschlagenen Zugangsbeschränkungen auch in der milderen Variante der Nationalratskommission ab (Möglichkeit der Einführung von Restriktionen für Fälle von untergeordneter Bedeutung oder offensichtlicher Unbegründetheit auf dem Gesetzesweg). Gross (sp, TG) reichte einen neuen Kompromissantrag ein, der die Bedingungen für eventuelle Zugangsbeschränkungen in der Verfassung detailliert festlegen wollte, und der für offenkundig unbegründete oder aussichtslose Fälle nicht eine schlichte Abweisung, sondern die Beurteilung der Annahme durch ein einfaches und schnelles Verfahren vorsah. Dieser von der SP unterstützte Antrag unterlag in einer Eventualabstimmung mit 62:54 Stimmen gegenüber dem Ständeratsbeschluss. Diese Variante, welche die Bedingungen für Zulassungsbeschränkungen für nicht grundsätzliche Fälle auf dem Gesetzesweg festlegen will, konnte sich aber in der definitiven Abstimmung gegenüber dem Kommissionsvorschlag nicht durchsetzen. In der Gesamtabstimmung, welche mit 59:48 relativ knapp ausfiel, votierten die SP, die Grünen und die SD geschlossen gegen die Justizreform.

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Der Ständerat machte sich in der Frühjahrssession an die Beratung des Teils C der Verfassungstotalrevision, der Reform der Justiz. Im wesentlichen ging es dabei um Verfassungsgrundlagen für drei Ziele: die Stärkung der Leistungsfähigkeit des Bundesgerichts durch die Einführung von Vorinstanzen und Zugangsbeschränkungen, der Ausbau des Rechtsschutzes durch eine allgemeine Rechtsweggarantie und durch die Einrichtung einer eingeschränkten Verfassungsgerichtsbarkeit und schliesslich die Vereinheitlichung des kantonalen Zivil- und Strafprozessrechts. Die Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, die ja auch von verschiedenen Standesinitiativen gefordert worden war, blieb unbestritten. Ausgiebig debattiert wurde hingegen über die von Bundesrat und Kommission vorgeschlagene Verfassungsgerichtsbarkeit, welche dem Bundesgericht erlauben soll, im konkreten Anwendungsfall zu überprüfen, ob ein Bundesgesetz oder ein allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss mit den verfassungsmässigen Grundrechten und dem Völkerrecht übereinstimmt resp. die verfassungsmässigen Rechte der Kantone nicht verletzt. Bruno Frick (cvp, SZ) lehnte im Namen der Kommissionsminderheit diesen Vorschlag ab. Damit würde das Gericht zur obersten politischen Instanz gemacht, was dem schweizerischen Demokratieverständnis, wo dem Volk diese Funktion zukommt, widerspräche. Für die Befürworter waren diese Befürchtungen, die namentlich auch von Carlo Schmid (cvp, AI) vorgetragen wurden, übertrieben, da ja die Verfassungsnormen, deren Einhaltung das Bundesgericht kontrollieren soll, weiterhin vom Volk bestimmt würden und zudem das Bundesgericht diese Normenkontrolle bei kantonalen Gesetzen bereits seit 1874 ausübt. Mit einer relativ knappen Mehrheit (19:14) stimmte der Rat dem Ausbau der Verfassungsgerichtsbarkeit zu.

In der ebenfalls heftig umstrittenen Frage der Einführung von Zugangsbeschränkungen hatte die Kommission anfangs Jahr eine Kompromissformel ausgearbeitet. Diese sieht vor, dass der Zugang zum Bundesgericht grundsätzlich garantiert ist, auf dem Gesetzesweg für «Streitigkeiten, die keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen» aber besondere Zugangsvoraussetzungen geschaffen werden können. Mit dieser Formel konnte sich auch der Sozialdemokrat Aeby (FR) einverstanden erklären. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat das Reformpaket Justiz mit 26:1 Stimmen an.

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Die Verfassungskommissionen beider Räte befassten sich mit den im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung gemachten Vorschlägen für eine Justizreform und stimmten den Anträgen des Bundesrates grundsätzlich zu. Das Konzept, das auf eine Entlastung des Bundesgerichts durch Zugangsbeschränkungen sowie durch die Stärkung der kantonalen und eidgenössischen Vorinstanzen setzt, wurde aber im Detail nicht von beiden Kommissionen identisch formuliert. Während sich die Ständeratskommission weitgehend an die Bundesratsversion hielt, gab sich die Nationalratskommission grosszügiger. Die Ständeratskommission beschloss Zugangsbeschränkungen auf gesetzlichem Weg für alle Fälle, bei denen es nicht um grundlegende Rechtsfragen geht; die Nationalratskommission möchte diese Restriktionen hingegen nur für Fälle zulassen, die von untergeordneter Bedeutung oder offenbar unbegründet sind. Beide Varianten wurden von der SP bekämpft. Sie schlug als Alternative einen personellen Ausbau vor und möchte neben Fachgerichten für Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht auch ein nicht direkt anrufbares siebenköpfiges Richtergremium schaffen, welches Grundsatzentscheide und -auslegungen an sich ziehen und beurteilen kann.

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)