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Anfang Juli präsentierte die AB-BA den Leiter der Disziplinaruntersuchung gegen Michael Lauber, den emeritierten Staatsrechtsprofessor Peter Hänni, der von der Rechtsanwältin Sarah Duss und dem Rechtsanwalt Lukas Blättler unterstützt wurde. Fast zwei Monate hatte die AB-BA gebraucht, um einen Untersuchungsleiter zu finden. Es sei so viel Zeit verstrichen, weil es schwierig gewesen sei, Fachpersonen zu finden, die nicht befangen seien, erklärte die AB-BA. Der Bericht würde damit wohl nicht mehr vor dem auf die Herbstsession verschobenen Termin einer allfälligen Wiederwahl Laubers vorliegen – urteilten die Medien.

Lauber selber verpflichtete mit Lorenz Erni einen bekannten Strafverteidiger zur Wahrung seiner Interessen im Disziplinarverfahren. Als pikant wurde in den Medien bezeichnet, dass Erni in einem der Fifa-Untersuchungen den Angeklagten Sepp Blatter verteidigte. Hänni verfügte dann in der Tat, dass Erni wegen dieses Interessenkonfliktes Lauber nicht vertreten dürfe. Dagegen wiederum wehrten sich Lauber und Erni und erhielten vor dem Bundesverwaltungsgericht recht. Dieses urteilte nämlich, dass Hänni die Disziplinaruntersuchung gar nicht führen dürfe, da dies Aufgabe der AB-BA selber sei. Dieser «Sieg» Laubers vor Gericht (St. Galler Tagblatt) stiess wiederum bei den Mitgliedern der GK auf Befremden. Damit verkompliziere sich ihre Aufgabe weiter, sagte Kommissionspräsident Jean-Paul Gschwind (cvp, JU) vor den Medien.

Immer häufiger wurde auch über strukturelle Probleme diskutiert. Die Aufsicht sei eine Fehlkonstruktion, meinte etwa Pirmin Schwander (svp, SZ). In der Tat habe man der Bundesanwaltschaft zu viel Unabhängigkeit zugeschanzt, indem man die Aufsicht dem Justizdepartement und dem Bundesstrafgericht entzogen und die AB-BA geschaffen habe. Auch die GPK wollte sich in der Folge der Sache annehmen und zur Klärung des divergierenden Aufsichtsverständnisses zwischen AB-BA und Bundesanwaltschaft eine Inspektion durchführen. Ein vom Ständerat in der Herbstsession an die GPK überwiesenes Postulat von Daniel Jositsch (sp, ZH) forderte ebenfalls eine Evaluation der Struktur, Organisation, Zuständigkeit und Überwachung der Bundesanwaltschaft.

Eine weitere Wendung erhielt die Untersuchung Mitte September, also kurz vor der in der Herbstsession terminierten Wiederwahl Laubers. Hanspeter Uster beschwerte sich in einem Radiointerview, dass Lauber die Untersuchung aktiv behindere und angeforderte für die Untersuchung benötigte Dokumente nicht liefere.
Die Wiederwahl Laubers Ende September nahm dann der Disziplinaruntersuchung ein wenig politischen Druck weg. Zwar berichtete die Aargauer Zeitung, dass die Verjährungsfrist für die disziplinarische Verantwortlichkeit nur gerade ein Jahr betrage und Lauber deshalb auf Zeit spiele, in den Medien geriet die Untersuchung allerdings in der Folge bis Ende 2019 ein wenig in Vergessenheit.

Disziplinaruntersuchung gegen Michael Lauber (2019-2020)
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Aufgrund der Vorkommnisse im Untersuchungsfall Fifa stellte die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) in einer Pressekonferenz Ende April die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen Bundesanwalt Michael Lauber in Aussicht. Die Frage stand im Raum, ob Lauber die Aufsichtsbehörde angelogen hatte, indem er ein drittes Geheimtreffen mit Fifa-Generalsekretär Gianni Infantino nicht erwähnt hatte, obwohl er, nachdem aufgrund der sogenannten «Fussball-Leaks» bekannt geworden war, dass bereits zwei solche Treffen stattgefunden hatten, explizit danach gefragt worden sei. Weil Laubers Wiederwahl bevorstand und die Gerichtskommission (GK) Mitte Mai das Wahlgeschäft für die Sommersession vorbereiten wollte, eilte die Abklärung durch die AB-BA.

Am 10. Mai gab die Aufsichtsbehörde dann bekannt, eine Disziplinaruntersuchung gegen Michael Lauber zu eröffnen. Man wolle dafür einen externen Spezialisten einsetzen, um Unabhängigkeit zu garantieren. Die Eröffnung der Untersuchung präjudiziere deren Ergebnis «in keiner Art und Weise», explizierte die AB-BA in ihrer Medienmitteilung. Je nachdem wie der Expertenbericht ausfällt, kann die AB-BA drei mögliche Sanktionen verhängen: eine Verwarnung, einen Verweis oder, als schärfste Massnahme, eine Lohnkürzung von maximal 10 Prozent während eines Jahres.

Gleichentags nahm Lauber an einer Pressekonferenz ziemlich «heftig» und «geharnischt» Stellung (NZZ). Er werde vorverurteilt und es werde nicht in Betracht gezogen, dass er die Wahrheit sage, so der Bundesanwalt. Es gebe kein Vertrauen mehr zwischen ihm und der Aufsichtsbehörde. Er werde aber trotzdem zur Wiederwahl antreten – «jetzt erst recht» (Blick). Das Verfahren und seine Wiederwahl dürften nicht vermischt werden, weil das Parlament seine Arbeit der letzten acht Jahre zu beurteilen habe. Lauber kündigte zudem an, dass er sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehren werde.
In den Medien wurde vermutet, dass die Affäre wohl auf einen Zweikampf zwischen Michael Lauber und Hanspeter Uster, dem Präsidenten der AB-BA hinauslaufe. Le Temps sah dunkle Wolken gegen Lauber aufziehen und der Sonntags-Blick prophezeite einen «brutalen Fight» zwischen dem Bundesanwalt und seinem Aufseher.
In der Folge geriet auch Hanspeter Uster in den Fokus der Presse. Der ehemalige Zuger Regierungsrat und mitverantwortlicher Experte für die unter dem damaligen Bundesrat Christoph Blocher eingeleitete Reorganisation der Bundesanwaltschaft habe bereits 2011, also kurz vor Amtsantritt Laubers, gegen diesen «gestichelt» (Aargauer Zeitung). Uster wurde von der NZZ zwar als nüchtern, sachlich und konstruktiv beschrieben, er zeichne sich aber auch durch «missionarischen Eifer» aus. Nur einer der beiden werde den «filmreifen Kampf voller Animositäten und Emotionen» politisch überleben, kommentierte die Weltwoche.

Disziplinaruntersuchung gegen Michael Lauber (2019-2020)
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Der Jahresbericht der Aufsichtsbehörde (AB-BA) über die Bundesanwaltschaft für das Jahr 2013 wurde Mitte April 2014 veröffentlicht. Er attestierte der Bundesanwaltschaft, gut zu funktionieren und ihre Aufgaben professionell und kompetent wahrzunehmen. Mit Hilfe eines von Bundesanwalt Michael Lauber eingeführten Verfahrenscontrollings konnten die Pendenzen verringert werden. Die Kontrolle habe zu einem internen Druck geführt, Fälle speditiver zu erledigen. Der Bericht machte auch auf die hohen und steigenden Personalkosten aufmerksam.

Jahresbericht 2013 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Die Justizaffäre Holenweger erhielt im Berichtjahr neue Nahrung. Der Bankier Oskar Holenweger war 2010 von der Bundesanwaltschaft der Geldwäscherei angeklagt, 2012 aber vom Bundesgericht vollumfänglich frei gesprochen worden. Anfang Juni des Berichtjahres wurde bekannt, dass Holenweger vom Bund Entschädigung fordern will. Er stellte beim Eidgenössischen Finanzdepartement ein Begehren um Staatshaftung, weil er faktisch zum Verkauf seiner Privatbank gezwungen worden sei.

Justizaffäre Holenweger

In die Schlagzeilen geriet die Bundesanwaltschaft aufgrund des Einsatzes so genannter Trojaner, also versteckter Software-Programme, die ein Ausspionieren von Computern ermöglichen. Solche Spionage-Software soll in vier Fällen zum Einsatz gekommen sein, dreimal in der Terrorismusbekämpfung und einmal gegen organisierte Kriminalität.

Trojanernutzung bei der Bundesanwaltschaft

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Zusammenfassung
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Dossier: Bundesanwalt Michael Lauber

Michael Lauber war der erste Bundesanwalt, der vom Parlament gewählt wurde (28. September 2011), zuvor war der Bundesrat für die Wahl des Bundesanwalts oder der Bundesanwältin zuständig gewesen. Michael Lauber erhielt zuerst sowohl von den Medien wie auch von der Aufsichtsbehörde AB-BA viel Lob und wurde 2015 glanzvoll für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Der Wind drehte sich allerdings im Jahr 2018, als die Bundesanwaltschaft insbesondere auch aufgrund des sogenannten «Fifa-Falls» stärker in den medialen Fokus geriet. Auch im Jahresbericht 2018 der AB-BA, die in der Zwischenzeit mit Hanspeter Uster einen neuen Präsidenten erhalten hatte, wehte Lauber ein steiferer Wind entgegen. Ende April 2019 leitete die AB-BA gar ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Dem Bundesanwalt wurde vorgeworfen, sich mit dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino im Geheimen getroffen, diese Treffen aber nicht protokolliert und diesbezüglich gelogen zu haben. Eigentlich hätte Michael Lauber in der Sommersession 2019 für neuerliche vier Jahre im Amt bestätigt werden sollen, die letztlich knapp erfolgreiche Wiederwahl erfolgte dann allerdings erst in der Herbstsession. Die Presse äusserte sich trotz Wiederwahl zusehends negativer gegenüber Lauber, was nicht zuletzt auf die gescheiterten Strafverfolgungen im Fifa-Fall, aber auch auf die ab März 2020 vorliegenden Resultate der Disziplinaruntersuchung, in der Lauber schwerwiegende Amtspflichtverletzungen vorgeworfen wurden, zurückgeführt wurde. Dies führte nicht nur zu einer Untersuchung der GPK zum Verhältnis zwischen Bundesanwaltschaft und AB-BA, die GK leitete im Mai 2020 auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Lauber ein. Doch es sollte für Lauber gar noch heftiger kommen: Mitte Juni 2020 wurde ein ausserordentlicher Staatsanwalt eingesetzt, der untersuchen sollte, ob die in der Zwischenzeit eingegangenen Strafanzeigen wegen Amtsmissbrauch haltbar sind. Da das Bundesverwaltungsgericht am 22. Juli 2020 die Beschwerde Laubers, das dieser gegen die Resultate des Disziplinarverfahrens eingereicht hatte, zum grössten Teil abwies, reichte der Bundesanwalt kurz darauf seinen Rücktritt ein, den die GK Mitte August per 31. August 2020 bestätigte. Kurz darauf hoben die beiden zuständigen Kommissionen die Immunität Laubers auf, damit ein Strafverfahren eingeleitet werden konnte. Dieses wurde von Stefan Keller geleitet, der in der Herbstsession 2020 von der Vereinigten Bundesversammlung zum Sonderstaatsanwalt gewählt worden war. Die mit dem Rücktritt Laubers nötig gewordene Wahl einer neuen Bundesanwältin oder eines neuen Bundesanwalts gestaltete sich in der Folge als äusserst schwierig.

Chronologie
2011: Wahl von Michael Lauber; erster vom Parlament gewählter Bundesanwalt
2015: Glanzvolle Wiederwahl
2019: Disziplinarverfahren gegen Michael Lauber; knappe Wiederwahl in der Herbstsession
2020: Vorwurf der Amtspflichtverletzung; Amtsenthebungsverfahren und Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch; Rücktritt

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Michael Lauber - Dossierübersicht
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Ende Oktober begann der Bau des Bundesstrafgerichts in Bellinzona. Es soll dort seinen definitiven Sitz erhalten und 2013 aus dem Provisorium in der Tessiner Hauptstadt umziehen. Zudem wurde im Herbst auch der Rohbau des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen abgeschlossen.

Baubeginn des Bundesstrafgerichts in Bellinzona

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Zusammenfassung
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Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Mit der Revision des Strafbehördenorganisationsgesetzes im Jahr 2010 hatte sich das Parlament dafür entschieden, den Bundesstaatsanwalt nicht mehr durch den Bundesrat bestimmen zu lassen, sondern ihn selber zu wählen. Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft wurde ebenfalls verändert und eine Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) geschaffen, die nebenamtlich tätig ist. Sie besteht aus je einer Vertretung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, aus zwei in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Anwältinnen oder Anwälten und drei Fachpersonen, die weder einem Gericht angehören noch in einem Anwaltsregister eingetragen sein dürfen. Die Vereinigte Bundesversammlung wählt die Mitglieder der AB-BA für eine Amtszeit von vier Jahren. Das Präsidium und das Vizepräsidium wird von den Mitgliedern der AB-BA bestimmt. Die AB-BA ist mit einem ständigen Sekretariat ausgerüstet.
Die Aufgaben der AB-BA ist die Überwachung der Tätigkeiten der Bundesanwaltschaft auf deren Rechtmässigkeit, Ordnungsmässigkeit, Zweckmässigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit. Sie kann hierzu Informationen verlangen, Inspektionen durchführen und Weisungen erlassen. Bei Amtspflichtverletzungen durch den Bundesanwalt kann die AB-BA eine Verwarnung oder einen Verweis aussprechen, eine Lohnkürzung vornehmen oder beim Parlament einen Antrag auf Amtsenthebung stellen. Die AB-BA berichtet dem Parlament jährlich über ihre Tätigkeit.
In den Fokus geriet die AB-BA ab 2018 vor allem aufgrund der Ereignisse um Bundesanwalt Michael Lauber, die unter anderem Anstoss für verschiedene Reformbestrebungen war.

Inhalt
Gesamterneuerungswahlen der AB-BA: 2010, 2014, 2018, 2022
Ersatzwahlen von Mitgliedern der AB-BA: 2016, 2017, 2018, März 2019, September 2019, 2020, 2022
Bestimmung von Präsidien und Vizepräsidien: 2020, 2021
Tätigkeitsberichte der AB-BA: 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021
Weisungen durch die AB-BA:
– Inspektionsbericht über das Generalsekretariat der Bundesanwaltschaft (2020)
– Inspektionsbericht zur Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften von Bund und Kantone (2023)

Revisionen:
– Keine neuen Unvereinbarkeitsregeln (Pa.Iv. 15.473)
– Die Bundesanwaltschaft wird nicht wieder dem EJPD unterstellt (Pa.Iv. 16.505 und Pa.Iv. 19.479)
– Überprüfung des Verhältnisses zwischen AB-BA und Bundesanwaltschaft (Po. 19.3570, Bericht GPK und Mo. 21.3970/Mo. 21.3971)

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Zusammenfasung Dossier AB-BA
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Der Bundesrat nahm Ende November Stellung zu den Vorwürfen der GPK (nicht aber zu den Verdächtigungen der Subkommission) und stellte sich hinter den Justizminister. Er stützte sich dabei nur teilweise auf das von ihm eingeholte Rechtsgutachten eines aussenstehenden Experten, der einige, allerdings nicht gravierende Kompetenzüberschreitungen Blochers moniert hatte.

Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher (2006)

Nach sehr kritischen Artikeln in den Medien über die Ermittlungsmethoden von Bundesanwalt Valentin Roschacher geriet dieser unter massiven Druck. Bundesrat Blocher ordnete aufgrund dieser Berichte am 5. Juni eine ausserordentliche Untersuchung an. Diese konzentriere sich auf führungstechnische, finanzielle und organisatorische Fragen, für deren Kontrolle nach geltender Ordnung das EJPD zuständig ist. Das Bundesstrafgericht als Kontrollinstanz für inhaltliche Belange leitete gleichzeitig eine fachliche Überprüfung der Arbeit der Bundesanwaltschaft ein. Diese Analysen konstatierten strukturelle und organisatorische Mängel, hingegen keine Verfehlungen der Bundesanwaltschaft und ihres Leiters. Anfang Juli erklärte Roschacher seinen Rücktritt auf Ende Jahr; die operative Führung gab er sofort ab. (Zu den Untersuchungen von Bundesrat Blocher siehe auch die Frage Vischer (gp, ZH) (06.5121) und die Interpellation Baumann (svp, TG) (06.3154)).

Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher (2006)

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Zusammenfassung
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Dossier: Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den eidgenössischen Gerichten

Das Parlament ist nicht nur zuständig für die personelle Bestellung der Bundesgerichte, sondern bestimmt auch, wie viele Stellen für ordentliche oder nebenamtliche Gerichtspersonen eingerichtet werden sollen. Die Stellenzahl der verschiedenen Gerichte hat über die Jahre zugenommen. So sassen 1848 am Bundesgericht (BGer) elf von der Bundesversammlung gewählte Milizrichter (und 11 Ersatzmänner); Ende 2023 waren 16 vollamtliche Bundesrichterinnen und 24 vollamtliche Bundesrichter sowie 17 nebenamtliche Richterinnen und Richter in Lausanne tätig. Ins Bundesstrafgericht (BStGer), das 2004 seine Tätigkeit aufnahm, wählte die Vereinigte Bundesversammlung im Jahr 2003 elf Strafrichterinnen und -richter; bis 2023 hat sich diese Zahl verdoppelt (7 Frauen und 15 Männer); zusätzlich arbeiten 13 nebenamtliche Richterinnen und Richter am BStGer in Bellinzona. Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) besteht seit 2004 und wurde zu Beginn mit 72 Richterinnen und Richtern bestückt; eine Zahl, die sich bis Ende 2023 nur marginal auf 73 erhöht hat (34 Frauen und 39 Männer). Im Bundespatentgericht (BPatGer) schliesslich – in Funktion seit 2012 – hat die Zahl der nebenamtlichen Richterinnen und Richtern von 36 auf 41 zugenommen. Auch Ende 2023 sind zwei hauptamtliche Richter im BPatGer tätig.
Hauptgrund für die Erhöhung der Zahl der Richterinnen und Richterstellen war in den letzten rund 20 Jahren meist derselbe, nämlich die personelle Überlastung aufgrund einer zunehmenden Anzahl Fälle. Aber auch ganz konkrete und teilweise zeitlich befristete Anforderungen an die verschiedenen Gerichte können eine vorläufige Anhebung der Zahl der Gerichtspersonen nach sich ziehen. Beispiele sind hier die zunehmende Anzahl Asylrechtsbeschwerden aufgrund wachsenden Anzahl Asylgesuche (z.B. 2009, 2017 und 2023) oder der erhöhte Personalbedarf des BVGer aufgrund der zunehmenden Zahl an Amtshilfegesuchen aus den USA bei der Aufklärung von Steuerdelikten von Kunden der UBS. Schliesslich kann auch eine repräsentativere Verteilung der Stellen entsprechend der Landessprachen bzw. das Risiko von Engpässen aufgrund einer Untervertretung einzelner Sprachen oder die Schwierigkeit, geeignete Personen zu finden, Grund für einen Ausbau der Stellen darstellen.

Übersicht
2006: Präzisierung der Zahl der Stellen am BGer (38 ordentliche, 19 nebenamtliche Stellen; Pa.Iv. 06.400)
2009: BVGer erhält eine italienischsprachige Stelle zur Bewältigung der Pendenzen im Asylbereich (Pa.Iv. 08.501)
2009: BVGer braucht mehr Personal aufgrund der Amtshilfegesuche aus den USA zur UBS (Pa.Iv. 09.475)
2011: Festlegung der Zahl der Stellen am BGer (38 voll-, 19 nebenamtliche Stellen; Pa.Iv. 11.400)
2012: Erhöhung der Stellenzahl am BStGer (Pa.Iv. 12.462)
2013: Erhöhung der Zahl Vollzeitstellen am BVGer scheitert am SR (Pa.Iv. 12.425)
2017: Vorübergehende Aufstockung Stellen am BVGer (Pa.Iv. 16.486)
2017: Wahl von drei statt zwei nebenamtlichen Bundespatentrichtern (WG 17.202)
2018: Zusätzliche Richterstelle am BVGer wegen Mehraufwand durch Nachrichtendienstgesetz (Pa.Iv. 18.422; zurückgezogen)
2021: Erhöhung der ordentlichen Vollzeitstellen am BStrGer von drei auf vier (Pa.Iv. 21.401)
2022: Erhöhung der Zahl der ordentlichen Bundesrichterinnen und Bundesrichter um zwei (Pa.Iv. 22.427)
2023: Zusätzliche nebenamtliche Stelle italienischer Sprache am BStGer (Pa.Iv. 23.431)
2023: Vollzeitstellen am BVGer vorübergehend anheben (Pa. Iv. 23.449)
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Zusammenfassung Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den Bundesgerichten (seit 2006)
Dossier: Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den eidgenössischen Gerichten

Der Ständerat befasste sich als Erstrat in der Wintersession mit dem Geschäft. Da die vorberatende Kommission mit dem Antrag, dass der Bundesrat die neuen Richter wählen soll, überhaupt nicht einverstanden war, hatte sie einen Alternativvorschlag in Form eines eigenständigen Gesetzes ausgearbeitet. Wahlbehörde für die neuen Gerichte sollte gleich wie beim Bundesgericht die Vereinigte Bundesversammlung sein. Um ihr die Arbeit zu erleichtern, sollte jedoch eine von der Bundesversammlung gewählte Justizkommission, welche sich aus hoch qualifizierten Fachleuten zusammensetzt, geschaffen werden. Diese hätte zuhanden der parlamentarischen Richterwahlkommission die Ausschreibungen für vakante Stellen durchzuführen, die Bewerbungsdossiers zu studieren und Wahlvorschläge zu machen. Zudem würde sie das Parlament bei der Oberaufsicht über die Bundesgerichte unterstützen. Der Bundesrat war mit diesem Vorschlag einverstanden, da eine Wahlvorbereitung durch eine ausserparlamentarische Expertenkommission Gewähr für eine sorgfältige Kandidatenauswahl biete. Bekämpft wurde der Antrag jedoch von Carlo Schmid (cvp, AI), der in seinem Rückweisungsantrag vorschlug, auf diese Justizkommission zu verzichten. Unbestritten sei zwar, dass die Bundesversammlung Wahl- und Aufsichtsorgan auch für die neuen Gerichte sein soll. Um eine sorgfältige Auswahl der Richter durch die Bundesversammlung zu gewährleisten, sollte aber gemäss Schmid nicht eine Fachkommission gebildet, sondern die parlamentarische Richterwahlkommission mit einem ständigen Sekretariat versehen werden. Seine Kritik an der Schaffung einer Justizkommission begründete Schmid vor allem damit, dass dieses Gremium, wegen seiner fachlich prominenten Zusammensetzung und seiner hohen Legitimation infolge seiner Wahl durch die Bundesversammlung, in der Praxis nicht Hilfsorgan, sondern eine mächtige eigenständige Institution sein würde. Schmids Kritik konnte sich mit 22:18 Stimmen durchsetzen, und die vorberatende Kommission wurde beauftragt, eine Vorlage zur Stärkung der Richterwahlkommission auszuarbeiten. Bei der Beratung der Schaffung des Bundesstrafgerichts hielt sich der Ständerat weitgehend an die Regierungsanträge (mit Ausnahme der oben dargestellten Frage des Wahl- und Oberaufsichtsorgans). Die Beratungen zum Bundesverwaltungsgericht wurden noch nicht aufgenommen.

Im Herbst lieferte der Bundesrat in einer Zusatzbotschaft auch noch seinen Standortentscheid für die neuen Gerichte mit ihren rund 70 resp. 260 Arbeitsplätzen nach. Er beantragte, das Bundesstrafgericht in Aarau und das Bundesverwaltungsgericht in Freiburg anzusiedeln. Für Aarau sprach wegen der erforderlichen häufigen Kontakte zur Bundsanwaltschaft in Bern die zentrale Verkehrslage; für Freiburg die Tatsache, dass ein Teil des Personals der bisher in Bern und Lausanne angesiedelten Rekurskommissionen übernommen wird und zudem die Rekrutierung der gut 50 französischsprachigen Juristen und Juristinnen hier einfacher sein wird als an einem Standort in der Deutschschweiz. Ursprünglich waren 21 mögliche Standorte in acht Kantonen (AG, BE, BL, FR, LU, SG, SO und TG) evaluiert worden. In die engere Auswahl gelangten dann die Städte Aarau, Freiburg, Olten, St. Gallen und Solothurn (Zur Nichtberücksichtigung des Kantons Solothurn siehe auch die Antwort auf eine Frage Rudolf Steiner (fdp, SO) (01.5139)). Die von Tessiner Parlamentariern verlangte Ansiedelung eines der beiden Gerichte im Tessin erachtete der Bundesrat als nicht sachgemäss, da zu viele Kriterien nicht erfüllt seien. Negativ seien vor allem die zu periphere Lage sowohl für die meisten Prozessbeteiligten als auch für die Personalrekrutierung sowie die grosse Distanz zu juristischen Universitätsfakultäten. Insbesondere das Argument der dezentralen Lage wurde auch gegen den von vielen Ostschweizer Politikern mit Nachdruck geforderten Standort St. Gallen vorgebracht. Der Ständerat hat sich in seinen Beratungen in der Wintersession noch nicht zur Standortfrage geäussert.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Der Ständerat befasste sich in der Dezembersession mit den Sofortmassnahmen zur Entlastung des Bundesgerichts. Die Genferin Brunner (sp) hatte vergeblich beantragt, darauf nicht einzutreten. Diese parlamentarische Initiative sei überflüssig, weil der Bundesrat die rasche Vorlage einer Gesetzesrevision nach der Volksabstimmung über die Verfassungsreform vom März 2000 versprochen habe. In der Detailberatung war lediglich die Sonderregelung beim Vorgehen bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Versicherungsgericht umstritten. In den Augen der Kommissionsmehrheit ist die dort geltende umfassende materielle Prüfungspflicht nicht mehr erforderlich, da in den Kantonen die Sozialversicherungsgerichte als Vorinstanzen gut ausgebaut sind. Gegen den Widerstand der Linken, welche dieses positive Urteil über die Qualität der kantonalen Instanzen in Frage stellte, folgte der Rat auch bei diesem Punkt seiner Kommission.

Parlamentarische Initiativen zur Entlastung des Bundesgerichtes (1999)

Organisation der Bundesrechtspflege. Abstimmung vom 1. April 1990
Beteiligung: 40,7% Nein: 863 524 (52,7%) Ja: 775 870 (47,3%)
Parolen:
Nein: SP (1*), GPS, LdU, SD (2), POCH, PdA, GBS; SGB, CNG; Konsumentenbund, Mieterverband.
Ja: FDP, CVP (6), SVP (5), LP (1*), AP; Redressement National.
Stimmfreigabe: EVP (3 Nein, 2 Ja*)
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Am 1. April lehnte der Souverän die Revision mit einer Mehrheit von 52,7% ab. Die stärkste Ablehnung ergab sich in den Kantonen Jura (65%), Genf, Neuenburg und Schwyz; die grössten Ja-Anteile wiesen Appenzell-Innerrhoden (55%), Nidwalden und Waadt auf. Eine nach dem Urnengang durchgeführte Befragung zeigte, dass die Anhänger der bürgerlichen Parteien die Parteiparolen nur schlecht befolgt hatten: einzig die Sympathisanten der SVP waren mehrheitlich hinter der Revision gestanden (60%), beim Freisinn hielten sich Gegner und Befürworter die Waage, während bei der CVP die Ablehnung mit 57% dominierte.

Brg. Revision der Bundesrechtspflege