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Im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über das Bundesgericht hatte das Parlament 2017 die Schaffung einer Berufungskammer beschlossen, um den Rechtsschutz zu stärken und Beschwerden gegen den Sachverhalt von Urteilen des Bundesstrafgerichts zu ermöglichen. Die Berufungskammer geriet allerdings noch vor Aufnahme des Betriebs in die Schlagzeilen, weil das Parlament 2018 in rekordverdächtiger Geschwindigkeit die Zahl der Stellen für Richterinnen oder Richter erhöhen musste, was wiederum Folgen für die Planung des Raumbedarfs hatte. In der Folge hatten sich die GPK beider Räte eingeschaltet und untersucht, was bei der Planung der neuen Gerichtsinstanz schiefgelaufen war.

Ende September 2022 lag der Bericht über die entsprechende Untersuchung zur Berufungskammer des Bundesstrafgerichts vor. Die Fallzahlen und die benötigte Zahl an Gerichtspersonen seien «von Anfang an deutlich unterschätzt» worden, beschied der Bericht. Es sei ursprünglich von elf Berufungen pro Jahr ausgegangen worden; im Schnitt habe es aber zwischen 2019 und 2021 fast 30 Berufungen und über 20 Revisionen gegeben. Darüber hinaus habe man aufgrund des fälschlicherweise als gering geplanten Personalbedarfs die Berufungskammer im Gebäude des Bundesstrafgerichts untergebracht, was im Sinne der Unabhängigkeit von Anfang an zurecht auch kritisiert worden sei.
Als ursächlich für die Fehlplanung machten die GPK in ihrem Bericht ein fehlendes Projektmanagement aus. Darüber hinaus habe die Verwaltungskommission des Bundesgerichts (VK BGer) – die aus drei Bundesrichterinnen oder Bundesrichtern bestehende Aufsichtsbehörde über das Bundesstrafgericht – «ihre Aufgabe ungenügend wahrgenommen». Schliesslich wurde den Verantwortlichen im Bericht gar «politisches Kalkül» vorgeworfen: Aus Angst, das Parlament könnte lediglich einer Minimalvariante der Berufungskammer zustimmen, seien die Zahlen bewusst tief gehalten worden.
Als Konsequenz empfahl die GPK, dass die beiden Rechtskommissionen (RK-NR und RK-SR) eine Gesetzesrevision an die Hand nehmen, damit ein «unabhängiges Berufungs- oder Rechtsmittelgericht als zweite Instanz» geschaffen werden kann.

GPK-Untersuchung zur Berufungskammer des Bundesstrafgerichts
Dossier: Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Die eidgenössischen Gerichte entscheiden intern, welche Fälle welchen Richterinnen oder Richtern zugeordnet werden bzw. wie sich die Gerichtskollegien zusammensetzen, denen diese Fälle zugewiesen werden. Die Bildung dieser ein- bis maximal siebenköpfigen sogenannten Spruchkörper sowie die Geschäftsverteilung, die im Bundesgericht und im Bundesverwaltungsgericht mittels Softwareprogrammen und in den anderen eidgenössischen Gerichten manuell erfolgt, ist in der Schweiz von einiger Brisanz. Weil Richterinnen und Richter mittels Parteienproporz gewählt werden, kann vermutet werden, dass je nach parteilicher Zusammensetzung eines Spruchkörpers andere Urteile gefällt werden. Insbesondere die «Justizinitiative» hatte solche Diskussionen, die letztlich die Unabhängigkeit der Judikative tangieren, verstärkt angeregt, wobei diesen Diskussionen jedoch die Grundlagen gefehlt hatten, da die konkrete Praxis der einzelnen Gerichte kaum bekannt war. Dies nahmen die GPK Anfang 2019 zum Anlass, die PVK mit einer Evaluation zu Spruchkörperbildung und Geschäftsverteilung an den eidgenössischen Gerichten zu beauftragen.
Auf der Basis dieser PVK-Evaluation, die am 5. November 2020 vorgelegt worden war, veröffentlichten die GPK im Juni 2021 einen Bericht, der eine «grundsätzlich positive[...] Bilanz» zog: Die Spruchkörperbildung entspreche Verfassungsgrundsätzen und internationalen Rechtsnormen, Willkür zeige sich dabei in keinem der untersuchten Fälle. Es gebe aber durchaus einige «Lücken und Schwachstellen». So seien die angewandten Verfahrensregeln nicht immer verschriftlicht oder überhaupt nicht veröffentlicht, zudem würde den Beteiligten eines Verfahrens nicht immer aktiv mitgeteilt, wie der Spruchkörper zusammengesetzt sei. Entsprechend gaben die GPK Empfehlungen ab: So verlangten sie etwa eine jährliche Berichterstattung über die Bildung der Spruchkörper und regten an, dies auch im jährlichen Geschäftsbericht der Bundesgerichte der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus verlangten die GPK vom Bundesstrafgericht die Prüfung der Entwicklung einer Software für die Zuteilung der Geschäfte. Beim Bundespatentgericht, das die Zuteilung ebenfalls manuell vornimmt, sei dies in Anbetracht der «überschaubaren Anzahl Fälle» nicht erforderlich. Schliesslich soll das Bundesgericht aus Transparenzgründen wieder ausweisen, welcher Partei seine Mitglieder angehören.

Die Diskussionen um die Spruchkörperbildung nahmen nach der Veröffentlichung des Berichts freilich nicht ab. Auf der einen Seite erhob Asylanwalt Gabriel Püntner in den Medien schwere Vorwürfe gegen das Bundesverwaltungsgericht. Die meisten seiner Fälle würden Spruchkörpern zugeteilt, in denen Richterinnen und Richter, die der SVP angehören, in der Mehrheit seien. Im Februar 2022 reichte Püntner deshalb Strafanzeige gegen einen «noch zu bestimmenden Personenkreis innerhalb» des Bundesverwaltungsgerichts ein, bei dem er vermute, dass er das «System der Spruchkörperbildung [...] beeinflusse». In der Tat zeigte eine aktuelle Studie, dass fast die Hälfte der automatisierten Zuteilung der Fälle nachträglich manuell übersteuert wurde; insbesondere im Asylrecht. Dabei sei nicht nachvollziehbar, weshalb diese Eingriffe durchgeführt worden seien.
Auf der anderen Seite wurde in den Medien über einen konkreten Fall berichtet: Einem SVP-Richter am Bundesverwaltungsgericht werde Amtsmissbrauch vorgeworfen, weil er eigenhändig und entsprechend vorschriftswidrig den Spruchkörper neu eingeteilt habe, in dem er selber sass, so der Tages-Anzeiger.
Ende Mai 2022 gab das Bundesverwaltungsgericht bekannt, die interne Spruchkörperbildung unabhängig überprüfen zu lassen. Auch die GPK kündigten an, die Geschäftszuteilung an den Bundesgerichten im Auge behalten zu wollen.

Spruchkörperbildung und Geschäftsverteilung an den eidgenössischen Gerichten
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Ende April 2022 veröffentlichte die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2021. Der Bericht lobte die beiden Stellvertretenden Bundesanwälte Ruedi Montanari und Jacques Rayroud, denen es als Interimsleiter der Bundesanwaltschaft gelungen sei, «die BA in unaufgeregter Weise weiter zu stabilisieren» und an den frisch gewählten neuen Bundesanwalt, Stefan Blättler, zu übergeben. Im Berichtjahr habe man die Inspektion zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesanwaltschaft und den kantonalen Staatsanwaltschaften in Angriff genommen. Auch der Rücktritt des Sonderstaatsanwaltes Stefan Keller, der mit der Strafuntersuchung gegen den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber betraut und durch zwei Sonderstaatsanwälte – Hans Maurer und Ulrich Weder – ersetzt worden war, war Gegenstand des Berichts. Die AB-BA nahm schliesslich auch Stellung zum GPK-Bericht über das Aufsichtsverhältnis zwischen ihr und der Bundesanwaltschaft: Sie begrüsse die Gesetzesrevision, die dadurch nun angestossen werde.

Jahresbericht 2021 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Gestützt auf ihren Bericht zum Aufsichtsverhältnis zwischen Bundesanwaltschaft und Aufsichtsbehörde (AB-BA) veranlasste die GPK ein Gutachten, um mögliche verbesserte Aufsichtsmodelle zu eruieren. Das Gutachten der Expertinnen und Experten kam zum Schluss, dass an den aktuellen Regelungen festgehalten werden solle, aber punktuelle Verbesserungen angebracht seien. In ihrem Schlussbericht vom 22. Juni 2021 empfahl die GPK entsprechend ein Modell «Status Quo plus»: Die AB-BA soll grundsätzlich gestärkt werden. Neben mehr Ressourcen soll hierfür das Weisungsrecht klarer geregelt und ein umfassendes Akteneinsichtsrecht gewährt werden. Die AB-BA soll aber keine zusätzlichen Befugnisse erhalten, um Personalfragen zu regeln. Die GPK empfahl zudem, die Fragen hinsichtlich Wahl, Wiederwahl und Amtsenthebung mit der laufenden Reform der Bestätigungswahlen von Richterinnen und Richter der Bundesgerichte (im Rahmen des Gegenvorschlags zur Justizinitiative) zu regeln. Es sei insbesondere darauf hinzuarbeiten, dass die «Verpolitisierung» der Wiederwahl der Bundesanwaltschaft vermieden werden könne. Der Bericht schloss mit einem Antrag an die Kommissionen für Rechtsfragen, eine Gesetzesrevision in der Stossrichtung des Modells «Status Quo plus» in Angriff zu nehmen. Mit zwei gleichlautenden Motionen, die noch in der Herbstsession 2021 behandelt wurden, kamen die RK-SR und die RK-NR diesem Antrag nach.

GPK untersucht Verhältnis zwischen AB-BA und BA
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hat die Rechtmässigkeit, die Ordnungsmässigkeit, die Zweckmässigkeit, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeiten der Bundesanwaltschaft zu prüfen und zu unterstützen. Wie sie diese Aufgabe genau wahrnimmt, muss sie jährlich in einem Tätigkeitsbericht zuhanden der Bundesversammlung darlegen.
Diesen Bericht für das Jahr 2020 legte die AB-BA Anfang März 2021 vor. Das Berichtsjahr sei äusserst intensiv gewesen, was vor allem den Ereignissen rund um die Disziplinaruntersuchung des mittlerweile zurückgetretenen Bundesanwalts Michael Lauber geschuldet gewesen sei. In der Zwischenzeit sei der zum Sonderstaatsanwalt ernannte Stefan Keller daran, die Strafanzeige gegen Lauber zu überprüfen. Ein weiterer Schwerpunkt der AB-BA sei der Inspektionsbericht über das Generalsekretariat der Bundesanwaltschaft gewesen, aus dem Empfehlungen für Umstrukturierungen an den noch zu bestimmenden Nachfolger Laubers gerichtet würden. Schliesslich habe die AB-BA eine Stellungnahme zur GPK-Untersuchung zum Verhältnis zwischen der Bundesanwaltschaft und der Aufsichtsbehörde abgegeben: Man sehe den Handlungsbedarf für gesetzliche Reformen, die AB-BA müsse aber möglichst unabhängig bleiben.

Jahresbericht 2020 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Aufgrund des Disziplinarverfahrens gegen den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber habe sich die Berichterstattung über die bereits 2018 durchgeführte Inspektion des Generalsekretariats der Bundesanwaltschaft verzögert, so die AB-BA in ihrem entsprechenden Inspektionsbericht. Ausgangslage für die von der GPK in Auftrag gegebene Untersuchung des Generalsekretariats seien «unterschiedliche Ansichten über dessen Aufgaben und Umfang» gewesen. Auf der Basis von Umfragen und Dokumentenstudium habe die AB-BA unter anderem festgestellt, dass Grundlagendokumente wie Organigramme, Organisationsreglemente und -handbücher entweder ganz fehlten oder veraltet waren. Eine der zehn auf der Basis der Befunde hergeleiteten Empfehlungen war denn auch die Erneuerung und Erstellung dieser Dokumente. Des Weiteren stiess sich die Aufsichtsbehörde laut Bericht an der personellen Dotierung des Generalsekretariats, in dem rund 30 Prozent aller Mitarbeitenden beschäftigt seien. Empfohlen wurde hier eine Analyse, mit der entschieden werden könne, ob Ressourcen in das operative Kerngeschäft der Bundesanwaltschaft verschoben werden könnten. Statt wie unter dem ehemaligen Bundesanwalt Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu suchen, empfehle die AB-BA zudem, die Kommunikationskultur innerhalb der Behörde zu stärken. Teilweise habe durch die vernachlässigte Kommunikation die Akzeptanz der Geschäftsleitung gelitten. Die verschiedenen Empfehlungen seien bewusst an die noch zu wählende Person gerichtet, die die Bundesanwaltschaft in Zukunft führen werde. Der Bericht solle «einen Überblick bieten und eine vorteilhafte Ausgangslage für nötige Erneuerungsprozesse schaffen». Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Michael Lauber habe viel Arbeit vor sich, waren sich die Medien in der Folge einig.

Inspektionsbericht über das Generalsekretariat der Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

In der Herbstsession wurde der Geschäftsbericht des Bundesgerichts 2019 von den Räten zur Kenntnis genommen und gutgeheissen. Die Sprecherin und der Sprecher der GPK und der Subkommissionen Gerichte – Manuela Weichelt-Picard (al, ZG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) – empfahlen dem Nationalrat, den Bericht zu genehmigen, und fassten die wichtigsten Elemente zusammen.
Die Geschäftslast sei – vor allem in der strafrechtlichen, der zweiten zivilrechtlichen und den beiden öffentlich-rechtlichen Abteilungen – nach wie vor sehr hoch, habe aber trotz Pensionierung und Ersatz von 6 von 38 ordentlichen Bundesrichterinnen und Bundesrichtern im Verlauf des Berichtjahres bewältigt werden können. Insgesamt seien 7'937 Fälle behandelt worden (2018: 8'041). Die Personalstrategie sei angepasst worden und man habe noch vor Corona Home-Office für die Gerichtsschreibenden eingeführt sowie mit der Beteiligung an einer Institution mit Krippenplätzen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesorgt.
Die Digitalisierung schreite auch im Rahmen des Projekts «Justitia 4.0» voran, wenn auch nicht so rasch wie gewünscht. 2019 sei die Revision des Bundesgerichtsgesetzes zwar gescheitert, Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer (sp) ersuche die Räte aber, die nicht strittigen Punkte aus der Revision möglichst rasch wieder aufzunehmen. Weichelt-Picard berichtete auch über die Aufsichtsaufgaben, welche das Bundesgericht gegenüber den anderen eidgenössischen Gerichten hat. Das Bundesgericht sei 2019 gebeten worden, die Probleme beim Bundesstrafgericht zu untersuchen. In den Medien waren Führungsschwäche und Mobbing vermutet worden. Der Bundesgerichtspräsident habe sich zuerst zwar noch verhalten optimistisch zur Lage am Bundesstrafgericht geäussert, allerdings seien Ende 2019 neue Vorwürfe aufgetaucht, denen das Bundesgericht nun zusätzlich nachgehen müsse. Der Nationalrat nahm den Bundesbeschluss über den Geschäftsbericht in der Folge diskussionslos an.

Der Ständerat verspürte grössere Lust zur Diskussion über den Bericht. Carlo Sommaruga (sp, GE) erinnerte daran, dass der Jahresbericht des Bundesgerichts in der Regel im ersten Semester und nicht erst drei Monate vor Ende des Jahres debattiert werde. Covid-19 habe aber nun zu dieser Verschiebung geführt und er behalte sich deshalb vor, neben seinem Bericht für die Kommission auch ein paar Bemerkungen zu aktuellen Ereignissen einfliessen zu lassen. Auch er ging auf die Fallzahlen ein: 2019 seien 7'884 neue Fälle ans Bundesgericht gelangt, 86 mehr als im Vorjahr. Die Zahl pendenter Fälle habe im Vergleich zum Vorjahr hingegen marginal abgenommen. Im Schnitt habe die Zeit für die Erledigung eines Falls 140 Tage betragen.
Sommaruga hob aus dem Bericht weiter hervor, dass die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts noch immer nicht in einem anderen Gebäude untergebracht sei, wie dies eigentlich geplant gewesen war.
Das Bundesverwaltungsgericht habe 2019 mit 6'965 neuen Fällen ebenfalls eine hohe Geschäftslast gehabt, führte Sommaruga weiter aus; mit 7'157 erledigten Prozessen und einer Verringerung der Dauer eines Falls (von 2018 durchschnittlich 284 auf 264 Tage) hätten die Pendenzen aber abgebaut werden können.
Auch im Ständerat war die Untersuchung der Vorkommnisse beim Bundesstrafgericht Thema. Leider – so Sommaruga – sei der Untersuchungsbericht gleichzeitig bei der GPK und bei der Presse gelandet, was viel Ärger ausgelöst habe. Die Geschichte sei aber noch nicht zu Ende.
In der Folge nahm Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer als Gast der kleinen Kammer Stellung zu diesem «Fall Bellinzona». Man habe bereits im Januar 2020 mit der Untersuchung begonnen und dann den Abschlussbericht im April 2020 gleichzeitig im Internet aufgeschaltet und der GPK abgegeben. Dies entspreche der eigenen Praxis und sei mit der Subkommission Gerichte abgesprochen gewesen. Nach acht Jahren Tätigkeit in der Aufsichtsbehörde des Bundesgerichts wolle er die Empfehlung abgeben, dass die GPK und die Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten und nicht Gegensätze suchen sollten. Ziel müsse es sein, sicherzustellen, dass die Gerichte ordnungsgemäss funktionierten. Dass dies der Fall sei, könne er garantieren. Carlo Sommaruga insistierte in der Folge, dass die Veröffentlichung des Berichts im Internet mit Namensnennung nicht abgesprochen gewesen sei.
Ebenfalls bezugnehmend auf ein aktuelles Ereignis stellte in der Folge Beat Rieder (cvp, VS) «unverblümt eine direkte Frage an den Herrn Bundesgerichtspräsidenten», nämlich wie er zu Gesuchen auf Verschiebung der Bundesrichterwahlen stehe. In der Tat standen am folgenden Tag die Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichtes an, bei denen aufgrund der Forderung der SVP, einen Bundesrichter nicht zu bestätigen, ein Verschiebungsgesuch der SP diskutiert werden sollte. Meyer argumentierte, dass er sich als Bundesrichter nicht in parlamentarische Geschäfte einmischen wolle. Dies sei gelebte Gewaltenteilung. Seine persönliche Meinung, nachdem er zwölfmal gewählt und wiedergewählt worden sei, sei aber, dass man mit einer Verschiebung keine Probleme lösen würde.
Auch der Ständerat nahm den Bundesbeschluss schliesslich ohne Diskussion an.

Geschäftsbericht 2019 des Bundesgerichts
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesgerichts

Wie gut funktioniert die Überwachung der Bundesanwaltschaft? Diese Frage stand auch aufgrund einer Untersuchung der GPK im Raum. 2010 hatte das Parlament im Rahmen der Reform des Strafbehördenorganisationsgesetzes beschlossen, nicht nur den Bundesanwalt in Zukunft selber zu wählen, sondern auch ein Gremium zu bestimmen, das für das Parlament die Aufsicht über die oberste Strafverfolgungsbehörde übernehmen solle: die AB-BA. Bis anhin waren Wahl und Aufsicht Aufgabe des Bundesrats gewesen. Ziel der Reform war eine Stärkung der Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft gewesen.
Die Ereignisse rund um den amtierenden Bundesanwalt Michael Lauber – die Disziplinaruntersuchung gegen Lauber, dessen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und das von der GK gegen ihn angestrengte Amtsenthebungsverfahren – deckten nun aber auf, dass dieses neue Konstrukt mit Bundesanwaltschaft und Aufsichtsbehörde einige Mängel aufweist. Eine Frage, die sich dabei etwa stellte, war, ob sich die GK mit ihrem Amtsenthebungsverfahren über den Entscheid der AB-BA hinweggesetzt habe, hatte Letztere ja lediglich eine Lohnkürzung und keine Empfehlung für eine Amtsenthebung vorgesehen. Allerdings kann nur das Parlament und nicht die AB-BA über eine Amtsenthebung entscheiden.

Auch in den Medien wurde die Ambivalenz zwischen politischer Entscheidung und juristischen Einschätzung diskutiert. Die NZZ urteilte, dass «der Balanceakt zwischen einer unabhängigen Strafverfolgung und einer wirksamen Kontrolle [..] wegen der Gewaltenteilung immer delikat» sei, und die Aargauer Zeitung bemerkte, dass das «Drama» sich nicht auflöse, «wenn Politiker weiter auf Juristen hören». Die WoZ machte ebenfalls einen Konstruktionsfehler aus, weil die Bundesanwaltschaft nicht wirklich unabhängig sei: Bundesanwältinnen und Bundesanwälte seien in der Schweiz «Fliehkräften politischer Interessen ausgesetzt, müssen sich regelmässig einer Wahl stellen und werden von einem Milizgremium beaufsichtigt, das ebenfalls vom Parlament gewählt wird». Die Zeitung zitierte Dick Marty (fdp, TI), der den Schutz der Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft von der Legislative als nicht gegeben betrachtete. Die Unabhängigkeit könne gar nicht gewährt werden, wenn alle reinredeten. Die WoZ forderte Reformen, befürchtete aber, dass mit dem uneinigen Parlament nicht so rasch Ruhe in die Bundesanwaltschaft einkehren werde.

In den Medien geriet freilich auch die Aufsichtsbehörde in den Fokus. Nicht nur das schwierige Verhältnis zwischen der AB-BA und der Bundesanwaltschaft, sondern auch die Differenzen innerhalb der AB-BA sowie der Führungsstil von Hanspeter Uster, der das Gremium seit 2019 präsidierte, wurden kritisiert. Uster «beisse als Aufseher am richtigen Ort zu, aber er verbeisse sich dabei», urteilte etwa die Aargauer Zeitung.

Die AB-BA selber wird von den Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK) kontrolliert. Die wachsende Kritik sowohl an der Bundesanwaltschaft als auch an der AB-BA hatte die GPK Mitte Mai 2019 veranlasst, eine Untersuchung zum Aufsichtsverhältnis zwischen Bundesanwaltschaft und AB-BA einzuleiten. Der entsprechende Bericht wurde Ende Juni 2020 veröffentlicht und hielt fest, dass die GPK «in den Jahren 2011 bis 2018 [...] grossmehrheitlich positive Rückmeldungen» zur Zusammenarbeit zwischen der AB-BA und der Bundesanwaltschaft erhalten habe, dass sich das «Zusammenarbeitsverhältnis» im Jahr 2019 aber «markant» verändert habe. Im ausführlichen Bericht waren Aussagen der Protagonisten detailliert festgehalten. Laut Bericht habe Michael Lauber seit der Übernahme der Präsidentschaft der AB-BA durch Hanspeter Uster der Dialog gefehlt. Zudem stelle er die Fachkompetenz der Behörde in Frage. Auch hinsichtlich personalrechtlicher Konsequenzen habe es in der Beziehung zwischen Bundesanwaltschaft und Aufsichtsbehörde einen «fundamentalen Wechsel» gegeben. Die AB-BA verstehe sich neu als «Arbeitgeber des Bundesanwalts». Hauptgrund der Zerrüttung sei laut dem Bundesanwalt aber vor allem das Disziplinarverfahren. Er wisse nicht, was man ihm überhaupt vorwerfe. Hanspeter Uster wiederum wurde im Bericht mit der Aussage zitiert, dass er nicht das Gefühl habe, dass es eine Änderung gegeben habe. Er selber habe wohl eher ein Aufsichtsverständnis, während seine Vorgänger «eher ein coachendes Verständnis der Aufsicht gehabt» hätten. Fakt sei aber, dass die AB-BA bei ihrer Aufsichtstätigkeit auf «klare Anzeichen von Amtspflichtverletzungen» gestossen sei, was eine Disziplinaruntersuchung angezeigt habe. «Persönliche Befindlichkeiten» dürften dabei keine Rolle spielen – so Uster laut Bericht.
Ziel der GPK-Untersuchung hätten auch mögliche vertrauensbildende Massnahmen sein sollen. Während Michael Lauber eine Mediation vorgeschlagen habe – etwa in dem Sinne, dass künftig ein Mitglied der GPK bei den gemeinsamen Sitzungen von AB-BA und Bundesanwaltschaft anwesend sein solle –, befürchtete Hanspeter Uster laut Bericht, dass mit einer Mediation «das Fuder überladen» würde. Die GPK lehnte eine solche Mediation schliesslich ab, «da ein solches Verfahren in der Regel den Willen und das Einverständnis beider Seiten voraussetzt, was nicht gegeben war». Eine Entspannung des Verhältnisses würde wohl erst mit Abschluss der Disziplinaruntersuchung einsetzen können, so der Bericht.
In ihren Schlussfolgerungen stellte die GPK fest, dass das Disziplinarverfahren das Verhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und Bundesanwaltschaft stark negativ beeinträchtige, dass der Bundesanwalt deshalb die AB-BA nicht mehr als Aufsicht akzeptiere und es deshalb zu mangelnder Kooperation seitens der Bundesanwaltschaft komme. Es sei zwar wünschenswert, dass ein Vertrauensverhältnis herrsche, es sei aber unerlässlich, dass der Bundesanwalt der AB-BA den nötigen Respekt entgegenbringe, was im Moment nicht der Fall sei. Es sei die AB-BA und nicht der Bundesanwalt, die entscheide, ob und wo Einsichtnahme in Akten angezeigt sei; die Ansicht des Bundesanwalt diesbezüglich entspreche «einem falschen Aufsichtsverständnis». Die Einflussnahme der AB-BA sei vielmehr vom Gesetzgeber gewünscht. Der Bericht hielt weiter fest, dass es mit Hanspeter Uster nicht zu einem Paradigmenwechsel gekommen sei.
In den Schlussfolgerungen wurde allerdings auch die AB-BA für Informationspannen gerügt, «die den Bundesanwalt persönlich getroffen» hätten. Kritisiert wurde auch die unglückliche Medienkommunikation beim Disziplinarverfahren. Zudem seien Inspektionen der Aufsichtsbehörde bisher «ungenügend ausgewertet und in schriftliche Berichte gefasst» worden. Der Bericht der GPK folgerte, dass das System einer unabhängigen Bundesanwaltschaft mit unabhängiger Fachaufsicht grundsätzlich funktionieren könnte, sich jedoch mit dem vorliegenden Fall als «nicht krisenfest» erwiesen habe. Die GPK werde deshalb den «Status quo plus» im Sinne einer Beibehaltung des Systems mit einigen Verbesserungen, aber auch einen Umbau der Institutionen prüfen und in einem weiteren Bericht darlegen.

In den Medien wurde der Bericht als weitere «Niederlage für den Bundesanwalt» bewertet (NZZ). Auch die GPK schlage sich auf die Seite der Aufpasser Laubers, urteilte der Blick und die Aargauer Zeitung verstand den Bericht als «vernichtendes Zeugnis» der GPK gegenüber Lauber.

GPK untersucht Verhältnis zwischen AB-BA und BA
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Anfang März 2020 legte die AB-BA ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2019 vor. Den Schwerpunkt im «intensivsten Arbeitsjahr seit der Aufnahme ihrer Tätigkeit» habe das Disziplinarverfahren gegen Bundesanwalt Michael Lauber gebildet, aufgrund dessen sich die Zusammenarbeit mit der obersten Strafbehörde erschwert habe. Man sei aufgrund der Untersuchung auch zum Schluss gekommen, dass die Aufsichtstätigkeit funktioniere, aber noch verstärkt werden müsse. Im Rahmen des Verfahrens habe man zudem intensiven Kontakt mit verschiedenen parlamentarischen Kommissionen und Fraktionen gehabt. Laut Bericht ist die Behörde zum Schluss gekommen, dass der Bundesanwalt über einen grossen Gestaltungs- und Ermessensspielraum verfüge und es deshalb nicht nur punktuelle Kontrollen, sondern eine systemische Fachaufsicht durch die AB-BA brauche. In ihrer Medienmitteilung stellte sich die Aufsichtsbehörde auch explizit gegen die Idee einer Kontrolle der Bundesanwaltschaft durch die Exekutive, wie das bis 2010, also vor der Reform des Strafbehördenorganisationsgesetzes noch der Fall gewesen war: Eine «Kontrolle der Bundesanwaltschaft durch Bundesrat und Bundesverwaltung könnte die Unabhängigkeit der Strafjustiz des Bundes gefährden, zu einer unerwünschten Verpolitisierung und zu einer deutlichen Schwächung der Aufsicht führen». In der Tat waren im Rahmen der verschiedenen Ereignisse rund um Michael Lauber immer wieder politische Forderungen laut geworden, die eine Rückkehr zum alten System befürworteten, als der Bundesrat für Wahl und Aufsicht der Bundesanwaltschaft zuständig gewesen war.

Jahresbericht 2019 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Tätigkeitsberichte von Bundesbehörden seien nicht der Stoff, auf den sich Medien stürzten, kommentierte die NZZ. Dies sei freilich beim Jahresbericht 2018 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) für einmal anders, da es im Rahmen der Ereignisse rund um die Treffen des Bundesanwaltes Michael Lauber mit Fifa-Präsident Gianni Infantino die Öffentlichkeit interessiere, was die Aufsichtsbehörde dazu meine. Auch die Präsentation des Jahresberichts war anders als in früheren Jahren von einer Medienkonferenz begleitet, die der im Vorjahr gewählte, neue Präsident der AB-BA, Hanspeter Uster, einberufen hatte. Zum ersten Mal enthielt ein AB-BA-Jahresbericht zudem Weisungen an den Bundesanwalt. Erstens solle die Revision des Memorandums zwischen der Bundesanwaltschaft und dem Nachrichtendienst über die Abläufe der Zusammenarbeit hinsichtlich Prävention und Strafverfolgung eingeleitet werden. Zweitens, und bezugnehmend auf die medial stark beachtete Fifa-Geschichte, seien in Zukunft Gespräche mit Parteien oder anderen Verfahrensbeteiligten zu dokumentieren. Im Raum stand zudem der Vorwurf, Lauber habe die AB-BA bezüglich eines dritten Treffens angelogen.
Es knirsche hörbar zwischen der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsichtsbehörde, urteilte die NZZ, was aber gut sei, weil die AB-BA bisher sehr pfleglich mit der von ihr zu überprüfenden Bundesanwaltschaft umgegangen sei.

Jahresbericht 2018 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

In der Sommersession 2018 nahmen die Räte den Geschäftsbericht des Bundesgerichtes 2017 zur Kenntnis. Die Kommissionssprecherinnen und -sprecher – im Ständerat Hans Stöckli (sp, BE) und im Nationalrat Corina Eichenberger-Walther (fdp, AG) sowie Philippe Nantermod (fdp, VS) – hoben verschiedene Elemente des Berichts hervor. So wurde etwa die Einführung des elektronischen Gerichtsdossiers nach «einem harzigen Start» (Stöckli) oder der rege Austausch von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern mit Kolleginnen und Kollegen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erwähnt, wobei man habe erwirken wollen, dass letzterer weniger stark ins nationale Recht eingreife. Stark hervorgehoben wurde freilich insbesondere, dass 2017 mit total 8’029 Fällen erneut ein Rekordjahr war (2016: 7'743), wobei die Zunahme vor allem bei der strafrechtlichen und der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung zu verzeichnen war. Sie stehe auch in Verbindung mit dem in der Strafprozessordnung installierten Ausbau der Verteidigungsrechte im Staatsanwaltsmodell, das einen grösseren Spielraum für die Anfechtung von Entscheiden erlaube. Die Anzahl erledigter Fälle (7'782; 2016: 7'811) und die durchschnittliche Verfahrensdauer (144 Tage; 2016: 140 Tage) entsprechen den Werten des Vorjahres. Es wurde betont, dass diese Zahlen eine Zielverfehlung anzeigten: Die Totalrevision des Bundesgerichtsgesetzes, die nun seit 12 Jahren in Kraft sei, hätte die Entlastung der Gerichte bewirken sollen, was aber klar nicht erreicht worden sei. Die anstehende Teilrevision dieses Gesetzes sei deshalb wichtig. Dies sehe auch das Bundesgericht selber so, wie dessen Vizepräsidentin Martha Niquille in der ständerätlichen Debatte betonte: Es brauche unbedingt eine Entlastung, wenn die Qualität der Rechtsprechung gewahrt werden solle. Man sei im Prinzip mit der Vorlage, wie sie jetzt bereits vorliege, einverstanden – so die Vizepräsidentin weiter. Allerdings warnte sie vor der Idee der subsidiären Verfassungsbeschwerde. Dieses Auffangrechtsmittel sei eher eine Zusatzbelastung und die Erfolgsquote sei derart bescheiden – von den 427 im Jahr 2017 eingegangenen subsidiären Verfassungsbeschwerden seien lediglich 8 gestützt worden –, dass man es getrost streichen könne. Auch Ulrich Meyer, der Präsident des Bundesgerichtes, der in der nationalrätlichen Debatte zugegen war, verwies auf die Bedeutung der Revision. Zwar könne man dank grosser interner Flexibilität und Zu- und Umteilungen von Fällen auf andere Abteilungen die Arbeitslast einigermassen bewältigen, dieses Vorgehen sei aber auf Dauer nicht möglich.
Beim Bundesverwaltungsgericht war die Anzahl neuer Fälle (7’365) im Vergleich zum Vorjahr (8102) etwas zurückgegangen; allerdings seien auch etwas weniger Fälle abgeschlossen worden (7'385; 2016: 7’517) womit sich auch die Erledigungsdauer von 212 auf 268 Tage erhöht habe. Die Zunahme sei vor allem der komplexer werdenden Fälle im Kartell- und Wettbewerbsrecht geschuldet. Erfreulich sei hingegen, dass dank der temporären Aufstockung der Richterstellen im Asylbereich die dortigen Rückstände abgebaut werden könnten.
Im Geschäftsbericht des Bundesstrafgerichtes wurde ausgewiesen, dass mehr Fälle erledigt werden konnten (852; 2016: 787) als eingegangen waren (805; 2016: 901).
Das Bundespatentgericht schliesslich hatte 34 neue Fälle zu verzeichnen (2016: 27) und konnte 2017 deren 24 erledigen (2016: 24).
Die Kommissionssprecherin und die Kommissionssprecher betonten, dass verschiedene Umfragen unter Anwälten und Prozessparteien gezeigt hätten, dass man mit der Arbeit der verschiedenen Gerichte sehr zufrieden sei. Die Schweiz habe eine «gut funktionierende Gerichtsbarkeit» (Stöckli); die «Zusammenarbeit und der Betrieb» liefen gut (Eichenberger-Walther).
Der Geschäftsbericht wurde von beiden Kammern zur Kenntnis genommen und mit Annahme des Bundesbeschlusses über den Geschäftsbericht des Bundesgerichtes für das Jahr 2017 genehmigt.

Geschäftsbericht 2017 des Bundesgerichts
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesgerichts

Internationaler Terrorismus, organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität und Cyber-Crime würden nach neuen Strategien und Arbeitsmethoden für die Bundesanwaltschaft rufen, denen aber gleichzeitig von der nationalen Strafrechts- und Prozessgesetzgebung enge Grenzen gesetzt würden, hielt der Jahresbericht 2017 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) einleitend fest. Erschwerend komme hinzu, dass die Behörde ihre Verfahren in einem stark politisierten Umfeld führe und deshalb im Fokus der Öffentlichkeit stehe. Die AB-BA habe sich im Berichtsjahr vor allem auf systemische Probleme konzentriert. Unter anderem empfahl sie einen Code of Conduct für ehemalige Mitarbeitende. Positiv beurteilte die Aufsichtsbehörde, dass die operativen Abläufe gut funktionierten und die Mitarbeitenden motiviert seien und Eigeninitiative zeigten. Die AB-BA ging im Bericht zudem ausführlich auf den Fall «Daniel M.» ein, der von der GPDel untersucht wurde. Weiter sei gegen Bundesanwalt Michael Lauber 2017 eine Disziplinarbeschwerde eingereicht worden, auf welche die AB-BA laut Jahresbericht aber nicht eingetreten war.

Jahresbericht 2017 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Es gehöre zum Wesen einer Aufsichtsbehörde, dass sie erst dann wahrgenommen werde, wenn die unter Aufsicht stehende Behörde in die Kritik gerate, eröffnete Niklaus Oberholzer, Präsident der AB-BA das Vorwort des Jahresberichts 2016 ebendieser Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft. Die AB-BA mische sich aber nicht in einzelne Verfahren ein und beurteile auch nicht einzelne Staatsanwälte. Vielmehr habe sie Einblick in das gesamte System der Bundesanwaltschaft zu nehmen, betonte er.
In der Tat war die Bundesanwaltschaft aufgrund einzelner Verfahren (FIFA, Petrobras, 1MDB) in den Fokus der Medien geraten. Die AB-BA bescheinigte der Bundesanwaltschaft in ihrem Jahresbericht freilich, in diesen Verfahren verantwortungsbewusst und zielgerichtet vorzugehen. Die Inspektionen hätten keine systemischen Schwächen gezeigt. Kritischer äusserte sich das Aufsichtsgremium zur internen Reorganisation: Diese sei noch in der Aufbauphase und vieles sei noch nicht eingespielt, nicht umgesetzt und es gebe noch Verbesserungspotenzial. Der Administrativaufwand sei hoch und die internen Abläufe noch kompliziert und unklar.

Jahresbericht 2016 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

In ihrem Jahresbericht 2015 hob die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) die verschiedenen Anpassungen hervor, die im Hinblick auf die Gesamterneuerung der Leitungsgremien der Bundesanwaltschaft für die Periode 2016–2019 vorgenommen worden seien. Die strukturelle Reorganisation sei beim Personal zwar zuerst auf Verunsicherung, letztendlich aber doch auf Akzeptanz gestossen. Ende 2015 habe das Unterfangen abgeschlossen werden können. Der Bericht hob zudem hervor, dass die Aufsichtsbehörde bei ihren Inspektionen auf die «(zu) niedrige Zahl von Staatsanwälten» hingewiesen worden sei. Wegen nicht wiederbesetzter Abgänge, aber auch aufgrund der Zunahme der Arbeitsbelastung werde eine Aufstockung der Stellen als «dringend und notwendig» erachtet. In der Presse wurde der Bericht nicht kommentiert.

Jahresbericht 2015 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

In ihrem Jahresbericht 2014 sprach die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) von einem «positiven Eindruck», den sie von der bundesanwaltschaftlichen Tätigkeit der letzten vier Jahre habe. Es sei gelungen, einen grossen Teil alter Fälle abzuarbeiten, wobei auf ein «verantwortungsbewusstes Ressourcenmanagement» geachtet worden sei. Administration und Budgetdisziplin funktionierten sehr gut. Allerdings habe es die Bundesanwaltschaft bisher versäumt, Stellgrössen zu entwickeln, um die Wirksamkeit und Effizienz ihrer Tätigkeiten überprüfen zu können.
Die NZZ urteilte, dass die schlechte Presse über die Bundesanwaltschaft der Vergangenheit angehöre, wofür die Zeitung verbesserte Strukturen, aber auch eine «umsichtige Kommunikation» des Bundesanwaltes Michael Lauber verantwortlich machte.

Jahresbericht 2014 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

In seinem Evaluationsbericht zur neuen Bundesrechtspflege, den er Ende Oktober vorlegte, zog der Bundesrat insgesamt ein positives Fazit. Der auf ein Postulat Pfisterer (fdp, AG) zurückgehende Bericht kam zum Schluss, dass die 2007 in Kraft getretene Reform der Bundesrechtspflege gelungen sei. Die Reform hatte unter anderem zur Schaffung des Bundesverwaltungs- und des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliche eidgenössische Gerichte geführt. Als Problem wurde allerdings die zunehmende und teilweise falsche Belastung des Bundesgerichtes mit unbedeutenden Fällen geortet. Als Massnahme schlug der Bundesrat deshalb vor, den Ausnahmekatalog zu überprüfen. Zudem findet sich im Bericht auch ein Vorschlag für eine Art Verfassungsgerichtsbarkeit: in einem Bestätigungsverfahren müsste das Parlament die Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes innerhalb einer bestimmten Frist bejahen, falls das Bundesgericht einen Widerspruch feststellen würde.

Postulat Evaluation zur neuen Bundesrechtspflege (07.3420)

In seinem Mitte April der Aufsichtsbehörde vorgelegten Tätigkeitsbericht für das Jahr 2012 versuchte Bundesanwalt Michael Lauber den Eindruck von Normalität zu vermitteln. Strukturen und Abläufe seien dank eines neuen Controllingsystems optimiert und einige langjährige Verfahren abgeschlossen worden. Zudem sei das Jahr von Offenheit, Vertrauen und Professionalität geprägt gewesen. Auch die Aufsichtsbehörde beschrieb in ihrem Bericht einen grundsätzlich positiven Eindruck. Einzig die zu hohe Verfahrensdauer wurde kritisiert. Es gäbe zwar durchaus plausible Gründe für die lange Frist, die durchschnittliche Behandlungsdauer von drei bis vier Jahren müsse aber verringert werden. In der Presse wurde es als zu früh erachtet, die Leistungen von Lauber nach nur einem Jahr Amtszeit zu bewerten.

Jahresbericht 2012 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Erstmals veröffentlichte die neu geschaffene Aufsichtsbehörde für die Bundesanwaltschaft (AB-BA) einen Tätigkeitsbericht. Alle operativen und nicht operativen Einheiten wurden im Herbst 2011 inspiziert und eine Bestandesaufnahme von Bereichen erstellt, die in Zukunft besondere Aufmerksamkeit erhalten sollen.

Jahresbericht 2011 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Der im Sommer 2006 erfolgte Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher hatte die GPK des Nationalrats veranlasst, eine Untersuchung über die Umstände dieser Demission durchzuführen. Der am 5. September des Berichtsjahres präsentierte Bericht stellte fest, dass Bundesrat Blocher bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses seine Kompetenzen überschritten habe, namentlich was die Ausrichtung einer Abgangsentschädigung betreffe. Indem er sich mit einem Vertreter des Bundesstrafgerichts, das die fachliche Aufsicht über den Bundesanwalt ausübt, über die Durchführung einer Überprüfung von Roschachers Amtstätigkeit abgesprochen habe, habe er überdies die Gewaltentrennung nicht beachtet. Und drittens habe Blocher unzulässig in die Kompetenzen des Bundesanwalts eingegriffen, als er ihm in einem Fall die Durchführung einer Medienkonferenz untersagte. Viel mehr Aufsehen als diese Vorwürfe erregten aber die Äusserungen von Lucrezia Meier-Schatz (cvp, SG), Präsidentin einer von der GPK gebildeten Subkommission. Sie stellte Dokumente vor, die beweisen sollten, dass der Abgang von Roschacher von langer Hand geplant gewesen sei. Neben einem Bankier namens Oskar Holenweger, gegen den die Bundesanwaltschaft ermittelte, seien daran Journalisten und Politiker und eventuell sogar Bundesrat Blocher selbst beteiligt gewesen. Die Subkommission schloss dies aus Notizen und der Skizze eines Terminplans, welche bei Holenweger von der Polizei beschlagnahmt worden waren, und die den zeitlichen Ablauf der Untersuchungen, politischen Interventionen, Medienenartikel und Massnahmen gegen den Bundesanwalt enthielten. Gemäss Holenweger handelte es sich dabei allerdings nicht um einen im voraus erstellten Aktionsplan, sondern um private Aufzeichnungen, deren Einträge er als persönliche Gedächtnisstütze jeweils nach den Ereignissen gemacht habe.

Die SVP bezeichnete diesen GPK-Subkommissions-Bericht als „Putschversuch gegen Bundesrat Blocher“ (so lautete der Titel der dazu im Nationalrat eingereichten Interpellation; 07.3573). Die Originale der von der GPK-Subkommission als kompromittierend beurteilten Dokumente hatte sich die SVP bei Holenweger beschafft, veröffentlicht und als irrelevant bezeichnet. Die SVP integrierte ihren Protest sofort in ihre kurz vorher gestartete, auf Bundesrat Blocher zentrierte neue Inseratekampagne zu den Nationalratswahlen.

Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher (2006)

Eine Expertenkommission des EJPD präsentierte in einem Zwischenbericht zwei Varianten zur Eindämmung der Geschäftslast. Die eine sieht eine Vorprüfung vor, welche offensichtlich aussichtslose Klagen abweist; die andere ein Annahmeverfahren, welches von vorneherein nur bestimmte Klagen zulässt. Der im Sommer in die Vernehmlassung gegebene Entwurf für eine Totalrevision der Bundesverfassung schlägt vor, die Möglichkeit von Zugangsbeschränkungen explizit in der Verfassung zu erwähnen.

Parlamentarische Initiative zur Erhöhung der Richterzahl

Trotz der 1991 beschlossenen Massnahmen zur Entlastung (v.a. organisatorische Änderungen und zusätzliche Hilfsrichterstellen) ist das Bundesgericht offenbar immer noch überlastet. Bei der Vorstellung des Geschäftsberichts 1993 sprach das Bundesgericht von einem nicht mehr bewältigbaren Pensum und rief nach Sofortmassnahmen. Wie diese aussehen sollten, liess es freilich offen; es riet nur von einer Erhöhung der Richterzahl ab, da dies die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährden würde.

Bundesgericht überlastet

Im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Bundesrätin Kopp wurden im Parlament und in einigen Medien auch gegen Bundesanwalt Rudolf Gerber massive Anschuldigungen erhoben. Er habe es nicht bloss versäumt, dem Verdacht auf Amtsgeheimnisverletzung durch alt-Bundesrätin Kopp nachzugehen, sondern sei auch mitverantwortlich für Ermittlungspannen bei der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels. Die GP, die SP sowie die SVP, aber auch der freisinnige Nationalrat Cincera (ZH), forderten den Rücktritt von Gerber. Der vom Bundesrat mit der Untersuchung des Verhaltens des Bundesanwaltes betraute Alt-Bundesrichter Häfliger stellte in einem am 6. März veröffentlichten Zwischenbericht zwar Unterlassungen fest, die ein Disziplinarverfahren rechtfertigen würden, fand aber keine Anhaltspunkte für die behauptete Protektion von Drogenhändlern. Bundesanwalt Gerber wurde vom Bundesrat mit sofortiger Wirkung beurlaubt und erklärte seine Demission auf den 1. September.
Der vom Bundesrat mit der Durchführung der Disziplinaruntersuchung beauftragte Hans Dressler kam zum Schluss, dass Bundesanwalt Gerber zwar Fehler begangen habe und in einem Fall (unkorrektes Communiqué zur Wiederlegung der Vorwürfe gegen den ehemaligen Chef der Zentralstelle der Betäubungsmittelbekämpfung) der Tatbestand der Dienstpflichtverletzung erfüllt sei. Diese sei aber nicht derart gravierender Art gewesen, dass eine Disziplinarstrafe angebracht sei. Der Bundesrat schloss sich dieser Empfehlung an, rügte aber noch speziell die späte Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen alt-Bundesrätin Kopp.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen