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In Zusammenhang mit der Totalrevision des Krankenversicherungsgesetzes machte die Kartellkommission eine Reihe von Anregungen, welche kostendämpfenden Wettbewerb in die soziale Krankenversicherung bringen sollten. Die Kommission ging von der Feststellung aus, dass im Schweizer Gesundheitswesen — anders als in einem funktionierenden Markt — die Preise bei steigendem Angebot nicht sinken. Trotz stetig zunehmenden Arztezahlen in den vergangenen Jahren gaben die Tarife nicht nach. Das ärztliche Einkommen sei durch die Zahlungspflicht der Krankenkassen quasi garantiert, konstatierte die Kartellkommission und empfahl, das in den Standesregeln der kantonalen Arztegesellschaften festgelegte Konkurrenz- und Vertragsabschlussverbot sei ebenso aufzuheben wie die durch Meistbegünstigungs- und Ausschliesslichkeitsklauseln fixierte Tarifordnung. Dadurch erhielten die Kassen die Möglichkeit, nur mit besonders günstigen Medizinern Tarifverträge abzuschliessen. Nach Auffassung der Kartellkommission sollen auch die Krankenkassen aus der Verbandspflicht entlassen werden, was ihnen ein wettbewerbsorientierteres Vorgehen ermöglichen würde. Den Kassen wurde empfohlen, das Verbot von Preis- und Leistungsvergleichen zu lockern und das Abwerbeverbot von bereits Versicherten aufzuheben. Problematisch erschien der Kommission auch die Rolle der Kantone, die als Finanzierer öffentlicher Spitäler sowohl Vertragspartei als auch Richter in eigener Sache sind, wenn Vertragsverhandlungen zwischen Spitälern und Kassen scheitern, da im Streitfall heute die Kantone festlegen, welche Tarife zur Anwendung kommen. Vom Bund wünschte sich die Kommission eine aktivere Rolle in der Spitalplanung. Das mit den vorgeschlagenen Anderungs- und Ergänzungsvorschlägen verbundene Sparpotential wurde längerfristig auf zwei bis drei Milliarden Franken geschätzt.

Revision der Krankenversicherung – Schaffung des KVG (BRG 91.071)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Prämienverbilligung

Keine Chance im Parlament hatte auch die 1986 von SP und SGB eingereichte Volksinitiative "für eine gesunde Krankenversicherung". Das Volksbegehren, welches die Finanzierung des Gesundheitswesens nicht mehr über einheitliche Kopfprämien sicherstellen will, sondern über Beiträge, die nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit abzustufen wären, wobei in der Taggeldversicherung Lohnprozente zum Einsatz kämen, wurde – in Ubereinstimmung mit dem Bundesrat – von beiden Kammern mit deutlichem Mehr zur Ablehnung empfohlen. Die bürgerlichen Parlamentarier sprachen sich dabei vehement gegen eine weitere sozialpolitische Belastung der Löhne aus, welche wirtschaftlich nicht tragbar wäre. Zudem warfen sie der Initiative vor, eine Zentralisierung des Gesundheitswesens anzustreben. Die Grünen und die LdU/EVP-Fraktion, welche die Initiative nur bedingt unterstützten, wollten ihre Zustimmung in erster Linie als Druckmittel für eine griffige Revision des Krankenversicherungsgesetzes verstanden wissen. Und auch Bundesrat Cotti erinnerte daran, dass sich die Regierung vorbehalten habe, bei einem Scheitern ihrer Vorlage die Initiative neu zu würdigen.

Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung» (BRG 91.070)

Der im Vorjahr vom Bundesrat vorgelegte Entwurf für eine Totalrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) fand im Ständerat, welcher die Vorlage als Erstrat behandelte, gute Aufnahme, was auch darauf zurückgeführt wurde, dass die Kommission sehr sorgfältige Vorarbeit geleistet hatte. In den Hauptpunkten folgte die kleine Kammer den Vorschlägen der Regierung. So wurden die beiden gewichtigsten Neuerungen – Versicherungsobligatorium und Freizügigkeit in der Grundversicherung – diskussionslos angenommen. Damit soll grössere Solidarität zwischen den Versicherten und vermehrter Wettbewerb unter den Versicherern erreicht werden, wobei neu auch den Privatversicherungen der Zugang zur sozialen Krankenversicherung offen steht. Unbestritten war auch der Lastenausgleich unter den Krankenkassen, der Ausbau der Leistungen in der Grundversicherung sowie die Erhöhung und künftige Verwendung der Subventionen zur gezielten individuellen Prämienverbilligung (Abkehr vom Giesskannenprinzip).

Opposition erwuchs der Vorlage in erster Linie von rechter und linker Seite. Der Tessiner Arzt und Lega-Vertreter Morniroli beschwor das Schreckgespenst einer Verstaatlichung des Gesundheitswesens herauf. Die Ratslinke bedauerte die Beibehaltung der ihrer Ansicht nach unsozialen Kopfprämien, die Festsetzung der zu Prämienverbilligung führenden Einkommensgrenzen durch die Kantone, die gesteigerte Belastung der Patienten durch den Selbstbehalt im Spital, die Ausklammerung der Zusatzversicherungen aus dem Sozialversicherungsgesetz sowie den Verzicht auf eine obligatorische Taggeldversicherung. Sie kritisierte zudem, dass der Rat zentrale kostendämpfende Instrumente entweder ganz aus der Vorlage gekippt oder doch deutlich abgeschwächt habe, so etwa den Zulassungsstopp für Ärzte und die Globalbudgetierung auch im ambulanten Bereich. Dennoch wurde der Entwurf schliesslich einstimmig verabschiedet.

Revision der Krankenversicherung – Schaffung des KVG (BRG 91.071)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Prämienverbilligung

Bei den eidgenössischen Abstimmungen verwarf der Zentralvorstand den Beitritt zum IWF und die Revision des Stempelsteuergesetzes, empfahl hingegen beide Vorlagen zum Gewässerschutz, den Zivildienst- und den Gentechnologieartikel sowie die Sexualstrafrechtsreform zur Annahme. Ebenso unterstützte die PdA die Krankenkassen- und die Tierversuchsinitiative, die NEAT sowie den EWR-Beitritt. Stimmfreigabe wurde zur Vorlage über das bäuerliche Bodenrecht beschlossen. Die abgespaltene Basler «PdA (-gegründet) 1944» stellte sich gegen den EWR-Beitritt

Parolen der PdA 1992
Dossier: Parolen der PdA, 1990-1995

Für eine Neugewichtung innerhalb der Sozialversicherungen plädierte Ernst Buschor, CVP-naher Professor an der Hochschule St. Gallen. Er ortete im Lastenausgleich zugunsten der Betagten einen Hauptgrund für den Prämienanstieg der Krankenkassen und regte eine Zweiteilung der Krankenversicherung in eine deregulierte, private Versicherung für Nichtrentner und eine kantonale Gesundheitsvorsorge für Rentner an. Ähnliche Überlegungen, welche die seit Jahrzehnten sakrosankte Solidarität unter den Generationen aufbrechen würden, stellte auch Nationalrat Tschopp (fdp, GE) an. In der Wintersession reichte er unter dem Titel "AHV plus" eine parlamentarische Initiative ein mit dem Ziel, die Kranken- und Unfallversicherung, die AHV und die berufliche Vorsorge durch eine Einrichtung zu ergänzen, welche die Gesundheits- und Betreuungskosten für die über 75-jährigen übernimmt.

Neugewichtung innerhalb der Sozialversicherungen "AHV plus" parlamentarische Initiative

Gegen die vom Parlament beschlossene Einführung einer Spitaltaxe von zehn Franken pro Tag ergriff die PdA das Referendum, da es sich in ihren Augen um eine höchst unsoziale Massnahme handelt.

Referendum gegen die Einführung einer Spitaltaxe von zehn Franken pro Tag

Wie bereits in der Parlamentsdebatte von ihrem Waadtländer Abgeordneten Zisyadis angekündigt, reichte die PdA wegen des Selbstbehalts im stationären Bereich das Referendum gegen diesen Bundesbeschluss ein.

Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (BRG 92.067)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

In der Differenzbereinigung einigten sich die beiden Räte auf einen Kompromiss. Der Ständerat gab bei den Arzttarifen nach und kam auf sein ursprüngliches Modell eines gemilderten Tarifstopps zurück. Auch bei den Medikamenten schwenkte er auf die Linie des Nationalrates ein. Dieser akzeptierte dafür die Selbstbeteiligung der Patienten im Spital. Damit der Beschluss auf den 1. Januar 1993 in Kraft treten kann, wurde er für dringlich erklärt. Gleich wie der Beschluss A vom Vorjahr wurde er auf Ende 1994 befristet. Bis dann soll nach dem mehrfach geäusserten Willen von Regierung und Parlament das revidierte KVG verabschiedet und in Kraft gesetzt sein.

Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (BRG 92.067)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Anders als in der kleinen Kammer war im Nationalrat das Eintreten nicht unbestritten, doch wurde ein Rückweisungsantrag Rychen (svp, BE), welcher die Unterstützung der AP und eines Teiles der FDP fand, deutlich abgelehnt. In der Detailberatung standen sich bei den Arzttarifen drei Anträge gegenüber. Rychen (svp, BE) wollte die Preise einfrieren, Allenspach (fdp, ZH) plädierte für den Beschluss des Ständerates, und die Kommissionsmehrheit sprach sich für den ursprünglichen Entscheid der kleinen Kammer aus. Dank einer Allianz aus SP, CVP, Grünen und SD setzte sich schliesslich dieser Tarifstopp mit Ausnahmen – von denen rund 40% der Arzte profitieren können – mit einer Zweidrittelsmehrheit durch. Den Selbstbehalt für Spitalpatienten kippte der Nationalrat mit praktisch demselben Stimmenverhältnis aus der Vorlage. Dem Argument des Ständerates, dadurch werde das Kostenbewusstsein der Patienten geschärft, setzten die Gegner dieser Bestimmung die Behauptung gegenüber, hier gehe es nicht ums Sparen, sondern um das Abwälzen der Kosten auf die Schultern der Versicherten. Ebenfalls nichts wissen wollte der Nationalrat vom Beschluss des Ständerates, nur noch die Kosten für Medikamente der Arznei- und Spezialitätenliste durch die Grundversicherung abzudecken. Er übernahm damit das Anliegen eines Antrags Plattner (sp, BS) im Ständerat, welcher vergebens darauf hingewiesen hatte, dass die in der Liste nicht aufgeführten Naturheilmittel nicht nur sanfter, sondern auch billiger seien. In den anderen Punkten (Tarife und Preise im stationären Bereich, Prämienplafonierung) schloss sich die grosse der kleinen Kammer an.

Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (BRG 92.067)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Der Ständerat trat ohne Begeisterung auf die Vorlage ein. Im Detail brachte er dann im Sinn von mehr Flexibilität und grösserer Opfersymmetrie einige nicht unwesentliche Korrekturen an. Oppositionslos wurden lediglich die gelockerten Tarifbeschränkungen im stationären Bereich angenommen. Im ambulanten Sektor gab die kleine Kammer vorerst einem Modell den Vorzug, welches im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates bereits 1993 Tariferhöhungen für jene Leistungserbringer zulassen wollte, welche seit 1990 keine Erhöhung des Taxpunktwertes vorgenommen haben. Durch einen Rückkommensantrag Coutau (lp, GE) in letzter Minute wurden die Ärzte dann noch milder behandelt: statt für den einjährigen Tarifstopp mit grosszügiger Ausnahmeregelung stimmte der Ständerat nun einer generellen Erhöhung der Preise und Tarife im ambulanten Sektor zu, es sei denn, die Kosten würden damit mehr als ein Drittel über die allgemeine Teuerung ansteigen. Ein Antrag Onken (sp, TG), die Krankenkassen zum Abschluss besonderer Tarifverträge mit kostengünstig arbeitenden Arzten zu ermächtigen, wurde mit deutlichem Mehr abgelehnt. Die Plafonierung der kantonalen Richtprämien schliesslich wurde nur unter der Bedingung angenommen, dass das gesetzliche Minimum der Reserven der Kassen ausdrücklich garantiert bleibt.

Vermehrt wollte die kleine Kammer hingegen die Patienten in die Pflicht nehmen. Gegen den erbitterten Widerstand von Onken (sp, TG) und Roth (cvp, JU), welche die ebenso entschiedene Unterstützung von Bundesrat Cotti fanden, führte der Rat eine Franchise von 10 Fr. pro Tag für die stationäre Behandlung ein. Unbestritten blieb dagegen die Beschränkung der Gesamtfranchise auf 500 Fr. im Jahr. Von der Kostenbeteiligung im Spital ausgenommen wurden auf Antrag Schmid (cvp, AI) neben den Kindern und den Chronischkranken auch die Frauen im Wochenbett. Keine Opposition erwuchs auch dem Kommissionsantrag, dass Krankenkassen in der Krankenpflege-Grundversicherung nur noch die Pflichtleistungen übernehmen müssen. Mit deutlichem Mehr beschränkte der Rat die Grundversicherung zudem auf Medikamente, die in der Arzneimittel- oder Spezialitätenliste figurieren.

Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (BRG 92.067)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Nach Zürich, wo sich die Besetzung des 1990 von der Regierung beschlossenen Lehrstuhls für Naturheilkunde weiter verzögerte, wird möglicherweise auch der Kanton Bern die Alternativmedizin als eigenständiges Fach in die Ausbildung der angehenden Arztinnen und Ärzte einbeziehen: Im September 1992 reichten über 20'000 Stimmberechtigte eine entsprechende Volksinitiative ein.

Schaffung der Kollegialen Instanz für Komplementärmedizin an der Universität Bern (1995)

Die Christlichsoziale Partei der Schweiz (CSP) fasste im Berichtsjahr die Ja-Parolen zur Krankenkassen- und Tierversuchsinitiative, lehnte die Revision des Stempelsteuergesetzes jedoch ab. Im Berichtsjahr existierten in den Kantonen Freiburg, Graubünden und Luzern von der CVP unabhängige, zur CSP Schweiz zusammengeschlossene Kantonalparteien; die CSP Jura (PCSI) blieb weiterhin autonom.

CSP-Gruppen, welche von der CVP unabhängig sind und ihre Parolen

Zu sämtlichen eidgenössischen Abstimmungsvorlagen ausser jener über die Revision des Stempelsteuergesetzes empfahl die AP die Nein-Parole. Diejenige zum EWR-Beitritt wurde einstimmig gefasst.

Parolen der AP 1992
Dossier: Parolen der AP/FPS, 1990-1994

Bei den übrigen eidgenössischen Volksabstimmungen sprach sich der SGB für die Krankenkasseninitiative aus und gab zur Tierschutzinitiative die Stimme ebenso frei wie zur Gewässerschutzinitiative und zum IWF-Beitritt. Der SGB bekämpfte hingegen die Stempelsteuergesetzrevision, gegen die er zusammen mit der SP das Referendum ergriffen hatte.

Parolen des SGB 1992

Das Anschlussprogramm stiess bei den meisten Kantonsregierungen, den Leistungserbringern und den Krankenkassen sowie bei den bürgerlichen Parteien auf breite Ablehnung. Von den Bundesratsparteien unterstützte einzig die SP die vorgeschlagenen Massnahmen. Dennoch wich der Bundesrat nicht von seiner Linie ab und baute in die definitive Vorlage gar noch eine Verschärfung ein, nämlich für 1993 einen generellen Tarifstopp im ambulanten Bereich. Dieser sollte 1994 nur unter der Bedingung aufgehoben werden können, dass 1993 das Ziel des alten Erlasses – eine Kostensteigerung um höchstens 133% der allgemeinen Teuerung – erreicht würde.

Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (BRG 92.067)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Da der Bundesbeschluss B auf ein Jahr befristet war, legte der Bundesrat anfangs Juni Vorschläge für ein Anschlussprogramm vor. Im stationären Bereich kam er der Kritik der Kantone entgegen und liess für die Berechnung der Spitaltarife neben dem Preis- auch den Lohnindex zu. Bei der Festsetzung der Preise und Tarife der ambulanten Behandlung wurde keine Anderung gegenüber dem Vorjahr vorgenommen. So sollte ein Tarif- und Preisstopp in Kraft treten, wenn der Anstieg der Behandlungskosten je Versicherten und Jahr höher ist als der Anstieg der Konsumentenpreise plus ein Drittel.

Um die Prämienaufschläge der Krankenkassen bis zum Inkrafttreten des revidierten KVG in Grenzen zu halten, entwickelte die Verwaltung ein neues Konzept. Ausgangspunkt für die Berechnung der höchstzulässigen Prämienerhöhung sollten nicht mehr die Prämien einer Kasse sein, sondern die durchschnittliche Vorjahresprämie aller Kassen eines Kantons. Mit diesen kantonalen Richtprämien wollte der Bundesrat unter den Mitgliedern der verschiedenen Kassen einen gewissen Ausgleich schaffen. Voraussetzung dazu war der 1991 vom Parlament beschlossene Risikoausgleich (Beschluss A) unter den Krankenkassen, der 1993 wirksam werden soll. Dieser Ausgleich führt dazu, dass Kassen mit einer günstigen Risikostruktur (viele jüngere Männer) ihre tieferen Prämien stark erhöhen müssen. Diese zusätzlichen Mittel fliessen über einen Ausgleichsfonds zu jenen Kassen, die eine schlechtere Risikostruktur aufweisen (Frauen und ältere Versicherte) und erlauben, deren Prämien stabil zu halten. Die kantonalen Richtprämien dürfen jährlich um höchstens 180% der Vorjahresteuerung erhöht werden. Im Unterschied zum ersten Massnahmenpaket sollte auch die Beschwerdemöglichkeit der Kassen nicht mehr gegeben sein.

Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (BRG 92.067)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

In seinen Leitgedanken zur Legislaturplanung 1991-1995 bezeichnete der Bundesrat als Ziel dieser Revision die Verstärkung der Solidarität, die Kosteneindämmung und eine massvolle Erweiterung der Leistungen ohne grundlegende Änderung des heutigen Systems.

Definition des Ziels der Revision der Krankenversicherung im Rahmen der Legislaturplanung (92.037)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Legislaturplanung 1991–1995 (BRG 92.037)

Das Gesundheitswesen kostet die Schweiz heute weit über CHF 26 Mrd. im Jahr. Geleistet wird diese Summe zu fast zwei Dritteln durch die privaten Haushalte und zu etwa einem Viertel durch die öffentliche Hand. Dies ging aus Schätzung des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor. Zwischen 1985 und 1990 nahmen die Gesundheitskosten um 43.1 Prozent zu, rund 6 Prozentpunkte mehr als das Bruttoinlandprodukt. Gut die Hälfte entfiel dabei auf den stationären Bereich, knapp 30 Prozent auf die ambulante Versorgung; 11.4 Prozent wurden für Medikamente ausgegeben. Die Verwaltungen der Sozialversicherungen und der Gesundheitsbehörden verursachten 6.2 Prozent der Kosten, während nur 1.6 Prozent für Präventionsmassnahmen eingesetzt wurden.

Kosten des Gesundheitswesens (1992–1996)

Im Berichtsjahr 1992 gerieten vor allem die Arzthonorare unter Beschuss. Die von Bundesrat Cotti bei der Beratung des zweiten Massnahmenpakets gegen die Kostensteigerung im Gesundheitswesen angeführten Zahlen über das Durchschnittseinkommen der Ärzte wurden von deren Standesorganisationen zwar heftig bestritten. Doch ergaben Studien, dass die Ärzte in weit grösserem Ausmass für den Kostenschub verantwortlich sind als bisher angenommen. Die teilweise verweigerte Erhöhung der Tarife wurde in den letzten Jahren durch eine massive Mengenausweitung mehr als nur kompensiert. Teuerungsbereinigt nahm das durchschnittliche Einkommen pro Arzt in den letzten acht Jahren um 12 Prozent zu, dasjenige der arbeitenden Gesamtbevölkerung nur um 7 Prozent. Die Untersuchungen zeigten aber auch krasse Unterschiede innerhalb der Ärzteschaft: Ein Viertel der Ärzte, vornehmlich Chefärzte und Spezialisten, kassierte die Hälfte der Krankenkassenleistungen, während das Nettoeinkommen der praktischen Ärzte im Mittel abnahm.

Entwicklung der Arzthonorare (1992)

Die Gegner hatten vor allem ins Feld geführt, dass die Initiative keine Anreize zu kostensparendem Verhalten enthalte. Der Ausschluss der Privatversicherer und die pauschale Ausrichtung von Milliardenbeträgen führe vielmehr zu einer unkontrollierbaren und kostentreibenden Monopolstellung der anerkannten Krankenkassen. Das heutige System werde zementiert, was spätere Strukturbereinigungen behindere. Gerügt wurde auch, die Subventionen würden nach dem Giesskannenprinzip verteilt und nicht — wie in der Vorlage für ein revidiertes Krankenversicherungsgesetz vorgesehen — als gezielte Prämienverbilligung zugunsten jener Versicherten, die darauf angewiesen sind. Zudem würde die Entlastung bei den Prämien durch die notwendig werdenden Steuererhöhungen weitgehend wieder aufgehoben.

Auch die Befürworter — neben den Krankenkassen in erster Linie SP und Gewerkschaften — mussten anerkennen, dass die Initiative keine Systemverbesserungen bringen und damit wenig zur Kosteneindämmung beitragen würde. Sie meinten jedoch, mit der generellen Prämienverbilligung könnten die niedrigeren Einkommen bereits vor Inkrafttreten des neuen KVG wirksam entlastet werden. Das Hauptargument für eine Annahme der Initiative war aber, dass damit der politische Druck erhalten bleibe, was die Chancen echter Reformen bei der Revision des KVG erhöhe.

Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung" und indirekter Gegenvorschlag (BRG 88.014)
Dossier: Eidgenössische Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung"

Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung". Abstimmung vom 16. Februar 1992

Beteiligung: 44,4%
Nein: 1'195'550 (60,7%) / 19 6/2 Stände
Ja: 772'995 (39,3%) / 1 Stand

Parolen:
- Nein: FDP, CVP (2*) , SVP, LdU (1 *), EVP (2), LP, GP (2 ), GB, AP, SD, EDU; CNG, Vorort, SGV, SBV, Veska; Fédération romande des consommatrices
- Ja: SP (1*), PdA; SGB; Konkordat der Schweiz. Krankenkassen, Schweiz. Arbeitsgemeinschaft für Patienteninteressen (Sapi); Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), Konsumentinnenforum Schweiz (KF).
- Stimmfreigabe: VSA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Vox-Analyse dieses Urnengangs zeigte, dass das Verhalten der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in erster Linie vom politischen Links-Rechts-Schema beeinflusst wurde. Das Bildungsniveau spielte ebenfalls eine gewichtige Rolle. Weil Menschen mit schlechterer Ausbildung häufig in bescheidenen Verhältnissen lebten und deshalb von der Initiative eine Verringerung der finanziellen Belastung durch die Krankenkassenprämien erwarteten, hätten sie der Initiative häufiger zugestimmt. Die Gegner des Volksbegehrens sahen in der Vorlage keine geeignete Lösung für das Problem der Kostenexplosion. Aber auch das Ja vieler Befürworter ist gemäss dieser Analyse nicht immer als Zustimmung zur Initiative zu werten. Viele hätten die Initiative angenommen, um so die politischen Instanzen zur raschen Revision der heutigen Krankenversicherungsgesetzgebung zu drängen.

Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung" und indirekter Gegenvorschlag (BRG 88.014)
Dossier: Eidgenössische Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung"

1985 hatte das Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen mit der Rekordzahl von 390'273 Unterschriften seine Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung" eingereicht. Sie umschrieb summarisch die Grundsätze, nach welchen ein zu revidierendes Krankenversicherungsgesetz (KVG) ausgerichtet werden solle. Politischer Zündstoff fand sich vor allem in den Übergangsbestimmungen, denen zufolge der Bund bis zum Inkrafttreten des revidierten KVG zur alten Subventionsordnung aus dem Jahr 1974 zurückkehren und seine Abgeltungen an die Krankenkassen um jährlich ansteigende Beträge massiv erhöhen müsste. Bei anhaltender Teuerung wurde davon ausgegangen, dass sich die Bundessubventionen von 1992 bis 1995 auf über vier Mia. Fr. verdreifachen würden. 1988 bzw. 1989 hatten beide Kammern die Initiative mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, da sie finanziell überrissen sei und keine kostendämpfenden Elemente enthalte. Gewissermassen als indirekter Gegenvorschlag hatte das Parlament den Krankenkassen dann 1990 in einem auf fünf Jahre befristeten Bundesbeschluss eine Anhebung der Subventionen um rund 300 Mio auf 1,3 Mia. Fr. pro Jahr gewährt.

Bei der breiten Gegnerschaft — alle bürgerlichen und rechtsbürgerlichen Parteien sowie der LdU und die Grünen, die Arbeitgeber, die Arzteschaft, die Privatversicherer, aber auch einzelne Krankenkassen wie etwa die Artisana sowie die Mehrheit der Medien — war es nicht weiter erstaunlich, dass die Initiative in der Volksabstimmung recht deutlich verworfen wurde. Mit Ausnahme von Uri lehnten alle Kantone ab. Überraschend war der geringe Ja-Stimmenanteil in der Westschweiz, welche das höchste Prämienniveau kennt. Nur 30,6 bzw. 31,2% der Stimmen konnte die Initiative in den Kantonen Freiburg und Waadt auf sich vereinigen, und auch Genf (34,9%), Wallis (38,1%) und Neuenburg (38,8%) blieben unter dem schweizerischen Durchschnitt.

Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung" und indirekter Gegenvorschlag (BRG 88.014)
Dossier: Eidgenössische Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung"

Auch die Kantone machten teilweise handfeste Opposition gegen die Bundesbeschlüsse. Zehn Kantone erhöhten nur wenige Tage vor Inkrafttreten des Tarifstopps ihre Spitaltaxen zum Teil massiv über die vom Bund festgelegte Limite von 7,8% hinaus. Die Krankenkassenverbände in den Kantonen Aargau, Bern, Nidwalden, Schaffhausen und Thurgau wollten die Spitaltaxerhöhungen nicht akzeptieren und legten beim Bundesrat Beschwerde ein. Dieser gab der Beschwerde zumindest für den Kanton Schaffhausen statt.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Der dringliche Bundesbeschluss B vom Dezember 1991 über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung im Gesundheitswesen strebte eine Plafonierung der Prämienerhöhungen auf rund 10% für 1992 an. Für die meisten Versicherten erhöhten sich die Prämien jedoch über diesen Prozentsatz, da vom Bundesbeschluss nur die Grund- sowie die Einzelversicherung betroffen waren. Zusatz- und Kollektivversicherte mussten deshalb weitergehende Prämienerhöhungen hinnehmen. Mit dem Hinweis auf schwindende Reserven versuchten überdies vor allem die mitgliederstarken Kassen, das BSV zu Sonderregelungen zu bewegen. Die meisten Ausnahmegesuche wurden jedoch abgelehnt.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Zur Diskussion steht auch immer wieder die Stellung der HIV-Positiven und AIDS-Kranken in den Sozialversicherungen. In seiner Stellungnahme zu einer Motion von Felten (sp, BS) verwies der Bundesrat auf das im Vorjahr vom Eidgenössischen Versicherungsgericht gefällte Urteil, wonach eine HIV-Infektion als Krankheit im Rechtssinne zu bezeichnen sei. HIV-Positive würden demzufolge bei Vorbehalten oder der Verweigerung von Zusatzversicherungen nicht speziell diskriminiert, sondern lediglich wie andere Kranke behandelt. Er bekräftigte erneut seinen Wunsch nach einem Obligatorium in der Krankenversicherung, womit die Vorbehalte bei der Grundversicherung dahinfallen würden, und erinnerte daran, dass im BVG Mindestleistungen ohne Vorbehalt garantiert sind. Im überobligatorischen Bereich und bei den Zusatzversicherungen lehnte er spezifische Ausnahmen für HIV-Positive und AIDS-Kranke hingegen ab, da dies nach seiner Auffassung eher noch zu einer weiteren Ausgrenzung der von AIDS Betroffenen führen könnte. Auf seinen Antrag hin wurde die Motion nur als Postulat angenommen.

Stellung der HIV-Positiven und Aids-Kranken in den Sozialversicherungen