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Ein SP-Parteitag in Davos im November stand ganz im Zeichen der Zukunft und Finanzierung des Sozialstaates. Die Delegierten verabschiedeten ein Positionspapier, in dem der «Panikmache» um die Finanzierung des Sozialstaates der Kampf angesagt und die soziale Grundsicherung als unabdingbar für den sozialen Frieden bezeichnet wird. Der Sozialstaat sei auch in Zukunft bezahlbar, dieser solle fortan aber nicht mehr allein durch Lohnprozente, sondern vermehrt über eine erhöhte Mehrwertsteuer finanziert werden. Als vordringlich erachtete die SP die Sicherung der AHV (mit Ruhestandsrenten ab 62 Jahren) und der IV sowie die Ausweitung der Ergänzungsleistungen auf Langzeitarbeitslose und Alleinerziehende. Bekräftigt wurden die Forderungen nach höheren Kinderzulagen und einer Mutterschaftsversicherung.

Mit grossem Mehr stellte die SP zudem die Weichen für einen radikalen Umbau der Krankenversicherung: Bis zum Frühjahr 1997 will sie Vorschläge für eine oder mehrere Volksinitiativen bezüglich einer sozialeren Finanzierung der Krankenversicherung vorlegen. Die heutigen Kopfprämien sollen durch bis zu acht zusätzliche Mehrwertsteuerprozente ersetzt werden, womit die unteren Einkommenskategorien erheblich entlastet würden. Gleichzeitig soll der Kostenschub im Gesundheitswesen eingedämmt werden. Um das Ziel des gezielten Ausbaus der Leistungen und gleichzeitig der Begrenzung der Kostensteigerungen auf das BIP-Wachstum zu erreichen, wird eine nationale Spitalplanung sowie die Steuerung des Gesundheitswesens über Globalbudgets verlangt.

Die Initiativfreudigkeit der Parteispitze wurde von der SP-Basis und verschiedenen, an weiteren SP-Initiativen beteiligten Gruppierungen harsch kritisiert, da die Unterschriftensammlungen für zwei bereits lancierte Initiativen nur harzig liefen.

Parteitag der SP 1996

Die Krankenversicherung war auch das Hauptthema der von-Wattenwyl-Gespräche der vier Bundesratsparteien vor der Wintersession. Die Spitzen von CVP, FDP, SP und SVP waren sich einig, dass trotz Missbehagen in der Bevölkerung das neue KVG nicht schon wieder revidiert werden sollte. Einmal mehr wurde festgestellt, dass man vor dem Inkrafttreten des Gesetzes den Vollzugsaufwand unterschätzt habe. Daraus leiteten die Parteien allerdings unterschiedliche Forderungen ab. Während die SP darauf pochte, dass die Kantone die Prämienverbilligungsbeiträge des Bundes vermehrt auslösen und allenfalls dazu gezwungen werden müssten, setzten sich die Bürgerlichen für Zurückhaltung bei der Erweiterung des Leistungsangebots in der Grundversicherung ein und erwogen allenfalls eine Erhöhung der Franchisen. Bundesrätin Dreifuss versprach, das BSV werde inskünftig die Prämien der Krankenkassen nicht nur buchhalterisch kontrollieren, sondern auch für mehr Transparenz bei der Tarifgestaltung sorgen. Sie drohte jenen Kantonen, welche die Bundesbeiträge nicht voll ausschöpfen mit einer Intervention des Bundes, falls nicht mindestens jene Personen in den Genuss von Verbilligungen kämen, denen dies in der Abstimmungskampagne versprochen worden sei.

von-Wattenwyl-Gespräche

Nachdem auch mehrere kleine Kantone der Ost- und Zentralschweiz ihre Spitallisten publiziert hatten, gingen beim BSV reihenweise Beschwerden von Privatspitälern ein, welche in dieser Aufzählung nicht berücksichtigt worden waren. Der Bundesrat hiess die Beschwerden zumindest teilweise gut und verfügte, dass die Kantone ihre Spitalplanung noch einmal überprüfen müssen und dabei gehalten sind, sämtliche bestehenden Kapazitäten einzubeziehen, also sowohl die kantonalen wie die ausserkantonalen, die öffentlich subventionierten Spitäler wie die Kliniken mit privater Trägerschaft. In seinen Erwägungen betonte der Bundesrat, dass die Spitalplanung eines der Hauptinstrumente zur Kosteneindämmung darstelle. Er räumte ein, dass die Kriterien für eine objektive und transparente Evaluation der verschiedenen Leistungserbringer in den meisten Fällen fehlen. Erst wenn die öffentlichen und privaten Spitäler ihre Kosten und Leistungen nach einer einheitlichen Methode berechneten, könne das beste Preis/Leistung-Verhältnis ermittelt werden. Die Ausführungsbestimmungen zum neuen KVG verlangen deshalb von den Kantonen, bis Ende 1996 dem Bundesrat einen gemeinsamen Vorschlag über die Kostenberechnung und die Leistungsstatistik vorzulegen.

KVG Spitalplanung Kantone

Eine parteiübergreifende Parlamentariergruppe bestehend aus den Abgeordneten Gross (sp, TG), Heberlein (fdp, ZH), Eymann (lp, BS) und Hochreutener (cvp, BE) übernahm eine alte Forderung von Gesundheitsökonomen und propagierte die Abschaffung der kantonalen Subventionen für die öffentlichen Spitäler. Diese sollten stattdessen direkt den Versicherten zukommen. Dies würde zu gleich langen Spiessen für öffentliche und private Spitäler sowie für die stationären und die (nicht subventionierten) ambulanten Behandlungen führen. Dadurch würden auch die Versicherten mehr Einblick in die effektiven Kosten erhalten. Dieser Vorschlag erhielt Unterstützung vom Präsidenten der Sanitätsdirektorenkonferenz und - etwas weniger einhellig - von den Krankenkassen. Er wurde jedoch von einer Arbeitsgruppe der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit unter Hinweis auf die Kompetenz der Kantone abgelehnt.

parteiübergreifende Parlamentariergruppe Abschaffung der kantonalen Subventionen für die öffentlichen Spitäler

Anfangs Herbst diskutierte der Bundesrat, gestützt auf den IDA-FiSo-Bericht, die Weiterentwicklung der Sozialversicherungswerke. Dabei vertrat er die Überzeugung, dass sich das schweizerische Sozialversicherungssystem bewährt hat und kein radikaler Systemwechsel erforderlich ist. Dennoch nahm er die finanziellen Entwicklungsperspektiven mit Sorge zur Kenntnis. Zur Ergänzung der von der Arbeitsgruppe vorgenommenen Analyse beschloss er deshalb, eine Folgearbeitsgruppe IDA FiSo 2 einzusetzen. Sie soll die sozialen und finanziellen Auswirkungen beleuchten, die sich aus einem Aus- oder Abbau bestimmter Sozialversicherungsleistungen ergeben würden. Um den Prüfungsrahmen abzustecken, definierte der Bundesrat einen Katalog von Leistungen im Rahmen von AHV, IV, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, bei denen Ausbau- oder Abbauelemente zu prüfen sind. Diese Elemente sind unter Annahme dreier finanzieller Szenarien (beschränkter Ausbau, Weiterführung des heutigen Leistungssystems, gezielter Leistungsabbau) zu beziffern. Im Rahmen seiner Grundsatzdiskussion beschäftigte sich der Bundesrat auch mit der Frage, welche Sozialversicherungsreformen bereits vor Abschluss der Arbeiten der IDA FiSo 2 an die Hand genommen werden sollten. Er kam dabei zum Schluss, dass die IV-Revision dringlich ist, und dass die EO-Revision sowie die Errichtung einer Mutterschaftsversicherung nicht weiter aufgeschoben werden sollten. Die Vorarbeiten zur 1. BVG-Revision seien weiterzuführen, um diese Reform gleichzeitig mit der 11. AHV-Revision vorlegen zu können.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Mit einem Postulat verlangte Nationalrat und Konsumentenschützer Vollmer (sp, BE), die Krankenkassenprämien seien in den Landesindex der Konsumentenpreise aufzunehmen, da sie ein bedeutender Faktor der generellen Teuerung seien. Das für die Erstellung des Teuerungsindexes verantwortliche Bundesamt für Statistik konterte, die Krankenkassenprämien hingen nicht nur vom Preis der Gesundheitspflege, der bereits im Index enthalten ist, sondern auch von der Menge der erbrachten Leistungen ab. Aus diesem Grund würde die Aufnahme der Krankenkassenprämien in die für die Festsetzung des Preisindexes massgebende Liste der Güter und Dienstleistungen diese in unzulässiger Weise verzerren. Das Postulat wurde dennoch angenommen.

Krankenkassenprämien in den Landesindex der Konsumentenpreise aufzunehmen (Po. 96.3096)

Die PdA prüfte die Lancierung einer Krankenkassen-Initiative, gemäss welcher die Krankenkassenprämien massiv reduziert und künftig entsprechend dem Einkommen berechnet werden sollen. Zur Finanzierung sollen neben Bund und Kantonen auch die Unternehmen herangezogen werden.

Prüfung einer Krankenkassen-Initiative der PdA

Eine vom Bundesrat eingesetzte Arbeitsgruppe empfahl neue gesetzliche Regelungen, um den Persönlichkeitsschutz der Krankenversicherten zu gewährleisten. In ihrem Bericht warnten die Experten, dass die heutigen Auskunftspraktiken zur Diskriminierung in Arbeit und Gesellschaft führen könnten. Der Bericht machte auf die zahlreichen Schnittstellen zwischen Arbeitswelt und Krankenversicherung aufmerksam. Sie forderten insbesondere, dass Betriebsärzte nicht zugleich als Vertrauensärzte einer Krankenkasse wirken dürfen, wenn der Versicherte im selben Betrieb arbeitet. Die Versicherungen sollen ärztliche Unterlagen, die sie zur Prüfung von Arztrechnungen erhalten, spätestens nach fünf Jahren vernichten. Zudem sei der Datenaustausch zwischen verschiedenen Versicherungszweigen (Grund-, Taggeld-, Privatversicherung) zu beschränken. In gleicher Weise äusserte sich auch der Datenschutzbeauftragte, der die Forderung der Krankenkassen zurückwies, mit den Arztrechnungen stets auch über medizinische Diagnosen informiert zu werden. Diese Verquickung der Daten stösst auch der FMH sauer auf; sie bemängelte, trotz Verschlüsselung seien immer noch Rückschlüsse von Medizinalstatistiken auf einzelne Personen und sensible Daten über sie möglich.

Arbeitsgruppe Persönlichkeitsschutz der Krankenversicherten Bericht

1995 richtete der Bund Subventionen von knapp CHF 23 Mrd. aus, das sind CHF 780 Mio. oder 3,5% mehr als im Vorjahr. Die Bundesbeiträge machten 1995 57% (1994: 52%) der gesamten Bundesausgaben aus. Die Reihenfolge blieb unverändert: Mit 42% flossen die meisten Beiträge in den Bereich der Sozialen Wohlfahrt, wo vor allem die Mehrausgaben für die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung (+400 Mio.) sowie die Leistungen des Bundes an die AHV (+188 Mio.) und IV (108 Mio.) ins Gewicht fielen. Bei den zweit- und drittgrössten Subventionsposten, dem Verkehr (25%) und der Landwirtschaft (14%), blieb die Summe praktisch konstant. Bei den Bundesbeiträgen 1995 handelte es sich wertmässig zu 64% um Finanzhilfen (Förderungs- und Erhaltungssubventionen) und zu 36% um Abgeltungen (Entgelte für im Bundesinteresse erbrachte Leistungen). Gute 36% flossen an Sozialversicherungen, 33% an Kantone und Gemeinden, 9% an private Haushalte und Institutionen, 10% kamen bundeseigenen Unternehmungen zugute und 7% gingen ans Ausland und an internationale Organisationen.

Bundessubventionen 1995

Auch der Nationalrat überwies in der Sommersession mehrere Postulate, welche sich mit den Vollzugsproblemen des KVG befassten. Das Anliegen der Befreiung von der Beitragspflicht ab dem dritten Kind wurde von der Waadtländer FDP-Abgeordneten Langenberger aufgenommen, welche auch die Möglichkeit verlangte, während des Militärdienstes die Krankenkasse sistieren zu können, wie dies im alten KVG der Fall war. Eymann (lp, BS) regte an, der Bundesrat solle eine Arbeitsgruppe einsetzen (Po. 96.3082), um Massnahmen zur Erhöhung der Akzeptanz des neuen KVG und flankierende Massnahmen auszuarbeiten, die allenfalls in Beiträge zur Kostensenkung münden könnten. Grobet (pda, GE) verlangte eine Verordnungsänderung, mit welcher die Aufsichtskompetenz des Bundes auf die Kantone ausgedehnt werden soll (Po. 96.3083), damit auch diese Regelwidrigkeiten, insbesondere in Bezug auf die Versicherungsprämien und die von den Leistungserbringern verursachten Kosten, feststellen können. Hingegen lehnte der Rat eine Motion Gonseth (gp, BL), welche mit einer Änderung des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag die Gleichstellung von Frau und Mann auch in den Zusatzversicherungen erreichen wollte (Mo. 95.3322), selbst in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Postulatsform ab. Eine Motion David (cvp, SG), welche verlangte, dass der Bundesrat den Prozentsatz des anrechenbaren Einkommens und Vermögens für die Prämienverbilligung mit dem Ziel eines einheitlichen Vollzugs solle bestimmen können (Mo. 96.3408), wurde in der Wintersession auf Antrag des Bundesrates als Postulat überwiesen. Dieser erinnerte daran, dass dieses Modell ursprünglich vom Bundesrat vorgeschlagen war, dass aber das Parlament - auf Drängen der Kantone - bewusst einer föderalistischen Lösung zugestimmt habe, weshalb es kaum statthaft wäre, nach so kurzer Zeit diese zentrale Bestimmung wieder zu verändern.

Vollzugsproblemen des KVG (Po. 96.3055)

Für rund 15'000 Personen erlosch auf Beginn des Berichtsjahres der Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu AHV und IV, weil die Krankenversicherungsprämie nicht mehr über die EL, sondern über das Prämienverbilligungssystem finanziert wurde. Da einige Kantone die Einkommensgrenzen für die Anspruchsberechtigung auf Prämienverbilligung sehr tief ansetzten, führte dies dazu, dass viele EL-Bezüger und -Bezügerinnen eine materielle Schlechterstellung in Kauf nehmen mussten, weil sie dadurch den Anspruch auf EL verloren. Angeregt durch verschiedene parlamentarische Vorstösse führte deshalb der Bundesrat auf dem Verordnungsweg eine Neuregelung der EL-Berechtigungsberechnung ab 1.1.1997 ein, nach welcher der Betrag für die Krankenkassenprämien separat ausgewiesen wird.

Krankenversicherungsprämie

Als Reaktion einerseits auf den Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe «Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen», welcher für die Zukunft erhebliche Finanzierungslücken konstatierte, und andererseits auf die Forderung der Arbeitgeber nach einem Ausbaustopp für die Sozialwerke verlangten der SGB und die SP in einem gemeinsamen Papier einen weiteren Ausbau. Konkret forderten sie sowohl die Einführung einer Mutterschaftsversicherung und des flexiblen Rentenalters ab 62 Jahren als auch die Erhöhung der Kinderzulagen und grössere staatliche Beiträge an die Krankenversicherungsprämien. Diese zusätzlichen Leistungen sollen primär über einen höheren Satz bei der Mehrwertsteuer und nur noch zu einem geringen Teil über neue Lohnprozente finanziert werden.

SGB und SP fordern weiteren Ausbau der Sozialwerke

In der Sommersession lehnte die kleine Kammer recht deutlich eine Motion Rochat (lp, VD) ab, welche eine Änderung des KVG in dem Sinn verlangte, dass es für die Kassen möglich sein soll, das dritte Kind und alle weiteren Kinder einer Familie von der Prämie zu befreien. Bundesrat und Ratsmehrheit verwiesen darauf, dass eine der zentralen Bestimmungen des neuen KVG die Gleichbehandlung aller Versicherten in der Grundversicherung sei. Mit ähnlichem Stimmenverhältnis verwarf der Rat auch eine Empfehlung Rochat zur Neubemessung der finanziellen Reserven der Krankenkassen (96.3084). Hingegen nahm er ein Postulat Saudan (fdp, GE) an (Po. 96.3086), welches anregt, jenen Kantonen, die dies wünschen, ein gewisses Mitspracherecht bei der Festsetzung der Prämien einzuräumen.

Für die Kassen soll es möglich sein, das dritte Kind und alle weiteren Kinder einer Familie von der Prämie zu befreien (Mo. 96.3085)

Im April 1996 errichteten die Krankenversicherungen – vertreten durch Santésuisse und den Schweizerischen Versicherungsverband – die «Gemeinsame Einrichtung KVG». Diese soll die Behandlungskosten bei Notfällen von Schweizer Bürgern in EU-/EFTA-Staaten übernehmen sowie die Behandlungskosten von EU-/EFTA-Bürgern in der Schweiz vorfinanzieren und in den entsprechenden Staaten zurückfordern; Dienstleistungen zur Versicherungspflicht im Rahmen der Personenfreizügigkeit erbringen sowie die Organisation und Durchführung des Risikoausgleichs zwischen den Versicherungen vornehmen.

Gemeinsame Einrichtung KVG

Seit dem Inkrafttreten des neuen KVG gehen die rein pflegerischen Leistungen im Spitex- und Pflegeheimbereich zu Lasten der Krankenkassen. Das verleitete einzelne Kantone dazu, ihr finanzielles Engagement zu reduzieren und dafür Spitextarifen von bis zu CHF 100 pro Tag zuzustimmen. Bei rund 70'000 pflegebedürftigen Menschen würde dies jährliche Kosten von CHF 2.6 Mrd. verursachen, was rund 15 Prozent der Kosten in der Grundversicherung entsprechen und zu weiteren massiven Prämienschüben führen würde. Die Krankenversicherungen kritisierten, es gehe nicht an, den Kassen auch die Kosten für Altersgebrechen, die keine eigentlichen Krankheiten seien, aufzuladen. Sie appellierten deshalb an die Patienten und Angehörigen sowie die öffentliche Hand, weiterhin ihren Teil der Pflegekosten zu übernehmen, wenn sie nicht den Zusammenbruch des Krankenversicherungssystems riskieren wollten.

Kostenanstieg im Spitex-Bereich seit neuem KVG (Pa.Iv. 97.402)

Tags darauf widmete sich auch der Ständerat den Fragen um die Krankenversicherung. Mit 24 zu 6 Stimmen lehnte er es ab, eine Motion Brunner (sp, GE) zu unterstützen, die einen dringlichen Bundesbeschluss zur Senkung der Krankenkassenprämien für Familien verlangte. Die Motionärin bezweckte damit, die von den Kantonen nicht beanspruchten Prämienverbilligungsbeiträge den Familien zugute kommen zu lassen.

Parlamentarische Vorstösse zu den von den Kantonen für 1996 nicht beanspruchten individuellen Prämienverbilligungen
Dossier: Prämienverbilligung

Der neue Preisüberwacher Werner Marti ortete die hauptsächlichsten Transparenzprobleme bezüglich der Kosten im Gesundheitswesen nicht bei den Krankenkassenprämien, wie dies die kantonalen Sanitätsdirektoren gerügt hatten, sondern in erster Linie bei den Leistungserbringern, insbesondere bei den Spitälern. Bei seinen Stellungnahmen zu verschiedenen Tarifanpassungen von Spitälern habe er feststellen können, dass so bedeutende Parameter wie eine einheitliche Kostenrechnung, Leistungsstatistiken, Betriebsvergleiche und häufig auch Spitalplanungen fehlten. Diese Unterlagen wären aber nötig, um die Wirtschaftlichkeit eines Spitals sowie die Betriebskostenanteile aus Überkapazitäten beurteilen zu können. Gemäss Marti müssten nun die Kantone selbst die Anstrengungen für mehr Transparenz in den Spitälern verstärken, da hier zweifelsohne ein grosses Sparpotential vorhanden sei.

Preisüberwacher ortet Transparenzprobleme im Gesundheitswesen vor allem bei den Spitälern (1996)

Die immer deutlicher werdenden Vollzugsprobleme beim revidierten KVG gaben in der Frühjahrssession der eidgenössischen Räte Anlass zu zahlreichen Vorstössen. In drei dringlichen Interpellationen stellten die Fraktionen der CVP, SP und SVP im Nationalrat eine Reihe von Fragen. Diese betrafen vorab die Prämienentwicklung sowie die kantonalen Prämienverbilligungen (D.Ip. 96.3019 und 96.3025). Von sozialdemokratischer Seite wurde Dringlichkeitsrecht gefordert, um die Kantone zur vollen Ausschöpfung des Prämienverbilligungsvolumens zu zwingen. In der Debatte stimmte zwar die Mehrheit des Rates mit der auch von Bundesrätin Dreifuss geäusserten Meinung überein, dass es nach kaum drei Monaten verfrüht wäre für eine fundierte Kritik des neuen Gesetzes, da insbesondere die teilweise erst geplanten Mechanismen zur Kostendämpfung mehr Zeit bräuchten, um ihre Wirkung zu entfalten. Unwidersprochen blieb demgegenüber die Feststellung, dass das Gesetz überstürzt - d.h. ohne ausreichende Vorbereitungs- und Anpassungszeit - eingeführt worden sei. Zu vielen unbestimmten Begriffen fehle noch die authentische Interpretation, was zu weiterer Verunsicherung beitrage.

Vollzugsprobleme beim KVG geben Anlass zu zahlreichen Vorstössen (Ip. 96.3028)

Ende Jahr stellte sich heraus, dass rund 450 Mio. Fr. der für die individuellen Prämienverbilligungen vorgesehenen knapp 1,9 Mia Fr. Bundesgelder von den Kantonen für 1996 nicht beansprucht werden. Einzig die Westschweizer Kantone sowie Uri, Tessin, Thurgau, Appenzell Innerrhoden und Basel-Stadt zeigten sich bereit, durch eine Erhöhung der eigenen Prämienverbilligungsbeiträge die entsprechende volle Bundessubvention auszulösen. Der Kanton Bern beanspruchte 90%, Baselland 57%, alle anderen Kantone hingegen lediglich 50%. Insgesamt werden 1996 so rund 660 Mio. Fr. bzw. 25% der Bundesbeiträge, die ursprünglich an die Krankenkassenprämien von Versicherten in bescheidenen finanziellen Verhältnissen hätten ausbezahlt werden sollen, von den Kantonen nicht umgesetzt. Dies veranlasste linke Abgeordnete beider Kammern (Jöri, sp, LU (Po. 95.3572) und Zisyadis, pda, VD (Mo. 95.3620) im Nationalrat sowie Brunner, sp, GE im Ständerat (Mo. 95.3592), parlamentarische Vorstösse einzureichen, damit durch einen dringlichen Bundesbeschluss die nicht ausbezahlten Bundesbeiträge rückwirkend als zusätzliche Prämienverbilligung für weniger begüterte Familien mit Kindern oder in Ausbildung stehenden Jugendlichen ausgerichtet werden können.

Parlamentarische Vorstösse zu den von den Kantonen für 1996 nicht beanspruchten individuellen Prämienverbilligungen
Dossier: Prämienverbilligung

Mit Ungeduld erwarteten die Krankenversicherer die Veröffentlichung der neuen Leistungsverordnung, befürchteten sie doch gewaltige Mehrkosten durch den vorgesehenen Ausbau der Pflichtleistungen in der Grundversicherung. Der vom EDI rund drei Monate vor Inkrafttreten des neuen KVG vorgelegte Katalog bemühte sich in erster Linie, bisherige Lücken zu schliessen. So wurden die Vorsorgeuntersuchungen bei Mutterschaft von vier auf acht angehoben, wobei allerdings die Ultraschall-Untersuchungen - ausser bei Risikoschwangerschaften - gestrichen wurden, da deren Wirksamkeit nicht erwiesen sei; die individuelle Prävention vor allem im Vorschulalter wurde verstärkt. Neu müssen in der Spitex-Pflege sämtliche Kosten für Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen von den Krankenversicherungen übernommen werden. Das EDI kam den Versicherern aber insofern entgegen, als die Kosten für die Haushalthilfe nicht entschädigt werden. Mit rund 800 Mio. Fr. macht der Spitex-Ausbau dennoch knapp die Hälfte der gesamten geschätzten Mehrkosten von 1,7 Mia. Fr. aus.

neue Leistungsverordnung Grundversicherung

Der Nationalrat überwies ein Postulat Wick (cvp, BS), welches den Bundesrat einlädt, unverzüglich Massnahmen zu treffen, um gezielt die Sicherung der Qualität und den zweckmässigen Einsatz der obligatorisch versicherten Leistungen zu ermitteln und systematisch wissenschaftlich zu überprüfen.

Der Nationalrat überwies ein Postulat Wick (cvp, BS), welches den Bundesrat einlädt, unverzüglich Massnahmen zu treffen, um gezielt die Sicherung der Qualität und den zweckmässigen Einsatz der obligatorisch versicherten Leistungen zu ermitteln und systematisch wissenschaftlich zu überprüfen [39]

Konkretes mit Utopischem verknüpfen wollte die PdA in ihrer Wahlplattform «Zehn Notwendigkeiten für eine solidarische und fortschrittliche Schweiz». Darin stellt sie die gesellschaftliche Verteilung der Arbeit in Frage und postuliert längerfristig die Einführung der 32-Stundenwoche ohne Kürzung der Löhne. Weiter fordert sie eine allgemeine Sozialversicherung, die mit Lohnprozenten finanziert wird und sowohl AHV wie auch Kranken- und Arbeitslosenversicherung beinhaltet. Klar sprach sich die Partei für einen raschen EU-Beitritt aus.

Wahlplattform 1995 «Zehn Notwendigkeiten für eine solidarische und fortschrittliche Schweiz» der PdA

Die Vox-Befragung zur Abstimmung zeigte klar, dass die beiden Themenkreise Solidarität (Obligatorium der Versicherung, unbeschränkte Leistungspflicht bei Spitalaufenthalten) und Bedürfnis nach Eindämmung der Kostensteigerung die wichtigsten Beweggründe für ein "Ja" waren. Die Nein-Stimmen rekrutierten sich primär aus dem Lager jener, die einen Anstieg der individuellen Prämien befürchteten.

Revision der Krankenversicherung – Schaffung des KVG (BRG 91.071)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Prämienverbilligung

In einer echten Zitterpartie, in welcher das definitive Resultat erst sehr spät feststand, wurde das neue Krankenversicherungsgesetz mit rund 52 Prozent Ja-Stimmen von den Urnengängern knapp gutgeheissen. Ausschlaggebend für das positive Ergebnis waren die hohen Ja-Stimmenanteile im Tessin und in der Westschweiz.

Totalrevision Krankenversicherungsgesetz
Abstimmung vom 4. Dezember 1994

Beteiligung: 43,8 %
Ja: 1'021'175 (51,8%)
Nein: 950'360 (48,2%)

Parolen:
- Ja: FDP (15*), SP, CVP (6*), GP, LP (1*), LdU (1*), EVP; Arbeitgeberverband, Vorort, SGB, CNG, Apotheker-Verein, Patienten- und Konsumentenorganisationen, Rentnerverband, Krankenkassenkonkordat.
- Nein: SVP (6*), FPS, SD, Lega, PdA (1*), EDU; SGV, VESKA, Vereinigung der Privatkliniken.
- Stimmfreigabe: FMH (11*), SBV, Sanitätsdirektorenkonferenz.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Revision der Krankenversicherung – Schaffung des KVG (BRG 91.071)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Prämienverbilligung

Die 1986 von SP und SGB eingereichte Volksinitiative "für eine gesunde Krankenversicherung", welche das Gesundheitswesen nicht mehr über Kopfprämien finanzieren wollte, sondern über Beiträge, die nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit abzustufen wären, wurde erwartungsgemäss in der Volksabstimmung vom 4. Dezember deutlich mit über drei Viertel Neinstimmen sowie von allen Kantonen verworfen. Einkommensabhängige Krankenkassenprämien sind eine alte Forderung der Linken, die auf bürgerlicher Seite seit jeher als rotes Tuch gilt, da damit eine - im Ausland durchaus gängige - Beteiligung der Arbeitgeber an den Gesundheitskosten der Arbeitnehmer verbunden wäre. Die von der Initiative ebenfalls verlangte stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der sozialen Krankenversicherung (mindestens 25%) wurde von den Gegnern als "Schönwettervorschlag" taxiert, da die Initiative zu einem Zeitpunkt eingereicht worden ist, als die Lage der Bundesfinanzen noch bedeutend rosiger aussah als heute.

Volksinitiative "für eine gesunde Krankenversicherung"
Abstimmung vom 4. Dezember 1994


Beteiligung: 43,8 %
Nein: 1'504'177 (76,5% ) / 20 6/2 Stände
Ja: 460'674 (23,5%) / 0 Stände

Parolen:
- Nein: FDP, CVP, SVP, LPS, LdU, EVP, FPS, SD, EDU; Arbeitgeber, Vorort, SGV, CNG, FMH, Konsumentinnenforum.
- Ja: SP, PdA; SGB, Vereinigung unabhängiger Ärzte, Stiftung für Konsumentenschutz.
- Stimmfreigabe: GPS (2*), Lega

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung» (BRG 91.070)