Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Klimapolitik
  • Kinder- und Jugendpolitik

Akteure

Prozesse

1014 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Bei den Grünen Schweiz trat zu Jahresbeginn 2023 Rahel Estermann ihr Amt als Generalsekretärin an. Die 35-jährige Luzerner Kantonsrätin war seit 2020 bereits stellvertretende Generalsekretärin der Grünen gewesen. Während sieben Jahren hatte sie davor das Sekretariat der Luzerner Kantonalpartei geführt.
Nebst Estermanns Einsatz für klassische grüne Werte – eine klimafreundliche, ökologische und solidarische Gesellschaft – hoben die Grünen in ihrer Medienmitteilung auch Estermanns Expertise im Bereich der digitalen Grundrechte hervor; Parteipräsident Balthasar Glättli hoffte, sie werde damit die Grünen als «netzpolitische Avantgarde» positionieren können. Estermann ihrerseits attestierte ihrer Partei unter Verweis auf die geplante europapolitische Volksinitiative der Grünen mit der Operation Libero und auf die bereits lancierte Klimafonds-Initiative von Grünen und SP eine bereits grössere inhaltliche Vielfalt als noch vor einigen Jahren.
Estermann folgte als Generalsekretärin auf Florian Irminger, der seinen Posten nach einer Amtszeit von rund zwei Jahren aus familiären Gründen aufgab. Als Irmingers Vermächtnis hob Glättli unter anderem den «Ausbau der grünen Strukturen nach dem grossen Wahlsieg 2019» sowie seine Mitarbeit in der Entwicklung der grünen Positionierung in Zeiten der Covid-19-Pandemie und der grünen Aussenpolitik nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hervor.

Generalsekretariat der Grünen Schweiz

Jahresrückblick 2022: Verbände

In der Schweizer Verbandslandschaft kam es im Jahr 2022 zu einigen Veränderungen. So löste sich etwa die Aktion für eine unabhängige Schweiz (AUNS), die mit dem EWR-Nein vor genau 30 Jahren ihren grössten Erfolg gefeiert hatte, auf Betreiben ihres Gründervaters Christoph Blocher auf und schloss sich mit zwei kleineren EU-kritischen Vereinen zur neuen Organisation «Pro Schweiz» zusammen. Angestrebt wird eine verbesserte Referendums- und Initiativfähigkeit, nachdem es um die AUNS zuletzt relativ ruhig geworden war. Mit der Neutralitätsinitiative beschloss «Pro Schweiz» an ihrer Gründungsversammlung denn auch gleich die Lancierung ihres ersten Initiativprojekts.

Auch bei den grossen Wirtschaftsverbänden gab es Neuerungen. Nachdem sich Economiesuisse, der Arbeitgeberverband (SAV) und der Gewerbeverband (SGV) schon 2021 zu einer engeren Zusammenarbeit bekannt hatten, schlossen sie im Sommer 2022 auch mit dem Bauernverband (SBV) eine «strategische Allianz». Die vier Allianzpartner wollen sowohl bei Abstimmungskämpfen als auch im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2023 vermehrt «gemeinsam für eine wirtschafts- und agrarfreundliche Politik kämpfen». Der Schritt wurde weitherum als Reaktion darauf gewertet, dass die Wirtschaftsverbände zuletzt zunehmend Schwierigkeiten bekundet hatten, bei Volksabstimmungen Mehrheiten für ihre Positionen zu erhalten. Auch 2022 mussten sie aus ihrer Sicht schmerzhafte Abstimmungsniederlagen einstecken, einerseits mit der Annahme der Initiative für ein Tabakwerbeverbot und des Filmgesetzes, andererseits mit der Ablehnung der Reformen der Stempelsteuer und der Verrechnungssteuer. Dass sie sich hingegen im September mit dem Ja zur AHV-21-Reform an der Urne knapp durchsetzen konnten, wurde teilweise als erste Frucht der neuen Allianz mit dem SBV interpretiert. Der SBV wiederum konnte sich über das deutliche Nein zur Massentierhaltungsinitiative freuen.

Eine besondere Entwicklung nahm im Jahresverlauf das Verhältnis zwischen den Krankenkassenverbänden Curafutura und Santésuisse, das meist angespannt gewesen war, seitdem sich Curafutura 2013 von Santésuisse abgespaltet hatte: Aufgrund zahlreicher inhaltlicher Differenzen, aber offenbar auch persönlicher Animositäten erreichte dieses Verhältnis im Frühling 2022 zunächst einen Tiefpunkt, und Gesundheitspolitikerinnen und -politiker aus dem gesamten politischen Spektrum äusserten erheblichen Unmut über die schwierige Zusammenarbeit mit den tief zerstrittenen Verbänden. Bis im Herbst entspannte sich das Verhältnis indessen deutlich, und beide Verbandsspitzen sprachen gar öffentlich von einer möglichen Wiedervereinigung.

Keine Fusion wird es bis auf Weiteres zwischen dem VPOD und dem Bundespersonalverband (PVB) geben. Nachdem die beiden Gewerkschaften einen solchen Schritt 2022 zunächst erwogen hatten, wurde diese Option vom PVB schliesslich verworfen. Der PVB will stattdessen eine Lösung aushandeln, bei der er als Kollektivmitglied dem VPOD beitreten könnte, womit seine unabhängige Rechtspersönlichkeit gewahrt bliebe und dennoch eine engere Verzahnung der beiden Gewerkschaften erreicht würde.
Die Syna sorgte einerseits mit internen Konflikten für Aufmerksamkeit und andererseits mit einem von ihr und der Unia intensiv geführten Kampf mit dem Baumeisterverband (SBV) um Anpassungen am Landesmantelvertrag im Bauhauptgewerbe. Die Gewerkschaften veranlassten in dessen Rahmen im Herbst eine landesweite Reihe von Arbeitsniederlegungen auf Baustellen.
An der Abstimmungsurne war die Bilanz auch für die Gewerkschaften gemischt: Während sie bei der Erhöhung des Frauenrentenalters im Rahmen der AHV-Reform und beim Medienpaket schmerzhafte Niederlagen einstecken mussten, standen sie bei den Abstimmungen zur Stempel- und zur Verrechnungssteuer sowie zum Filmgesetz auf der Siegerseite.

Schwierig verlief das Jahr für mehrere Organisationen, die in den letzten Jahren im Rahmen der Protestbewegung gegen die Covid-19-Massnahmen des Bundesrats entstanden waren. So wurden die «Freunde der Verfassung» von internen Konflikten und zwei Rücktrittswellen aus dem Vereinsvorstand erschüttert. Auch bei den Freiheitstrychlern entbrannte ein heftiger Konflikt zwischen zwei Führungspersonen, es kam zu Drohungen und Polizeieinsätzen. Der Verein «Mass-voll» wiederum musste gleich zu Beginn des Jahres eine grössere Abspaltung verkraften, als viele Mitglieder einen neuen Verein mit weniger politischer Ausrichtung gründeten. Insgesamt wurde es um diese Organisationen im Vergleich zum Vorjahr deutlich stiller, teils wohl wegen einer gewissen Lähmung durch diese internen Konflikte und teils wegen des Wegfalls der wichtigsten Triebfeder und Zielscheibe ihrer Proteste: Der Bundesrat hatte im Frühling 2022 die meisten Covid-Massnahmen aufgehoben. Dem Versuch eines Teils der Bewegung, unter dem Namen «Aufrecht Schweiz» bei verschiedenen kantonalen und kommunalen Parlaments- und Regierungswahlen politische Ämter zu erringen, war kein Erfolg beschieden. Die «Freunde der Verfassung» und «Mass-voll» konnten sich immerhin über die Ablehnung des Medienpakets im Februar freuen, zu dessen Gegnerinnen und Gegnern sie zählten.

Auch verschiedene Gruppierungen der Klimabewegung vermochten sich und ihre Forderungen nach griffigeren Klimaschutzmassnahmen ins mediale Scheinwerferlicht zu rücken. Um dies zu erreichen und der Dringlichkeit ihrer Anliegen Nachdruck zu verleihen, bedienten sie sich nebst Demonstrationen auch umstrittener und möglicherweise unerlaubter Aktionsformen. Dazu gehörten beispielsweise ein Aufruf zur Militärdienstverweigerung (Waadtländer Sektion von «Klimastreik Schweiz»), die Blockade von Verkehrsachsen («Renovate Switzerland») oder das Luftablassen aus Reifen von Geländewagen («The Tyre Extinguishers»). Kritikerinnen und Kritiker monierten, dass sich solche Gruppierungen radikalisiert hätten und damit den eigenen Anliegen einen Bärendienst erwiesen, weil sie die breite Öffentlichkeit gegen sich aufbrächten und diese mehr über die Aktionsformen als über die inhaltlichen Forderungen der Klimabewegung diskutiere.

Insgesamt waren die Verbände in den Medien etwa gleich oft Thema wie in den beiden Vorjahren. Erhöhte Aufmerksamkeit gab es im Februar für die doppelte Abstimmungsniederlage der Economiesuisse (Kategorie «Industrieverbände»), im Mai für die Bemühungen der Tourismusverbände um die Einstellung ukrainischer Flüchtlinge, im Frühling für die Konflikte bei den Covid-Protestorganisationen und für die F-35-Initiative der GSoA («ausserparteiliche Interessen») und schliesslich im Herbst für die Arbeitsniederlegungen auf den Baustellen und die Lohnforderungen der Gewerkschaften (siehe die APS-Zeitungsanalyse 2022 im Anhang).

Jahresrückblick 2022: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2022: Umweltschutz

Zentrales Thema im Bereich des Umweltschutzes war 2022 erneut die Klimapolitik. Dabei standen die Diskussionen um die Gletscherinitiative respektive allen voran um deren indirekten Gegenvorschlag im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit: Mit dieser in der Herbstsession unter Dach und Fach gebrachten Vorlage in Form des «Bundesgesetzes über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» beschlossen die Räte, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden soll. Dies soll unter anderem mit Emissionsreduktionszielen in den einzelnen Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie, einem Sonderprogramm zum Ersatz von fossilen Heizungsanlagen und zur Stärkung der Energieeffizienz sowie mit der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen sichergestellt werden. Die SVP ergriff gegen die von ihr als «Stromfresser-Gesetz» bezeichnete Vorlage das Referendum. Auch gegen das dringliche Bundesgesetz, mit dem das Parlament den Ausbau der Photovoltaik mittels grossflächiger Anlagen in den Bergen voranbringen will, wurde das Referendum ergriffen.
Im Berichtsjahr stellte der Bundesrat zudem das CO2-Gesetz für die Zeit nach 2024 vor, das an das geltende CO2-Gesetz anknüpfte, welches vom Parlament bis 2024 verlängert worden war. Ziel ist eine Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 50 Prozent, was mit konkreten Massnahmen und finanziellen Mitteln über insgesamt CHF 4.1 Mrd in den verschiedensten Bereichen, wie etwa dem Verkehrswesen, beim Import von Treibstoffen, aber auch beim Finanzmarkt erreicht werden soll.
Im September 2022 startete schliesslich die Unterschriftensammlung für die Klimafonds-Initiative, mit der die SP und die Grünen einen Fonds zur Finanzierung von Massnahmen einrichten wollen, die den Klimawandel und seine Folgen für Mensch, Wirtschaft und Umwelt in Übereinstimmung mit dem Klimaabkommen von Paris bekämpfen.
Trotz dieser verschiedenen Projekte blieb die mediale Berichterstattung zum Thema Umweltschutz im Jahr 2022 jedoch hinter derjenigen des Vorjahrs zurück, als an der Urne über das CO2-Gesetz abgestimmt worden war. Jedoch sorgte der heisse Sommer 2022 für einen Anstieg der Medienberichterstattung zum Thema «Klimapolitik» sowie zum Thema «Schutz vor Naturgefahren». Letzteres wurde aufgrund mehrerer Hitzeperioden sowie der in manchen Regionen der Schweiz stark ausgeprägten Trockenheit in zahlreichen Zeitungsartikeln diskutiert – insbesondere im Hinblick auf die Situation in der Landwirtschaft (vgl. Abbildung 1).

Beim Biodiversitäts- und Landschaftsschutz stand der vermeintliche oder tatsächliche Widerspruch zwischen Naturschutz und Ausbau der erneuerbaren Energien im Fokus von Medien und Politik. Im Frühjahr 2022 gab es einige Medienaufmerksamkeit zu Projekten in den Bereichen Photovoltaik und Wasserkraft sowie zu den diesbezüglichen Reaktionen von Organisationen des Natur- und Landschaftsschutzes. So stiess etwa ein geplanter Photovoltaikpark im Hochgebirge oberhalb von Gondo (VS) bei der ENHK auf Widerstand. Deren Präsidentin Heidi Z’graggen (mitte, UR) wehrte sich gegen die «Verunstaltung» der Schweizer Landschaften durch Solarpanels. In einer Motion forderte sie deshalb ein Moratorium für den Bau solcher Anlagen. Überdies wehrte sich die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz im Nachgang zu einem runden Tisch zur Wasserkraft gegen einen neuen Stausee am Gornergletscher und die Organisation Aqua Viva opponierte zusammen mit dem Grimselverein gegen einen geplanten Stausee beim Triftgletscher. Als Grund für den Widerstand wurde in beiden Fällen der Landschaftsschutz vorgebracht.
Das Dilemma zwischen Ausbau der Erneuerbaren und Schutz der Umwelt fand auch im Rahmen der nationalrätlichen Debatte über die Biodiversitätsinitiative und deren indirekten Gegenvorschlag ihren Niederschlag. Dazu gesellten sich intensive Debatten über den Schutz der Biodiversität und der diesbezüglichen – je nach Sichtweise positiven oder negativen – Folgen für die Landwirtschaft. Während sich der Nationalrat in der Herbstsession für den indirekten Gegenvorschlag und für einen qualitativen Ansatz des Biodiversitätsschutzes anstelle eines konkreten Flächenziels aussprach, konnte sich die kleine Kammer im Berichtsjahr noch nicht zur Vorlage äussern.

Beim Thema Gewässerschutz führte ein Bericht der GPK-NR zum Grundwasserschutz, der insbesondere die Vollzugsdefizite der Kantone beim planerischen Grundwasserschutz bemängelte, zur Einreichung dreier Vorstösse ebendieser Kommission: Eine erste Motion verlangte verbindliche Fristen für die Umsetzung aller rechtlich vorgesehener Massnahmen des planerischen Grundwasserschutzes, eine zweite Motion wollte, dass das geltende Gewässerschutzrecht um Aufsichts- und Interventionsmöglichkeiten beim Vollzug erweitert wird, und ein Postulat forderte die Prüfung und gegebenenfalls die Anpassung des Gewässerschutzprogramms in der Landwirtschaft. Alle drei Vorstösse wurden in der Wintersession 2022 vom Nationalrat gutgeheissen.

2022 gab es schliesslich auch Fortschritte beim Thema Abfallvermeidung: Ein auf die parlamentarische Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» zurückgehender Entwurf in Form einer Revision des USG war in der Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen worden. Die Vorlage, die den Grundsatz der Ressourcenschonung im USG verankern will und die Massnahmen in zahlreichen Bereichen, wie etwa beim Abfallwesen, beim Littering, beim Produktedesign oder im Bausektor fordert, wird wohl nächstes Jahr im Parlament diskutiert werden.

Jahresrückblick 2022: Umweltschutz
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen

Nach gut zwei Jahren Covid-19-Pandemie war es dieses Jahr endlich wieder so weit: Die Schweiz durfte die Kultur wieder ohne Einschränkungen geniessen. Bereits am 16. Februar 2022 hob der Bundesrat den Grossteil der nationalen Massnahmen – auch diejenigen im Kulturbereich – auf, woraufhin es in der Kultur ein breites Aufatmen und Erwachen gab. Konzerte und Festivals, sowie Museen, Theater oder Kinos konnten wieder gänzlich ohne Einschränkungen besucht werden. Dies führte auch dazu, dass der Kulturbereich – nach zwei Jahren verstärkter Aufmerksamkeit durch Covid-19 – in den Medien etwas aus dem Fokus geriet, wie Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse zeigt.

Die Kulturpolitik der Schweiz war 2022 von drei grösseren Themen geprägt: der Abstimmung zur Revision des Filmförderungsgesetzes, dem neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele und der Frage, wie die Schweiz mit Nazi-Raubkunst umgehen soll.

Nachdem die Beratungen zur Revision des Filmförderungsgesetzes – Lex Netflix – nach langwierigen Diskussionen als letztes Geschäft der Kulturbotschaft 2021-2024 in der Herbstsession 2021 zu einem Abschluss gekommen war, ergriffen die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen sowie die Junge SVP Ende Januar 2022 erfolgreich das Referendum. Streaming-Anbietende wie Netflix oder Disney+ sollten mit diesem Gesetz unter anderem dazu verpflichtet werden, vier Prozent des Umsatzes in das schweizerische Filmschaffen zu investieren oder für die Bewerbung Schweizer Filme einzusetzen. Zudem mussten die Plattformen 30 Prozent des Angebots mit europäischen Beiträgen füllen. Die bürgerlichen Jungparteien störten sich besonders an diesen beiden Punkten: Zum einen befürchteten sie, mit der Pflichtabgabe würde eine Erhöhung der Abo-Preise einhergehen, und zum anderen erachteten sie die Quote für europäische Filme und Serien als «bevormundend und eurozentristisch». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nahmen das Gesetz im Mai 2022 jedoch mit 58.1 Prozent Ja-Stimmen an. Der Abstimmungskampf war dann auch das einzige Ereignis des Jahres, welches im Bereich Kulturpolitik zu einem substantiellen Anstieg der medialen Berichterstattung führte (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse).

Ohne grosse mediale Beachtung fanden in der Herbstsession 2022 die Beratungen um das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele nach gut zwei Jahren ein Ende. Ziel des Gesetzes soll es sein, Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt- und Sexualdarstellungen in Filmen und Videospielen zu schützen, etwa durch eine schweizweite Alterskennzeichnung und -kontrolle der Produkte. Die Verantwortung, diese Regelungen zu entwickeln, wurde den Branchenorganisationen überlassen, welche entsprechende Expertinnen und Experten hinzuziehen sollen.

Für hitzige mediale Debatten sorgte hingegen die Kunstsammlung von Emil Bührle, der gemäss Medien ein Nazisympathisant und Waffenlieferant im Zweiten Weltkrieg war. Als Teile seiner Sammlung im Sommer 2021 im Kunsthaus Zürich ausgestellt worden waren, waren darob hitzige Diskussionen entbrannt, insbesondere weil Bührle Nazi-Raubkunst besessen habe und die Provenienz bei einigen Werken der Sammlung nicht endgültig geklärt sei. Diese Debatte ging auch an Bundesbern nicht ohne Spuren vorbei. So nahmen die Räte eine Kommissionsmotion der WBK-NR an, welche die Schaffung einer Plattform für die Provenienzforschung von Kulturgütern forderte. Weiter hiessen sie eine Motion gut, mit der eine unabhängige Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter geschaffen werden sollte. Offen liessen die Räte, ob eine solche Kommission auch für Raubkunst aus kolonialen Kontexten geschaffen werden soll.

Rund um die kirchen- und religionspolitische Fragen blieb es in der Bundespolitik im Jahr 2022 eher ruhig, jedoch weckte die katholische Kirche der Schweiz einige mediale Aufmerksamkeit, wie erneut in der APS-Zeitungsanalyse ersichtlich wird. Der Universität Zürich war im Frühling 2022 in Form eines Pilotprojekts ein Forschungsauftrag erteilt worden, mit dem die sexuellen Missbräuche innerhalb der Schweizer katholischen Kirche seit 1950 wissenschaftlich untersucht werden sollten. Dabei sollte ein Fokus auf die Strukturen gelegt werden, welche dabei geholfen hatten, die Missbräuche zu vertuschen. Zu diesem Zweck öffnete die katholische Kirche der Schweiz ihre Geheimarchive für die Forschenden.
Heftige Debatten rief auch der vom Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain eingeführte, für die Angestellten aller Ebenen der katholischen Kirche verbindliche Verhaltenskodex hervor, mit dem sexuellem Missbrauch vorgebeugt werden sollte. Einige Priester von Chur weigerten sich, den Kodex zu unterzeichnen, da einzelne Weisungen daraus der katholischen Lehre entgegenlaufen würden – so untersage er es etwa, sich negativ über die sexuelle Ausrichtung von Menschen auszusprechen.

Anfang 2022 verlängerte das SEM die muslimische Seelsorge in den Bundesasylzentren, welche Anfang 2021 in einzelnen Regionen als Pilotprojekt eingeführt worden war. Zuvor hatte eine Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg eine positive Bilanz gezogen. Sollten die Ergebnisse auch nach diesem Jahr positiv ausfallen, strebt das SEM eine permanente Einführung des Angebots und einen Ausbau auf alle Bundesasylzentren an – sofern die Finanzierung dafür gesichert werden kann. Bereits 2018 war ein entsprechendes Pilotprojekt aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf Eis gelegt worden.

Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Dezember 2020 reichte Balthasar Glättli (gp, ZH) eine Motion für ein nachhaltiges Impulsprogramm zur Bewältigung der Corona-Krise ein. Dieses Impulsprogramm sollte verschiedene Massnahmen und Ziele verfolgen, wie erhöhte Investitionen in den Klimaschutz, Schaffung neuer Arbeitsplätze in nachhaltigen Bereichen, neue Erwerbsperspektiven für Menschen in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit durch Weiterbildungen und Umschulungen, eine Ausbildungsoffensive gegen den Fachkräftemangel oder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich. Der Bundesrat beantragte in seiner Stellungnahme vom Februar 2021, die Motion abzulehnen, und verwies dabei auf bereits geplante Investitionen und Bemühungen seinerseits sowie des Parlaments. Im Dezember 2022 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innerhalb der zweijährigen Frist behandelt worden war.

Grüner aus der Corona-Krise: Für ein nachhaltiges Impulsprogramm, das Klimaschutz-Jobs, Zukunfts-Jobs und Care-Jobs schafft (Mo. 20.4726)
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen

Der Bundesrat publizierte im Dezember 2022 den Bericht «Umwelt Schweiz 2022». Dieser gab einen allgemeinen Überblick über den Zustand der Umwelt in der Schweiz und führte die grössten Herausforderungen auf, die sich gemäss Bundesrat in der Zukunft für die Schweiz in diesem Bereich stellen. Der Bericht wies darauf hin, dass die Schweiz im Umweltschutz in den letzten Jahren einige Erfolge erzielen konnte, so etwa im Bereich Luft- und Wasserqualität oder beim Umgang mit Naturgefahren. Der ökologische Fussabdruck der Schweiz sei aber immer noch viel zu gross und der im Ausland verursachte ökologische Fussabdruck nehme weiter zu. Hauptverantwortlich für die Umweltbelastung seien die drei Bereiche Mobilität, Wohnen und Ernährung. Diese Belastung wiederum führe in vielen Bereichen zu negativen Konsequenzen, insbesondere beim Klima und der Biodiversität und damit zusammenhängend bei der Gesundheit der Bevölkerung. Folglich gehörten die Bereiche Klimaschutz, Erhaltung der Biodiversität und die Förderung der Kreislaufwirtschaft – wie bereits im Bericht Umwelt 2018 – zu den Hauptprioritäten der Umweltpolitik der Schweiz.

Bericht «Umwelt Schweiz 2022»
Dossier: Bericht «Umwelt Schweiz»

Ende 2022 publizierte der Bundesrat den Bericht «Stopp der Verschotterung von Grünflächen» in Erfüllung des gleichnamigen Postulates von Nationalrätin Martina Munz (sp, SH). Der Bericht hielt fest, dass immer mehr Personen Schottergärten anlegten, obwohl diese negative Auswirkungen auf die Biodiversität zeitigten und im Sommer die Umgebung stark aufheizten. Um diesem Trend entgegenzuwirken, empfahl der Bericht drei Massnahmen: Erstens rief er Gemeinden dazu auf, in ihren Reglementen festzulegen, ob und in welcher Form Schottergärten erlaubt sein sollen. Zweitens wolle der Bundesrat die Gemeinden dabei finanziell unterstützen, die naturnahe Gestaltung der Siedlungsräume zu fördern, wie es auch im indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative vorgeschlagen worden sei. Und drittens sollen sowohl die Behörden als auch Privatpersonen besser über die Vorteile von naturnahen Grünflächen informiert werden.

Stopp der Verschotterung von Grünflächen (Po. 19.3611)

Im Dezember 2022 publizierte das BAZL einen Bericht über nachhaltige Flugtreibstoffe. Festgelegt worden war die Erarbeitung eines solchen Berichts im Aktionsplan 2021-2023 der «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030». Dieser solle gemäss BAZL zudem auch als Grundlagendokument für die Revision des CO2-Gesetzes nach 2024 dienen, in welcher auch die Emissionen des Flugverkehrs diskutiert würden. Wie das BAZL im Bericht darlegte, machten die Treibhausgase, die im Schweizer Flugsektor ausgestossen werden, 11 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Schweiz aus.
Im Fokus des Berichts standen nachhaltige Flugtreibstoffe: Während Treibstoffe aus biogenen Abfallprodukten aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit der zugrundeliegenden Rohstoffe limitiert seien, liege in den synthetisch hergestellten nachhaltigen Flugtreibstoffen grosses Potenzial – diese befänden sich aber derzeit noch in der Entwicklung. Um als nachhaltig zu gelten, müssen diese aus erneuerbaren Quellen, also entweder über Strom (Power-to-Liquid) oder über Sonnenenergie (Sun-to-Liquid), gewonnen werden. Bei beiden Verfahren stellten sich derzeit noch Fragen bezüglich des Wirkungsgrads und der Kosten; die vorgesehene Hochskalierung solle die Wirtschaftlichkeit dieser Produkte jedoch entscheidend verbessern können.
Der Bericht erwähnte auch NET und batterie- und wasserstoffbetriebene Flugzeuge, diese spielten bei der Reduktion der Emissionen aber nur eine Nebenrolle: NET sollen gemäss eines bundesrätlichen Berichts die direkte Reduktion von fossilen Emissionen ergänzen und diese nicht ersetzen. Emissionseinsparungen mit batterie-elektrischen oder wasserstoffbetriebenen Luftfahrzeugen wiederum könnten erst in einigen Jahrzehnten erzielt werden, da erst die «Herausforderungen beim Speichern von ausreichend Energie an Bord überwunden und Fragen zur Klimawirkung dieser Technologien beantwortet werden» müssten.
Abschliessend formulierte das BAZL drei Ziele im Hinblick auf die Entwicklung und den Einsatz von nachhaltigen Flugtreibstoffen. Erstens soll deren Potenzial bei der Reduktion der Klimawirkung der Luftfahrt ausgeschöpft werden, zweitens soll der Ausbau von entsprechenden Produktionspfaden unterstützt werden und drittens sollen die Rahmenbedingungen für den Einsatz von nachhaltigen Flugtreibstoffen verbessert werden.

Bericht des BAZL zur Förderung der Entwicklung und des Einsatzes von nachhaltigen Flugtreibstoffen (2022)

Nachdem der Nationalrat der parlamentarischen Initiative Grüter (svp, LU) in der Frühjahrssession 2022 Folge gegeben hatte, setzte sich in der Wintersession 2022 der Ständerat mit der Frage auseinander, ob Mineralölsteuern, der Mineralölsteuerzuschlag und Importabgaben auf Treibstoffe weiterhin für die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auf Treibstoffen berücksichtigt werden sollen. Die WAK-SR hatte zuvor mit 10 zu 1 Stimmen (bei 1 Enthaltung) beantragt, der Initiative keine Folge zu geben, da eine Konsumsteuer «auf dem ganzen Betrag geschuldet [sei], der nötig ist, um ein Konsumgut zu erwerben». So seien auch im Preis anderer Konsumgüter durch staatliche Regulierung entstehende Kosten enthalten, zudem sei eine entsprechende Änderung kaum umsetzbar und würde zu grossem administrativem Aufwand und finanziellen Einbussen führen. Im Ständerat begründete Hannes Germann (svp, SH) den Minderheitsantrag Chiesa (svp, TI) auf Folgegeben: Es sei nicht in Ordnung, dass man «Steuern auf Steuern» bezahlen müsse, damit entstünden zusätzliche Steuereinnahmen in der Höhe von CHF 300 Mio. jährlich oder von 7 Rappen pro Liter Treibstoff – was überdies die Teuerung verstärke. Zudem sei die Mehrwertsteuerberechnung in allen Bereichen sehr kompliziert, nicht nur bei den Treibstoffen. Mit 28 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat gegen Folgegeben aus, womit der Vorstoss erledigt war.

Stopp der missbräuchlichen MWST-Belastung auf Steuern und Abgaben bei Treibstoffen

Der Ständerat bestätigte in der Wintersession 2022 den Entscheid des Erstrats und stimmte mit 27 zu 8 Stimmen dafür, das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch zu verankern. Er folgte damit dem Antrag seiner RK-SR. Diese hatte sich zuvor mit 8 zu 3 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für die Motion ausgesprochen, da ihrer Ansicht nach Kinder im geltenden Recht nicht ausreichend vor Gewalt in der Erziehung geschützt seien. In der Schweiz komme fast jedes zweite Kind mit physischer und psychischer Gewalt in der Erziehung in Kontakt, was mithilfe einer Anpassung des ZGB deutlich reduziert werden könne. Dieser Effekt könne bereits in anderen europäische Staaten, welche Kinder durch entsprechende Gesetze vor Gewalt schützen würden, beobachtet werden. Trotzdem äusserten einige Ständeratsmitglieder Bedenken, wie denn die Überprüfung des Gewaltverbots zu erfolgen habe und welche Sanktionen als Gewaltausübung zu kategorisieren seien. Mit der Annahme durch den Zweitrat liegt es nun am Bundesrat, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im ZGB (Mo. 19.4632)

Nach dem Nationalrat nahm in der Wintersession 2022 auch der Ständerat eine Motion Paganini (mitte, SG) an, die den Bundesrat aufforderte, die nötigen Schritte zur Ratifizierung des Haager Unterhaltsübereinkommens (HUÜ) zu unternehmen. Die kleine Kammer überwies den Vorstoss stillschweigend.

Haager Unterhaltsübereinkommen. Vorbereitung und Ratifizierung durch die Schweiz (Mo. 22.3250)

In der Wintersession 2022 zog Bastien Girod (gp, ZH) die parlamentarische Initiative der Grünen zu Investitionen in den Klimaschutz zurück. Girod begründete den Rückzug mit der Tatsache, dass das Parlament in der Herbstsession 2022 das neue Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit verabschiedet hat, durch welches der Klimaschutz mehr Bundesmittel erhalten soll, was auch seine parlamentarische Initiative gefordert hatte. Girod zeigte sich überzeugt, dass das neue Gesetz auch an einer allfälligen Urnenabstimmung bestehen würde.

Investitionen in den Klimaschutz mit Bundesmitteln unterstützen (Pa. Iv. 21.473)

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2022 mit fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen mit dem Titel «Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur» von Vertreterinnen und Vertretern der Grünen-, der GLP-, der FDP.Liberalen-, der SP- sowie der Mitte-Fraktion. Marionna Schlatter (gp, ZH) und Jon Pult (sp, GR) erläuterten den Initiativtext und setzten sich dafür ein, dass in der Bundesverfassung ein Grundrecht auf eine gesunde Umwelt festgeschrieben wird. Zudem solle in der BV auch eine Grundlage dafür geschaffen werde, dass die Natur zumindest teilweise eine Rechtspersönlichkeit erhält. Nur dadurch könne der ungenügende Schutz der Natur justiziabel gemacht werden. Anschliessend empfahl Yves Nidegger (svp, GE) im Namen der Mehrheit der RK-NR, den fünf Initiativen keine Folge zu geben. Zum einen sei die Bestimmung des Rechts auf eine gesunde Umwelt zu unbestimmt, um dieses zu einem Verfassungsrecht zu erklären. Zum anderen sei die Forderung, die Natur zum Rechtssubjekt zu machen, in der Schweizer Rechtsordnung nicht vorgesehen, denn einem Rechtssubjekt stünden gemäss der hiesigen Rechtsordnung nicht nur Rechte zu, sondern oblägen auch gewisse Pflichten, die man der Natur nicht auferlegen könne. In der Abstimmung sprachen sich 87 Mitglieder des Nationalrates für Folgegeben aus, 101 votierten dagegen und 1 Person enthielt sich der Stimme. Gegen Folgegeben stimmten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie die fast geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte. Die fünf parlamentarischen Initiativen sind damit erledigt.

Fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen mit dem Titel "Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur"

Der Nationalrat behandelte in der Wintersession 2022 die parlamentarische Initiative von Valentine Python (gp, VD), welche das Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen in der Schweiz rechtlich verankern wollte. Valentine Python und Kurt Egger (gp, TG) stellten dem Rat dieses Konzept vor. Egger vertrat dabei die befürwortende Minderheit der UREK-NR und argumentierte, dass es die Initiative ermögliche, «den Begriff der Endlichkeit der Ressourcen in unsere Umweltpolitik und unsere Verfassung aufzunehmen». Dies sei wichtig, damit die Menschen verstünden, dass das Überleben der Menschheit von der Stabilität der Ökosysteme abhänge. Folglich plädierte er für Folgegeben. Für die Kommissionsmehrheit legte Priska Wismer-Felder (mitte, LU) dar, dass das Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen in der Kommission unbestritten gewesen sei. Die Kommissionsmehrheit habe aber daran gezweifelt, dass die Verankerung dieses Konzepts in der Bundesverfassung und im USG sinnvoll wäre. Bereits heute gebe es in der BV einige Artikel, die den geforderten Grundsätzen Rechnung trügen, so beispielsweise der Zweckartikel, der die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen einfordere. Die Kommissionsmehrheit sei überzeugt, dass es effektiver sei, konkrete Massnahmen zum Umweltschutz zu ergreifen, als dieses wissenschaftliche Konzept rechtlich zu verankern. Anschliessend votierte der Nationalrat mit 103 zu 84 Stimmen bei 1 Enthaltung gegen Folgegeben. Für das Anliegen sprachen sich die geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen, fast die gesamte GLP-Fraktion sowie wenige Mitglieder der Mitte-Fraktion aus. Die Initiative ist damit erledigt.

Das Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen anerkennen (Pa.Iv. 21.447)

Als Reaktion auf die Publikation der Strategie «Bahn 2050» reichte die KVF-NR im Oktober 2022 eine Motion ein, mit welcher sie den Bundesrat beauftragen wollte, die Realisierung und Vollendung des «Verkehrskreuzes Schweiz» voranzutreiben: Dieses Projekt sei in der bundesrätlichen Strategie zu kurz gekommen. Es müsse eine Gesamtvision verfolgt werden, um alle bislang noch fehlenden Abschnitte «für den Fernverkehr von Grenze zu Grenze, entlang des gesamten Schweizer Territoriums, sowohl zwischen Süden und Norden als auch zwischen Ost und West, zu projektieren und zu realisieren». Dieses Infrastrukturprojekt trage wesentlich zum nationalen Zusammenhalt und zur sozioökonomischen Entwicklung der Schweiz bei, argumentierte die Kommission. Für die rasche Realisierung dieses Verkehrskreuzes solle der Bundesrat zusätzliche finanzielle Mittel beantragen.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Er habe mit der «Bahn 2050» aufgezeigt, mit welchen Mitteln und Projekten die Eisenbahn einen maximalen Beitrag zur Erreichung seiner vorrangigen Ziele, etwa in der Klimapolitik, leisten könne. Die in der Motion geforderte Beschleunigung würde sich dabei eher kontraproduktiv auswirken, da sie zu Mehrverkehr führen könne; sie sei daher kein Ziel der Strategie «Bahn 2050». Das Anliegen der Motion werde jedoch im Sinne einer intensivierten Förderung des Fernverkehrs auf der West-Ost- sowie der Nord-Süd-Achse geprüft.
Dem Nationalrat lag in der Wintersession 2022 neben dem Mehrheitsantrag auf Annahme ein Antrag von Benjamin Giezendanner (svp, AG) auf Ablehnung der Motion vor. Ähnlich wie bei einer Motion für eine «rasche Gewährleistung einer ausgewogenen, leistungsfähigen und attraktiven Ost-West-Achse der Bahn» (Motion 22.4263) kritisierte er den Ausbau des Schienennetzes zulasten der öffentlichen Hand. Der Bundeshaushalt befinde sich bereits in einer schwierigen Lage. Falls das Projekt «Verkehrskreuz Schweiz» tatsächlich umgesetzt würde, müsse es daher aus dem bestehenden BIF finanziert werden. Der Nationalrat nahm die Motion hingegen mit 126 zu 47 Stimmen bei 6 Enthaltungen an.

Perspektive Bahn 2050. Einen Fokus auch auf die Realisierung und Vollendung des "Verkehrskreuzes Schweiz" (Mo. 22.4258)

In der Wintersession 2022 überwies der Ständerat mit 23 zu 19 Stimmen eine Motion der Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) zur Schaffung einer nationalen Statistik über Kinder, die Zeuginnen und Zeugen von häuslicher Gewalt sind. Eine Minderheit Stark (svp, TG) der WBK-SR pflichtete dem ablehnenden Antrag des Bundesrats bei und betonte, dass bereits existierende Statistiken ausreichen würden, um die Erfahrungen von Kindern als Zeugen und Zeuginnen häuslicher Gewalt abzubilden. Sie zweifelte infolgedessen an der Verhältnismässigkeit des Vorstosses. Bereits bestehende Statistiken, so unter anderem die polizeiliche Kriminalstatistik, erfassten jedoch nur zur Strafanzeige gebrachte Fälle der häuslichen Gewalt, wodurch keine umfassende Datengrundlage existiere, argumentierten dagegen die Unterstützerinnen und Unterstützer der Motion.

Statistik über Kinder, die Zeuginnen und Zeugen von häuslicher Gewalt sind (Mo. 20.3772)

In der Wintersession 2022 befasste sich der Ständerat mit der parlamentarischen Initiative Masshardt (sp, BE), welche die politische Bildung in der Berufsbildung stärken wollte. Die WBK-SR hatte sich im Vorfeld mehrheitlich dafür ausgesprochen, der Initiative keine Folge zu geben. Kommissionssprecherin Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) erörterte, dass die Kommissionsmehrheit die Initiative ablehne, da die politische Bildung bereits heute genügend in der beruflichen Grundbildung verankert sei und damit schon vermittelt werde. Eine Minderheit wollte der Initiative hingegen Folge geben: Maya Graf (gp, BL) entgegnete, dass das Parlament bereits im Rahmen des aktuellen Legislaturprogramms der Stärkung der politischen Bildung zugestimmt habe, es bestehe also bereits ein gesetzlicher Auftrag, den es nun zu erfüllen gelte. Ausserdem liege die Berufsbildung durchaus auch in der Kompetenz des Bundes und nicht nur in jener der Kantone; der Bund dürfe hier also durchaus aktiv werden. Schliesslich zeigten verschiedene Studien, dass gerade in der Berufsbildung ein grosser Nachholbedarf bei der politischen Bildung bestehe.
Die Mehrheit der kleinen Kammer folgte den Argumenten von Maya Graf jedoch nicht; der Initiative wurde mit 22 zu 16 Stimmen keine Folge gegeben. Diese ist somit vom Tisch.

Politische Bildung ist im öffentlichen Interesse (Pa. Iv. 21.429)

Im Dezember 2022 präsentierte die WBK-NR ihren Entwurf zur Überführung der Anstossfinanzierung der ausserfamiliären Kinderbetreuung in eine zeitgemässe Lösung, der sich in nicht unwesentlichen Punkten vom zuvor in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf unterschied.
Insgesamt 275 Stellungnahmen waren in der Vernehmlassung eingegangen, die grosse Mehrheit davon fiel positiv aus. So unterstützten 23 Kantone den Vorentwurf, ebenso wie acht von zehn stellungnehmenden Wirtschaftsverbänden – darunter GastroSuisse, SGB und Travail.Suisse – und acht Parteien – darunter die SP, die Grünen, die GLP und die Mitte. Abgelehnt wurde die Vorlage von der SVP und der FDP; die FDP-Frauen sprachen sich hingegen für den Vorentwurf aus. Bei den Wirtschaftsverbänden äusserte economiesuisse trotz Unterstützung der Vorlage erhebliche Vorbehalte, während sich der SGV gänzlich ablehnend zur Vorlage positionierte. Die Befürwortenden begrüssten grundsätzlich, dass das seit 2003 bestehende Impulsprogramm in eine dauerhafte Lösung überführt werden soll, ebenso wie das stärkere Engagement durch den Bund. Ferner vertraten sie die Ansicht, die Vorlage verbessere die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, wirke dem Fachkräftemangel entgegen und fördere die Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter. Die gegnerischen Stimmen, darunter die drei ablehnenden Kantone Bern, Graubünden und Zug, sahen durch den Vorentwurf die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen verletzt. In eine ähnliche Stossrichtung gingen die Bedenken des SGV sowie der SVP und der FDP. Anders beurteilten dies die meisten Kantone und die SODK, ebenso wie die für den Vorentwurf zuständige WBK-NR, die die neue Rolle des Bundes nicht nur mit Rückgriff auf die in Art. 116 Abs. 1 BV erwähnte Unterstützungskompetenz, sondern darüber hinaus mit Bezug auf Art. 110 Abs. 1 Bst. a BV (Arbeitnehmendenschutz) und Art. 8 Abs. 3 BV (Gleichstellung von Mann und Frau) legitimierte. Die SVP vertrat zusätzlich die Ansicht, dass die Vorlage die Wahlfreiheit der Eltern, die ihre Kinder nicht extern betreuen lassen wollen, einschränke. Economiesuisse und der SGV sorgten sich auch um die Kosten, insbesondere verbunden mit der offenen Frage der (Gegen-)Finanzierung.
Aufgrund der im Vernehmlassungsverfahren eingegangenen Rückmeldungen passte die WBK-NR ihren Entwurf im Vergleich zum Vorentwurf in zwei Punkten an. Erstens verlangte der Entwurf neu für jeden Kanton während der ersten vier Jahre eine Bundesbeteiligung von 20 Prozent an den durchschnittlichen Betreuungskosten der Eltern. Bei unzulänglichem finanziellen Engagement der Kantone könnte der Betrag daraufhin auf bis zu 10 Prozent der Betreuungskosten gekürzt werden. Im Vorentwurf hatte die Kommission eine umgekehrte Lösung vorgeschlagen, wonach der Bund zu Beginn einen Sockelbeitrag von 10 Prozent entrichtet hätte. Kantone mit vergleichsweise hohem finanziellen Engagement hätten in der Folge noch einen Zusatzbeitrag (+5% oder +10%) erhalten können. Die zweite Änderung im Vergleich zum Vorentwurf betraf die Höhe des Verpflichtungskredites zur Unterstützung von Programmen zur Schliessung der Angebotslücken in der familienexternen Betreuung. Während der Vorentwurf für die ersten vier Jahre hierfür insgesamt einen Betrag von CHF 160 Mio. bereitstellen wollte, wurde dieser Betrag im Entwurf auf CHF 240 Mio. erhöht. Dies, nachdem diverse Vernehmlassungsteilnehmende bemängelt hatten, dass zusätzliches Gewicht auf die Qualitätssicherung und -entwicklung gelegt werden sollte. Mit diesen Änderungen versehen genehmigte die Kommission den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung. Dass die Diskussion um die Vorlage damit noch lange nicht abgeschlossen sein würde, liessen bereits die zahlreichen Anträge diverser Kommissionsminderheiten erahnen, die die WBK-NR in ihrem Bericht und teilweise bereits in ihrer Medienmitteilung aufführte.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

Die verbliebenen sechs Differenzen zum Voranschlag 2023 konnte das Parlament in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens klären. So pflichtete der Nationalrat seinem Schwesterrat bei, dass der Betrag für die internationalen Sportanlässe nicht zugunsten der Staffel-WM 2024 in Lausanne erhöht werden soll, nachdem die entsprechenden Weltmeisterschaften in der Zwischenzeit bereits an die Bahamas vergeben worden waren. Zudem bereinigte er die Differenz bezüglich den Direktzahlungen für die Landwirtschaft: In der ersten Beratung hatte der Nationalrat eine Mindesthöhe für die Versorgungssicherheitsbeiträge festlegen und den Bundesrat so daran hindern wollen, diese zugunsten anderer Kreditposten zu kürzen. Nun pflichtete die grosse Kammer dem Ständerat entgegen einem Minderheitsantrag Nicolet (svp, VD) bei und strich die entsprechende Rahmenbedingung der Kreditvergabe wieder. Offen blieben jedoch die vier übrigen Differenzen, bei denen der Nationalrat an seiner Position festhielt.

Diese bereinigte in der Folge der Ständerat. Er hiess die Krediterhöhung beim BASPO für Swiss Sport Integrity sowie die neue Rahmenbedingung zur Kreditvergabe beim BSV für Schutz und Rechte der Kinder stillschweigend gut. Bezüglich der Reservierung eines Betrags der Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Ostens für den Wiederaufbau der zivilen Infrastruktur in der Ukraine habe sich die Kommission gemäss Sprecherin Johanna Gapany (fdp, FR) überzeugen lassen, dass diese Mittel einerseits für andere Länder reserviert seien und dass die Verwendung für die Ukraine aufgrund des Hilfskredits im Nachtrag II zum Voranschlag 2022 nicht nötig sei. Stillschweigend bereinigte der Ständerat diese Differenz. Bei den Investitionsbeiträgen für Entwicklungsländer, die ebenfalls für die Ukraine hätten eingesetzt werden sollen, wollte die FK-SR zwar an ihrer Position festhalten, der Ständerat folgte jedoch einer Minderheit Zanetti (sp, SO) auf Streichung der Planungsgrösse. Der Minderheitensprecher hatte die «psychologisch unmögliche Situation», in der man die entsprechenden Gelder entweder wie vorgesehen verschiedenen Ländern Afrikas oder neu der Ukraine zukommen lassen könne, damit aufgelöst, dass er um Bereinigung der Differenz bat, um eine Ablehnung der gesamten Planungsgrössen und damit sämtlicher bisher getroffener Einigungen zu verhindern. Aus formellen Gründen solle man dem Nationalrat zustimmen und den Kredit nicht zusätzlich der Ukraine zusprechen, was der Ständerat in der Folge mit 30 zu 12 Stimmen tat und somit diese letzte Differenz bereinigte.

Damit sich eine solche Situation, in welcher der Bundesbeschluss der Planungsgrössen nur vollständig angenommen oder abgelehnt werden kann, zukünftig nicht mehr ergibt, erarbeitete die FK-NR einen Entwurf zur Umsetzung ihrer parlamentarischen Initiative 21.503.

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024-2026 (BRG 22.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Nachdem der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative in der Herbstsession 2022 hatte bereinigt werden können, widmete sich der Ständerat in der Wintersession 2022 wieder der Volksinitiative und dem direkten Gegenentwurf des Bundesrats. UREK-SR-Sprecherin Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) legte die Ausgangslage der Initiative dar: Gegen den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative sei das Referendum ergriffen worden, wahrscheinlich werde im Jahr 2023 darüber abgestimmt werden. Deshalb sei die Volksinitiative bedingt zurückgezogen worden. Gleichzeitig liege nun aber ein direkter Gegenentwurf zur Initiative vor, auf den der Nationalrat – damals noch in Unkenntnis, ob und wie ein indirekter Gegenvorschlag ausgestaltet werden würde – eingetreten sei. In Übereinstimmung mit den Anträgen der vorberatenden UREK-SR beschloss die kleine Kammer in der Folge stillschweigend, die Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen und nicht auf den direkten Gegenentwurf einzutreten.

Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» und direkter Gegenentwurf (BRG 21.055)
Dossier: Klimawandel in der Schweiz
Dossier: Die Gletscherinitiative, ihr direkter Gegenentwurf und ihr indirekter Gegenvorschlag

Entgegen dem Entscheid ihrer Schwesterkommission im Herbst 2022 wollte die RK-NR ihrer eigenen parlamentarischen Initiative zur Schaffung einer Gesetzesgrundlage zur Bundesfinanzierung der Herkunftssuche bei Auslandsadoptionen einstimmig Folge geben. Mit ihrem entsprechenden Antrag zuhanden des Nationalrats brachte sie die wahrgenommene Notwendigkeit einer Finanzierungsmöglichkeit auf Bundesebene abermals zum Ausdruck. In der Wintersession 2022 gelangte die Initiative in den Nationalrat, der ihr stillschweigend Folge gab.

Adoptionen und Herkunftssuche (Pa. Iv. 22.428)

Die RK-NR hielt im Herbst 2022 mehrheitlich an ihrer Unterstützung der parlamentarischen Initiative Regazzi (mitte, TI) mit dem Ziel, Pädokriminalität im Internet wirksam zu bekämpfen, fest. Sie argumentierte, die Annahme der Initiative würde den Weg für weitergehende Abklärungen zum Thema ebnen, etwa bezüglich allfälliger Unvereinbarkeiten mit der Bundesverfassung oder der Notwendigkeit, weitere Rechtsbestimmungen neben der StPO zu ändern. Die starke Minderheit – der Entscheid fiel mit 11 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen – wollte dagegen nicht in die Zuständigkeit der Kantone eingreifen, die sich in diesem Bereich zwischenzeitlich Know-how und ein wertvolles Netzwerk angeeignet hätten. Mit 102 zu 90 Stimmen bei einer Enthaltung schloss sich der Nationalrat in der Wintersession 2022 der Kommissionsmehrheit an und gab der Initiative Folge. Während das Anliegen in den Fraktionen der Mitte, der GLP und der SVP auf Anklang stiess, stimmten die Fraktionen der Grünen und der SP (mit zwei Ausnahmen), die grosse Mehrheit der FDP-Fraktion sowie zwei SVP-Vertreter gegen die Initiative.

Pädokriminalität im Internet endlich wirksam bekämpfen (Pa.Iv. 19.486)

Im Dezember 2022 publizierte der Bundesrat den Bericht «Anpassung des Waldes an den Klimawandel» in Erfüllung einer Motion von Claude Hêche (sp, JU; Mo. 19.4177), übernommen von Stefan Engler (mitte, GR), sowie eines Postulats von Céline Vara (gp, NE; Po. 20.3750). Das Ziel des Bundesrats in diesem Themenbereich besteht darin, sowohl die Anpassungsfunktionen als auch die Emissionsreduktionsleistungen des Waldes (beispielswiese die Speicherung von CO2 im Holz) zu stärken. Zudem sollen die Wälder in der Regeneration, die sie aufgrund von klimabedingten Schäden durchlaufen müssen, unterstützt werden. Um diese Hauptziele zu erreichen, legte der Bericht in 5 Handlungsfeldern insgesamt 19 neue Massnahmen (13 Sofortmassnahmen und 6 Prüfaufträge) fest, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Die Umsetzung der 13 Sofortmassnahmen könne unmittelbar beginnen, hielt der Bericht fest. Die dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen und der finanzielle Spielraum seien vorhanden. Die Prüfaufträge hingegen verlangten nach weiteren Abklärungen, da es hier um rechtliche oder finanzielle Anpassungen bestehender Regelungen gehe. Als Beispiel für eine Sofortmassnahme wurde im Bericht die Weiterentwicklung waldbaulicher Grundlagen und waldbaulicher Instrumente genannt. Ein Beispiel für einen Prüfauftrag wäre derweil, zu untersuchen, wie eine zukunftsfähige Waldverjüngung sichergestellt werden kann.

Anpassung der Wälder an die Klimaerwärmung. Wie steht es um die Biodiversität?
Dossier: Der Schweizer Wald und die Herausforderungen des Klimawandels
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

Im Dezember 2022 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz die Vernehmlassungsergebnisse zu den vorgeschlagenen Änderungen beim Eheungültigkeitsgrund der Minderjährigkeit im ZGB. Im Zentrum der Vorlage stand die Verschiebung der sogenannten Heilung der Ehe bis zum 25. Geburtstag der minderjährig verheirateten Person. Gemäss geltendem Recht wird die Ehe bereits am 18. Geburtstag «geheilt», das heisst, sie kann dann nicht mehr für ungültig erklärt werden. An der bestehenden Interessenabwägung soll gemäss Vernehmlassungsvorlage weiterhin festgehalten werden: Die Ehe soll ausnahmsweise aufrechterhalten werden können, wenn dies dem überwiegenden Interesse der betroffenen, minderjährigen Person entspricht. Im Fall, dass die minderjährig verheiratete Person zum Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung bereits volljährig – aber noch unter 25 Jahre alt – ist, soll die Ehe aufrechterhalten werden, wenn die betroffene Person aus freiem Willen erklärt, an der Ehe festhalten zu wollen. Grundsätzlich sollen Ehen mit Minderjährigen weiterhin ungültig sein; um dies zu verdeutlichen hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Eheungültigkeit neu in einer eigenen Bestimmung zu regeln. Die Massnahmen waren in der Vernehmlassung breit begrüsst worden. Von 56 Stellungnehmenden sprach sich nur die SVP integral gegen die Vorlage aus. Ihr ging der Vorschlag zu wenig weit; ihrer Ansicht nach sollten Minderjährigenehen aus Prinzip in keinem Fall anerkannt werden. Eine Mehrheit der Teilnehmenden regte hingegen an, weitere Massnahmen gegen Minderjährigenehen im internationalen Privatrecht vorzusehen. Kritisiert wurde von einigen Teilnehmenden, dass die Verlängerung der Klagefrist Mehrkosten und -aufwand verursache, insbesondere auch, weil bei volljährig gewordenen Betroffenen ein Gericht den freien Willen prüfen müsse.

Massnahmen gegen Minderjährigenheiraten (BRG 23.057)

Zu Beginn der Wintersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024–2026. Anna Giacometti (fdp, GR) und Jean-Pierre Grin (svp, VD) präsentierten dem Rat das Budget und die Änderungsvorschläge der Kommissionsmehrheit. Beide betonten die «düsteren finanzpolitischen Aussichten» (Giacometti), welche in den Finanzplanjahren grosse Korrekturmassnahmen nötig machen würden. Besser sehe es noch für das Jahr 2023 und somit für den Voranschlag aus, hier schlug die Kommissionsmehrheit gar Mehrausgaben von CHF 11.2 Mio. vor, womit die Schuldenbremse immer noch eingehalten werden könne. Insgesamt beantragte die Kommission sieben Änderungen am bundesrätlichen Voranschlag, welche der Rat allesamt annahm. Kaum Erfolg hatten hingegen die Minderheitsanträge.

Das geplante Defizit in den Finanzplanjahren war auch Thema in den folgenden Fraktionsvoten. Als besonders dramatisch erachtete etwa Lars Guggisberg (svp, BE) die finanzielle Situation des Bundes: Man befinde sich «finanzpolitisch seit Jahren im freien Fall», zumal das Parlament immer mehr Geld ausgebe als vorhanden sei. Nun müsse man Prioritäten setzen, weshalb die SVP insbesondere im Finanzplan entsprechende Kürzungsanträge stelle. Ähnlich formulierte es Alex Farinelli (fdp, TI) für die FDP-Fraktion, der die Bundesfinanzen mit der Titanic verglich – zwar scheine alles ruhig, bei genauerer Betrachtung sei «das Bild, insbesondere das mittelfristige, [aber] wesentlich problematischer und beunruhigender». Auch er verlangte daher die Setzung von Prioritäten. Demgegenüber hob Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) das positive strukturelle Saldo des Voranschlags hervor, betonte aber auch, dass man für die Finanzplanjahre Korrekturmassnahmen einbringen müsse – insbesondere auch, weil die Gewinnausschüttung durch die SNB ausbleiben könne.
Deutlich weniger besorgt zeigten sich die Sprechenden der anderen Fraktionen über die finanzpolitische Situation. Roland Fischer (glp, LU) erachtete in Anbetracht der tiefen Schuldenquote des Bundes nicht in erster Linie die Defizite als problematisch, sondern die Ausgestaltung der Schuldenbremse, die es nicht erlaube, Schulden zu machen, um Investitionen zu tätigen. Auch Sarah Wyss (sp, BS) zeigte sich durch die «Mehrbelastungen ab 2024 [...] nicht besonders beunruhig[t]». Man müsse zwar reagieren, dabei aber vor allem auf Nachhaltigkeit setzen und von «kurzfristige[r] Sparwut» absehen. Gerhard Andrey (gp, FR) sah die Schuld für die finanzpolitischen Probleme vor allem bei denjenigen Mitgliedern des Parlaments, welche das Armeebudget stark aufgestockt und einen Abbau der Corona-Schulden über zukünftige Überschüsse durchgesetzt hätten. Statt über Sparmassnahmen solle man aber nun über zusätzliche Einnahmen, etwa im Rahmen einer Erbschaftssteuer, sprechen.

In der Folge behandelte der Nationalrat den Voranschlag 2023 in sechs Blöcken, beginnend mit einem ersten Block zu den Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hierbei lagen dem Rat keine Mehrheitsanträge der Kommission vor, jedoch zahlreiche Minderheitsanträge von Mitgliedern der Polparteien. Einerseits verlangten Minderheiten Badertscher (gp, BE), Friedl (sp, SG), Wettstein (gp, SO) sowie zwei Einzelanträge Pasquier-Eichenberger (gp, GE) etwa eine Aufstockung der Beiträge für humanitäre Aktionen oder an die Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Ostens, teilweise auch in den Finanzplanjahren. Andererseits forderten Minderheiten Grin (svp, VD), Guggisberg (svp, BE), Fischer (svp, ZH) sowie ein Einzelantrag der SVP-Fraktion etwa eine Reduktion des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten, an die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit oder an die Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer (teilweise auch oder nur in den Finanzplanjahren) sowie die ordentliche Verbuchung der Ausgaben für Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Die Minderheitsanträge blieben jedoch allesamt erfolglos.

Im zweiten Block zu Kultur, Bildung, Forschung, Familie und Sport lagen dem Nationalrat vier Kommissionsanträge vor. Im Sportbereich wollte die Kommission einerseits einen Kredit für die Sportverbände zugunsten der nationalen Meldestelle von Swiss Sport Integrity um CHF 360'000 aufstocken, zumal seit deren Schaffung Anfang 2022 dreimal mehr Meldungen eingegangen seien, als erwartet worden waren. CHF 650'000 sollten zudem für die Ausrichtung der Staffel-Weltmeisterschaft 2024 in Lausanne gesprochen werden, wobei der Bund einen Drittel der Gesamtfinanzierung übernehmen würde. Keine Aufstockung, sondern eine ausdrückliche Verwendung der CHF 390'000, welche der Bundesrat im Bereich Kinderschutz/Kinderrechte veranschlagt hatte, für eine Übergangslösung zur Stärkung der Kinderrechte verlangte die Kommission bei den Krediten des BSV. Eine Übergangslösung war nötig geworden, weil die Ombudsstelle für Kinderrechte, für die der Betrag gedacht war, noch nicht über eine gesetzliche Grundlage verfügte. Schliesslich verlangte die Kommission, dass CHF 35 Mio., welche nach dem Ausschluss der Schweiz aus Horizon Europe bei den EU-Forschungsprogrammen nicht benötigt werden, stattdessen Innosuisse zugesprochen werden. Der Nationalrat hiess alle vier Kommissionsanträge stillschweigend gut.
Weitere CHF 50 Mio. aus dem Kredit der EU-Forschungsprogramme zum Kredit für die Institutionen der Forschungsförderung verschieben wollte eine Minderheit Munz (sp, SH). Zudem verlangten zwei weitere Minderheiten Munz Aufstockungen bei der internationalen Mobilität Bildung zugunsten des Programms Erasmus+. Die Kredite gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduzieren wollten hingegen eine Minderheit I Grin bei den Institutionen der Forschungsförderung sowie eine Minderheit Guggisberg in den Finanzplanjahren bei der internationalen Mobilität Bildung und bei den Stipendien an ausländische Studierende. Mit 123 zu 68 Stimmen kürzte der Nationalrat in Übereinstimmung mit der Minderheit Munz den Kredit der EU-Forschungsprogramme zugunsten der Institutionen der Forschungsförderung, lehnte aber ansonsten sämtliche Minderheitsanträge ab. Dazu gehörten auch zwei Minderheiten Nicolet (svp, VD), welche bei Pro Helvetia (auch in den Finanzplanjahren) und bei der familienergänzenden Kinderbetreuung kürzen wollten.

Im Block 3 zu Umwelt und Energie hiess der Nationalrat die veranschlagten CHF 42 Mio. für Programme von EnergieSchweiz für den Heizungsersatz, zur Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe, zur Einführung von neuen Technologien und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie CHF 4 Mrd. für den Rettungsschirm Elektrizitätswirtschaft, welchen der Bundesrat in einer Nachmeldung beantragt hatte, gut. Eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) hatte erfolglos eine Kürzung bei den Programmen von EnergieSchweiz im Voranschlag und in den Finanzplanjahren gefordert. Erfolglos blieben auch alle anderen Minderheiten etwa zur Streichung von CHF 10 Mio. für eine Winter-Energiespar-Initiative, zur Reduktion des Kredits für die Reservekraftwerke, aber auch für eine Erhöhung des Kredits für die Reservekraftwerke um CHF 100 Mio., um eine Erhöhung der Energiekosten für die Bevölkerung zu verhindern.

Erfolglos blieben auch sämtliche Minderheitsanträge im vierten Block zu den Themen «soziale Wohlfahrt, Gesundheit und Sicherheit», wo etwa eine Minderheit Wettstein (gp, SO) eine Erhöhung des Bundesbeitrags an das Schweizerische Rote Kreuz oder verschiedene Minderheiten Kürzungen beim Rüstungsaufwand oder bei verschiedenen Positionen zur Verteidigung beantragten.

Im fünften Block zu Standortförderung, Steuern und Landwirtschaft gab es nur einzelne Forderungen zu den ersten beiden Bereichen, etwa verlangte eine Minderheit Gysi (sp, SG) zusätzliche Mittel und Stellen in der Steuerverwaltung für mehr Mehrwertssteuerkontrollen und eine Minderheit Guggisberg eine Streichung der Neuen Regionalpolitik, da diese Aufgabe der Kantone sei. Das Hauptinteresse des Nationalrats galt in diesem Block aber der Landwirtschaft, zu der zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vorlagen: Die Kommissionsmehrheit verlangte eine Erhöhung des Kredits für die Qualitäts- und Absatzförderung zugunsten des Schweizer Weins um CHF 6.2 Mio. (in Umsetzung einer Motion 22.3022, die vom Nationalrat angenommen, aber vom Ständerat an die WAK-SR verwiesen worden war). Eine Minderheit Munz wollte stattdessen einen Teil der bereits veranschlagten Mittel zur Umsetzung der Motion einsetzen, der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und beschloss die Krediterhöhung. Weiter beantragte die Kommissionsmehrheit, in den Planungsgrössen zu den Direktzahlungen die Höhe der Versorgungssicherheitsbeiträge auf CHF 1.1 Mrd. festzuschreiben, so dass diese entgegen der Absicht des Bundesrates nicht gekürzt werden könnten. Der Nationalrat folgte auch dieser Kommissionsmehrheit, während eine Minderheit Munz besagte Planungsgrösse erfolglos streichen wollte. Schliesslich sollten die Mittel für Wildtiere, Jagd und Fischerei gemäss Kommissionsmehrheit um CHF 4 Mio. zugunsten von Sofortmassnahmen für den Herdenschutz aufgestockt werden, wobei der Nationalrat auch hier der Komissionsmehrheit und nicht einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) auf Beibehalten des bundesrätlichen Betrags folgte. Erfolgreich war zudem eine Minderheit Grin für eine Erhöhung des Kredits für die Pflanzen- und Tierzucht um CHF 3.9 Mio. zugunsten einheimischer Nutztierrassen, nicht aber ein weiterer Minderheitsantrag Grin für einen Verzicht auf die Aufstockung des Funktionsaufwands beim Bundesamt für Landwirtschaft um CHF 900'000 zur Umsetzung einer parlamentarischen Initiative zur Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.

Im sechsten Block ging es abschliessend um den Eigenaufwand des Bundes und um die Schuldenbremse, wobei die Kommissionsmehrheit nur einen Antrag auf Änderung gegenüber der bundesrätlichen Version stellte: Bei den Planungsgrössen zum BABS sollte der Soll-Wert der Kundenzufriedenheit bei den Ausbildungsleistungen von 80 auf 85 Prozent und in den Finanzplanjahren auf 90 Prozent erhöht werden. Stillschweigend hiess der Nationalrat die Änderung gut. Zudem lagen zahlreiche Minderheitsanträge Nicolet auf Kürzungen im Personalbereich verschiedener Bundesämter (BAFU, BAG, BAK, BAV, BFS) sowie beim UVEK vor, die jedoch allesamt abgelehnt wurden – genauso wie weitere Kürzungsanträge im Personalbereich sowie bei den Sach- und Betriebsausgaben des SEM, zur Kürzung des Personalaufwands im Bereich der Social-Media-Strategie und der Digitalisierung sowie für Querschnittskürzungen beim BBL. Abgelehnt wurde aber auch ein Minderheitsantrag Schneider Schüttel zur Schaffung von zwei zusätzlichen Stellen beim BLV im Bereich Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Schliesslich scheiterte auch ein Antrag der SVP-Fraktion, die aus der Gewinnausschüttung der SNB veranschlagten Einnahmen von CHF 666.7 Mio. zu streichen, da die SNB diese nach ihren Verlusten voraussichtlich nicht würde tätigen können.

Nach langen Diskussionen, bei denen sämtliche Mehrheits- sowie einzelne Minderheitsanträge angenommen worden waren, hiess der Nationalrat den Voranschlag in der Gesamtabstimmung mit 137 zu 49 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von einem Mitglied der Grünen. Angenommen wurden in der Folge auch der Bundesbeschluss über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2023 (138 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen), der Bundesbeschluss über den Finanzplan für die Jahre 2024-2026 (179 zu 12 Stimmen) sowie der Bundesbeschluss über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2023 (191 zu 0 Stimmen).

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024-2026 (BRG 22.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung