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Der Abstimmungskampf im Vorfeld des Abstimmungssonntags Ende Februar, bei dem das Volk über vier Vorlagen zu befinden hatte, wurde dominiert von der kontroversen Debatte um die Durchsetzungsinitiative der SVP. Im Vergleich dazu kam der Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“ der Juso eher wenig Beachtung zu.
Wie im Vorfeld der Abstimmung erwartet, lehnte das Volk die Vorlage mit knapp 60 Prozent der Stimmen deutlich ab, wobei einzig in den Kantonen Jura und Basel-Stadt eine Mehrheit ein Ja in die Urne legte. Die Stimmbeteiligung betrug hohe 63 Prozent, was mit der gleichentags stattfindenden Abstimmung zur stark polarisierenden Durchsetzungsinitiative zusammenhängen dürfte.


Abstimmung vom 28. Februar 2016

Beteiligung 62.9%
Ja 1'287'786 (40.1%) / Stände 1 1/2
Nein 1'925'937 (59.9%) / Stände 19 5/2

Parolen:
-Ja: SP, GPS, EVP, CSP, PdA
-Nein: SVP, FDP, BDP, GLP, CVP, EDU, MCG


Trotz der klaren Abstimmungsniederlage wurde das Ergebnis als ein Achtungserfolg der Initianten angesehen, weil das Resultat darauf hindeutete, dass es der Juso gelungen war, auch im Lager der Bürgerlichen auf Zustimmung zu stossen. Die Jungsozialisten versuchten sogleich, ihren Teilerfolg zu nutzen, indem sie neue Forderungen stellten, wie die aus ihrer Sicht schädliche Nahrungsmittelspekulation einzudämmen sei: Von ihrer Mutterpartei verlangte die Juso einen parlamentarischen Vorstoss, der die Einführung einer Finanztransaktionssteuer vorantreiben sollte; an den Bundesrat richteten sie das Begehren, rasch Positionslimiten auf Finanzderivaten im Agrarbereich, wie sie im Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FINFRAG) durch einen Antrag de Buman (cvp, FR) eingebracht worden waren, einzuführen.

Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“

Auch die Händler an der Börse reagierten äusserst stark auf die Ankündigung der SNB vom 15. Januar, den Euro-Mindestkurs aufzuheben. Der Leitindex der Schweizer Börse SMI verlor an diesem Handelstag über 8%, um am darauffolgenden Tag noch einmal um knapp 6% nachzugeben. Damit erreichte der SMI seinen Jahrestiefstwert von 7899 Punkten.
Im weiteren Verlauf erholte sich der Schweizer Leitindex aber wieder und erreichte im August mit 9526 Punkten seinen Jahreshöchststand. Gegen das Jahresende kam die Börse wieder stärker unter Druck. Der SMI schloss am letzten Handelstag des Jahres bei 8818.1 Punkten und lag damit rund 1.35% tiefer als zu Jahresbeginn.

Börse

Anfang November 2015 stellte der Bundesrat sein neues Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) vor, das zum einen das Ziel verfolgte, die Rechte der Anleger zu stärken, zum anderen zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes beitragen sollte. In der Vernehmlassung war der Bundesrat für seine Vorschläge zum Teil scharf kritisiert worden, wobei insbesondere die Umkehrung der Beweislast und die Einführung von Sammelklagen Widerstand hervorgerufen hatten. Dass die Regierung diese Anregungen durchaus ernst nahm, kam im präsentierten Gesetz deutlich zum Ausdruck. Es verzichtete auf die Einführung der Beweislastumkehr genauso wie auf die Schaffung eines Schiedsgerichts oder eines Prozesskostenfonds, mit welchen Anlegern eine Klage gegen die Vermögensberatungsunternehmung hätte erleichtert werden sollen. Auch das Instrument der Sammelklage fand nicht Eingang ins Fidleg, sollte aber im Zusammenhang mit einer 2013 überwiesenen Motion, die die Schaffung kollektiver Rechtsinstrumente begünstigen will, weiterverfolgt werden.
Ein Kernpunkt für einen verbesserten Kundenschutz im Fidleg stellen erhöhte Transparenzanforderungen an die Vermögensberater dar. Die Kosten, Chancen und Risiken eines jeden Finanzinstruments müssten demnach in einem Prospekt, dem „Basisinformationsblatt“ (BIB), dargelegt werden. Weiter hätte der Finanzberater gemäss Bundesratsvorlage zu prüfen, ob dem Kunden die Risiken eines Finanzinstruments bewusst sind. Allerdings dürfte einem Kunden auch bei negativem Befund dieser Prüfung das betreffende Finanzinstrument verkauft werden. Zudem sollen Banken dazu verpflichtet werden, eine Dokumentation der Kundenentscheide zu erstellen und diese auf Antrag des Kunden herauszugeben. Zu guter Letzt sollen Anlegerkläger von der Pflicht entbunden werden, bei einer Klage gegen Finanzdienstleister einen Kostenvorschuss zu leisten und einer Bank soll durch das Gericht auch dann ein Teil der Prozesskosten auferlegt werden können, wenn sie als Sieger aus einem Prozess hervorgegangen ist.
Das Finanzinfrastrukturgesetz (FINIG), ein separater Erlass zum Fidleg, soll die Aufsicht über unabhängige Vermögensberater regeln. Eine neu zu schaffende Behörde, die Aufsichtsorganisation, soll diese Aufsichtsfunktion übernehmen und damit ein Selbstregulierungssystem, wie es bis anhin gegolten hatte, ersetzen.
Ob die in Fidleg und Finig getroffenen Bestimmungen der Europäischen Union genügend weitreichend sind, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Damit herrschte weiterhin Unsicherheit darüber, ob Schweizer Anbieter Zugang zum europäischen Markt erhielten, ohne eine Filiale in einem EU-Land betreiben zu müssen.

Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) (BRG 15.073)

Im Februar 2015 publizierte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“, die im Jahr zuvor von den Jungsozialisten eingereicht worden war. Die Initiative wollte die Spekulation mit auf Agrargütern basierenden Finanzpapieren in der Schweiz verbieten. Zudem sollte sich die Schweiz auch international für eine Eindämmung solcher Geschäfte einsetzen. Die Regierung hielt in ihrer Stellungnahme fest, dass sie das Ziel der Initianten, die Verbesserung der Ernährungssituation in Entwicklungsländern, grundsätzlich unterstütze. Dennoch hegte der Bundesrat Vorbehalte gegen das Vorhaben der Juso. Erstens wurde in Zweifel gezogen, dass die in den Jahren 2006-2007 und 2010-2011 beobachteten starken Preisanstiege durch Nahrungsmittelspekulation verursacht worden waren. Vielmehr räumte der Bundesrat dem Handel mit Nahrungsmitteln eine wichtige Rolle in einem funktionierenden Markt ein, wodurch dieser zu einer verbesserten Verfügbarkeit von landwirtschaftlichen Produkten beitrage. Zweitens zeigte sich der Bundesrat überzeugt, dass auf nationaler Ebene ergriffene Massnahmen höchstens eine verschwindend kleine Wirkung auf die effektiv vollzogenen Transaktionen im Zusammenhang mit Agrarprodukten aufweisen würden, da sie durch Ausweichen auf andere Finanzplätze äusserst einfach umgangen werden könnten. Für den Wirtschaftsstandort Schweiz befürchtete die Regierung jedoch erhebliche Wettbewerbsnachteile durch eine solche Regelung, insbesondere für Banken, Handelsunternehmen und Agrarprodukte verarbeitende Unternehmen. Zudem rief der Bundesrat in Erinnerung, dass sich die Schweiz aktiv gegen den Welthunger einsetze. Dies geschehe einerseits durch das Engagement in internationalen Organisationen wie der Welternährungsorganisation (FAO), andererseits über Entwicklungs- und Nothilfe in Krisensituationen. Der Bundesrat empfahl die Initiative zur Ablehnung und verzichtete auch darauf, der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Auch das Parlament sah die eingereichte Volksinitiative als nicht geeignet an, den Welthunger ernsthaft zu bekämpfen, weshalb es sich auch für eine Ablehnung derselben aussprach. Die Gründe für diesen Entscheid deckten sich dabei weitgehend mit jenen, die bereits der Bundesrat angeführt hatte. Einzig die Parlamentsvertreter aus dem rot-grünen Lager empfahlen die Annahme des Volksbegehrens. Der Abstimmungstermin wurde auf den 28. Februar 2016 angesetzt.

Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“

In der Frühlingssession nahm der Nationalrat die Beratung zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FINFRAG) auf. Dieses Gesetz soll neue Regeln zum Handel mit derivaten Finanzinstrumenten erlassen und bestehende Bestimmungen, die im Börsen-, Nationalbank- und Bankengesetz enthalten waren, vereinen. Die Gesetzesanpassung erfolgte nicht unbedingt aus freien Stücken, sondern vielmehr als Reaktion auf erheblichen internationalen Druck von Seiten der EU und der G-20, die schweizerische Rechtslage internationalen Standards anzupassen. Dadurch erhofften sich die Behörden, den Zugang schweizerischer Akteure zum europäischen Markt bewahren zu können. Weder die betroffenen Branchen noch die Parteien zogen die Notwendigkeit dieses Vorhabens in Zweifel, weshalb der Nationalrat ohne Gegenantrag auf das Gesetz eintrat. Die Stimmung trauter Einigkeit fand jedoch in der Detailberatung ein schnelles Ende, was sich in zahlreichen Minderheitsanträgen manifestierte. Damit erfolgreich war eine Minderheit um Nationalrat Aeschi (svp, ZG), die mit ihrem Antrag verlangte, einen von der vorberatenden Kommission (WAK-NR) eingesetzten Passus, der negative Folgen von Hochfrequenzhandel eindämmen wollte, wieder zu streichen. Die bürgerliche Mehrheit folgte diesem Antrag mit 116 zu 45 Stimmen deutlich. Ebenfalls durchzusetzen vermochte sich ein Antrag, der Geschäfte von der Meldepflicht befreien wollte, sofern es sich bei den daran beteiligten Akteuren um nichtfinanzielle Gegenparteien (Akteure aus der Realwirtschaft) handelte. Kontrovers diskutiert wurde ein Antrag de Buman (cvp, FR), der die Schaffung von sogenannten Positionslimiten forderte. Mit diesem Instrument werden die Anteile, die ein bestimmter Akteur an einem Derivat erwerben kann, begrenzt und damit die Möglichkeiten zur Beeinflussung des Preises durch einen einzelnen Marktteilnehmer eingeschränkt. Trotz der Unterstützung durch Bundesrätin Widmer-Schlumpf und trotz der Tatsache, dass sowohl die USA als auch die EU entsprechende Regeln kennen bzw. schaffen, fand der Antrag keine Mehrheit und wurde mit 103 zu 73 Stimmen verworfen. Schliesslich gelang es der bürgerlichen Ratsmehrheit auch, die Strafbarkeit von fahrlässig verübten Delikten in diesem Kontext aufzuheben und Bussenobergrenzen für verschiedene Delikte zu senken.
Die kleine Kammer nahm sich in der darauffolgenden Sommersession des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes an. Dabei wurde deutlich, dass sich die Kantonsvertreter nur teilweise mit den Vorschlägen des Nationalrates anfreunden konnten. Einig waren sich die beiden Kammern bei der Frage, ob der Hochfrequenzhandel eingeschränkt werden sollte: Wie bereits der Nationalrat sprach sich auch der Ständerat gegen derartige Bestimmungen aus. Ebenfalls einverstanden erklärte sich die kleine Kammer mit dem Vorhaben des Nationalrates, fahrlässig begangene Delikte in diesem Zusammenhang von einer Bestrafung auszunehmen. Bezüglich der Meldepflicht von Geschäften zwischen nichtfinanziellen Gegenparteien stellte sich die kleine Kammer auf den Standpunkt des Bundesrats, wonach auch Geschäfte solcher Art meldepflichtig sein sollten. Im Gegensatz zum Nationalrat, der die Schaffung von Positionslimiten abgelehnt hatte, sprach sich der Ständerat für die Schaffung derselben aus. Nach dem Willen des Ständerates sollte der Bundesrat die Kompetenz erhalten, zu gegebener Zeit Positionslimiten einzuführen, wobei es der Finma unterliegen sollte, diese zu fixieren. In der Schlussabstimmung passierte die Vorlage die kleine Kammer schliesslich einstimmig, womit sie zurück in den Nationalrat gelangte.
Die grosse Kammer zeigte sich bezüglich Meldepflicht von Geschäften zwischen nichtfinanziellen Gegenparteien kompromissbereit: Ein Minderheitsantrag Caroni (fdp, AR), der die Befreiung von der Meldepflicht nur auf kleine nichtfinanzielle Parteien beschränken wollte, wurde angenommen. Kein Entgegenkommen signalisierte die grosse Kammer hingegen bei den Positionslimiten. Der Antrag der Kommission, dem ständerätlichen Vorschlag zuzustimmen, scheiterte knapp mit 91 zu 95 Stimmen am Willen des bürgerlichen Lagers.
Im weiteren Verlauf des Differenzbereinigungsverfahrens gelang es den beiden Räten schliesslich doch noch, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen, wobei beide Kammern je einmal von ihrer ursprünglichen Haltung abwichen. Der Nationalrat sprach sich, wenn auch mit 92 zu 92 Stimmen und mit Stichentscheid des Präsidenten Rossini (sp, VS) äusserst knapp, für den ständerätlichen Entwurf aus, der dem Bundesrat die Kompetenzen einräumte, Positionslimiten einführen zu können. Der Ständerat hingegen machte in der Frage der Befreiung von der Meldepflicht Konzessionen und erklärte sich schliesslich mit dem Kompromissvorschlag des Nationalrats, wonach nur Geschäfte zwischen kleinen nichtfinanziellen Gegenparteien nicht meldepflichtig sein sollen, einverstanden.
In der Schlussabstimmung wurde das Finanzdienstleistungsgesetz mit 137 zu 54 (Nationalrat) bzw. 43 zu 1 Stimmen gutgeheissen, wobei die SVP die einzige Partei war, die sich gegen die Vorlage aussprach. Damit machte sie deutlich, dass aus ihrer Sicht zu viele von der EU vorgegebene Inhalte in das vorliegende Gesetz eingeflossen seien.

Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) (BRG 14.061)

Das geldpolitische Jahr 2015 begann mit einem regelrechten Paukenschlag. Am 15. Januar gab der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Thomas Jordan, die sofortige Aufhebung des seit 2011 bestehenden Euro-Mindestkurses von CHF 1.20 bekannt. Begründet wurde dieser Schritt vor allem mit der divergierenden wirtschaftlichen und geldpolitischen Entwicklung in den beiden grossen Währungsräumen, der EU und den USA. Während sich in den Vereinigten Staaten eine allmähliche Erholung und eine Straffung der Geldpolitik abzeichnete, wurde von der Europäischen Zentralbank (EZB) eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik durch ein Ankaufsprogramm von Staatsanleihen erwartet. Diese Massnahme der EZB hätte den Euro gegenüber dem Franken weiter abgeschwächt und die SNB gezwungen, zusätzlich erhebliche Interventionen am Devisenmarkt zu tätigen. Einige Experten interpretierten den Entscheid der SNB-Spitze deshalb auch dahingehend, dass die SNB nicht mehr bereit gewesen sei, eine neuerliche Ausweitung der Bilanz und damit grössere Risiken in Kauf zu nehmen. Parallel zur Aufhebung des Euro-Mindestkurses gab die Nationalbank bekannt, die im Dezember 2014 eingeführten Negativzinsen auf den Giroguthaben der Banken per 22. Januar um 0,5% auf -0,75% zu senken. Sie wollte damit Anlagen in Schweizer Franken unattraktiver gestalten, um eine übermässige Aufwertung des Frankens zu verhindern. Zudem behielt sich die SNB ausdrücklich die Möglichkeit vor, weiterhin am Devisenmarkt einzugreifen, sollte dies aus ihrer Sicht notwendig sein.
Die Reaktionen auf den Entscheid der SNB fielen heftig aus, sowohl von Seiten der Finanzmärke als auch von Seiten der Politik. Während die Linke die Nationalbank vornehmlich kritisierte, zeigten die Bürgerlichen mehr Verständnis für die SNB und zollten ihr teilweise, zum Beispiel in der Person von Nationalrat Matter (svp, ZH), gar Respekt für ihren "mutigen Entscheid". Auch der Bundesrat zeigte sich überrascht von der Entscheidung der SNB. Wirtschaftsminister Schneider-Ammann anerkannte die zusätzlichen Schwierigkeiten, die den Unternehmen durch den Wegfall der Kursuntergrenze erwachsen würden, warnte aber gleichzeitig davor, in Alarmismus zu verfallen. Umso wichtiger sei es nun, den Unternehmen mit guten Rahmenbedingungen in anderen Bereichen (Beziehung zu Europa, Steuern, flexibler Arbeitsmarkt) Unterstützung und Planungssicherheit zu bieten.
Mit seinem Appell stiess der Bundesrat bei den Parteien jedoch auf taube Ohren. Sowohl das linke wie auch das rechte Lager wartete mit eigenen Rezepten auf, wie der Situation nach Aufhebung des Euromindestkurses zu begegnen sei. Nationalrätin Rytz (gp, BE) äusserste sich dahingehend, dass ein Eingriff des Staates in Form von vermehrten Investitionen in die Infrastruktur, von der konsequenten Umsetzung der Energiewende und von neuen Regeln im Finanzmarktbereich angezeigt sei; ihre Ratskollegin Leutenegger Oberholzer verlangte, mit einer dringlichen Revision des Kartellrechts einem übermässigen Einkaufstourismus entgegenzuwirken und einen Staatsfonds zu äufnen. Die bürgerliche Seite vermochte diesen Vorschlägen nichts abzugewinnen. Sie negierte die Notwendigkeit eines staatlichen Eingriffs deutlich und verwies, ähnlich wie der Bundesrat, auf die Wichtigkeit von wirtschaftlich guten Rahmenbedingungen, gewährleistet durch Ausbau des Freihandels, durch Bewahrung der bilateralen Beziehungen zur EU und durch steuerliche Entlastungen. Der Versuch, aus den Folgen der Aufgabe der Kursuntergrenze durch die SNB Profit zu schlagen und die Politik im eigenen Sinne zu beeinflussen, manifestierte sich auch in der grossen Anzahl im Laufe des Jahres eingereichter parlamentarischer Vorstösse, die die Problematik der Frankenstärke in der einen oder anderen Weise aufgriffen.

Aufhebung des seit 2011 bestehenden Euro-Mindestkurses
Dossier: Kurs des Schweizer Franken seit 2011

Das herrschende Tiefzinsumfeld und die Einführung von Negativzinsen durch die Nationalbank wirkte sich im Jahr 2014 auch auf die dritte Säule der Altersvorsorge aus und sorgte für einen Renditeabfall. Als Reaktion senkten per Anfang 2015 verschiedene grosse Banken ihre Zinsen auf 3a-Vorsorgekonten von bereits tiefen Niveaus aus noch weiter, auf teils deutlich unter ein Prozent. Lebensversicherungen, welche bis zum Ende der Laufzeit einen festen Zinssatz anbieten, konnten unter diesen Umständen neue Kundinnen und Kunden gewinnen.

Renditeabfall in der 3. Säule

Das 2013 überwiesene Postulat Aeschi (svp, ZG), das einen Bericht bezüglich Wahrung des grenzüberschreitenden Marktzugangs im Angesicht der sich damals abzeichnenden EU-Regulierungen im Börsenbereich gefordert hatte, war am Jahresende 2014 im EFD hängig.

Lösungsstrategien bezüglich Marktzugang im Börsenbereich (Po. 12.3099)

Eine vom Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und vom Finanzinstitutsgesetz (Finig) gesonderte Vernehmlassung führte der Bundesrat im Winter 2013/2014 für das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (Finfrag) durch. Das Revisionsvorhaben wurde hauptsächlich dadurch motiviert, dass die schweizerischen Regelungen im Zusammenhang mit dem Derivatehandel nicht mehr den internationalen Standards (G20-Verpflichtungen, Empfehlungen des Financial Stability Boards) entsprachen. Neben der Bündelung verschiedener bestehender Erlasse im neuen Gesetz war im Speziellen der Derivatehandel Gegenstand der Vorlage. Dieser Handel sollte neu über eine zentrale Gegenpartei abgerechnet werden müssen. Dabei war für alle Transaktionen eine Meldepflicht vorgesehen. Der Vorentwurf sah ausserdem eine Bewilligungspflicht für verschiedene Akteure auf dem Derivatemarkt vor, so beispielsweise für zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer, Transaktionsregister und Zahlungssysteme. In der Vernehmlassung wurde die Stossrichtung der Vernehmlassungsvorlage grossmehrheitlich begrüsst. Vereinzelte Kritik bezüglich Bewilligungspflicht für betriebseigene oder multilaterale Handelssysteme sowie für ausländische Börsen und multilaterale Transaktionsregister wurde in der vom Bundesrat am 3.9.14 verabschiedeten Gesetzesvorlage berücksichtigt. Bis zum Jahresende 2014 wurde die Vorlage noch nicht im Parlament behandelt.

Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) (BRG 14.061)

Zum Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und zum Finanzinstitutsgesetz (Finig) wurde 2014 eine gemeinsame Vernehmlassung durchgeführt. Ein Teil der in die Vernehmlassung geschickten Vorentwürfe betraf einzig die Zusammenführung bereits bestehender Erlasse aus verschiedenen Rechtsquellen. Zusätzlich wurden wichtige Anpassungen, mehrheitlich zur Stärkung des Anlegerschutzes, vorgesehen. Neben der erweiterten Informations- und Dokumentationspflichten sowie der Abklärung von Kundenbedürfnissen sah der Vorentwurf vor allem drei umstrittene Punkte vor. Erstens wollte der Bundesrat die Beweislast in Sachen Informations- und Aufklärungspflicht umkehren. Nach herrschender Regelung lag es an den Anlegenden nachzuweisen, dass der Informations- und Aufklärungspflicht nicht nachgekommen wurde; neu sollten die Finanzintermediäre im Streitfall zu beweisen haben, dass entsprechende Pflichten eingehalten wurden. Zweitens schlug die Landesregierung die Schaffung eines Schiedsgerichts oder (alternativ) eines von der Branche vorfinanzierten Prozesskostenfonds vor, um Anlegenden eine Klage gegen die Finanzintermediäre zu erleichtern. Solche Klagen sollten gemäss Vorentwurf als Verbandsklagen angestrengt werden können. Damit sollte den Klagenden kollektiv ermöglicht werden, ein Fehlverhalten des Finanzintermediäres festzustellen, um danach mittels Gruppenverfahren einen Vergleich mit dem betroffenen Finanzinstitut auszuhandeln. Drittens sah der Bundesrat vor, unabhängige Vermögensverwalter neu ebenfalls der Aufsicht zu unterstellen. Gemeinsam war den beiden Gesetzesentwürfen ihre Verbindung zur europäischen Gesetzgebung im Finanzmarktbereich (Markets in Financial Instruments Directive II, Midfid II). Diese wurde im Frühjahr 2014 vom EU-Parlament verabschiedet. Entgegen verbreiteter Befürchtung wurde von einem Filialzwang für ausländische Anbieter abgesehen. Um den Marktzugang zur EU sicherzustellen, waren jedoch weiterhin „äquivalente“ Regelungen zur EU-Richtlinie Voraussetzung. Mit den beiden in die Vernehmlassung geschickten Vorentwürfen wollte der Bundesrat sicherstellen, diesem Erfordernis zu genügen. In der Vernehmlassung stiess vor allem die Umkehrung der Beweispflicht auf harsche Kritik, weil sie der schweizerischen Rechtsordnung „wesensfremd“ sei. Ebenfalls kaum Chancen auf Weiterverfolgung wurden der Idee der Verbandsklage gegen Finanzdienstleister gegeben. Die individuelle Rechtsdurchsetzung habe sich bewährt, befanden die Kritiker der vorgeschlagenen Regelung. Die erwogene Einführung eines Schiedsgerichts wurde mehrheitlich ebenso negativ bewertet wie die Möglichkeit zur Schaffung eines Prozesskostenfonds. Zu guter Letzt wurde kritisiert, dass in den Vorentwürfen eine weitgehende Interpretation der „Weissgeldstrategie“ enthalten war, wonach den Finanzinstituten unter anderem verboten wurde, unversteuerte Gelder anzunehmen. Es sei nicht Aufgabe der Finanzintermediäre, für die Steuerehrlichkeit ihrer Kundinnen und Kunden verantwortlich zu sein, argumentierten unter anderem die Inland- und Kantonalbanken. Die überarbeiteten Gesetzesentwürfe waren am Jahresende 2014 noch ausstehend.

Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) (BRG 15.073)

Eine Gruppe aus Jungsozialisten und verschiedenen Hilfswerken reichte am 24.3.14 die Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“ bei der Bundeskanzlei ein. Das Begehren fordert ein Verbot von direkten und indirekten Anlagen in Finanzinstrumente, die sich auf Nahrungsmittel und Agrarrohstoffe beziehen. Ausnahmen waren einzig für Produzenten und Händler vorgesehen. Die Initiative wurde von 115‘942 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet. Bis zum Jahresende 2014 war die entsprechende Botschaft des Bundesrats noch ausstehend.

Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“

Nebst der Vor-Vernehmlassung zum Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) wurde im Dezember des Berichtsjahrs die Vernehmlassung zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) eröffnet. Die bundesrätliche Vorlage sah vor, verschiedene Bestimmungen im Börsen- und Bankengesetz sowie im Nationalbankgesetz und in der Nationalbankverordnung im FinfraG zu aggregieren. Im Allgemeinen ging es im neuen Gesetz um die Angleichung der schweizerischen Bestimmung zur Finanzmarktinfrastruktur (Börsen, zentrale Gegenparteien, Zahlungssysteme, Transaktionsregister, Derivatehandel) an die globalen und vor allem europäischen Regulierungen (Mifid II und Emir, European Market Infrastructure Regulation). Die Vorlage enthielt Vorschriften zu Marktverhaltensregeln, zur Aufsicht und zu Strafbestimmungen. So sollten beispielsweise ausserbörsliche (over the counter, OTC) Derivategeschäfte über eine zentrale Gegenpartei abgewickelt werden müssen. Dabei war vorgesehen, dass alle Transaktionen sowohl elektronisch durchgeführt als auch bei einem Transaktionsregister gemeldet werden sollten. Weiter wollte der Bundesrat eine Bewilligungspflicht für zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer und Transaktionsregister einführen. Die Vorlage wurde bis zum Jahresende von den eidgenössischen Räten noch nicht behandelt.

Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) (BRG 14.061)

Die 2009 von der FDP-Liberalen Fraktion eingereichte parlamentarische Initiative für die schrittweise Abschaffung der Stempelsteuer wurde 2013 erstmals im Ratsplenum behandelt. Im Jahre 2010 hatte die WAK-NR eine Aufteilung des Geschäfts erwirkt. Dadurch wurde die Abschaffung der Stempelsteuer auf Eigenkapital unmittelbar weiterverfolgt, während die Erarbeitung eines Entwurfs betreffend Abschaffung der Stempelsteuer auf Versicherungsprämien und Abschaffung der Umsatzabgabe einer kommissionsinternen Subkommission übertragen wurde. Die WAK-SR hatte 2011 diesem Vorgehen zugestimmt und der Initiative Folge gegeben. Aufgrund der Vernehmlassungsantworten (2012) hatte sich die Kommission des Erstrats (Nationalrat) im Berichtsjahr entschieden, den Entwurf unverändert in die Räte zu bringen. In der Frühjahrsession behandelte die Grosse Kammer das Geschäft. Befürworter aus dem bürgerlichen Lager sprachen sich für die Abschaffung der Steuer aus, um die Ungleichbehandlung von Fremd- und Eigenkapital zu eliminieren. Die Stempelabgabe auf Fremdkapital war 2011 im Zuge der Grossbankenregulierung („too-big-to-fail“) abgeschafft worden. Zudem erhofften sich die Anhänger dieser Lösung positive Effekte auf die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Firmen und eine Erhöhung der Attraktivität des Finanzplatzes. Unter den Gegnern der Vorlage bemängelten vornehmlich jene aus dem linken Lager die nicht kompensierten Einnahmeausfälle, die sie auf rund CHF 240 Mio. bezifferten, weshalb sie für Nichteintreten plädierten. Eine zweite Minderheit (CVP plus Ratslinke) forderte gemäss bundesrätlichem Vorschlag Eintreten und Sistieren. Die Kommissionsmehrheit, die sich für Eintreten starkmachte, konnte sich jedoch mit 126 zu 53 Stimmen gegenüber Minderheit 1 und mit 97 zu 88 Stimmen gegenüber Minderheit 2 behaupten. In der Detailberatung wurde ein Antrag der Ratslinken behandelt, der den Bundesrat in die Pflicht nehmen wollte, die durch Abschaffung der Stempelabgabe auf Eigenkapital generierten Einnahmeausfälle innert fünf Jahren zu kompensieren. Bundesrätin Widmer-Schlumpf verwies auf die diesbezügliche Verantwortlichkeit und Kompetenz des Parlaments und setzte sich mit den bürgerlichen Kräften gegen den entsprechenden Vorstoss ein. Der Antrag scheiterte deutlich mit 119 zu 58 Stimmen, worauf die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 120 zu 54 Stimmen angenommen wurde. In der kleinen Kammer war die Behandlung der Vorlage deutlich weniger umstritten. Der Ständerat folgte in der Wintersession ohne Gegenantrag der bundesrätlichen Argumentation, wonach die Vorlage zu sistieren sei und eine Abschaffung der Stempelsteuer auf Eigenkapital innerhalb der Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III in Angriffe genommen werden solle. Die Vorlage wurde somit für mindestens ein Jahr von der Agenda des Parlaments genommen.

Parlamentarische Initiative will schrittweise Abschaffung der Stempelsteuer (Pa.Iv. 09.503)
Dossier: Abschaffung sämtlicher Stempelsteuern
Dossier: Referenden gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer

Am 15. April 2013 haben in Lausanne rund tausend Personen gegen die Spekulation mit Rohstoffen manifestiert. Am 21. September haben in Bern 15‘000 Gewerkschaftsmitglieder gegen „Lohndumping und Rentenklau“ demonstriert und den Verkehr im Stadtzentrum vorübergehend lahm gelegt.

Grossdemonstrationen in der Schweiz im Jahr 2013
Dossier: Grossdemonstrationen in der Schweiz

Im Zusammenhang mit den EU-Regulierungsvorhaben Mifid, Emir und AIFMD wurde im September ein Postulat Aeschi (svp, ZG) angenommen, das vom Bundesrat einen Bericht über mögliche Lösungsstrategien bezüglich Marktzugang forderte. Trotz Verweis auf die laufenden Arbeiten der Expertengruppe „Brunetti II“ nahm der Nationalrat das Postulat ohne grössere Diskussionen mit 120 zu 55 Stimmen (10 Enthaltungen) an.

Lösungsstrategien bezüglich Marktzugang im Börsenbereich (Po. 12.3099)

Suite à de nombreux projets de règlementations prévus par l’UE – notamment le règlement Markets in Financial Instruments Directive II (MiFID II), le Markets in Financial Instruments Regulation (MiFIR), le European Market Infrastructure Regulation (EMIR), et la directive Alternative Investment Fund Manager (AIFM) – le conseiller national Aeschi (udc, ZG) a déposé un postulat demandant au gouvernement de rédiger un rapport exposant les différentes stratégies afin que l’accès aux marchés transnationaux soit garanti pour les fournisseurs suisses de prestations. Ce postulat a été transmis au Conseil fédéral par 120 voix contre 55 et 10 abstentions.

Lösungsstrategien bezüglich Marktzugang im Börsenbereich (Po. 12.3099)

Für das Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) wurde 2013 eine Vor-Vernehmlassung durchgeführt. Das Gesetz war Folge der 2013 in Erarbeitung stehenden EU-Richtlinie „Mifid II“ (Markets in Financial Instruments Directive II). Diese sah unter anderem vor, dass ausländische Finanzdienstleister europäische Retail-Kunden nur noch betreuen dürfen, wenn sie EU-äquivalenten Bestimmungen unterstehen und eine Filiale im EU-Raum unterhalten. Damit war das Fidleg unmittelbar mit der Marktzutrittsfrage verknüpft, die zum Zeitpunkt der Diskussionen auch von der Gruppe „Brunetti II“ untersucht wurde. Der bundesrätliche Erstentwurf sah Bestimmungen zu Verhaltensregeln für Finanzinstitute, zur Ausbildung von Beratern, zur Produktedokumentationspflicht und zur Einrichtung eines Ombudswesens vor. Heftig kritisiert wurde die vorgeschlagene Umkehrung der Beweispflicht, wonach künftig der Finanzintermediär gegenüber dem Anleger / der Anlegerin beweisen sollte, dass er alle Verhaltensregeln eingehalten hat. Konsumentenschützer und die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) begrüssten die Vorlage, während der Verband Schweizerischer Vermögensberater (VSV) davor warnte, dass die Bestimmungen kleinere Anbieter aus dem Markt drängen würden. Die genaue Ausgestaltung und Umsetzung der Midfid-II-Bestimmung bezüglich Filialzwang war am Jahresende noch nicht restlos geklärt, weshalb der Bundesrat offenbar mit der Vernehmlassung der eigenen Vorlage zuwarten wollte, bis die EU-Richtlinie verabschiedet wurde. Der überarbeitete Entwurf wurde per April 2014 in Aussicht gestellt.

Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) (BRG 15.073)

In der Sommersession 2012 kam erstmals das Kollektivanlagegesetz (KAG) ins Parlament. Die Vorlage wurde nach dem Erlass einer verschärften Aufsichtsregelung in der Europäischen Union (AIFMD) initiiert, die unter anderem vorsah, dass die Verwaltung von Kollektivanlagen nur noch an Vermögensverwalter in Drittstaaten delegiert werden könne, wenn diese eine ähnliche Aufsichtsregelung wie die EU kennen. Ohne die Verschärfung der schweizerischen Aufsichtsregeln sei mit Wettbewerbsnachteilen für den Schweizer Finanzplatz zu rechnen, argumentierte der Bundesrat. Nachteile erwartete er sowohl in Bezug auf erschwerten Marktzutritt für Schweizer Vermögensverwalter im EU-Raum als auch durch ein Zuwandern von EU-Vermögensverwaltern, die den neuen EU Richtlinien nicht genügten. Die veraltete Regelung unterstellte nur schweizerische kollektive Kapitalanlagen einer Aufsicht, nicht aber ausländische. Neu sollten auch diese dem Gesetz unterstehen. Diese Erweiterung war über die Parteigrenzen hinweg unbestritten. Im Zuge der Revision der Aufsichtsregeln wurde auch ein verstärkter Anlegerschutz in den bundesrätlichen Entwurf aufgenommen, etwa indem ein erweiterter Kreis von Anlegern als „nicht qualifiziert“ klassifiziert wurde – als qualifizierte Anleger, für die das Gesetz einen weniger weitgehenden Anlegerschutz vorsah, galten laut Bundesrat lediglich noch Banken, Effektenhändler, Fondsleitungen, Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen und Zentralbanken. Die Verschärfung des Anlegerschutzes wurde vor allem von Abgeordneten der Linken unterstützt, während die bürgerlichen die daraus entstehenden Wettbewerbsnachteile für den Finanzplatz höher gewichteten. Der Ständerat behandelte das Geschäft in der Sommersession 2012 als Erstrat. In Abweichung zum Entwurf des Bundesrats sah er vor, kleine Vermögensverwalter von den Aufsichtsbestimmungen auszunehmen, sofern sie sich ausschliesslich an qualifizierte Anleger richteten. Der Nationalrat präzisierte diese Ausnahme, ausdrücklich im Sinne des Ständerats, indem er eine Grenze von CHF 100 Mio. für Vermögensverwalter von hebelfinanzierten Vermögenswerten und eine Grenze von CHF 500 Mio. für Vermögensverwalter mit nicht hebelfinanzierten Vermögenswerten vorsah. Ebenso stimmte der Nationalrat dem vom Ständerat eingefügten Passus zu, wonach jene Personen, die einen Vermögensverwaltungsvertrag unterschreiben, als qualifizierte Anleger gelten sollten, wenn sie dies nicht ausdrücklich ablehnten (opting-out). Der Bundesrat hatte ursprünglich vorgesehen, dass diese Anlegergruppe grundsätzlich als „nicht qualifiziert“ gelten sollte, sofern sie dies nicht anders kundgetan hätte (opting-in). Diese „Verwässerung“ des Anlegerschutzes wurde von der Ratslinken scharf kritisiert. Indem der Nationalrat den Vermögensverwaltern jedoch vorschrieb, die Gründe für die Empfehlung für den Erwerb einer bestimmten kollektiven Kapitalanlage schriftlich festzuhalten, erhöhte dieser den Anlegerschutz in einem anderen Punkt. Der Ständerat stimmte in seiner zweiten Behandlung diesem Ansinnen zu und verschärfte es gar noch leicht: das Protokoll sollte dem Kunden abgegeben werden müssen. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage mit 44 zu 0 (Ständerat) und 128 zu 51 Stimmen (Nationalrat) angenommen. Einzig die SVP und die Grünen lehnten die Vorlage ab, weil ersteren der Anlegerschutz zu weit, und letzteren zu wenig weit ging.

Kollektivanlagegesetz (KAG)

Eine knappe Mehrheit der vorberatenden WAK-SR hatte sich dafür ausgesprochen, die nationalrätliche Version der Vorlage zu übernehmen und damit die Erzielung eines Vermögensvorteils als Voraussetzung für die strafrechtliche Verfolgung von Insiderhandel zu streichen. Allerdings empfahlen eine starke Minderheit der Kommission wie auch der Bundesrat der kleinen Kammer, auf ihrer ursprünglichen Fassung zu beharren und von einer solchen Streichung abzusehen. Gemäss der zuständigen Bundesrätin Widmer-Schlumpf sollte das Strafrecht nur bei schwerwiegenden Delikten als "Ultima Ratio" zum Zuge kommen. Eine Aufweichung der Bedingungen für ein solches Verfahren erachtete sie als unverhältnismässig. Dieser Argumentation folgten die Ständerätinnen und Ständeräte mit 27 zu 15 Stimmen und votierten damit für ihre ursprüngliche Fassung der Vorlage.
Wenige Tage später schwenkte der Nationalrat auf die Linie des Ständerates ein und sprach sich mit 116 zu 51 Stimmen, einzig gegen den Willen von SP und Grünen, dafür aus, das Erzielen eines Vermögensvorteils als Bedingung für eine strafrechtliche Ahndung von Insiderhandel im Börsengesetz zu belassen. Damit waren sämtliche Differenzen zwischen den beiden Kammern bereinigt. In der Schlussabstimmung passierte die Vorlage zur Änderung des Börsengesetzes schliesslich beide Räte einstimmig.

Vernehmlassung zur Änderung des Börsengesetzes

Im Zusammenhang mit der Regulierung von Börsengeschäften wurde im Berichtsjahr die Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“ lanciert. Das aus Jungsozialisten und verschiedenen Hilfswerken zusammengesetzte Initiativkomitee argumentierte, dass die direkte und indirekte Anlage in Finanzinstrumente, die sich auf Nahrungsmittel und Agrarrohstoffe beziehen, deren Preisfluktuationen verschärften. Diese erhöhte Volatilität gehe zu Lasten der Ärmsten, weshalb Investitionen in solche Finanzinstrumente untersagt werden sollten. Ein Verbot von derivativen Absicherungsgeschäften für Produzenten und Händler wurde von den Initianten dabei explizit ausgeschlossen. Die Unterschriftensammlung startete am 25.9.12.

Volksinitiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“

Die Notwendigkeit zu einer Änderung des Börsengesetzes, deren Beratung der Nationalrat in der Sommersession in Angriff nahm, war auch in der grossen Kammer grundsätzlich unbestritten, weshalb Eintreten auf die Vorlage ohne Gegenstimme beschlossen wurde. Die Detailberatung förderte jedoch einige Aspekte der Vorlage zu Tage, in der sich die grosse Kammer uneinig war. Wie bereits im Jahr zuvor im Ständerat sorgte auch im Nationalrat die geplante Abschaffung der Kontrollprämie für Diskussionen. Die vorberatende WAK-NR hatte sich äusserst knapp mit Stichentscheid des Präsidenten dafür ausgesprochen, die Abschaffung der Kontrollprämie aus dem bundesrätlichen Entwurf zu streichen. Diesem Ansinnen stand ein Minderheitsantrag Leutenegger Oberholzer (sp, BL) gegenüber, der sich für den Vorschlag des Bundesrats einsetzte. Während die Befürworter der Kontrollprämie diese als gerechtfertigte Entschädigung für Mehrheitsaktionäre, die aufgrund ihrer grösseren Beteiligung an einem Unternehmen auch grössere Risiken eingegangen seien, für ebendiese Risiken betrachteten, sahen die Gegner durch dieses Instrument das Gleichbehandlungsprinzip, wonach Klein- und Grossaktionäre gleich behandelt werden sollten, verletzt. Beide Lager versprachen sich durch ihre jeweilige Forderung zudem eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes: Befürworter der Kontrollprämie argumentierten, dass diese eine freie Preisbildung ermögliche und somit ein attraktives Umfeld für Investoren schaffe; die Kontrollprämie, in den Ländern der EU verboten, irritiere hingegen vielmehr potenzielle Investoren und schade so dem Wirtschaftsstandort Schweiz, so die Gegner. Schliesslich vereinte der Mehrheitsantrag, der das bundes- und ständerätliche Ansinnen aufnahm, die Kontrollprämie abzuschaffen, mit 101 zu 81 Stimmen eine relativ deutliche Mehrheit auf sich.
Gegen die Empfehlungen von Bundesrat und WAK vermochte sich ein Antrag Vischer (gp, ZH) dank Zuspruch von SP, Grünen und SVP durchzusetzen. Er forderte, dass eine strafrechtliche Sanktionierung wegen Insiderhandels auch dann möglich sein sollte, wenn der Straftatbestand der Anvisierung eines finanziellen Vorteils nicht gegeben ist. Bis anhin bestand in solchen Fällen nur die Möglichkeit einer aufsichtsrechtlichen Bestrafung.
Die Affäre um den ehemaligen Nationalbankpräsidenten Hildebrand fand in Form eines weiteren Minderheitsantrags Leutenegger Oberholzer Eingang in die nationalrätliche Debatte. Der Vorstoss hatte zum Ziel, über eine Änderung des Strafgesetzbuches auch Insiderhandel im Zusammenhang mit Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen unter Strafe zu stellen. Mit dem Hinweis, dass eine solche Regelung für Börsenfragen nicht relevant und überdies aufgrund der Ausgestaltung dieser Märkte praktisch nicht umsetzbar sei, sprachen sich Bundesrat und Kommission gegen diesen Minderheitsantrag aus. Dieser Empfehlung folgte die grosse Kammer und verwarf den Vorstoss deutlich.
Damit bestand zwischen national- und ständerätlicher Fassung einzig Uneinigkeit in der Frage, ob der Tatbestand der Erzielung eines Vermögensvorteils Voraussetzung bleiben sollte, um Insiderhandel auch strafrechtlich verfolgen zu können. Die Vorlage gelangte damit zurück in den Ständerät.

Vernehmlassung zur Änderung des Börsengesetzes

Die Juso beschlossen an ihrer Delegiertenversammlung Ende Mai, eine Initiative für ein Verbot der Spekulation mit Nahrungsmitteln zu lancieren. Die spekulativen Preissteigerungen und das Geschäft mit dem Hunger, an dem sich die Schweiz als Hort von Rohstoffhändlern aktiv mitbeteilige, stellten für Millionen von Menschen eine existentielle Bedrohung dar.

Initiative für ein Verbot der Spekulation mit Nahrungsmittel

In der Wintersession 2011 behandelte der Ständerat als Erstrat eine Änderung des Börsengesetzes. Die schweizerischen Regelungen sollten an die internationalen Standards angepasst werden, um die Integrität und die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu erhalten. In seinem Entwurf sah der Bundesrat sowohl straf- als auch aufsichtsrechtliche Anpassungen vor. Erstere zielten auf eine präzisere und weiter gefasste Definition des Insiderhandels ab, die neu im Börsengesetz statt im Strafgesetzbuch verankert werden sollte. Die Zuständigkeit für die strafrechtliche Verfolgung und Beurteilung von Insiderhandel und Marktmanipulation sollte mit Einverständnis der kantonalen Behörden an die Bundesbehörden (Bundesanwaltschaft, Bundesstrafgericht) abgetreten werden. Weiter sollte für die vorsätzliche Verletzung der Offenlegungspflicht von Beteiligungen eine Höchstbusse vorgesehen werden. Auch die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots sollte mittels strafrechtlicher Sanktionsmöglichkeit besser durchgesetzt werden. Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive wurde der Anwendungsbereich des Börsengesetzes ausgeweitet: Die Offenlegungspflicht von Beteiligungen und öffentlichen Kaufangeboten sollte auf alle ganz oder teilweise in der Schweiz hauptkotierten Unternehmen ausgeweitet werden (bisher: nur schweizerische Gesellschaften). Weiter sollte das Verbot von Insiderhandel und Marktmanipulation aufsichtsrechtlich für sämtliche Marktteilnehmer gelten (bisher: nur der Finma unterstehende Marktteilnehmer). Der Entwurf sah ebenfalls ein Verbot der Kontrollprämie vor. Demnach dürften Mehrheitsaktionäre bei einer Übernahme gegenüber Minderheitsaktionären nicht mehr mit einer höheren Kaufsumme bevorzugt werden. Die FDP-Fraktion argumentierte, dass eine solche Anpassung des Schweizer Rechts an internationale Standards die Vertragsfreiheit verletzen würde und reichte einen Minderheitsantrag auf Streichung des Verbots ein. Dieser wurde jedoch mit 22 zu 8 Stimmen abgelehnt. In der Gesamtabstimmung stimmte der Ständerat der Vorlage einstimmig zu. Der Nationalrat wird das Geschäft 2012 behandeln.

Vernehmlassung zur Änderung des Börsengesetzes

Das Bundesgesetz über Bucheffekten trat am 1. Januar 2010 in Kraft. Zwischen Januar und April des Berichtsjahrs lief die Vernehmlassung zur Änderung des Börsengesetzes. Die geplante Revision will die Straftatbestände Insiderhandel (Meldepflicht von Beteiligungen) und Kurs- bzw. Marktmanipulation an den international geltenden Normen ausrichten und im Börsengesetz verankern. Im Dezember beauftragte der Bundesrat das EFD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Botschaft.

Vernehmlassung zur Änderung des Börsengesetzes