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  • Ehe-, Familien- oder Individualbesteuerung

Akteure

  • Fetz, Anita (sp/ps, BS) SR/CE
  • Rechsteiner, Paul (sp/ps, SG) SR/CE

Prozesse

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Wie angekündigt begann die SP kurze Zeit nach der parlamentarischen Schlussberatung mit der Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die Erhöhung des Kinderabzugs. Die Partei wehrte sich dagegen, dass zukünftig CHF 10'000 statt wie bisher CHF 6'500 pro Kind von den Steuern abgezogen werden können. Von diesem «Reichenbonus» würden Alleinerziehende respektive Eltern mit zwei Kindern erst ab einem Jahreseinkommen von CHF 100'000 respektive CHF 120'000 profitieren, den Maximalbetrag erreiche man erst ab CHF 200'000 respektive 300'000, betonten Exponentinnen und Exponenten der Partei. Bei einem Jahreseinkommen von CHF 100'000 zahle man jährlich CHF 90 bis 210 weniger Steuern, bei einem Einkommen von CHF 150'000 CHF 168 bis 490 weniger und ab einem Einkommen von CHF 200'000 CHF 910. So kämen entsprechend 70 Prozent der Entlastung den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Einkommen zu Gute. «Die, die jetzt entlastet werden, merken nicht einmal, dass sie entlastet werden», kritisierte etwa Anita Fetz (sp, BS) die Massnahme. Stattdessen könnten für dieselben Kosten von CHF 350 Mio. die Prämienverbilligungen um über 10 Prozent aufgestockt werden. Dieser Kritik hatte Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte beigepflichtet: 85 Prozent aller Familien würden kaum oder gar nicht von der Änderung profitieren. «Das ist eine Steuerentlastung für höhere Einkommen. Das kann man wollen, aber dann darf man das nicht als Familienvorlage verkaufen», betonte er. Diese Kritik liess Beat Walti (fdp, ZH) gegenüber der NZZ nicht gelten: Zwar profitierten die Familien von Gutverdienenden von dieser Änderung, sie bezahlten aber auch den Grossteil der Steuern – 44 Prozent der Familien mit Kindern bezahlen keine Bundessteuer – und trügen dadurch eine erhebliche Abgabenlast mit einer Grenzbelastung gegen 50 Prozent. Wenn man schon die Progression nicht ändern könne, müsse man halt die Abzüge erhöhen.
Mit dem Hauptargument des «Reichenbonus» machte sich die SP Schweiz zusammen mit den Grünen an die Unterschriftensammlung. Unterstützt wurden sie gemäss Medien ab Ende November von einem liberalen Nein-Komitee – hauptsächlich bestehend aus Mitgliedern der GLP und einzelnen Jungfreisinnigen. Dieses kritisierte die Erhöhung des Kinderabzugs als «Herdprämie» oder als «Konkubinatsstrafe». Ursprünglich habe die Vorlage dazu gedient, die Arbeitsanreize für gutverdienende Frauen zu erhöhen. Dadurch dass nun die Kinderabzüge aber für alle Familien erhöht würden, würden die Arbeitsanreize von Frauen mit mehreren Kindern verringert, kritisierte etwa Kathrin Bertschy (glp, BE) die Änderung. Durch die Unterstützung von Einverdiener-Haushalten – neben anderen Haushaltsformen – würde auch ein konservatives Familienbild gestärkt. Unterstützung erhielten die Referendumsführenden dabei auch von Avenir Suisse. Deren Forschungsleiter Marco Salvi betonte gegenüber der Presse, dass ein Zielkonflikt zwischen finanzieller Entlastung der Familien und Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestehe und diese Vorlage nur wenig zur Stärkung der Vereinbarkeit beitrage – und allenfalls sogar kontraproduktiv sei. Die Experten der Steuerverwaltung erwarteten gemäss Medien aufgrund sich gegenseitig aufhebender Effekte auch «keinen nennenswerten Einfluss» auf die Arbeitsanreize von Zweitverdienenden.
Zwar zeigten sich auch die Kantone nicht erfreut über die Vorlage, zumal sie diese CHF 70 Mio. pro Jahr kosten würde, ohne dass sie zuvor in einer Vernehmlassung die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Meinung zu der Erhöhung der Kinderabzüge kundzutun. Dennoch wollten sie sich nicht an einem Referendum beteiligen.

Am 14. Januar 2020 reichte die SP nach eigenen Angaben 60'000 beglaubigte Unterschriften ein, was die NZZ als «Machtdemonstration» der Partei verstand, die «scheinbar mühelos» ein Referendum zustandegebracht habe. Parteipräsiedent Levrat (sp, FR) betonte denn auch gegenüber dem Blick, dass man das Referendum aus eigener Kraft zustande gebracht habe. Ende Januar bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 53'088 gültigen Unterschriften.

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

In jeweils vier Sitzungen bereinigten National- und Ständerat das Bundesratsgeschäft über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten. Die beiden Räte konnten sich in der Frage, ob der Kinderabzug bei den direkten Bundessteuern pro minderjährigem oder in schulischer Ausbildung stehendem Kind von CHF 6'500 auf CHF 10'000 erhöht werden soll, bis zum Ende des Differenzbereinigungsverfahrens nicht einigen: Der Nationalrat befürwortete die entsprechende Erhöhung, wobei die Zustimmung zwischen den Behandlungen von 98 zu 90 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) auf 126 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stieg. Die FDP-Liberale-Fraktion hatte dazwischen vom gegnerischen ins Befürworterlager des erhöhten Abzugs gewechselt. Beat Walti (fdp, ZH) erklärte, man könne zu diesem Punkt stehen, da er als Konter gegen einen Abzug von CHF 25'000 für alle Familien ohne Erwerbserfordernis ins Gesetz aufgenommen worden sei. Im Grundsatz sei es auch nicht falsch, die Familien steuerlich zu entlasten. Die SP-, die Grüne und die GLP-Fraktion lehnten die Änderungen bis zum Schluss ab. Sie komme vor allem Familien mit hohen Einkommen zugute, kritisierte zum Beispiel Prisca Birrer-Heimo (sp, LU). Zudem schränke sie den Handlungsspielraum für Massnahmen ein, die wirkungsvoller und effizienter wären, legte Kathrin Bertschy (glp, BE) das Hauptargument für die grünliberale Ablehnung dar.
Diese Argumente dominierten auch das Differenzbereinigungsverfahren im Ständerat. Kurz vor dessen erster Behandlung des Geschäfts hatte die WAK-SR gemäss ihrem Sprecher Pirmin Bischof (cvp, SO) ihre Position geändert: Da das Bundesratsgeschäft zur Abschaffung der Heiratsstrafe kurz zuvor an die Kommission zurückgewiesen worden sei, wodurch man zwar einerseits Geld spare, aber andererseits die Ehepaare vorerst nicht unterstützen könne, wolle man wenigstens die Kinderzulagen erhöhen. Der Ständerat sprach sich jedoch mit 22 zu 21 Stimmen und mit 23 zu 20 Stimmen zweimal für Minderheitsanträge auf Festhalten aus. Die folglich notwendig gewordene Einigungskonferenz empfahl die Position des Nationalrats mit 19 zu 7 Stimmen zur Annahme, eine Minderheit Birrer-Heimo sprach sich für die Abschreibung der gesamten Vorlage in dieser Form aus. Ihr Antrag war jedoch im Nationalrat wie erwartet chancenlos: Mit 124 zu 55 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) stimmte die grosse Kammer der Vorlage erneut zu. Im Ständerat stellte Paul Rechsteiner (sp, SG) einen Ordnungsantrag auf Rückweisung an die Kommission als Alternative zum Abschreibungsantrag. Die Kommission solle die «finanziellen und verteilungspolitischen Folgen auch im Quervergleich der Steuervorlagen unter Einbezug der Kantone» abklären; Finanzminister Maurer versprach eine Auslegeordnung bis zur Wintersession. Der Ständerat lehnte jedoch den Ordnungsantrag mit 23 zu 15 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab und stimmte schliesslich dem Antrag der Einigungskonferenz mit 21 zu 20 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) äusserst knapp zu. Somit setzte sich der Nationalrat mit seiner Version durch. Die Schlussabstimmungen waren nur noch Formsache, mit denselben Allianzen wie zuvor nahmen der Nationalrat die Vorlage mit 132 zu 62 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) und der Ständerat mit 25 zu 17 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Damit war das Geschäft jedoch noch nicht vom Tisch: SP-Fraktionschef Nordmann (sp, VD) kündigte noch vor der Schlussabstimmung an, dass seine Partei ein weiteres Mal das Referendum «gegen eine verfehlte steuerpolitische Vorlage» ergreifen werde.

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Im August 2019 setzte sich die WAK-SR mit dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung auseinander und zeigte sich mit der bundesrätlichen Botschaft mehrheitlich einverstanden: Eintreten war unbestritten und die Kommission nahm die Vorlage mit nur einer Änderung – die Kommission will den Elterntarif nicht abschaffen – mit 8 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an. Dennoch war die Behandlung der Vorlage keinesfalls so einhellig, wie diese Resultate vermuten lassen: Die Kommission lehnte äusserst knapp, mit 6:6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten, zwei Rückweisungsanträge an den Bundesrat zur Schaffung von alternativen Besteuerungsmodellen respektive einer zivilstandsneutralen Ausgestaltung des Gesetzes ab. Ähnlich knapp sprach sie sich auch gegen Minderheitsanträge auf die Streichung des Zweiverdienerabzugs, des Einverdienerabzugs sowie des Verheiratetenabzugs aus.

Die entsprechenden Minderheitsanträge versprachen Spannung in die Behandlung durch den Ständerat in der Herbstsession 2019 zu bringen. Eine Minderheit Hefti (fdp, GL) wollte den Bundesrat beauftragen, auf die Individualbesteuerung oder andere alternative Steuermodelle zu setzen, während eine Minderheit Caroni (fdp, AR) auch Paaren im qualifizierten Konkubinat die Möglichkeit geben wollte, die Steuern alternativ berechnen zu lassen. Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) fasste die neuere Vorgeschichte dieses Geschäfts zusammen und verwies darauf, dass diese Vorlage allenfalls als faktischer Gegenvorschlag zur Volksinitiative der CVP, nicht aber als tatsächlicher, indirekter Gegenvorschlag verstanden werden könne. Die Frist für eine allfällige erneute Abstimmung, die der Bundesrat auf den 27. September 2020 gesetzt habe, könne bei einer Verbindung der Initiative mit dieser aktuellen Vorlage und im Falle der Rückweisung Letzterer an den Bundesrat nicht eingehalten werden.
In der Folge legte Thomas Hefti seinen Minderheitsantrag dar. Er erklärte, dass der administrative Mehraufwand durch den sogenannten «Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung» vermutlich deutlich grösser sei, als der Bundesrat jetzt anerkenne, und dass die Zuordnung der Einkommen, zum Beispiel bei Ehepartnern mit einem gemeinsamen Geschäft, vermutlich nicht immer so einfach sei. Zudem habe dieser Vorschlag zahlreiche Probleme zur Folge, die ihrerseits neue Lösungen und Probleme nach sich zögen. Dies alles könne umgangen werden, wenn man stattdessen auf die im Kanton Waadt bereits bewährte Individualbesteuerung setze. Andrea Caroni verwies in der Folge und in Bezug zu seinem Minderheitsantrag darauf, dass es eben nicht nur die Heiratsstrafe gebe, sondern diese auf Kantonsebene durch verschiedene Boni aufgehoben würde und es auch einen Heiratsbonus sowie eine Konkubinatsstrafe gebe. Die aktuelle Vorlage wolle nun wieder eine Bevorzugung eines Zivilstandes schaffen – Ehepaare würden neu im schlimmsten Fall gleich behandelt wie Konkubinatspaare, aber allenfalls besser gestellt. Zudem würden diejenigen Instrumente, die zur Milderung der Heiratsstrafe geschaffen worden seien, konkret also der Verheiratetentarif, der Zweiverdienerabzug, und neu auch der Einverdienerabzug, beibehalten und die Verheirateten so sogar noch stärker bevorzugt. «Das wären dann also ein Fünfer, ein Weggli und ungefähr drei Bäckersfrauen dazu», kritisierte er. Man solle es daher den Konkubinatspaaren ermöglichen, dieselben Vorteile zu geniessen wie die Verheirateten.
Die folgenden Wortmeldungen verdeutlichten den Graben im Rat: Unterstützung erhielt der Antrag Hefti von linker Seite; Anita Fetz (sp, BS), Christian Levrat (sp, FR) und Paul Rechsteiner (sp, SG) meldeten sich unterstützend zu Wort. Konrad Graber (cvp, LU) hingegen nannte den Minderheitsantrag Hefti aufgrund seiner Wirkung «ein Spielen auf Zeit», da es im Rat zwei ungefähr gleich starke Lager für die Individualbesteuerung und für ein Splitting gebe, wie es Hans-Rudolf Merz in seiner Zeit als Finanzminister einmal formuliert habe. Eine Rückweisung an den Bundesrat habe folglich eine Verzögerung um zwei bis drei Jahre zur Folge, anschliessend sei man aber noch immer nicht klüger. Deshalb solle man diese mit der Verfassung konforme Vorlage, wie sie heute auf dem Tisch liege, beraten und ihr zustimmen. Mit diesem Fazit zeigten sich Mitglieder der CVP, der SVP und teilweise der FDP sowie Finanzminister Maurer einverstanden.
Nach zahlreichen Hinweisen verschiedener Sprecher darauf, dass dieses Problem seit 35 Jahren auf eine Lösung warte, sprach sich der Rat ohne Gegenantrag für Eintreten aus. Mit 25 zu 18 Stimmen stimmte der Ständerat in der Folge jedoch für den Minderheitsantrag Hefti und somit für eine Rückweisung an den Bundesrat sowie für eine umfassende Neubehandlung durch Letzteren, worauf Andrea Caroni seinen Minderheitsantrag zurückzog.

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung; BRG 18.034)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Im Herbst nahm der Nationalrat die Beratungen der Vorlage zur Familienbesteuerung in Angriff. Um alle Familien gleichzustellen, beantragte Meier-Schatz (cvp, SG) namens der Kommission, das Teilsplitting auch auf Konkubinatspaare mit Kindern auszudehnen, ausserdem, die Kinderabzüge auf 11'000 Fr. zu erhöhen und einen Kinderbetreuungsabzug von 7000 Fr. sowie einen zusätzlichen Ausbildungsabzug von 3000 Fr. einzuführen. Rückweisungsanträge von linker und grüner Seite, die eine Individualbesteuerung (Fehr, sp ZH), ein Familiensplitting (Fässler, sp SG) oder eine gezielte Unterstützung von Familien in Form einer Rente (Genner, gp ZH) forderten, blieben chancenlos. Auch ein Antrag Fässler (sp, SG), Abzüge statt vom steuerbaren Einkommen vom steuerbaren Betrag zu gewähren, um kleinere und mittlere Einkommen zu entlasten, wurde abgelehnt. Mit 84:81 Stimmen beschloss der Rat jedoch auf Antrag Rechsteiner (sp, SG) beim Gesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden eine Steuerbefreiung des Existenzminimums bei den Kantons- und Gemeindesteuern.

Steuerpaket 2001 – Vorlage zur Reform der Ehepaar-und Familienbesteuerung (BRG 01.021)
Dossier: Steuerpaket 2001
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung