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Jahresrückblick 2023: Soziale Gruppen

Von allen Themen im Bereich der «Sozialen Gruppen» berichteten die Medien im Jahr 2023 wie bereits im Vorjahr am häufigsten über Asylfragen (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Sowohl parlamentarische als auch ausserparlamentarische Diskussionen drehten sich im Jahr 2023 häufig um potentielle und aktuelle Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung von Asylsuchenden, bedingt durch die stark ansteigenden Asylgesuchszahlen sowie durch zahlreiche Schutzsuchende aus der Ukraine. Dabei kam es auch zu Misstönen zwischen Bund und Kantonen. Die Kantone, aber auch die Schweizer Armee stellten im Frühherbst weitere Unterbringungsplätze zur Verfügung; im Spätherbst war die Lage zwar angespannt, eine Notlage blieb jedoch aus. Eine umfassende, respektive konkretere Notfallplanung nach weiteren Absprachen zwischen Bund und Kantonen empfahl die Evaluationsgruppe zum Schutzstatus S in ihrem Schlussbericht.

Die SVP machte den Asylbereich zu einem ihrer Haupt-Wahlkampfthemen. Anfang Juli lancierte sie die Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» (Nachhaltigkeitsinitiative), mit der sie unter anderem die von ihr empfundenen Missstände im Asylwesen bekämpfen will. Im Berichtsjahr verlangte die SVP zudem gleich drei ausserordentliche Sessionen zur Asylpolitik. Insgesamt fanden die zahlreichen und aus diversen Parteien stammenden Motionen im Bereich Asyl im Jahr 2023 jedoch kaum Mehrheiten im Parlament und scheiterten meist bereits im Erstrat. Der Bundesrat wiederum gab im Berichtsjahr einen Entwurf in die Vernehmlassung, mit dem der Zugang zur beruflichen Ausbildung für abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers erleichtert werden soll.

In der Migrationspolitik gab die Masseneinwanderungsinitiative zu reden. Gleich bei zwei Gesetzesrevisionen wurde die Frage der Vereinbarkeit mit dem durch die Annahme der Initiative im Jahr 2014 in die Bundesverfassung aufgenommenen Zuwanderungsartikel in den Raum gestellt: Sowohl bei der Vorlage zur Beseitigung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug als auch bei derjenigen zur Lockerung der Zulassungsbestimmungen für ausländische Drittstaatenangehörige mit Schweizer Hochschulabschluss kam es wegen vertiefter Abklärungen der Verfassungsmässigkeit zu einem Marschhalt.

Die Politik setzte sich 2023 auch mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auseinander. So wies ein Postulatsbericht für die Schweiz im europäischen Vergleich einen hohen gesamten geschlechtsspezifischen Einkommensunterschied (Gender Overall Earnings Gap) und einen relativ hohen geschlechtsspezifischen Unterschied bei den Gesamtrenten (Gender Pension Gap) aus. Ein weiterer Postulatsbericht zeigte Einflussfaktoren auf, die einen beruflichen Wiedereinstieg oder die Erhöhung des Arbeitspensums von Frauen mit Kindern begünstigen. Als Mittel zur verstärkten Arbeitsmarktintegration von Frauen verwies der Bundesrat darin auf die Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung sowie auf die hängige Vorlage zur Beteiligung des Bundes an den elterlichen Kita-Betreuungskosten, obwohl er Letztere ablehnte. Nachdem der Nationalrat der Vorlage im März ohne die vom Bund verlangte Gegenfinanzierung zugestimmt hatte, bestand die ständerätliche Kommission auf der Prüfung eines alternativen Modells, das 2024 in die Vernehmlassung geschickt werden soll. In jedem Fall wird sich das Parlament in Kürze wieder zur Frage der Subventionierung der Betreuungskosten äussern: Die im Vorjahr lancierte Volksinitiative «Für eine gute und bezahlbare familienergänzende Kinderbetreuung für alle» (Kita-Initiative) kam im Sommer zustande.

Nicht vorgelegt werden der Stimmbevölkerung zwei die Frauen betreffende Volksinitiativen mit dem Ziel der Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen. Diese scheiterten im Berichtsjahr im Sammelstadium. Erfolgreicher war eine aus der Frauensession 2021 resultierende Forderung zur Verstärkung der Erforschung von Frauenkrankheiten, die in Form einer Motion im Berichtsjahr an den Bundesrat überwiesen wurde. Ebenfalls gab der Bundesrat 2023 die Lancierung eines Nationalen Forschungsprogramms zur Gendermedizin bekannt. Die Lohngleichheit war eine der grossen Forderungen am Feministischen Streik 2023, entsprechende parlamentarische Forderungen wurden im Parlament jedoch beinahe allesamt abgelehnt.

Grundsätzlich wurde Massnahmen gegen häusliche Gewalt oder zur Verstärkung des Opferschutzes bei häuslicher Gewalt wie bereits 2022 auch 2023 ein hoher Stellenwert beigemessen. So gab der Bundesrat einen Entwurf in die Vernehmlassung, mit der die gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert werden soll. Als Erstrat behandelte der Nationalrat in der Wintersession zudem eine Vorlage, die ausländische Opfer von häuslicher Gewalt besser schützen will. Auch einige parlamentarische Initiativen und Motionen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt stiessen 2023 in der Legislative auf Zuspruch.

Ende 2023 läuft die 20-jährige Frist zur Ermöglichung des barrierefreien Zugangs zum ÖV für Menschen mit Handicap ab, wie es das im Jahr 2004 in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz vorsah. Im März präsentierte der Bundesrat einen Bericht, der bei der Zugänglichkeit noch beträchtliche Lücken aufzeigte. Die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, sowohl im Verkehr als auch in allen weiteren Lebensbereichen, forderte die im April lancierte Inklusions-Initiative. Ebenfalls mehr Einbindung verlangten im März die Teilnehmenden der ersten Behindertensession, wobei sie ein besonderes Augenmerk auf die Teilhabe an der Politik legten. Ferner diskutierte ein im Herbst vom Bundesrat publizierter Bericht, ob der Stimmrechtsausschluss von Menschen mit einer geistigen Behinderung legitim sei. Durch die medial begleitete (Wieder-)Wahl von Philipp Kutter, Christian Lohr und Islam Alijaj in den Nationalrat dürften Menschen mit Behinderung in Zukunft auch innerhalb des Parlaments ein breiteres Sprachrohr haben.

Auch LGBTQIA-Personen erhielten durch die Kandidatur und schliessliche durch die Wahl von Anna Rosenwasser in Zürich verstärkte Aufmerksamkeit. Zu einem bedeutenden Fortschritt für schwule und bisexuelle Männer kam es dank einer vom Parlament verabschiedeten Änderung des Heilmittelgesetzes, die unter anderem einen diskriminierungsfreien Zugang zur Blutspende ermöglicht. Somit werden in Zukunft grundsätzlich alle schwulen und bisexuellen Männer nach jahrzehntelangem Ausschluss als potentielle Blutspender zugelassen. Im Berichtsjahr überwies das Parlament ferner ein Postulat, das einen Bericht zur Verbesserung der Situation von nicht-binären Personen fordert.

Jahresrückblick 2023: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2023

Jahresrückblick 2023: Öffentliche Finanzen

Im Themenbereich «Öffentliche Finanzen» standen im Jahr 2023 drei Aspekte im Mittelpunkt des medialen und parlamentarischen Interesses: die Abstimmung über die OECD-Mindestbesteuerung – wie aus Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2023 deutlich wird –, die Mehrwertsteuerrevision sowie das Bereinigungsprogramm für das Budget 2024 und die Finanzplanjahre 2025–2027. Verglichen mit anderen Jahren blieb das mediale Interesse an der Finanzpolitik im Berichtsjahr jedoch gering (siehe Abbildung 2).

Im Juni 2023 sprachen sich die Stimmbevölkerung und die Kantone deutlich für die sogenannte OECD-Mindestbesteuerung aus. Mit dieser hatte der Bundesrat das OECD/G20-Projekt zur Einführung einer Mindestbesteuerung für bestimmte Unternehmen umgesetzt. Direkt änderte die Reform nichts an der Besteuerung der meisten Unternehmen – betroffen waren nur die grössten Unternehmen in der Schweiz –, sie gab jedoch den Kantonen zusätzliche finanzielle Mittel in die Hand, etwa um die Unternehmenssteuern für alle Unternehmen zu senken.

Bei der Ehepaar- und Familienbesteuerung stand 2023 die Forderung nach Einführung der Individualbesteuerung im Zentrum. Eine solche verlangten sowohl die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» als auch parlamentarische Vorstösse, und auch der Bundesrat arbeitete – im Auftrag des Parlaments – an einer entsprechenden Vorlage. Ende August 2023 präsentierte er nach erfolgter Vernehmlassung, bei der auch gewichtige Stimmen eine Beibehaltung der Ehepaarbesteuerung forderten, seine Eckwerte dazu.

Abgeschlossen wurde 2023 die neuste Mehrwertsteuerrevision, mit welcher Bundesrat und Parlament zahlreiche angenommene Motionen umsetzten. Unter anderem wurde auf diesem Wege eine Besteuerung der elektronischen Versandhandelsplattformen geschaffen, der Mehrwertsteuersatz auf Damenhygieneartikel reduziert oder die Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen in der Mehrwertsteuer behoben. Diese Revision fand kaum Eingang in die mediale Berichterstattung.

Medial relativ eng begleitet wurde hingegen das Sparprogramm für das Budget 2024, das vom Bundesrat offiziell als «Bereinigungsmassnahmen» betitelt wurde. Bereits im 2022 präsentierten Finanzplan 2024–2026 hatte der Bundesrat angekündigt, dass die Einhaltung der Schuldenbremse aufgrund von vom Parlament beschlossenen Ausgaben bei fehlender Gegenfinanzierung Sparmassnahmen nötig machen werde. Im Frühjahr 2023, nach Bekanntgabe eines Defizits von CHF 4.3 Mrd. für das Jahr 2022, präzisierte die Regierung ihren Vorschlag für Sparmassnahmen: Für das Jahr 2024 sollte insbesondere bei schwach gebundenen Ausgaben, also etwa bei der Armee, der Bildung, der Landwirtschaft oder der internationalen Zusammenarbeit, gespart werden, in den Finanzplanjahren 2025–2027 auch bei einzelnen stark gebundenen Ausgaben, zum Beispiel im AHV-Bereich bei der Witwenrente. Um zukünftig weniger Sparprogramme nötig zu machen, legte die Regierung im Auftrag dreier parlamentarischer Vorstösse einen Entwurf für einen zwingenden Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen vor. So sollte budgettechnischen Fragen bereits bei Ausarbeitung neuer Ausgabenposten im Parlament mehr Beachtung zukommen.

Die nach Bekanntgabe der bundesrätlichen Sparpläne in den Medien entbrannten Diskussionen über Sinn und Unsinn von Sparmassnahmen wurden zusätzlich dadurch erhitzt, dass der Bundesrat beinahe zur selben Zeit im Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 Verpflichtungskredite zur Übernahme der CS durch die UBS in der Höhe von CHF 109 Mrd. beantragte (vgl. Jahresrückblick zu Geld, Währung und Kredit). Während die FinDel die entsprechenden Kredite dringlich guthiess, lehnte sie das Parlament in einer ausserordentlichen Session zur CS-Übernahme ab. Da der Bundesrat nach Zusage der FinDel aber bereits rechtsgültige Verträge eingegangen war, blieb diese Ablehnung lediglich ein symbolischer Akt.

Jahresrückblick 2023: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2023

Die SP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Die SP startete mit einer Stabilisierung ihres Wählendenanteils bei den Zürcher Wahlen ins Jahr, und in Luzern gelang ihr die Rückkehr in die Kantonsregierung. Auch wenn die Partei bei einigen anderen kantonalen Wahlen des Jahres – unter anderem im Tessin, wo ihr eine Parteiabspaltung zu schaffen machte – weniger gut abschnitt, ergab dies zusammen mit zunehmend positiven nationalen Umfragewerten in den Medien das Bild einer Partei, die sich nach einer längeren Phase von Niederlagen bei kantonalen Wahlen wieder gefangen hatte.
In der Tat vermochte die SP schliesslich sowohl bei den Nationalrats- als auch bei den Ständeratswahlen zuzulegen. Eine Erklärung für den Wahlerfolg sah die Presse in der Themenlage, die mit Inflation, steigenden Mieten und einem Schub bei den Krankenkassenprämien der SP in die Hände gespielt habe: In ihrem Wahlkampf hatte die Partei – nebst Gleichstellung und Klimaschutz – vor allem das Thema Kaufkraft propagiert.
Im Rampenlicht stand die SP im Zusammenhang mit den Bundesratswahlen, bei denen sie den Sitz des zurücktretenden Alain Berset zu verteidigen hatte. War zunächst noch spekuliert worden, dass die Grünen mit bürgerlicher Unterstützung den SP-Sitz angreifen könnten, wurde der Anspruch der SP auf zwei Bundesratssitze spätestens nach den eidgenössischen Parlamentswahlen im Prinzip kaum mehr in Frage gestellt – von bürgerlicher Seite jedoch unter der Bedingung, dass die SP den Angriff der Grünen auf die FDP-Sitze nicht unterstütze. Die Mehrheit der SP-Fraktion erfüllte – nach eigenen Angaben «contre coeur» – diese Bedingung, was wiederum die Grünen vertäubte. Des Weiteren gab es kurz vor der Bundesratswahl aus den bürgerlichen Parteien Drohungen, eine SP-Vertretung ausserhalb des offiziellen SP-Tickets zu wählen. Auf dieses hatte die SP-Fraktion den Basler Regierungsrat Beat Jans und den Bündner Nationalrat Jon Pult gesetzt. Vier weitere Kandidierende – darunter wie schon im Vorjahr auch die Berner Regierungsrätin Evi Allemann und der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch – blieben auf der Strecke. Die Bundesversammlung entschied sich letztlich deutlich für Beat Jans, der sich in den Anhörungen bei den anderen Fraktionen gemäss Medienberichten konzilianter gegeben hatte als Jon Pult. Dieser erhielt in allen drei Wahlgängen gar weniger Stimmen als Daniel Jositsch. Bei der Departementsverteilung blieben das EDI und das EJPD in SP-Hand, wobei überraschend die bisherige EJPD-Vorsteherin Elisabeth Baume-Schneider ins EDI wechselte und der Neugewählte Beat Jans somit das EJPD übernahm.
In der direktdemokratischen Arena musste die SP eine Niederlage hinnehmen, als die von ihr bekämpfte OECD-Mindeststeuer an der Urne deutlich angenommen wurde. Die Nein-Parole dazu hatten die Parteidelegierten entgegen der Empfehlung der Parteileitung gefasst, welche Stimmfreigabe beantragt hatte. Einen Erfolg konnte die SP verbuchen, indem sie im Sommer ihre Kita-Initiative zustande brachte.
Bereits vor den Wahlen hatte die SP ihr Fraktionspräsidium im Bundeshaus neu zu besetzen. Die Doppelkandidatur von Samira Marti und Samuel Bendahan für die Nachfolge von Roger Nordmann blieb ohne Konkurrenz, womit die Fraktion nun wie schon die Bundespartei von einem geschlechtergemischten Co-Präsidium geführt wird.

Die SP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Kurzüberblick über die Parteien im Jahr 2023

Der Ständerat widmete sich in der Wintersession 2023 der Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Kommissionssprecher Martin Schmid (fdp, GR) gab gekannt, dass das Geschäft in der vorberatenden WAK-SR unbestritten war, dass die Kommission aber eine Diskussion über die Besteuerung in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) geführt habe. Diese erhöben keine Einkommenssteuern, sondern lediglich eine reduzierte Körperschaftssteuer von 9 Prozent. Vor diesem Hintergrund sei die Befürchtung aufgetaucht, dass Personen, die in der Schweiz oder in Europa mit Sanktionen belegt wurden, ihren Wohnsitz in einen Staat wie die VAE verlegen könnten, dadurch «die Vorteile der Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch nehmen könn[t]en» und quasi von einer doppelten Nichtbesteuerung profitierten. Ständerat Schmid forderte den Bundesrat dazu auf, diesen Aspekt bei zukünftigen Verhandlungen zu DBA zu beachten. Der Sinn von DBA liege schliesslich darin, eine doppelte Besteuerung zu verhindern, nicht aber die Besteuerung an sich. Finanzministerin Karin Keller-Sutter nahm diesen Hinweis zur Kenntnis und plädierte im Übrigen dafür, die Änderung des DBA zu genehmigen, da diese ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis darstelle und sich positiv auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken werde. In der Gesamtabstimmung genehmigte der Ständerat das Änderungsprotokoll mit 37 zu 1 Stimmen.

In den Schlussabstimmungen am Ende der Wintersession nahm der Nationalrat das Geschäft mit 138 zu 52 Stimmen (8 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen und die Enthaltungen stammten aus den Reihen der SVP-Fraktion. Der Ständerat stimmte dem Geschäft mit 38 zu 2 Stimmen (5 Enthaltungen) zu.

Doppelbesteuerung. Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (BRG 23.043)
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Le Conseil fédéral a publié, en novembre 2023, un rapport sur le potentiel d’allègement de l’impôt sur le capital et de l’impôt sur la fortune pour les PME. Il répond ainsi à un postulat de l'ancien conseiller national Fathi Derder (plr, VD) intitulé «Alléger l’impôt sur le capital et l’impôt sur la fortune pour les PME à forte croissance». L'objectif du postulat était de réduire la charge fiscale des entreprises, en particulier des PME à forte croissance, en examinant les implications d'une réforme des impôts sur la fortune et le capital.
Dans son rapport, l'exécutif rappelle tout d'abord que dans un contexte international où la Suisse se distingue en prélevant ses impôts exclusivement au niveau cantonal, les impôts sur la fortune et le capital, basés sur la substance plutôt que sur le revenu, présentent des problèmes potentiels. Ils peuvent entraîner des difficultés de liquidités pour les actionnaires en période de faible rentabilité et donner lieu à des situations de surimposition ou de sous-imposition, particulièrement en raison du caractère risqué des investissements dans les PME à croissance rapide. Le Conseil fédéral propose diverses réformes, à la fois globales et ponctuelles, pour remédier à ces problèmes. Les mesures ponctuelles comprennent l'introduction d'un frein à l'impôt sur la fortune et la possibilité de prélever facultativement l'impôt sur le capital. Des mesures de compensation financière sont également envisagées, telles que l'augmentation de l'impôt sur le bénéfice, le relèvement du taux d'imposition partiel pour les participations qualifiées, et l'introduction d'un impôt sur les gains en capital réalisés sur la fortune privée. Dans le cadre de ces propositions, le rapport met en avant que l'augmentation de l'impôt sur le bénéfice est la moins efficace, car elle pourrait augmenter la charge fiscale pour les grandes entreprises, affectant potentiellement l'attractivité économique. En revanche, le relèvement du taux d'imposition partiel est considéré comme une mesure de compensation plus intéressante, contribuant à financer la suppression d'un des deux impôts tout en minimisant les incitations fiscales actuelles en faveur des dividendes plutôt que des salaires. Enfin, le Conseil fédéral suggère que l'introduction d'un impôt sur les gains en capital réalisés sur la fortune privée serait la solution la plus efficace pour compenser la suppression de l'impôt sur le capital, bien que l'abolition de l'impôt sur la fortune nécessite une réflexion approfondie sur les sources de compensation financière, en raison de son impact financier significatif.

Alléger l’impôt sur le capital et l’impôt sur la fortune pour les PME à forte croissance

In der Herbstsession 2023 behandelte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative von Balthasar Glättli (gp, ZH) mit der Forderung, Kriegsgewinne in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine mit einer sogenannten Windfall Profit Tax zu besteuern. Eine Mehrheit der WAK-NR hatte sich zuvor gegen Folgegeben ausgesprochen, wobei sie als Gründe technische Umsetzungsschwierigkeiten und unverhältnismässige Eingriffe in den Markt anfügte. Initiant Glättli meldete sich im Rat für die befürwortende Minderheit Michaud Gigon (gp, VD) zu Wort, die dem Nationalrat Folgegeben empfahl. Dabei verwies er auf das Beispiel Glencore: Das Unternehmen habe im letzten Jahr 25 Mal mehr Umsatz gemacht als in den Jahren zuvor – und sei damit nicht allein. Trotz dieses Votums sprach sich der Nationalrat mit 109 zu 75 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gegen Folgegeben aus. Befürwortet wurde der Vorstoss von der SP- und der Grünen-Fraktion sowie von einzelnen Mitgliedern der Grünliberalen und der Mitte.

Kriegsgewinne mit einer Windfall Profit Tax besteuern (Pa.Iv. 22.457)

Der Bundesrat stellte im Mai 2023 die Botschaft zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten vor. Mit dieser Änderung passte der Bundesrat das Abkommen an die Mindeststandards der OECD zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) an. Der Nationalrat genehmigte das DBA in der Herbstsession 2023 diskussionslos mit 136 zu 38 Stimmen (10 Enthaltungen). Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Doppelbesteuerung. Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (BRG 23.043)
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Im August 2023 präsentierte die SGK-NR ihren Entwurf zur Aufnahme von Präventionsleistungen als Zweck von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen in Umsetzung der parlamentarischen Initiative Schneeberger (fdp, BL). Dazu sollten in einer neuen Ziffer im ZGB ausdrücklich «Leistungen in Notlagen, bei Krankheit, Unfall, Invalidität oder Arbeitslosigkeit, für Massnahmen zur Aus- und Weiterbildung, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention» aufgeführt werden. Des Weiteren soll auch die Finanzierung anderer Personalfürsorgeeinrichtungen durch die Wohlfahrtsfonds ausdrücklich genannt werden. Hingegen habe man zugunsten der Flexibilität der Regelung absichtlich auf die Nennung genauer Massnahmen verzichtet.

Zuvor hatte die Kommission zwischen Februar und Mai 2023 einen Vorentwurf in die Vernehmlassung gegeben, bei welcher 55 Stellungnahmen eingegangen waren. Grundsätzlich würden die Änderungen befürwortet, erklärte die Kommission in ihrem Bericht, unter anderen habe aber auch die Hälfte der stellungnehmenden Kantone «grosse Vorbehalte» geäussert. Einerseits hätten die kritischen Stimmen die Notwendigkeit einer Ausdehnung der Möglichkeiten der Wohlfahrtsfonds verneint, anderseits seien sie die vorgeschlagenen Lösungen teilweise als kontraproduktiv erachtet worden. Es sei zudem betont worden, dass der Entwurf eigentlich keine «geringfügige Erweiterung der Nebenzwecke, sondern [...] eine grundlegende Neudefinition der zulässigen Zwecke» beinhalte. Die SGK-NR ergänzte daraufhin den Entwurf um eine Übergangsbestimmung zur Aufnahme der neuen Leistungen in die Stiftungsurkunden.

Im November 2023 veröffentlichte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Entwurf. Darin zeigte er sich ebenfalls kritisch gegenüber der Ausweitung des Zwecks der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen. Er zeigte sich zwar damit einverstanden, die bestehende Praxis bezüglich der Finanzierung anderer Personalfürsorgeeinrichtungen, der Leistungen der beruflichen Vorsorge im engen Sinne (Alter, Tod und Invalidität) sowie der Leistungen in Notlagen zu kodifizieren. Hingegen lehnte er die Ermöglichung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit, bei berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildungen sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention ab, da diese von den Arbeitgebenden erbracht werden müssten. Er befürchtete, dass damit ein «unzulässiger Rückfluss von Mitteln an den Arbeitgeber entstehen würde». Allgemein stellte er überdies fest, dass Wohlfahrtsfonds nicht nur Präventionsleistungen, sondern unbedingt auch weiterhin Leistungen gemäss BVG (Alter, Tod und Invalidität) erbringen müssten.

Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen (Pa.Iv. 19.456)

Rückblick über die 51. Legislatur: Öffentliche Finanzen

Autorin: Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Im Bereich der öffentlichen Finanzen wird die 51. Legislatur insbesondere aufgrund der hohen entstandenen Defizite in den Bundesfinanzen in Erinnerung bleiben. So führten die Massnahmen gegen die Corona-Pandemie und gegen ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen in den Jahren 2020 und 2021 zu Rekorddefiziten von CHF 15.8 Mrd. respektive CHF 12.2 Mrd., und im Jahr 2022 fiel nochmals ein Defizit von CHF 4.3 Mrd. an. In der Folge verlängerte das Parlament unter anderem die Abbaufrist für diese Schulden, wodurch er sich erhoffte, auf grosse Sparprogramme in der kommenden Legislatur verzichten zu können. Dennoch schlug der Bundesrat für 2025 ein sogenanntes «Entlastungspaket» vor, um andere bereits gesprochene oder geplante Ausgabenerhöhungen abzufedern, etwa bei den Armeeausgaben, den Ausgaben für den Klimaschutz oder bei der familienergänzenden Kinderbetreuung.

Im Fokus standen in diesem Themenbereich ansonsten insbesondere die Unternehmenssteuern, namentlich das OECD/G20-Projekt zur Einführung einer Mindestbesteuerung für die Unternehmen. Nachdem schon länger über das Projekt diskutiert worden war, wurde dieses im Juni 2021 konkret: Zukünftig sollen Unternehmen, deren Muttergesellschaften in den am Projekt teilnehmenden Sitzstaaten nicht zu mindestens 15 Prozent besteuert werden, in anderen teilnehmenden Staaten um die entsprechende Differenz höher besteuert werden können. Um einen Abfluss der Steuergelder ins Ausland zu verhindern, erarbeitete der Bundesrat eine Verfassungsänderung zur Umsetzung dieser OECD-Mindestbesteuerung, die noch während der Legislatur von der Stimmbevölkerung mit 78 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen wurde.

Wie in der vorangegangenen Legislatur blieb aber auch die Besteuerung der natürlichen Personen Thema: Gleich zu Beginn der Legislatur wies der Nationalrat den bundesrätlichen Vorschlag für eine «ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung» an die Regierung zurück, da dieser den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht genügend Rechnung trage. In der Folge wurden die Anstrengungen zur Einführung einer Individualbesteuerung intensiviert, etwa durch eine entsprechende Forderung in der Legislaturplanung 2019–2023. Im Mai 2022 präsentierte der Bundesrat schliesslich erste Eckwerte für eine spätere Botschaft. Die Einführung der Individualbesteuerung forderte auch eine Volksinitiative, die 2022 zustande kam, sowie thematisch ähnliche parlamentarische Vorstösse.

Üblicherweise diskutiert das Parlament im Themenbereich der öffentlichen Finanzen am ausführlichsten über die jährlichen Voranschläge, also über das Bundesbudget. Dies ist insofern naheliegend, als es (fast) nie um höhere Beträge geht als in den jeweils in der Wintersession diskutierten Voranschläge. Tatsächlich finden sich auch in der aktuellen Legislatur die Bundesbudgets der Jahre 2023, 2022, 2021 und 2020 auf den vorderen Rängen der am intensivsten diskutierten Geschäfte in diesem Themenbereich. Im Voranschlag 2023 plante der Bundesrat beispielsweise Einnahmen und Ausgaben in der Höhe von CHF 80.3 Mrd. respektive CHF 76.6 Mrd. Am meisten finanzpolitische Redezeit widmete das Parlament in dieser Legislatur jedoch dem Nachtrag I zum Voranschlag 2023, bei dem es insbesondere um zwei Verpflichtungskredite in der Höhe von CHF 109 Mrd. im Rahmen der Übernahme der CS durch die UBS ging. Nach langwierigen Debatten lehnte der Nationalrat eine nachträgliche Bestätigung der von der FinDel bereits bevorschussten Kredite ab – jedoch wohl ohne rechtliche Konsequenzen, da der Bundesrat nach der Bevorschussung bereits rechtlich bindende Verträge eingegangen war und die UBS die Sicherheiten noch im Sommer 2023 ungenutzt kündigte.


Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Öffentliche Finanzen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Soziale Gruppen

Autorin: Marlène Gerber, Sophie Guignard und Viktoria Kipfer

Stand: 17.08.2023

Die eidgenössischen Wahlen 2019 waren ein denkwürdiges Ereignis für die politische Vertretung von Frauen; die 51. Legislatur wurde kurz vor dem fünfzigjährigen Bestehen des Frauenstimmrechts (siehe Legislaturrückblick «Problèmes politiques fondamentaux») sowohl im National- als auch im Ständerat mit einem bedeutend höheren Frauenanteil gestartet als die früheren Legislaturen. Doch auch ansonsten gab es zahlreiche Neuerungen, welche direkt oder indirekt in erster Linie die Frauen betrafen. In der 51. Legislatur beschäftigte sich das Parlament sehr ausführlich mit der Revision des Sexualstrafrechts – die Revision war Teil der Strafrahmenharmonisierung, die über alle Themenbereiche hinweg das am stärksten debattierte Geschäft der gesamten Legislatur darstellte. Viele Frauen lobten, dass der in der Revision erzielte Kompromiss einer «Nein heisst Nein»-Lösung unter Einbezug des Tatbestands des sogenannten Freezings einen besseren Schutz bei Vergewaltigungen bringt – wobei neu auch Männer Opfer einer Vergewaltigung sein können. Grössere Auswirkungen auf Frauen haben auch die im Rahmen der viel diskutierten BVG-Revision vorgeschlagenen Änderungen beim Koordinationsabzug, mit dem Mehrfach- und Teilzeitbeschäftigte bessergestellt werden sollen. Konkrete Auswirkungen auf die Frauen hat ebenfalls die in der 51. Legislatur an der Urne bestätigte AHV-21-Reform, die ebenso wie die BVG-Revision unter den Frauen umstritten war und mit der das Rentenalter der Frauen an dasjenige der Männer angeglichen wird.

Viel zu diskutieren gab im Parlament auch die Überführung der Kita-Anstossfinanzierung in eine dauerhafte Lösung, mit welcher der Bund verpflichtet werden soll, sich zukünftig an den Kosten der Eltern für die familienexterne Kinderbetreuung zu beteiligen. Bis zum Sommer 2023 hatte sich erst der Nationalrat dazu geäussert; er forderte eine 20-prozentige Kostenbeteiligung durch den Bund, womit sich der Bundesrat nicht einverstanden erklärte. Weiter sprach sich die Stimmbevölkerung während der 51. Legislatur für die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs aus. Dabei handelte es sich um einen indirekten Gegenvorschlag zu einer bedingt zurückgezogenen Volksinitiative, die vier Wochen Urlaub für Väter gefordert hatte. Auch Eltern, die ein Kind unter vier Jahren adoptieren, haben aufgrund Annahme einer entsprechenden Vorlage durch das Parlament künftig Anrecht auf einen zweiwöchigen bezahlten Urlaub.

Bedeutend gestärkt wurden in der 51. Legislatur die Rechte von LGBTQIA+-Personen. Eine Verbesserung an der Urne gab es für gleichgeschlechtliche Paare, als die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im September 2021 mit deutlicher Annahme der «Ehe für alle» die Möglichkeit ihrer Eheschliessung bestätigten und weitere Ungleichheiten im Familienleben gleichgeschlechtlicher Paare beseitigten. Ebenfalls im betrachteten Zeitraum wurde die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung an der Abstimmung von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern klar befürwortet.

Keine Mehrheit an der Urne fand hingegen die Begrenzungsinitiative im September 2020. Auch weitere Forderungen im Themenbereich Asyl- und Migration scheiterten in der 51. Legislatur: Etwa die Verschärfung des Familiennachzugs für Schutzbedürftige, ein Verbot der Administrativhaft für Minderjährige oder zuerst auch die Möglichkeit zur Beendigung der Lehre nach einem abgewiesenen Asylentscheid wurden nicht eingeführt, weil sich die beiden Räte in diesen Fragen nicht einig waren. Letzteres Anliegen überzeugte in Form einer breiter gefassten Kommissionsmotion schliesslich dennoch beide Räte. Ob die beiden Räte hingegen in der Frage der Zulassungserleichterung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss zu einer Einigung kommen werden, war bis Redaktionsschluss (Mitte August) noch offen. Während der 51. Legislatur vom Parlament nach intensiveren Diskussionen beschlossen wurde hingegen eine Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes, die ein Reiseverbot für vorläufig Aufgenommene beinhaltete. Eine weitere, während der aktuellen Legislatur kontrovers diskutierte Änderung des Asylgesetzes erlaubt es zukünftig zudem, zur Feststellung der Identität von asylsuchenden Personen deren mobile Datenträger auszuwerten. Zu vergleichsweise wenig Diskussionen kam es schliesslich, als das Parlament die Möglichkeit zur Durchführung zwangsweiser Covid-19-Tests bei Wegweisung in der Herbst- und Wintersession 2022 bis Ende Juni 2024 verlängerte.

Für die 51. Legislatur als bedeutend hervorzuheben ist auch die erstmalige Aktivierung des Schutzstatus S, die der Bundesrat im Rahmen des Ukraine-Kriegs beschloss. Zahlreiche Ukrainerinnen und Ukrainer suchten in anderen Ländern Schutz; so auch in der Schweiz, wobei das SEM über 80'000 Personen den Status S gewährte. Davon verliessen über 10'000 Personen die Schweiz in der Zwischenzeit wieder. Ab der zweiten Hälfte der Legislatur verzeichnete die Schweiz zudem eine deutliche Zunahme an Asylgesuchen, wobei diese im Jahr 2022 den höchsten Wert seit 2017 erreichten, jedoch deutlich hinter dem Spitzenwert von 2015 zu liegen kamen. Die erste Hälfte des aktuellen Jahres machte indes deutlich, dass für 2023 womöglich noch grössere Anstiege folgen werden.


Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Soziale Gruppen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Bildung und Forschung

Autorinnen und Autoren: Bernadette Flückiger, Marco Ackermann und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Die Finanzierung sämtlicher Bereiche in Bildung, Forschung und Innovation wird alle vier Jahre in der sogenannten BFI-Botschaft geregelt – so auch in der 51. Legislatur. Für die Jahre 2021 bis 2024 sprach das Parlament insgesamt Mittel im Umfang von CHF 28.1 Mrd., zuvor hatte es die 14 Bundesbeschlüsse teilweise während drei Sessionen beraten. Damit entpuppte sich die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024 auch zum am längsten debattierten Geschäft der Legislatur im vorliegenden Themenbereich.

Im Bereich der frühkindlichen Förderung bot ein vom Bundesrat verfasster Bericht zur Politik der frühen Kindheit unter anderem den Anstoss zur Einreichung einer Kommissionsinitiative, die eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den elterlichen Kosten der ausserfamiliären Kinderbetreuung fordert.

Während der 51. Legislatur wurden in den Medien verschiedene Diskussionen zur obligatorischen Schule intensiv geführt. So gab während des Lockdowns in der Corona-Pandemie etwa das für eine Zeit nötig gewordene Homeschooling oder die später eingeführte Maskentragepflicht zu reden. Doch auch nach Ende der Pandemie standen die Schulen vor grossen Herausforderungen: Nach Beginn des Ukraine-Kriegs stellte sich die Frage zur Integration geflüchteter ukrainischer Kinder in das Schweizer Schulsystem. Ab dem Jahr 2022 intensivierten sich die Diskussionen um den Mangel an Lehrpersonen, was auch in politische Vorstösse – etwa bezüglich des Zugangs zum Beruf oder zur Ausbildung – mündete.

Neben Diskussionen um die obligatorische Schule wurden in den Medien auch Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Berufsbildung diskutiert. Mit dem sogenannten EHB-Gesetz schuf der Bundesrat in der 51. Legislatur eine eigene gesetzliche Grundlage für die Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung. Aufgrund des Widerstands des Ständerates nicht zustande kam hingegen die Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung.

In den Bereichen Forschung und Hochschulen beschäftigte die Revision des ETH-Gesetzes die Räte, mit der unter anderem Empfehlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle zu generellen Aufsichtskompetenzen des ETH-Rates umgesetzt wurden. Das Geschäft konnte schliesslich nach der Einigungskonferenz verabschiedet werden. Ebenfalls ausführlich debattiert worden war die Finanzierungsbotschaft für die Beteiligung am Horizon Paket 2021-2027 der EU – allerdings noch bevor es zum Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU kam. Nach besagtem Verhandlungsabbruch und der Schweizer Zurückhaltung in Sachen Kohäsionsmilliarde war es der Schweiz lediglich möglich, als nicht-assoziierter Drittstaat an «Horizon Europe» teilzunehmen, worauf Bundesrat und Parlament verschiedene Übergangsmassnahmen verabschiedeten. In Erfüllung zweier Standesinitiativen gab der Bundesrat Ende 2022 ferner einen Entwurf zur Schaffung eines Horizon-Fonds – ein befristeter Fonds für die finanzielle Unterstützung der internationalen Forschungszusammenarbeit für die Zeit der Nicht-Assoziierung an «Horizon Europe» – in die Vernehmlassung. Auch bleibt der Schweiz nach wie vor die Assoziierung an Erasmus+ versagt.

Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Bildung und Forschung
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Im Rahmen der Botschaft zu den Motionen und Postulaten der gesetzgebenden Räte im Jahre 2022 schrieben National- und Ständerat in der Sommersession 2023 die Motion Christoph Eymann (ldp, BS) betreffend die frühe Sprachförderung als Basis für einen Sek-II-Abschluss und als Integrationsmassnahme ab. Der Bundesrat hatte im Sommer 2022 den entsprechenden Bericht «Frühe Sprachförderung in der Schweiz» veröffentlicht.

Frühe Sprachförderung vor dem Kindergarteneintritt als Voraussetzung für einen Sek-II-Abschluss und als Integrationsmassnahme (Mo. 18.3834)
Dossier: Frühe Kindheit

Im Sommer 2023 schrieb der Ständerat ein Postulat Noser (fdp, ZH) betreffend die Resilienz der Schweizer Unternehmen in Rahmen der Botschaft des Bundesrates über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 ab. Der Bundesrat hatte Ende 2022 einen entsprechenden Bericht zur Stärkung der Risikovorsorge von Unternehmen veröffentlicht.

Renforcer la résistance des entreprises suisses (Po. 20.3544)
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen

In der Sommersession 2023 zog Florence Brenzikofer (gp, BL) ihre parlamentarische Initiative mit der Forderung zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine finanzielle Unterstützung von Tagesschulangeboten zurück. Sie tat dies, nachdem sich auch die WBK-NR als zweite Kommission mehrheitlich gegen Folgegeben ausgesprochen hatte. In ihrem Bericht hatte die Kommission Bezug auf die parlamentarische Initiative 21.403 genommen, mit der die Anstossfinanzierung für die ausserfamiliäre Kinderbetreuung in eine zeitgemässe Lösung überführt werden soll. Im Unterschied zur Initiative Brenzikofer ermögliche es diese, die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung zu verbessern, ohne dass «Änderungen an der Gesamtorganisation des Bildungssystems» erforderlich seien.

Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine finanzielle Unterstützung von Tagesschulangeboten (Pa.Iv. 21.412)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

Im September 2022 reichte Balthasar Glättli (gp, ZH) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er Kriegsgewinne in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine mit einer sogenannten Windfall Profit Tax besteuern wollte. «Deutliche Übergewinne», die insbesondere in Energieproduktion und Energiehandel, Rohstoffhandel und Rüstungsproduktion zu finden seien, sollten gemäss Initiant durch eine temporäre Übergewinnsteuer auf Bundesebene abgeschöpft werden. Damit sollen die «deutlichen Mehrausgaben» der öffentlichen Hand, etwa durch mögliche Unterstützungsmassnahmen aufgrund des Anstiegs der Energiepreise oder durch eine Beteiligung der Schweiz am Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden. Die WAK-NR beantragte mit 15 zu 10 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben, da eine solche Steuer die «Marktmechanismen erheblich stören würde» und technisch schwierig umzusetzen wäre. Eine Minderheit Michaud Gigon (gp, VD) verwies indes auf andere Länder mit einer solchen Steuer, auf entsprechende Forderungen beispielsweise von UNO-Generalsekretär Guterres sowie auf die Gefahr eines Reputationsschadens für den Wirtschaftsstandort Schweiz durch hohe Gewinne der entsprechenden Unternehmen.

Kriegsgewinne mit einer Windfall Profit Tax besteuern (Pa.Iv. 22.457)

Einen zeitgemässen Handlungsrahmen für die ausserfamiliäre Begleitung von Kindern forderte Nationalrat Benjamin Roduit (mitte, VS) mit einem gleichnamigen Postulat. Er wollte den Bundesrat beauftragen, die Pflegekindverordnung (PAVO) näher zu untersuchen und allfällige Problematiken zu identifizieren. Bei dieser Analyse sollten insbesondere der Aufbau und die Logik der PAVO im Vordergrund stehen. Auch der Bundesrat erkannte «unbestrittenen Handlungsbedarf» in Bezug auf die in die Jahre gekommene PAVO und empfahl den Vorstoss zur Annahme. Der Nationalrat kam dieser Forderung in der Frühlingssession 2023 stillschweigend nach.

Ein zeitgemässer Handlungsrahmen für die ausserfamiliäre Begleitung von Kindern tut not (Po. 22.4407)

Nachdem die WAK-NR ihren Entwurf zur Überführung der Anstossfinanzierung der ausserfamiliären Kinderbetreuung in eine zeitgemässe Lösung beschlossen hatte, nahm der Bundesrat dazu Stellung. Dieser stellte sich gänzlich ablehnend zu einem Bundesbeitrag zur Senkung der Betreuungskosten der Eltern. Ebenfalls stellte er sich gegen die im Entwurf vorgesehenen Programmvereinbarungen, gemäss welchen der Bund die Hälfte der Kosten zur Weiterentwicklung des familienergänzenden Betreuungsangebots und der frühkindlichen Förderung zu tragen hätte. Als Gründe für seine Haltung gab der Bundesrat an, dass die ausserfamiliäre Kinderbetreuung «in der Kompetenz der Kantone und auch in der Verantwortlichkeit der Arbeitgeber» liege und die angespannte Lage der Bundesfinanzen ein solches Engagement nicht zuliesse, ohne dass an einer anderen bedeutenden Stelle gespart werden müsse. Für den Fall, dass das Parlament doch Eintreten auf die Vorlage beschliessen sollte, gab der Bundesrat bekannt, welche Änderungsanträge er unterstützen würde. So sprach er sich für eine maximale Höhe der Bundesbeteiligung von 10 Prozent der Kinderbetreuungskosten aus – unter gleichzeitiger Beteiligung der Kantone an deren Finanzierung. Eine 10-Prozent-Beteiligung würde Ausgaben für den Bund von CHF 360 Mio. mit sich bringen, welche teilweise über eine Senkung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer um 0.7 Prozentpunkte kompensiert werden könnten. Mit den so generierten Mehreinnahmen bei der direkten Bundessteuer von CHF 200 Mio. würde sich die finanzielle Zusatzbelastung des Bundes auf CHF 160 Mio. reduzieren. Darüber hinaus machte sich die Exekutive für weitere Anpassungen am Entwurf stark: So soll der Bundesbeitrag lediglich bis zum Ende der Primarstufe entrichtet werden und zwar nur in denjenigen Fällen, in denen die familienexterne Betreuung aufgrund Erwerbstätigkeit oder laufender Ausbildung der Eltern in Anspruch genommen wird.

Auch innerhalb der Kommission fanden sich etliche Stimmen, die mit dem in der Kommission ausgearbeiteten Entwurf nicht einverstanden waren. So hatte sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2023 zuerst mit einem Ordnungsantrag von Beat Walti (fdp, ZH) auseinanderzusetzen. Walti beantragte, die Behandlung des Geschäfts bis nach der Abstimmung über die OECD-Mindeststeuer vom 18. Juni 2023 zu vertagen. Walti vertrat die Ansicht, dass die finanziell angespannte Lage des Bundeshaushalts keine Ausgaben in dieser Höhe zuliessen. Zudem warnte der Freisinnige davor, «das Fell [zu verteilen], bevor der Bär erlegt ist». So seien die zusätzlichen Einnahmen durch die OECD-Mindeststeuer, die die Kommissionsmehrheit wohl zur Finanzierung der Kinderbetreuungskosten verwenden wolle, aufgrund der anstehenden Volksabstimmungen noch nicht gesichert. Der Ordnungsantrag Walti fand indes nur Unterstützung in den geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP und SVP, während ihn die restlichen Fraktionen ebenso geschlossen ablehnten. So scheiterte der Ordnungsantrag mit 79 zu 111 Stimmen (4 Enthaltungen).

In der darauf folgenden Eintretensdebatte hatte sich der Nationalrat gleich mit drei Minderheitsanträgen auseinanderzusetzen. Eine durch Nadja Umbricht Pieren (svp, BE) vertretene Kommissionsminderheit bestehend aus SVP-Vertretenden forderte, nicht auf das Bundesgesetz einzutreten. Eine weitere, durch FDP-Vertretende ergänzte und durch Christian Wasserfallen (fdp, BE) vertretene Minderheit richtete sich explizit gegen die durch den Bund einzugehenden Programmvereinbarungen und stellte den Antrag, nur auf den entsprechenden Bundesbeschluss 2 nicht einzutreten. Sie nahm damit auch den Antrag der FK-NR auf, die zum Entwurf Stellung genommen hatte. Nicht zuletzt verlangte eine aus SVP-Vertretenden zusammengesetzte und von Diana Gutjahr (svp, TG) angeführte Kommissionsminderheit die Rückweisung des Geschäfts an die Kommission, damit eine neue Vorlage erarbeitet werden könne, die für alle Eltern, die für die Kinderbetreuung bezahlen, eine finanzielle Entlastung vorsieht. Stein des Anstosses für die Minderheit war, dass die Vorlage lediglich Vergünstigungen für Betreuungskosten für Kindertagesstätten, Tagesschulen oder staatlich anerkannte Tagesfamilien, also lediglich für die «rein externe[] und staatlich anerkannte[] Kinderbetreuung» (Gutjahr), nicht aber für andere Betreuungstypen, etwa für die Kinderbetreuung durch Nannys und Au-pairs oder durch Verwandte, Bekannte und Nachbarn vorsah. Mit 124 zu 59 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) beschloss der Nationalrat schliesslich, entgegen dem Willen der Minderheit Umbricht Pieren auf die Vorlage einzutreten. Zu der geschlossen gegen Eintreten votierenden SVP-Fraktion gesellte sich eine aus sechs männlichen Nationalräten bestehende Minderheit der Mitte-Fraktion, die den Nichteintretensantrag unterstützte. Zudem enthielten sich 11 Mitglieder der FDP.Liberalen-Fraktion der Stimme. Auch der Rückweisungsantrag Gutjahr konnte kaum über die Parteigrenze hinaus mobilisieren und wurde mit 129 zu 61 Stimmen (6 Enthaltungen) abgelehnt. Auch der Minderheitsantrag Wasserfallen, gemäss dem nicht auf die Programmvereinbarungen eingetreten werden sollte, scheiterte; die 87 unterstützenden Stimmen aus den Fraktionen der FDP, SVP sowie von einer Minderheit der Mitte-Fraktion reichten gegen die 103 Stimmen ablehnenden Stimmen nicht aus.

Auch in der Detailberatung lagen zahlreiche Minderheitsanträge vor – häufig mehrere zu demselben Paragrafen und in den meisten Fällen angeführt durch FDP- oder SVP-Kommissionsmitglieder. In den zwei zentralen Punkten setzte sich indes die Kommissionsmehrheit durch, so namentlich bei der Höhe der Bundesbeiträge. Hier obsiegte die Kommissionsmehrheit, welche den Bund zu maximal 20 Prozent an den Betreuungskosten der Eltern beteiligen wollte, gegen eine Minderheit I Gutjahr (maximal 10%), eine Minderheit II Wasserfallen (genau 15%) und eine Minderheit III Umbricht Pieren (genau 10%). Erfolglos blieb auch eine weitere, durch Diana Gutjahr angeführte Minderheit, die den Verpflichtungskredit für die Programmvereinbarungen mit den Kantonen zur Weiterentwicklung ihres Betreuungsangebots oder der Politik der frühen Kindheit halbieren wollte (von CHF 224 Mio. auf CHF 112 Mio.).
Durchsetzen konnte sich die Kommissionsminderheit in Form einer Minderheit de Montmollin (fdp, GE), die – ebenso wie der Bundesrat – forderte, dass die Regierung einen gewissen kumulierten Mindestbeschäftigungsgrad der Eltern festlegen kann, ab welchem der Anspruch auf Kostenbeteiligung durch den Bund besteht. Hier gesellte sich eine beinahe geschlossen stimmende GLP-Fraktion zu den Fraktionen der SVP, FDP und einer Minderheit der Mitte-Fraktion. Zudem setzte sich im Rat die Ansicht des Bundesrates durch, dass die Kostenbeteiligung lediglich bis zum Ende der Primarstufe erfolgen soll. Diese Ansicht teilte unterdessen auch die Kommissionsmehrheit, die sich im Nationalrat nicht zuletzt auch gegen eine Minderheit Prezioso (egsols, GE) durchsetzte, die – dem ursprünglichen Entwurf der Kommissionsmehrheit folgend – eine Kostenbeteiligung bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit forderte. Zudem sprach sich der Nationalrat einer Minderheit Nantermod (fdp, VS) folgend gegen einen Antrag der Kommissionsmehrheit aus, gemäss welchem die Einnahmen aus der OECD-Mindeststeuer in erster Linie zur Finanzierung des Bundesbeitrags für die familienexterne Kinderbetreuung eingesetzt werden sollen. Gleichzeitig lehnte der Nationalrat hingegen einen Minderheitsantrag ab, der gemäss Stellungnahme des Bundesrates den Kantonsanteil an den Bundessteuern zur Gegenfinanzierung um 0.7 Prozentpunkte hatte senken wollen. Somit blieb die Frage der (Gegen-)Finanzierung nach der nationalrätlichen Debatte gänzlich offen.

Nach etlichen Stunden Debatte verabschiedete der Nationalrat in der Gesamtabstimmung den Entwurf zum Bundesgesetz über die Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung und der Kantone in ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern (UKibeG) mit 107 zu 79 Stimmen (5 Enthaltungen) sowie den Bundesbeschluss 2 zu den Programmvereinbarungen mit 104 zu 84 Stimmen (5 Enthaltungen) zuhanden des Ständerates.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

Nach dem Ständerat beantragte auch eine Mehrheit der WAK-NR im November 2022 mit 14 zu 10 Stimmen, der Standesinitiative des Kantons Jura zur Besteuerung der GAFAM-BATX-Riesen keine Folge zu geben. Die Kommission argumentierte, dass ein «unilaterales Vorgehen der Schweiz» in diesem Bereich nicht zielführend sei und eine Lösung im Rahmen der OECD gesucht werden müsse. Eine linke Minderheit wollte hingegen die «ungleichen Spiesse» zwischen Schweizer Firmen und digitalen Grossunternehmen ausmerzen, ohne eine internationale Lösungsfindung abzuwarten.
In der Frühjahrssession 2023 folgte der Nationalrat mit 109 zu 68 Stimmen der Kommissionsmehrheit und lehnte die Standesinitiative ebenfalls ab. Sie war damit erledigt.

Internetgiganten besteuern (Kt. Iv. JU 21.306)

Wertpapiere werden zum Verkehrswert versteuert, so legt es das StHG fest – nicht einheitlich geregelt war jedoch bis 2008, wie der Verkehrswert von Wertpapieren berechnet wird. Über die Schweizerische Steuerkonferenz legten die Steuerverwaltungen 2008 eine Berechnungsmethode für alle nicht kotierten Unternehmen fest. SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz (GE) störte sich im Dezember 2021 jedoch an dieser Regelung und spezifisch daran, dass bei einem Verkauf von nicht kotierten Wertpapieren der Kaufpreis als Verkehrswert gilt. Dies sei insbesondere dann problematisch, wenn die Gewinne eines Unternehmens nach dem Verkauf der Wertpapiere sinken – in diesem Fall würden Aktionärinnen und Aktionäre von kleinen Unternehmen für Vermögen besteuert, das sie nicht hätten, kritisierte Amaudruz die Praxis. Neu soll der Verkehrswert für diese Fälle deshalb dem Buchwert des Unternehmens entsprechen, forderte die Initiantin. Damit soll die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gewährleistet werden. Die vorberatende WAK-NR war hingegen der Ansicht, dass eine solche Anpassung der Berechnungsmethode die tatsächlichen Vermögenswerte verzerrt abbilden würde und es zur Unterbesteuerung und zu Mindereinnahmen für die Kantone käme, legte Kommissionssprecher Samuel Bendahan (sp, VD) dar. Die Kommissionsmehrheit sehe in diesem Bereich zwar ebenfalls Handlungsbedarf, wolle vor der Planung eines eigenen Vorstosses aber erst betroffene Kreise anhören. Eine Kommissionsminderheit Aeschi (svp, ZG) stellte sich hinter die Argumentation der Initiantin und beantragte, der Initiative Folge zu geben. Der Nationalrat sprach sich in der Frühjahrssession 2023 mit 132 zu 58 Stimmen bei 2 Enthaltungen schliesslich gegen Folgegeben aus.

Der Verkehrswert von nichtkotierten Wertpapieren soll dem Buchwert des Unternehmens entsprechen (Pa.Iv. 21.520)

Jahresrückblick 2022: Öffentliche Finanzen

Während die Covid-19-Pandemie im Jahr 2022 allgemein an Virulenz verloren hatte, blieb sie für den Politikbereich «Öffentliche Finanzen» sehr zentral. Im Zentrum stand die Frage, wie die bis Ende 2022 auf CHF 26 Mrd. angewachsenen pandemiebedingten, ausserordentlich verbuchten Schulden abgebaut werden sollen. Zwar hatten Parlamentsmitglieder verschiedene Vorschläge unterbreitet, mit einer Änderung des Finanzhaushaltgesetzes entschieden die Räte jedoch, dem Bundesrat zu folgen, die Abbaufrist um sechs Jahre zu verlängern und die Schulden durch die zukünftigen Kreditreste sowie allfällige Zusatzausschüttungen der SNB abzubauen.
Die Covid-19-Pandemie war jedoch nicht nur bei der Frage des Schuldenabbaus 2022, sondern bei vielen anderen Debatten zu den öffentlichen Finanzen immer wieder Thema. So behandelte das Parlament zahlreiche Vorstösse, die zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 eingereicht worden waren und nun entweder behandelt oder aber unbehandelt abgeschrieben werden mussten. Folglich debattierte das Parlament über parlamentarische Vorschläge zur steuerlichen Unterstützung der von der Pandemie besonders stark betroffenen Unternehmen, zum Beispiel durch einen zwölfmonatigen Mehrwertsteuererlass oder eine Mehrwertsteuerreduktion für die betroffenen Betriebe oder durch einen Abzug für Eigenfinanzierung bei der Unternehmenssteuer. Auch Vorstösse zur Finanzierung der Covid-19-Massnahmen – etwa mittels Streichung sämtlicher Zahlungen ans Ausland, wie zum Beispiel der zweiten Kohäsionsmilliarde, durch höhere Ausschüttungen der SNB oder durch neue Steuern, etwa in Form eines Solidaritäts-Zuschlags auf Dividenden und Kapitaleinlagereserven oder durch eine solidarische Steuer auf grossen Vermögen – wurden diskutiert, aber allesamt abgelehnt.

Noch immer zentral war Covid-19 auch in der im Sommer 2022 beratenen Staatsrechnung 2021, zumal die Pandemie erneut zu einem rekordhohen Defizit von CHF 12.2. Mrd. geführt hatte. Und obwohl Covid-19 in der Zwischenzeit stark an Intensität eingebüsst hatte, stritten National- und Ständerat im Rahmen des Nachtrags Ib zum Voranschlag 2022 erneut relativ heftig um die Finanzierung einzelner Covid-19-Massnahmen. Deutlich weniger stark von der Pandemie geprägt als in den zwei Jahren zuvor war hingegen der Voranschlag 2023: Statt mehrerer Milliarden sah der Bundesrat nur noch CHF 410 Mio. zur Pandemiebekämpfung vor, die neu ordentlich verbucht sowie teilweise durch die Kantone gegenfinanziert werden sollten. Stattdessen liessen nun der gestiegene Zahlunsbedarf für Schutzsuchende aus der Ukraine sowie die Erhöhung der Armeeausgaben die Gesamtausgaben ansteigen.

Zweites grosses Thema im Politikbereich der öffentlichen Finanzen war im Jahr 2022 die OECD-Mindestbesteuerung. Der Bundesrat veröffentlichte im Juni 2022 seine Botschaft dazu, in der er eine Verfassungsänderung vorschlug, um die Mindestbesteuerung beruhend auf einer befristeten Verordnung per Januar 2024 einführen zu können. Umgesetzt werden soll die Mindestbesteuerung durch eine Ergänzungssteuer, die dann anfällt, «wenn eine in der Schweiz tätige Unternehmensgruppe die Mindestbesteuerung in der Schweiz oder im Ausland nicht erreicht». Umstritten war im Parlament vor allem die Frage, welcher Anteil dieser Zusatzeinnahmen an den Bund und welcher an die Kantone gehen soll. In der Wintersession einigten sich die Räte darauf, 75 Prozent der Einnahmen den Kantonen zukommen zu lassen, diskutiert worden waren aber auch zahlreiche weitere Varianten. In den Medien wurde darüber diskutiert, ob es aufgrund dieser höheren Unternehmensbesteuerung Massnahmen zum Erhalt der Steuerattraktivität der Schweiz brauche. Der Nationalrat wollte entsprechende Massnahmen untersuchen lassen und nahm dazu ein Postulat an, das eine Strategie zum Erhalt der Attraktivität der Schweiz im Rahmen der OECD-Mindestbesteuerung forderte. Die grossen grundsätzlichen Diskussionen zur Mindestbesteuerung, welche die Medien im Vorjahr noch geführt hatten, blieben im Jahr 2022 aber aus, wie auch Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2022 verdeutlicht.

Darüber hinaus begann der Nationalrat die Beratung der neusten Mehrwertsteuerrevision, die grösstenteils auf eine Vereinfachung der Mehrwertsteuer abzielte. Für einige Diskussionen wird im kommenden Jahr wohl auch die Erhöhung der Abzüge für Krankenkassenprämien im DBG sorgen, auf die der Ständerat in der Wintersession aufgrund der drohenden Steuerausfälle von CHF 400 Mio. jährlich nicht eintrat . Erstmals behandelt wurde zudem die Tonnagesteuer auf Seeschiffe, mit welcher der Bundesrat und die Mehrheit des Nationalrats die Steuerbelastung für Seeschifffahrtsunternehmen senken und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in diesem Bereich erhöhen wollten. Schliesslich kam im Oktober die Initiative «für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» zustande, gemäss der zukünftig alle Personen unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert werden sollen.

Jahresrückblick 2022: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2022

Rétrospective annuelle 2022 : Crédit et monnaie

Alors que, depuis plusieurs années, le Conseil fédéral et le Parlement continuaient d'alimenter la locomotive financière helvétique, l'année 2022 a été marquée par les nombreux freins tirés, soit par la population, soit par la majorité du Parlement, soit par le Conseil fédéral. En d'autres termes, malgré de nombreux projets de réforme, l'année 2022 a été marquée par une perte de vitesse des réformes liées à la place financière et aux banques helvétiques.

Premièrement, la population helvétique a refusé la suppression du droit de timbre et la réforme de l'impôt anticipé. Lors de deux votations populaires, les Suisses et Suissesses ont sanctionné les velléités de la droite et du gouvernement de supprimer progressivement la totalité des droits de timbre. Le PLR avait clamé, en 2009 déjà, son ambition d'abolir l'ensemble des trois droits de timbre afin de renforcer l'attractivité économique de la Suisse. Le 13 février 2022, 62.7 pour cent des citoyens et citoyennes helvétiques ont refusé une suppression du droit de timbre d'émission sur le capital propre. Le PS, les Verts et les syndicats ont saisi le référendum pour soumettre cette réforme du droit de timbre à la population, et mené la bataille avec une campagne qui interrogeait les votant.e.s sur «A qui profite la suppression du droit de timbre d'émission sur le capital propre?». Dans les urnes, les citoyens et citoyennes helvétiques ont, toutes régions confondues, rejeté la réforme à plus de 60 pour cent. Puis, le 25 septembre 2022, 52.01 pour cent des citoyens et citoyennes helvétiques ont rejeté la modification de la loi fédérale sur l’impôt anticipé. Cette réforme de l'impôt anticipé, prévoyait notamment la suppression du droit de timbre de négociation sur les obligations et exonérait les placements suisses de l'impôt anticipé. Lors de cette campagne, une impression de déjà-vu a dominé les débats. L'analyse APS des journaux indique que ces deux votations ont dynamisé les thématiques liées au marché financier et aux banques. En comparaison, en 2022, ces deux thématiques ont capturé plus de 5 pour cent des articles sur la politique, alors qu'ils ne représentent, de 2016 à 2021, qu'environ 3 pour cent. Il est notamment possible de noter un pic en janvier-février 2022. Lors de la campagne sur la votation du 13 février, la presse helvétique a consacré 7 pour cent de ses articles sur la politique à ces thématiques. A l'inverse, la campagne de votation du 25 septembre n'a pas généré un autant grand trafic. «Seulement» 4.6 pour cent de ces articles sur la politique ont traité de la thématique des marchés financiers et des banques. Ce relativement faible pourcentage, en comparaison avec la campagne du 13 février, s'explique par la prépondérance des campagnes sur la réforme de l'AVS21 et sur l'initiative populaire sur l'élevage intensif qui ont phagocyté la campagne. Au final, ces deux rejets successifs de la population ponctuent un feuilleton de plus de dix années sur la suppression des droits de timbre.

Deuxièmement, la majorité du Parlement, et le Conseil fédéral, ont successivement balayé toutes les velléités d'ajouter des wagons au train de la finance durable helvétique. Tout d'abord, le Parlement a rejeté plusieurs objets qui visaient une plus grande transparence sur l'impact des portefeuilles des investisseurs institutionnels sur le changement climatique, une politique financière compatible avec les impératifs environnementaux de la gouvernance, une veille micro- et macroprudentielle des risques financiers liés au changement climatique et la création d'un comité d'éthique pour évaluer les décisions d'investissements de la Banque nationale suisse (BNS). Pour sa part, comme en 2021, le Conseil fédéral a confirmé qu'il préconisait l'autorégulation de la finance helvétique avec un rôle uniquement subsidiaire pour l'État et non régulateur. Finalement, afin de maintenir le wagon de la finance durable sur les rails de la politique helvétique, un groupe de cinq parlementaires d'horizons politiques différents (Verts, Vert'libéraux, PS, Centre et PLR) ont déposé cinq motions identiques pour dynamiser les investissements écologiques grâce à une banque publique helvétique. Si le Conseil fédéral a déjà affirmé son scepticisme, le dossier sera traité dans les chambres en 2023.

Troisièmement, le Parlement a rejeté la privatisation de PostFinance. Alors que le Conseil fédéral a soumis un prototype de révision partielle de la Loi sur l'organisation de la Poste (LOP), avec comme objectifs de lever d'abord l'interdiction à PostFinance d'octroyer des crédits et des hypothèques, puis de privatiser PostFinance, l'ensemble du Parlement a préféré un retour au Conseil fédéral, plutôt qu'une réforme expérimentale. Autant au Conseil des États, qu'au Conseil national, tous les partis politiques ont fustigé cette révision de la LOP.

Quatrièmement, le bénéfice de la BNS a déraillé et a forcé les politiciens et politiciennes à ralentir leur appétit financier. La perte estimée d'environ CHF 150 milliards pour la BNS, pour l'année 2022, est due essentiellement aux positions en monnaies étrangères déficitaires, avec la guerre en Ukraine en toile de fond. Cette perte, inédite depuis 2008, a refroidi les politicien.ne.s suisses. De ce fait, le Conseil national a notamment rejeté une initiative parlementaire pour affecter les bénéfices de la BNS à la mise en œuvre de la politique énergétique 2050 et une motion pour clarifier la fonction de la réserve pour distributions futures dans le bilan de la BNS. En parallèle, cette perte a provoqué des maux d'estomac aux argentiers cantonaux qui avaient pris l'habitude de bénéficier de cette manne financière supplémentaire.

Cinquièmement, l'économie et la presse helvétique ont salué la fin des taux négatifs. La conjoncture économique mondiale, la hausse des prix des biens et services, avec notamment les prix de l'énergie, et les conséquences économiques de la crise du Covid-19, ont forcé la BNS a rehaussé son taux directeur, d'abord de 0.50 points en avril 2022, puis de 0.75 points en septembre 2022, et à nouveau de 0.5 points en décembre 2022 mettant un terme à la situation inédite des taux négatifs. Le taux directeur de la BNS fini donc l'année 2022 à 1 pour cent. Cette hausse était pressentie dès le début de l'année. D'un côté, cela a confirmé qu'en 2022 l'inflation semble avoir détrôné le franc fort sur la liste des préoccupations de la BNS. Après avoir percuté la parité au printemps 2022, le franc a continué son appréciation face à l'euro. Il flirtait avec les 95 centimes à la fin de l'été 2022. D'un autre côté, la hausse du taux directeur de la BNS a mis sous pression le marché hypothécaire helvétique. Les taux hypothécaires n'ont cessé de croître et l'Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers (FINMA) s'est inquiétée d'une surchauffe du marché immobilier. A partir de là, la BNS a forcé la main du Conseil fédéral pour réactiver le volant anticyclique sectoriel de fonds propres qui avait été désactivé en mars 2020, face à la crise du Covid-19.

Sixièmement, la transparence financière a été au cœur des débats en 2022. Pour commencer, les révélations sur les clients Crédit Suisse et les «Suisse Secrets» ont posé la question de la liberté de la presse concernant la place financière. Puis, la guerre d'agression de la Russie en Ukraine a mis le secteur bancaire helvétique sous les feux des projecteurs. Si le Conseil fédéral a d'abord été critiqué pour son attentisme, il a fini par s'aligner sur les sanctions occidentales. Ensuite, Pierin Vincenz, ex-dirigeant de la banque Raiffeisen Suisse, a été condamné pour gestion déloyale, abus de confiance et faux dans les titres. Est-ce que cette sanction marque un tournant dans les relations de la finance avec la justice? Finalement, plusieurs objets liés à la transparence ont également été débattus au Parlement. La Berne fédérale a ainsi accepté des postulats sur le traçage des transactions financières en crypto-monnaies, sur la responsabilisation des cadres supérieurs des établissements financiers helvétiques et sur le renforcement des efforts de transparences des flux financiers. En outre, le Conseil national a validé l'extension de l'échange automatique de renseignements relatif aux comptes financiers (EAR) avec douze États supplémentaires.

Pour finir, la révision partielle de la loi sur la surveillance des assurances (LSA) est arrivée à destination. Elle a été adoptée par les deux chambres. Pour sa part, le Conseil fédéral a mis sur les rails la modification de la loi sur les infrastructures des marchés financiers (LIMF). L'objectif est l'équivalence boursière, à moyen terme, avec l'Union européenne (UE).

Rétrospective annuelle 2022: Crédit et monnaie
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Dezember 2022 kam der Bundesrat zum Schluss, dass es derzeit keine neuen staatlichen Instrumente brauche, um die Resilienz der Schweizer Unternehmen zu stärken. Dies legte er in einem Bericht in Erfüllung eines Postulats Noser (fdp, ZH) dar, welcher auf einer Unternehmensbefragung mit anschliessendem Expertinnen- und Expertengespräch basierte. Ständerat Ruedi Noser hatte in seinem Postulat vorgeschlagen, die Bildung von steuerbefreiten Reserven in Unternehmen zu prüfen, die in ausserordentlichen Situationen – wie beispielsweise einer Pandemie – auf Beschluss des Bundesrats aufgelöst werden könnten. Auf diese Weise könne die Risikovorsorge der Schweizer Unternehmen gestärkt werden, hatte sich der Zürcher erhofft. Der Bundesrat argumentierte aber, dass sich ein solcher «ordnungspolitischer Eingriff» nur durch ein Marktversagen rechtfertigen würde – das hier aber nicht gegeben sei. Zudem würden entsprechende steuerliche Massnahmen zu unerwünschten Verzerrungen führen. Der Status quo, insbesondere die antizyklisch agierenden automatischen Stabilisatoren – die Arbeitslosenversicherung, die Kurzarbeit, das progressive Steuersystem und die Schuldenbremse –, sei besser geeignet, um Krisen zu bewältigen. Die einzelnen Unternehmen würden zudem am besten eigenständig entscheiden, welche finanziellen Mittel sie als Reserven anlegen möchten, schloss der Bundesrat seinen Bericht.

Renforcer la résistance des entreprises suisses (Po. 20.3544)
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen

In weiteren fünf Sitzungen bereinigte das Parlament den Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen. Nicht umstritten waren die Titeländerung sowie der Auftrag an den Bundesrat, innert sechs Jahren ein entsprechendes Bundesgesetz auszuarbeiten. Der Ständerat bereinigte beide Differenzen gleich in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens.

Er hielt jedoch nach langen Diskussionen entgegen einem Minderheitsantrag Rechsteiner (sp, SG) am Verteilschlüssel der zusätzlichen Steuereinnahmen von 75 Prozent für die Kantone und 25 Prozent für den Bund fest. Mit dieser Lösung gelange «möglichst viel Geld in den nationalen Finanzausgleich», so dass die Beiträge für die meisten Kantone anstiegen, begründete Kommissionssprecher Kuprecht (svp, SZ) diesen Entscheid. Umstritten war zwischen den Befürwortenden einer hälftigen Teilung und dem Vorschlag der Kommissionsmehrheit auch die Frage, ob es sich um eine kantonale oder eine nationale Steuer handle. Bei einer kantonalen Steuer könne ein Bundesanteil von 25 Prozent als grosszügig erachtet werden, argumentiert etwa der Sprecher der WAK-NR, Martin Landolt. Umgekehrt würde bei nationalen Steuern eine hälftige Teilung etwa der Aufteilung der Gewinnsteuern von juristischen Personen entsprechen, betonte Jürg Grossen (glp, BE). Obwohl die nationalrätliche Kommission anfänglich eine hälftige Verteilung gutgeheissen hatte, übernahm nun Martin Landolt im Namen der Kommission das Bild einer «kantonalen Steuer» – auch wenn er später zuhanden des Protokolls betonte, dass es sich faktisch gemäss bundesrätlicher Botschaft um eine Bundessteuer handle – und willigte in die ständerätliche 75-zu-25-Prozent-Aufteilung ein. Mit 99 zu 87 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte ihm der Nationalrat und lehnte damit einen Minderheitsantrag Grossen auf Festhalten ab. Die Grünen, Mehrheiten der SP und der GLP sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion sprachen sich für den Mehrheitsantrag aus und trugen somit zur Beseitigung dieser Differenz bei.

Offen blieb jedoch nach wie vor, ob die Beteiligung von Gemeinden und Städten ausdrücklich geregelt werden soll. Auch hier folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und lehnte einen Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG) ab, welcher die Definition einer angemessenen Beteiligung der Gemeinden und Städte den Kantonen überlassen wollte. Nachdem sich der Ständerat in dieser Frage erneut unnachgiebig gezeigt hatte – es sei «eigentlich fast verfassungswidrig, wenn wir hier den Kantonen vorschreiben, wie sie das Geld zu verteilen haben» (Stark; svp, TG), war argumentiert worden –, lenkte der Nationalrat auch hier ein. Er bereinigte somit die letzte Differenz mit 104 zu 72 Stimmen (bei 1 Enthaltung) – gemäss Kommissionssprecher Landolt jedoch nicht aus Überzeugung, sondern weil «das Ziel einer Differenzbereinigung eben darin besteht, Differenzen zu bereinigen».

Zusammen mit der Behandlung des Bundesbeschlusses über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen endete schliesslich auch der letzte Auftritt des zurücktretenden Finanzministers Maurer, der vom Nationalrat mit «[s]tehenden Ovationen» – wie es im Amtlichen Bulletin festgehalten wird – verabschiedet wurde.

Mit 127 zu 59 Stimmen (bei 10 Enthaltungen; Nationalrat) respektive 38 zu 2 Stimmen (bei 4 Enthaltungen; Ständerat) nahmen beide Kammern den neuen Bundesbeschluss in den Schlussabstimmungen an. Die ablehnenden Stimmen und Enthaltungen im Nationalrat stammten von Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion. Somit wird die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2023 über die Verfassungsänderung befinden.

Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (OECD-Mindestbesteuerung; BRG 22.036)

In der Wintersession 2022 begann der Nationalrat die Beratung des neuen Gesetzes für eine Tonnagesteuer für Hochseeschiffe. Kommissionssprecherin Amaudruz (svp, GE) betonte, dass die Mehrheit der WAK-NR mit diesem Gesetz ein klares Signal an die Wirtschaft senden wolle und dass man davon ausgehe, dass die Einführung einer Tonnagesteuer zu höheren Steuereinnahmen und neuen Arbeitsplätzen führe. Die Tonnagesteuer diene dazu, Hochseetransportunternehmen in der Schweiz zu halten, nachdem deren Sonderregelungen zur Besteuerung mit dem STAF abgeschafft worden waren. Diese neue Regelung sei OECD-konform und werde auch in der EU angewendet. Finanzminister Maurer betonte, dass die Vorarbeiten zu dieser Vorlage aus einer Zeit stammten, in der es der Hochseeschifffahrt überaus schlecht ging, und erinnerte an die entsprechenden Bürgschaften des Bundes. Zwar gebe es verfassungsrechtliche Gründe für und wider eine Tonnagesteuer, jedoch sei es volkswirtschaftlich wichtig, die Hochseeschifffahrt in der Schweiz mit derjenigen im Ausland gleichzustellen. «Zum Standort Schweiz, einem zuverlässigen Standort mit hohem Know-how, gehören eben auch diese Schiffe», betonte der Finanzminister.

Im Nationalrat lagen ein Antrag Bertschy (glp, BE) auf Nichteintreten sowie ein Antrag Wermuth (sp, AG) auf Rückweisung des Entwurfs an den Bundesrat vor, wobei dieser die «ökologische und soziale Verantwortung der Schifffahrtsbranche» im Entwurf hätte stärken sollen. Zudem hatte auch die FK-NR in einem Mitbericht aus finanziellen Gründen den Verzicht auf das neue Gesetz gefordert. Kathrin Bertschy brachte verschiedene Gründe für ihren Nichteintretensantrag an: Einerseits halte man die Verfassungsmässigkeit der Vorlage, insbesondere den Grundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und der rechtsgleichen Besteuerung, nicht für gegeben. Zwei Gutachten seien diesbezüglich zu unterschiedlichen Schlüssen gekommen, was insbesondere an ihrer unterschiedlichen Einschätzung der Frage, ob die Hochseeschifffahrt in der Schweiz ohne diese Vorlage in ihrer Existenz gefährdet sei, gelegen habe. Aufgrund der guten aktuellen wirtschaftlichen Lage der entsprechenden Branche verneine die Minderheit diese existenzielle Bedrohung, die eine Voraussetzung für die Verfassungsmässigkeit darstelle. Zudem hätten sowohl der Bundesrat als auch die FK-NR in ihrem Mitbericht erklärt, die Auswirkungen der Vorlage auf den Bundeshaushalt seien unklar. Mit diesem Entwurf könnten Rohstoffunternehmen die OECD-Mindestbesteuerung unterwandern, zumal sie den Schifffahrtsunternehmen gemäss Schätzungen von Expertinnen und Experten eine Besteuerung von 6 bis 7 Prozent erlaube. Schliesslich verlangte Bertschy, dass nur Unternehmen von der Steuer profitieren dürften, die mindestens unter EU- oder EWR-Flagge fahren, damit sie auch die entsprechenden Arbeits- und Umwelterfordernisse erfüllen müssten. Eine entsprechende Regelung sei jedoch nach der Vernehmlassung aus dem Entwurf gestrichen worden. Ähnlich argumentierte auch Cédric Wermuth, der überdies auch die Besteuerung nach Tonnage als unsinnig hervorstrich. Wenn man aber eine Tonnagesteuer wolle, müsse diese so ausgestaltet sein, dass die ökologische und soziale Verantwortung der Branche gestärkt werde.
In der Folge lehnte der Nationalrat beide Minderheitsanträge ab (mit 107 zu 83 Stimmen bei 4 Enthaltungen respektive mit 103 zu 90 Stimmen bei 1 Enthaltung), wobei SP und Grüne sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion beide Minderheitsanträge annahmen, während die GLP geschlossen den Rückweisungsantrag, aber nur zur Hälfte den Nichteintretensantrag unterstützte.

In der Detailberatung vertrat die Kommissionsmehrheit zwei Änderungsanträge: Einerseits wollte sie auch die Kreuzfahrtschiffe ausdrücklich der Tonnagesteuer unterstellen, obwohl der Bundesrat diese in der Botschaft bereits als Teil des Personentransports erachtet hatte. Eine Minderheit Bertschy sprach sich gegen den Einbezug der Kreuzfahrtschiffe aus, zumal Kreuzfahrten einen «unsinnigen» Tourismuszweig darstellten, den man gegenüber dem Tourismus in der Schweiz nicht einseitig subventionieren solle. Der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit.
Als zweite Änderung verlangte die Kommission, dass nur diejenigen Schiffe zur Tonnagesteuer zugelassen werden, deren «strategische[s] und kommerzielle[s] Management [...] in der Schweiz ausgeübt wird». Damit wollte man die Problematik lösen, dass die im Vernehmlassungsentwurf vom Bundesrat vorgeschlagene Beschränkung auf in der EU und im EWR zugelassene Schiffe gegen WTO-Recht verstossen würde. Dies war folglich auch die Kritik an einem Minderheitsantrag Badran (sp, ZH), welcher ebendiese Einschränkung forderte. WTO-konform wäre gemäss den Kommissionssprechenden auch der Antrag der Minderheit Ryser (gp, SG), nur Flotten zuzulassen, die zu 60 Prozent im Schweizer Schifffahrtsregister eingetragen sind. Diese Lösung erachtete Finanzminister Maurer jedoch als zu restriktiv und als «Schmälerung der Attraktivität der Schweizer Tonnagesteuer». Die Kommissionsmehrheit setzte sich in der Folge mit ihrem Alternativvorschlag gegen die Minderheitsanträge durch.

Darüber hinaus versuchten verschiedene Minderheiten die vorgeschlagenen Regelungen zu ver- oder entschärfen. So erachtete eine Minderheit Amaudruz den Vorschlag von Bundesrat und Kommissionsmehrheit als zu einschränkend und schlug mehrere Änderungen vor: Erstens sollte die Liste der mittels Tonnagesteuer besteuerten Zwecke nicht abschliessend genannt werden, was der Nationalrat jedoch ablehnte, weil es gemäss Kommissionssprecher Müller (mitte, LU) gegen das Legalitätsprinzip verstossen würde. Zweitens sollte die Regelung für Schiffe zur Errichtung und zum Unterhalt von Offshore-Bauwerken auf alle Seeschiffe mit maritimen Dienstleistungen für die Offshore-Industrie ausgedehnt werden. Zudem wollte Amaudruz die Regelung zu den Gewinnen aus Nebentätigkeiten, die ebenfalls via Tonnagesteuer besteuert werden können, ausweiten. Der Nationalrat lehnte jedoch sämtliche Anträge ab.
Eine Minderheit Wermuth schlug hingegen vor, die weitere, 30-prozentige Ermässigung des steuerbaren Reingewinns bei Erfüllung von ökologischen Anforderungen zu streichen. Beispiele aus anderen Staaten mit deutlich restriktiveren Regelungen hätten gezeigt, dass solche Belohnungen keine Wirkung auf die ökologischen Massnahmen auf den Schiffen hätten. Auch hier setzte sich die Kommissionsmehrheit jedoch durch und behielt die Ermässigung bei.

In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat den Entwurf mit 99 zu 85 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gut, wobei die ablehnenden Stimmen von der SP-, der Grünen-, fast der gesamten GLP- und einer Minderheit der Mitte-Fraktion stammten.

Bundesgesetz über die Tonnagesteuer auf Seeschiffen (BRG 22.035)

Im Dezember 2022 präsentierte die WBK-NR ihren Entwurf zur Überführung der Anstossfinanzierung der ausserfamiliären Kinderbetreuung in eine zeitgemässe Lösung, der sich in nicht unwesentlichen Punkten vom zuvor in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf unterschied.
Insgesamt 275 Stellungnahmen waren in der Vernehmlassung eingegangen, die grosse Mehrheit davon fiel positiv aus. So unterstützten 23 Kantone den Vorentwurf, ebenso wie acht von zehn stellungnehmenden Wirtschaftsverbänden – darunter GastroSuisse, SGB und Travail.Suisse – und acht Parteien – darunter die SP, die Grünen, die GLP und die Mitte. Abgelehnt wurde die Vorlage von der SVP und der FDP; die FDP-Frauen sprachen sich hingegen für den Vorentwurf aus. Bei den Wirtschaftsverbänden äusserte economiesuisse trotz Unterstützung der Vorlage erhebliche Vorbehalte, während sich der SGV gänzlich ablehnend zur Vorlage positionierte. Die Befürwortenden begrüssten grundsätzlich, dass das seit 2003 bestehende Impulsprogramm in eine dauerhafte Lösung überführt werden soll, ebenso wie das stärkere Engagement durch den Bund. Ferner vertraten sie die Ansicht, die Vorlage verbessere die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, wirke dem Fachkräftemangel entgegen und fördere die Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter. Die gegnerischen Stimmen, darunter die drei ablehnenden Kantone Bern, Graubünden und Zug, sahen durch den Vorentwurf die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen verletzt. In eine ähnliche Stossrichtung gingen die Bedenken des SGV sowie der SVP und der FDP. Anders beurteilten dies die meisten Kantone und die SODK, ebenso wie die für den Vorentwurf zuständige WBK-NR, die die neue Rolle des Bundes nicht nur mit Rückgriff auf die in Art. 116 Abs. 1 BV erwähnte Unterstützungskompetenz, sondern darüber hinaus mit Bezug auf Art. 110 Abs. 1 Bst. a BV (Arbeitnehmendenschutz) und Art. 8 Abs. 3 BV (Gleichstellung von Mann und Frau) legitimierte. Die SVP vertrat zusätzlich die Ansicht, dass die Vorlage die Wahlfreiheit der Eltern, die ihre Kinder nicht extern betreuen lassen wollen, einschränke. Economiesuisse und der SGV sorgten sich auch um die Kosten, insbesondere verbunden mit der offenen Frage der (Gegen-)Finanzierung.
Aufgrund der im Vernehmlassungsverfahren eingegangenen Rückmeldungen passte die WBK-NR ihren Entwurf im Vergleich zum Vorentwurf in zwei Punkten an. Erstens verlangte der Entwurf neu für jeden Kanton während der ersten vier Jahre eine Bundesbeteiligung von 20 Prozent an den durchschnittlichen Betreuungskosten der Eltern. Bei unzulänglichem finanziellen Engagement der Kantone könnte der Betrag daraufhin auf bis zu 10 Prozent der Betreuungskosten gekürzt werden. Im Vorentwurf hatte die Kommission eine umgekehrte Lösung vorgeschlagen, wonach der Bund zu Beginn einen Sockelbeitrag von 10 Prozent entrichtet hätte. Kantone mit vergleichsweise hohem finanziellen Engagement hätten in der Folge noch einen Zusatzbeitrag (+5% oder +10%) erhalten können. Die zweite Änderung im Vergleich zum Vorentwurf betraf die Höhe des Verpflichtungskredites zur Unterstützung von Programmen zur Schliessung der Angebotslücken in der familienexternen Betreuung. Während der Vorentwurf für die ersten vier Jahre hierfür insgesamt einen Betrag von CHF 160 Mio. bereitstellen wollte, wurde dieser Betrag im Entwurf auf CHF 240 Mio. erhöht. Dies, nachdem diverse Vernehmlassungsteilnehmende bemängelt hatten, dass zusätzliches Gewicht auf die Qualitätssicherung und -entwicklung gelegt werden sollte. Mit diesen Änderungen versehen genehmigte die Kommission den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung. Dass die Diskussion um die Vorlage damit noch lange nicht abgeschlossen sein würde, liessen bereits die zahlreichen Anträge diverser Kommissionsminderheiten erahnen, die die WBK-NR in ihrem Bericht und teilweise bereits in ihrer Medienmitteilung aufführte.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung