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Ein Postulat Columberg (cvp, GR), das den Bundesrat aufforderte, Kur- und Verkehrsvereine insoweit von der Mehrwertsteuer zu befreien, als diese unentgeltliche Leistungen im Interesse des Gastes oder der im Tourismus tätigen Unternehmen erbringen, wurde vom Nationalrat überwiesen. Über 100 Schweizer Kur- und Verkehrsvereine traten bis auf weiteres in den Zahlstreik ein. Auch in anderen Branchen kam es zu Boykotten der Mehrwertsteuer. So zahlten die Brockenhäuser gemeinnütziger Organisationen ihre Steuern auf ein Sperrkonto ein. Die Treuhändergesellschaften forderten die Gültigkeit der neuen Spesenregelung rückwirkend auf 1995 und rieten Tausenden von Unternehmen, ihre Abrechnungen mit einem Vorbehalt zu versehen. Insgesamt dürfte es zu rund 20 Musterprozessen vor Bundesgericht kommen; Kläger sind unter anderem die Leasingfirmen, die Hauslieferdienste und die Tierärzte. Gegen 11'000 steuerpflichtige Unternehmen wurde Ende Jahr ausserdem die Betreibung eingeleitet. Damit verlagerte sich die Auseinandersetzung um die Mehrwertsteuer zusehends auf die juristische Ebene.

Postulat Columberg Mehrwertsteuer für Kur- und Verkehrsvereine

Fast gleichzeitig mit dem Sondersatz für die Hotellerie machte der Bundesrat mit drei Verordnungsänderungen weitere Zugeständnisse an Steuerpflichtige, die auf den 1. Januar 1996 in Kraft treten und Ausfälle von geschätzten CHF 280 Mio. zur Folge haben werden. Die erste Änderung betrifft die Lockerung der Spesenregelung, wonach geschäftlich begründete Unterkunfts- und Reisespesen sowie Ausgaben für beruflich genutzte Personenwagen voll - und nicht mehr nur zur Hälfte - als Vorsteuer abgezogen werden können. Ausgenommen sind die Verpflegungsspesen, die weiterhin nur zur Hälfte geltend gemacht werden können. Reduziert wird ferner die Eigenverbrauchsbesteuerung bei Nutzungsänderungen von Liegenschaften. Schliesslich beschloss der Bundesrat auch administrative Erleichterungen: Die rund 75'000 steuerpflichtigen Betriebe, die nach Saldosteuersätzen abrechnen (Jahresumsätze bis zu CHF 500'000) sollen inskünftig nur halbjährlich anstatt vierteljährlich abrechnen müssen.

MWSt-Verordnungsänderungen zugunsten Steuerpflichtiger

Die Lega stellte im Berichtsjahr die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Kantons Tessin in den Vordergrund und forderte als Massnahmen – ohne konkrete Umsetzungen vorzuschlagen – etwa eine Tessiner Freihandelszone, eine Senkung des Tessiner Benzinpreises, um den Benzintourismus wiederzubeleben, und eine Kantonalisierung der «Lex Friedrich». Zudem lancierte sie im Berichtsjahr eine Volksinitiative «Für eine volksnahe Mehrwertsteuer».

Ausrichtung und Position der Lega 1995

Die ausländischen Mitarbeiter von internationalen Organisationen sowie Diplomaten und deren Familienangehörige sind in der Schweiz bei Einkäufen von über CHF 100 künftig von der Mehrwertsteuer befreit. Eine entsprechende Verordnung setzte der Bundesrat auf den 1. Juli in Kraft. Die Steuerbefreiung steht in Zusammenhang mit dem WTO-Sitz in Genf, für den die Schweiz eine Reihe von Zugeständnissen machte.

Mehrwertsteuerbefreiung für Diplomaten

Am 1. Januar 1995 trat nach ungewöhnlich kurzer Vorbereitungsphase die Mehrwertsteuer-Verordnung in Kraft. Auch danach wollten die Stimmen nicht verstummen, die kritisierten, dass die Verordnung schärfer ausgefallen sei als der vor der Volksabstimmung vom November 1993 veröffentlichte Entwurf. Im Wettlauf um Änderungen der Mehrwertsteuer wurden zwei Initiativen lanciert. Der Schweizerische Landesverband für Sport (SLS) und gemeinnützige Organisationen lancierten im Frühjahr eine Volksinitiative «gegen eine unfaire Mehrwertsteuer im Sport und im Sozialbereich». Diese verlangt, dass die Umsätze der nicht gewinnstrebenden Sportveranstaltungen sowie der anerkannten gemeinnützigen Organisationen von der Mehrwertsteuer befreit werden. Die Lega dei Ticinesi, unterstützt von der Autopartei des Kantons St. Gallen, lancierte eine Volksinitiative «für eine volksnahe Mehrwertsteuer», die verschiedene populäre Forderungen zusammenfasst. So sollen Kurtaxen, Sportanlässe, Hilfswerke, die Leistungen der öffentlichen Dienste sowie der Verkauf von Treibstoffen, Heizöl und Flugbilletten von der Steuer befreit werden. Für den Tourismus sowie Architekten- und Ingenieurhonorare verlangt die Initiative einen reduzierten MWSt-Satz von 2%.

Volksinitiative gegen eine unfaire Mehrwertsteuer im Sport und im Sozialbereich

Eine Motion Schmid (cvp, AI) (Mo. 93.3641), die Wettbewerbsverzerrungen in der Biersteuer ausmerzen und die in der Europäischen Union bekannte Biersteuerstaffel einführen wollte, war letztes Jahr vom Ständerat angenommen worden, wurde aber im Berichtsjahr vom Nationalrat abgelehnt. Eine gleichlautende Motion Tschuppert (fdp, LU) (Mo. 93.3616) überwies der Nationalrat als Postulat. Er folgte damit dem Bundesrat, der eine Revision des Biersteuergesetzes in Aussicht stellte, sich aber nicht auf die Biersteuerstaffel festlegen wollte.

Mo. Schmid zur Ausmerzung von Wettbewerbsverzerrungen in der Biersteuer

Im Berichtsjahr wurde verschiedentlich der Erlass von Verordnungen anstelle von Gesetzen in Frage gestellt, wie es bei der Mehrwertsteuer der Fall ist. Nationalrätin Spoerry(fdp, ZH) forderte mit einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 94.404), dass in sensiblen Bereichen die politische Kontrolle durch das Parlament sichergestellt sein müsse und mindestens die gesetzesvertretenden Verordnungen des Bundesrates der Genehmigung durch die eidgenössichen Räte bedürfen.

Pa.Iv. Spoerry Genehmigungsvorbehalt bei wichtigen Ver­ordnungen

In einem Rückblick auf bisherige Sanierungsanstrengungen zog der Bundesrat eine gemischte Bilanz. Er geht davon aus, dass die mit den Sanierungsmassnahmen 1992 (1. Sanierungspaket) angestrebte Haushaltsentlastung von rund CHF 4 Mrd. erreicht wird. Die auf drei Jahre befristeten (1993-95) linearen Beitragskürzungen von 10% bringen jährliche Einsparungen von rund CHF 800 Mio. und zusammen mit gezielten Sparmassnahmen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe, via Budget- und Finanzplanung sowie Einsparungen von Schuldzinsen infolge der dadurch verringerten Haushaltsdefizite wurden ausgabenseitige Entlastungen von rund CHF 2 Mrd. erwartet. Auf den gleichen Betrag beziffern sich die mit den Sanierungsmassnahmen 1992 realisierten Mehreinnahmen. Bei den Mehreinnahmen leistet die Erhöhung des Treibstoffgrundzolls um 20 Rappen pro Liter den wichtigsten Beitrag. Aus der schrittweisen Erhöhung der Tabaksteuer sollen bis 1995 Mehreinnahmen von jährlich CHF 350 Mio. resultieren, aus der beschlossenen Verteilung des Nationalbankgewinns solche von 200 Mio (weitere CHF 400 Mio. gehen an die Kantone). Die Aufhebung des Spielbankenverbots dürfte ab 1997 erste Mehreinnahmen bringen.
Der einnahmenseitige und separat unterbreitete Teil der Sanierungsmassnahmen 1993, der Wechsel zur Mehrwertsteuer, wird auf CHF 1.6 Mrd. geschätzt. Mit Gesetzes- und Bundesbeschlussänderungen sowie einer Verfassungsänderung sollten weitere rund 1.5 Mrd. gespart werden (siehe auch oben). Neben den Sanierungsprogrammen soll schliesslich auch die Heraufsetzung der Autobahn-Vignette von CHF 30 auf CHF 40 und die an die Teuerung angepasste pauschale Schwerkehrsabgabe dem Bund Mehreinnahmen in der Höhe von rund CHF 500 Mio. bringen, welche allerdings für Strassenzwecke gebunden sind. Insgesamt ermöglichen die beiden Sparprogramme 1992 und 1993, die Mehrwertsteuer und die Strassenverkehrsabgaben eine dauernde Verbesserung der Bundesrechnung um über CHF 7 Mrd. pro Jahr. Der Bundesrat betonte jedoch, dass trotz der Sparmassnahmen das Ziel eines Haushaltgleichgewichts nach wie vor deutlich verfehlt werde.

Sparmassnahmen zur nachhaltigen Sanierung des Bundeshaushaltes (BRG 94.073)
Dossier: Sanierungsmassnahmen 1994 für den Bundeshaushalt (BRG 94.073)

Besondere Aufmerksamkeit erregte die Besteuerung von Breitensport-Veranstaltungen, nachdem es in der Kampagne noch geheissen hatte, dass Sportvereine und deren Veranstaltungen weitgehend ausgenommen werden. So soll etwa auch der Engadiner Skimarathon nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden. Der Landesverband für Sport (SLS) drohte mit dem Gang vor das Bundesgericht und mit einem Steuer-Boykott sowie der Lancierung einer Volksinitiative. Bundesrat Stich machte jedoch geltend, dass Startgelder nicht das Entgelt für kulturelle Leistungen darstellten und deshalb wie jeder andere Umsatz zu versteuern seien. Protest legte auch der Schweizerische Tourismusverband ein gegen die Besteuerung der Kurtaxe, da Kurvereine meist hoheitliche Aufgaben übernähmen und unentgeltliche Leistungen erbrächten. Schliesslich sahen sich auch die gemeinnützigen Hilfswerke durch die Unterstellung unter die Mehrwertsteuer in ihrer Arbeit bedroht. Die MWSt-Verordnung befreit lediglich direkt karitative Leistungen von der Steuerpflicht, nicht aber die Umsätze der gemeinnützigen Brockenstuben. Rund 200 Brockenstuben von Hilfswerken kündigten im Dezember einen vorläufigen MWSt-Boykott an.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Heftig protestierte der Schweizerische Städteverband gegen eine Besteuerung von Dienstleistungen, die von der öffentlichen Hand gegenüber Privaten erbracht werden. Damit werden Aufgaben wie Wasser- und Abfallentsorgung, Schneeräumung oder Friedhofspflege steuerpflichtig. In seiner Antwort auf eine dringliche parlamentarische Anfrage bestand Bundesrat Stich auf der Besteuerung von gewerblichen Leistungen der öffentlichen Hand, die ebensogut ein Privater ausführen könnte. Gegen Ende des Berichtsjahres signalisierte die Steuerverwaltung jedoch Kompromissbereitschaft und will staatliche Leistungen an Dritte von der Steuerpflicht befreit halten, solange sie im betroffenen Amt pro Jahr nicht mehr als CHF 25'000 ausmachen.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Als Antwort auf die angebliche Verunsicherung und Verärgerung des Volkes und der Wirtschaft über die MWSt-Verordnung forderte schliesslich eine parlamentarische Initiative Dettling (fdp, SZ) (Mo. 93.461), dass das Parlament baldmöglichst ein eigenes Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer erlasse. Die Initiative wurde mit 96 zu 41 Stimmen gegen den Willen von Bundesrat Stich angenommen, der mit der Verordnung zunächst zwei Jahre Erfahrungen sammeln und dann ein Ausführungsgesetz erlassen wollte. Die Nationalratskommission für Wirtschaft und Abgaben soll nun in der ersten Hälfte 1995 einen Gesetzesentwurf vorlegen. Gleichzeitig überwies der Nationalrat eine Motion seiner Wirtschaftskommission (Mo. 94.347), die den Bundesrat beauftragt, bis 1. Januar 1998 ein MWSt-Gesetz vorzulegen. Eine Motion Schüle (fdp, SH) (Mo. 94.3143), welche vom Bundesrat ein solches Gesetz bis 1996 vorliegen haben wollte, war zuvor vom Ständerat überwiesen worden.

Pa.Iv. Dettling Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer

Nach zähen Verhandlungen über die Erhebung der Mehrwertsteuer kam im Oktober eine gütliche Vereinbarung zwischen der Schweiz und Liechtenstein zustande: Vaduz kann die Steuer wie gewünscht mit einer eigenen Mehrwertsteuer-Verwaltung erheben und somit seine Souveränität bewahren, die oberste Kontrolle wird jedoch dem Bundesgericht in Lausanne übertragen. Ursprünglich wollte Finanzminister Stich wie bisher die Warenumsatzsteuer auch die Mehrwertsteuer im Fürstentum durch die Schweiz erheben lassen. Vor allem befürchtete die Schweiz, Liechtenstein könne die Finanzdienstleistungen bevorzugt behandeln. Dies hätte den Banken und Treuhändern einen Wettbewerbsvorteil beschert. Liechtenstein wird die materiellen Vorschriften über die Mehrwertsteuer nun vollumfänglich übernehmen. Die Schweiz hat Liechtenstein jedoch zugesagt, Sonderregelungen für Dienstleistungen zu prüfen. Beide parlamentarischen Kammern haben dem Abkommen zugestimmt.

Vertrag mit dem Fürstentum Liechtenstein über die Mehrwertsteuer

Ausgedehnt wurden in der neuen Verordnung auch die Tatbestände, für die ein Vorsteuerabzug nicht oder nur beschränkt möglich ist. So können die Unternehmer diesen nur auf 50% ihrer Geschäftsspesen (z.B. Verpflegung, Unterkunft, Reisekosten) und bei Ausgaben für Personenwagen vornehmen. Gegen diesen halbierten Vorsteuerabzug wehrten sich neben den Unternehmern insbesondere auch das Gastgewerbe, der Gewerbeverband, der Autovermieterverband sowie der Verband schweizerischer Leasinggesellschaften, die in der Begrenzung des Vorsteuerabzugs eine Verfassungswidrigkeit sahen. Leasingfirmen beklagten zudem, dass die Übergangsregelung für Miet- und Leasinggeschäfte auf eine Doppelbesteuerung hinauslaufe, da vermietete oder verleaste Waren einerseits der WUSt unterliegen und zusätzlich ab 1. Januar 1995 auf den Miet- und Leasingzinsen Mehrwertsteuern abzuführen sind.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Am 22. Juni verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über die Mehrwertsteuer, die auf den 1. Januar 1995 in Kraft trat. Darin fanden sich teilweise andere Regelungen als jene, die in der Abstimmungskampagne genannt worden waren, was zu neuer Kritik Anlass gab. Auch wenn von allen Seiten das speditive Vorgehen der Steuerverwaltung gelobt wurde, wehrten sich in der Herbstsession doch in mehreren dringlichen Interpellationen (D.Ip. 94.3348) vorab bürgerliche Parlamentarier gegen gewisse Besteuerungen. Bundesrat Stich wollte Änderungen in der MWSt-Verordnung nicht ausschliessen, jedoch nicht mehr vor Einführung der neuen Steuer.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Umstritten war im weiteren die Forderung nach einem Sondersatz für die Tourismusbranche, die namentlich vom Schweizer Hotelier-Verein und vom Kanton Graubünden, in Grundsatzpapieren zur Fremdenverkehrspolitik aber auch von CVP und FDP erhoben wurde. Zwei gleichlautende Motionen Bezzola (fdp, GR) (Mo. 93.3544) und Küchler (cvp, OW) (Mo. 93.3546), welche einen reduzierten Satz für touristische Leistungen forderten, scheiterten jedoch am Nationalrat, nachdem der Ständerat mit grosser Mehrheit zugestimmt hatte. Ein Steuersatz von 2% hätte das Tourismusgewerbe um jährlich rund CHF 250 Mio. entlastet, den Bund jedoch in derselben Höhe um Mehreinnahmen gebracht. Ebenfalls abgelehnt wurde vom Nationalrat eine Motion Leu (cvp, LU), welche die Befreiung tierärztlicher Leistungen von der Mehrwertsteuer forderte (Mo. 94.3267). Gemäss Bundesrat Stich wäre eine solche Regelung nicht im Einklang mit EU-Recht gewesen. Vom Nationalrat klar verworfen wurde auch eine Motion Zisyadis (pda, VD), die importierte Bücher von den durch die Exportländer erhobenen Steuern befreien wollte (Mo. 94.3250).

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Im Vernehmlassungsverfahren erregte insbesondere auch die Frage des Vorsteuerabzuges auf Anlageinvestitionen die Gemüter. Zwei Motionen der FDP (Mo. 93.3576) und der SVP (Mo. 93.3599) hatten Ende 1993 verlangt, den Vorsteuerabzug auf Investitionen vorzeitig auf den 1. Juli 1994 einzuführen, um einen Investitionsrückstau zu verhindern. Verschiedene Kantone sowie die Maschinenindustrie baten den Bundesrat ebenfalls eindringlich um ein Vorziehen des Vorsteuerabzuges. Bundesrat Stich lehnte ein Vorziehen jedoch mit der Begründung ab, dass dies zu Steuerausfällen von mindestens CHF 600 Mio. führen würde und der Vollzug der MWSt-Verordnung aufgrund der beschränkten Ressourcen der Eidgenössischen Steuerverwaltung womöglich verzögert würde. Er verwies ausserdem auf die stark verbesserten Konjunkturaussichten. Die Motionen wurden auf Antrag des Bundesrates abgeschrieben.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Ein Postulat Tschopp (fdp, GE) (Po. 93.3225), das den Bundesrat einlud, die Schätzungen des Finanzdepartementes betreffend Nettoertrag der Mehrwertsteuer durch das Bundesamt für Statistik überprüfen zu lassen, wurde vom Nationalrat gegen den Willen von Bundesrat Stich knapp angenommen.

Postulat Tschopp Nachrechnung des Nettoertrages der Mehrwertsteuer

Der Vorentwurf der Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer, die anstelle eines Gesetzes erlassen wurde und bereits vor der Abstimmung über die Finanzordnung vom 28. November 1993 in die Vernehmlassung gegeben worden war, stiess mehrheitlich auf ein positives Echo. Er brachte aber auch zahlreiche nicht befriedigend umschriebene Detailprobleme zum Vorschein und führte zu einem zähen Feilschen um Ausnahmen und Sondersätze.

Tiefe Gräben riss die im Entwurf vorgesehene Regelung auf, wonach Dienstleistungen für ausländische Privatkunden, nicht aber jene für Institutionen, der Mehrwertsteuer unterstellt worden wären. Die bürgerlichen Parteien, der Vorort und die Schweizerische Bankiervereinigung erachteten es als unabdingbar, die Erbringung von Dienstleistungen ins Ausland generell von der Steuerpflicht auszunehmen und drohten mit der Abwanderung des Vermögensverwaltungsgeschäfts und von Arbeitsplätzen. Mit einem Grundsatzentscheid kam der Bundesrat weiten Teilen der Dienstleistungsbranche schliesslich entgegen: Dienstleistungen an im Ausland domizilierte Empfänger werden nicht der Steuerpflicht unterstellt. Zugelassen hat der Bundesrat nach längerer Diskussion auch die von bürgerlicher Seite geforderte Möglichkeit der Organschaft: Eine Unternehmensgruppe kann somit bei der Mehrwertsteuer als eine einzige Steuerpflichtige auftreten. Die Umsätze innnerhalb der Gruppe bleiben entsprechend steuerfrei.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Die Gültigkeitsdauer der drei dringlichen Bundesbeschlüsse zur Anhebung der Subventionen an die Krankenkassen (1990), über Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung (1991) und gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1992) war seinerzeit bis zum 31. Dezember 1994 befristet worden, in der Annahme, das neue Gesetz über die Krankenversicherung (KVG) könne am 1. Januar 1995 in Kraft treten. Da das Gesetz erst in der Frühjahrssession von den Räten verabschiedet wurde (s. unten), zeigte die Anhörung der Kantone und der Versicherer, dass ein Inkrafttreten selbst ohne Referendum frühestens auf den 1. Januar 1996 in Frage kommen könnte. Weil die drei Bundesbeschlüsse aber den reibungslosen Übergang zum neuen Gesetz bezwecken, beantragte der Bundesrat dem Parlament deren Verlängerung bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, längstens aber bis zum 31. Dezember 1997. Die einzige gewichtige Änderung gegenüber den früheren Beschlüssen sah der Bundesrat bei den Massnahmen gegen die Entsolidarisierung (Beschluss B) vor. In Umsetzung des vor der Abstimmung zur Mehrwertsteuer abgegebenen Versprechens, zur sozialen Abfederung der neuen Steuer während fünf Jahren jeweils 5% von deren Ertrag (schätzungsweise rund 500 Mio. Fr.) zur Verbilligung der Krankenkassenprämien für die sozial schwächere Bevölkerung zu verwenden, schlug der Bundesrat vor, ab 1995 die Bundessubvention auf 600 Mio Fr. zu erhöhen, nämlich 100 Mio. gemäss dem Beschluss B von 1991 und 500 Mio. aus der Mehrwertsteuer. Damit die Kantone dies nicht zum Vorwand nehmen können, ihre eigenen Beiträge einzufrieren, wollte die Landesregierung die Kantone verpflichten, wie bis anhin ungefähr 200 Mio. Fr. zur gezielten Prämienverbilligung beizusteuern.

Verlängerung dreier dringlicher Bundesbeschlüsse (BRG 94.002)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Grünes Licht gab der Bundesrat in der Verordnung für Branchenpauschalen, was die Steuerabrechnung für Betriebe mit Jahresumsätzen von bis zu 500'000 Franken wesentlich vereinfacht. Der Bundesrat erfüllte damit auch zwei in der Frühlingssession überwiesene Postulate Seiler (svp, BE) (Po. 93.3653) und Delalay (cvp, VS) (Po. 93.3563), die ein vereinfachtes Abrechnungssystem und einen pauschal berechneten Vorsteuerabzug für kleinere Unternehmen verlangt hatten.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Nach Annahme der Mehrwertsteuervorlage reichten die Fraktionen der FDP (Mo. 93.3576) und der SVP (Mo. 93.3599) sowie Nationalrat Oehler (cvp, SG) (Mo. 93.3577) je eine Motion ein, die verlangen, schon ab Mitte des Jahres 1994, also vor Inkrafttreten des neuen Steuersystems, den sogenannten Vorsteuerabzug für Investitionsgüter zu gewähren, um einen Investitionsstau zu verhindern und die Konjunktur zu beleben.

Motionen für Vorsteuer-Abzug

Aus Kreisen der Bank- und Finanzinstitute sowie der Treuhandgesellschaften ertönte bereits Kritik am bundesrätlichen Verordnungsentwurf zur Mehrwertsteuer, da gewisse Dienstleistungen für Privatkunden mit Sitz im Ausland nicht von der Steuerpflicht ausgenommen sind, obwohl gemäss Artikel acht der Übergangsbestimmungen die ins Ausland erbrachten Dienstleistungen von der Steuer befreit werden sollen.

Vollzugsverordnung zur Mehrwertsteuer

Finanzordnung
Abstimmung vom 28. November 1993

Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 247 400 (66,7%) / 19 6/2 Stände
Nein: 674 031 (33,3%) / 1

Parolen:
Ja: FDP, SP, CVP, SVP (2*), LP, LdU, EVP, EDU; Vorort, SGV, SBV, SGB, Bankiervereinigung, Tourismus-Verband, Hotelier-Verein.
Nein: AP (1*), SD, PdA, Lega; Wirteverband, Coiffeurmeister-Verband, Bäcker- und Konditorenmeisterverband, Metzgermeisterverband, Centre Patronal.
Stimmfreigabe: GP.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Beitrag zur Gesundung der Bundesfinanzen (Satz 6,5%)
Abstimmung vom 28. November 1993

Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 163 887 (57,7%) / 15 6/2 Stände
Nein: 852 439 (42,3%) / 5

Parolen :
Ja: FDP (4*), CVP, SP, SVP (6*), GP, LdU (1*), EVP; Tourismus-Verband, Hotelier-Verein, SGB.
Nein: LP, AP, SD, PdA, Lega, EDU; gleiche Verbände wie bei Finanzordnung.
Stimmfreigabe: Vorort, SGV, VSM.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Massnahmen zur Erhaltung der Sozialversicherung
Abstimmung vom 28. November 1993

Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 258 782 (62,6%) / 19 6/2 Stände
Nein: 752 472 (37,4%) / 1

Parolen:
Ja: FDP (6*), CVP, SP, SVP (8*), GP, LdU (1*), EVP; Tourismus-Verband, Hotelier-Verein, SGB.
Nein: LP, AP, SD, PdA, Lega, EDU; SGV und gleiche Verbände wie bei Finanzordnung.
Stimmfreigabe: Konsumentinnenforum Schweiz.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Besondere Verbrauchssteuern
Abstimmung vom 28. November 1993


Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 212 002 (60,6%) /17 6/2 Stände
Nein: 786 396 (39,4%) / 3

Parolen :
Ja: FDP, CVP, SP, SVP (3*), LP, GP, LdU, EVP; Vorort, SGV, RN, Tourismus-Verband, Hotelier-Verein, SGB.
Nein: AP, SD, PdA, Lega; gleiche Verbände wie bei Finanzordnung.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Alle vier Vorlagen des Finanzpaketes wurden mit Ja-Anteilen zwischen knapp 58 und 67% bei einer Stimmbeteiligung von 45,4% angenommen. Der Kanton Zürich verzeichnete bei allen vier Teilen des Finanzpaketes die stärkste Zustimmung. Am negativsten war die Einstellung im Kanton Wallis, gefolgt vom Tessin.

Die Vox-Analyse zeigte, dass bei den ersten beiden Vorlagen die Zustimmung unter hoch gebildeten und gut verdienenden Urnengängern aus städtischen Gebieten am höchsten war. Am meisten Ablehnung erfuhren die zwei Vorlagen bei wenig Gebildeten, bei Landwirten, in der Arbeiterschaft mit niedrigem Einkommen sowie in ländlichen und peripheren Gebieten. In der deutschsprachigen Schweiz war die Zustimmung generell höher als in der Romandie und im Tessin. In bezug auf die politischen Einstellungen war die Befürwortung bei Anhängern der SP, der Zentrumsparteien LdU/EVP sowie der Freisinnigen am grössten, während sie bei jenen der SVP und bei Parteiungebundenen am geringsten war. Bei den Entscheidmotiven der Ja-Stimmenden zur Frage des Systemwechsels spielte das finanzpolitische Argument und die Anpassung an das Steuersystem der Staaten der Europäischen Union die grösste Rolle. Hingegen schienen die spezifischen Vorteile einer Mehrwertsteuer nur zweitrangig zu sein. Unter den Nein-Stimmenden überwog neben einer diffusen Abwehr vor mehr Steuern vor allem die Angst vor einem Teuerungsschub sowie das Argument, der Bund solle besser mehr sparen als zusätzliche Steuern eintreiben. Dieses Element spielte bei den Nein-Stimmenden vor allem in der Frage zur Höhe des Steuersatzes die ausschlaggebende Rolle. Die Inhalte der beiden übrigen Vorlagen über die Massnahmen zur Erhaltung der Sozialversicherung und jene über die besonderen Verbrauchssteuern waren von den Befragten sehr viel ungenauer und summarischer wahrgenommen worden als die beiden ersten Beschlüsse.

Entwurf der Regierung zum Ersatz der neuen Bundesfinanzordnung

Bei den eidgenössischen Abstimmungen gab die PdA die Nein-Parole zur Erhöhung des Treibstoffzolls, zu den Bundesbeschlüssen über die Arbeitslosenversicherung und über die Kostensteigerung in der Krankenversicherung, gegen welche sie das Referendum ergriffen hatte, sowie zu sämtlichen vier Vorlagen über die Mehrwertsteuer heraus.

Parolen der PdA 1993
Dossier: Parolen der PdA, 1990-1995