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Da die EU den Abschluss eines bilateralen Stromabkommens aufgrund des fehlenden Rahmenabkommens auf Eis gelegt hatte, stieg die Nervosität in der Schweizer Energiebranche zunehmend an, wie der Presse zu entnehmen war. Die Schweiz werde dadurch vom Verhandlungstisch ausgeschlossen, was die Netzsicherheit verringere, ungeplante Stromflüsse wahrscheinlicher mache, die Kosten ansteigen und die Importfähigkeit der Schweiz sinken lasse. Dies sei vor allem in den Wintermonaten problematisch, da die Schweiz zu dieser Zeit zu wenig Strom produziere, um den Eigenbedarf decken zu können, erklärte die NZZ. Doch nicht nur in der Schweiz äusserte man Bedenken zur derzeitigen Situation. Auch in Deutschland wünschten Medienberichten zufolge FDP-Bundestagsmitglieder eine rasche Einigung mit dem kleinen Nachbarland. Aufgrund der zentralen Lage in Europa fliessen grosse Mengen des grenzüberschreitend gehandelten Stromes durch die Schweiz, weshalb das Land eine zentrale Rolle in der Stromversorgung in Europa einnimmt. Des Weiteren könnten die Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen die Schwankungen in der Produktion und der Nachfrage ausgleichen, so die Aargauer Zeitung. Aus Sicht Deutschlands sei vor allem letztere Funktion von zentraler Bedeutung, da Deutschland mit den Sonnenkollektoren und Windkraftanlagen unregelmässig Strom produziere und bis 2023 mit dem Ausstieg aus der Atomenergie an Bandenergie verliere. Auch die deutsche Bundesregierung hielt in ihrer Antwort auf die Anfrage der FDP fest, dass es eine Einbindung der Schweiz in den europäischen Binnenmarkt brauche.

Trotz der «Schützenhilfe aus Berlin», wie das St. Galler Tagblatt titelte, habe das BFE damit begonnen, einen Plan B auszuarbeiten, sollte es zu keinem Abschluss mit der EU kommen, berichtete die NZZ. In diesem Zusammenhang wurde in den Schweizer Medien vermehrt wieder die Idee von inländischen Gaskombikraftwerken aufgegriffen. Dies auch, nachdem Forschende der ETH Lausanne und der HSG St. Gallen Ende Jahr einen Bericht zum nationalen Forschungsprogramm «Energie» veröffentlicht hatten. In jener Untersuchung, in welchem die Forschenden unter anderem der Frage nachgingen, was ein fehlendes Stromabkommen für die Schweiz bedeuten würde, stellten sie eine kontroverse These auf: Ohne Stromabkommen könne es «in der Schweiz langfristig zu Investitionen in Gaskraftwerke kommen, insbesondere wenn der Ausbau erneuerbarer Energien nicht stark politisch unterstützt und damit forciert [werde]».
Die Idee von Gaskraftwerken hatte vor einigen Jahren auch schon der Bundesrat vorgebracht, damals aber aus einem anderen Grund: Mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie sei es gemäss dem Bundesratsbericht zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 möglich, dass bis im Jahr 2020 ein Gaskombikraftwerk nötig werde, war damals gemutmasst worden. Im Jahr 2019 bekam die Debatte aufgrund der Abschaltung des Atomkraftwerks Mühleberg (BE) wieder neuen Aufwind, dies vor allem, nachdem sich der abtretende ElCom-Präsident Carlo Schmid-Sutter in der NZZ für eine «Enttabuisierung» solcher Gaswerke ausgesprochen hatte. Die Kraftwerke könnten dem schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien entgegenwirken und bei Stromengpässen die Versorgungssicherheit der Schweiz sicherstellen, so Schmid-Sutter weiter. Ein fehlendes Stromabkommen mit der EU dürfte somit womöglich auch Auswirkungen auf die Schweiz bezüglich der Erreichung der Pariser Klimaziele haben, stellte der Tages-Anzeiger fest. Ob die Schweiz künftig in den europäischen Strombinnenmarkt eingebunden sein wird und die Versorgungssicherheit auch ohne inländische Gaskombikraftwerke erreicht werden kann, hängt wohl wesentlich vom Abschluss dieses Stromabkommens ab. Doch bevor dieses fertig ausgehandelte Dokument unterschrieben werden kann, muss die Frage zum Rahmenabkommen geklärt werden, was vorerst eines Abwartens der eidgenössischen Volksabstimmung zur Begrenzungsinitiative bedarf.

Verhandlungen mit der EU über ein Stromtransitabkommen ab dem Jahr 2006
Dossier: Stromabkommen mit der EU

Jahresrückblick 2019: Energie

Einen grossen Umbruch erlebte die Schweizer Energiepolitik 2019 mit der ersten Ausserbetriebnahme eines konventionell genutzten Kernkraftwerks der Schweiz. Am 20. Dezember um 12:30 Uhr wurde dem Atomkraftwerk Mühleberg (BE), das seit 1972 Elektrizität für die Schweiz geliefert hatte, sprichwörtlich der Stecker gezogen. Die Betreiberfirma BKW hatten schon Ende Oktober 2013 angekündigt, das «Atomi» – wie es Anwohnerinnen und Anwohner der Region nannten – vom Netz nehmen und die Rückbauarbeiten der Anlage bis im Jahr 2034 vollenden zu wollen. Ende 2019 wurde ebenfalls klar, dass das nahe Basel gelegene und seit Jahren in Kritik stehende elsässische AKW Fessenheim im Jahr 2020 den Betrieb einstellen wird.
Gleichzeitig sorgte in den Medien 2019 eine per 1. Februar in Kraft getretene Verordnungsanpassung im Kernenergiebereich für Furore. Der Bundesrat hatte in Artikel 123. Abs. 2 der Strahlenschutzverordnung eine Präzisierung vorgenommen, wonach natürliche Störfälle, die im Schnitt einmal alle 10'000 Jahre vorkommen – beispielsweise ein stärkeres Erdbeben – klar der Störfallkategorie 3 zugeordnet werden sollen. Bisher war in der Verordnung nicht klar ersichtlich gewesen, ob solche Ereignisse der Störfallkategorie 2 oder 3 zugeordnet werden müssen. Die Präzisierung hat zur Folge, dass die AKWs bei Erdbeben dieser Art den weniger strengen Strahlendosisgrenzwert vom 100 mSv (Kategorie 3) anstatt jenem von 1 mSv (Kategorie 2) einhalten müssen und somit bei einem solchen Unfall mehr Radioaktivität austreten dürfte, als bei einer Einteilung in die Kategorie 2 erlaubt gewesen wäre. Die Änderung war – zumindest in den Augen der Kritikerinnen und Kritiker – insofern auch (rechtsstaatlich) brisant, als parallel zur Verordnungsanpassung ein gerichtliches Verfahren um genau diese Verordnungsstelle im Gange war, parlamentarische Prozesse in die Wege geleitet wurden (Po.18.3175; Mo. 18.3010; Mo. 18.4233) und in der Vernehmlassung diesbezüglich viele kritischen Stimmen laut geworden waren. Ein strengerer Grenzwert hätte aber vor allem bedeutet, dass beispielsweise die Kernenergieanlagen in Beznau die Sicherheitsbestimmungen (zumindest vorübergehend) nicht mehr erfüllt hätten und folglich vom Netz hätten genommen werden müssen. Mit dieser Frage musste sich 2019 auch die UREK-SR intensiv befassen, die selbst nach umfangreichen Anhörungen ein Kommissionspostulat als Erweiterung des in drei Sitzungen diskutierten ständerätlichen Postulats mit dem Ziel einreichte, bessere Kenntnisse über die Folgen dieser Verordnungsrevisionen für die Bevölkerung zu erlangen. Stillschweigend nahm das Stöckli das heiss diskutierte Postulat im Frühling 2019 an.
Zentrales Thema im Kernenergiebereich bildete zudem 2019 auch weiterhin die Suche nach geeigneten Standorten für die Errichtung von Tiefenlagern für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen aus Kernkraftwerken sowie aus der Forschung. Nach Abschluss der zweiten Etappe im Sommer 2018 begannen in der dritten Etappe vorwiegend auch im Jahr 2019 nach und nach verschiedenste Sondierbohrungen in den in der engeren Auswahl stehenden Standortgebieten Jura Ost (AG), Nördlich Lägern (AG und ZH) und Zürich Nordost (TG und ZH). In den betroffenen Regionen wurden diese detaillierten Untersuchungen der Umweltbeschaffungen zum Dauerbrenner in den lokalen Zeitungen, vor allem auch deshalb, weil diese nun deutlich sichtbaren Arbeiten teils auf grossen Widerstand aus der lokalen Bevölkerung stiessen. Der Bundesrat rechnete indes damit, im Jahr 2029 den definitiven Standortentscheid für ein geologisches Tiefenlager bekannt geben zu können.

Das im Bereich der Wasserkraft dominierende Thema war zum einen die Frage nach der Festlegung des Wasserzinsmaximums – also die maximal mögliche durch den Kanton festgelegte Abgeltung der Wasserkraftwerkbetreiber an den Kanton für die Nutzung des öffentlichen Gutes Wasserkraft. Während die eine Seite für eine Senkung ebendieses Maximums plädierte mit der Begründung, die inländische Wasserkraft so finanziell besser aufstellen zu können, setzten sich in der Schlussabstimmung vom Mai 2019 die Gebirgskantone durch, die sich für eine Verlängerung des derzeit geltenden Wasserzinsregimes von CHF 110 pro Kilowatt Bruttoleistung bis Ende 2024 eingesetzt hatten.
Zum anderen diskutierten die UREK-Kommissionen und die Räte eine parlamentarische Initiative, die eine Anpassung der Regelungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen verlangte. Demnach sollen bei Neukonzessionierungen für bestehende Wasserkraftanlagen die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass die Basis für die Beurteilung für die Festlegung von Umweltkompensationsmassnahmen neu auf den Zustand zum Zeitpunkt der Konzessionseinreichung festgelegt werden soll. Nach bisheriger Regelung mussten Umweltschutzkompensationsmassnahmen auf Basis des Zustandes vor Errichtung der Anlage erfolgen. Da die Anlagen aber teilweise schon seit über 80 Jahren bestehen, die Ermittlung des ursprünglichen Landschaftsbildes sich als schwierig erwies und die Wasserkraftwerkbetreiber somit hoher Unsicherheit und hohen Kosten begegnen würden, stimmte eine Mehrheit des Nationalrates im Herbst 2019, sowie auch eine Mehrheit des Ständerates in der Wintersession für diese Lockerung der Umweltschutzbestimmungen. Eine Minderheit hatte vergebens die Meinung des Bundesrates vertreten und versucht, eine Formulierung beizubehalten, die mehr Massnahmen zugunsten der Umwelt beinhaltete.

Im Bereich der fossilen Energieträger sorgte eine Ankündigung des Bundesrates von Ende Oktober für grosses Aufsehen, in welcher er die Vernehmlassung für die Schaffung eines neuen Gasversorgungsgesetzes (GasVG) eröffnete. Der Bundesrat beabsichtigte demnach, den Gasmarkt in der Schweiz teilweise zu öffnen. Analog zum Modell im Strommarkt könnten so künftig Grosskundinnen und Grosskunden ihren Anbieter frei auf dem Markt wählen. Mit der Schaffung des neuen GasVG soll zudem eine spezielle Gasmarktordnung geschaffen werden, die den bisher sehr vage geregelten Gasmarkt besser koordinieren soll. Ein kleines Erdbeben mit nationaler Ausstrahlkraft verursachte zudem die kantonale Berner Energievorlage, die am 10. Februar 2019 eine knappe Abfuhr an der Urne erhielt. Die Vorlage beinhaltete Massnahmen im Gebäudebereich, mit denen die Energieziele des Bundes auf kantonaler Ebene – unter anderem durch den Ersatz von Gas- und Ölheizungen durch Technologien erneuerbarer Energiequellen – hätten umgesetzt werden sollen.

Ein in den Medien stark aufgegriffenes Thema war die Frage nach der Revision des Stromversorgungsgesetzes – also einer Neugestaltung des Strommarktdesigns dergestalt einer Strommarktliberalisierung mit einer freien Wahl des Stromanbieters für alle. Diese Diskussion war stets auch verknüpft mit der Frage nach einem Stromabkommen mit der EU, das eine solche Strommarktliberalisierung als Voraussetzung vorsieht. Die Arbeiten und Verhandlungen in diesem Bereich werden sich wohl in den kommenden Jahren fortsetzen.

Allgemein betrachtet verzeichnete das Kapitel «Energie» 2019 im Vergleich zu den Jahren 2016-2018 einen starken Rückgang an Zeitungsberichterstattungen – wie eine Analyse von APS Ende 2019 zeigte. Während der Themenbereich «Energie» in den Jahren 2016 und 2017 zwischen 3.5 bis fast 4 Prozent aller erfassten Zeitungsberichterstattungen ausmachte, halbierte sich dieser Anteil in den Jahren 2018 sowie 2019 um mehr als die Hälfte. Dies lässt sich wohl mit den beiden Volksabstimmungen «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative)» von Ende 2016 sowie der Energiestrategie 2050 erklären, die ebenfalls in einer Referendumsabstimmung im Mai 2017 ihren Höhepunkt fand, und die für eine starke Berichterstattung sorgten. Innerhalb des Jahres 2019 liess sich ein leichtes Sommertief sowie ein Anstieg der Zeitungsberichterstattung auf die Herbstsession hin feststellen, wobei der Höchstwert von gut 2.4 Prozentpunkten im Jahresvergleich immer noch tief ausfiel.

Jahresrückblick 2019: Energie
Dossier: Jahresrückblick 2019

Stillschweigend und diskussionslos folgte der Nationalrat dem Antrag des Bundesrates und nahm in der Wintersession 2019 ein Postulat des Walliser Nationalrates Mathias Reynard (sp) an, mit dem dieser vom Bundesrat einen Bericht forderte, der die zukünftige Rolle der Fotovoltaik in der Schweizer Winterstromproduktion aufzeigt. Die Elektrizitätsproduktion in der Schweiz werde in Zukunft vorwiegend auf der Wasserkraft und der Fotovoltaik basieren, was das Risiko von Stromüberschüssen im Sommer und Stromengpässen im Winter erhöhen werde, so Reynard in seiner Begründung. Der geforderte Bericht solle deshalb die Strommenge aufzeigen, die potenziell mittels Fotovoltaik in den Wintermonaten erzeugt werden könne. Zusätzlich forderte der Postulant die Eruierung möglicher Fördermassnahmen, um diese Produktionsmenge zu erhöhen. Der Bundesrat hatte Reynards Anliegen unterstützt, in seiner Stellungnahme jedoch ergänzt, die potenziellen Anreize auf die Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen des Bundes prüfen zu wollen. Sowohl die Landesregierung als auch der Postulant hofften, anhand des Berichts eine Möglichkeit zur Reduktion des Winter-Importstroms aufzeigen zu können.

Stromerzeugung im Winter dank Fotovoltaik (Po. 19.4157)
Dossier: Das Potenzial von Sonnenenergie nutzen

Eine von Philipp Hadorn (sp, SO) eingereichte und von Roger Nordmann (sp, VD) übernommene Motion forderte vom Bundesrat Massnahmen zu einem einfacheren Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden für den Bau von Solar- und Fotovoltaikanlagen. Der Motionär fundierte seine Forderung mit dem Argument, dass bei verschiedenen Behörden und Formularen – darunter die Baubewilligung bei der Gemeinde, die Anträge für die Förderbeiträge bei Pronovo sowie die Anschlussbewilligung und der Sicherheitsnachweis beim eidgenössischen Starkstrominspektorat (Esti) und beim Verteilnetzbetreiber – teilweise gleiche Angaben gemacht werden müssen. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, merkte aber an, Vorgaben für ein einfacheres Verfahren nur den Stellen machen zu können, für die er weisungsbefugt ist (Pronovo, Esti und Verteilnetzbetreiber). Für die Bereiche Baubewilligung sowie Raumplanung seien die Gemeinden und die Kantone zuständig und der Bund besitze dort nur Grundsatzgesetzgebungskompetenz. Stillschweigend und diskussionslos folgte die grosse Kammer am letzten Wintersessionstag 2019 dem Bundesrat und nahm die Motion an.

Sonnenenergie fördern / Sonnenenergie Förder-Trilogie: Schnittstellen zwischen den Behörden vereinfachen (Mo. 19.4258)

Le Conseil national a tacitement accepté le postulat Bendahan (ps, VD), demandant au Conseil fédéral d'analyser le potentiel offert par la combinaison de la production d'énergie solaire avec la production de certaines cultures agricoles. S'appuyant sur une étude publiée par la revue «Nature Sustainability», il affirme que certaines cultures voient leur efficience – du point de vue de la consommation d'eau, de la captation de CO2 et de la productivité – augmenter considérablement sous des panneaux solaires, sans oublier l'électricité produite simultanément.
Le Conseil fédéral soutient le postulat rappelant que le photovoltaïque est un pilier de la stratégie énergétique 2050.

Autoriser et soutenir des projets pilotes agrivoltaïques (Po. 19.4219)

Im Oktober 2019 sickerte zur Presse durch, dass Fachleute des BFE die Energieszenarien 2050 bezüglich der Laufzeit der Atomkraftwerke in der Schweiz anpassen wollten. Demnach würde der Bund neu mit einer Laufzeit von 60 Jahren für ein Werk rechnen und nicht wie bisher von 50 Jahren ausgehen. Dieses Langzeitbetrieb-Szenario 2050+ würde bedeuten, dass das neuste AKW der Schweiz in Leibstadt noch bis im Jahr 2044 am Netz bliebe. «Die Realität hat die bisher unterlegten 50 Jahre überholt», zitierte die NZZ die BFE-Sprecherin mit Verweis auf die Anlage Beznau I, die 2019 bereits ins 51. Betriebsjahr gestartet war. Während die einen diese Verlängerung als Chance verstanden, weiterhin eine stabile Stromproduktion im Inland aufrechtzuerhalten und die Atomkraft als eine Art Brückenlösung zum noch andauernden Ausbau der erneuerbaren Energien zu verwenden, sahen andere darin ein erhöhtes Risiko für Unfälle sowie Fehlinvestitionen in eine überholte Technologie.

Scharfe Kritik an den Schweizer Szenarien übte indes auch das deutsche Bundesumweltministerium in Berlin, das sich im Oktober 2019 mit «dicker Post» an Energieministerin Simonetta Sommaruga wandte, wie die Presse schrieb. Mit «[s]ehr geehrte Frau Bundesrätin, die geplanten Laufzeiten der Schweizer Atomkraftwerke bereiten mir große Sorge», begann das Schreiben der parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. Dass die verbleibenden vier AKWs der Schweiz 60 Jahre laufen sollten, sei eine «fatale Fehlentwicklung», erklärte sie weiter. Gemäss dem Schreiben seien die Anlagen in Beznau «schnellstmöglich» und diejenigen in Gösgen und Leibstadt, Letzteres nahe der deutschen Grenze, «zeitnah» vom Netz zu nehmen. Zudem sei es «zwingend», bei Entscheiden über längere Laufzeiten auch die Bevölkerung der Nachbarstaaten miteinzubeziehen, war dem Brief weiter zu entnehmen. Energieministerin Simonetta Sommaruga stufte diese scharfen Worte aus Berlin dem Tages-Anzeiger zufolge als unangemessen ein. In ihrer Antwort im November hielt sich die Sozialdemokratin aber nüchtern und verwies auf die zwei Volksabstimmungen von 2016 zur Atomausstiegsinitiative und 2017 zum Energiegesetz, in welchen das Schweizer Stimmvolk den Neubau von Atomkraftwerken zwar verboten, eine fixe Begrenzung der Laufzeit aber abgelehnt hatte. Die Kernkraftwerke in der Schweiz dürften ihren Betrieb fortsetzen, solange sie sicher seien, erklärte Sommaruga die Schweizer Doktrin.

Energie-Szenario 2050+
Dossier: Energieperspektiven des Bundes

Der Nationalrat folgte in der Wintersession 2019 stillschweigend und diskussionslos seiner Schwesterkammer und nahm eine Motion der UREK-SR an, die eine langfristige Stromversorgungssicherheit in der Schweiz und eine Klärung der Verantwortlichkeiten verlangte. Die vorberatende und ebenfalls einstimmig gesinnte UREK-NR betonte die Wichtigkeit der Vorlage und verwies auf ihre eigene Motion 17.3970 («Revision des StromVG. Etablierung einer strategischen Reserve»), deren Stossrichtung dieselbe war. Beide Geschäfte forderten die Sicherstellung der langfristigen Stromversorgungssicherheit. Mittelfristig bis 2025 seien zwar grundsätzlich keine Stromengpässe zu erwarten, langfristig bestünden aber viele Unklarheiten, so zum Beispiel darüber, wie der Ausbau der Produktion in der Schweiz und in Europa verlaufen werde, inwieweit die Schweiz in den EU-Strombinnenmarkt eingebunden sein werde und wie stark ökologische Überlegungen der Dekarbonisierung im Bereich der Klimapolitik Auswirkungen auf die Strombranche haben würden. Von grosser Wichtigkeit sei daher vor allem die Beachtung des Zusammenspiels zwischen Energie- und Klimapolitik. Mit der Annahme der Motion wird sich der Bundesrat dieser zentralen Frage annehmen müssen.

Langfristige Stromversorgungssicherheit: Sicherstellung und Klärung der Verantwortlichkeiten (Mo. UREK-SR 19.3004)
Dossier: Energie - Versorgungssicherheit

Um die derzeitigen Bürokratiehürden bei der Installation von neuen Solaranlagen zu verringern, forderte Nationalrat Martin Bäumle (glp, ZH) mittels Postulat einen Bericht, der verschiedene Möglichkeiten aufzeigt, wie die derzeitigen Rahmenbedingungen für Neuinstallationen verbessert und vereinfacht werden könnten. Konkret schlug er die Prüfung einer sogenannten One-Stop-Shop-Lösung vor, die das System insoweit vereinfachen würde, als nur noch ein einzelnes digitales Formular ausgefüllt werden müsste, welches die einzelnen föderalen Behörden durchlaufen würde. Das Begehren erfuhr im Nationalrat grossen Zuspruch. Die grosse Kammer nahm das Postulat in der Herbstsession 2019 diskussionslos und stillschweigend an, nachdem auch der Bundesrat schon für dessen Annahme plädiert hatte.

Reduktion der Bürokratie. One-Stop-Shop-Lösung für Solaranlagen (Po. Bäumlin 19.3509)

In der Herbstsession 2019 lehnte der Nationalrat (mit 139 zu 43 Stimmen bei 2 Enthaltungen) eine Motion Nantermod (fdp, VS) ab, in welcher der Walliser eine (partielle) Liberalisierung des Stromzählermarktes forderte. Derzeit könnten der Verkauf, die Vermietung, die Installation und die Dienstleistungen im Bereich Messsysteme von Gesetzes wegen nur vom jeweiligen Netzbetreiber vorgenommen werden, was die Innovation hemme und den Vertreiberfirmen die Kassen auf Kosten der Endkonsumentinnen und Endkonsumenten fülle – «une poule aux oeufs d'or» wie es Nantermod vor dem Plenum bezeichnete. Der Bundesrat solle deshalb prüfen, ob es sinnvoll wäre, dieses Monopol zumindest in einigen Bereichen – beispielsweise nur für gewisse Kategorien von Endverbraucherinnen und Endverbrauchern – aufzubrechen. Bundesrätin Simonetta Sommaruga pflichtete dem Motionär im Rat bei, dass eine teilweise oder vollständige Öffnung des Messwesens ein grosses Innovationspotential verspreche und dass die Preisgestaltung aufgrund des fehlenden Wettbewerbs tatsächlich nicht überall korrekt ausfalle. Die Energieministerin versprach deshalb, das Begehren demnächst im Rahmen der Beratungen zur Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) aufzunehmen – wo im Bereich Liberalisierung der Zählgeräte bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden sei. Der Bundesrat habe die Motion deshalb 2017 vorwiegend aus verfahrenstechnischen Gründen abgewiesen. Trotz der Ablehnung des Nationalrates und der ablehnenden Empfehlung des Bundesrates dürfte das vorliegende Anliegen demnach in einem anderen Mantel wieder auf der Traktandenliste erscheinen.

Liberalisierung des Stromzähler-Markts (Mo. 17.3923)

Stillschweigend folgte der Ständerat in der Herbstsession 2019 dem Antrag des Bundesrates und nahm eine Motion des Luzerner Ständerats Damian Müller (fdp, LU) an. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Netzzuschlagsfonds vorübergehend auch in rote Zahlen fallen kann, um Finanzierungsspitzen ausgleichen, Wartelisten für die Ausschüttung von finanziellen Mitteln – beispielsweise für Fotovoltaikanlagen – schneller abbauen und die erneuerbaren Energien somit besser fördern zu können. Er stützte dieses Begehren auf Berechnungen des BFE, wonach eine Verschuldung des Netzzuschlagsfonds nur auf einige Jahre prognostiziert ist und ab dem Jahr 2027 die Einnahmen die Ausgaben wieder übersteigen werden. Energieministerin Simonetta Sommaruga unterstützte die Motion und betonte, dass durch diese Verschuldungsmöglichkeit stabile Rahmenbedingungen für Investitionen in erneuerbare Energien geschaffen werden können.

Mo. 19.3742, Finanzielle Überbrückung für den Wartelistenabbau bei erneuerbaren Energien

Stillschweigend folgte der Ständerat in der Sommersession 2019 der einstimmigen UREK-SR, die im vorangehenden Februar eine Motion mit dem Ziel eingereicht hatte, die langfristige Stromversorgungssicherheit in der Schweiz sicherzustellen und dabei eine Klärung der Verantwortlichkeiten vorzunehmen. Die Energiekommission hatte die künftige Versorgungssicherheit in der Schweiz als unsicher erachtet, da mit dem vorgesehenen mittelfristigen Atomausstieg ein erheblicher Teil der inländischen Stromproduktion wegfallen wird und gleichzeitig noch kein Stromabkommen mit der EU abgeschlossen worden ist, welches eine vollständige Teilnahme am EU-Strombinnenmarkt ermöglichen würde und das Problem der Versorgungssicherheit entschärfen könnte. Bei der Planung müsse deshalb auch vom Szenario ausgegangen werden, dass kein Abkommen mit der EU zustande kommt, erklärte die Kommission. Der Bundesrat dürfe zudem die sinkende Exportfähigkeit der Nachbarländer nicht unterschätzen, da auch diese Umwälzungen in ihren Energiesystemen durch den Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie durchleben würden. Als konkrete Forderung nannte die Kommission deshalb, dass der Bundesrat im Rahmen der Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) eine Marktordnung unterbreitet, welche eine angemessene Stromproduktion im Inland anstrebt, um eine langfristige Versorgungssicherheit zu erreichen. Diese Marktordnung soll dabei die Ziele der Energiestrategie 2050 sowie jene zur Senkung des CO2-Ausstosses beachten. Zur Erreichung des angestrebten Zuwachses der Investitionen in erneuerbare Energien bedürfe es deshalb auch der Ausarbeitung neuer Förderinstrumente, welche die bestehenden und im Jahr 2023 auslaufenden Massnahmen ersetzen. Um für Entscheidungs- und Planungssicherheit zu sorgen, sollen zudem die Verantwortlichkeiten im Bereich der Stromversorgungssicherheit gesetzlich geklärt werden.
Die Kommission hatte ihre Forderungen mit einem Bericht der ELCOM vom Mai 2018 untermauert, in welchem die Elektrizitätskommission gemahnt hatte, dass vor allem fürs Winterhalbjahr weitere Massnahmen zu ergreifen seien, um zukünftig eine angemessene Inlandsproduktion – angesichts des mittelfristig wegfallenden Atomstroms und der bisher nicht erfolgten Umsetzung der Richtwerte beim Zuwachs von Windenergie und Geothermie – zu erreichen. Auch der Bundesrat erachtete das Anliegen als sinnvoll und möchte dieses in die laufenden Arbeiten bei der Ausarbeitung des Marktmodells integrieren.

Langfristige Stromversorgungssicherheit: Sicherstellung und Klärung der Verantwortlichkeiten (Mo. UREK-SR 19.3004)
Dossier: Energie - Versorgungssicherheit

Gemäss der Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 aus dem Jahr 2013 liege das nachhaltig nutzbare Potenzial der Photovoltaik in der Schweiz bei 11,1 TWh elektrischer Energie. Um den Zubau solcher Anlagen voranzutreiben, liessen das Bundesamt für Energie BFE, das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz sowie das Bundesamt für Landestopografie swisstopo eine Website (sonnendach.ch) erstellen, auf welcher für jede Liegenschaft der Schweiz das Potenzial für Wärme- und Elektroenergie kostenlos ermittelt werden kann. Mithilfe dieser Analysen rechnete das BFE mit einem viel grösseren Produktionspotential als dies der Bundesrat im ersten Massnahmenpaket vorgesehen hatte. Gemäss einer Medienmitteilung des BFE vom April 2019 liege demnach das gesamte jährliche Solarstrompotential der Schweizer Gebäude bei rund 67 TWh. Gegenüber der Erzeugung im Jahr 2017 könnte somit die Produktion um den Faktor 40 gesteigert werden und würde demnach etwa 110 Prozent des Gesamtschweizer Strombedarfs decken, rechnete der Tages-Anzeiger vor. Medienberichten zufolge hat sich jedoch genau diese Jahresproduktion nicht – wie vom Dachverband Swisssolar erwartet – ausreichend stark nach oben entwickelt. Gemäss einer Studie der Schweizerischen Energiestiftung liege die Schweiz zudem im internationalen Vergleich bei der Solarenergie weit hinten und erreichte auf der Rangliste von 29 europäischen Ländern den fünftletzten Platz.

Sonnenenergiepotential der Schweiz online berechnen
Dossier: Das Potenzial von Sonnenenergie nutzen

Nachdem das Parlament das Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze im Dezember 2017 angenommen hatte, startete der Bundesrat im Sommer 2018 die Vernehmlassung für die Änderung der neun betreffenden Verordnungen. Im April 2019 kündigte er an, die Verordnungsrevisionen sowie das Bundesgesetz – gegen welches kein Referendum ergriffen worden war – per 1. Juni 2019 in Kraft treten zu lassen, wobei einige Bestimmungen erst in den Jahren 2020 und 2021 nachfolgen werden. Mit dem neuen Gesetz und den entsprechenden Verordnungen – welche teilweise nach der Vernehmlassung einige technische Änderungen erfahren hatten – soll eine rasche Flexibilisierung und Entwicklung des Stromnetzes angestrebt werden, um einerseits die bestehenden Engpässe im Übertragungsnetz zu verringern und andererseits der zunehmend dezentralen Energieversorgungsstruktur entgegenzukommen. Als zentrale Massnahmen gelten hierbei beispielsweise die neuen (ab 1. Juni 2020 geltenden) Bestimmungen zur Verlegung von Stromleitungen in den Boden und die betreffenden Regelungen zur Deckung dieser Mehrkosten im Vergleich zu Überlandleitungen. Zudem traten mit den neuen Bestimmungen eine zusätzliche befristete Unterstützungsmassnahme für die Wasserenergie sowie einige Konkretisierungen der Vorgaben für intelligente Messsysteme, die angesichts der komplexen Energieversorgungsstruktur – beispielsweise aufgrund von dezentral liegenden und unregelmässig Strom produzierenden Solaranlagen – zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität beitragen sollen, in Kraft.

Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze

Dass der internationale Stromtransit durch die Schweiz teilweise zu Netzengpässen in der Übertragung führen kann, machte ein Vorfall vom 20. Mai 2019 deutlich. Während mehrerer Stunden sei die Situation sehr ernst gewesen und man habe kurz vor einem Blackout gestanden, wie die Presse berichtete. Von einem solchen flächendeckenden Stromausfall betroffen gewesen wären jedoch nicht nur die Schweiz, sondern auch Norditalien und Teile von Frankreich. Ein Interesse an einer raschen Lösung für das Problem sei gemäss der Basler Zeitung deshalb wohl auch vonseiten der EU zu erwarten. Mit einem Abkommen würde die Schweiz besser in die Planung der Stromflüsse einbezogen werden und bessere Kenntnis über die geplanten Lastflüsse erhalten, weshalb Swissgrid «an vorderster Front für ein Stromabkommen mit der EU» kämpfe, so der Tages-Anzeiger.

Internationaler Stromtransit durch die Schweiz wird zum Problem
Dossier: Stromabkommen mit der EU

Im Februar 2019 gab der Bundesrat bekannt, die Änderungen der Energieförderungsverordnung und der Energieverordnung per 1. April 2019 in Kraft treten zu lassen. Damit werden unter anderem die Förderbeiträge für Photovoltaikanlagen angepasst: Einerseits sinkt damit die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für grosse Anlagen mit einer Leistung ab 100 kW von elf auf zehn Rappen pro kWh. Diese Art von Vergütung steht allerdings nur noch für wenige hundert Anlagen zur Verfügung und läuft Ende 2022 aus. Mit der Revision treten zudem Anpassungen der KEV in den Bereichen Geothermie-, Wind- und Wasserkraftanlagen in Kraft. Andererseits sinkt auch die Einmalvergütung (EIV) für alle kleineren Photovoltaikanlagen mit einer Leistung bis 30 kW von CHF 400 auf CHF 340 pro kW, wobei aber der Grundbeitrag bei CHF 1400 unverändert bleibt. Für Anlagen über 30 kW wird hingegen die EIV – welche als Hauptförderungssystem bis 2030 vorgesehen ist – bei den bisherigen CHF 300 pro kW beibehalten, um den Zubau von grösseren Anlagen zu stärken. Gemäss dem Tages-Anzeiger plane Bundesrätin Simonetta Sommaruga zudem, die EIV-Beiträge auch im Jahr 2020 weiter zu senken, sodass ab 1. April 2020 alle Anlagen, unabhängig von ihrer Grösse, einen einmaligen Beitrag von CHF 300 pro Kilowatt Leistung erhalten. Die Anpassungen sollen das System vereinfachen und dem Preisrückgang für Solarmodule Rechnung tragen.

Teilrevisionen der Energieförderungsverordnung, der Energieverordnung und der Verordnung des UVEK über den Herkunftsnachweis und die Stromkennzeichnung

Ende Januar 2019 endete die Vernehmlassungsfrist zur Revision des StromVG und damit zur Frage nach der vollständigen Liberalisierung des Schweizer Strommarktes. Eine Mehrheit der Kantone, der Wirtschaftsverbände und der Parteien sprach sich zwar für eine im Kern der Vorlage umzusetzende Liberalisierung des Schweizer Strommarktes aus, jedoch äusserten viele Vernehmlassungsteilnehmende Vorbehalte, insbesondere in Bezug auf fehlende Unterstützungsmassnahmen für erneuerbare Energien und die Wasserkraft.

Die Wirtschaft zeigte sich in der Vernehmlassung gespalten. Auf der einen Seite stand der Dachverband Economiesuisse, der die Liberalisierung des Strommarktes begrüsste. Ebenfalls als wünschenswert stufte der Wirtschaftsdachverband dabei das vom Bundesrat vorgeschlagene Grundversorgungsmodell ein, da damit die Schweizer Wasserkraft gestärkt werden könne. Weitere Unterstützungsmassnahmen lehnte der Verband aber ab. Das marktnahe Modell für die Grosswasserkraft, wie es das von der Stimmbevölkerung angenommene EnG von 2016 (Referendum ENS 2050) vorsah, wollten Industrie-, Wirtschafts- und Gewerbeverbände mit einem sogenannten Energy-Only-Markt erreichen, bei dem nur die tatsächlich erzeugte Strommenge vergütet wird, nicht aber die Bereitstellung von Stromkapazitäten, wie dies bei einem regulierten Kapazitätsmarkt der Fall ist. Auf der anderen Seite blickte die Strombranche mit dem Dachverband VSE einer Liberalisierung kritisch entgegen, da der verstärkte Wettbewerb noch weniger Anreize schaffe, in der Schweiz Investitionen in die Strominfrastruktur zu tätigen. Das vorgeschlagene marktnahe Modell, welches gemäss bestehendem EnG die auslaufenden Marktprämien für die Grosswasserkraft ablösen soll, müsse deshalb zwingend von zusätzlichen Investitionsanreizen begleitet werden. Das vorgesehene Grundversorgungsmodell, zu dem Konsumentinnen und Konsumenten jederzeit wieder zurückkehren können und das zu vom Bundesrat vordefinierten Konditionen (Preis und Strommix) angeboten werden muss, stufte der Verband zudem als eine «Produktvorgabe» ein und lehnte dieses ebenfalls ab.
Sowohl Economiesuisse als auch die Strombranche bewerteten hingegen die geplante Speicherreserve als begrüssenswert, wobei der VSE anmerkte, dass diese Massnahme nicht ausreiche, um langfristigen Versorgungsengpässen entgegenzuwirken.

Für eine Strommarktöffnung argumentierten unter den Parteien die CVP, FDP, GLP und die SVP. Die SP und die Grünen stellten sich – zusammen mit Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften – grundsätzlich gegen eine Strommarktöffnung, insbesondere wenn einheimische erneuerbare Energien zu wenig unterstützt werden. Eine Liberalisierung sei zudem vom Zustandekommen eines Stromabkommens mit der EU abhängig zu machen, forderten die beiden linken Parteien. Diesen Gedanken lehnte die SVP in ihrer Stellungnahme ab, die den Liberalisierungsschritt nicht als «Präjudiz» für ein Stromabkommen mit der EU betrachten wollte. Letzteres sei nur dann abzuschliessen, wenn dies im Interesse der Schweiz stehe und deren Souveränität nicht einschränke. Ein sehr wichtiger Kritikpunkt der Vorlage war zudem die Frage der Begleitmassnahmen: Alle grösseren Parteien, ausser der FDP, vermissten in der Vorlage Unterstützungsmassnahmen für einheimische erneuerbare Energien und/oder die Wasserkraft. Das von der Energiewirtschaft (Mehrzahl der Verbände von Verteilnetzbetreibern sowie kleineren Energieversorgern) kritisierte Grundversorgungsmodell fand bei der SP und den Grünen sowie bei CVP und SVP Zuspruch, wobei sich die Parteien bei der Frage der Preisregulierung uneinig waren: CVP und SVP wollten von Preisvorgaben im Grundversorgungsmodell absehen. Die FDP wollte zudem erreichen, dass das Grundversorgungsmodell nicht in den Händen der Netzbetreiber liegt, sondern in die Verantwortung des Stromlieferanten gegeben wird, und die GLP brachte erneut die Idee von Lenkungsabgaben ins Spiel. Die Grünen verlangten des Weiteren, den Anteil an erneuerbaren Energien beim Grundversorgungsmodell bei 100 Prozent anzusetzen und nicht wie im Vorentwurf vorgesehen nur zu einem «gewissen Anteil».
Einhelliger Tenor herrschte unter den Parteien – wie unter den Wirtschaftsverbänden – schliesslich bei der Frage der Speicherreserve zur Absicherung der Versorgungssicherheit, den SP, Grüne, CVP, GLP, FDP und SVP prinzipiell unterstützten.

Unter den Kantonen begrüssten Aargau, Bern, Basel-Stadt, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen sowie Thurgau die Vorlage grösstenteils. Ablehnend oder nur mit teilweiser Zustimmung standen dem Vorhaben die Westschweizer Kantone Waadt, Genf und Jura sowie die Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK) – d.h. die Kantone Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Tessin und Wallis – gegenüber. Ihre primäre Kritik war, dass mit der Vorlage zu wenig Investitions- und zu geringe Planungssicherheit für die Energiewirtschaft geschaffen werde. Der Kanton Genf fand hier deutliche Worte und erklärte, dass er den zweiten Öffnungsschritt unter diesen Bedingungen ablehne. Der Kanton Zürich monierte, dass mit den vorgesehenen Massnahmen die Stromversorgungssicherheit bis 2035 nicht ohne Weiteres gesichert sei, und forderte, dass der Selbstversorgungsgrad der Schweiz und die dazu nötigen Massnahmen, insbesondere im Bereich der Wasserkraft, festgelegt werden. Er begrüsste aber prinzipiell die Öffnung des Strommarktes.

Grundsätzlichen Zuspruch fanden in der Vernehmlassung auch die weiteren Massnahmen im Bereich der verbesserten Verursachergerechtigkeit, der Flexibilisierung und der Effizienzsteigerung in den Verteilnetzen, wobei die genauen Vorstellungen zur Ausgestaltung teilweise auseinanderklafften. Beispielsweise bei der verursachergerechten Netztarifierung würden einige Vernahmlassungsteilnehmende zwecks erhöhter Flexibilität eine Umsetzung der Massnahmen auf Verordnungsebene bevorzugen. Umstritten blieb auch die geplante Einführung der Wahlfreiheiten im Messwesen, wobei die Verteilnetzbetreiber aufgrund des zusätzlichen Aufwands mehrheitlich deren Verzicht forderten, wohingegen verschiedene Wirtschaftsverbände sowie die FDP und die GLP sogar eine Ausweitung des Vernehmlassungsvorschlags wünschten.

Anders als ihre Vorgängerin Doris Leuthard werde die neu ins UVEK gewechselte Simonetta Sommaruga, die eine Liberalisierung wohl lieber noch etwas auf die lange Bank geschoben hätte, regelrecht zu einer Liberalisierung «verknurrt», stellte die NZZ fest. Gegenüber derselben Zeitung erklärte die neue Energieministerin, dass es gleichzeitig eines Abkommens mit der EU bedürfe, um die Vorteile der Liberalisierung spüren zu können. Die vollständige Liberalisierung des Schweizer Strommarktes bilde die Voraussetzung für den Abschluss eines Stromabkommens mit der EU, welches schon seit Jahren diskutiert werde und die Versorgungssicherheit nachhaltig steigern sollte. Wie die Medien weiter berichteten, drohte der Schweiz aufgrund des fehlenden Abkommens Ende 2019 der Ausschluss aus der neuen EU-Handelsplattform für den Regelenergiemarkt «Projekt TERRE». Bevor allerdings ein Stromabkommen abgeschlossen werden könnte, bräuchte es zuerst eine Einigung zur Frage des Rahmenabkommens zwischen der Schweiz und der EU, weshalb es noch ein längerer Weg bis zu einem solchen Stromabkommen werden könnte. Bezüglich der vielseitig geäusserten Bedenken zu den fehlenden Anreizen bei erneuerbaren Energien gab Bundesrätin Sommaruga bekannt, die Liberalisierung mit einem gleichzeitigen Förderprogramm (Revision des EnG) begleiten zu wollen.

Revision StromVG: Zweite Etappe der Strommarktliberalisierung und gesellschaftliche Debatte (Mo. 17.3971)
Dossier: Strommarktöffnung/Strommarktliberalisierung
Dossier: Stromabkommen mit der EU
Dossier: Revision StromVG und Revision EnG (ab 2017)

Der geplanten Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) – die eine langfristig sichere, effiziente Stromversorgung anstrebt, welche gleichzeitig die Ziele der Energiestrategie 2050 umsetzt – wurde in der Presse grosses Interesse entgegengebracht. Vor allem die Themen Liberalisierung, Wahl des Stromanbieters für Haushalte, das Stromabkommen mit der EU und ungleiche Tarife wurden dabei in den Berichten aufgenommen.
Die Stromkosten, welche die Haushalte bezahlen, setzen sich aktuell etwa zur Hälfte aus Netzkosten und zur anderen Hälfte aus den Stromverbrauchskosten sowie aus Steuern und Abgaben zusammen. Die Gesetzesrevision, die sich bis Ende Januar 2019 in der Vernehmlassung befand, will bei den Stromkosten und den im internationalen Vergleich hohen Netzkosten ansetzen und baut deshalb auf zwei grossen Eckpfeilern auf.
Auf der einen Seite sollen unter dem Oberbegriff Strommarktregulierung (teilweise unter dem Begriff verbessertes Marktdesign bekannt) drei Ziele erreicht werden: Erstens soll die Versorgungssicherheit gewährleistet werden, indem nebst einer besseren Zusammenarbeit mit der EU und einer neuen Konzeption der Stromversorgung auch eine zusätzliche Speicherreserve für mögliche Engpässe im Winter entsteht. Zweitens sollen durch verschiedene Massnahmen die erneuerbaren Energien marktnah in die Schweizer Stromlandschaft integriert und im gleichen Atemzug die Ziele der Energiestrategie 2050 marktseitig umgesetzt werden. Drittens soll die wirtschaftliche Effizienz gefördert werden, indem neu Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, die Haushalte mit ihrer Angebotswahl Impulse auf dem Markt setzen können und dadurch Anreize für das Schaffen neuer, innovativer Produkte entstehen. Als zentralste Massnahme bei der Strommarktregulierung gilt deshalb die vollständige Liberalisierung des Schweizer Strommarktes, die mit einer freien Wahl des Stromanbieters für alle Unternehmen und Haushalte einhergeht – dieses Recht stand bis anhin nur den grösseren Unternehmen zu. Da auf einem solchen freien Markt die Preise flexibler sind und möglicherweise die Gefahr von Preismissbrauch besteht, soll nach den Vorstellungen des Bundesrats ein Grundversorgungsmodell bestehen bleiben, das gemäss den Zielen der Energiestrategie 2050 aus einem Schweizer Strommix besteht und deren Bestrebungen marktnah umsetzt. In dieses Grundprogramm sollen die Kunden nach Wunsch wieder zurückkehren können. Diese vollständige Liberalisierung des Stromanbietermarktes – nicht aber des Stromnetzes, dies bleibt ein Monopol – bildet eine zentrale Bedingung für den Abschluss eines Strommarktabkommens mit der EU, das den Zugang zum europäischen Strombinnenmarkt für die Schweiz neu regelt. Letzteres Abkommen bedinge aber gemäss Energieministerin Doris Leuthard vorab eine Einigung im Streit um das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU, in welchem es um den Marktzugang generell geht.
Auf der anderen Seite gilt die Netzregulierung als zweiter grosser Eckpfeiler der Revision. Auch hier sollen drei grobe Unterziele erreicht werden. Hierzu zählen eine erhöhte Verursachergerechtigkeit, eine verbesserte Effizienz sowie mehr Transparenz bei den Netzbetreibern. Punkto Effizienz soll eine Verbesserung des Regulierungsrahmens erfolgen, welche den neuen Technologien besser Rechnung trägt. So sollen beispielsweise ökonomische Knappheiten die Netznutzung besser steuern: Anstatt die Netze weiter auszubauen und die Kosten auf die Konsumenten weiterzuverrechnen, soll beispielsweise die Ladung von Elektromobilen mittels Marktkräften und intelligenter Technologie in Stunden verlegt werden, in denen die Netze weniger stark beansprucht werden. Währendem dieses Unterziel in den Medien kaum auf Interesse stiess, flammte die Frage um die Transparenz und die Verursachergerechtigkeit in den Medien stark auf. So nahmen beispielsweise die Basler Zeitung und der Tagesanzeiger dieses Ziel als Grundlage für Berichte über Rechnungstricks der Stromverteiler bei Netzabgaben. Über die teilweise ungerechtfertigten und unterschiedlichen Netzabgaben in den Kantonen und Gemeinden – als Beispiel nannten die Medien die durchschnittlichen jährlichen Netzgebühren eines Vierpersonenhaushalts der beiden benachbarten Gemeinden Safern (BE) mit CHF 313 und Orpund (BE) mit CHF 518 – zeigten sich in den Medien Politikerinnen und Politiker aus verschiedensten Parteien empört. Der «Blick» berichtete zudem über grosse Unterschiede und mögliche Missstände bei der Betrachtung der totalen Stromrechnung: So bezahle ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt in der Gemeinde Zwischenbergen (VS) nur gut CHF 268 pro Jahr, Haushalte in Basel-Stadt hingegen müssten für die gleiche Strommenge eine Rechnung von rund CHF 1253 begleichen.
Energieministerin Doris Leuthard rechnete Ende 2018 im Interview mit der Wirtschaftszeitschrift «Die Volkswirtschaft» des SECO damit, dass es vermutlich noch etwa vier Jahre dauern werde, bis die tatsächliche Marktöffnung erfolgen wird. Die Vorlage müsse nach der Vernehmlassung zuerst noch durchs Parlament und eventuell noch eine Referendumsabstimmung überstehen. Ein fakultatives Referendum sei wohl zu erwarten, da die verschiedenen Eigentümer der Verteilnetzbetreiberfirmen, darunter auch die Kantone und Gemeinden, derzeit von den gebundenen Haushalten und KMU profitierten. Bis zu einem neuen Abkommen mit der EU bestünden somit noch einige Hürden. Je länger man jedoch damit warte, desto teurer werde es für die Schweizer Konsumenten, so Leuthard in einem Interview mit der Handelszeitung.

Revision StromVG: Zweite Etappe der Strommarktliberalisierung und gesellschaftliche Debatte (Mo. 17.3971)
Dossier: Strommarktöffnung/Strommarktliberalisierung
Dossier: Stromabkommen mit der EU
Dossier: Revision StromVG und Revision EnG (ab 2017)

Das BFE liess Ende 2018 in seinem jährlich erscheinenden Monitoringbericht verlauten, dass die Umsetzung der im Jahre 2017 vom Schweizer Stimmvolk angenommenen Energiestrategie 2050 auf Kurs sei. Dazu analysierte das Bundesamt rund 40 Indikatoren in sieben verschiedenen Themenfeldern. Nebst diesem Monitoring erfolgt alle fünf Jahre eine vertiefte Berichterstattung des Bundesrates zuhanden des Parlaments. Positiv entwickelt hat sich der Gesamtenergieverbrauch pro Kopf, der trotz wachsender Bevölkerung und wirtschaftlicher Entwicklung zurückgegangen ist. Der bis ins Jahr 2020 erwünschte Rückgang im Gesamtenergieverbrauch pro Kopf um minus 16 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2000 wurde bereits Ende 2017 erreicht. Die NZZ sprach in diesem Zusammenhang von einer «Entkoppelung von Verbrauch und Bevölkerungswachstum». Ebenfalls positiv entwickelt haben sich die Fotovoltaik und die Stromproduktion aus Kehrichtverbrennungsanlagen, bei denen ebenfalls ein Zuwachs angestrebt worden war. Nicht auf Kurs sei die Schweiz aber Zeitungsberichten zufolge bei der Steigerung der Energieproduktion aus Windenergie und Tiefengeothermie.
Mit etwas kritischerem Blick betrachtete jedoch beispielsweise der Tages-Anzeiger die Publikation. So sei zwar der Energieverbrauch pro Kopf gesunken und somit die Energieeffizienz gestiegen, nicht aber der Gesamtstromverbrauch; dieser sei angestiegen, da die Wirtschaft und die Bevölkerung insgesamt gewachsen seien und verstärkt Elektrizität – beispielsweise beim Antrieb von Elektroautos – als Energiequelle verwendeten.

Stratégie énergétique 2050
Dossier: Ausbau und Erhalt von erneuerbaren Energien versus Umweltschutz

Auch 2018 trafen sich die Partei- und Fraktionsspitzen der Regierungsparteien mit Vertretungen der Landesregierung zu den Von-Wattenwyl-Gesprächen. Die Gespräche finden seit Jahren jeweils vor den Parlamentsessionen statt und sollen informelle Diskussionen zu wichtigen aktuellen politischen Themen erlauben.
Anfang Februar tauschten sich die Präsidien der Regierungsparteien mit dem Bundespräsidenten Alain Berset, mit Bundesrätin Doris Leuthard und Bundesrat Ignazio Cassis sowie Bundeskanzler Walter Thurnherr über den Strommarkt und die Europapolitik aus. Im Zentrum der Diskussion standen dabei die im Rahmen der Revision des Stromversorgungsgesetzes anvisierte Planung der Versorgungssicherheit mit Strom sowie die geplanten Schritte zu den Beziehungen mit der EU. Intensive Debatten habe es zur Frage der dynamischen Rechtsübernahme bei einem allfälligen Rahmenabkommen gegeben, liess sich der Medienmitteilung entnehmen.
Bei den Gesprächen vor der Frühlingsession wurde der Bundespräsident von Bundesrat Ueli Maurer und erneut vom Bundeskanzler begleitet. Thema war die Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken (NCS), deren Verantwortung beim EFD lag. Die Gesprächsteilnehmenden waren sich einig, dass es hier Zusammenarbeit zwischen allen Departementen und in den Bereichen Cyber-Sicherheit, Cyber-Strafverfolgung und Cyber-Defense brauche. Erneut wurde zudem über die Beziehungen zur EU diskutiert. Die Regierung präsentierte die umstrittene Schiedsgerichtslösung zur Streitbeilegung und bekräftigte ihren Willen, die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit aufrecht erhalten zu wollen. Der Bundesrat informierte zudem über den Stand der Agrarpolitik 2022 (AP22+). Der dafür verantwortliche Bundesrat, Johann Schneider-Ammann war nicht anwesend, weil er auf einer Reise in die Mercosur-Staaten war.
Ende August fanden die Gespräche – wie einmal pro Jahr üblich – in Form einer Klausur statt. Der Bundesrat trat in corpore an und die einzelnen Magistratinnen und Magistraten stellten die Schwerpunkte ihrer Departemente und die Jahresziele 2019 vor. Auch in Klausur waren die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen mit der EU wichtiges Diskussionsthema.
Dies galt auch für die Gespräche vom 9. November. Erneut war deshalb neben Bundespräsident Alain Berset und Bundeskanzler Walter Thurnherr auch Aussenminister Ignazio Cassis anwesend, begleitet von Johann Schneider-Ammann, der über die Herausforderungen der Aussenhandelspolitik etwa auch aufgrund der Neuorientierung der Handelspolitik der USA berichtete. Beim Rahmenabkommen betonten alle Parteien, dass die roten Linien eingehalten werden müssten. Auch der Migrationspakt war Gegenstand der Gespräche.

Ende September 2018 hatte Nationalrätin Sibel Arslan (basta, BS) eine Interpellation eingereicht (Ip. 18.3953), mit der sie anfragte, weshalb die Nicht-Regierungsparteien (GP, GLP, BDP), die immerhin rund 16 Prozent der Wählerinnen und Wähler vertreten, nicht zu den Gespräche eingeladen werden. Der Bundesrat schaffe hier eine Zweiklassengesellschaft und überdies hätten die Gespräche keine rechtliche Grundlage. In seiner Antwort – kurz nach den letzten von-Wattenwyl-Gesprächen vom 9. November – machte der Bundesrat deutlich, dass für ihn der Austausch mit allen Parteien von Bedeutung sei, dass es aber für die Regierungsparteien und ihre Bundesrätinnen und Bundesräte die Möglichkeit für einen vertieften Dialog geben müsse, um politische Spielräume ausloten zu können. Die nicht an den Gesprächen beteiligten Fraktionen werden nachträglich mit den Unterlagen für die Gespräche bedient.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Mitte Oktober 2018 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Revision des StromVG. Von der Anpassung des Stromversorgungsgesetzes erhoffte sich der Bundesrat die langfristige Gewährleistung der Versorgungssicherheit, eine verbesserte Integration von erneuerbaren Energien in den Strommarkt und eine wirtschaftliche Effizienzsteigerung. Kernelement der Vorlage bildete die vollständige Liberalisierung des Schweizer Strommarktes mit der freien Wahl des Stromanbieters für alle. Eine solche Marktöffnung wurde vom Parlament schon im Jahr 2007 ins Gesetz aufgenommen, bisher aber in einer ersten Öffnungsetappe nur für Grosskunden umgesetzt. Die Endkunden sollen so künftig ihr Versorgungsmodell und ihren Anbieter selbständig wählen können. In einem einfachen und standardmässigen Grundversorgungsmodell sollen Endkunden ausschliesslich Strom aus der Schweiz erhalten, der einen Mindestanteil an erneuerbaren Energien enthält und insbesondere die Schweizer Wasserkraft stärkt. Um die Versorgungssicherheit zusätzlich zu stärken, wollte der Bundesrat mit der Revision die Grundlage für Ausschreibungsmodelle für die Errichtung von Speicherreserven gesetzlich verankern, die Stromengpässe in schwierigen Situationen ausgleichen könnten. Bezüglich der Effizienz wollte der Bundesrat mit den vorgeschlagenen Massnahmen mehr Anreize schaffen, um das Stromnetz möglichst optimal zu nutzen und teure Kapazitätsausbauten zu vermeiden. So sollen beispielsweise die Beanspruchung des Netzes – das heisst die bezogene Leistung in Kilowatt – gegenüber der bezogenen Energiemenge (Kilowattstunden) bei der Berechnung der Netznutzungstarife mehr ins Gewicht fallen. Teure Netzausbauten will der Bundesrat auch mit einer erhöhten Flexibilität vermeiden, indem beispielsweise der Verbrauch mittels Anreizen besser auf die Produktion abgestimmt wird. Dank der sogenannten «Sunshine-Regulierung» sollen schliesslich Endkunden durch die ElCom verlässliche und transparente Informationen über die Leistung und Kosteneffizienz der Verteilnetzbetreiber erhalten. Auch im Bereich der Messdienstleistungen wollte der Bundesrat mehr Wahlfreiheiten gewähren und den Markt stärker spielen lassen. Die Vernehmlassung dauert bis Ende Januar 2019.

Revision StromVG: Zweite Etappe der Strommarktliberalisierung und gesellschaftliche Debatte (Mo. 17.3971)
Dossier: Strommarktöffnung/Strommarktliberalisierung
Dossier: Stromabkommen mit der EU
Dossier: Revision StromVG und Revision EnG (ab 2017)

In verschiedenen politischen Debatten (Bsp. Mo. 18.3000) verwiesen Politikerinnen und Politiker auf zu tiefe internationale Strompreise und die dadurch in Schwierigkeiten geratenen Stromproduzenten. Diesbezüglich berichteten diverse Medien über die mit Verlusten kämpfenden grossen Schweizer Stromkonzerne Alpiq und Axpo. Beide Unternehmen haben keine gebundenen Endkunden, können somit keine Monopolrenten abschöpfen und müssen sich auf dem liberalisierten Marktteil behaupten, weshalb sie besonders stark von den tiefen Marktpreisen betroffen seien. Andere Unternehmen, wie beispielsweise die bernische BKW, konnten hingegen im Jahr 2017 gute Jahresabschlüsse darlegen – nicht zuletzt auch dank gebundener Endkunden. Mit dem geplanten zweiten Schritt der Liberalisierung des Schweizer Strommarktes dürfen künftig auch Privathaushalte und kleinere Unternehmen ihren Stromanbieter selbst wählen und werden somit keine gebundenen Endkunden mehr sein.

Strompreise unter Druck - Stromkonzerne in der Krise

Während die UREK-SR der Genfer Standesinitiative «Schweizer Stauanlagen und Wasserenergie retten» im November 2016 Folge gegeben hatte, war sie vom Nationalrat im Herbst 2017 abgelehnt worden. Diesem Entscheid folgte im August 2018 auch der Ständerat, nachdem die Mehrheit der UREK-SR die Meinung geändert und in ihrer zweiten Sitzung mit 8 zu 4 Stimmen beantragt hatte, der Standesinitiative nun doch keine Folge zu geben.
Der für die Mehrheit der Kommission sprechende Werner Luginbühl (bdp, BE) erklärte im Rat, weshalb die Kommissionsmehrheit in der ersten Vorprüfung im November 2016 noch für die Standesinitiative gewesen war, sie jedoch zwei Jahre später verwerfen wollte: In der Zwischenzeit seien verschiedene Unterstützungsmassnahmen etabliert worden. Konkret nannte er etwa die Marktprämie, die Investitionsbeiträge für den Bau von Neuanlagen und Erweiterungen von Wasserkraftwerken im Zusammenhang mit der Energiestrategie 2050, die Aufhebung der Durchschnittspreismethode für die Grundversorgung sowie die anstehende Revision des Stromversorgungsgesetzes, mit der ein neues Strommarktdesign entstehen soll. Zudem sei zwar eine Steuer auf nicht-erneuerbare, importierte Energieträger auf den ersten Blick eine tolle Sache, jedoch könne diese Abgabe einfach umgangen werden. Darüber hinaus sei sie nicht so ergiebig wie oft angenommen und nicht vereinbar mit internationalem Handelsrecht.
Ganz anders sah dies der Genfer Ständerat Robert Cramer (gp, GE), der im Ständerat eine links-grüne Kommissionsminderheit anführte. Es gehe bei dieser Standesinitiative darum, dem Verursacherprinzip auch im Stromsektor Rechnung zu tragen. Der bundesrätliche Bericht zeige, dass die Forderungen gemäss dieser Initiative umsetzbar seien, sofern es keine Diskriminierung zwischen inländischer und ausländischer Stromproduktion gebe. Im Standesinitiativtext sei keine solche Diskriminierung vorgesehen, was somit die Steuereinführung ohne Probleme mit den internationalen Verträgen vereinbaren liesse. Als die zwei wichtigsten Argumente für die Initiative nannte der Genfer den Schutz und Erhalt der Schweizer Wasserkraftwerke – und somit der wichtigsten inländischen, erneuerbaren Energieproduktion – sowie die Schaffung von mehr Gerechtigkeit, indem nicht-erneuerbare Energien im Vergleich zu erneuerbaren im Sinne des Verursacherprinzips teurer würden. Bei einem Folgegeben könnten die Anliegen gemäss dieser Initiative zudem direkt in die Beratungen zur bevorstehenden Revision des Stromversorgungsgesetzes Eingang finden. Die kleine Kammer folgte jedoch der Mehrheit ihrer Kommission und gab mit 25 zu 11 Stimmen bei 4 Enthaltungen der Initiative keine Folge. Somit gilt dieses Geschäft für beide Kammern als erledigt.

Schweizer Stauanlagen und Wasserenergie retten (Kt.Iv. GE 15.313)
Dossier: Sicherungsmassnahmen für den Erhalt der Schweizer Wasserkraft ab dem Jahr 2015

Zeitungsberichten zufolge stellt der internationale Stromtransit durch die Schweiz ein Problem für die hiesigen Netze dar. Zwar sei die Schweiz stark mit dem Ausland vernetzt und könne durch den Kauf und Verkauf von Strom profitieren – wurde in den Medien diskutiert –, jedoch fehle ihr ein Stromabkommen mit der EU, um bei den Verhandlungen um den Stromaustausch am Tisch sitzen und ihre Anliegen einbringen zu können. Wenn beispielsweise Frankreich und Deutschland vereinbarten, mehr Strom zu handeln, könne es vorkommen, dass der Strom aus physikalischen Gründen den indirekten Weg über die Schweiz nehme und dadurch die hiesigen Netze belaste. Umgekehrt könne es aber auch sein, dass bei einem Import von französischem Strom in die Schweiz dieser den Weg über deutsche Netze wähle. Das System funktioniere nur, solange die Belastung und Entlastung in einem ungefähren Gleichgewicht stünden. Wenn aber, wie angenommen, bald auch Italien verstärkt mit Deutschland und Frankreich Handel betreiben werde, könnte dieses Ungleichgewicht für die nationale Netzgesellschaft Swissgrid und für die ElCom zu einem grösseren Problem werden – war das Fazit der Medien. Eine Überbelastung der Schweizer Netze könne im schlimmsten Fall zu einem grossflächigen Stromausfall führen, wenn nicht (als Notbremse) die Leitungen nach Italien gekappt würden.

Internationaler Stromtransit durch die Schweiz wird zum Problem
Dossier: Stromabkommen mit der EU

Nachdem die UREK-NR im Vorjahr die vorgeschlagene Massnahme zur Sicherung der Selbstversorgung mit Strom aus Wasserkraft zur Überbrückung der aktuellen Preisbaisse gutgeheissen hatte, folgte im August 2018 auch ihre Schwesterkommission einstimmig diesem Entscheid. Sie merkte dabei an, dass beim weiteren Vorgehen die Arbeiten in Zusammenhang mit der bevorstehenden Revision des Stromversorgungsgesetzes berücksichtigt werden sollten. In der gleichen Sitzung lehnte eine Kommissionsmehrheit aber eine Genfer Standesinitiative (15.313) ab, die ebenfalls auf eine Unterstützung der Schweizer Wasserkraft abzielte.

Sicherung der Selbstversorgung mit Strom aus Wasserkraft zur Überbrückung der aktuellen Preisbaisse (Pa.Iv. 16.448)
Dossier: Sicherungsmassnahmen für den Erhalt der Schweizer Wasserkraft ab dem Jahr 2015

In einem im Mai 2018 veröffentlichten Bericht mahnte die ElCom, die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz sei vor allem in den Wintermonaten in Zukunft nicht mehr vollständig gewährleistet. Einerseits würden mittelfristig die AKW in der Schweiz vom Netz gehen, wodurch ein zentrales Element der stabilen Bandstromproduktion wegfalle, andererseits werde die Exportfähigkeit der Nachbarländer aufgrund verschiedenster Umstrukturierungen in der Energiewirtschaft – beispielsweise der Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie bis ins Jahr 2022 und der Rückzug aus der Kohleenergie sowie die vermehrte Nutzung der unregelmässig Strom liefernden Wind- und Solaranlagen – zunehmend infrage gestellt. Zudem habe die Schweiz noch kein Stromabkommen mit der EU abgeschlossen, das einen barrierefreien Zugang zum EU-Strombinnenmarkt erlauben würde. Die Kommission empfahl deshalb, dass in Zukunft auch im Winter ein substanzieller Teil der Elektrizität in der Schweiz produziert wird. Diesen Bericht nahm beispielsweise die UREK-SR zum Anlass, um im Frühjahr 2019 eine entsprechende Motion einzureichen.

Bericht Elcom 2018 Stromversorgungssicherheit Schweiz
Dossier: Energie - Versorgungssicherheit