Suche zurücksetzen

Inhalte

  • SBB
  • Regierungspolitik

Akteure

Prozesse

448 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Das Bundesratsfoto 2022 trug den Titel «der Bundesrat – in seiner Vielfältigkeit vereint». Die sieben Bundesratsmitglieder und der Bundeskanzler stehen darin in einer von oben aufgenommenen Fotomontage auf den grossen West-Ost- und Nord-Süd-Eisenbahnverbindungen einer mittels SBB-Schienennetzes dargestellten Schweiz – jeweils an der Stelle ihres Heimatortes. Bundespräsident Ignazio Cassis habe mit dem Bild Verbindungen, Zusammenhalt und Vielfalt darstellen wollen, gab die Regierung bekannt. Es sei insbesondere in Zeiten der Covid-19-Pandemie wichtig zu zeigen, was die Schweiz verbinde.
Der Tages-Anzeiger wusste bereits Mitte Dezember zu berichten, dass eigentlich der unterirdische Sackbahnhof des Regionalverkehrs in Bern hätte Kulisse sein sollen. Dies sei jedoch intern unter anderem deshalb auf Widerstand gestossen, weil dort seit Kurzem Maskenpflicht herrschte. Nach Erscheinen des neuen Fotos gab es wie jedes Jahr mediale Kommentare. Dass die acht Personen lächelten, mache sie zwar sympathisch, habe «in einer der grössten Krise des Landes [...] aber etwas leicht Frivoles», urteilte etwa die Sonntags-Zeitung. Dass die Nachbarstaaten rosarot seien – die Schweiz war vor einem rosaroten Hintergrund abgebildet – zeige überdies, dass man kaum über eine bilaterale Zukunft reden wolle. Auch die Bahnhofsuhr, die 18:48 Uhr anzeigte, wäre besser auf 20:22 gestellt worden. Freude an der Aufnahme des Gründungsjahres der modernen Schweiz hatte hingegen der Sonntags-Blick.

Das jährliche Bundesratsfoto

Auch 2021 wurden die traditionellen von-Wattenwyl-Gespräche von der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt. Nicht nur, weil die Gesundheitskrise zentraler Gegenstand aller vier Veranstaltungen war, sondern auch, weil die Gespräche wie schon teilweise im Jahr zuvor allesamt nicht im namensgebenden Von-Wattenwyl-Haus, sondern im mehr Platz bietenden Bernerhof stattfanden.
Im Beisein von Bundespräsident Guy Parmelin, den Bundesräten Alain Berset und Ignazio Cassis sowie Bundeskanzler Walter Thurnherr diskutierten die Spitzen der Regierungsparteien im Februar die aktuelle Lage, die steigenden Fallzahlen und mögliche Massnahmen, darunter die anlaufende Impfkampagne. Ebenfalls besprochen wurden die Digitalisierung der Verwaltung, insbesondere im Gesundheitsbereich, aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Arbeitsmarkt und Unternehmen. Die Regierung informierte zudem über den Stand der Europapolitik.
Auch im Mai trafen sich Bundespräsident, Gesundheitsminister, Aussenminister, Bundeskanzler und Parteipräsidien im Bernerhof, um erneut über die Gesundheits- und Wirtschaftslage sowie über das Europadossier zu diskutieren. Die Stabilisierung der Fallzahlen und die Fortschritte bei der Impfung der Bevölkerung – rund 10 Prozent hatten bereits eine Impfung erhalten – liessen die Diskussion erster Öffnungsschritte zu, welche auch dank der Einführung des Covid-Zertifikats möglich werden sollten. Gegenstand der Gespräche waren zudem die verschiedenen Massnahmen, die der Bund aufgrund der pandemiebedingten wirtschaftlichen Probleme ergriffen hatte. Bisher waren zur Bewältigung der Gesundheitskrise Ausgaben von rund CHF 40 Mrd. beschlossen worden. Der Aussenminister informierte über die «weiterhin substanziellen Differenzen» bei den Verhandlungen mit der EU im institutionellen Rahmenabkommen. Schliesslich wurde die China-Strategie diskutiert, die der Bundesrat im Frühjahr 2021 vorgelegt hatte.
Auch die traditionellerweise im Herbst in Form einer Klausur mit dem Gesamtbundesrat organisierten Von-Wattenwyl-Gespräche fanden im Bernerhof statt. Und wieder standen Covid-19 und Europa auf der Traktandenliste. Die gesundheitliche Lage hatte sich in der Zwischenzeit wieder verdüstert – auch weil die Impfquote nach wie vor tief war, worüber sich die Teilnehmenden der Gespräche austauschten. Im Europadossier plädierte der Bundesrat auf eine rasche Freigabe des Kohäsionsbeitrags. Weiteres zentrales Diskussionsthema war das Vorhaben der OECD, einen weltweiten Mindestsatz für Unternehmenssteuern in der Höhe von 15 Prozent einzuführen. Aufgrund der Ablehnung des CO2-Gesetzes im vergangenen Juni 2021 an der Urne, wollte der Bundesrat möglichst rasch eine Basis für eine neue Vorlage schaffen und informierte über erste entsprechende Gespräche mit Verbänden und Parteien.
Mitte November – auch die vierte Gesprächsrunde fand im Bernerhof statt – standen neben Gesundheits- und Europapolitik auch die «Corona-Schulden» auf dem Programm, weshalb neben Bundespräsident Guy Parmelin und Alain Berset auch Finanzminister Ueli Maurer und erneut Bundeskanzler Walter Thurnherr mit den Regierungsparteispitzen diskutierten. Angesichts des anbrechenden Winters, der nach wie vor zu tiefen Impfrate und einer neuen, ansteckenden Virusvariante wurde mit einem Anstieg der Fallzahlen gerechnet und entsprechende Massnahmen diskutiert. Finanzminister Ueli Maurer informierte über die Schulden in Höhe von CHF 25 Mrd., mit denen der Bundesrat bis Ende 2022 rechnete. Sparprogramme oder Steuererhöhungen könnten mit einer Anpassung des Finanzhaushaltsgesetzes vermieden werden, wie der Bundesrat bereits im Sommer vorgeschlagen hatte. Die angestrebte positivere Dynamik der Beziehungen zur EU war in den Gesprächen im November ebenso Gegenstand wie die Migrationssituation – in den ersten 10 Monaten waren rund ein Drittel mehr Asylgesuche gestellt worden als im Vorjahr – und eine mögliche Strommangellage, die mit einem «Konzept Spitzenlast-Gaskraftwerk» vermieden werden soll.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Jahresrückblick 2021: Verkehr und Kommunikation

Im Jahr 2021 gab es im Themenbereich «Verkehr und Kommunikation» ganz unterschiedliche politische Entwicklungen zu beobachten, wobei keine medial oder politisch deutlich dominierte. Ein Blick in die Medienberichterstattung mithilfe der APS-Zeitungsanalyse zeigt zudem, dass die Themen Verkehr und Kommunikation im Jahr 2021 gegenüber anderen Themen an Bedeutung eingebüsst haben. Während im Jahr 2019 noch etwas über 7 Prozent aller von Année Politique Suisse archivierten Zeitungsartikel diesen Themenbereich behandelten, waren es im zweiten Pandemie-Jahr lediglich gut 4 Prozent (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang).

Den in diesem Themenbereich grössten medialen und auch politischen Schwerpunkt bildete der Schienenverkehr. So war der öffentliche Verkehr auch im aktuellen Jahr stark von der Covid-19-Krise betroffen, da ihn deutlich weniger Passagiere nutzten als vor der Krise. Im Frühling 2021 reichten die KVF-NR und die KVF-SR daher je eine gleichlautende Motion für eine finanzielle Unterstützung des öffentlichen Verkehrs, namentlich des Fernverkehrs, des touristischen Verkehrs und des Ortsverkehrs ein, welche von den Räten angenommen wurden. Dieser Forderung kam der Bundesrat nach, indem er im November 2021 – wie bereits im Vorjahr – das zweite Massnahmenpaket zur Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise präsentierte. Mit diesem Massnahmenpaket wurden ebenfalls zwei Vorstösse der Kommissionen für eine finanzielle Unterstützung des Schienengüterverkehrs umgesetzt. Letzterer war zudem auch unabhängig von Corona Thema im Parlament. So wurden etwa zwei Postulate angenommen, die sich der Frage nach der Zukunft des Schienengüterverkehrs und von SBB Cargo widmeten (Po. 21.3198 und Po. 21.3597).

Breiter diskutiert wurde im Schienenbereich schliesslich auch der Ausbau des Nachtzugangebots der SBB, welches ein Postulat Ammann (cvp, SG; Po. 19.3643) und eine Motion Trede (gp, BE; Mo. 19.4614) fördern wollten, die beide im Berichtsjahr angenommen wurden. Unbehandelt blieb im Gegenzug weiterhin ein Vorstoss Giezendanner (svp, AG; Po. 20.4019) aus dem Vorjahr, mit dem der Ausbau des Nachtzugangebots durch die SBB gestoppt werden sollte.

Im Bereich Strassenverkehr stand – nicht nur in den Medien sondern auch in der Politik – insbesondere die Lärmproblematik im Zentrum. Beide Kammern sprachen sich für eine Forderung der UREK-NR nach einem Massnahmenpaket zur Lärmreduzierung im Strassenverkehr – insbesondere bei den so genannten «Autoposern» und den getunten Fahrzeugen – aus. Eine Reduktion des Strassenlärms forderte überdies eine parlamentarische Initiative Suter (sp, AG; Pa.Iv. 21.441) mittels Temporeduktion auf generell 30 km/h innerorts, die jedoch in den Räten noch nicht behandelt wurde.

Im Themenbereich «Kommunikationsdienste» standen erneut das Für und Wider des Mobilfunk-Standards 5G sowie die Weiterentwicklung des Notrufsystems im Mittelpunkt. Dabei wurden drei Standesinitiativen der Kantone Genf, Jura und Neuenburg, die ein Moratorium für die 5G-Technologie in der Schweiz forderten, von der KVF-SR und vom Ständerat keine Folge gegeben. Zustimmung fand dagegen ein Postulat der KVF-SR für eine frühzeitige Sicherstellung des Informationsflusses bei allenfalls in Zukunft genutzten Frequenzen im so genannten Millimeterwellenbereich. Das Postulat soll ebenfalls dafür sorgen, dass die Kantone und die parlamentarischen Kommissionen in die Diskussionen einbezogen und die Forschungsergebnisse berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu den Standesinitiativen forderte die FDP.Liberale-Fraktion, dass die notwendigen Rahmenbedingungen für einen raschen Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes geschaffen werden. Damit einhergehend solle der Bundesrat auch die Bevölkerung besser über 5G informieren. In der Debatte in der grossen Kammer räumte Christian Wasserfallen (fdp, BE) ein, dass der derzeitige Strahlengrenzwert für Mobilfunkantennen beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes leicht angehoben werden müsse, wobei dem Gesundheitsaspekt jedoch selbstverständlich weiterhin Rechnung zu tragen sei. Die Grünen- und die SP-Fraktion sprachen sich gegen das Anliegen aus – die Mehrheit des Nationalrates stimmte der Motion jedoch zu.

Schliesslich wurde im Jahr 2021 zudem die Forderung nach einer Weiterentwicklung des Schweizer Notrufsystems laut, nachdem es auch bereits im Vorjahr zu einigen Pannen gekommen war. Dabei nahmen beide Räte eine Motion der KVF-SR zur Systemführerschaft für die Abwicklung von Notrufen an, welche verlangte, dass eine Stelle geschaffen werden soll, welche die technische Gesamtverantwortung für alle Notrufe übernimmt. Zudem forderten Nationalrätinnen und Nationalräte aller sechs Fraktionen mittels sechs gleichlautender Motionen erfolgreich die Digitalisierung und Weiterentwicklung der Schweizer Notrufe; damit solle insbesondere ein barrierefreies Angebot für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden.

Jahresrückblick 2021: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Jahresrückblick 2021

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand auch 2021 vor allem aufgrund seiner Entscheide im Rahmen der Covid-19-Pandemie im Fokus – wobei er je nach Verlauf der Fallzahlen dafür kritisiert wurde, mit zu viel Macht ausgestattet zu sein und zu viele Massnahmen zu ergreifen, oder aber dafür, in Anbetracht der Lage zu wenig zu tun. Die über 60 Prozent Ja-Stimmen bei beiden Covid-Referenden (im Juni und im November) können freilich auch als ziemlich breite Unterstützung der bundesrätlichen Massnahmen-Politik interpretiert werden. Covid-19 bzw. vielmehr das Argument, dass gerade die Pandemie zeige, wie stark die Arbeitsbelastung der sieben Mitglieder der Landesregierung zunehme, stand Pate für die Forderung nach einer Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder auf neun – eine Forderung, die seit 1848 schon zwölf Mal gescheitert war. Zwar stiess die Idee in der Wintersession im Nationalrat auf offene Ohren, das Anliegen wird aber im nächsten Jahr im Ständerat wohl auf mehr Widerstand stossen – die SPK-SR hatte sich bereits im Juni dagegen ausgesprochen. Als Institution war die Regierung ansonsten im Vergleich zu früheren Jahren seltener Gegenstand der medialen Berichterstattung. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass im Berichtsjahr für einmal vergleichsweise selten über mögliche Rücktritte von Magistratinnen und Magistraten spekuliert wurde. Seit nunmehr drei Jahren ist die Zusammensetzung der Exekutive unverändert.

Auch für die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung wird Covid-19 Folgen haben. Aufgrund der Erfahrungen, die beim Lockdown gemacht worden waren, forderten mehrere Vorstösse, dass der Bund mittels dezentralisierter und digitalisierter Arbeitsplätze im Sinne von Homeoffice nachhaltiges Arbeiten ermöglichen soll. Beide Räte hiessen eine entsprechende Motion gut und rannten damit beim Bundesrat offene Türen ein. Nicht einig waren sich die Räte hingegen bei der Frage, ob für die obersten Kader der sieben grossen Bundesunternehmen ein Lohndeckel gesetzlich festgeschrieben werden soll. Der Ständerat lehnte die Forderung, die auf eine parlamentarische Initiative aus dem Jahr 2016 zurückgeht, ab, der Nationalrat wollte auch in der Wintersession weiter an ihr festhalten.

Auch im Parlament war Covid-19 nach wie vor Thema Nummer 1. Nicht nur war das Virus Gegenstand zahlreicher inhaltlicher Debatten, sondern es zwang auch im Bundeshaus zu unterschiedlichen Verhaltensmassnahmen: Zwar konnten im Gegensatz zu 2020 alle Sessionen im Bundeshaus stattfinden, allerdings mussten auch im Parlament je nach Pandemiesituation die Masken- oder Zertifikatspflicht eingehalten werden. Zudem sollten Plexiglasscheiben an den Plätzen in den Ratssälen zusätzlichen Schutz vor dem Virus gewähren. Auch unter Pandemie-bedingt erschwerten Arbeitsbedingungen wurden Beschlüsse gefasst, die den Parlamentsbetrieb wohl nachhaltig verändern werden: So einigten sich beide Kammern auf ein neues Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen. Nicht zuletzt sollen im Ständerat künftig sämtliche Abstimmungsresultate veröffentlicht werden. Nach 20-jähriger Opposition und nicht weniger als acht gescheiterten Vorstössen wird also auch die «Dunkelkammer Ständerat», wie Thomas Minder (parteilos, SH) sie nach der 2014 eingeführten elektronischen Abstimmung bei Gesamt- und Schlussabstimmungen bezeichnet hatte, vollständig ausgeleuchtet. Ob dies nun zu einem «Transparenzexzess» und einer Änderung der Diskussionskultur in der «Chambre de réflexion» führen wird, wie dies die ablehnende Minderheit befürchtete, wird sich weisen.

Das Verhältnis zwischen Legislative und Judikative war im vergangenen Jahr aus zwei gewichtigen Gründen Gegenstand von Diskussionen. Auf der einen Seite führten die im November an der Urne mit 31.9 Prozent Ja-Stimmenanteil recht deutlich abgelehnte Justizinitiative sowie der im Parlament verworfene Gegenvorschlag zur Frage, ob die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern durch das Parlament die Unabhängigkeit der dritten Gewalt beeinträchtige. Auf der anderen Seite zeigten die Schwierigkeiten mit der Besetzung der Bundesanwaltschaft – gleich dreimal musste die Stelle ausgeschrieben werden, bis in der Herbstsession ein neuer Bundesanwalt gewählt werden konnte – und die vorgängigen Diskussionen um die Erhöhung der Alterslimite in der höchsten Strafbehörde, wie schwierig es für das Parlament ist, bei der Besetzung von Gerichtsstellen ideologische Gesichtspunkte der Sachpolitik unterzuordnen – so die Kommentare in einigen Medien.

Auch das Funktionieren der direkten Demokratie war 2021 Gegenstand politischer Diskussionen. Das Parlament hiess einen Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative gut, der teilweise weiter geht, als von den Initiantinnen und Initianten verlangt. Das Initiativkomitee zog in der Folge sein Begehren zurück. Mit der Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte müssen Parteien ab dem Herbst 2022 ihre Budgets und insbesondere Spenden über CHF 15'000 offenlegen und auch Komitees von Wahl- und Abstimmungskampagnen, die mehr als CHF 50'000 aufwenden, haben ihre Finanzeinkünfte auszuweisen.
Vom Tisch ist hingegen die Möglichkeit, Staatsverträge dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Der Ständerat hatte sich zwar für diesen Ausbau der direkten Demokratie eingesetzt, der Nationalrat wollte aber definitiv nichts davon wissen. Noch hängig ist hingegen ein Entscheid, mit dem allenfalls ein Ausbau partizipativer Elemente im politischen System der Schweiz umgesetzt würde. Noch 2020 hatte sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, einer parlamentarischen Initiative, mit der die Einführung des Stimmrechtsalters 16 gefordert wird, Folge zu geben. Auch die SPK-SR konnte sich für den Vorstoss erwärmen. Allerdings machte die SPK-NR im November mit Verweis auf einige kantonale Abstimmungen, bei der die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf grosse Skepsis gestossen war, einen medial stark beachteten Rückzieher – dieses Anliegen wird wohl zukünftig noch zu reden geben. Viel zu reden und zu schreiben gab im Berichtsjahr zudem ein Jubiläum, das auch als Zeugnis dafür gelesen werden kann, dass die direkte Demokratie strukturelle Minderheiten ausserhalb des Entscheidsystems tendenziell benachteiligt: 1971 – also vor 50 Jahren – war das Frauenstimm- und -wahlrecht eingeführt worden – allerdings erst im zweiten Versuch und sehr lange nach den meisten anderen demokratischen Staaten.

Im Gegensatz zum Vorjahr, als eine Volksabstimmung hatte verschoben und verschiedene Fristen hatten verlängert werden müssen, hatte die Pandemie 2021 keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren der direkten Demokratie. Ganz ohne Covid-19 ging es aber auch 2021 nicht: Die Schweizer Stimmbevölkerung war dabei die einzige weltweit, die – wie eingangs erwähnt – zweimal an die Urne gerufen wurde, um über denjenigen Teil der Massnahmen zu befinden, der von Bundesrat und Parlament in ein separates Gesetz gegossen worden war. Zwar wurde die Kampagne insbesondere zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes teilweise sehr emotional geführt, im Anschluss an den Urnengang legten sich die Emotionen aber zumindest gegen aussen wieder etwas. Die nicht nur beim zweiten Covid-Referendum, sondern auch bei der Kampagne zum CO2-Gesetz, der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative aussergewöhnlich hart geführten Auseinandersetzungen dürften mit ein Grund sein, weshalb die direkte Demokratie mehr Medienaufmerksamkeit generierte als in den beiden Jahren zuvor.

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2021

Bereits im Vorjahr waren die Meinungen über die Leistungen der Landesregierung während der Covid-19-Pandemie auseinandergegangen. Die Kritik am Bundesrat nahm im Covid-19-Jahr 2021 aber noch einmal merklich zu. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei Alain Berset. Insbesondere die SVP übte via Medien Kritik am Gesundheitsminister und forderte Mitte Januar 2021, dem SP-Magistraten solle das Gesundheitsdossier entzogen werden, weil er versagt habe. Christoph Blocher bezeichnete Berset gar als «Diktator». Obwohl der amtierende Bundespräsident und SVP-Bundesrat Guy Parmelin daran erinnerte, dass es sich bei der Regierung um «ein Team» handle, und die Kollegialität betonte und der zweite SVP-Bundesrat Ueli Maurer darauf hinwies, dass es niemandem diene, wenn die Bunderatsmitglieder gegeneinander ausgespielt würden – Aussagen, die etwa vom Tages-Anzeiger als Zeichen eines Zusammenschweissens der Landesregierung und von La Liberté als «grand moment d'unité» bezeichnet wurden –, gingen die Angriffe auf einzelne Regierungsmitglieder weiter. So urteilte etwa die Weltwoche, dass Alain Berset «beide Pandemiewellen verschlampt und wirtschaftlich einen Schlamassel angerichtet» habe, von den Medien aber als Held gefeiert werde. Die SVP forderte derweil die Einführung eines Impeachmentverfahrens in der Schweiz, mit dem Regierungsmitglieder abgewählt werden könnten. Die Macht des Bundesrats, der die Diktatur eingeführt habe, müsse gebrochen werden, gab auch SVP-Präsident Marco Chiesa (svp, TI) in Interviews zu Protokoll. Und wiederum die Weltwoche wähnte sich ob des von ihr festgestellten gegenseitigen Misstrauens in der Regierung, in der Anträge von rechts auf eine links-bürgerliche Blockade stossen würden, «wie in einem kalten Krieg». Es brauche deshalb «sieben neue Bundesräte».

Aber auch der Gesamtbundesrat wurde kritisiert. Es brauche ein «deutlich rascheres und entschlosseneres Vorgehen» gegen die Pandemie, forderte etwa die NZZ Mitte Januar 2021. Der Bundesrat müsse seinen Verfassungsspielraum konsequenter ausnutzen und dürfe «entgegen den helvetischen Gepflogenheiten» nicht den langwierigen Mittelweg gehen, bei dem alle Kritikerinnen und Kritiker angehört und integriert würden. Ende Februar ärgerte sich die gleiche Zeitung dann allerdings über die «magistrale Sturheit», die Restaurant-Terrassen noch nicht wieder öffnen zu wollen. Dass die Regierung dem «Druck zur schnelleren Öffnung nicht nachgegeben» habe, sei zwar «hart für die Betroffenen – aber leider richtig», beurteilte denselben Umstand freilich der Tages-Anzeiger und attestierte dem Bundesrat «Rückgrat».

Schriller war die Kritik von Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegnern an der Regierung. So wusste etwa der Tages-Anzeiger zu berichten, dass der stellvertretenden Armeechef Aldo C. Schellenberg Briefe erhalten habe, die ihn aufforderten, für den Bundesrat ein Kriegsgericht einzurichten. Ende Februar leitete die Bundesanwaltschaft gleich fünf Verfahren wegen Bedrohungen einzelner Magistratspersonen via soziale Medien ein. Bei einem Auftritt in der politischen Diskussionssendung «Arena» im Sommer 2021 erhielt Alain Berset Polizeischutz und auch das Fedpol ergriff zunehmend Schutzmassnahmen wegen massiver Drohungen gegen Bundesrätinnen und Bundesräte.

Immer wieder kritisierten die Medien zudem die Informationspolitik der Regierung. Auf der einen Seite wurden die Indiskretionen gerügt, die verhindert hätten, dass der Bundesrat Entscheidungen über Covid-19-Massnahmen wenigstens so lange habe geheimhalten können, bis sie mit den Kantonen abgesprochen worden seien. Auf der anderen Seite wurde vermutet, dass jene Medien beneidet werden, die mit ebendiesen Indiskretionen versorgt wurden und diese medial ausschlachteten. Die Weltwoche sprach etwa von der «Berset-Verschwörung». Dank «Schützenhilfe von den Medien» könne er die von ihm vorgesehenen Covid-19-Massnahmen stets durchsetzen.

Für einige Diskussionen sorgte auch die Zusammenarbeit zwischen Bundesrat und Wissenschaft. Noch im Januar warfen die Medien der aus Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unterschiedlicher Disziplinen zusammengesetzten Task Force vor, selber Politik machen zu wollen. Im Februar wendete sich das Blatt, nachdem bekannt geworden war, dass ebendiese Task Force im Sommer 2020 vor einer zweiten Welle gewarnt hatte, die Behörden diese Warnung allerdings in den Wind geschlagen und wichtige Massnahmen zu früh aufgehoben hätten. Die NZZ kam dabei etwa zum Schluss, dass die Wissenschaft «zu lange ignoriert» worden sei.

Die Kritik flaute parallel mit den abnehmenden Fallzahlen ab dem Frühjahr 2021 dann merklich ab. Zwar wiederholte die Weltwoche noch lange Zeit ihre Kritik an Alain Berset («Captain Long Covid», «Impfdebakel heisst Alain Berset», «Stricken an der eigenen Legende»), bei den restlichen Medien geriet die Regierung allerdings bald aus der Schusslinie.

In die Schlagzeilen geriet Mitte September freilich Ueli Maurer, weil er als «Freiheitstrychler» posierte. An einem SVP-Lokalanlass hatte sich der Finanzminister ein T-Shirt der Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegner übergestreift und sich fotografieren lassen. Das Bild verbreitete sich via soziale Medien und wurde auf der einen Seite als «Bruch der Kollegialität» (Tages-Anzeiger), ja gar als Versuch, das Land zu spalten (Balthasar Glättli, gp, ZH im Blick) kritisiert, auf der anderen Seite als freie Meinungsäusserung (Thomas Matter, svp, ZH im Tages-Anzeiger) oder auch als Zeichen, dass «vielen Unzufriedenen im Land zumindest inoffiziell magistrales Verständnis» entgegengebracht werde (NZZ), verteidigt. Maurer selber gab in der Aargauer Zeitung zu Protokoll, dass er gar nicht gewusst habe, in «welchen Zusammenhang dieses Leibchen offenbar gebracht wird». Ähnlich wie die SVP im Frühjahr Alain Berset angegriffen hatte, nutzte die SP die T-Shirt-Affäre für Kritik an Ueli Maurer und stellte in der parlamentarischen Fragestunde nicht weniger als neun Fragen zu Maurers von der SP als «Bedrohung der Regierungskollegialität» bezeichneten Aktion. Bundespräsident Guy Parmelin beantwortete alle neun Fragen gleichzeitig, indem er auch bei den Angriffen von links auf das Kollegialitätsprinzip verwies: «Le Conseil fédéral ne commente pas les propos que l'un de ses membres a ou aurait prononcés en public».

Kritik am Bundesrat wegen Covid-Politik 2021

Der Bundesrat beschloss Ende 2021 Massnahmen zur finanziellen Stabilisierung der SBB, um die Verschuldung, in die die SBB aufgrund des Vorgehens zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie geraten waren, zu mindern und ihre Rentabilität zu stärken. Das Massnahmenpaket beinhaltete Kostensenkungen seitens der SBB (jährlich zusätzlich CHF 80 Mio. ab 2024), eine Reduktion der Trassenpreise (d.h. der Preise für die Benutzung des Schienennetzes) im Fernverkehr sowie eine Überprüfung des geplanten Ausbaus der Infrastruktur.

Finanzielle Unterstützung der SBB in 2021 aufgrund der Corona-Pandemie
Dossier: Covid-19 und Verkehr

Obwohl der Ständerat nicht auf die Vorlage der SPK-NR für Kaderlöhne in Bundes- und bundesnahen Unternehmen eintreten wollte, folgte eine deutliche Mehrheit des Nationalrats in der Wintersession 2021 ihrer Kommission und hielt mit 151 zu 39 Stimmen an Eintreten auf die Vorlage fest. Die Minderheit aus der geschlossen stimmenden FDP-Liberalen Fraktion und einem Teil der Mitte-Fraktion stand auf verlorenem Posten. Kurt Fluri (fdp, SO), der für die FDP-Liberale Fraktion das Wort ergriffen hatte, hatte vergeblich argumentiert, dass sich seit 2016 – also seit dem Jahr, in dem die parlamentarische Initiative von Susanne Leutenegger Oberholzer (sp, BL) eingereicht worden war – einiges getan habe und «starre, undifferenzierte» Lohnobergrenzen nicht mehr zeitgemäss seien. Auch Andri Silberschmidt (fdp, ZH) ergriff für seine Fraktion das Wort. Der Bundesrat sei zuständig für die Lohngestaltung, die er aber für jedes Unternehmen separat und ohne starre Lohnvorgaben durchführen können müsse. Damit war etwa die SP-Fraktion nicht einverstanden. Es sei in der Tat etwas ruhiger geworden um die Diskussion über Exzesse bei der Lohnpolitik; dies sei aber kein Grund, die Sache als erledigt zu betrachten, argumentierte Nadine Masshardt (sp, BE) für ihre Fraktion. Eine Obergrenze von CHF 1 Mio. biete noch genügend Marge, pflichtete Delphine Klopfenstein Broggini (gp, GE) bei und Barbara Steinemann (svp, ZH) erinnerte an die Abzockerinitiative, die von der Stimmbevölkerung angenommen worden war. Die SVP-Fraktion finde zudem, dass die Kaderlöhne von öffentlichen Unternehmungen «in keinem Verhältnis mehr zur Leistung» dieser Kader stünden. Auch das Plädoyer von Finanzminister Ueli Maurer, der darauf hinwies, dass hier ganz verschiedene Unternehmenskulturen in einen Topf geworfen würden und dass ein Gesetz in Zukunft unnötig einengen werde, wenn es darum gehe, gute Kader zu finden, verhallte letztlich ungehört.

Kaderlöhne bei Bundes- und bundesnahen Unternehmen (Pa.Iv. 16.438)
Dossier: Kaderlöhne bei Bundes- und bundesnahen Unternehmen

Weil der Ständerat auf einer Entschlackung der Legislaturplanung beharrt hatte, musste die parlamentarische Initiative von Damian Müller (fdp, LU) auch vom Nationalrat noch einmal beraten werden. Die SPK-NR empfahl freilich nach wie vor, der Initiative keine Folge zu geben. Auch die Argumente waren noch immer die gleichen: Der Vorstoss komme einer Entmachtung des Parlaments gleich. Wenn es den Bericht zur Legislaturplanung lediglich zur Kenntnis nehmen könne, komme es seiner Mitwirkungspflicht nicht nach. In der letzten Beratung der Legislaturplanung habe die neu gewählte Bundesversammlung im Bereich der Gleichstellung oder der Klimapolitik durchaus Akzente gesetzt. Eine Kommissionsminderheit aus FDP-Mitgliedern argumentierte in der Debatte während der Wintersession 2021 vergeblich, dass das aktuelle Vorgehen nicht befriedigend sei und eine neue Lösung gesucht werden sollte. Wenn das Parlament der parlamentarischen Initiative Folge gebe, könne eine solche alternative Lösung mindestens gesucht werden: «Wenn Sie heute Folge geben, können Sie am Ende des Verfahrens immer noch Nein sagen, wenn Sie wirklich denken, dass es sich um keine gute Lösung handelt», argumentierte etwa Damien Cottier (fdp, NE). Und Kurt Fluri (fdp, SO) fragte, ob denn Motionen und parlamentarische Initiativen nicht «präzisere und schärfere Waffen» seien als die Legislaturplanung. Die Entgegnung von Kommissionssprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG), dass man das Instrument der Legislaturplanung bei Interesse an scharfen Instrumenten eben nicht noch stumpfer machen solle, schien auch die Meinung der nationalrätlichen Mehrheit zu sein: Mit 166 zu 26 Stimmen versenkte die grosse Kammer die parlamentarische Initiative Müller definitiv. Einzig die fast geschlossen stimmende FDP.Liberalen-Fraktion unterstützt von Roger Köppel (svp, ZH) sprach sich für Folgegeben aus.

Fitnesskur für das Parlament – Entschlackung der Legislaturplanung (Pa.Iv. 20.446)
Dossier: Verfahren bei der Legislaturplanung

In Zusammenhang mit der Beratung des zweiten Massnahmenpakets zur Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise wurden in der Wintersession 2021 zwei identische Motionen der KVF-SR sowie der KVF-NR zur finanziellen Unterstützung des Schienengüterverkehrs im Jahr 2021 abgeschrieben (Mo. 21.3460 und Mo. 21.3594).

Milderung der pandemiebedingten Auswirkungen auf den Schienengüterverkehr im Jahr 2021 (Mo. 21.3460 und 21.3594)
Dossier: Covid-19 und Verkehr

Auf Antrag der vorberatenden KVF-SR stimmte in der Wintersession 2021 auch der Ständerat der Motion Trede (gp, BE) zu, welche die Erarbeitung eines Konzepts zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Schienenpersonenverkehrs verlangte. Wie Kommissionssprecherin Häberli-Koller (mitte, TG) im Rat ausführte, teilte die Kommissionsmehrheit die Auffassung, dass das Angebot im internationalen Schienenpersonenverkehr ausgebaut werden solle, um die CO2-Emissionen im Mobilitätsbereich weiter zu senken.

Konzept zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Schienenpersonenverkehrs (Mo. 19.4614)
Dossier: Nachtzugverbindungen

Die grosse Kammer beugte sich in der Wintersession 2021 als Erstrat über die Vorlage zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes. Die Rednerinnen und Redner betonten in der Debatte über das Eintreten, welches von keiner Fraktion bestritten wurde, die Relevanz des öffentlichen Verkehrs für die Mobilität der Schweizer Bevölkerung. Es gebe jedoch einen Reformbedarf bei gewissen Punkten des Systems; dieses solle daher durch vereinfachte Verfahren, mehr Transparenz, eine höhere Effizienz und eine Stärkung des Service public verbessert werden, erläuterte Kommissionssprecherin Pasquier-Eichenberger (gp, GE).
In der Detailberatung gaben vor allem zwei Punkte zu reden. Einer betraf die Umsetzung von vier gleichlautenden parlamentarischen Initiativen, die vergünstigte ÖV-Tageskarten für Schulklassen gefordert hatten. Die Mehrheit der KVF-NR hatte das Gesetz in Umsetzung dieser Initiativen mit einem entsprechenden Passus ergänzt. Zu diesem Mehrheitsantrag der Kommission gesellten sich noch zwei Minderheitsanträge. Der erste Minderheitsantrag Bregy (mitte, VS) verlangte, dass der Bundesrat einen Maximaltarif für diese Tageskarten definieren kann und der Bund die Mindereinnahmen, die den Transportunternehmen durch die Vergünstigung der Tageskarten entstehen, ausgleicht. Der zweite Minderheitsantrag Wasserfallen (fdp, BE) hingegen wollte den ganzen Passus zu den Tageskarten streichen, da er eine «Marktverzerrung zugunsten des bestellten öffentlichen Verkehrs» befürchtete, welche privatwirtschaftliche Unternehmen diskriminiere. Der Nationalrat entschied sich von den drei Anträgen für den Minderheitsantrag Bregy.
Der zweite grössere Diskussionspunkt betraf eine von der Mehrheit der Kommission eingebrachte Regelung zum Kartellrecht bei der Vertriebsinfrastruktur im Bereich des öffentlichen Verkehrs – genannt Nova. Diese wird für den Vertrieb von Angeboten des öffentlichen Verkehrs verwendet. Die Kommissionsmehrheit beantragte, dass das Kartellrecht hier keine Anwendung finden solle, weil «der Vertrieb und die Tarifgestaltung im öffentlichen Verkehr schon genügend reguliert seien», wie Kurt Fluri (fdp, SO) für die Mehrheit erläuterte. Eine Minderheit Wasserfallen hingegen wies darauf hin, dass auch private Unternehmen diese Plattform nutzten, weshalb es opportun sei, diese Infrastruktur dem Kartellrecht zu unterstellen. Der Minderheitsantrag Wasserfallen wurde auch von Verkehrsministerin Sommaruga unterstützt, er fand jedoch im Nationalrat keine Mehrheit.
Im Übrigen folgte die grosse Kammer den Vorschlägen ihrer vorberatenden Kommission und blieb damit im Wesentlichen auf der Linie des Bundesrats.
In der Gesamtabstimmung stimmte der Nationalrat der Vorlage mit 135 zu 53 Stimmen zu. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion, welche einige Minderheitsanträge mitunterstützt oder gar initiiert hatte und sich mit diesen meist nicht hatte durchsetzen können.

Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (BRG 21.039)

In der Begründung seiner parlamentarischen Initiative warnte Jean-Luc Addor (svp, VS) explizit vor einer parlamentarischen Initiative der Grünen Fraktion. Er selber verlange eine gerichtliche Kontrolle von Notrecht durch das Bundesgericht, wenn gegen notrechtliche Beschlüsse des Bundesrats Beschwerde eingereicht werde. Im Gegensatz dazu fordere der Vorstoss der Grünen Fraktion die Kontrolle nicht nur von bundesrätlichen, sondern auch von parlamentarischen Notverordnungen durch das Bundesgericht, was eine «gefährliche Büchse der Pandora» öffne, weil dadurch die Balance zwischen den Gewalten ausgehebelt würde. Es sei richtig, dass es in der Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit gebe – dieser Idee käme die von den Grünen geforderte abstrakte Normenkontrolle durch das Bundesgericht aber sehr nahe. Die Bundesversammlung als oberste Gewalt wähle die Judikative und könne deshalb von dieser eben nicht kontrolliert werden. Dieser Grundsatz gelte aber eigentlich nicht für die Exekutive. Hier herrsche eine Lücke im Bundesrecht. «Bürgerinnen und Bürger, die sich als Opfer von ungerechtfertigten Verletzung ihrer Grundrechte sehen», hätten heute nur die Möglichkeit, «die durch das Notrecht auferlegten Einschränkungen zu missachten». Mit der Ermöglichung einer Beschwerde beim Bundesgericht gegen Notrechtsbeschlüsse des Bundesrats könnte diese Lücke geschlossen werden. Mitte Oktober 2021 zog Addor seinen Vorstoss zurück.

Gerichtliche Kontrolle von Notrecht (Pa.Iv. 21.404)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Mitte Oktober 2021 stellte die GPK-SR in einem Bericht fest, dass die aus der Analyse zur Erfüllung von angenommenen Motionen und Postulaten hergeleiteten Empfehlungen mehrheitlich umgesetzt oder mindestens Massnahmen zur Umsetzung getroffen worden seien. So seien neu etwa die Begründungstexte von Vorstössen in den jährlichen Bericht über die Motionen und Postulate aufgenommen worden. Auch sei die Überarbeitung der Berichterstattung zwecks effizienterer und angemessenerer Gestaltung in Angriff genommen worden. Schliesslich seien Arbeiten eingeleitet worden, die eine medienbruchfreie Bearbeitung dieses Berichtes erlaubten, ohne die bisher nötige mehrfache Erfassung derselben Daten. Dies werde möglich, weil die unterschiedlichen Datenbanken von Parlamentsdiensten und Departementen besser verknüpft würden. Durch diese Verbesserung der Schnittstellen soll es künftig Urheberinnen und Urhebern von Vorstössen möglich werden, den Stand der Umsetzung ihrer Vorstösse genauer verfolgen zu können. Die GPK-SR erachtete ihre Inspektion damit als abgeschlossen. Sie kündigte eine Nachkontrolle zu gegebener Zeit an.

Analyse zur Erfüllung von angenommenen Motionen und Postulaten

Nachdem die Bundesratssitzung extra muros im Jahr zuvor Corona-bedingt ausgesetzt worden war, fand sie am 13. Oktober 2021 in Luzern statt, wo sich die Regierungsmitglieder im Anschluss an ihre Sitzung in der Musikhochschule in Kriens bei einem Apéro im Verkehrshaus mit der Bevölkerung austauschten und sich am Nachmittag mit dem Luzerner Regierungsrat trafen.
Im Vorfeld des Treffens hatten die via soziale Medien verbreiteten Aufrufe der Covid-Massnahmen-Gegnerinnen und -Gegner, in Luzern zu protestieren, zu reden gegeben. Die Medien hatten ein vergiftetes Klima befürchtet und berichtet, dass sich sogar das Fedpol eingeschaltet habe. Letztlich fanden sich ausserhalb des Verkehrshauses rund 50 Personen, die etwas abseits und bewacht von Polizei «Liberté» und «Schande» skandierten. Im Verkehrshaus selber fanden sich 200 angemeldete und geimpfte Personen, die nach einem Sicherheitscheck im Eingang die Bundesratsmitglieder für ihre gute Arbeit während der Pandemie feierten. Für die Massnahmengegnerinnen und -gegner seien die Bundesräte «verkappte Diktatoren», für die Menschen im Verkehrshaus «sind sie eher Pop-Stars», fasste etwa die NZZ zusammen. Zahlreiche Anwesende hätten dem Regierungskollegium ihre Wertschätzung vermitteln wollen. Auch wenn die Stimmung seit einiger Zeit und insbesondere kurz vor dem zweiten Covid-Referendum sehr aufgeheizt sei, habe beim Apéro ein Klima der Dankbarkeit geherrscht, so der Tages-Anzeiger.

Bundesratssitzungen ‚extra muros‘

Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2021 mit einer Motion der KVF-SR, welche ein Gesetz über die politische Steuerung und Oberaufsicht von Unternehmen im Bereich des Service public forderte. KVF-NR-Sprecher Bregy (mitte, VS) betonte für die Kommissionsmehrheit, dass die Politik im Service Public die strategische Richtung vorgeben und kontrollieren müsse. Dazu brauche es ein Gesetz, «das die Grundversorgung sauber regelt». Eine Kommissionsminderheit um Kurt Fluri (fdp, SO) hingegen wolle mehr Freiheit für die Betriebe des Service public und kritisiere daher den strikten Rahmen, den dieses Gesetz vorgeben würde, schloss Bregy.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga zeigte zwar Verständnis für die Forderung des Parlaments nach mehr Mitsprache in diesem Bereich, empfahl den Vorstoss aber aus verschiedenen Gründen zur Ablehnung. So bezweifelte sie etwa, dass ein einziger so genannter Mantelerlass den verschiedenen Strukturen und Ausrichtungen der Unternehmen des Service public gerecht werden könne; auch werde es gewisse Abgrenzungsprobleme zwischen dem Mantelerlass und den geltenden Spezialgesetzen geben. Ausserdem seien die Verantwortlichkeiten in der Aufsicht bereits heute gut geregelt. Diese Worte vermochten die Mehrheit des Rates jedoch nicht zu überzeugen, der Nationalrat nahm die Motion mit 103 zu 77 Stimmen an. Die ablehnenden Stimmen stammten von den geschlossen stimmenden SVP- und FDP.Liberale-Fraktionen.

Service public stärken (Mo. 20.4328)

Im September 2021 hiess der Nationalrat als Erstrat mit 95 zu 86 Stimmen bei 3 Enthaltungen eine Motion der FDP-Fraktion zur Klärung der Verantwortlichkeiten in der Führung bundesnaher Betriebe gut. Die Fraktion verlangte, dass der Bundesrat erstens das Vorgehen bei der Wahl des Verwaltungsrats festlegt, zweitens verschiedenste Zuständigkeiten bei Aufgaben wie jene für die Definition der Unternehmensziele und der Eignerstrategie beschliesst und drittens rechtliche Grundlagen zum Umgang mit Interessenskonflikten definiert. Die Fraktion berief sich bei der Forderung auf Empfehlungen der OECD aus dem Jahr 2015 betreffend die sogenannte Good-Governance staatsnaher Betriebe, welche der Bundesrat mit der Gesetzesanpassung weitestgehend umsetzen soll. Wie Peter Schilliger (fdp, LU) im Rat ausführte, nehme der Bund bei der Führung bundesnaher Betriebe mehrfache Rollen als Eigner, Auftraggeber, Regulator und gegenüber der Bevölkerung als Treuhänder wahr, weshalb Interessenskonflikte aufträten, die ein transparentes Management verlangten. Als Beispiel fügte die FDP-Fraktion die Wahl von Ex-SP-Präsident und Ex-Ständerat Christian Levrat (sp, FR) zum Verwaltungsratspräsident der Post AG durch SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Frühjahr 2021 an, wo ein Interessenskonflikt im Raum gestanden habe.
Finanzminister Ueli Maurer vertrat im Rat die Meinung des Bundesrates, wonach kein zusätzliches, spezielles Gesetz nötig sei, da die Vielfalt bei den bundesnahen Betrieben gross sei. Folglich sei es zielführender, die Oberaufsichtsfunktion des Parlaments in den zuständigen Subkommissionen der GPK spezifisch zu verbessern. Maurer verwies zudem auf den von Expertinnen und Experten erstellten Corporate Governance Bericht von 2019 sowie auf den Bericht zum Postulat Abate (fdp, TI), welcher dem Bund in der Oberaufsicht gute Noten erteilt hatte und in dem keine grösseren Massnahmen als erforderlich erachtet worden waren. Betreffend den Vorwurf des Interessenskonflikts im Fall Levrat erklärte Maurer, dass der höchste Posten bei der Post AG viel politisches Fingerspitzengefühl verlange, weshalb der SP-Magistrat als gut geeignet erachtet worden sei. Während die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen zusammen mit einer Mehrheit der Mitte-Fraktion dem Bundesrat folgten, setzten sich die Fraktionen der FDP, der GLP und der SVP knapp durch und sorgten für Annahme der Motion.

Verantwortlichkeiten für bundesnahe Betriebe klären (Mo. 19.4004)
Dossier: Strategie und Führung bundesnaher Betriebe

Einstimmig habe die SPK-SR beschlossen, nicht auf die Vorlage ihrer Schwesterkommission einzugehen, die diese ausgearbeitet hatte, um die Kaderlöhne in Bundes- und bundesnahen Unternehmen zu deckeln. Es sei nicht so, dass die Frage nach angemessenen Löhnen in der Bundesverwaltung nicht diskutiert werden solle, führte Kommissionssprecher Stefan Engler (mitte, GR) aus. Ganz im Gegenteil müssten gerade die in der Öffentlichkeit unter Beobachtung stehenden Verwaltungskader «Zurückhaltung in Bezug auf die Vergütungspolitik» an den Tag legen. Allerdings sei die Kommission in Übereinstimmung mit dem Bundesrat zur Überzeugung gelangt, dass die bestehenden Massnahmen genügten, um Lohnexzesse zu verhindern, wie dies das Ziel der ursprünglichen parlamentarischen Initiative von Susanne Leutenegger Oberholzer (sp, BL) gewesen sei. Insbesondere lehne die SPK-SR zudem die vom Nationalrat gutgeheissene starre und identische Obergrenze für alle Kader ab. Diese sende ein falsches Signal, sei praxisfremd und würde letztlich die Wettbewerbsfähigkeit und Erfolgsaussichten von Unternehmen des Bundes beeinträchtigen. Im Prinzip habe der Vorstoss sein Ziel bereits erreicht, weil es in der Verwaltung in den letzten Jahren dadurch zu einer Sensibilisierung gekommen sei und Löhne mit Augenmass gesprochen würden. Das Nein zur Vorlage sei indes nicht als Freipass für masslose Löhne zu interpretieren. Da die Finanzdelegation jährlich ein Kaderlohnreporting erhalte, könne man künftig «ungesunde Entwicklungen» frühzeitig erkennen. Der Gegenantrag für Eintreten stammte von Paul Rechsteiner (sp, SG). Darüber, dass etwas geschehen müsse, sei man sich auch in der Kommission noch in der letzten Legislatur einig gewesen – in der Zwischenzeit hatte die SPK-SR allerdings auch ihre eigene parlamentarische Initiative Pa.Iv. (17.443) zurückgezogen, mit der sie 2017 inhaltliche Kriterien zur Steuerung der Lohnpolitik statt Obergrenzen gefordert hätte. Es gehe nicht an, etwas still und leise zu beerdigen, «nur weil es politisch etwas ruhiger geworden ist» – so Rechsteiner. Wer einem Bundesunternehmen vorstehe, habe eine öffentliche Aufgabe und es könne verlangt werden, dass er andere Ziele verfolge, als «sich die Taschen zu füllen». Dies habe der Gesetzgeber zu regeln. Thomas Minder (parteilos, SH) unterstützte Rechsteiner und sprach davon, dass eine Abschreibung nach fünfjährigem Hin und Her kein Ruhmesblatt für die Parlamentsarbeit sei, und prognostizierte, dass «die Abzockerei (...) munter weitergehen» werde. Es brauche deshalb einen zweiten Anlauf und Eintreten auf die Vorlage. Finanzminister Ueli Maurer schloss die Debatte mit der Bekräftigung ab, dass die Ziele der Vorlage in der Tat eigentlich schon erreicht seien und mit den bestehenden Instrumenten umgesetzt würden. Zudem wies er darauf hin, dass das Anliegen bei der Swisscom, als börsenkotiertem Unternehmen sowieso nicht umsetzbar wäre, was zu weiteren Ungleichheiten führen könnte. In der Folge wurde der Eintretensantrag von Paul Rechsteiner mit 19 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt. Damit ging die Vorlage noch einmal an den Nationalrat zurück.

Kaderlöhne bei Bundes- und bundesnahen Unternehmen (Pa.Iv. 16.438)
Dossier: Kaderlöhne bei Bundes- und bundesnahen Unternehmen

In der Herbstsession 2021 entschied sich der Ständerat diskussionslos, die parlamentarische Initiative von Thomas Minder (parteilos, SH) für das Verbot von Abgangsentschädigungen bei Topkadern in der Bundesverwaltung abzuschreiben. Die SPK-SR hatte sich in ihrer entsprechenden Empfehlung der bundesrätlichen Argumentation angeschlossen, wonach solche Entschädigungen je nach Situation angebracht sein könnten und ein Verbot deshalb nicht zielführend sei. Darüber hinaus sei dieser Punkt im Rahmen der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL; Pa.Iv. 16.438) diskutiert worden. Letztlich sei die Kommission dort aber zum Schluss gekommen, dass die ganze Vorlage abzulehnen sei, weshalb auch der Vorstoss von Thomas Minder nicht mehr aufrechterhalten werden solle.

Abgangsentschädigung bei Topkadern der Bundesverwaltung (Pa. Iv. 18.428)
Dossier: Kaderlöhne bei Bundes- und bundesnahen Unternehmen

Anfang September 2021 sicherte der Bundesrat den SBB finanzielle Unterstützung im Jahr 2021 aufgrund der Corona-Pandemie zu. Er wies dazu das EFD an, die Limite der SBB für Darlehen von CHF 750 Mio. auf CHF 950 Mio. zu erhöhen. Dadurch könne der Finanzierungsbedarf bis Ende 2021 abgedeckt werden. Für die darauf folgenden Jahre will der Bundesrat bis Ende 2021 eine Analyse mit «Varianten zur nachhaltigen finanziellen Stabilisierung des Unternehmens» erstellen.

Finanzielle Unterstützung der SBB in 2021 aufgrund der Corona-Pandemie
Dossier: Covid-19 und Verkehr

Im Juni 2021 kündigte der Bundesrat an, zehn neue Stellen zu schaffen, mit denen die digitale Kommunikation des Bundes in den sozialen Netzwerken organisiert werden soll. Via Twitter und Instagramm sollen «wichtige Entscheide, Geschäfte oder Tätigkeiten» des Bundesrats verbreitet werden. Darüber hinaus soll ein audiovisuelles Zentrum geschaffen werden, mit dem komplexe Geschäfte vereinfacht und animiert erklärt werden sollen. Ziel sei es auch, «zu einer sachlichen Debatte und zur Eindämmung von Desinformation» beizutragen. Die klassische mediale Informationsarbeit werde damit aber nur ergänzt und nicht ersetzt, so die Medienmitteilung der Regierung.

In den Medien wurde diese Ankündigung unterschiedlich aufgenommen. Die NZZ vermutete, man wolle damit wohl eher «vom Wesentlichen ablenken». Digital-Skills seien nämlich in der Verwaltung bisher nicht wirklich verbreitet. Das nicht mehr einzelne Bundesratsmitglieder auf eigenen Kanälen informieren, sondern gebündelt informiert werde, wurde von der NZZ zwar begrüsst, allerdings auch davor gewarnt, dass der Grat zwischen Information und Propaganda schmal sei. Der Aargauer Zeitung ging «diese Inszenierung [...] zu weit». Es sei problematisch, wenn immer mehr Verwaltungsstellen «nichts anderes tun, als zu kommunizieren und ihre Vorgesetzten ins rechte Licht zu rücken» und die Bürgerinnen und Bürger mit «Regierungspropaganda auf allen Kanälen» eindeckten. Auch der Sonntags-Blick urteilte, dass der «direkte Draht zum Volk – ohne mediale Störgeräusche» ein «Rezept von Populisten» sei. Erfreut zeigte sich hingegen der Tages-Anzeiger: «Endlich Influencer», titelte er. Die Modernisierung der Kommunikation sei dringend nötig und komme eigentlich reichlich spät.

Digitale Kommunikation des Bundes

Nicht wie im Vorjahr erst in der Herbstsession, sondern wie gewohnt in der Sommersession nahmen National- und Ständerat Kenntnis vom Geschäftsbericht 2020 des Bundesrates. In diesem Bericht legt die Regierung jahrweise einen Soll-Ist-Vergleich zwischen Legislaturplanung, Jahreszielen und im entsprechenden Jahr erledigten oder angegangenen Geschäften vor. Covid-19 war nicht nur schuld an der Verschiebung der Beratung im Jahr 2020, sondern auch weiterhin zentraler Gegenstand im Bericht und der parlamentarischen Beratung darüber. So bot der Bundesrat in einem eigenen Kapitel des Berichts eine Übersicht über die Entwicklungen der Pandemie und über alle rund 250 im Jahr 2020 dazu gefällten Bundesratsbeschlüsse. Er leitete den Bericht zudem mit dem Hinweis ein, dass zahlreiche Projekte wegen der Coronapandemie nicht so weit gediehen seien, wie geplant.

Im Ständerat erörterte Maya Graf (gp, BL) den Bericht für die GPK-SR. Das Management der Covid-19-Krise ziehe sich wie ein roter Faden durch den Bericht. Sie erinnere zudem daran, dass eine von der GPK einberaumte Inspektion zur Bewältigung der Pandemie am Laufen sei. Die GPK würden den Bericht und die Anhörungen der Departementsvorsteherinnen und -vorsteher jeweils mit Querschnittthemen versehen. Beim ersten Querschnittthema «Krisenmanagementstrukturen» habe sich die GPK informiert, ob solche Strukturen in Normalzeiten geplant gewesen seien, jetzt eingesetzt würden und wie gut dies funktioniere. Beim Thema «Cybersicherheit» habe sich die GPK zur IT-Sicherheit in den Departementen erkundigt und dazu, wo es diesbezüglich Verbesserungen brauche. Im Anschluss an die Ausführungen der GPK-Präsidentin ergriffen die Präsidenten der verschiedenen Subkommissionen das Wort, die basierend auf dem Geschäftsbericht jeweils zwei Departemente sowie die Bundeskanzlei genauer unter die Lupe genommen hatten.
Charles Juillard (mitte, JU) berichtete über das VBS und das EDA. Hier hob der Sprecher den Aktionsplan für die Cyberverteidigung hervor, bei dem praktisch alle Ziele erreicht worden seien. Hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz habe das VBS, das insbesondere aufgrund der Luftwaffenflotte und der schweren Militärfahrzeuge jährlich Emissionen von 200'000 Tonnen CO2 verursache, verschiedene Massnahmen ergriffen, um das 40-Prozent-Reduktionsziel bis 2030 zu erreichen. Im Rahmen des Programms «Natur, Landschaft und Armee» leiste das VBS zudem einen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Beim EDA sei der Umgang mit der Pandemie genauer geprüft worden. Die GPK verfolge in diesem Departement zudem die Entwicklung bezüglich der Personalsituation.
Daniel Fässler (mitte, AI) erörterte die Berichtsteile, die dem EJPD und der BK zugeordnet waren. Er hob hier den Informationsaustausch bei der Polizeiarbeit hervor. Dieser funktioniere national und international noch nicht, wie er sollte. Insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung würden zu wenig gut eingesetzt. International solle dem mit verschiedenen Abkommen begegnet werden. National stosse man aber «offenkundig an Grenzen des Föderalismus», deren Aufhebung man im EJPD aber in Angriff nehmen wolle, damit alle kantonalen Polizeikorps Zugriff auf alle verschiedenen kantonalen Datenbanken erhielten, um Kriminalität effizienter bekämpfen zu können. Im Gespräch mit dem Bundeskanzler Walter Thurnherr sei es insbesondere um die Digitalisierung in der Bundesverwaltung gegangen. Ab 1. Januar 2021 werde das Informatiksteuerorgan des Bundes aufgelöst und dessen Aufgaben – insbesondere Koordination und Unterstützung bei der Umsetzung der Digitalisierung – von einer neuen Verwaltungseinheit innerhalb der BK übernommen. Dies sei eine grosse Aufgabe, bei der man erst am Anfang stehe. Darüber hinaus werde man sich hier auch dem Problem der Fremdbestimmung durch mächtige IT-Unternehmen stellen müssen.
Matthias Michel (fdp, ZG) nahm das EFD und das WBF genauer unter die Lupe. Auch hier sei Digitalisierung ein zentraler Punkt. Es sei zwar erfreulich, dass 2021 «nicht weniger als 13 Massnahmen» umgesetzt worden seien, um das Ziel 2 der Legislaturplanung – die effiziente und möglichst digitale Erbringung der staatlichen Leistungen – zu erreichen. Im aktuellen Bericht sei aber nur «ein einziges – ein einziges! – quantifizierbares Ziel», also nur ein Indikator angegeben; die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung müsse adäquater gemessen werden. «Etwas mehr Substanz in der Berichterstattung» wünschte sich der Kommissionssprecher auch im Bereich der Berufsbildung, auch wenn dies eine Verbundaufgabe mit den Kantonen darstelle.
Marco Chiesa (svp, TI) berichtete schliesslich zu den Berichtsteilen des EDI und des UVEK. Beim EDI seien in den Gesprächen vor allem die Massnahmen gegen die Covid-Pandemie Gegenstand gewesen. Alain Berset habe erklärt, dass sich der Bundesrat darauf konzentriert habe, die Auswirkungen der Krise auf die Bevölkerung und die Wirtschaft möglichst zu begrenzen. Das begrenzte Wissen und die unvollständigen Informationen hätten immer wieder Anpassungen bedingt. Eine wichtige Massnahme seien deshalb auch die Tests gewesen, bei denen sehr rasch eine funktionierende Infrastruktur habe aufgebaut werden können. Als schwierig habe sich die Entwicklung einer Impfstrategie entpuppt, weil der Verlauf der Pandemie nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Schweiz sei aber mittlerweile eines der wenigen Länder, das mRNA-Impfstoffe für die ganze Bevölkerung anbieten könne. Zum UVEK äusserte sich Chiesa nicht.
Am Schluss der Ratsdebatte meldete sich Bundespräsident Guy Parmelin zu Wort. Der Bundesrat sei – obwohl zahlreiche geplante Massnahmen wegen Covid-19 nicht hätten umgesetzt werden können – zufrieden mit der Zielerreichung. Würden normalerweise rund 40 Bundesratssitzungen in einem Jahr stattfinden, seien es im Jahr 2020 mehr als 60 gewesen. Zudem seien wesentlich mehr Vorstösse eingereicht worden als in früheren Jahren, was die enorme Arbeitsbelastung für den Bundesrat noch weiter erhöht habe. Die Regierungsarbeit sei aber nur möglich, «parce que de nombreux employés de la Confédération ne regardaient ni leur montre ni le jour de la semaine». Dafür sei der Bundesrat sehr dankbar. Auch Parmelin ging auf ein paar Punkte des Berichts ein, darunter die beschlossenen Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, die Verabschiedung der BFI-Botschaft, den Bericht zur Finanzierung des Betriebs und Substanzerhalts der Bahninfrastruktur, das «dossier éléphantesque» zu den Verordnungsänderungen im Rahmen des revidierten Krankenversicherungsgesetzes und darin die Planung des Bedarfs an Ärztinnen und Ärzten oder die bundesrätliche Position zur Europapolitik. In der Folge nahm der Ständerat den Bundesbeschluss über den Geschäftsbericht des Bundesrates für das Jahr 2020 stillschweigend an.

Dies tat gleichentags auch der Nationalrat, wo Erich von Siebenthal (svp, BE), Thomas de Courten (svp, BL), Yvonne Feri (sp, AG) und Nicolo Paganini (mitte, SG) die Berichterstattung übernahmen. Grösstenteils nahmen sie die gleichen Punkte auf wie in der kleinen Kammer.
Eine Ausnahme stellte der Bericht von Thomas de Courten dar, der auf das UVEK einging: Der Bundesrat habe im Berichtjahr die wichtigen Ausbauschritte für den Strassen- und Schienenverkehr geplant und werde hier dem Parlament, das darüber zu entscheiden habe, bald einen Bericht vorlegen. Darüber hinaus erwähnte der Kommissionssprecher die «etwas chaotische» Situation in der Covid-Task-Force Anfang Jahr, was sich mit dem Einbezug der Wissenschaft in eine Science Task Force verbessert habe.
Nicolo Paganini erwähnte zudem die IZA-Strategie, mit der die Bereiche der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit enger zusammengefasst würden. Auch das «drastische Räumungskonzept» in Mitholz fand Erwähnung im Bericht von Paganini.
Auch im Nationalrat hob schliesslich Bundespräsident Guy Parmelin die wichtigsten Punkte des Berichts hervor – auch dieses Votum unterschied sich kaum von jenem im Ständerat – und auch die grosse Kammer stimmte dem Bundesbeschluss diskussionslos zu und nahm den Bericht zur Kenntnis.

Geschäftsbericht des Bundesrates 2020 (BRG 21.001)
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesrats

Im Dezember 2019 forderte Aline Trede (gp, BE) ein Konzept zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Personenverkehrs auf der Schiene. Trede argumentierte, dass die SBB den Ausbau aus Gründen des Klimaschutzes vorantreiben müssten. Der geforderte Plan solle insbesondere zu den Direktverbindungen in die umliegenden europäischen Städte, zu den Nachtzügen sowie zur Erschliessung der grenznahen Agglomerationen Auskunft geben. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. Er zeigte sich bereit, ein entsprechendes Konzept vorzulegen, und wollte dabei auch aufzeigen, wie sich eine allfällige Marktöffnung im internationalen Schienenpersonenverkehr auswirken würde. Nachdem Thomas Hurter (svp, SH) die Motion bekämpft hatte, wurde sie in der Sommersession 2021 im Nationalrat behandelt. Dort argumentierte Hurter, dass die Motion überholt sei, da die SBB bereits im Rahmen der strategischen Ziele 2019-2022 die Zielvorgabe erhalten hätten, den internationalen Personenverkehr auszubauen. Zudem sei auch nicht klar, wer diesen Ausbau, der nicht kostendeckend sei, bezahlen solle. Der Nationalrat folgte Hurters Argumentation indessen nicht und nahm die Motion mit 107 zu 77 bei 7 Enthaltungen an. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion, von der Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion sowie von einigen wenigen Mitgliedern der Mitte-Fraktion.

Konzept zur längerfristigen Steigerung des Angebots von Verbindungen des internationalen Schienenpersonenverkehrs (Mo. 19.4614)
Dossier: Nachtzugverbindungen

Im Juni 2019 hatte Nationalrat Thomas Ammann (cvp, SG) einen Vorstoss betreffend die Förderung des Nachtzug-Angebotes eingereicht. Der Vorstoss forderte den Bundesrat dazu auf, Massnahmen zur Förderung des Nachtzug-Angebots zu evaluieren. Es müsse generell geklärt werden, inwiefern die Schweiz bereit sei, dieses Angebot respektive dessen Ausbau finanziell zu fördern. Im geforderten Bericht solle auch dargelegt werden, welche Instrumente oder Anreize bei der Angebotssteigerung greifen könnten, wie die Nachtzugverbindungen in anderen Ländern gefördert werden und ob die Schweiz eventuell auch Mittel aus dem Handel mit Emissionszertifikaten dafür verwenden könnte.
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates. Nachdem der Vorstoss durch Adrian Amstutz (svp, BE) bekämpft worden war, kam es erst in der Sommersession 2021 in den Nationalrat. Dort hielt Stefan Müller-Altermatt (mitte, SO), der den Vorstoss mittlerweile vom aus dem Rat ausgeschiedenen Ammann übernommen hatte, ein flammendes Plädoyer für den Ausbau der Nachtzüge. Müller-Altermatt berichtete von eigenen Erfahrungen und zeigte sich überzeugt, dass in diesem Bereich mit wenig Geld viel erreicht werden könne. Alfred Heer (svp, ZH) widersprach seinem Ratskollegen: Zum einen würden mit einer Verbilligung der Nachtzug-Angebote die Fluggesellschaften nachziehen und die Flugtickets verbilligen. Damit würde sowohl öfters Zug gefahren als auch mehr geflogen. Zum anderen würden viele Züge in Europa nach wie vor mit fossiler Energie (Kohle) angetrieben und seien damit alles andere als klimafreundlich. Daher sei dieser Vorstoss kontraproduktiv und müsse abgelehnt werden. Verkehrs- und Umweltministerin Sommaruga sprach sich weiterhin für eine Annahme des Postulats aus. Dieses ziele auf eine Entwicklung ab, welche die SBB bereits aufgegleist hätten. Die Mehrheit des Nationalrates zeigte sich ebenfalls vom Anliegen überzeugt und stimmte dem Postulat mit 123 zu 61 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) zu. Die ablehnenden Stimmen stammten von einer deutlichen Mehrheit der SVP-Fraktion und von einer knappen Mehrheit der FDP.Liberale-Fraktion.

Steigerung der Attraktivität und Entwicklung von Nachtzug-Angeboten (Po. 19.3643)
Dossier: Nachtzugverbindungen

Die KVF-NR und die KVF-SR reichten im April respektive im Mai 2021 je eine identische Motion zur finanziellen Unterstützung des Schienengüterverkehrs im Jahr 2021 ein (Mo. 21.3460 und Mo. 21.3594). Mit dem geforderten Nachtragskredit sollen die pandemiebedingten Auswirkungen auf den Schienengüterverkehr abgemildert werden, stelle Letzterer doch trotz gesunkener Nachfrage «sein systemrelevantes Angebot im Binnenverkehr weiterhin zur Verfügung». Die beiden Motionen ergänzten die Motionen 21.3459 und 21.3593, die eine finanzielle Unterstützung für den Orts-, den touristischen sowie den Fernverkehr forderten und ebenfalls von den beiden Kommissionen eingereicht worden waren.
Der Bundesrat beantragte die Annahme der beiden Motionen zum Schienengüterverkehr. Der Ständerat nahm die Motion in der Sommersession 2021 stillschweigend an, nachdem Kommissionssprecher Zopfi (gp, GL) dargelegt hatte, dass im Schienengüterverkehr eine Verminderung des Angebots erfolgen könnte, wenn dieser Nachtragskredit nicht genehmigt würde. Dies wiederum könne zu Problemen bei der verladenden Wirtschaft führen. In derselben Session befasste sich auch der Nationalrat mit dem Vorstoss. Eine Minderheit der KVF-NR beantragte, die Motion abzulehnen. Benjamin Giezendanner (svp, AG) kritisierte im Namen der Minderheit, dass mit diesen Vorstössen der Güterverkehr subventioniert werden soll. Es sei falsch, Strukturerhalt zu betreiben und SBB Cargo auf Kosten der Steuerzahlenden wettbewerbsfähig zu machen. Mit dieser Argumentation vermochte Giezendanner jedoch kaum über die SVP-Grenzen hinaus zu überzeugen. Die Motion wurde mit 132 zu 52 Stimmen – bei 3 Enthaltungen – angenommen.

Milderung der pandemiebedingten Auswirkungen auf den Schienengüterverkehr im Jahr 2021 (Mo. 21.3460 und 21.3594)
Dossier: Covid-19 und Verkehr

Wie kann der Bundesrat Fehlinformationen bei Volksabstimmungen verhindern? Antworten auf diese Frage forderte die CVP-Fraktion 2019 mittels Postulat, nachdem sich herausgestellt hatte, dass im Vorfeld der Abstimmung zur CVP-Volksinitiative «für Ehe und Familie» falsche Angaben zur Zahl der Ehepaare gemacht worden waren, die von der so genannten Heiratsstrafe betroffen sind. Die Angabe von 80'000 statt 454'000 Paaren war später gar vom Bundesgericht als gravierend beurteilt worden.
Für eine klare Meinungsäusserung brauche es korrekte Informationen bei Volksabstimmungen, argumentierte Leo Müller (mitte, LU) im Namen der nun als Mitte-Fraktion antretenden CVP in der Sommersession 2021. Der Bundesrat stehe in der Pflicht, die «objektive Meinungsbildung des Stimmvolks in Zukunft zu garantieren» und solle deshalb ein Strategiepapier ausarbeiten, wie er dies zu tun gedenke. Quantitative Angaben müssten in der Tat vollständig und korrekt sein – nicht nur für die Stimmbevölkerung, sondern auch für Bundesrat, Parlament und Verwaltung, betonte Bundeskanzler Walter Thurnherr. Dem sei sich die Regierung durchaus bewusst. Bereits 2019 habe man Massnahmen für mehr Verlässlichkeit von Daten im Vorfeld von Abstimmungen ergriffen. So versuche man etwa die Entwicklung von Daten über die Zeit – zwischen der Botschaft und den Informationen im Abstimmungsbüchlein vergehen nicht selten Jahre und die Angaben können sich über diese Zeit verändern – besser im Auge zu behalten. Mit einem sogenannten «Quick-Check» versuche man zudem, verwaltungsintern mögliche Folgekosten von neuen Regulierungen frühzeitig abzuschätzen. Ein Postulatsbericht, wie er von der Mitte-Fraktion gefordert werde, generiere also keinen Mehrwert – so der Bundeskanzler. Dies sah die grosse Kammer freilich anders: Mit 155 zu 25 Stimmen (2 Enthaltungen) verlangte eine grosse Mehrheit ein entsprechendes Strategiepapier. Nur die FDP-Fraktion lehnte den Vorstoss ab.

Korrekte Informationen bei Volksabstimmungen (Po. 19.3435)