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Die grosse Kammer beugte sich in der Wintersession 2023 als Zweitrat über die Revision des CO2-Gesetzes für die Periode 2025–2030. Die Kommissionsmitglieder Stefan Müller-Altermatt (mitte, SO) und Delphine Klopfenstein Broggini (gp, GE) stellten die Vorlage vor. Müller-Altermatt berichtete, dass die Vorlage als «schlank» bezeichnet werden könne und damit auch bei einem allfälligen Plebiszit bestehen sollte und trotzdem dem Ziel der Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 entspreche. Die vorberatende UREK-NR schlage als einzige grössere Änderung vor, eine Abgabe auf Flüge mit Privatjets einzuführen. Ausserdem habe die Kommission mittels Einreichung eines Vorstosses (Po. 23.4334) versucht, die Rückverteilung der CO2-Abgabe an die Haushalte sichtbarer auszugestalten.
In der Eintretensdebatte zeigte sich, dass alle Fraktionen gewillt waren, dem Geschäft eine Chance zu geben; ein Antrag auf Nichteintreten lag denn auch nicht vor. In den Voten von Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder (mitte, LU) und GLP-Mitglied Martin Bäumle (glp, ZH) zeigte sich das Dilemma zwischen dem Willen, ein effektives Gesetz, welches zu spürbaren Emissionsreduktionen führen soll, zu gestalten und der Angst vor einem Referendum gegen die Vorlage. Matthias Jauslin (fdp, AG) von der FDP und SVP-Vertreter Christian Imark (svp, SO) warnten vor allem davor, das Gesetz nicht zu überladen respektive keine neuen oder höheren Abgaben einzuführen, damit es nicht wieder in einer Volksabstimmung abgelehnt werde. Auf der anderen Seit des politischen Spektrums kritisierten die Grünen sowie die SP, dass das Gesetz nicht ambitioniert genug sei. Gabriela Suter (sp, AG) von der SP gab zu bedenken, dass eine bescheidene Emissionsreduktion für die Periode 2025 bis 2030 bedeute, dass in den folgenden Jahren umso strengere und teurere Massnahmen ergriffen werden müssten, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Vor diesem Hintergrund wies Grünen-Vertreter Chistophe Clivaz (gp, VS) auf die von den Grünen und der SP lancierte Klimafonds-Initiative hin, mit welcher das Netto-Null-Ziel doch noch erreicht werden könne. Die Eintretensdebatte abschliessend stellte Umweltminister Albert Rösti die für ihn wichtigsten Grundsätze der Vorlage vor. Rösti lobte das Tempo, mit welchem die Räte die Gesetzesrevision berieten. So könne es gelingen, dass keine Lücke entstehe und das Gesetz und die ausführende Verordnung bis am 1.1.2025 in Kraft gesetzt werden können. Auch sei es wichtig, dass das Gesetz mehrheitsfähig bleibe, weshalb der Bundesrat die von der UREK-NR vorgeschlagene Einführung einer Flugticketabgabe auf Privatflüge sowie eine Erhöhung der CO2-Abgabe und der Benzinsteuer ablehne.
Eintreten wurde anschliessend ohne Gegenantrag beschlossen. Die massgebenden Entscheide, die in der Detailberatung getroffen wurden, waren die folgenden:
Susanne Vincenz-Stauffachers (fdp, SG) Minderheitsantrag betraf das Emissionsreduktionsziel im Inland. Die FDP-Vertreterin beantragte, hierbei dem tieferen Inlandziel des Ständerats zu folgen. Die Mehrheit des Rates sprach sich aber dafür aus, ihrer Kommission zu folgen und legte das Inlandziel bei 75 Prozent fest. Dadurch wurde eine erste Differenz zum Erstrat geschaffen. Auch beim CO2-Ausstoss von neu in Verkehr gebrachten Fahrzeugen folgte der Rat seiner Kommission und stellte sich damit gegen den Minderheitsantrag Jauslin sowie gegen die Version des Ständerates. Eine weitere wichtige Differenz wurde mit der von der Minderheit Imark geforderten Streichung der so genannten Überführungspflicht geschaffen. Mit diesem Instrument wollte der Bundesrat Importeure von fossilen Treibstoffen verpflichten, über das Inverkehrbringen von erneuerbaren Treibstoffen einen bestimmten Anteil der CO2-Emissionen aus dem Verkehr zu vermindern. Imark monierte, dass diese Überführungspflicht den Benzinpreis massgeblich verteuern werde. Der Nationalrat stimmte dieser Streichung deutlich zu; neben der Grünen- und der GLP-Fraktion sprachen sich nur einige Mitglieder der FDP.Liberalen- sowie eine Mehrheit der Mitte-Fraktion für die Beibehaltung der Überführungspflicht aus. Bei der CO2-Abgabe auf Brennstoffen beantragte eine Minderheit Suter, dass der Bundesrat den Abgabesatz auf bis zu 180 CHF pro Tonne CO2 anheben könnte. Die Mehrheit des Rates wollte jedoch beim Vorschlag des Bundesrats, des Ständerats sowie der UREK-NR bleiben, und legte einen Abgabesatz von höchstens 120 CHF pro Tonne CO2 fest. Im Bereich der Luftfahrt lehnte der Nationalrat die Einführung einer Abgabe für Flüge mit Privatjets ab. Die geschlossen stimmenden SVP-, FDP.Liberalen- und GLP-Fraktionen sowie eine Minderheit der Mitte votierten gegen diese Abgabe. Des Weiteren gab auch die Förderung von Ladeinfrastrukturen für Elektroautos zu reden, wobei ein Antrag der Mehrheit sowie drei Minderheitsanträge vorlagen. Die Mehrheit des Rates folgte hierbei seiner Kommission und sprach sich dafür aus, in den Jahren 2025-2030 bis zu CHF 20 Mio. für diese Ladeinfrastruktur aufzubringen. Hiermit entstand eine weitere Differenz zum Ständerat, der die Förderung der Ladestationen gänzlich gestrichen hatte. Eine letzte Differenz zum Erstrat schuf die grosse Kammer bei der Thematik der Reduktion der LSVA für elektrisch oder mit alternativem Treibstoff betriebene Fahrzeuge. Der Nationalrat stimmte hierbei mehrheitlich dafür, diese LSVA-Reduktion beizubehalten; eine links-grüne Minderheit, welche von zwei FDP-Mitgliedern unterstützt wurde, blieb hier chancenlos.
In der Gesamtabstimmung votierte der Nationalrat mit 136 zu 34 Stimmen bei 26 Enthaltungen für Annahme des Entwurfs. Die Nein-Voten stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion; die Enthaltungen allen voran von der Mehrheit der Grünen-Fraktion.

CO2-Gesetz post 2024 (BRG 22.061)
Dossier: Wie geht es nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 weiter?

Mit der Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (STUG) beantragte der Bundesrat die Abschreibung der Motion Storni. Mit dem angepassten STUG habe der Bundesrat die rechtlichen Grundlagen für die Teilnahme der Schweiz am ERRU geschaffen und diese den aktuellen EU-Normen angepasst. Namentlich wurde dazu beispielsweise das Register der Strassentransportunternehmen so angepasst, dass der Informationsaustausch zwischen der Schweiz und EU-Staaten nicht mehr bilateral, sondern zentralisiert über das Informationssystem des ERRU geschehen kann.
Die beiden Räte genehmigten die Abschreibung der Motion im Rahmen ihrer STUG-Beratungen in der Herbst- bzw. Wintersession 2023.

Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Informationsaustausch. Der Schweizer Polizei Zugriff auf das europäische Strassentransportregister ermöglichen (Mo. 21.4580)

Eine Motion Storni (sp, TI) zur Erleichterung der Umrüstung von Gebrauchtwagen von Verbrennungs- auf Elektromotoren erfuhr in der Herbstsession 2023 grossen Zuspruch. Mit 160 zu 28 Stimmen bei 3 Enthaltungen überwies der Nationalrat die Motion an die kleine Kammer.
Die Umrüstung von Gebrauchtwagen stellt laut Storni eine Möglichkeit dar, sowohl den Umweltschutz voranzutreiben als auch neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben und Verordnungen seien jedoch zu streng und die Umrüstung somit aus einer wirtschaftlichen Sicht unattraktiv. Deshalb forderte Storni konkret, dass die Vorschriften zur Umrüstung von Gebrauchtwagen so angepasst werden, dass für bereits zertifizierte elektrische Komponenten keine wiederholte Nachweispflicht gilt und dass im Zulassungsverfahren für umgebaute Einzelfahrzeuge auf anerkannte Prüf- und Kontrollstellen zurückgegriffen werden kann.
Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt. Dekarbonisierung und Klimaschutz seien für ihn zwar zentrale Anliegen, die Verkehrssicherheit dürfe dabei aber nicht gefährdet werden. Eine strenge Kontrolle bei der Umrüstung von Gebrauchtwagen sei dazu weiterhin notwendig. Zudem existiere bereits die Möglichkeit der Konformitätsbewertung für die Umrüstung von spezifischen Fahrzeugmodellen, womit eine Serie von Fahrzeugen umgebaut werden könne, ohne jedes einzeln prüfen zu müssen. Schliesslich würden in der laufenden Revision der Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge verschiedene Erleichterungen für die Zulassung umgerüsteter Gebrauchtwagen beraten. Generell sei dem Bundesrat aber nicht bekannt, dass eine Nachfrage für umgerüstete Gebrauchswagen bestehe. Abgesehen von einer Mehrheit der SVP-Fraktion hiessen alle Fraktionen die Motion geschlossen gut.

Erleichterung der Umrüstung von Gebrauchtwagen von Verbrennungs- auf Elektromotoren (Mo. 22.3078)

Die Revision des CO2-Gesetzes für die Periode 2025–2030 stand in der Herbstsession 2023 auf dem Programm des Ständerates, welcher die umfassende Vorlage als Erstrat beriet.
Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erläuterte dem Rat die Ausgangslage dieser Gesetzesrevision: Die gesetzliche Lücke, die durch die Ablehnung der Totalrevision des CO2-Gesetzes im Juni 2021 an der Urne entstanden war, habe teilweise mit dem Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, welcher seinerseits ein Referendum überstehen musste, geschlossen werden können. Da diese Vorlage jedoch vor allem die Ziele und weniger die Massnahmen für die Erreichung des Netto-Null-Ziels enthielt, liege nun der neue Gesetzesentwurf vor. Anschliessend stellte Müller die Vorlage des Bundesrates sowie die Anträge der Kommission kurz vor und betonte, dass mit diesen Anträgen das Ziel der Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 immer noch erreicht werden könne, es müsse nun jedoch zügig gehandelt werden. Für Lisa Mazzone (gp, GE), die sich als einziges Mitglied des Plenums im Rahmen der Eintretensdebatte äusserte, gingen der Gesetzesentwurf des Bundesrates und auch die Version der Kommissionsmehrheit zu wenig weit. Sie warnte davor, dass die Schweiz mit der CO2-Reduktion ins Hintertreffen geraten werde; ab 2030 müssten in der Folge drastischere Massnahmen ergriffen werden, falls man das Pariser Klimaziel noch erreichen wolle. Mazzone kritisierte die Kommissionsmehrheit auch dafür, dass sie zu viele CO2-Reduktionen im Ausland vornehmen lassen möchte. Dies sei eine verpasste Chance für die Schweizer Wirtschaft und koste die Bundeskasse viel Geld. Umweltminister Albert Rösti wiederum dankte der Kommission, dass sie das Gesetz zügig und «ohne grosses Aufladen» beraten habe. Er wies zudem darauf hin, dass auch der in derselben Session beschlossene Mantelerlass zur Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes einen wichtigen Meilenstein bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels darstelle, denn nur wenn die Schweiz über genügend Strom verfüge, könne sie die Dekarbonisierung einleiten. Eintreten wurde anschliessend ohne Gegenantrag beschlossen.

Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zum Entwurf des Bundesrates nahm die kleine Kammer in der anschliessenden Detailberatung bei folgenden Punkten vor: Der Bundesrat und eine Minderheit Zanetti (sp, SO) forderten dazu auf, die Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge in Mehrparteien- und Firmengebäuden und auf öffentlichen Parkplätzen mit CHF 30 Mio. zu unterstützen. Die Mehrheit des Ständerates lehnte dies jedoch ab. Gegen eine Änderung sprachen sich die Mehrheit der Kommission sowie des Rates auch bei der LSVA aus: Wie bis anhin sollen Lastwagen, die mit Strom oder Wasserstoff fahren, von der LSVA befreit werden können. Man wollte hier für allfällige Anpassungen die Vernehmlassung des Bundes zu einer umfassenden Revision der LSVA abwarten. Angenommen wurde auch ein Mehrheitsantrag der UREK-SR, der verlangte, dass die EHS-Abgaben aus dem Luftverkehr nicht nur für die Förderung von Nachtzugangeboten, sondern auch für die Produktion von erneuerbaren, nachhaltigen Flugtreibstoffen eingesetzt werden können. Schliesslich darf die Teilzweckbindung der Erträge aus der CO2-Abgabe nicht vorübergehend angehoben werden, wie es der Bundesrat für die weitere Unterstützung des Gebäudeprogramms beantragt hatte – hier folgte die kleine Kammer einem Minderheitsantrag Knecht (svp, AG).

Diskussionen, aber keine Änderung des bundesrätlichen Entwurfs gab es in den folgenden Bereichen: Eine Minderheit Reichmuth (mitte, SZ) beantragte, dass die Emissionsreduktionen zu mindestens 75 Prozent in der Schweiz erfolgen sollen. Der Bundesrat, die Kommissionsmehrheit sowie auch die rechts-bürgerliche Mehrheit des Rates wollten indes, dass die Verminderung lediglich «in erster Linie mit Massnahmen in der Schweiz» geschieht. Abgelehnt wurde auch ein Minderheitsantrag Mazzone, welche mehr Druck auf den Bundesrat auszuüben versuchte, indem sie die Möglichkeit, bei Nichterreichen des Reduktionsziels für die Kompensation der restlichen CO2-Emissionen internationale Zertifikate zu erwerben, streichen wollte. Des Weiteren wollten die Mehrheit der Kommission sowie eine weitere Minderheit Mazzone den durchschnittlichen CO2-Ausstoss für Personenwagen, Lieferwagen und leichten Sattelschleppern, die ab 2030 erstmals in Verkehr gesetzt werden, stärker reduzieren. Hier folgte der Rat jedoch einer Minderheit Schmid (fdp, GR) und blieb damit auf der Linie des Bundesrates. Im Bereich des Flugverkehrs lag erneut ein Minderheitsantrag von Lisa Mazzone vor, welche eine zusätzliche Abgabe auf Flüge von Privatjets verlangte. Bundesrat Rösti bat den Rat um Ablehnung des Antrags, da es dabei gemäss Schätzungen des BAZL nur um rund 1 Prozent der Emissionen im Flugverkehr gehe und der administrative Aufwand für die Abgabeerhebung sehr gross wäre. Die Ratsmehrheit schloss sich dem Umweltminister an und lehnte den Minderheitsantrag ab.

In der darauf folgenden Gesamtabstimmung wurde der Entwurf bei 2 Enthaltungen seitens der Grünen einstimmig angenommen. Als Nächstes wird sich die grosse Kammer mit dem Geschäft befassen.

CO2-Gesetz post 2024 (BRG 22.061)
Dossier: Wie geht es nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 weiter?

In der Herbstsession 2023 befasste sich der Nationalrat mit einem Postulat zu Tempo-30-Zonen ohne Fussgängerstreifen. Laut dem Postulanten Baptiste Hurni (sp, NE) waren in den letzten Jahren in vielen Schweizer Gemeinden solche Zonen eingeführt worden. Nun sei es wünschenswert, Rückmeldungen zu der Wirksamkeit von Tempo-30-Zonen in einem Bericht zusammenzufassen und zu evaluieren. Besonderes Augenmerk solle dabei auf pädagogischen Hürden und möglichen Sicherheitsrisiken liegen, welche durch das Fehlen von Fussgängerstreifen insbesondere für das Erlernen der Verkehrsregeln entstehen könnten. Der Bundesrat sprach sich gegen die Annahme des Postulats aus. Bundesrat Albert Rösti merkte in der Ratsdebatte an, dass bereits verschiedene Studien und Berichte zu Tempo-30-Zonen veröffentlicht worden und den zuständigen Behörden bekannt seien. Weiter würde das Einführen von Fussgängerstreifen der Grundidee von Tempo-30-Zonen widersprechen.
Der Nationalrat unterstützte jedoch das Anliegen des Postulanten und nahm den Vorstoss mit 119 zu 60 Stimmen bei 4 Enthaltungen an. Während sich die SP-, GLP-, SVP- und FDP-Fraktionen weitgehend für das Postulat aussprachen, stammten die ablehnenden Stimmen vorwiegend aus den Fraktionen der Mitte und der Grünen.

Tempo-30-Zonen ohne Fussgängerstreifen. Eine pädagogische Hürde? (Po. 21.4146)

Im September 2023 befasste sich der Nationalrat mit einer Ende 2021 eingereichten Motion zur Sicherung der Hierarchie des Strassennetzes. Motionär Peter Schilliger (fdp, LU) forderte, an der Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h innerorts auf verkehrsorientierten Strassen festzuhalten und der übermässigen Ausbreitung von Strassenabschnitten mit Tempo 30 in Städten entgegenzuwirken. Dies soll laut dem Motionär die Verkehrssicherheit erhöhen, die Funktionalität des Strassennetzes gewährleisten und Umwegverkehr in Siedlungsstrassen reduzieren. Dazu forderte der Motionär eine entsprechende Anpassung des SVG, welche die Hierarchie und die verschiedenen Funktionen des Schweizer Strassennetzes inner- und ausserorts festhalten sollte. Der Bundesrat lehnte die Motion ab. Er war der Ansicht, dass die übergeordnete Funktion des Strassennetzes in der bestehenden Gesetzgebung ausreichend gewürdigt werde. Bundesrat Albert Rösti merkte dazu an, dass seit der Einreichung der Motion zwar bürokratische Hürden für die Einführung von Tempo-30-Zonen abgebaut worden seien, generell aber am Tempo 50 in verkehrsorientierten Strassen festgehalten worden sei. Der Bundesrat teile grundsätzlich das Anliegen des Motionärs, sehe es aber bereits als erfüllt an. Hinter den Bundesrat stellten sich zwar einstimmig die SP-, Grünen- und GLP-Fraktionen, sie wurden aber von den übrigen Fraktionen überstimmt. Die Motion wurde mit 102 zu 79 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen und an den Ständerat überwiesen.

Hierarchie des Strassennetzes innerorts und ausserorts sichern (Mo. 21.4516)

Der Ständerat überwies in der Herbstsession 2023 stillschweigend ein Postulat Würth (mitte, SG) an den Bundesrat. Würth forderte in seinem Postulat mehr Verhältnismässigkeit und Augenmass bei Projekten des Substanzerhalts und Unterhalts bei der Bahninfrastruktur. Dazu soll laut dem Postulat ein Bericht über die Umsetzung, Zweckmässigkeit und Verhältnismässigkeit der in den letzten 10 Jahren neu eingeführten Normen im Bereich der Bahninfrastruktur sowie über deren finanzielle Implikationen vorgelegt werden. Vermehrt würden Mittel aus dem BIF nicht mehr nur zur Sanierung von Alterungserscheinungen der Infrastruktur verwendet, sondern zur Umsetzung von neuen Normen und Regulierungen eingesetzt. Neu umgebaute Bahnhöfe müssen laut Würth beispielsweise nach kurzer Zeit wieder saniert werden, um neue Normen bezüglich der Breite von Perrons einzuhalten. Diese Massnahmen zur Normeinhaltung seien nicht verhältnismässig und würden beachtliche Kosten mit sich bringen.

Mehr Verhältnismässigkeit und Augenmass bei Projekten des Substanzerhalts und Unterhalts bei der Bahninfrastruktur (Po. 23.3703)

Rückblick auf die 51. Legislatur: Verkehr und Kommunikation

Autorinnen und Autoren: Bernadette Flückiger, Marco Ackermann, Nik Bieri und Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Auch der Verkehrsbereich – insbesondere der öffentliche Verkehr und der Flugverkehr – war in der 51. Legislatur stark durch die Covid-19-Pandemie geprägt. Nachdem der Bundesrat Mitte März 2020 die ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz ausgerufen, einen Lockdown mit Homeoffice und Schliessung der Läden verfügt sowie die Landesgrenzen geschlossen hatte, brach die Nachfrage im öffentlichen Verkehr sowie im Flugsektor weg. In der Folge dünnten die Verkehrsbetriebe ihre Fahrpläne sehr stark aus, während der Flugverkehr – abgesehen von einigen Flügen, mit denen im Ausland gestrandete Schweizerinnen und Schweizer nach Hause geholt wurden – zeitweise fast vollständig eingestellt wurde. Dadurch gerieten ÖV und Luftfahrt in grosse finanzielle Schwierigkeiten, auf die der Bundesrat für den ÖV mit zwei Notkrediten in der Höhe von CHF 900 Mio. und CHF 215 Mio. sowie für die Luftfahrtunternehmen und die luftnahen Betriebe mit Nachtrags- und Verpflichtungskrediten in der Höhe von CHF 1.3 Mrd. und CHF 1.2 Mrd. sowie mit dazugehörigen Gesetzesänderungen reagierte. Insbesondere nach Ende der Pandemie stiegen die Nutzendenzahlen in beiden Branchen jedoch wieder deutlich an.

Am meisten parlamentarische Aufmerksamkeit im Themenbereich «Verkehr» erhielt in der 51. Legislatur gemessen an der Anzahl gesprochener Wörter die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes. Damit hatte der Bundesrat unter anderem beabsichtigt, die Planungssicherheit der Transportunternehmen bei der Aushandlung der Angebotsvereinbarungen im regionalen Personenverkehr zu verbessern. Das Parlament diskutierte zahlreiche inhaltliche Aspekte bis in die Einigungskonferenz, etwa die Frage, welcher Teil der Gewinne wie bisher einer Spezialreserve zugewiesen werden soll. Dabei wurde mehrfach auf den Postautoskandal verwiesen, der überdies auch aufgrund der Untersuchungen im Nachgang immer wieder Thema war.

Zwar leicht weniger Diskussionen im Parlament, medial wohl aber deutlich mehr Aufmerksamkeit erhielt die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, bei dem es unter anderem um eine Reduktion der Treibhausgasemissionen, um neue Regelungen zu selbstfahrenden Autos und um die Stärkung der Verkehrssicherheit ging. Am umstrittensten war hingegen die im Rahmen des Via-Sicura-Massnahmenpakets beschlossene Entschärfung gewisser Regelungen, die ursprünglich als Reaktion auf die in der Folge zurückgezogene Raser-Initiative beschlossen worden waren. Nach einer Referendumsdrohung gegen die Abschwächung besagter Regelungen krebste das Parlament noch während der Bereinigung der Vorlage zurück und verschärfte die von ihm zuvor abgeschwächten Regelungen wieder. Der motorisierte Strassenverkehr war überdies zwar weniger stark von der Covid-19-Pandemie betroffen als die anderen Verkehrszweige, dafür umso stärker vom Anstieg der Energiepreise als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. In der Folge wurden erfolglos zahlreiche Entlastungsmassnahmen für die Autofahrenden gefordert. Für die Zukunft plante der Bundesrat schliesslich einen Ausbau der Nationalstrassen: Im «Ausbauschritt 2023» standen vor allem fünf Projekte mit einem Gesamtumfang von rund CHF 4.4 Mrd. für den Autobahnausbau im Zentrum. Der Nationalrat erhöhte diesen Kredit gar auf CHF 5.3 Mrd. Auch der Ausbau des Bahn-Fernverkehrsnetzes befand sich gegen Ende der 51. Legislatur in Planung, die parlamentarische Beratung dazu wird wohl aber erst in der neuen Legislatur beginnen.

Doch nicht nur bei den Strassen, auch bei den Velowegen soll gebaut werden: Im September 2018 hatte die Schweizer Stimmbevölkerung dem direkten Gegenentwurf zur Velo-Initiative zugestimmt, zu dessen Umsetzung das Parlament ein neues Veloweggesetz verabschiedete. Damit soll der Bund die Kantone beim Vollzug unterstützen und die Koordination und Information über die Velowegnetze fördern können, um so zu einer Entflechtung des Verkehrs beizutragen. Die Kantone sollen neu zur Planung und Erstellung der Velowegnetze verpflichtet werden, wobei sie alle Teile des Netzes, die nicht den Sicherheits- und Attraktivitätsstandards entsprechen, ersetzen müssen.

Während sich der Ständerat in Sachen Sicherheit und Streckenführung der Velowege der strengeren Version des Nationalrates anschloss, konnte sich der Ständerat bei der Problematik des Ersatzes von alten Velowegen durchsetzen. Hierbei wurde festgelegt, dass zukünftig bei einem Ersatz das öffentliche Interesse und die örtlichen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen.

Im Themenbereich «Kommunikation» stand der Mobilfunkstandard 5G und Protestaktionen dagegen im Zentrum. Auch verschiedene Berichte, ein neu geschaffenes NIS-Monitoring, eine umweltmedizinische Beratungsstelle, eine Harmonisierung im Vollzug sowie eine Intensivierung der Forschung – mit denen der Bundesrat den Ängsten in der Bevölkerung begegnen wollte – konnte die von Teilen der Bevölkerung empfundene Skepsis gegen 5G nicht gross mindern. Lanciert wurde auch die sogenannte Saferphone-Initiative, die tiefe Strahlengrenzwerte und eine grundsätzliche Versorgung von Wohn- und Geschäftshäusern mit Fernmeldediensten über das Kabelnetz erreichen wollte, aber im Dezember 2022 zurückgezogen wurde. Im Parlament scheiterten auch Standesinitiativen für ein Moratorium für den Aufbau des 5G-Millimeterwellennetzes. Nach längeren Diskussionen erhöhte der Bundesrat im Dezember 2022 schliesslich die Hochbreitbandgeschwindigkeit in der Schweiz von 10 Mbit/S auf 80 Mbit/S.

Im Bereich des «Service public» stand schliesslich die Post aufgrund von Filialschliessungen und der Frage nach der Grundversorgung im Zentrum des Interesses.


Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Die Standesinitiative aus dem Kanton Zürich für die Einführung einer wirksamen Kerosinsteuer erfuhr im Ständerat im Sommer 2023 eine Absage. Mit 20 zu 10 Stimmen bei 6 Enthaltungen sprach sich die kleine Kammer dagegen aus, dass sich der Bundesrat auf EU-Ebene für eine Kerosinsteuer einsetzt. Kommissionssprecher Daniel Fässler (mitte, AI) erklärte, dass die Initiative etwas verlange, was die Schweiz nicht umsetzen könne, da sie nicht Teil der EU ist und seit 1944 ein internationales Abkommen bestehe, wonach Steuern auf internationalen Flügen untersagt seien. Über Regulierungen des Flugverkehrs im Sinne der Klimapolitik könne stattdessen im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes diskutiert werden. Minderheitssprecherin Lisa Mazzone (gp, GE) argumentierte vergebens zugunsten der Initiative. Sie kritisierte, dass sämtliche fossilen Energieträger mit Ausnahme des Kerosins einer Besteuerung unterlägen, was einer indirekten Subventionierung der Flugbranche durch die Allgemeinheit gleichkomme. Die Initiative könne einen besseren Rahmen für eine effektive Klimapolitik schaffen. Zudem habe es die Schweiz in anderen Bereichen auch geschafft, ihre Interessen ohne Mitgliedschaft in der EU einzubringen, argumentierte die Genferin.

Einführung einer wirksamen Kerosinsteuer (St. Iv. ZH. 22.306)

Im Sommer 2023 schrieben National- und Ständerat im Rahmen der Botschaft über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 eine Motion der KVF-NR zur Ausnahme des Modellflugs von der EU-Drohnenregelung ab. Der Bundesrat hatte das Anliegen mit der Totalrevision der «Verordnung des UVEK über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien» umgesetzt. Die entsprechenden Bestimmungen waren am 1. Januar 2023 in Kraft getreten.

Ausnahme des Modellflugs von der EU-Drohnenregelung (Mo. 20.3916)
Dossier: Drohnen und die Sicherheit im Luftraum

National- und Ständerat schrieben in der Sommersession 2023 im Rahmen der Botschaft über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 die Motion Caroni (fdp, AR) für fairere Verfahren im Rahmen von Führerausweisentzügen ab. Der Bundesrat hatte das Anliegen im Juni 2022 mit einer Revision der Strassenverkehrskontrollverordnung und der Verkehrszulassungsverordnung umgesetzt. Abgenommene Führerscheine müssen demnach neu innert einer Frist von drei Arbeitstagen der Entzugsbehörde übergeben werden. Wird der Führerausweis von der Polizei abgenommen, so muss die Entzugsbehörde den Ausweis innert zehn Arbeitstagen wieder zurückgeben, wenn sie keinen vorsorglichen Entzug verfügt. Letzterer muss zudem auf Verlangen der betroffenen Person alle drei Monate überprüft werden. Die Änderungen traten per 1. April 2023 in Kraft.

Fairere Verfahren im Strassenverkehr (Mo. 17.4317)

Mit der Revision der Verkehrszulassungsverordnung vom Juni 2022 setzte der Bundesrat die überwiesene Motion Graf-Litscher (sp, TG) betreffend Verhinderung der doppelten Strafe für Berufsfahrerinnen und Berufsfahrer um. Die Behörden können somit Fahrausweisentzüge bei Chauffeurinnen und Chauffeuren auf privater und beruflicher Ebene unterscheiden. Den Vorstoss schrieben National- und Ständerat im Sommer 2023 im Rahmen des Berichts des Bundesrates über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 ab.

Nein zur doppelten Strafe für Berufsfahrer und Berufsfahrerinnen! (Mo. 17.3520)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Mit einer Standesinitiative forderte der Kanton Zürich im April 2022 die Einführung einer wirksamen Kerosinsteuer. Der Bundesrat sollte mit der Initiative aufgefordert werden, sich auf EU-Ebene für eine Steuer auf Flugtreibstoffe einzusetzen, welche eine Lenkungswirkung erzielt und sowohl für nationale als auch für internationale Flüge gelten soll. Dank der Lenkungswirkung erhoffte sich der Kanton eine wirksame Massnahme zur Erreichung der Pariser Klimaziele.
Die UREK-SR beschäftigte sich im März 2023 mit der Initiative und beantragte mit 5 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen, ihr keine Folge zu geben. Die Kommissionsmehrheit war der Meinung, dass eine Kerosinsteuer auf globaler statt nur auf europäischer Ebene anzustreben sei, und bevorzugte schneller realisierbare Massnahmen für den Klimaschutz in der Flugbranche – beispielsweise eine obligatorische Beimischquote von erneuerbaren Treibstoffen bei Flugzeugen, welche im Rahmen der laufenden Revision des CO2-Gesetzes diskutiert werde.

Einführung einer wirksamen Kerosinsteuer (St. Iv. ZH. 22.306)

In der Frühjahrssession 2023 räumte der Nationalrat die letzten Differenzen in der Revision des Strassenverkehrsgesetzes aus und folgte dem Ständerat bei den sogenannten Raserbestimmungen stillschweigend. Diese betrafen einerseits den Führerausweisentzug und andererseits die Mindeststrafe. Der geltende Führerausweisentzug von zwei Jahren durch die Behörden bei einem Raserdelikt darf demnach nur dann unterschritten werden, wenn gleichzeitig auch die grundsätzliche Mindeststrafe von einem Jahr Geld- oder Freiheitsstrafe durch die Gerichte aufgrund von achtenswerten sowie entschuldbaren Beweggründen oder im Falle von Ersttäterinnen oder -tätern reduziert wird. Als Ersttäterinnen oder -täter gelten dabei Personen, welche innerhalb der zehn Jahre vor dem Delikt nicht wegen eines anderen ähnlichen Vergehens im Strassenverkehr verurteilt worden sind. Wie Kommissionssprecher Matthias Bregy (mitte, VS) im Rat erläuterte, könne dank der Anpassung die übermässige Sanktionierung von schnell fahrenden Personen – beispielsweise bei einer Fahrt ins Spital mit einer schwangeren Frau – durch die Gerichte angemessen modifiziert werden. Die von der Interessenverbindung Roadcross generell geforderte Mindeststrafe von einem Jahr werde damit aber nicht angetastet. Die Stiftung liess in einer Medienmitteilung verlauten, dass dank dem «verantwortungsvollen Entscheid» des Parlaments auf ein Referendum verzichtet werde, was im Rat auch den neuen Verkehrsminister Albert Rösti freute. Roadcross werde aber die Gerichte im Auge behalten und im Falle von «laschen Urteilen» mit politischen Vorstössen reagieren, schrieb die Stiftung weiter.

In der Schlussabstimmung in derselben Session nahm der Nationalrat das revidierte Strassenverkehrsgesetz mit 163 zu 9 Stimmen bei 25 Enthaltungen an. Sämtliche Gegenstimmen und der grösste Teil der Enthaltungen stammten dabei aus der Fraktion der Grünen. Der Ständerat gab der Revision mit 39 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung ebenfalls grünes Licht.

Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (BRG 21.080)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Unbestritten war im Nationalrat im März 2023 ein Postulat von Katja Christ (glp, BS) zur Erstellung eines Berichts zur Entwicklung und Regulierung von zivilen Drohnen in der Schweiz. Stillschweigend hiess die grosse Kammer das Postulat gut, welches auch schon vom Bundesrat unterstützt worden war. Die Postulantin erhofft sich vom Bericht eine Übersicht über bereits bestehende und mögliche neue Regulierungen für eine sichere und effiziente Integration der zivilen Drohnen in das Luftfahrtsystem. Der Bundesrat soll dabei an einen Bericht des BAZL aus dem Jahr 2016 anknüpfen und die neusten Entwicklungen – etwa die Anwendung der EU-Regulierungen im sogenannten U-Space (Infrastruktur für das Drohnenverkehrsmanagement bei Skyguide) – aufnehmen.

Entwicklung und Regulierung von zivilen Drohnen in der Schweiz (Po. 22.4580)
Dossier: Drohnen und die Sicherheit im Luftraum

Im März 2023 schrieb der Nationalrat auf Antrag seiner KVF-NR eine parlamentarische Initiative betreffend dringliche Fahrten von Blaulichtorganisationen diskussionslos ab. Bestimmungen, wonach Führerinnen oder Führer eines Polizei-, Feuerwehr-, Sanitäts- oder Zollfahrzeugs eine obligatorische Strafmilderung erhalten, wenn sie in dringlichen oder taktisch notwendigen Situationen Verkehrsregeln missachten, seien gemäss der Kommission im Zuge der Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (BRG 21.080) umgesetzt worden. Die Initiative war damit erledigt.

Würdigung der Umstände bei dringlichen Fahrten von Blaulichtorganisationen (Pa. Iv. 19.416)

Mit dem Beschluss zur Totalrevision der Verordnung des UVEK über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien übernahm die Schweiz im November 2022 unter anderem die europäischen Vorschriften für Drohnen. Je nach Kategorie der Drohne (offen, speziell, zulassungspflichtig) galten ab Jahresbeginn 2023 neue Regeln. So mussten beispielsweise bereits einfache Drohnen ab einem Gewicht von 250 Gramm (Kategorie offen) neu registriert werden und das Mindestalter für Pilotinnen und Piloten wurde bei 12 Jahren angesetzt. Die Verordnung beinhaltete ebenfalls Regelungen für unbemannte Luftfahrzeuge wie Drachen, Ballone oder Modellflugzeuge sowie für bemannte Luftfahrzeuge wie Hängegleiter oder Fallschirme.

Verordnung des UVEK über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien

Jahresrückblick 2022: Verkehr und Kommunikation

Auch der Themenbereich «Verkehr und Kommunikation» wurde 2022 durch den Ukraine-Krieg und dessen Folgen beeinflusst. Im Frühling wurde in der Schweiz ein starker Anstieg der Energiepreise und insbesondere der Treibstoffpreise verzeichnet. Die SVP forderte daher in mehreren Motionen erfolglos unter anderem eine 50-prozentige Senkung der Mineralölsteuern auf Treib- und Brennstoffen, der CO2-Kompensationspflicht sowie der MWST und einen pauschalen Berufskostenabzug für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte. Die Mehrheiten der beiden Kammern erachteten eine Entlastung der Autofahrerinnen und Autofahrer jedoch als nicht angezeigt, vielmehr müssten Entlastungsmassnahmen gezielt an ärmere Bevölkerungsgruppen ausgerichtet werden.

Weitergearbeitet wurde an der Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, insbesondere am sogenannten Raserartikel. Anfänglich hatten sich beide Räte dafür entschieden, den Gerichten bei Raserdelikten wieder mehr Ermessensspielraum zu geben, die Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu streichen und die Mindestdauer für den Entzug des Fahrausweises zu reduzieren. Aufgrund einer Referendumsdrohung durch die Stiftung Roadcross schwenkten die beiden Räte dann jedoch in fast allen Punkten auf das geltende Recht zurück und schwächten damit die Massnahmen des Via Sicura-Pakets nur wenig ab. Diese Revision konnte allerdings im Berichtsjahr noch nicht vollständig bereinigt werden.
Ebenfalls mehr Verkehrssicherheit sollte das neue Veloweggesetz bringen, das 2022 vom Parlament verabschiedet wurde. Damit soll der Verkehr entflechtet und sollen die Kantone zur Planung und Erstellung von grundsätzlich zusammenhängenden und durchgehenden Velowegnetzen verpflichtet werden.

Beim öffentlichen Verkehr lag der Fokus im Jahr 2022 hauptsächlich auf der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes, die in der Wintersession abgeschlossen werden konnte. Mit dieser Revision beabsichtigte der Bundesrat, das Bestellverfahren, also den Vorgang, bei welchem die Besteller (Bund und Kantone) mit den Transportunternehmen die Angebotsvereinbarung im regionalen Personenverkehr aushandeln, effizienter und transparenter auszugestalten und die Planungssicherheit für die Transportunternehmen zu erhöhen. Zudem sollte mit der Revision weiteren Subventionsskandalen wie demjenigen der BLS einen Riegel geschoben werden. Dazu war vorgesehen, dass im subventionierten Bereich keine Gewinne einkalkuliert werden dürfen, zudem wurde festgelegt, wie künftig mit ungeplanten Gewinnen umgegangen werden muss. Hierbei entschieden die Räte, dass die Unternehmen künftig nur die Hälfte ihrer allfälligen Gewinne auf den von Bund und Kantonen gemeinsam bestellten Angeboten einer Spezialreserve zuweisen müssen, der Bundesrat hatte sich ursprünglich für zwei Drittel ausgesprochen.

Schliesslich gab im Berichtsjahr auch das Thema Mobilfunkstandard 5G wieder zu reden: Im Frühjahr publizierte der Bundesrat den Bericht «Nachhaltiges Mobilfunknetz» in Erfüllung eines gleichnamigen Postulats. Darin erläuterte der Bundesrat unter anderem, dass durch eine Änderung der NISV für den Ausbau des 5G-Netzes deutlich weniger Antennen notwendig sein werden als bisher angenommen. Das UVEK gleiste zudem ein NIS-Monitoring, eine umweltmedizinische Beratungsstelle, die Harmonisierung im Vollzug sowie eine Intensivierung der Forschung auf, um den Ängsten in der Bevölkerung vor 5G zu begegnen. Überdies gab das Parlament im Berichtsjahr drei Standesinitiativen für ein Moratorium für den Aufbau des 5G-Millimeterwellennetzes (Kt.Iv. GE 20.309; Kt.Iv. NE 20.314; Kt.Iv. JU 21.305) keine Folge. Hingegen wurde eine neue Volksinitiative in diesem Bereich lanciert: Die sogenannte Saferphone-Initiative, in deren Komitee zahlreiche Politiker und Politikerinnen – insbesondere der SP und der Grünen – zu finden waren, forderte, dass Bund und Kantone für den Einsatz emissionsarmer Techniken in allen Anwendungsbereichen sorgen. Dies sollte durch tiefe Strahlengrenzwerte und eine grundsätzliche Versorgung von Wohn- und Geschäftshäusern mit Fernmeldediensten über das Kabelnetz erreicht werden. Die Initiative wurde jedoch im Dezember zurückgezogen.

Im Kapitel Verkehr und Kommunikation kam es im Juni 2022 zu einem Peak in der Medienberichterstattung, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse zeigt. Hauptverantwortlich dafür war der Flugverkehr, zumal zahlreiche Zeitungsartikel zu einer Panne bei Skyguide sowie zu abgesagten Flugverbindungen bei der SWISS erschienen. Verglichen mit dem Vorjahr gab es 2022 für den Bereich Verkehr und Kommunikation wieder etwas mehr Aufmerksamkeit seitens der Presse zu verzeichnen. Dies lag womöglich daran, dass über die in den beiden Vorjahren omnipräsente Covid-19-Pandemie im Berichtsjahr deutlich weniger geschrieben wurde und damit die übrigen Themenbereiche prozentual mehr Aufmerksamkeit erhielten.

Jahresrückblick 2022: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Dezember 2022 publizierte das BAZL einen Bericht über nachhaltige Flugtreibstoffe. Festgelegt worden war die Erarbeitung eines solchen Berichts im Aktionsplan 2021-2023 der «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030». Dieser solle gemäss BAZL zudem auch als Grundlagendokument für die Revision des CO2-Gesetzes nach 2024 dienen, in welcher auch die Emissionen des Flugverkehrs diskutiert würden. Wie das BAZL im Bericht darlegte, machten die Treibhausgase, die im Schweizer Flugsektor ausgestossen werden, 11 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Schweiz aus.
Im Fokus des Berichts standen nachhaltige Flugtreibstoffe: Während Treibstoffe aus biogenen Abfallprodukten aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit der zugrundeliegenden Rohstoffe limitiert seien, liege in den synthetisch hergestellten nachhaltigen Flugtreibstoffen grosses Potenzial – diese befänden sich aber derzeit noch in der Entwicklung. Um als nachhaltig zu gelten, müssen diese aus erneuerbaren Quellen, also entweder über Strom (Power-to-Liquid) oder über Sonnenenergie (Sun-to-Liquid), gewonnen werden. Bei beiden Verfahren stellten sich derzeit noch Fragen bezüglich des Wirkungsgrads und der Kosten; die vorgesehene Hochskalierung solle die Wirtschaftlichkeit dieser Produkte jedoch entscheidend verbessern können.
Der Bericht erwähnte auch NET und batterie- und wasserstoffbetriebene Flugzeuge, diese spielten bei der Reduktion der Emissionen aber nur eine Nebenrolle: NET sollen gemäss eines bundesrätlichen Berichts die direkte Reduktion von fossilen Emissionen ergänzen und diese nicht ersetzen. Emissionseinsparungen mit batterie-elektrischen oder wasserstoffbetriebenen Luftfahrzeugen wiederum könnten erst in einigen Jahrzehnten erzielt werden, da erst die «Herausforderungen beim Speichern von ausreichend Energie an Bord überwunden und Fragen zur Klimawirkung dieser Technologien beantwortet werden» müssten.
Abschliessend formulierte das BAZL drei Ziele im Hinblick auf die Entwicklung und den Einsatz von nachhaltigen Flugtreibstoffen. Erstens soll deren Potenzial bei der Reduktion der Klimawirkung der Luftfahrt ausgeschöpft werden, zweitens soll der Ausbau von entsprechenden Produktionspfaden unterstützt werden und drittens sollen die Rahmenbedingungen für den Einsatz von nachhaltigen Flugtreibstoffen verbessert werden.

Bericht des BAZL zur Förderung der Entwicklung und des Einsatzes von nachhaltigen Flugtreibstoffen (2022)

Die mögliche Teilnahme der Schweiz am ERRU stand in der Wintersession 2022 auf der Traktandenliste der kleinen Kammer. Nachdem Charles Juillard (mitte, JU) die Vorteile einer Teilnahme an diesem Informationssystem zu Strassenverkehrskontrollen erörtert und sich auch Verkehrsministerin Sommaruga für die Annahme der entsprechenden Motion Storni (sp, TI) ausgesprochen hatte, nahm der Ständerat diese stillschweigend an.

Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Informationsaustausch. Der Schweizer Polizei Zugriff auf das europäische Strassentransportregister ermöglichen (Mo. 21.4580)

Der Ständerat beugte sich in der Wintersession 2022 über die Differenzen in der Revision des Strassenverkehrsgesetzes, welche vom Nationalrat aufgrund eines Rückkommensantrags geschaffen worden waren. Die Mehrheit der KVF-SR stimmte der vom Nationalrat ausgearbeiteten Formulierung bezüglich der Raserdelikte im Grundsatz zu, wollte aber noch die entsprechenden Vorbehalte der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz berücksichtigen und hatte daher den Wortlaut zu den Raserbestimmungen präzisiert, wie Kommissionssprecher Thierry Burkart (fpd, AG) im Plenum ausführte. Dadurch sollten mögliche Rechtsunsicherheiten verhindert werden. Burkart wies auch darauf hin, dass die Stiftung Road Cross erklärt habe, auf ein Referendum zu verzichten, wenn das Parlament den vorgeschlagenen Änderungen zu den Raserbestimmungen zustimme. Die kleine Kammer nahm die angepassten Formulierungen zum Führerscheinentzug sodann stillschweigend an.
Bei den Bestimmungen zum Freiheitsentzug lag ein Minderheitsantrag Rieder (mitte, VS) vor. Der Walliser Ständerat setzte sich dafür ein, dass die kleine Kammer hierbei wieder auf die Version des Bundesrates umschwenkt, wodurch die Mindestfreiheitsstrafe wieder ganz wegfallen würde. Die Kommissionsmehrheit hatte indes neu vorgeschlagen, dass die Mindeststrafe bei einem Strafmilderungsgrund nach Art. 48 StGB – also zum Beispiel bei Handlungen aus achtenswerten Beweggründen – unterschritten werden dürfe. Rieder argumentierte, dass die Räte im Rahmen der Vorlage über die Harmonisierung der Strafrahmen beschlossen hatten, bei Raserdelikten keine Mindesthaftdauer von einem Jahr festzulegen. Die Beurteilung eines konkreten Falles solle den Richterinnen und Richtern obliegen und nicht standardmässig durch die Staatsanwaltschaft geregelt werden, so Rieder. In der Zwischenzeit empfahl jedoch Verkehrsministerin Sommaruga im Namen des Bundesrates ebenfalls, der Kommissionsmehrheit und nicht mehr der ursprünglichen Version des Bundesrates zu folgen, zumal die nun vorgeschlagene Formulierung materiell auch dem Entscheid des Nationalrates entspreche. In der Folge votierten 29 Mitglieder des Ständerates für den Antrag der Kommissionsmehrheit, 14 für die Minderheit Rieder. Somit wird sich erneut der Nationalrat mit der Gesetzesänderung befassen müssen.

Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (BRG 21.080)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Die Eidgenössische Volksinitiative «Für sicherere Fahrzeuge», die gefordert hatte, dass bei Verkehrsunfällen auch Hersteller von Fahrzeugen in die Pflicht genommen werden können, scheiterte bereits im Sammelstadium. Dies gab die Bundeskanzlei im September 2022 bekannt. Anlass für die Initiative war gemäss einem Pressebericht ein tödlicher Unfall im Jahr 2015. Bei dessen Gerichtsverhandlung wurde der Lenker eines Pick-ups freigesprochen, «weil der Lenker des überdimensionierten Fahrzeugs die Seniorin gar nicht habe sehen können». In der Folge wollte ein Initiativkomitee, das aus Privatpersonen bestand, auch die Autohersteller in solchen Fällen zur Verantwortung ziehen.

Eidgenössische Volksinitiative «Für sicherere Fahrzeuge»

Der Bundesrat präsentierte im September 2022 den Entwurf für die Revision des CO2-Gesetzes. Der Gesetzesentwurf beinhaltete Massnahmen für die Zeit von 2025 bis 2030 und knüpfte damit an das geltende CO2-Gesetz an, welches das Parlament bis 2024 verlängert hatte. Gemäss Botschaft habe der Bundesrat die Bedenken, die im Rahmen der letzten, gescheiterten Revision aufgekommen waren, ernst genommen und sehe daher keine neuen oder höheren Abgaben vor.
Das Ziel der Revision bestehe darin, die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 gegenüber 1990 um 50 Prozent zu reduzieren, wobei die Reduktion zu zwei Dritteln im Inland und zu einem Drittel mit Massnahmen im Ausland erfolgen soll. Für die Regelung der Rahmenbedingungen, unter welchen CO2-Emissionen der Schweiz mittels Projekten im Ausland kompensiert werden können, habe die Schweiz bereits verschiedene Abkommen mit einzelnen Staaten abgeschlossen, wie etwa jenes mit Peru.
Der Gesetzesentwurf sah Massnahmen in verschiedenen Bereichen vor; insgesamt sollen rund CHF 4.1 Mrd. in den Klimaschutz investiert werden:
Der Grossteil der Investitionen in der Höhe von rund CHF 2.8 Mrd. wollte der Bundesrat für Klimaschutzmassnahmen im Gebäudebereich aufwenden. Die Mittel aus der CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe sollen knapp zur Hälfte für Klimaschutzmassnahmen wie dem Gebäudeprogramm eingesetzt werden. Weitere Bereiche, die in den Genuss der Mittel aus der CO2-Abgabe kommen sollen, sind die Förderung von Geothermie und die Energieplanung einzelner Gemeinden. Auch soll der bereits bestehende Technologiefonds weiter alimentiert werden, mit dem unter anderem neu die Risiken beim Ausbau von Fernwärmenetzen abgesichert werden können. Die Bevölkerung und die Wirtschaft erhalten die übrigen circa 50 Prozent aus der CO2-Abgabe rückerstattet.
Im Verkehrsbereich sah der Bundesrat Mittel in der Höhe von rund CHF 800 Mio. vor. Damit soll die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ausgebaut und die Anschaffung von Elektrobussen für den öffentlichen Verkehr und für internationale Zugverbindungen gefördert werden. Im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr sollen den Transportunternehmen für die Bereitstellung neuer Angebote, inklusive Nachtzüge, bis Ende 2030 Finanzhilfen gewährt werden können. Im Bereich des Güterverkehrs sollen Elektro- und Wasserstofflastwagen bis 2030 von der LSVA befreit bleiben, um auch Anreize für CO2-arme Transportmittel zu schaffen. Ein solcher Anreiz soll auch für die Autoimporteure bestehen bleiben: Gemäss Botschaft werden die CO2-Zielwerte für importierte Fahrzeuge wie in der EU weiter verschärft; bei Nichteinhaltung der Zielwerte werden Strafen ausgesprochen.
Die Importeure von Benzin und Diesel müssen weiterhin einen Grossteil der CO2-Emissionen mit Klimaschutzmassnahmen kompensieren. 5 bis 10 Prozent der CO2-Emissionen aus Treibstoffen sollen die Importeure direkt durch das Inverkehrbringen erneuerbarer Treibstoffe einsparen.
Weiter möchte der Bundesrat die Anbieter von Flugzeugtreibstoffen dazu verpflichten, dem Kerosin, das in der Schweiz getankt wird, erneuerbare Treibstoffe beizumischen, wie es auch die EU vorsehe.
Gemäss Entwurf soll es künftig grundsätzlich allen Unternehmen offenstehen, sich von der CO2-Abgabe zu befreien, wenn sie eine CO2-Reduktionsverpflichtung abschliessen. Wie bis anhin sind Grossemittenten von der CO2-Abgabe ausgenommen, sie nehmen stattdessen am mit der EU verknüpften Emissionshandelssystem teil.
Schliesslich soll auch der Finanzmarkt einen Beitrag leisten, indem die die Aufsichtsbehörden zur Berichterstattung über die klimabedingten Risiken verpflichtet werden.

Mit dieser Botschaft beantragte der Bundesrat auch mehrere Vorstösse zur Abschreibung, namentlich ein Postulat Ammann (mitte, SG; Po. 19.3643), ein Postulat der UREK-SR (Po. 19.3949), eine Motion Trede (gp, BE; Mo. 19.4614) sowie eine Motion der KVF-NR (Mo. 21.3977).

CO2-Gesetz post 2024 (BRG 22.061)
Dossier: Wie geht es nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 weiter?

Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2022 erneut mit der Revision des Strassenverkehrsgesetzes. Wie Kommissionssprecher Bregy (mitte, VS) ausführte, hatte die KVF-NR im Juni 2022 zu den Artikeln, die den Rasertatbestand betreffen, einen Rückkommensantrag gestellt, dem ihre Schwesterkommission zugestimmt hatte. Die nationalrätliche Kommission schlug nun vor, beim Führerausweisentzug wieder zum geltenden Recht zurückzukehren. Dies bedeute, dass bei einem Raserdelikt weiterhin eine Mindestentzugsdauer von zwei Jahren vorgesehen wäre. Eine mildere Bestrafung solle aber möglich sein, wenn die Strafe auch nach Artikel 90 – der die Länge der Freiheitsstrafe betrifft – unterschritten werde. Bei ebendiesem Artikel 90 forderte die KVF-NR ebenfalls zum geltenden Recht zurückzuschwenken, was einem Freiheitsentzug von einem bis vier Jahren entspricht. Hierbei sollen Unterschreitungen der Mindeststrafe möglich sein, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB – also zum Beispiel achtenswerte Beweggründe oder schwere Drohung – besteht oder wenn die betreffende Person bezüglich Verkehrsdelikten noch keinen Eintrag im Strafregister hat. Man habe versucht, an den Regeln des geltenden Rechts festzuhalten und gleichzeitig den Gerichten einen notwendigen Ermessensspielraum zu geben, hielt Bregy fest.
In der Debatte stellte Jean-Luc Addor (svp, VS) die rhetorische Frage, ob es wichtiger sei, ein Referendum durch eine «extremistische Organisation» («organisation extrémiste») zu verhindern oder die Interessen der Verkehrsteilnehmenden zu vertreten, die «Opfer der Auswüchse von Via sicura» («victimes des excès de Via sicura») geworden seien. Er nahm damit Bezug auf die Stiftung Roadcross, die sich für Opfer des Strassenverkehrs einsetzt und die für den Fall, dass die Strafen für Raser gelockert werden sollten, mit dem Referendum gedroht hatte. Der Nationalrat nahm die Vorschläge seiner Kommission schliesslich stillschweigend an. Damit wurden zwei grosse Differenzen zum Ständerat geschaffen, kleinere Differenzen konnten jedoch ausgeräumt werden.

Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (BRG 21.080)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Mitte Juli 2022 berichteten die Medien über einen Vorfall vom 5. Juli, in den Bundesrat Alain Berset als Privatperson verwickelt war. Der Hobbypilot sei bei einem Privatflug von der französischen Luftpolizei zur Landung gezwungen worden. Dies habe das EDI auf Anfrage von Medien bestätigt: Der Innenminister sei alleine an Bord eines Kleinflugzeuges auf einer Route zwischen zwei französischen Sportflugplätzen geflogen und aufgrund einer Fehlinterpretation luftverkehrspolizeilicher Angaben am Boden kontrolliert worden, so das EDI. Es handle sich freilich um eine Privatangelegenheit.

Kurz darauf schossen die medialen Spekulationen ins Kraut. Vom Typ des Flugzeugs über Gründe für eine erzwungene Landung, Mutmassungen über fliegerisches Fehlverhalten des Bundesrats oder das fehlende ökologische Gewissen des Innenministers berichteten die Medien umfassend. Eine politische Gegnerin warf Berset gar vor, sein Amt für «persönliche Profilierungen» zu missbrauchen, mehrfach wurden auch Rücktrittsforderungen laut. Auch dass der Bundesrat selber keine Stellung zum Vorfall bezog, wurde kritisiert. In der Tat trieben ebendiese Spekulationen immer seltsamere Blüten. Hinter dem «Irrflug ins Sommerloch» (Republik) wurde gar ein Manöver vermutet, um von wesentlich brisanteren Themen, etwa der Crypto-Affäre, abzulenken.

Als typischer Sturm im Wasserglas entpuppte sich die Geschichte spätestens, als bekannt wurde, dass Frankreich den Fall ohne Folgen für Berset klassierte. In der Tat hatte der Bundesrat auf die Aufrufe der französischen Luftwache, das Sperrgebiet zu verlassen, nicht reagiert – er hatte sich nicht angesprochen gefühlt, weil die französische Luftüberwachung die Buchstaben des Kennzeichens von Bersets Cessna verwechselt hatte.

Kritik an Bundesrat Alain Berset – Privatpilotflug nach Frankreich