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Jahresrückblick 2023: Öffentliche Finanzen

Im Themenbereich «Öffentliche Finanzen» standen im Jahr 2023 drei Aspekte im Mittelpunkt des medialen und parlamentarischen Interesses: die Abstimmung über die OECD-Mindestbesteuerung – wie aus Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2023 deutlich wird –, die Mehrwertsteuerrevision sowie das Bereinigungsprogramm für das Budget 2024 und die Finanzplanjahre 2025–2027. Verglichen mit anderen Jahren blieb das mediale Interesse an der Finanzpolitik im Berichtsjahr jedoch gering (siehe Abbildung 2).

Im Juni 2023 sprachen sich die Stimmbevölkerung und die Kantone deutlich für die sogenannte OECD-Mindestbesteuerung aus. Mit dieser hatte der Bundesrat das OECD/G20-Projekt zur Einführung einer Mindestbesteuerung für bestimmte Unternehmen umgesetzt. Direkt änderte die Reform nichts an der Besteuerung der meisten Unternehmen – betroffen waren nur die grössten Unternehmen in der Schweiz –, sie gab jedoch den Kantonen zusätzliche finanzielle Mittel in die Hand, etwa um die Unternehmenssteuern für alle Unternehmen zu senken.

Bei der Ehepaar- und Familienbesteuerung stand 2023 die Forderung nach Einführung der Individualbesteuerung im Zentrum. Eine solche verlangten sowohl die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» als auch parlamentarische Vorstösse, und auch der Bundesrat arbeitete – im Auftrag des Parlaments – an einer entsprechenden Vorlage. Ende August 2023 präsentierte er nach erfolgter Vernehmlassung, bei der auch gewichtige Stimmen eine Beibehaltung der Ehepaarbesteuerung forderten, seine Eckwerte dazu.

Abgeschlossen wurde 2023 die neuste Mehrwertsteuerrevision, mit welcher Bundesrat und Parlament zahlreiche angenommene Motionen umsetzten. Unter anderem wurde auf diesem Wege eine Besteuerung der elektronischen Versandhandelsplattformen geschaffen, der Mehrwertsteuersatz auf Damenhygieneartikel reduziert oder die Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen in der Mehrwertsteuer behoben. Diese Revision fand kaum Eingang in die mediale Berichterstattung.

Medial relativ eng begleitet wurde hingegen das Sparprogramm für das Budget 2024, das vom Bundesrat offiziell als «Bereinigungsmassnahmen» betitelt wurde. Bereits im 2022 präsentierten Finanzplan 2024–2026 hatte der Bundesrat angekündigt, dass die Einhaltung der Schuldenbremse aufgrund von vom Parlament beschlossenen Ausgaben bei fehlender Gegenfinanzierung Sparmassnahmen nötig machen werde. Im Frühjahr 2023, nach Bekanntgabe eines Defizits von CHF 4.3 Mrd. für das Jahr 2022, präzisierte die Regierung ihren Vorschlag für Sparmassnahmen: Für das Jahr 2024 sollte insbesondere bei schwach gebundenen Ausgaben, also etwa bei der Armee, der Bildung, der Landwirtschaft oder der internationalen Zusammenarbeit, gespart werden, in den Finanzplanjahren 2025–2027 auch bei einzelnen stark gebundenen Ausgaben, zum Beispiel im AHV-Bereich bei der Witwenrente. Um zukünftig weniger Sparprogramme nötig zu machen, legte die Regierung im Auftrag dreier parlamentarischer Vorstösse einen Entwurf für einen zwingenden Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen vor. So sollte budgettechnischen Fragen bereits bei Ausarbeitung neuer Ausgabenposten im Parlament mehr Beachtung zukommen.

Die nach Bekanntgabe der bundesrätlichen Sparpläne in den Medien entbrannten Diskussionen über Sinn und Unsinn von Sparmassnahmen wurden zusätzlich dadurch erhitzt, dass der Bundesrat beinahe zur selben Zeit im Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 Verpflichtungskredite zur Übernahme der CS durch die UBS in der Höhe von CHF 109 Mrd. beantragte (vgl. Jahresrückblick zu Geld, Währung und Kredit). Während die FinDel die entsprechenden Kredite dringlich guthiess, lehnte sie das Parlament in einer ausserordentlichen Session zur CS-Übernahme ab. Da der Bundesrat nach Zusage der FinDel aber bereits rechtsgültige Verträge eingegangen war, blieb diese Ablehnung lediglich ein symbolischer Akt.

Jahresrückblick 2023: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2023

Die SP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Die SP startete mit einer Stabilisierung ihres Wählendenanteils bei den Zürcher Wahlen ins Jahr, und in Luzern gelang ihr die Rückkehr in die Kantonsregierung. Auch wenn die Partei bei einigen anderen kantonalen Wahlen des Jahres – unter anderem im Tessin, wo ihr eine Parteiabspaltung zu schaffen machte – weniger gut abschnitt, ergab dies zusammen mit zunehmend positiven nationalen Umfragewerten in den Medien das Bild einer Partei, die sich nach einer längeren Phase von Niederlagen bei kantonalen Wahlen wieder gefangen hatte.
In der Tat vermochte die SP schliesslich sowohl bei den Nationalrats- als auch bei den Ständeratswahlen zuzulegen. Eine Erklärung für den Wahlerfolg sah die Presse in der Themenlage, die mit Inflation, steigenden Mieten und einem Schub bei den Krankenkassenprämien der SP in die Hände gespielt habe: In ihrem Wahlkampf hatte die Partei – nebst Gleichstellung und Klimaschutz – vor allem das Thema Kaufkraft propagiert.
Im Rampenlicht stand die SP im Zusammenhang mit den Bundesratswahlen, bei denen sie den Sitz des zurücktretenden Alain Berset zu verteidigen hatte. War zunächst noch spekuliert worden, dass die Grünen mit bürgerlicher Unterstützung den SP-Sitz angreifen könnten, wurde der Anspruch der SP auf zwei Bundesratssitze spätestens nach den eidgenössischen Parlamentswahlen im Prinzip kaum mehr in Frage gestellt – von bürgerlicher Seite jedoch unter der Bedingung, dass die SP den Angriff der Grünen auf die FDP-Sitze nicht unterstütze. Die Mehrheit der SP-Fraktion erfüllte – nach eigenen Angaben «contre coeur» – diese Bedingung, was wiederum die Grünen vertäubte. Des Weiteren gab es kurz vor der Bundesratswahl aus den bürgerlichen Parteien Drohungen, eine SP-Vertretung ausserhalb des offiziellen SP-Tickets zu wählen. Auf dieses hatte die SP-Fraktion den Basler Regierungsrat Beat Jans und den Bündner Nationalrat Jon Pult gesetzt. Vier weitere Kandidierende – darunter wie schon im Vorjahr auch die Berner Regierungsrätin Evi Allemann und der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch – blieben auf der Strecke. Die Bundesversammlung entschied sich letztlich deutlich für Beat Jans, der sich in den Anhörungen bei den anderen Fraktionen gemäss Medienberichten konzilianter gegeben hatte als Jon Pult. Dieser erhielt in allen drei Wahlgängen gar weniger Stimmen als Daniel Jositsch. Bei der Departementsverteilung blieben das EDI und das EJPD in SP-Hand, wobei überraschend die bisherige EJPD-Vorsteherin Elisabeth Baume-Schneider ins EDI wechselte und der Neugewählte Beat Jans somit das EJPD übernahm.
In der direktdemokratischen Arena musste die SP eine Niederlage hinnehmen, als die von ihr bekämpfte OECD-Mindeststeuer an der Urne deutlich angenommen wurde. Die Nein-Parole dazu hatten die Parteidelegierten entgegen der Empfehlung der Parteileitung gefasst, welche Stimmfreigabe beantragt hatte. Einen Erfolg konnte die SP verbuchen, indem sie im Sommer ihre Kita-Initiative zustande brachte.
Bereits vor den Wahlen hatte die SP ihr Fraktionspräsidium im Bundeshaus neu zu besetzen. Die Doppelkandidatur von Samira Marti und Samuel Bendahan für die Nachfolge von Roger Nordmann blieb ohne Konkurrenz, womit die Fraktion nun wie schon die Bundespartei von einem geschlechtergemischten Co-Präsidium geführt wird.

Die SP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Kurzüberblick über die Parteien im Jahr 2023

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2023 mit den Differenzen, die der Ständerat bei der Botschaft zur Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen geschaffen hatte. Diese Differenzen betrafen zwei geringfügige Änderungen im Gesetzestext. Priska Wismer-Felder (mitte, LU) und Valérie Piller Carrard (sp, FR) beantragten im Namen der WBK-NR, dem Ständerat in den beiden Punkten zu folgen. Auch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider stellte sich hinter die beiden Änderungen, welche lediglich technischer Natur seien und am Kern der Vorlage nichts ändern würden.
Nachdem alle Fraktionen auf ein Votum verzichtet hatten, nahm der Nationalrat die vom Ständerat vorgeschlagenen Änderungen diskussionslos an.

In der Schlussabstimmung herrschte in beiden Räten bei 198 bzw. 44 zu 0 Stimmen ohne Enthaltungen Einstimmigkeit, womit das Geschäft erledigt war.

Bundesgesetz zur Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen (BRG 22.021)

Der Ständerat widmete sich in der Wintersession 2023 der Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Kommissionssprecher Martin Schmid (fdp, GR) gab gekannt, dass das Geschäft in der vorberatenden WAK-SR unbestritten war, dass die Kommission aber eine Diskussion über die Besteuerung in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) geführt habe. Diese erhöben keine Einkommenssteuern, sondern lediglich eine reduzierte Körperschaftssteuer von 9 Prozent. Vor diesem Hintergrund sei die Befürchtung aufgetaucht, dass Personen, die in der Schweiz oder in Europa mit Sanktionen belegt wurden, ihren Wohnsitz in einen Staat wie die VAE verlegen könnten, dadurch «die Vorteile der Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch nehmen könn[t]en» und quasi von einer doppelten Nichtbesteuerung profitierten. Ständerat Schmid forderte den Bundesrat dazu auf, diesen Aspekt bei zukünftigen Verhandlungen zu DBA zu beachten. Der Sinn von DBA liege schliesslich darin, eine doppelte Besteuerung zu verhindern, nicht aber die Besteuerung an sich. Finanzministerin Karin Keller-Sutter nahm diesen Hinweis zur Kenntnis und plädierte im Übrigen dafür, die Änderung des DBA zu genehmigen, da diese ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis darstelle und sich positiv auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken werde. In der Gesamtabstimmung genehmigte der Ständerat das Änderungsprotokoll mit 37 zu 1 Stimmen.

In den Schlussabstimmungen am Ende der Wintersession nahm der Nationalrat das Geschäft mit 138 zu 52 Stimmen (8 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen und die Enthaltungen stammten aus den Reihen der SVP-Fraktion. Der Ständerat stimmte dem Geschäft mit 38 zu 2 Stimmen (5 Enthaltungen) zu.

Doppelbesteuerung. Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (BRG 23.043)
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Der Ständerat befasste sich im Dezember 2023 mit der bundesrätlichen Botschaft zur Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen im Immaterialgüterrecht. Für die WBK-SR liess Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) verlauten, dass die Kommission den Entwurf des Bundesrats wie bereits der Nationalrat grundsätzlich begrüsse. Mittlerweile sei der Kommission aber von Seiten der Verwaltung mitgeteilt worden, dass an zwei Stellen des Gesetzes Anpassungsbedarf bestehe. Erstens war im Gesetz vorgesehen, dass die gefälschte Ware entweder vernichtet wird oder die Fälschung den Antragstellerinnen und -stellern bzw. den Rechteinhaberinnen und -inhabern zur Vernichtung überreicht wird. Da diese Übergabe in den allermeisten Fällen per Post und nicht von Hand zu Hand geschehe, sollte die Formulierung von «übergeben» in «überlassen» geändert werden. Zweitens sah der Gesetzesentwurf vor, dass die Antragstellerinnen und -steller oder Rechteinhaberinnen und -inhaber quartalsweise über die «Art und Menge der vernichteten Ware» informiert werden. Laut der Kommissionssprecherin habe sich aber gezeigt, dass der Aufwand für die Benachrichtigung geringer sei, wenn diese gleich nach der Vernichtung erfolgen kann. Die Verwaltung schlug dementsprechend vor, das Wort «vierteljährlich» aus dem Gesetzestext zu streichen. Gmür-Schönenberger beantragte ihrem Rat, diese beiden Änderungen in die Vorlage aufzunehmen und ansonsten dem Entscheid des Nationalrats zu folgen.
Der Ständerat beschloss Eintreten ohne Gegenantrag. Den beiden Anpassungen stimmte die kleine Kammer diskussionslos zu. Die Gesamtabstimmung passierte die Vorlage bei 41 zu 0 Stimmen ohne Enthaltung einstimmig, womit das Geschäft mit den beiden Änderungen als Differenzen an den Nationalrat überwiesen wurde.

Bundesgesetz zur Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen (BRG 22.021)

Le Conseil fédéral a publié, en novembre 2023, un rapport sur le potentiel d’allègement de l’impôt sur le capital et de l’impôt sur la fortune pour les PME. Il répond ainsi à un postulat de l'ancien conseiller national Fathi Derder (plr, VD) intitulé «Alléger l’impôt sur le capital et l’impôt sur la fortune pour les PME à forte croissance». L'objectif du postulat était de réduire la charge fiscale des entreprises, en particulier des PME à forte croissance, en examinant les implications d'une réforme des impôts sur la fortune et le capital.
Dans son rapport, l'exécutif rappelle tout d'abord que dans un contexte international où la Suisse se distingue en prélevant ses impôts exclusivement au niveau cantonal, les impôts sur la fortune et le capital, basés sur la substance plutôt que sur le revenu, présentent des problèmes potentiels. Ils peuvent entraîner des difficultés de liquidités pour les actionnaires en période de faible rentabilité et donner lieu à des situations de surimposition ou de sous-imposition, particulièrement en raison du caractère risqué des investissements dans les PME à croissance rapide. Le Conseil fédéral propose diverses réformes, à la fois globales et ponctuelles, pour remédier à ces problèmes. Les mesures ponctuelles comprennent l'introduction d'un frein à l'impôt sur la fortune et la possibilité de prélever facultativement l'impôt sur le capital. Des mesures de compensation financière sont également envisagées, telles que l'augmentation de l'impôt sur le bénéfice, le relèvement du taux d'imposition partiel pour les participations qualifiées, et l'introduction d'un impôt sur les gains en capital réalisés sur la fortune privée. Dans le cadre de ces propositions, le rapport met en avant que l'augmentation de l'impôt sur le bénéfice est la moins efficace, car elle pourrait augmenter la charge fiscale pour les grandes entreprises, affectant potentiellement l'attractivité économique. En revanche, le relèvement du taux d'imposition partiel est considéré comme une mesure de compensation plus intéressante, contribuant à financer la suppression d'un des deux impôts tout en minimisant les incitations fiscales actuelles en faveur des dividendes plutôt que des salaires. Enfin, le Conseil fédéral suggère que l'introduction d'un impôt sur les gains en capital réalisés sur la fortune privée serait la solution la plus efficace pour compenser la suppression de l'impôt sur le capital, bien que l'abolition de l'impôt sur la fortune nécessite une réflexion approfondie sur les sources de compensation financière, en raison de son impact financier significatif.

Alléger l’impôt sur le capital et l’impôt sur la fortune pour les PME à forte croissance

In der Herbstsession 2023 sprach sich der Nationalrat einstimmig für eine vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Immaterialgüterrechts aus. Ziel der Änderung war es, Kleinsendungen mit gefälschten Waren aus dem Online-Handel einfacher vernichten zu können. Dazu sollten einerseits neue Regelungen bezüglich der Vernichtung der potenziell gefälschten Waren eingeführt und andererseits Kompetenzen vom BAZG auf das IGE übertragen werden.
Die WBK-NR hatte sich in der Vorberatung ohne Vorbehalte für die Gesetzesänderung ausgesprochen und die Annahme der Gesetzesvorlage beantragt. Laut den Kommissionssprecherinnen Valérie Piller Carrard (sp, FR) und Lilian Studer (evp, AG) trägt die geforderte Anpassung des Immaterialgüterrechts dazu bei, wirtschaftliche Verluste durch Fälschungen zu verringern, die Zollbehörde zu entlasten und Konsumentinnen und Konsumenten vor gesundheitsschädlichen Fälschungen zu schützen. Der Nationalrat kam dem Antrag seiner Kommission ohne Gegenantrag nach, womit der Gesetzesentwurf an den Ständerat überwiesen wurde.

Bundesgesetz zur Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen (BRG 22.021)

In der Herbstsession 2023 behandelte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative von Balthasar Glättli (gp, ZH) mit der Forderung, Kriegsgewinne in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine mit einer sogenannten Windfall Profit Tax zu besteuern. Eine Mehrheit der WAK-NR hatte sich zuvor gegen Folgegeben ausgesprochen, wobei sie als Gründe technische Umsetzungsschwierigkeiten und unverhältnismässige Eingriffe in den Markt anfügte. Initiant Glättli meldete sich im Rat für die befürwortende Minderheit Michaud Gigon (gp, VD) zu Wort, die dem Nationalrat Folgegeben empfahl. Dabei verwies er auf das Beispiel Glencore: Das Unternehmen habe im letzten Jahr 25 Mal mehr Umsatz gemacht als in den Jahren zuvor – und sei damit nicht allein. Trotz dieses Votums sprach sich der Nationalrat mit 109 zu 75 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gegen Folgegeben aus. Befürwortet wurde der Vorstoss von der SP- und der Grünen-Fraktion sowie von einzelnen Mitgliedern der Grünliberalen und der Mitte.

Kriegsgewinne mit einer Windfall Profit Tax besteuern (Pa.Iv. 22.457)

Der Bundesrat stellte im Mai 2023 die Botschaft zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten vor. Mit dieser Änderung passte der Bundesrat das Abkommen an die Mindeststandards der OECD zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) an. Der Nationalrat genehmigte das DBA in der Herbstsession 2023 diskussionslos mit 136 zu 38 Stimmen (10 Enthaltungen). Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Doppelbesteuerung. Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (BRG 23.043)
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

In der Herbstession 2023 nahm der Nationalrat eine Motion Rechsteiner (mitte, AI) an, die forderte, dass Akquisitionen der Post innerhalb des Leistungsauftrag gehalten werden sollen. Der Motionär gab an, dass die Post plane, grosse Summen für neue Akquisitionen aufzuwenden, wobei sie bei grossen und potenziell risikoreichen Investitionen weitgehend freie Hand habe. Die Kontrolle über die Post durch das Postgesetz und den Leistungsauftrag im Bereich Akquisitionen sei folglich zu gering. Deshalb forderte er, dass die Eignerstrategie bezüglich der Post so angepasst wird, dass die Post den Bundesrat über grosse Investitionen informieren muss, dass neue Akquisitionen durch den Bundesrat genehmigt werden müssen und dass der Bundesrat die entsprechenden Parlamentskommissionen darüber in Kenntnis setzen muss.
Der Bundesrat empfahl die Ablehnung der Motion. Bundesrat Albert Rösti, welcher die Motion 2021 als Nationalrat noch mitunterzeichnet hatte, erklärte, dass grössere Investitionen und Akquisitionen das Wachstum der Post sichern würden und somit grundlegend für die Unternehmensstrategie seien. Die Post müsse den Bundesrat dabei regelmässig über die Einhaltung der strategischen Ziele informieren, was die Kontrollfunktion des Bundesrats bei Grossinvestitionen der Post bereits ausreichend sichere. Weiter würde die Motion den Corporate-Governance-Grundsätzen des Bundes widersprechen und zu unklaren Verantwortlichkeiten zwischen dem Bundesrat und der Unternehmensleitung führen. Dem bundesrätlichen Antrag auf Ablehnung der Motion folgten in der Folge nur die Mitglieder der SP-, der FDP- und der Grünen-Fraktion. Eine Mehrheit aus SVP-, Mitte- und GLP-Fraktion verhalf der Motion mit 94 zu 86 Stimmen bei 3 Enthaltungen zur Annahme, diese ging somit an den Ständerat.

Akquisitionen innerhalb des Leistungsauftrags halten (Mo. 21.4595)

Rückblick über die 51. Legislatur: Öffentliche Finanzen

Autorin: Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Im Bereich der öffentlichen Finanzen wird die 51. Legislatur insbesondere aufgrund der hohen entstandenen Defizite in den Bundesfinanzen in Erinnerung bleiben. So führten die Massnahmen gegen die Corona-Pandemie und gegen ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen in den Jahren 2020 und 2021 zu Rekorddefiziten von CHF 15.8 Mrd. respektive CHF 12.2 Mrd., und im Jahr 2022 fiel nochmals ein Defizit von CHF 4.3 Mrd. an. In der Folge verlängerte das Parlament unter anderem die Abbaufrist für diese Schulden, wodurch er sich erhoffte, auf grosse Sparprogramme in der kommenden Legislatur verzichten zu können. Dennoch schlug der Bundesrat für 2025 ein sogenanntes «Entlastungspaket» vor, um andere bereits gesprochene oder geplante Ausgabenerhöhungen abzufedern, etwa bei den Armeeausgaben, den Ausgaben für den Klimaschutz oder bei der familienergänzenden Kinderbetreuung.

Im Fokus standen in diesem Themenbereich ansonsten insbesondere die Unternehmenssteuern, namentlich das OECD/G20-Projekt zur Einführung einer Mindestbesteuerung für die Unternehmen. Nachdem schon länger über das Projekt diskutiert worden war, wurde dieses im Juni 2021 konkret: Zukünftig sollen Unternehmen, deren Muttergesellschaften in den am Projekt teilnehmenden Sitzstaaten nicht zu mindestens 15 Prozent besteuert werden, in anderen teilnehmenden Staaten um die entsprechende Differenz höher besteuert werden können. Um einen Abfluss der Steuergelder ins Ausland zu verhindern, erarbeitete der Bundesrat eine Verfassungsänderung zur Umsetzung dieser OECD-Mindestbesteuerung, die noch während der Legislatur von der Stimmbevölkerung mit 78 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen wurde.

Wie in der vorangegangenen Legislatur blieb aber auch die Besteuerung der natürlichen Personen Thema: Gleich zu Beginn der Legislatur wies der Nationalrat den bundesrätlichen Vorschlag für eine «ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung» an die Regierung zurück, da dieser den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht genügend Rechnung trage. In der Folge wurden die Anstrengungen zur Einführung einer Individualbesteuerung intensiviert, etwa durch eine entsprechende Forderung in der Legislaturplanung 2019–2023. Im Mai 2022 präsentierte der Bundesrat schliesslich erste Eckwerte für eine spätere Botschaft. Die Einführung der Individualbesteuerung forderte auch eine Volksinitiative, die 2022 zustande kam, sowie thematisch ähnliche parlamentarische Vorstösse.

Üblicherweise diskutiert das Parlament im Themenbereich der öffentlichen Finanzen am ausführlichsten über die jährlichen Voranschläge, also über das Bundesbudget. Dies ist insofern naheliegend, als es (fast) nie um höhere Beträge geht als in den jeweils in der Wintersession diskutierten Voranschläge. Tatsächlich finden sich auch in der aktuellen Legislatur die Bundesbudgets der Jahre 2023, 2022, 2021 und 2020 auf den vorderen Rängen der am intensivsten diskutierten Geschäfte in diesem Themenbereich. Im Voranschlag 2023 plante der Bundesrat beispielsweise Einnahmen und Ausgaben in der Höhe von CHF 80.3 Mrd. respektive CHF 76.6 Mrd. Am meisten finanzpolitische Redezeit widmete das Parlament in dieser Legislatur jedoch dem Nachtrag I zum Voranschlag 2023, bei dem es insbesondere um zwei Verpflichtungskredite in der Höhe von CHF 109 Mrd. im Rahmen der Übernahme der CS durch die UBS ging. Nach langwierigen Debatten lehnte der Nationalrat eine nachträgliche Bestätigung der von der FinDel bereits bevorschussten Kredite ab – jedoch wohl ohne rechtliche Konsequenzen, da der Bundesrat nach der Bevorschussung bereits rechtlich bindende Verträge eingegangen war und die UBS die Sicherheiten noch im Sommer 2023 ungenutzt kündigte.


Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Öffentliche Finanzen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Verkehr und Kommunikation

Autorinnen und Autoren: Bernadette Flückiger, Marco Ackermann, Nik Bieri und Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Auch der Verkehrsbereich – insbesondere der öffentliche Verkehr und der Flugverkehr – war in der 51. Legislatur stark durch die Covid-19-Pandemie geprägt. Nachdem der Bundesrat Mitte März 2020 die ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz ausgerufen, einen Lockdown mit Homeoffice und Schliessung der Läden verfügt sowie die Landesgrenzen geschlossen hatte, brach die Nachfrage im öffentlichen Verkehr sowie im Flugsektor weg. In der Folge dünnten die Verkehrsbetriebe ihre Fahrpläne sehr stark aus, während der Flugverkehr – abgesehen von einigen Flügen, mit denen im Ausland gestrandete Schweizerinnen und Schweizer nach Hause geholt wurden – zeitweise fast vollständig eingestellt wurde. Dadurch gerieten ÖV und Luftfahrt in grosse finanzielle Schwierigkeiten, auf die der Bundesrat für den ÖV mit zwei Notkrediten in der Höhe von CHF 900 Mio. und CHF 215 Mio. sowie für die Luftfahrtunternehmen und die luftnahen Betriebe mit Nachtrags- und Verpflichtungskrediten in der Höhe von CHF 1.3 Mrd. und CHF 1.2 Mrd. sowie mit dazugehörigen Gesetzesänderungen reagierte. Insbesondere nach Ende der Pandemie stiegen die Nutzendenzahlen in beiden Branchen jedoch wieder deutlich an.

Am meisten parlamentarische Aufmerksamkeit im Themenbereich «Verkehr» erhielt in der 51. Legislatur gemessen an der Anzahl gesprochener Wörter die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes. Damit hatte der Bundesrat unter anderem beabsichtigt, die Planungssicherheit der Transportunternehmen bei der Aushandlung der Angebotsvereinbarungen im regionalen Personenverkehr zu verbessern. Das Parlament diskutierte zahlreiche inhaltliche Aspekte bis in die Einigungskonferenz, etwa die Frage, welcher Teil der Gewinne wie bisher einer Spezialreserve zugewiesen werden soll. Dabei wurde mehrfach auf den Postautoskandal verwiesen, der überdies auch aufgrund der Untersuchungen im Nachgang immer wieder Thema war.

Zwar leicht weniger Diskussionen im Parlament, medial wohl aber deutlich mehr Aufmerksamkeit erhielt die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, bei dem es unter anderem um eine Reduktion der Treibhausgasemissionen, um neue Regelungen zu selbstfahrenden Autos und um die Stärkung der Verkehrssicherheit ging. Am umstrittensten war hingegen die im Rahmen des Via-Sicura-Massnahmenpakets beschlossene Entschärfung gewisser Regelungen, die ursprünglich als Reaktion auf die in der Folge zurückgezogene Raser-Initiative beschlossen worden waren. Nach einer Referendumsdrohung gegen die Abschwächung besagter Regelungen krebste das Parlament noch während der Bereinigung der Vorlage zurück und verschärfte die von ihm zuvor abgeschwächten Regelungen wieder. Der motorisierte Strassenverkehr war überdies zwar weniger stark von der Covid-19-Pandemie betroffen als die anderen Verkehrszweige, dafür umso stärker vom Anstieg der Energiepreise als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. In der Folge wurden erfolglos zahlreiche Entlastungsmassnahmen für die Autofahrenden gefordert. Für die Zukunft plante der Bundesrat schliesslich einen Ausbau der Nationalstrassen: Im «Ausbauschritt 2023» standen vor allem fünf Projekte mit einem Gesamtumfang von rund CHF 4.4 Mrd. für den Autobahnausbau im Zentrum. Der Nationalrat erhöhte diesen Kredit gar auf CHF 5.3 Mrd. Auch der Ausbau des Bahn-Fernverkehrsnetzes befand sich gegen Ende der 51. Legislatur in Planung, die parlamentarische Beratung dazu wird wohl aber erst in der neuen Legislatur beginnen.

Doch nicht nur bei den Strassen, auch bei den Velowegen soll gebaut werden: Im September 2018 hatte die Schweizer Stimmbevölkerung dem direkten Gegenentwurf zur Velo-Initiative zugestimmt, zu dessen Umsetzung das Parlament ein neues Veloweggesetz verabschiedete. Damit soll der Bund die Kantone beim Vollzug unterstützen und die Koordination und Information über die Velowegnetze fördern können, um so zu einer Entflechtung des Verkehrs beizutragen. Die Kantone sollen neu zur Planung und Erstellung der Velowegnetze verpflichtet werden, wobei sie alle Teile des Netzes, die nicht den Sicherheits- und Attraktivitätsstandards entsprechen, ersetzen müssen.

Während sich der Ständerat in Sachen Sicherheit und Streckenführung der Velowege der strengeren Version des Nationalrates anschloss, konnte sich der Ständerat bei der Problematik des Ersatzes von alten Velowegen durchsetzen. Hierbei wurde festgelegt, dass zukünftig bei einem Ersatz das öffentliche Interesse und die örtlichen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen.

Im Themenbereich «Kommunikation» stand der Mobilfunkstandard 5G und Protestaktionen dagegen im Zentrum. Auch verschiedene Berichte, ein neu geschaffenes NIS-Monitoring, eine umweltmedizinische Beratungsstelle, eine Harmonisierung im Vollzug sowie eine Intensivierung der Forschung – mit denen der Bundesrat den Ängsten in der Bevölkerung begegnen wollte – konnte die von Teilen der Bevölkerung empfundene Skepsis gegen 5G nicht gross mindern. Lanciert wurde auch die sogenannte Saferphone-Initiative, die tiefe Strahlengrenzwerte und eine grundsätzliche Versorgung von Wohn- und Geschäftshäusern mit Fernmeldediensten über das Kabelnetz erreichen wollte, aber im Dezember 2022 zurückgezogen wurde. Im Parlament scheiterten auch Standesinitiativen für ein Moratorium für den Aufbau des 5G-Millimeterwellennetzes. Nach längeren Diskussionen erhöhte der Bundesrat im Dezember 2022 schliesslich die Hochbreitbandgeschwindigkeit in der Schweiz von 10 Mbit/S auf 80 Mbit/S.

Im Bereich des «Service public» stand schliesslich die Post aufgrund von Filialschliessungen und der Frage nach der Grundversorgung im Zentrum des Interesses.


Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Im Sommer 2023 schrieb der Ständerat ein Postulat Noser (fdp, ZH) betreffend die Resilienz der Schweizer Unternehmen in Rahmen der Botschaft des Bundesrates über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 ab. Der Bundesrat hatte Ende 2022 einen entsprechenden Bericht zur Stärkung der Risikovorsorge von Unternehmen veröffentlicht.

Renforcer la résistance des entreprises suisses (Po. 20.3544)
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen

Im September 2022 reichte Balthasar Glättli (gp, ZH) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er Kriegsgewinne in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine mit einer sogenannten Windfall Profit Tax besteuern wollte. «Deutliche Übergewinne», die insbesondere in Energieproduktion und Energiehandel, Rohstoffhandel und Rüstungsproduktion zu finden seien, sollten gemäss Initiant durch eine temporäre Übergewinnsteuer auf Bundesebene abgeschöpft werden. Damit sollen die «deutlichen Mehrausgaben» der öffentlichen Hand, etwa durch mögliche Unterstützungsmassnahmen aufgrund des Anstiegs der Energiepreise oder durch eine Beteiligung der Schweiz am Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden. Die WAK-NR beantragte mit 15 zu 10 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben, da eine solche Steuer die «Marktmechanismen erheblich stören würde» und technisch schwierig umzusetzen wäre. Eine Minderheit Michaud Gigon (gp, VD) verwies indes auf andere Länder mit einer solchen Steuer, auf entsprechende Forderungen beispielsweise von UNO-Generalsekretär Guterres sowie auf die Gefahr eines Reputationsschadens für den Wirtschaftsstandort Schweiz durch hohe Gewinne der entsprechenden Unternehmen.

Kriegsgewinne mit einer Windfall Profit Tax besteuern (Pa.Iv. 22.457)

In der Sondersession vom Mai 2023 lehnte der Nationalrat mit 115 zu 71 Stimmen bei einer Enthaltung ein Postulat Badran (sp, ZH) ab, welches die Prüfung eines neuen Leistungsauftrags für die Postfinance forderte. Im Zentrum des Prüfauftrags sollte die Transformation der Postfinance in eine Klimabank stehen: Die Postulantin stellte sich einen zusätzlichen Leistungsauftrag vor, gemäss dem die Postfinance Wirtschaft und Haushalte mit Krediten und Hypotheken für Investitionen in den Klimaschutz versorgen sollte. Im Rahmen der mittlerweile abgeschlossenen Debatte bezüglich einer Teilprivatisierung der Postfinance sei eine Erlaubnis zur Vergabe von Hypotheken und Krediten diskutiert worden. Gleichzeitig hätten private und investierende Personen aber Schwierigkeiten, diese zu erhalten. Im Bereich von privaten Investitionen in energetische Sanierungen und Infrastrukturen liege somit ein Marktversagen vor. Anstatt dass die Postfinance also den Weg in einen Bereich einschlage, in welchem es bereits zu viele Banken gebe, könne ihr mit der Übergabe dieses Service-Public-Leistungsauftrags eine sinnvolle Zukunft gegeben werden, so die Postulantin. Umweltminister Albert Rösti legte die ablehnende Haltung des Bundesrats dar und widersprach: In der von Badran angesprochenen Revision des Postorganisationsgesetzes hatte die Landesregierung kein Marktversagen bei Krediten und Hypotheken im Klimabereich festgestellt und einen entsprechenden Ausbau der Postfinance daher verworfen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Alternative war in der Folge vom Parlament gemeinsam mit der POG-Revision abgelehnt worden, da es zunächst einmal generell die Zukunft der postalischen Grundversorgung diskutieren wollte. Nach der Festlegung der künftigen Strategie der Post sowie ihres Auftrags zur Grundversorgung soll die Frage zur Postfinance noch einmal gestellt und neu beantwortet werden, betonte der Bundesrat abschliessend.

Klimabank. Postfinance mit neuem Leistungsauftrag, Wirtschaft und Haushalte mit Krediten und Hypotheken für Investitionen in den Klimaschutz zu versorgen (Po.21.3825)

Eine Motion der FDP.Liberale-Fraktion «Fortführung der Modernisierung der Post» passierte den Nationalrat in der Sondersession im Mai 2023 äusserst knapp mit 95 zu 94 Stimmen bei null Enthaltungen. Zwei Ja-Stimmen aus der ansonsten ablehnenden Mitte-Fraktion bildeten das «Zünglein an der Waage» und verhalfen der Motion zum Durchbruch. Die Fraktionen der FDP, der SVP und der GLP stimmten geschlossen für eine Annahme des Anliegens, jene der SP und Grünen ebenso geschlossen dagegen.
Die Motion verlangte, dass die Schweizerische Post auch in Zukunft ihren Grundversorgungsauftrag aus eigener Kraft finanzieren kann. Das Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit solle deshalb in der Strategie für die Jahre 2025-2028 verankert werden und diese damit an die Strategie «Post von morgen» für die Jahre 2021-2024 anknüpfen. Fragen betreffend die Postfinace, insbesondere was die Aufhebung des Kredit- und Hypothekarverbots und die Privatisierung betrifft, seien andernorts diskutiert worden und sollen in diesem Zusamenhang nicht erneut aufgegriffen werden. Kurt Fluri (fdp, SO) argumentierte im Rat, dass die Post mit diesem Grundprinzip Spielraum erhalte, sich zu transformieren und den neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Alternative zum Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit seien Subventionen, welche wohl niemand begrüsse. Im Namen des Bundesrates beantragte Albert Rösti, die Motion abzulehnen. Der Grundversorgungsauftrag der Post müsse im Rahmen der Änderung des Postgesetzes angepasst werden und die vorliegende Motion solle diesen Diskussionen und Entscheiden nicht vorgreifen.
Ob dennoch bereits ein Entscheid gefällt werden soll, wird nach dem knappen Votum im Nationalrat nun der Ständerat als Zweitrat entscheiden müssen.

Fortführung der Modernisierung der Post (Mo. 21.3739)
Dossier: Poststellennetz und strategische Ausrichtung der Post

Kleinsendungen mit gefälschten Waren aus dem Online-Handel sollten künftig einfacher vernichtet werden können, um administrative Prozesse am Zoll zu erleichtern. Das war das erklärte Ziel einer im Frühling 2023 vom Bundesrat präsentierten Botschaft für eine Änderung im Immaterialgüterrecht. Durch die Zunahme des Online-Handels habe das BAZG vermehrt aufwändige Arbeiten im Zusammenhang mit Fälschungen in Kleinsendungen zu erledigen. Rechteinhaberinnen und -inhaber – meist Unternehmen, welche die Rechte an einer Marke oder einem Produkt besitzen – konnten mit dem Instrument der Hilfeleistung beim BAZG beantragen, dass verdächtige Waren am Zoll zurückbehalten werden. Eine Fristenregelung im bestehenden Recht führte allerdings dazu, dass solche Waren faktisch erst vernichtet werden konnten, wenn die Rechteinhaberinnen und -inhaber bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet haben. Ein solches gerichtliches Verfahren wäre nötig gewesen, falls sich die Bestellenden einer Vernichtung der Fälschung widersetzt hätten. Für diese Vorbereitungen waren aufseiten der Unternehmen und des BAZG erhebliche administrative Arbeiten notwendig. Da sich in den allermeisten Fällen die Empfängerinnen und Empfänger jedoch einer Vernichtung nicht widersetzten – es waren weniger als fünf Prozent der Betroffenen –, sollen die Waren nach einem neuen Verfahren automatisch vernichtet werden, wenn sich die Bestellenden nicht innert einer bestimmten Frist beim BAZG dagegen wehren. Eine Mitteilung an die Rechteinhaberinnen und -inhaber über eine zurückbehaltene Ware sollte nur noch dann erfolgen, wenn sich die Bestellenden einer Vernichtung widersetzen. Ein gerichtliches Verfahren müsste demnach auch nur in letzteren Fällen eingeleitet werden. Über die direkt vernichteten Waren sollten die Rechteinhaberinnen und -inhaber zudem periodisch und zusammengefasst informiert werden. Um das BAZG zu entlasten und die nichtzollrechtlichen Erlasse zu standardisieren, sollte schliesslich künftig das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum IGE für die administrativen Arbeiten nach dem Aufgriff der Sendung durch das BAZG zuständig werden.

In der Vernehmlassung, welche von Januar bis April 2020 stattgefunden hatte, waren die bundesrätlichen Pläne zur Senkung der administrativen Aufwände grundsätzlich gut angekommen. Zuspruch hatte auch die Bestimmung gefunden, wonach Rechteinhaberinnen und -inhaber zwischen dem bestehenden und dem neuen automatisierten Verfahren wählen können. Kritisiert worden war hingegen etwa vonseiten economiesuisse und scienceindustries die Bestimmung, wonach Rechteinhaberinnen und -inhaber gegenüber Bestellenden im Falle einer unbegründeten Vernichtung der Ware ein Haftungsrisiko tragen, umgekehrt die Bestellenden aber kein Haftungsrisiko eingehen. Um dieses Risiko zu verringern, sah der Bundesrat in seiner Botschaft vor, dass eine Vernichtung der Ware frühstens drei Monate nach der Mitteilung über die zurückbehaltene Ware erfolgen kann. In der Vernehmlassung war des Weiteren von der CVP, economiesuisse und scienceindustries gefordert worden, dass die periodischen Sammelmitteilungen mehr Informationen enthalten. Der Bundesrat wollte deshalb bei den vernichteten Waren über die Absender im In- und Ausland sowie über weitere durch das BAZG bereits protokollierte Daten berichten, jedoch keine Auskunft über die Personen erteilen, die die Waren bestellt haben, wie es economiesuisse gefordert hatte. Es sollte demnach «keine Kriminalisierung» der Bestellenden stattfinden, erklärte die Landesregierung. Ein Anspruch auf Schadenersatz der Antragsstellenden soll damit ausgeschlossen bleiben, solange sich die Bestellenden der Vernichtung der gefälschten Waren nicht widersetzen.

Bundesgesetz zur Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen (BRG 22.021)

Mitte März 2023 legte der Bundesrat den Bericht zum Postulat von Andri Silberschmidt (fdp, ZH) vor, in dem die Ausübung des Stimmrechts aus dem Ausland untersucht wurde. Gemäss Postulat war zu prüfen, wie der Versand des Stimmmaterials an Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer funktioniert und ob die Stimmabgabe vereinfacht werden könnte. Rund 214'000 Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland ihren Wohnsitz haben, waren 2022 in einem Stimmregister eingetragen und entsprechend stimmberechtigt. Der postalische Weg der Stimmabgabe verhindert – abhängig etwa von der Leistung der Postsysteme im Ausland – ab und zu die rechtzeitige Abgabe der Stimme, was laut Bericht immer wieder vor allem zu Interpellationen führe.
Die Resultate des Berichts basierten unter anderem auf einer Befragung der im Ausland wohnhaften Stimmberechtigten aus fünf Kantonen (AG, FR, GE, LU, TI). Diese habe gezeigt, dass «die Stimmunterlagen bei einer überwiegenden Mehrheit» der Befragten rechtzeitig einträfen. In Europa wohnhafte Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erhielten das Stimmmaterial häufig gar noch vor den in der Schweiz wohnhaften Stimmberechtigten. Einzig in weiter entfernten Ländern (Australien, Neuseeland, Philippinen, Südafrika und Uruguay) komme es zu «Unzulänglichkeiten bei der Zustellung der Unterlagen». Die getesteten Optionen für eine Beschleunigung des Versands (z.B. Vorverlegung des Versands, Kurierdienste, Versand an Adresse in der Schweiz, Stimmabgabe durch Stellvertretung, E-Versand) seien weniger vielversprechend als E-Voting, das auch deshalb weiterverfolgt werden solle, so der Bericht.

Stärkung der Partizipation von Auslandschweizern und Auslandschweizerinnen (Po. 20.4348)

Im März 2023 wurde die Motion Juillard (mitte, JU) zur Beibehaltung des bisherigen Systems beim Hausservice der Post abgeschrieben, da sie nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt worden war. Eine ähnlich lautende Motion von Pierre-Alain Fridez (sp, JU; Mo. 21.3133), welche sich desselben Problems annahm, wurde im März desselben Jahres im Nationalrat abgelehnt. Beide Motionen waren damit erledigt.

Hausservice der Post. Beim ursprünglichen System bleiben, um einen Dienstleistungsabbau, der die gesamte Bevölkerung betrifft, zu vermeiden und um die digitale Kluft zwischen den Generationen nicht zu vergrössern (Mo. 21.3054)
Dossier: Hausservice der Post
Dossier: Poststellennetz und strategische Ausrichtung der Post

Mit der Forderung, dass der Zugang zum Hausservice der Post auch ohne eine digitale Anmeldung möglich bleiben soll, sah sich in der Frühjahrssession der Nationalrat konfrontiert. Pierre-Alain Fridez (sp, JU) argumentierte in seiner Motion, dass durch die Aufhebung der Poststellen und der Postagenturen in vielen Regionen insbesondere ältere Menschen den Zugang zum Angebot der Post verloren hätten. Die bisherige Lösung, wonach durch ein «einfaches Anbringen eines Steckschildes am Briefkasten» die Pöstlerin oder der Pöstler für den Hausservice vorbeikomme, sei per 1. März 2021 «kurz und bündig durch eine Kontaktaufnahme via Internet oder Telefon ersetzt» worden. Diese Entscheidung der Post sei für ältere Menschen in Randregionen eine «nicht akzeptable Bestrafung», da diese den Dienst nicht via Internet bestellen könnten, so der Jurassier.
Der Bundesrat betonte in seiner Stellungnahme die Vorteile des digital planbaren Hausservice, erkannte aber auch die Nachteile der Massnahme für ältere Generationen. Er erklärte, dass die Post keine «digitale Kluft» zwischen den Generationen entstehen lassen möchte. Weniger technologieaffine Generationen könnten den Hausservice deshalb mit einem kostenlosen Bestellstift oder über die Telefon-Direktnummer anfordern. Die Motion sei aufgrund dieser bestehender Möglichkeiten abzulehnen.
Im März 2023 folgte die grosse Kammer dem Bundesrat und lehnte die Motion mit 117 zu 66 Stimmen ab.

Analoger Zugang zum Hausservice der Post (Mo. 21.3133)
Dossier: Hausservice der Post
Dossier: Poststellennetz und strategische Ausrichtung der Post

Im März 2023 stand die Standesinitiative des Kantons Jura zur Verbesserung des Poststellennetzes erneut auf der Traktandenliste des Ständerats. Stillschweigend verlängerte die kleine Kammer die Frist für die Ausarbeitung einer Vorlage zur Erfüllung der Initiative um weitere zwei Jahre bis zur Frühjahrssession 2025. Kommissionssprecher Hans Wicki (fdp, NW) erläuterte im Rat, dass das UVEK und das BAKOM derzeit an der Ausarbeitung zweier Berichte zur Weiterentwicklung der postalischen Grundversorgung arbeiteten. Zudem verwies der Freisinnige auf den Bericht der Fachgruppe Egerszegi, welcher sich mit derselben Thematik beschäftige. Für eine «korrekte Behandlung der Kantonsinitiative» wolle die Kommission deshalb die «richtungsgebenden Entscheide betreffend die Weiterentwicklung der postalischen Grundversorgung abwarten», wie sie in ihrem Bericht vom Januar 2023 schrieb.

Verbesserung des Poststellennetzes (Kt.Iv. 17.314)
Dossier: Poststellennetz und strategische Ausrichtung der Post

Nach dem Ständerat beantragte auch eine Mehrheit der WAK-NR im November 2022 mit 14 zu 10 Stimmen, der Standesinitiative des Kantons Jura zur Besteuerung der GAFAM-BATX-Riesen keine Folge zu geben. Die Kommission argumentierte, dass ein «unilaterales Vorgehen der Schweiz» in diesem Bereich nicht zielführend sei und eine Lösung im Rahmen der OECD gesucht werden müsse. Eine linke Minderheit wollte hingegen die «ungleichen Spiesse» zwischen Schweizer Firmen und digitalen Grossunternehmen ausmerzen, ohne eine internationale Lösungsfindung abzuwarten.
In der Frühjahrssession 2023 folgte der Nationalrat mit 109 zu 68 Stimmen der Kommissionsmehrheit und lehnte die Standesinitiative ebenfalls ab. Sie war damit erledigt.

Internetgiganten besteuern (Kt. Iv. JU 21.306)

Wertpapiere werden zum Verkehrswert versteuert, so legt es das StHG fest – nicht einheitlich geregelt war jedoch bis 2008, wie der Verkehrswert von Wertpapieren berechnet wird. Über die Schweizerische Steuerkonferenz legten die Steuerverwaltungen 2008 eine Berechnungsmethode für alle nicht kotierten Unternehmen fest. SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz (GE) störte sich im Dezember 2021 jedoch an dieser Regelung und spezifisch daran, dass bei einem Verkauf von nicht kotierten Wertpapieren der Kaufpreis als Verkehrswert gilt. Dies sei insbesondere dann problematisch, wenn die Gewinne eines Unternehmens nach dem Verkauf der Wertpapiere sinken – in diesem Fall würden Aktionärinnen und Aktionäre von kleinen Unternehmen für Vermögen besteuert, das sie nicht hätten, kritisierte Amaudruz die Praxis. Neu soll der Verkehrswert für diese Fälle deshalb dem Buchwert des Unternehmens entsprechen, forderte die Initiantin. Damit soll die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gewährleistet werden. Die vorberatende WAK-NR war hingegen der Ansicht, dass eine solche Anpassung der Berechnungsmethode die tatsächlichen Vermögenswerte verzerrt abbilden würde und es zur Unterbesteuerung und zu Mindereinnahmen für die Kantone käme, legte Kommissionssprecher Samuel Bendahan (sp, VD) dar. Die Kommissionsmehrheit sehe in diesem Bereich zwar ebenfalls Handlungsbedarf, wolle vor der Planung eines eigenen Vorstosses aber erst betroffene Kreise anhören. Eine Kommissionsminderheit Aeschi (svp, ZG) stellte sich hinter die Argumentation der Initiantin und beantragte, der Initiative Folge zu geben. Der Nationalrat sprach sich in der Frühjahrssession 2023 mit 132 zu 58 Stimmen bei 2 Enthaltungen schliesslich gegen Folgegeben aus.

Der Verkehrswert von nichtkotierten Wertpapieren soll dem Buchwert des Unternehmens entsprechen (Pa.Iv. 21.520)

Mittels einer im Dezember 2021 eingereichten parlamentarischen Initiative forderte Judith Bellaïche (glp, ZH) den Anwendungsbereich des Postgesetzes zu präzisieren. Die GLP-Nationalrätin störte sich daran, dass Lieferdienste für schnell verderbliche Produkte nicht explizit vom Postgesetz ausgeschlossen sind, obwohl sie Leistungen ausserhalb der Grundversorgung erbrächten und somit in keiner Konkurrenz zur Post stünden. Entsprechend sollten solche Lieferdienste auch nicht der Meldepflicht gemäss Postgesetz unterstehen, so Bellaïche. Unternehmen, die dieser Meldepflicht unterstehen, sind unter anderem dazu verpflichtet, die Einhaltung der branchenüblichen Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, und sie müssen mit den Personalverbänden Verhandlungen über einen GAV führen.
Die KVF-NR befasste sich im Januar 2023 mit der Initiative und gab ihr mit 16 zu 9 Stimmen Folge. Sie vertrat mehrheitlich die Ansicht, dass Klärungsbedarf bestehe, welche Anbieter unter die Meldepflicht gemäss Postgesetz fallen und welche nicht. Zudem stimmte die Kommission der Initiantin zu, dass die derzeit bestehende Auslegung des Gesetzes die Lieferdienste, welche Expresssendungen anbieten, wirtschaftlich einschränke, obwohl sie nicht im Bereich der postalischen Grundversorgung operierten.

Anwendungsbereich des Postgesetzes. Präzisierung (Pa. Iv. 21.505)

Jahresrückblick 2022: Öffentliche Finanzen

Während die Covid-19-Pandemie im Jahr 2022 allgemein an Virulenz verloren hatte, blieb sie für den Politikbereich «Öffentliche Finanzen» sehr zentral. Im Zentrum stand die Frage, wie die bis Ende 2022 auf CHF 26 Mrd. angewachsenen pandemiebedingten, ausserordentlich verbuchten Schulden abgebaut werden sollen. Zwar hatten Parlamentsmitglieder verschiedene Vorschläge unterbreitet, mit einer Änderung des Finanzhaushaltgesetzes entschieden die Räte jedoch, dem Bundesrat zu folgen, die Abbaufrist um sechs Jahre zu verlängern und die Schulden durch die zukünftigen Kreditreste sowie allfällige Zusatzausschüttungen der SNB abzubauen.
Die Covid-19-Pandemie war jedoch nicht nur bei der Frage des Schuldenabbaus 2022, sondern bei vielen anderen Debatten zu den öffentlichen Finanzen immer wieder Thema. So behandelte das Parlament zahlreiche Vorstösse, die zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 eingereicht worden waren und nun entweder behandelt oder aber unbehandelt abgeschrieben werden mussten. Folglich debattierte das Parlament über parlamentarische Vorschläge zur steuerlichen Unterstützung der von der Pandemie besonders stark betroffenen Unternehmen, zum Beispiel durch einen zwölfmonatigen Mehrwertsteuererlass oder eine Mehrwertsteuerreduktion für die betroffenen Betriebe oder durch einen Abzug für Eigenfinanzierung bei der Unternehmenssteuer. Auch Vorstösse zur Finanzierung der Covid-19-Massnahmen – etwa mittels Streichung sämtlicher Zahlungen ans Ausland, wie zum Beispiel der zweiten Kohäsionsmilliarde, durch höhere Ausschüttungen der SNB oder durch neue Steuern, etwa in Form eines Solidaritäts-Zuschlags auf Dividenden und Kapitaleinlagereserven oder durch eine solidarische Steuer auf grossen Vermögen – wurden diskutiert, aber allesamt abgelehnt.

Noch immer zentral war Covid-19 auch in der im Sommer 2022 beratenen Staatsrechnung 2021, zumal die Pandemie erneut zu einem rekordhohen Defizit von CHF 12.2. Mrd. geführt hatte. Und obwohl Covid-19 in der Zwischenzeit stark an Intensität eingebüsst hatte, stritten National- und Ständerat im Rahmen des Nachtrags Ib zum Voranschlag 2022 erneut relativ heftig um die Finanzierung einzelner Covid-19-Massnahmen. Deutlich weniger stark von der Pandemie geprägt als in den zwei Jahren zuvor war hingegen der Voranschlag 2023: Statt mehrerer Milliarden sah der Bundesrat nur noch CHF 410 Mio. zur Pandemiebekämpfung vor, die neu ordentlich verbucht sowie teilweise durch die Kantone gegenfinanziert werden sollten. Stattdessen liessen nun der gestiegene Zahlunsbedarf für Schutzsuchende aus der Ukraine sowie die Erhöhung der Armeeausgaben die Gesamtausgaben ansteigen.

Zweites grosses Thema im Politikbereich der öffentlichen Finanzen war im Jahr 2022 die OECD-Mindestbesteuerung. Der Bundesrat veröffentlichte im Juni 2022 seine Botschaft dazu, in der er eine Verfassungsänderung vorschlug, um die Mindestbesteuerung beruhend auf einer befristeten Verordnung per Januar 2024 einführen zu können. Umgesetzt werden soll die Mindestbesteuerung durch eine Ergänzungssteuer, die dann anfällt, «wenn eine in der Schweiz tätige Unternehmensgruppe die Mindestbesteuerung in der Schweiz oder im Ausland nicht erreicht». Umstritten war im Parlament vor allem die Frage, welcher Anteil dieser Zusatzeinnahmen an den Bund und welcher an die Kantone gehen soll. In der Wintersession einigten sich die Räte darauf, 75 Prozent der Einnahmen den Kantonen zukommen zu lassen, diskutiert worden waren aber auch zahlreiche weitere Varianten. In den Medien wurde darüber diskutiert, ob es aufgrund dieser höheren Unternehmensbesteuerung Massnahmen zum Erhalt der Steuerattraktivität der Schweiz brauche. Der Nationalrat wollte entsprechende Massnahmen untersuchen lassen und nahm dazu ein Postulat an, das eine Strategie zum Erhalt der Attraktivität der Schweiz im Rahmen der OECD-Mindestbesteuerung forderte. Die grossen grundsätzlichen Diskussionen zur Mindestbesteuerung, welche die Medien im Vorjahr noch geführt hatten, blieben im Jahr 2022 aber aus, wie auch Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2022 verdeutlicht.

Darüber hinaus begann der Nationalrat die Beratung der neusten Mehrwertsteuerrevision, die grösstenteils auf eine Vereinfachung der Mehrwertsteuer abzielte. Für einige Diskussionen wird im kommenden Jahr wohl auch die Erhöhung der Abzüge für Krankenkassenprämien im DBG sorgen, auf die der Ständerat in der Wintersession aufgrund der drohenden Steuerausfälle von CHF 400 Mio. jährlich nicht eintrat . Erstmals behandelt wurde zudem die Tonnagesteuer auf Seeschiffe, mit welcher der Bundesrat und die Mehrheit des Nationalrats die Steuerbelastung für Seeschifffahrtsunternehmen senken und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in diesem Bereich erhöhen wollten. Schliesslich kam im Oktober die Initiative «für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» zustande, gemäss der zukünftig alle Personen unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert werden sollen.

Jahresrückblick 2022: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2022