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In Erfüllung des von Marcel Dobler (fdp, SG) übernommenen Postulats Vitali (dfp, LU) veröffentlichte der Bundesrat im Herbst 2023 einen Bericht, in dem er allfälligen Handlungsbedarf zur Verbesserung der Verhältnismässigkeit im BÜPF prüfte. Das Postulat hatte Massnahmen gefordert, um die Umsetzung der Überwachungsmassnahmen für Anbieterinnen von Dienstleistungen im Fernmeldebereich (FDA) verhältnismässig ausfallen zu lassen. Der Bundesrat hielt fest, dass die rechtlichen Grundlagen für den Schutz von kleinen und mittleren Anbieterinnen vor teuren Investitionen ausreichend seien, denn das BÜPF auferlege den FDA lediglich umfassende Auskunfts- und Überwachungspflichten und ermögliche es insbesondere KMU, sich von der Pflicht zur aktiven Überwachungsbereitschaft zu befreien. Nur Duldungspflichten hätten zudem Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste (AAKD), welche beispielsweise Apps zur Videotelefonie oder Nachrichtenübermittlung anbieten. Der Bundesrat schloss daraus, dass auf Gesetzesstufe kein Handlungsbedarf bestehe und lehnte den Vorschlag des Postulats ab, die AAKD vom BÜPF auszuschliessen. Dies hätte schwerwiegende Folgen für die Strafverfolgung und die öffentliche Sicherheit, so die Einschätzung der Regierung. Sie sehe jedoch in der Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (VÜPF) Handlungsbedarf. Dort sollen anlässlich einer laufenden Revision die Kriterien für die Pflichtenreduktion von FDA sowie die erweiterten Pflichten der AAKD angepasst und überdies überprüft werden, ob eine ebensolches «Up- und Downgrade» auch automatisch erfolgen könne, um die finanziellen Kosten für KMU gering zu halten.

Für ein verhältnismässiges Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Po. 19.4031)

Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung

Im Jahr 2022 standen im Themenbereich Rechtsordnung mehrere grosse zivil- und strafrechtliche Gesetzesrevisionen auf der Agenda, so etwa die beiden langjährigen Grossprojekte zur Verbesserung der Praxistauglichkeit der Straf- und der Zivilprozessordnung. Beide Gesetze waren in den 2000er-Jahren geschaffen worden, um die bis dahin verschiedenen kantonalen Verfahrensregeln schweizweit zu vereinheitlichen. Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten wurden die beiden Prozessordnungen – nicht zuletzt in Reaktion auf zahlreiche parlamentarische Vorstösse – einer Gesamtschau unterzogen und wo nötig überarbeitet.

Bei der Revision der Strafprozessordnung, die im Sommer 2022 abgeschlossen wurde, blieb der ganz grosse Wurf nach umfangreichen Debatten letztlich aus. Mit seinem Hauptanliegen, der Einschränkung der Teilnahmerechte, konnte der Bundesrat nicht beide Parlamentskammern überzeugen, weshalb die heutige Regelung bis auf Weiteres unverändert bestehen bleibt. Die Regierung hatte mit der Möglichkeit, Beschuldigte unter gewissen Umständen von den Einvernahmen mitbeschuldigter Personen auszuschliessen, verhindern wollen, dass mehrere Beschuldigte ihre Aussagen einander anpassen können. Das in der juristischen Praxis festgestellte Problem, das gemäss Bundesrätin Karin Keller-Sutter einer der Hauptauslöser für die Vorlage gewesen war, blieb damit ungelöst. Dennoch wurden an der Strafprozessordnung viele punktuelle Neuerungen vorgenommen, etwa bei den Grundlagen zur Erstellung von DNA-Profilen oder bei den Verfahrensrechten. Das vom links-grünen Lager aufs Tapet gebrachte Konzept der restaurativen Gerechtigkeit wurde zwar im Zuge dieser Revision noch abgelehnt, ist aber damit nicht vom Tisch: Mit der Annahme einer entsprechenden Motion der RK-SR beauftragten die eidgenössischen Räte den Bundesrat, eine Gesetzesgrundlage zur Verankerung der «justice restaurative» in der Strafprozessordnung auszuarbeiten.

Bei der Revision der Zivilprozessordnung schlug das Parlament die wichtigsten Pflöcke ein, wenngleich Ende 2022 noch einige Differenzen bestanden. So wurden verschiedene Massnahmen getroffen, um die Prozesskosten zu senken und so den Zugang zum Gericht zu erleichtern. Zudem sollten Erleichterungen in der Verfahrenskoordination sowie die Stärkung des Schlichtungsverfahrens die Effizienz der Prozesse steigern. Im Parlament waren vor allem die Frage der zulässigen Verfahrenssprachen an kantonalen Gerichten sowie eine Lockerung der Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen gegen Medien hoch umstritten. Gegen den Willen des Bundesrats setzten die eidgenössischen Räte durch, dass es einfacher sein soll, die Veröffentlichung von rufschädigenden Medienberichten mittels superprovisorischer Verfügung vorläufig zu verhindern. Erfolgreich war der Bundesrat hingegen mit seinem Ansinnen, die Einrichtung internationaler Handelsgerichte in den Kantonen zu fördern: Den Kantonen ist es künftig freigestellt, in internationalen Handelsstreitigkeiten an ihren Gerichten auch Englisch und alle Schweizer Landessprachen als Verfahrenssprachen zuzulassen.

Begleitet von einer regen gesellschaftlichen Debatte begannen die eidgenössischen Räte die Beratung der Revision des Sexualstrafrechts. Der aus der Harmonisierung der Strafrahmen herausgetrennte Entwurf war in der Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen worden und der Reformbedarf war auch in der Gesellschaft nahezu unbestritten. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage hielten nur 13 Prozent der Befragten die geltenden Normen für ausreichend. Mit dem neuen Sexualstrafrecht soll etwa der Straftatbestand der Vergewaltigung neu definiert werden, so dass nicht mehr nur Frauen davon betroffen sein können und dass keine Nötigung mehr vorausgesetzt wird. Hauptstreitpunkt war sowohl im Parlament als auch ausserhalb, ob anstelle von abgenötigten sexuellen Handlungen neu Handlungen «gegen den Willen» des Opfers oder «ohne Einwilligung» des Opfers unter Strafe stehen sollen. Während sich der Bundesrat und der Ständerat als Erstrat für die sogenannte Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») aussprachen, schwenkte der Nationalrat als Zweitrat auf die Zustimmungslösung – die in der gesellschaftlichen Debatte lautstark geforderte «Nur-Ja-heisst-Ja»-Variante – um. Der Ball liegt 2023 wieder beim Ständerat. Wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt, war die Reform des Sexualstrafrechts ein Treiber der medialen Debatte im Bereich Rechtsordnung: Über den Jahresverlauf waren im April, im Juni sowie gegen Ende Jahr drei kleine Spitzen in der Medienaufmerksamkeit zu verzeichnen, als jeweils die Stellungnahme des Bundesrats und die Behandlung in den beiden Parlamentskammern aktuell waren.

Im Bereich Innere Sicherheit trat Anfang Juni 2022 das Bundesgesetz über präventiv-polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) in Kraft. Obwohl sich Bundesrat und Parlament bei der Ausarbeitung des PMT-Gesetzes aus Menschenrechtsbedenken gegen die Präventivhaft als zusätzliche Massnahme entschieden hatten, beschäftigte diese die eidgenössischen Räte auch nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter. Eine 2020 eingereichte parlamentarische Initiative, die eine gesicherte Unterbringung für staatsgefährdende Personen forderte, wurde erst in der Wintersession 2022 erledigt. Derselbe Casus Belli – die fragliche Vereinbarkeit mit den Menschenrechten – lag auch der umstrittenen Abschreibung einer Motion zur Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in Folterstaaten zugrunde. Ein rechtsbürgerlicher Teil des Parlaments wollte sich nicht damit abfinden, dass der Bundesrat die Motion nicht umgesetzt hatte. Die Regierung hatte argumentiert, dass eine Umsetzung nicht opportun sei, da die Motion den Bruch von zwingendem Völkerrecht gefordert habe. Beide Räte stimmten letztlich aber der Abschreibung zu.

Mit Ausnahme des Sexualstrafrechts bewegte sich die Medienberichterstattung über den Bereich Rechtsordnung recht gleichförmig auf eher tiefem Niveau übers Jahr 2022 (vgl. Abbildung 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Insgesamt erhielt der Bereich Rechtsordnung im Jahr 2022 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit als in den Vorjahren (vgl. Abbildung 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Zum einen stand 2022 keine Volksabstimmung im Bereich Rechtsordnung an und die in den vergangenen Jahren virulente Diskussion über die Corona-Massnahmen war 2022 deutlich weniger relevant. Zum anderen vereinnahmten der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Debatten über die Aufnahme von Flüchtenden, über Sanktionen und Neutralität sowie über eine drohende Energiekrise einen Grossteil der Medienaufmerksamkeit. Der Bereich Rechtsordnung war davon nur marginal tangiert.

Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2022

In seinem Bericht zur Abschreibung der Motion Regazzi (mitte, TI) «Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht» (Mo. 16.3982) vom Mai 2022 kam der Bundesrat zum Schluss, es sei rechtlich unmöglich, die Motion umzusetzen. Er beantragte daher, den im Frühjahr 2019 vom Parlament überwiesenen Vorstoss ohne weitere Massnahmen abzuschreiben. Die Forderung der Motion war, dass verurteilte ausländische Terroristinnen und Terroristen in jedem Fall in ihren Herkunftsstaat zurückgeschickt werden, selbst wenn ihnen dort Folter oder andere grausame und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung droht. Der Bundesrat legte in seinem Bericht dar, dass eine solche Praxis nicht mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar sei. Das menschenrechtliche Non-Refoulement-Prinzip, d.h. das Verbot der Ausschaffung in einen Staat, in dem der betroffenen Person Folter oder andere grausame und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung droht, sei nicht nur in der Bundesverfassung und im Völkervertragsrecht verankert, sondern Teil des gewohnheitsrechtlichen ius cogens: Als Völkergewohnheitsrecht mit zwingendem Charakter gelte es absolut; die Schweiz könne sich von der Verpflichtung zur Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips ergo nicht durch Vertragskündigungen oder die Änderung der Bundesverfassung befreien. Bei einer Umsetzung der Motion wäre die Schweiz der einzige Staat Europas, der die absolute Geltung des Non-Refoulement-Gebots nicht mehr anerkenne. Dies käme nicht nur einem «vollständigen Bruch mit der humanitären Tradition der Schweiz», sondern auch einer «Abkehr vom Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit im herkömmlichen Sinn» gleich, schlussfolgerte die Regierung.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Anfang November 2020 verabschiedete die GPDel ihren Inspektionsbericht zum Fall Crypto AG und bat den Bundesrat um Stellungnahme zu den darin formulierten Ausführungen und Empfehlungen innert sechs Monaten. Der Bericht zeigte auf, dass der Strategische Nachrichtendienst, eine Vorgängerorganisation des NDB, ab 1993 gewusst hatte, dass ausländische Nachrichtendienste hinter der Crypto AG standen und dass die Firma sogenannte «schwache» Chiffriergeräte, deren Verschlüsselung mit realistischem Aufwand zu brechen war, exportierte. Im darauffolgenden Zeitraum sei von nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auszugehen, sodass der NDB als Nutzniesser der CIA-Operation «Rubikon» durch die Crypto AG anzusehen sei. Damit liege aber kein verbotener Nachrichtendienst vor, denn es sei grundsätzlich zulässig, dass der NDB und ausländische Dienste gemeinsam ein Unternehmen in der Schweiz nutzten, um Informationen über das Ausland zu beschaffen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Crypto AG den Schweizer Behörden jemals «schwache» Verschlüsselungsgeräte geliefert habe. Dies zeige aber, wie wichtig es sei, dass die Schweizer Behörden die Sicherheit dieser Geräte überprüfen oder gar deren Konzeption mitbestimmen könnten, betonte die GPDel. So gesehen sei es nicht verantwortbar, dass der Bund Verschlüsselungslösungen von ausländischen Lieferanten beziehe; der Bundesrat habe der Wichtigkeit einheimischer Lieferanten für die Verschlüsselungstechnik nicht die nötige Beachtung geschenkt.
Insbesondere erachtete es die GPDel angesichts der politischen Tragweite als falsch, dass die VBS-Führung erst Ende 2019 über die Rolle der Crypto AG in Kenntnis gesetzt worden war. Sie sah darin nicht zuletzt einen Mangel an Führung und Aufsicht durch den Bundesrat, womit dieser eine Mitverantwortung für den jahrelangen Export von manipulierten Chiffriergeräten durch die Crypto AG trage. Weil keiner der Vorgänger Viola Amherds durch die NDB-Führungsriege, die offenbar selbst entschied, wer was zu wissen brauchte, über die Vorgänge informiert worden war, war von einem «Staat im Staat» und einem «Eigenleben» des NDB in der Presse zu lesen. Ebenso thematisiert wurde der problematische Umgang des NDB mit historischen Dokumenten: Wie die GPDel berichtete, wurden nur durch einen «Glücksfall» die entscheidenden Akten zur Aufklärung der Crypto-Affäre in einem alten Kommandobunker aufbewahrt – und dort auch gefunden.
Mit der Sistierung der Generalausfuhrbewilligungen für Chiffriergeräte der Crypto International AG, einer Nachfolgefirma der Crypto AG, im Dezember 2019, habe das WBF schliesslich widerrechtlich gehandelt, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nicht erfüllt gewesen seien; es habe damit lediglich versucht, ungünstige Medienberichterstattung zu vermeiden. Diese Rüge der GPDel ging in erster Linie an den amtierenden WBF-Vorsteher Guy Parmelin, der sich damit «prophylaktisch dem medialen Druck gebeugt» (NZZ) und dadurch im Bestreben, den Ruf der Schweiz als Technologiestandort und neutraler Staat zu wahren, falsche Entscheidungen getroffen habe, so das Urteil der Medien. Die darauffolgende Blockade der Einzelausfuhrgesuche durch den Bundesrat verstiess nach Einschätzung der GPDel gegen Treu und Glauben, da keine rechtlichen Gründe gegen deren Bewilligung gesprochen hätten. Dazu veranlasst hatte den Bundesrat eine Strafanzeige gegen die Crypto International AG, die das Seco eingereicht hatte, weil es einen Verstoss gegen Deklarationspflichten des Güterkontrollrechts vermutete. Aus Sicht der GPDel entbehrte diese jedoch einer sorgfältig erstellten Faktenlage und Argumentation und war «kein geeignetes Mittel, um auf den Fall Crypto AG zu reagieren». Damit sei die Strafanzeige lediglich ein Versuch gewesen, «sich der politischen Verantwortung zu entledigen» und die Bewältigung des Falles der Justiz zu überlassen.
Am Ende des Berichts formulierte die GPDel zwölf konkrete Empfehlungen an die Bundesbehörden, was zur Bewältigung der Crypto-Affäre und zur Vermeidung ähnlicher Fehler in Zukunft getan werden soll. Diese enthielten sowohl konkrete Schritte wie die Bewilligung aller Ausfuhrgesuche der Crypto International AG und der Einstellung des Strafverfahrens gegen dieselbe als auch Massnahmen zur Verbesserung der Kommunikation innerhalb und zwischen den involvierten Bundesbehörden.

Crypto-Affäre

Nach Ansicht des Bundesrates wurde die Forderung der Motion der SiK-SR (15.3498) nach einer unabhängigen Aufsicht über den NDB mit den Bestimmungen des neuen Nachrichtendienstgesetzes – konkret Art. 75 ff. NDG – erfüllt, weshalb er deren Abschreibung beantragte. In einem Bericht zur Abschreibung der Motion legte er dar, dass die mit dem Inkrafttreten des NDG etablierte Aufsichtsstelle zwar administrativ dem VBS angegliedert ist, jedoch über ein eigenes Budget, eigene Räumlichkeiten und eigenes Personal, das sie auch selbst anstellt, verfügt. Ferner kann die Aufsichtsstelle ihre Arbeitsweise und Organisation selbst bestimmen und weisungsungebunden operieren. Eine Ansiedlung dieser Aufsichtsbehörde ausserhalb der Bundesverwaltung brächte somit keinen zusätzlichen Nutzen im Sinne von verstärkter Unabhängigkeit, sehr wohl aber einen unverhältnismässig grossen administrativen und finanziellen Zusatzaufwand mit sich. Im Sommer bzw. Herbst 2018 nahmen die eidgenössischen Räte vom Bericht Kenntnis und schrieben die Motion als erfüllt ab. Ein Antrag auf Rückweisung des Berichts an den Bundesrat mit dem Auftrag, nach zweijähriger Tätigkeit die Aufsicht über den NDB zu evaluieren und zu diesem späteren Zeitpunkt noch einmal die Vor- und Nachteile einer von der Bundesverwaltung unabhängigen Aufsichtsbehörde zu erörtern, blieb im Nationalrat chancenlos.

Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes (Mo. 15.3498)
Dossier: Staatliche Überwachung

Die Stimmbeteiligung lag bei der Abstimmung zum Nachrichtendienstgesetz mit knapp 43 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre, wie die VOTO-Studie zum Urnengang vom 25. September 2016 aufzeigte. Im Gegensatz etwa zu den Abstimmungen vom 28. Februar 2016, als unter anderem die Entscheidung zur Durchsetzungsinitiative gefällt wurde, habe dem Abstimmungssonntag im Herbst ein «Mobilisierungmotor» gefehlt, stellten die Autoren fest. Selbst von den nach eigenen Angaben fast immer Teilnehmenden waren im September 2016 nur rund drei Viertel an die Urne gegangen, obwohl drei von vier befragten Stimmenden sowohl dem NDG als auch der gleichzeitig dem Volk vorgelegten «AHVplus»-Initiative eine hohe persönliche Bedeutung beimassen.
Die Parteiparolen hatten eigentlich auf einen klassischen Links-Rechts-Konflikt hingedeutet; einen solchen konnte die Studie im Stimmverhalten jedoch nicht nachzeichnen. Während bei denjenigen Befragten, die sich selbst links aussen einstuften, nur rund ein Drittel dem NDG zustimmte, erreichte die Vorlage im gemässigt-linken Lager bereits 60 Prozent Zustimmung. Bei den grösseren Parteien stimmte nur die Anhängerschaft der Grünen mehrheitlich (61%) gegen das NDG. Von den SP-Sympathisantinnen und -Sympathisanten legten hingegen 57 Prozent ein Ja in die Urne, womit nur eine Minderheit der Basis der Parteiparole folgte. Bei der GLP, die sich schon im Vorfeld tief gespalten gezeigt und daher Stimmfreigabe beschlossen hatte, stimmten rund zwei Drittel der Anhängerschaft Ja. Die höchste Zustimmung erreichte die Vorlage mit einem Ja-Anteil von 86 Prozent bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der CVP. Bei der FDP und der SVP sprachen sich je rund drei Viertel der Anhängerinnen und Anhänger für das NDG aus, womit das Gesetz mit 65.5 Prozent insgesamt fast eine Zweidrittelmehrheit in der Stimmbevölkerung erreichte.
Jüngere sprachen sich häufiger gegen das Gesetz aus als Ältere. Bei den Unter-40-Jährigen erzielte die Vorlage keine Ja-Mehrheit, wohingegen die Über-70-Jährigen zu fast 80 Prozent zustimmten. Unabhängig vom Alter stimmten auch internetaffine Personen eher Nein als solche, die das Internet weniger nutzen. In Zusammenhang mit dem Stimmentscheid standen ausserdem das Vertrauen in die Regierung und die Haltung zur Armee, wobei ein höheres Regierungsvertrauen und eine positivere Haltung zur Armee mit einer wahrscheinlicheren Zustimmung zum NDG einhergingen. Des Weiteren stimmten jene, denen der Entscheid leicht gefallen war, häufiger Ja als jene, die sich mit dem Stimmentscheid schwer taten. Dies deuteten die Autoren dahingehend, dass einerseits die Befürworterinnen und Befürworter von ihrer Sache überzeugter waren und weniger zweifelten als die Gegnerinnen und Gegner und/oder dass sich andererseits die Unentschlossenen im Zweifelsfall eher für den Status quo entschieden als für das neue Gesetz.
Das dominierende Motiv für die Zustimmung zum NDG war der Bezug auf die aktuelle Sicherheitslage, in der es das NDG brauche. 80 Prozent der Ja-Stimmenden begründeten ihren Stimmentscheid damit. Andere Motive, etwa dass man als unbescholtener Bürger oder unbescholtene Bürgerin vom NDG nichts zu befürchten habe, wurden demgegenüber nur selten genannt. Für die Nein-Stimmenden gab primär der starke Eingriff in die Grundrechte den Ausschlag, der von über der Hälfte der Nein-Stimmenden als Motiv angegeben wurde. Am zweitmeisten genannt wurde als Motiv für ein Nein die Wahrnehmung, dass das Gesetz ineffektiv oder unnötig sei, weil es keine Terroranschläge verhindere. Explizit Bezug auf einen neuen Fichenskandal oder einen Überwachungsstaat nahmen unterdessen nur wenige und 9 Prozent der Nein-Stimmenden konnten ihren Entscheid nicht begründen (gegenüber 4% der Ja-Stimmenden).
Sehr grossen Anklang in der Stimmbevölkerung fand das Argument, dass die Schweiz für den Kampf gegen den Terrorismus einen starken Nachrichtendienst brauche. Während die Ja-Stimmenden diesem Argument fast einhellig beipflichteten, zeigte sich auch eine Mehrheit der Nein-Stimmenden damit einverstanden. Die Ja-Stimmenden fanden indes grossmehrheitlich auch, dass man für die Sicherheit gewisse Einschränkungen der persönlichen Freiheit in Kauf nehmen müsse, was die Nein-Stimmenden mehrheitlich ablehnten. Eine knappe Mehrheit aller Stimmenden – damit auch fast die Hälfte der Ja-Stimmenden – hielt zudem nach einer Annahme des NDG Massenüberwachungen ohne klare Verdachtsmomente für möglich. Die noch grössere Resonanz erzeugte bei den Nein-Stimmenden aber das Argument, dass die Schweiz bereits über die nötigen rechtlichen Mittel zur Terrorismusbekämpfung verfüge.
Die Zustimmung zum NDG sei somit vor allem ein Entscheid für mehr Sicherheit gewesen, für die man nötigenfalls auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit hinzunehmen bereit sei, bilanzierten die Autoren.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In Erfüllung eines Postulats Romano (cvp, TI) veröffentlichte der Bundesrat im April 2015 im Vorfeld der Weltausstellung in Mailand einen kurzen Bericht mit einer Übersicht über die Sicherheitslage, das Sicherheitsdispositiv und die diesbezügliche Koordination mit den italienischen Behörden. Der Bundesrat kam darin zum Schluss, dass die Expo 2015 aufgrund der verfügbaren Erkenntnisse keine ausserordentliche Lage bewirke. Das Postulat wurde daraufhin im Sommer 2016 vom Nationalrat abgeschrieben.

Sicherheitskonzept für den Grenzraum vor und während der Expo 2015 in Mailand (Po. 14.3324)

Im Mai 2014 kommunizierte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in seinem Lagebericht zur Sicherheit des NDB 2014 seine aktuellen Einschätzungen der Sicherheitsgefährdungen in der Schweiz. Dabei hob er die vergleichsweise stabile und ruhige sicherheitspolitische Situation hervor. Die Schweiz sei weiterhin kein prioritäres Ziel dschihadistisch motivierter Anschläge. Im Brennpunkt des Lageradars lägen die Wirtschaftsspionage und die Spionage gegen sicherheitspolitische Interessen der Schweiz.

Lagebericht zur Sicherheit des NDB 2014

Dass Handlungsbedarf bezüglich des Nachrichtendienstes besteht, hat im vergangen Jahr der Spionagefall im Nachrichtendienst des Bundes (NDB) bestätigt. Im Nachgang an den durch einen UBS-Mitarbeiter aufgedeckten Datendiebstahl beim NDB im Mai 2012 führte die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) vom November 2012 bis Februar 2013 eine formelle Inspektion zur Informatiksicherheit im NBD durch. Im Juli 2013 übergab die Delegation den Bericht sowie elf Empfehlungen an den Bundesrat. Der Öffentlichkeit wurde aus Überlegungen zum Schutz des Staatsinteresses lediglich eine Zusammenfassung des Berichts zugänglich gemacht. Die GPDel hatte festgestellt, dass bei der Schaffung des NDB aus den beiden Vorgängerorganisationen ein Defizit an Personalressourcen bestand, da das VBS den Dienst für Analyse und Prävention (DAP) ohne Personal vom EJPD übernommen hatte. Der NBD hatte folglich dasselbe Aufgabenpensum mit weniger Arbeitskräften zu bewältigen. Aufgrund dieser knappen Personalressourcen in der Informatik und des unzulänglichen Risikomanagements war der NBD zu wenig darauf ausgerichtet, die Verfügbarkeit, die Integrität und die Vertraulichkeit der Daten als zentrale Zielsetzung der Informatiksicherheit zu gewährleisten.

Spionagefall im Nachrichtendienst

In der Sommersession 2013 nahm der Nationalrat Kenntnis vom Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Malama (fdp, BS) zur Klärung der Kompetenzen im Bereich der inneren Sicherheit. Einleitend räumt der Bericht ein, dass die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen in diesem Bereich komplex und unübersichtlich ausgestaltet sei. So beschäftigt sich der erste Teil des Berichts mit einer rechtlichen Analyse des Ist-Zustandes und einer Bestandesaufnahme der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen in der Praxis. Dabei werden die verfassungsrechtlichen Gesetzgebungs-, Rechtsanwendungs- und Vollzugskompetenzen des Bundes und der Kantone einerseits sowie die Gesetzgebungspraxis des Bundes andererseits beleuchtet. In einem zweiten Teil benennt der Bericht acht Sachbereiche, die als Brennpunkte im Sicherheitsbereich angesehen werden. Es sind dies die Sicherheitsaufgaben der Armee, die Sicherheitsaufgaben im Grenz- und Zollbereich, die sicherheits- und kriminalpolizeilichen sowie gerichtspolizeilichen Aufgaben, die völkerrechtlichen Schutzpflichten, die Luftfahrt, der Staatsschutz, die Übertragung von Sicherheitsaufgaben an Private sowie die Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Diese umfassende Auslegeordnung führt zur Schlussfolgerung, dass „die Kompetenzausscheidung zwischen den Sicherheitsakteuren in verschiedener Hinsicht [...] verbesserungswürdig“ sei. Ausserdem wird die Kritik, der Bund überschreite seine Kompetenzen, an mehreren Stellen geäussert. Infolgedessen seien Änderungen oder Präzisierungen von gesetzlichen Vorschriften einerseits, aber andererseits auch Anpassungen auf Verfassungsebene geboten. Im Hinblick auf eine mögliche Neuordnung der Kompetenzen im Sicherheitsbereich schliesst der Bericht mit der Formulierung von 13 Thesen, welche die wichtigsten Problemfelder ansprechen und Lösungsvorschläge aufzeigen. So soll der Bund etwa die rechtlichen Grundlagen für den Staatsschutz, die Unterstützung der zivilen Behörden durch die Armee, die sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben des Bundes sowie für die Sicherheitsaufgaben im Grenz- und Zollbereich bereinigen bzw. präzisieren. Entsprechende Prozesse seien zum Teil bereits in Gang gesetzt worden, wie die Sprecherin der vorberatenden SiK-NR, Ursula Haller Vannini (bdp, BE), im Ratsplenum erläuterte. Bei anderen Themenbereichen, insbesondere bei der Bekämpfung von Gewalt bei Sportveranstaltungen, etwa durch das revidierte Hooligan-Konkordat, sind dagegen die Kantone gefordert.

Postulat Malama zur Klärung der Kompetenzen in der inneren Sicherheit (Po. 13.018)

Am 21. Juni legte die Geschäftsprüfungskommission der eidgenössischen Räte (GPDel) einen Bericht über die Inspektion der Datenbank ISIS vor. In ISIS werden die Karteien des Staatsschutzes elektronisch abgelegt. Die GPDel wies auf substanzielle Defizite in der Qualitätskontrolle hin. Seit Anfang 2005 waren 16'000 Eingangskontrollen und 40'000 vorgeschriebene periodische Überprüfungen nicht vorgenommen worden. Die GPDel wies zahlreiche Fehleinträge nach und zeigte auf, dass das gesetzlich vorgeschriebene Löschen nicht relevanter Daten unterlassen wurde. Ende 2009 wurden mehr als 200'000 Personennamen im Staatsschutz-Register geführt. Die GPDel empfahl, einen externen Datenbeauftragten zuzuziehen, der die rechtlich verlangte Kontrolle der Daten durchsetzen soll. Der Bericht verursachte einigen Wirbel in der Presse, die einen Bezug zur Fichenaffäre in den 1990er-Jahren herstellte. Bundesrat Maurer teilte die Kritik der GPDel, wies aber darauf hin, dass bereits Anfang 2009 mit der internen Qualitätskontrolle begonnen worden sei und dass die Zahl der fichierten Personennamen abgebaut werde. Im August passte der Bundesrat die Verordnung über den Nachrichtendienst an, mit welcher auch die Staatsschutzaufsicht durch die Kantone verbessert werden soll. Kantonsorgane nahmen nämlich bis anhin im Auftrag des Bundes Staatsschutzaufgaben wahr, ohne dass eine Kontrolle durch kantonale Instanzen selbst erfolgen konnte. Für Neueinträge sollen zudem strengere Richtlinien gelten und Daten, die älter als fünf Jahre sind, müssen überprüft und allenfalls gelöscht werden. Der Bundesrat machte aber auch deutlich, dass ein effizienter Nachrichtendienst unabdingbar sei für den Schutz des Rechtsstaats und der Demokratie vor Bedrohungen. Die Bewahrung staatstragender Grundsätze solle auch für den auf Ende 2012 geplanten Entwurf eines neuen Nachrichtendienstgesetzes leitend sein.

Bericht über die Datenbank ISIS

Die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte publizierte im Januar einen umfangreichen Bericht über die Rechtmässigkeit der 2007 durch den Bundesrat angeordneten Vernichtung von Akten im Zusammenhang mit Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Ostschweizer Geschäftsleute (Familie Tinner), die des illegalen Exports von Kriegsmaterial verdächtigt wurden. Sie hielt fest, dass sie grundsätzlich seit dem Sommer 2004 durch die zuständigen Bundesstellen regelmässig und korrekt über das Strafverfahren, aber auch über die nachrichtendienstlichen Aspekte des Falles Tinner informiert worden sei. Der Regierungsbeschluss über die Aktenvernichtung sei ihr hingegen nicht zur Kenntnis gebracht worden, was sie für einen Fehler halte. Die Delegation verlangte deshalb vom Bundesrat ein Konzept für ihre zukünftige rechtzeitige Information über geheime Bundesratsbeschlüsse. Der Bundesrat war damit einverstanden. Nicht zu teilen vermochte er hingegen die Kritik der Delegation, dass die Regierung über kein Konzept verfüge, wie mit interdepartementalen Geschäften von grosser sicherheits- und aussenpolitischer Bedeutung umzugehen sei, bei denen die Geheimhaltung sehr wichtig sei. Die bestehenden Strukturen insbesondere im Rahmen des Sicherheitsausschusses des Bundesrates haben sich nach Ansicht der Regierung bewährt und seien, im Gegensatz zur Meinung der Geschäftsprüfungsdelegation, in der Regel ausreichend für die Erkennung von Risiken und Gefahren.

Causa Tinner

Anfangs Jahr legte der Bundesrat dem Parlament den von diesem 2005 mit einer Motion geforderten Bericht über die schweizerischen Nachrichtendienste zur Kenntnisnahme vor. Er beschreibt darin die Aufgaben, die Kompetenzen und vor allem die Kooperation und Kontrolle der vier Dienste, von denen drei beim VBS (Strategischer Nachrichtendienst, Militärischer Nachrichtendienst und Luftwaffennachrichtendienst) und einer (Dienst für Analyse und Prävention, DAP) beim EJPD untergebracht sind. Die Delegation der GPK der beiden Parlamentskammern kritisierte in einem eigenen Bericht, dass sich die Führung der zivilen und militärischen Geheimdienste auch 2006 kaum verbessert habe. Insbesondere bemängelte sie, dass auch mit den neu geschaffenen „Informationsplattformen“ keine echte Koordination stattfinde. Der Bundesrat war mit dieser negativen Einschätzung überhaupt nicht einverstanden. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats reichte im Frühjahr eine Motion ein, welche die Zusammenfassung aller sicherheitsrelevanten Dienste und Ämter, und dazu gehören insbesondere auch die vier Nachrichtendienste, in einem einzigen Departement fordert. Beide Kammern überwiesen diesen auch vom Bundesrat unterstützten, von der Linken allerdings bekämpften Vorstoss noch im Berichtsjahr.

Bericht über die schweizerischen Nachrichtendienste (2007)

Nachdem auch noch die Parteien (mit Ausnahme der CVP) ihre Opposition angemeldet hatten, rückte Bundesrätin Metzler Schritt um Schritt von der Idee ab, eine spezielle Bundespolizei für Sicherungs- und Bewachungsaufgaben zu schaffen. Im Spätherbst teilte der Bundesrat mit, dass er aus finanzpolitischen Gründen auf die Schaffung einer eigenen Polizeitruppe verzichten wolle. Die dauerhaften Überwachungs- und Kontrollaufgaben (Grenze, Bundesgebäude, diplomatische Vertretungen) sollen in Zukunft noch stärker als bisher von Angehörigen des Grenzwachtkorps, sowie des Festungswachtkorps und der Armee übernommen werden. Nicht mit diesen Plänen einverstanden waren die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. Sie sprachen sich gegen einen Ausbau des Einsatzes der Armee für polizeiliche Aufgaben aus und unterstützten weiterhin die Variante „Kantone“ des Projekts Usis („Überprüfung des Systems der inneren Sicherheit“), welche Bundesmittel für einen Ausbau der kantonalen Polizeitruppen vorschlägt. Der ursprünglich für 2002 vorgesehene Schlussbericht zu Usis wurde für das Frühjahr 2003 angekündigt.

Usis-Bericht zu Massnahmen im EJPD

Im Sommer veröffentlichte der Bundesrat seine umfassende Lage- und Gefährdungsbeurteilung der Schweiz in Bezug auf Terroranschläge, wie dies im Anschluss an den 11. September 2001 mit verschiedenen parlamentarischen Vorstössen gefordert worden war. Er hielt darin fest, dass zur Zeit die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass die Schweiz zum primären Ziel terroristischer Attacken werde. Wichtig sei aber, dass die Schweiz zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft verhindere, dass terroristische Gruppen (und die organisierte Kriminalität) die weltweit vernetzten Dienstleistungen und Infrastrukturen der Schweiz nutzen können. Wo das bestehende Abwehrdispositiv noch ausgebaut werden müsse, seien die entsprechenden Vorarbeiten im Gange.

Vorstösse und Beschlüsse zur Terrorbekämpfung nach 2001

Die für die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste zuständige Delegation der GPK war 1999 zum Schluss gekommen, dass keine illegalen Kontakte und Handlungen der schweizerischen Nachrichtendienste mit den Behörden Südafrikas während des Apartheidregimes stattgefunden hätten. Dies wurde grundsätzlich auch in einem Bericht eines aussenstehenden Experten zuhanden des VBS bestätigt. Allerdings habe der Nachrichtendienst und dabei vor allem sein früherer Chef Peter Regli bei den Kontakten keine politische Sensibilität gezeigt und sich um die aussenpolitische Haltung der Schweiz foutiert. Die Delegation der GPK hatte im Herbst 2001 zusätzliche Abklärungen eingeleitet und dabei ebenfalls aussenstehende Experten beigezogen. Für die Linke war dies aber noch zu wenig. Sie forderte mittels einer parlamentarischen Initiative de Dardel (sp, GE) die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), scheiterte aber mit ihrem Anliegen.

Untersuchung der Kontakte der schweizerischen Nachrichtendienste mit den Behörden Südafrikas während der Apartheit

Die 1999 von der Vorsteherin des EJPD und den kantonalen Polizeidirektoren eingesetzte verwaltungsinterne Arbeitsgruppe Usis („Überprüfung des Systems der inneren Sicherheit“) kündigte an, ihren Schlussbericht im Jahr 2002 vorzulegen. Im Herbst des laufenden Jahres informierte sie über Empfehlungen für Sofortmassnahmen. Ihrer Ansicht nach soll das EJPD eigene Polizeitruppen zur Wahrung der vom Bund zu garantierenden inneren Sicherheit erhalten. Diese neue Truppe würde es auch erlauben, das Militär von polizeilichen Aufgaben wie Grenz- und Botschaftsbewachungen, Schutz von internationalen Konferenzen etc. zu entlasten. Das Grenzwachtkorps, das bereits heute zur Mehrheit sicherheitspolizeiliche Aufgaben erfüllt, soll zudem vom EFD ins EJPD wechseln und personell aufgestockt werden. Die Bundesbehörden und die kantonalen Polizeidirektoren übernahmen diese Vorschläge nicht integral. Man war sich zwar einig, dass die Armee in Zukunft nur subsidiär Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit erfüllen soll und dazu eine Aufstockung der Polizeikräfte um rund 700-1000 Personen erforderlich ist. Während die Kantonsvertreter aber primär auf einen Ausbau ihrer eigenen Polizei setzen, will das EJPD als Variante auch die Schaffung einer Bundespolizeitruppe weiter verfolgen. Nach dem Nationalrat forderte nun auch der Ständerat die Regierung auf, angesichts der Rekrutierungsschwierigkeiten und der anspruchsvoller gewordenen Aufgaben die Arbeitsbedingungen beim Grenzwachtkorps zu überprüfen und geeignete Massnahmen zu ergreifen.

Usis-Bericht zu Massnahmen im EJPD

Der Sonderbeauftragte für Staatsschutzakten, René Bacher, legte den Schlussbericht über die Offenlegung der Staatsschutzakten im Gefolge der sogenannten Fichenaffäre vor. Von den über 350'000 Personen, welche Einsicht in über sie angelegte Karteikarten (Fichen) verlangt hatten, waren knapp 45'000 registriert gewesen. Über 5'000 Personen hatten zudem vom Recht Gebrauch gemacht, auch die zu ihren Fichen bestehenden Dossiers einzusehen.

Verordnung und Bundesbeschluss über die Regelung der Einsicht in Fichen
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Anlässlich der Vorstellung seines ersten Jahresberichtes wies der Datenschutzbeauftragte Odilo Guntern auf die Beeinträchtigung der Anliegen des Datenschutzes durch die Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit hin. Wegen der verbesserten technischen und organisatorischen Mittel der Untersuchungsorgane und des Bestrebens verschiedener Amtsstellen, direkten Zugriff auf Datenbanken zu erhalten, würden die im Datenschutzgesetz definierten Persönlichkeitsrechte allmählich ausgehöhlt. Zudem kritisierte er die seiner Ansicht nach übertriebenen Einschränkungen der Einsichtsrechte beim Entwurf für ein neues Staatsschutzgesetz und bei den neuen polizeilichen Zentralstellen.

Jahresbericht 1993 des Datenschutzbeauftragten

Die Geschäftsprüfungsdelegation der beiden GPK veröffentlichte einen Bericht über die Weisungen des EJPD vom 9. September 1992 für die Durchführung des Staatsschutzes. Dabei stellte sie fest, dass insbesondere die Vorschrift, dass sich die Staatsschutzorgane nicht mit der Observierung von verfassungsmässig garantierten Rechten befassen dürfen, zu wenig präzis formuliert ist.

Neues Staatsschutzgesetz und Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» (BRG 94.028)
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

La fin de la guerre froide, l'accélération de la construction européenne et, plus récemment, la position de la Suisse lors de la guerre du Golfe ont relancé le débat sur la politique extérieure de la Suisse et, plus particulièrement, sur la question de sa neutralité. L'année dernière, le Conseil fédéral, à la demande de la majorité des parlementaires, mandatait un groupe d'étude afin d'établir un rapport sur le rôle futur de la neutralité pour la Suisse. Sa publication était attendue avec impatience car ses conclusions devraient inspirer les grandes lignes de la politique extérieure de la Suisse de ces prochaines années, notamment en ce qui concerne le rapprochement avec la CE. Tout en réaffirmant l'attachement au noyau dur de la neutralité, les auteurs du rapport estiment que pour faire face aux changements fondamentaux de l'environnement international il est devenu nécessaire de donner une nouvelle orientation à la politique étrangère de la Suisse sous l'angle de la neutralité.

Les auteurs du rapport relèvent que dans un contexte européen où le spectre d'une guerre entre grandes puissances s'est considérablement éloigné, l'importance et la signification de la neutralité ont diminué; celle-ci ne constitue qu'un instrument parmi d'autres servant à promouvoir les intérêts de la Suisse. La probabilité de conflits armés classiques entre Etats s'est nettement atténuée; la nature des dangers a changé. La neutralité n'offre que peu de protection face à de nouvelles menaces, telles que l'utilisation d'armes A, B ou C (Armes ABC), les migrations, la destruction de l'environnement ou les catastrophes. En raison de leur dimension internationale et de l'interdépendance accrue entre les Etats, la sécurité reposera davantage que par le passé sur la coopération internationale. Pour la Suisse, cela signifie que la meilleure façon de défendre ses intérêts consiste à participer de manière constructive à la mise en place de nouvelles structures de sécurité.

Selon le rapport, la Suisse doit concentrer sa neutralité à la stricte définition du droit international public, à savoir la non-participation militaire à un conflit armé entre Etats tiers. Cela doit permettre à la Confédération, tout en maintenant son statut de neutralité permanente – maintien de la neutralité en cas de conflit indépendamment des parties engagées –, de faire preuve d'une plus grande flexibilité dans l'application de sa politique de neutralité. Concrètement, lorsque des sanctions non-militaires – en particulier économiques – sont prises par la communauté internationale au sein du Conseil de sécurité des Nations Unies, la Suisse, pour des raisons de solidarité, devrait y participer. De même, elle ne devrait pas entraver les actions militaires menées au nom de la communauté internationale; elle pourrait donc autoriser le transit ou le survol du territoire helvétique par des forces armées, ce que le Conseil fédéral n'avait pas fait lors de la guerre du Golfe. Par ailleurs, le statut de neutralité ne constituerait pas un obstacle à l'adhésion à la CE et à l'Union européenne du traité de Maastricht, tant que ses Etats membres n'ont pas conclu d'alliance militaire. En ce qui concerne les liens entre la Suisse et le CICR, la renonciation à la neutralité n'entraverait pas les activités de ce dernier, étant donné l'indépendance acquise par cette institution.

Le débat sur la politique extérieure de la Suisse et sur la question de sa neutralité
Dossier: UNO-Beitritt
Dossier: Debatten über die Neutralitätspolitik der Schweiz (Erster Persischer Golfkrieg, EG, EU)
Dossier: Verhandlungen über den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union (EU)
Dossier: Verhandlungen über den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Gemeinschaft (EG)

In der Märzsession 1990 befasste sich der Nationalrat mit den mehr als dreissig persönlichen Vorstössen, welche nach der Publikation des PUK-Berichts Ende 1989 eingereicht worden waren. Zu Beginn der Debatte gab Bundespräsident Koller eine längere Erklärung zum Staatsschutz ab. Er äusserte dabei sein Verständnis für die Enttäuschung und Verärgerung in der Bevölkerung über «die Missstände und Fehler, welche im Bereiche des Staatsschutzes und der militärischen Abwehr in den letzten Monaten bekannt geworden sind». Mit der Schaffung von Transparenz und mit Reformen wolle der Bundesrat verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen. Angesichts der Notwendigkeit der Fortführung des Kampfs gegen Terrorismus und Spionage, aber auch gegen Drogen- und illegalen Waffenhandel sprach er sich aber für die Beibehaltung der Staatsschutzorgane aus. Er forderte jedoch eine parlamentarische Kontrolle durch eine Sonderkommission, der volle Akteneinsicht zu gewähren sei. Die Aufgaben des Staatsschutzes müssten in einem Gesetz deutlich umschrieben werden, wobei klar sei, dass die Überwachung der Ausübung politischer Rechte nicht dazu gehören dürfe.

Bericht der Kopp-PUK zur systematischen Sammlung von Fichen im Schweizer Staatsschutz
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Die nach dem Rücktritt von Bundesrätin Kopp am 31. Januar eingesetzte parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) hatte nicht bloss den Auftrag, die Umstände zu untersuchen, welche zu diesem Rücktritt geführt hatten. Abgeklärt werden sollten auch die Verdächtigungen, welche in einem Teil der, Presse in bezug auf die Amtsführung im EJPD und auf das Vorgehen der Bundesbehörden bei der Bekämpfung des Drogenhandels und der Geldwäscherei geäussert worden waren.

In bezug auf die Bekämpfung des internationalen Drogenhandels konstatierte die PUK, dass der Vorwurf, die Bundesbehörden seien durch das organisierte Verbrechen unterwandert, nicht zutreffe. Allerdings seien die Methoden dieser Kriminellen, welche sich des schweizerischen Finanzplatzes zur Tarnung ihrer illegalen Geschäfte bedienten, von den Behörden und dabei insbesondere vom Bundesanwalt nicht rechtzeitig erkannt worden. Mit einem vom Parlament überwiesenen Postulat verlangte die PUK eine entsprechende Umorientierung und eine verbesserte Koordination mit den kantonalen Amtern. Im weitern wurde dem Bundesanwalt vorgeworfen, dass er es unterlassen habe, die personelle Unterdotierung der Drogenbekämpfungsstelle bei der Bundesanwaltschaft durch Stellenverschiebungen zu beheben. Auf einen formellen Antrag zur. Behebung dieses Missstandes konnte die PUK verzichten, da der Nationalrat bereits Ende 1988 und der Ständerat in der Sommersession 1989 eine entsprechende Motion Cavadini (fdp, TI) überwiesen hatten.

Weit brisanter waren die Erkenntnisse der PUK im Bereich des Staatsschutzes. Diese seit 1976 von 66 auf 94 Mitarbeiter (+42%) ausgebaute Dienststelle der Bundesanwaltschaft, welche gemäss einem Bundesratsbeschluss von 1958 mit der "Beobachtung und Verhütung von Handlungen, die geeignet sind, die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden" sowie der gerichtspolizeilichen Ermittlung bei der Verfolgung von diesbezüglichen strafbaren Taten beauftragt ist, hatte seit jeher als «Dunkelkammer der Nation» gegolten. Der konkrete Inhalt und der Umfang ihrer Ermittlungen waren nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor den Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des Parlaments weitgehend geheim gehalten worden.

Die GPK des Nationalrates hatte zwar noch vor der Einsetzung der PUK die Bundesanwaltschaft inspiziert und Einblick in eine vom Bundesanwalt ausgesuchte «Mustersammlung ausgewählter Karteikarten» erhalten. Aufgrund dieser Karten (Fichen) mit Kurzeinträgen über Personen und Verweisen auf allfällige ausführlichere Dossiers hatte sie den Eindruck erhalten, dass an der Arbeit der politischen Polizei grundsätzlich nichts zu beanstanden sei. Immerhin rügte sie die unterschiedliche Qualität der auf diesen Fichen enthaltenen Informationen und insbesondere die grosse Anzahl der Karteikarten. Von seiten der Linken war, allerdings meist ohne konkrete Beweise, der Bundesanwaltschaft immer wieder vorgeworfen worden, dass sie sich nicht auf die Verhinderung und Aufklärung von politisch motivierten Straftaten beschränke, sondern – aus einer sehr einseitigen politischen Optik heraus – vor allem die legalen politischen Aktivitäten von kritischen Bürgerinnen und Bürgern im Visier habe.

Genau diese Vorwürfe, also die grosse Anzahl erfasster Personen, die sehr unterschiedliche Qualität der Informationen und die systematische Erfassung von oppositionellen demokratischen Aktivitäten wurden nun durch die PUK, welche uneingeschränkten Zugang zu den Akten hatte, bestätigt. Die PUK stellte in ihrem am 24. November vorgestellten Bericht fest, dass in der Registratur der Bundespolizei rund 900'000 Karteikarten (Fichen) geführt werden, von denen sich etwa je ein Viertel auf in der Schweiz wohnhafte Inländer und Ausländer beziehen, rund ein Zehntel auf Organisationen und der Rest auf nicht landesansässige Ausländer. Auf diesen Fichen befinden sich Einträge, welche zum Teil auf Beobachtungen von nachrichtenpolizeilichen Organen des Bundes, der Kantone oder des Auslandes beruhen, zum Teil auch auf anonyme private Denunziationen zurückgehen. Da die Informationen weder überprüft, noch nach einer bestimmten Zeit eliminiert wurden, wimmelt es gemäss PUK in diesen Fichen von Belanglosigkeiten, Falschmeldungen und Informationen über normale politische, berufliche oder private Aktivitäten. Als besonders verwerflich beurteilte die PUK, dass die von der Bundespolizei zusammengetragenen Angaben nicht bloss als Referenz zur Beurteilung von Stellenbewerbern und -inhabern in der Bundesverwaltung dienten, sondern auch an private Stellen weitergegeben worden waren. Die Stichproben der PUK bestätigten ebenfalls den Vorwurf der politischen Einäugigkeit: von Interesse für die Bundespolizei waren vor allem Personen aus dem linken politischen Spektrum (inkl. SP). Dabei wurde mit dem Einbezug von Organisationen und Personen, welche sich in den Bewegungen gegen die Kernenergie und die Gentechnologie oder für Friedenspolitik, Umweltschutz und Frauenrechte betätigten, das Feindbild laufend aktualisiert und erweitert.

Als Konsequenz forderte die PUK mit einer parlamentarischen Initiative ein verbessertes Oberaufsichtsrecht der Geschäftsprüfungskommissionen. In besonderen Fällen sollen die GPK beider Räte eine gemeinsame Delegation bestimmen können, welche, ähnlich wie eine PUK, auch als geheim klassierte Akten einsehen kann. Mit einer Motion forderte sie zudem eine organisatorische Trennung zwischen der Funktion des Bundesanwalts als oberstem Ankläger und seiner Stellung als oberstem Verantwortlichen der Bundespolizei. Mit einer zweite Motion verlangte sie die Erarbeitung von genauen Kriterien über die Erfassung von Daten durch die politische Polizei und die Schaffung von gewissen Datenschutzbestimmungen auch in diesem Bereich.

Bericht der Kopp-PUK zur systematischen Sammlung von Fichen im Schweizer Staatsschutz
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen