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50 Jahre 1968 – dieses Jubiläum war 2018 sowohl dem Bernischen Historischen Museum als auch dem Landesmuseum Zürich eine Ausstellung zu den damaligen Ereignissen in der Schweiz und dem damit einhergehenden Zeitgeist wert. 2018 liessen die Medien das damalige Zeitgeschehen alternierend Revue passieren, insbesondere die Globus-Krawalle in Zürich, die gewalttätigsten Schweizer Aufstände im Jahr 1968, wurden der Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen. Medial fokussiert wurde aber auf die Frage der Relevanz von 1968 für die Gegenwart. Brigitte Studer, Professorin für Schweizer Geschichte an der Universität Bern, zeigte sich im Tages-Anzeiger überzeugt, dass das Jahr 1968 der Schweiz langfristige gesellschaftliche Veränderungen gebracht habe. So würden seither etwa in Familien, in der Arbeitswelt, in der Schule und in der Armee flachere Hierarchien herrschen. Auch sei das neue Eherecht von 1988, das den Mann nicht länger als Oberhaupt der Familie taxiert, ein Resultat von 1968 gewesen. Der emeritierte Soziologe Ueli Mäder, der im Jubiläumsjahr das Buch «68 - was bleibt?» herausgab, erklärte ebenfalls in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger, dass das Revolutionäre, das dem Jahr 1968 anhafte, ein Mythos sei: Vielen sei es mehr um sich selbst als um tatsächliche Veränderung gegangen. Trotzdem hätte im Jahr 1968 etwa die Bewegung für das Frauenstimmrecht «mächtig Schub erhalten», was erheblich dazu beigetragen habe, dass das Frauenstimmrecht 1971 politische Realität wurde. Weitere Errungenschaften des Jahres 1968 seien ein offeneres Verhalten zwischen den Geschlechtern und den Generationen, die Nulltoleranz beim Schlagen von Kindern als Erziehungsmassnahme oder auch, dass Homosexualität heute nicht mehr als Krankheit und Sünde gelte. Eine andere Haltung zu den 68er-Aktivistinnen und Aktivisten und deren Errungenschaften hatte das rechtskonservative Weltwoche-Magazin: Die angeblichen Befreierinnen und Befreier seien vielmehr Versager gewesen. Zitiert wurde etwa die ehemalige SP-Politikerin Christiane Brunner, wie sie nach ihrer politischen Karriere sagte, dass die Frauen in den Organisationen der 68er nichts zu sagen gehabt hätten und nur für das Kaffee holen und das Bett gut gewesen seien. Ebenfalls, so die Weltwoche, sei das Gros der 68er-Bewegung Hedonisten gewesen, die allein an «Sex, Love and Rock 'n' Roll» interessiert waren, oder es seien Gewaltbereite gewesen ohne jegliches politisches Programm. Die wenigen mit einem politischen Programm hätten hingegen lediglich an politischen Modellen Marx' und Lenins festgehalten, «deren Haltbarkeit seit Jahrzehnten abgelaufen war». Trotz alldem attestierte auch die Weltwoche der 68er-Bewegung einen Einfluss auf die Gegenwart. Die bürgerliche Wählerschaft wäre heute ohne die 68er-Bewegung wohl grösser, mutmasste die Weltwoche. Nicht etwa, weil die Bewegung tatsächliche Veränderungen bewirkt hätte, sondern weil ihr Einfluss bis in die Gegenwart masslos überschätzt werde, auch von vielen politischen Gegnern der 68er.

50 Jahre 1968
Dossier: 1968 in der Schweiz

Zum siebten Mal verlängerte der Nationalrat Ende 2018 die Behandlungsfrist für die 2003 eingereichte parlamentarische Initiative Abate (fdp, TI), die höhere Strafen bei sexuellen Handlungen mit Kindern fordert. Die RK-NR erklärte, die Umsetzung der Initiative im Rahmen der Beratung der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen zu prüfen, welche der Bundesrat im April 2018 zuhanden der Räte verabschiedet hatte.

Höheres Strafmass für sexuelle Handlungen mit Kindern (Pa.Iv. 03.424)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Das 100-jährige Jubiläum des Landesstreiks 1918 im Herbst 2018 löste – überwiegend in der Deutschschweiz – mehrere Debatten und damit verbunden über das ganze Jahr verteilt ein grosses mediales Echo aus. Das SRF etwa widmete dem Jubiläum die eigens dafür produzierte Doku-Fiktion «Generalstreik 1918 – Die Schweiz am Rande eines Bürgerkrieges». Im November analysierte die NZZ die Geschehnisse anhand der Haltungen und Handlungen des Bundesrats und der Armeeführung und die WOZ führte Gespräche mit den Gewerkschaftsleitenden Natascha Wey und Florian Keller sowie dem Historiker Stefan Keller. Die Aargauer Zeitung sowie die Weltwoche veröffentlichten bereits im Januar ein Porträt des damaligen Streikführers und Nationalrats Robert Grimm. Während in der Aargauer Zeitung Grimm vom Autor Pirmin Meier als einer der «bedeutendsten und besonnensten Sozialdemokraten» umschrieben wurde, der einen Platz in der «Geschichte der schweizerischen Freiheit» verdient habe, sah Christoph Blocher, dessen Neujahrsrede in der Weltwoche abgedruckt worden war, Grimm als «Bürgerkrieger» und «Revoluzzer», welcher mit dem Landesstreik die bürgerliche Schweiz auf ihre «schwerste Bewährungsprobe ihrer neueren Geschichte» gestellt habe – allerdings dann in seinen 44 Jahren Nationalrat doch noch zur Vernunft gekommen sei.
Gleich zu Jahresbeginn wurde damit eine Debatte darüber losgetreten, wie man den Landesstreik deuten und seinen Protagonisten gedenken solle, denn sowohl linke als auch rechte Parteien versuchten, das Jubiläum zu ihren Gunsten zu nutzen. Der Sonntagsblick meinte hierzu, die Linke suche nach Wegen, den Streik als «Grundstein des modernen Sozialstaats zu mystifizieren» und nun wolle auch die Rechte dem Streik «ihren Stempel aufdrücken». Christoph Blocher, so der Sonntagsblick weiter, plane zum Jubiläum im Herbst einen «Grossanlass mit Soldaten in Weltkriegsuniformen», um den Soldaten und dem «standhaften Bürgertum» zu gedenken. Dadurch, so Geschichtsprofessor Christian Koller im Sonntagsblick, beziehe die SVP eine klare Gegenposition zur Linken. Doch auch die «linke Mythenbildung» sei kritisch zu betrachten, erklärte Koller weiter, denn Forderungen wie das Frauenstimmrecht, die AHV aber auch das Proporzwahlrecht oder die 48-Stunden-Woche – letztere zwei wurden in den Folgejahren nach dem Streik vom Bundesrat umgesetzt – hätten bereits vor dem Streik bestanden.
Im November 2018, 100 Jahre nach Beendigung des Streiks, griff schliesslich Christoph Blocher in Uster (ZH) das Thema erneut auf, wenn auch weniger pompös als im Frühjahr angekündigt. Er störe sich daran, gab der Tagesanzeiger die Rede Blochers wieder, dass die heutigen Historiker «Geschichtsklitterung» betrieben, um mit einem «linken Jubiläumsjahr» den wahren Zweck des Landesstreiks zu verhüllen, nämlich die Errichtung «eine[r] Diktatur des Proletariats nach russischem Vorbild». Im Tagesanzeiger kommentierte Ruedi Baumann, Blocher danke in seiner Rede denn auch nicht den Arbeitenden, sondern den «Soldaten und repressiven Behörden», welche den Streik bekämpft hatten. Als Reaktion auf den angekündigten Anlass in Uster habe im Vorfeld ein anonymes Komitee über Facebook zu einer Demonstration mit dem Slogan «Blocher hau ab» aufgerufen, wie der Tagesanzeiger weiter festhält. Das Komitee wehre sich gegen die «rechte Hetze» und wolle Blocher nicht einfach so die «Geschichte» überlassen.
Ein regelrechter Schlagabtausch zum Landesstreik fand ferner im März 2018 in einer Kommentarserie der Basler Zeitung statt. Helmut Hubacher, der mit Robert Grimm im Nationalrat gesessen hatte, lobte hier das Frauenstimmrecht, die AHV und die 48-Stunden-Woche sowie das Proporzwahlrecht als direkte oder indirekte Errungenschaften des Streiks und der SP, da diese Forderungen im Streikkatalog aufgeführt waren. Wenige Tage später widerspach Chefredaktor Markus Somm Hubachers Aussagen. Somm sah im Streik vielmehr die «grösste Niederlage und grössten Irrtum» in der Geschichte der SP, da durch den Streik die Angst vor einem bolschewistischen Umsturz geschürt worden sei und die Bürgerlichen fortan Ideen der SP «dämonisieren und damit erledigen» haben können. Wiederum eine Woche später antwortete der Militärhistoriker Hans Rudolf Fuhrer auf Somm und Hubacher. Er hob hervor, dass nachträglich vieles oft vermeintlich einfacher zu beurteilen sei. So könne eben auch heute nicht abschliessend beurteilt werden, was der Streik bewirkt habe, wie viel etwa die durch den Ersten Weltkrieg verursachte Armut und der danach folgende Hunger zum Unmut beigetragen hätten und als wie entscheidend letztlich die bolschewistische Ideologie als Triebfeder des Streiks zu deuten sei. Richtig sei sicherlich, dass bis heute «schweizerische Ereignisse» in einem internationalen Kontext beurteilt werden müssten.
International wurde das Thema denn auch in der Museumslandschaft aufgegriffen: Insgesamt nahmen über 30 Museen in der Schweiz, Frankreich und Deutschland an der Ausstellungsreihe «Zeitenwende 1918/19» teil, welche auf diese Weise die turbulente Zeit anhand verschiedener Aspekte thematisierten. Die Ausstellung über den Landesstreik im Zeughaus Schaffhausen wurde von Bundesrat Schneider-Amman eröffnet.

100 Jahre Landesstreik 1918

Eine Motion Fehlmann Rielle (sp, GE) forderte vom Bundesrat eine Änderung der Definition von Vergewaltigung im Schweizer Gesetz. Die heute sehr eng gefasste Definition der Vergewaltigung (Art. 190 StGB) solle mit der Inklusion männlicher Opfer sowie mit dem Tatbestand der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB) erweitert werden. Im Lichte gesellschaftlicher Entwicklungen und der 2017 erfolgten Ratifizierung der Istanbul-Konvention, welche die Definition der Vergewaltigung geschlechterneutral formuliert, sei der Zeitpunkt zur Anpassung der Schweizer Gesetzgebung gekommen. Viele andere westeuropäische Länder hätten dies schon getan, so die Motionärin. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. In seiner Stellungnahme wies er darauf hin, dass er den Handlungsbedarf erkannt habe und dieses Anliegen mit der Harmonisierung der Strafrahmen angehen wolle. Dabei solle jedoch nicht der gesamte Tatbestand der sexuellen Nötigung unter die Vergewaltigung fallen, sondern ausschliesslich die «abgenötigten beischlafsähnlichen Handlungen».
Die 2017 eingereichte Motion wurde in der Frühjahrssession 2018 von SVP-Nationalrat Yves Nidegger (GE) bekämpft. Er begründete dies damit, dass sich die Gefahr einer Schwangerschaft nach der Vergewaltigung auf weibliche Opfer und auf den Beischlaf im engeren Sinne beschränke. Durch die Erweiterung des Begriffes der Vergewaltigung würde daher die Schutzwirkung gegenüber Frauen geschwächt, so Nidegger.
In der Herbstsession 2018 folgte der Nationalrat der Empfehlung des Bundesrates und nahm die Motion mit 151 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen und einer Enthaltung an.

Definition von Vergewaltigung im Schweizer Recht. Das Gesetz muss geändert werden! (Mo. 17.3992)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Ende Januar 2017 reichte der Kanton Genf eine Standesinitiative ein, mit der die Rehabilitierung von sieben wegen der Beteiligung an der Demonstration vom 9. November 1932 verurteilter Personen gefordert wurde. An diesem Datum hatte – unter der Federführung Georges Oltramares – eine Versammlung der rechtsextremen Partei Union nationale stattgefunden, worauf die Genfer Sozialisten gleichentags eine Gegendemonstration veranstaltet hatten. Vor dem Hintergrund des aufkeimenden Totalitarismus in Europa, der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit hatte der Regierungsrat des Kantons Genf heftige Zusammenstösse zwischen dem linken und dem rechten Lager befürchtet und entsprechend die Armee aufgeboten, um die öffentliche Sicherheit gewährleisten zu können. Während des Einsatzes hatte die Armee auf Demonstranten geschossen, wobei 13 Menschen ums Leben gekommen und 65 verletzt worden waren. Im Sommer 1933 waren sieben Demonstranten von einem Strafgericht des Bundes verurteilt worden.
Die Genfer Standesinitiative forderte, dass die Urteile des Strafgerichtes aufgehoben und die sieben Demonstranten voll rehabilitiert werden. Ihre Verurteilung sei einzig deshalb erfolgt, weil sie sich der Staatsgewalt widersetzt hätten. Im Rückblick sei eindeutig, dass der damalige geschichtliche Kontext ihre Verurteilung herbeigeführt habe und nicht etwa eine direkte Verantwortung «für das traurige Ereignis vom 9. November 1932». Vielmehr hätten die verurteilten Demonstranten «gegen den in der Schweiz oder zumindest in Genf aufkommenden Faschismus gekämpft». Eine Rehabilitierung der sieben Demonstranten käme einer Anerkennung ihres Kampfes «für die gerechte Sache» gleich oder zumindest sei es ein offizielles Eingeständnis, dass nicht sie alleine für die Toten und Verletzten verantwortlich seien, so der Inhalt der Standesinitiative.
Die RK-SR kam im April 2018 mit 5 zu 3 Stimmen zu einem anderen Schluss: Das Urteil von 1933 sei «nach Regeln des Rechtsstaats korrekt zustande gekommen». Die Mehrheit der Kommission beantragte dem Ständerat deshalb das Gerichtsurteil nicht aufzuheben und der Standesinitiative keine Folge zu geben. RK-SR-Mitglied Andrea Caroni (fdp, AR) führte die Haltung der Kommissionsmehrheit in der Ständeratsdebatte im Juni 2018 aus. Er hätte ein gewisses Verständnis gehabt, wenn der Kanton Genf den Bund beauftragt hätte, den Armee-Einsatz – gemäss Caroni «das Gravierendste an den ganzen Genfer Unruhen» – aufzuarbeiten. Doch hier ginge es darum, sich im Nachhinein über ein ganz konkretes Gerichtsurteil hinwegzusetzen. Die Konsultation des Urteils habe ergeben, dass die Verurteilten Gewalt angewandt hätten, dass sie mit Schlagstöcken ausgerüstet gewesen wären, dass sie Polizisten und Armeeangehörigen Waffen weggenommen, sie mit Steinen beworfen und verletzt hätten. Nach damaligem Strafgesetz sei das strafbar gewesen und Caroni zeigte sich überzeugt, dass dieses Urteil heute gleich gefällt würde. Der Ständerat schien dieser Argumentation mehrheitlich zu folgen und entschied in der Abstimmung mit 24 zu 17 Stimmen (1 Enthaltung) der Standesinitiative keine Folge zu geben.

Rehabilitierung von sieben wegen der Beteiligung an der Demonstration vom 9. November 1932 verurteilten Personen
Dossier: Rehabilitierungen / Aufhebungen von Strafurteilen

Ende April 2018 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Harmonisierung der Strafrahmen und zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht. Zur Strafrahmenharmonisierung wird der Besondere Teil des StGB teilrevidiert. Ein besonderes Augenmerk fällt dabei auf die Sexualstraftaten sowie die Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Beim Vorliegen letzterer sollen Gruppen von gewalttätigen Randalierern und Chaoten neu mindestens mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen bestraft werden anstatt wie bisher mit mindestens 30 Tagessätzen. Eine Erhöhung der Mindeststrafe ist ebenfalls bei Vergewaltigung (von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe) und schwerer Körperverletzung (von sechs Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe) vorgesehen. Der Tatbestand der Vergewaltigung soll ausserdem in zweifacher Hinsicht ausgeweitet werden: Erstens wird er neu geschlechtsneutral gefasst und zweitens auch auf beischlafsähnliche Handlungen ausgedehnt, die bisher der sexuellen Nötigung zugeordnet waren. Im Zuge dessen soll die Höchststrafe für sexuelle Nötigung neu nur noch fünf anstatt wie bisher zehn Jahre Freiheitsstrafe betragen. Diese Änderungen werden analog für den Schändungstatbestand übernommen. Sexuelle Handlungen mit Kindern unter zwölf Jahren sollen neu mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden, wobei für leichtere Fälle dem Unrechtsgehalt entsprechend ein tieferer Strafrahmen gelten soll. Auf Geldstrafen wird bei Sexualdelikten mit Ausnahme der Pornografie und des Exhibitionismus gänzlich verzichtet. Bei gemeinsam begangenen Sexualdelikten soll eine Strafschärfung zwingend werden. Darüber hinaus soll die Mindeststrafe für gewerbsmässig begangene Vermögensdelikte auf sechs Monate Freiheitsstrafe vereinheitlicht werden, was teilweise einer Erhöhung, teilweise einer Verminderung gegenüber dem geltenden Recht entspricht. Ebenfalls harmonisiert werden die Strafausschlussgründe bei Rechtspflegedelikten.
Von den Parteien und den Kantonen wurde die seit 2012 lang ersehnte Vorlage grundsätzlich begrüsst. Der SVP gehe der Entwurf zu wenig weit, aber immerhin «in die richtige Richtung», berichtete die Presse. Auf Kritik stiessen in Strafrechtskreisen die erhöhten bzw. neu eingeführten Mindeststrafen, da sie den richterlichen Ermessensspielraum beschnitten und somit einerseits zu mehr ungerechten Urteilen führten sowie andererseits als Misstrauen in die Gerichte interpretiert werden könnten. Enttäuscht zeigte sich auch der Verband der schweizerischen Polizeibeamten, dass seine Forderung nach mindestens drei Tagen Gefängnis für Gewalt gegen Behörden und Beamte keinen Eingang in die Vorlage gefunden hatte. Demgegenüber kam das Gesetzgebungsprojekt bei der schweizerischen Staatsanwältekonferenz gut an, wo man es nicht als Misstrauensvotum auffasste, sondern vielmehr als «gesellschaftlichen Anstoss», bestimmte Taten härter zu bestrafen, dem die Justiz nun folgen müsse.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In der Differenzbereinigung bei der Umsetzung der Pädophilen-Initiative hatte der Nationalrat im Frühjahr 2018 noch über eine inhaltliche Differenz zu befinden: die Spezialausnahme für Fälle der Jugendliebe. Während die Mehrheit der RK-NR die Meinung vertrat, die allgemeine Härtefallklausel genüge zur Erfassung der Jugendliebe, wollte eine Kommissionsminderheit die explizite Ausnahmebestimmung zur Jugendliebe im Gesetzestext belassen und damit „den gesetzgeberischen Willen möglichst klar definieren“, wie es Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE) ausdrückte. Mit 101 zu 81 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und räumte diese Differenz aus, indem er die Spezialausnahme aus der Vorlage strich. Die Grüne, die SP- und die FDP-Fraktion hatten sich vergeblich dagegen ausgesprochen. Den verbleibenden redaktionellen Differenzen stimmte die grosse Kammer stillschweigend zu. In der Schlussabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage ohne Gegenstimme (bei 36 Enthaltungen aus den Fraktionen der SP und der Grünen) gut. Der Ständerat nahm den Entwurf mit 29 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen an, wobei der Widerstand auch hier im linken Lager zu verorten war.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Die Differenzbereinigung im Gesetzgebungsprojekt zur Umsetzung der Pädophilen-Initiative wurde zu Beginn der Frühjahrssession 2018 vom Ständerat in Angriff genommen. Als Erstes widmete sich die Kantonskammer der Frage, wo die Altersgrenze bei Anlasstaten liegen sollte, damit sie zu einem zwingenden, lebenslangen Verbot von Tätigkeiten mit Minderjährigen führen. Die vorberatende RK-SR wollte mehrheitlich am eigenen Beschluss festhalten und die Altersgrenze bei 16 Jahren ansetzen. Somit würden nur an Kindern unter 16 Jahren begangene Anlasstaten automatisch zu einem lebenslangen Tätigkeitsverbot im Kontakt mit Minderjährigen führen. Demgegenüber würden Anlasstaten an über 16-jährigen, besonders schutzbedürftigen Jugendlichen in ein Tätigkeitsverbot im Kontakt mit besonders schutzbedürftigen Erwachsenen münden. Wer sich an über 16-Jährigen vergehe, sei nicht unbedingt pädophil und dem müsse daher auch nicht zwingend verboten werden, Tätigkeiten mit Kontakt zu Minderjährigen auszuüben. Durch diese Regelung sollte die Verhältnismässigkeit besser gewahrt werden als durch die vom Nationalrat festgelegte Altersgrenze bei 18 Jahren. Sich dem nationalrätlichen Beschluss anzuschliessen, dies beantragte indes eine Minderheit Engler (cvp, GR). Es mache keinen Sinn, dass für die Opfer von Anlasstaten eine andere Alterslimite gelte als für den Personenkreis, den das Tätigkeitsverbot schützen soll. Mit einem äusserst knappen Entscheid von 22 zu 21 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Ständerat der Minderheit und schloss sich damit dem Beschluss des Nationalrates an, der im Übrigen auch dem Vorschlag des Bundesrates entsprach.

Der zweite Diskussionspunkt in der kleinen Kammer war der Katalog von Anlasstaten, die automatisch ein lebenslanges Tätigkeitsverbot nach sich ziehen sollen. Der Nationalrat hatte hier die Straftatbestände der sexuellen Belästigung, des Exhibitionismus sowie der Pornografie zum Eigenkonsum wieder eingefügt, nachdem sie der Ständerat anfänglich aus dem bundesrätlichen Entwurf gestrichen hatte. Die Kommissionsmehrheit beantragte ihrem Rat nun, an seinem Beschluss festzuhalten und die Delikte wieder aus dem Katalog zu streichen, da „blosse“ Übertretungen und Antragsdelikte keine Grundlage für ein zwingendes, lebenslanges Tätigkeitsverbot sein sollten. Dieselbe Minderheit Engler wollte hingegen auch hier dem Nationalrat folgen und den Deliktkatalog wie vom Bundesrat vorgeschlagen belassen. Um das Hauptanliegen der Kommissionsmehrheit, die Verhältnismässigkeit, müsse man nicht an dieser Stelle besorgt sein – dafür gebe es die Ausnahmebestimmung. Die kleine Kammer hiess auch hier den Minderheitsantrag mit knapper Mehrheit gut und beseitigte damit diese Differenz.

Drittens befasste sich der Ständerat nochmals mit der Spezialausnahme für Fälle der Jugendliebe, die er ursprünglich eingefügt hatte und die der Nationalrat gutgeheissen hatte. Die Kommissionsmehrheit beantragte ihrem Rat jetzt aber, die Spezialausnahme zu streichen, da sie Abgrenzungsschwierigkeiten zur allgemeinen Härtefallklausel befürchtete, welche vom Nationalrat ebenfalls bestätigt worden war. Diese decke auch Fälle der Jugendliebe ab, weshalb keine Notwendigkeit für die Spezialausnahme mehr bestehe, unterstützte Bundesrätin Simonetta Sommaruga den Antrag der Kommissionsmehrheit. Eine Minderheit Vonlanthen (cvp, FR) legte hingegen Wert darauf, die Jugendliebe ausdrücklich im Gesetz erwähnt zu wissen, und beantragte die Beibehaltung der entsprechenden Bestimmung. Mit 39 zu 4 Stimmen folgte der Ständerat deutlich dem Mehrheitsantrag und strich die Spezialausnahme wieder aus dem Gesetzestext. Zum Schluss hiess die Ständekammer noch die durch die vorhergehenden Entscheidungen notwendig gewordenen Änderungen im Bundesgesetz über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA gut. Mit zwei verbleibenden Differenzen ging die Vorlage damit wieder an den Nationalrat.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Il y a 100 ans naissait la première association de paysannes dans la Broye. La création de l'Association des paysannes vaudoises – qui s'appelait alors l'Association des productrices de Moudon – fut initiée par Augusta Gillabert-Randin qui, toute sa vie durant, fera en sorte de faire reconnaître l'importance du travail fourni par les paysannes. Comme expliqué par l'historienne Monique Fontannaz, la première guerre mondiale a été l'occasion pour les femmes de se rendre compte qu'elles étaient capables de mener l'exploitation sans leur mari astreint au service militaire. Augusta Gillabert-Randin s'est engagée pour l'indépendance des femmes, par la vente de leurs produits au marché, menant à un rapprochement entre consommateurs et productrices. Pour l'occasion, une cérémonie en présence du conseiller fédéral – anciennement agriculteur et viticulteur – Guy Parmelin et du conseiller d'Etat vaudois Philippe Leuba (VD, plr) a été organisée.

Il y a 100 ans naissait la première association de paysannes

Mitte September 2017 schrieb der Bundesrat in einer kurzen Stellungnahme, dass er den Wert des Gosteli-Archivs anerkenne und dass das Archiv eine solide finanzielle Basis brauche. Er zeigte sich bereit, zusammen mit möglichen Partnern abzuklären, wie das Gosteli-Archiv erhalten werden könnte, stellte aber gleichzeitig klar, dass diese Abklärung allein kein Präjudiz für eine finanzielle Beteiligung des Bundes schaffen würde.

Am 29. September gelangte das Geschäft in den Nationalrat, wo es zunächst von Yves Nidegger (svp, GE) bekämpft und die Diskussion entsprechend verschoben worden war.
In der Wintersession 2017 wurde das Geschäft dann im Nationalrat diskutiert. Alle fünf Frauen, die jeweils einzeln das gleichlautende Postulat (Po. 17.3329, Po. 17.3330, Po. 17.3335, Po. 17.3336, Po. 17.3337) eingereicht hatten, ergriffen das Wort. Was das Gosteli-Archiv so einzigartig mache, sagte Schmid-Federer (cvp, ZH), sei der Umstand, dass die Frauenbewegung in öffentlichen Archiven kaum bis gar nicht vorkomme, weil die Schweizer Frauen bis 1971 keine politischen Rechte besassen. Das Archiv enthalte Zeugnisse, die von den staatlichen Archiven vernachlässigt worden seien: Zum Beispiel sei Schweizer Bürgerinnen bis 1952 bei einer Heirat mit einem Ausländer das Bürgerrecht entzogen worden. «Diese historische Sammlung zu verlieren bedeutet somit zugleich, einen Teil der Identität der Schweiz zu verlieren», schlussfolgerte Schmid-Federer. Der Grosse Rat des Kantons Bern habe im September einstimmig zugesagt, einen Beitrag zum Erhalt des Gosteli-Archivs zu leisten. Der Kanton könne die Finanzierung aber nicht alleine stemmen, weshalb auch der Bund eine subsidiäre Finanzierung übernehmen solle, so die CVP-Nationalrätin weiter. Maya Graf (gp, BL) strich hervor, dass die Frauenbewegung zu der grössten und friedlichsten sozialen Bewegungen im letzten Jahrhundert zähle. Weil die Frauen aber bis 1971 in der offiziellen Politik, den Institutionen und Verwaltungstätigkeiten nicht vorkamen, fehle die Dokumentation ihres Engagements auch im Bundesarchiv. Marthe Gosteli habe mit ihrer Stiftung einen wichtigen Teil der Schweizer Geschichte gerettet, so Graf. Kathrin Bertschy (glp, BE) wies darauf hin, dass das Gosteli-Archiv nicht einfach die Geschichte der Frauenorganisationen beleuchte, sondern die Geschichte des Bundesstaates. Es gebe nicht «die offizielle Politikgeschichte der Männer und die inoffizielle Geschichte der Frauen», vielmehr sei «beides Teil unserer gemeinsamen Geschichte», so Bertschy.
Neben den fünf Frauen ergriff einzig Yves Nidegger das Wort. Nidegger lobte die Geschichte der Frauenbewegung in der Schweiz als «particulièrement héroïque». Denn anders als in den meisten Ländern Europas, in welchen mit der Einsicht der Gleichstellung von Mann und Frau das Stimm- und Wahlrecht der Frauen als Selbstverständlichkeit Einzug in die jeweiligen Verfassungen gehalten habe, hätten die Schweizer Frauen für ihre politischen Rechte regelrecht kämpfen müssen. Die Anerkennung für Gostelis Arbeit bestehe gerade darin, dass sie mit privatem Engagement und privaten Mitteln – und ohne staatliche Hilfe – gegen die fehlende offizielle Anerkennung der Rolle der Frau gekämpft habe. Vor diesem Hintergrund sei eine staatliche Finanzierung der falsche Weg, um diesem privaten Engagement den gebührenden Respekt entgegenzubringen.
Bundesrat Alain Berset nahm den Ball Nideggers auf und präzisierte, dass mit der Annahme der Postulate noch keine Finanzierung erfolge und somit auch kein Präjudiz geschaffen werde. Stattdessen werde lediglich geprüft, ob die notwendigen Bedingungen für eine staatliche Unterstützung des Gosteli-Archivs gegeben seien und ob eine gesetzliche Grundlage bestehe, die eine subsidiäre Finanzierung des Bundes erlaube. Berset machte die Nationalrätinnen und Nationalräte darauf aufmerksam, dass es sich beim Gosteli-Archiv um Bestände von ungefähr einem Kilometer Länge handle und dass es als Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung gelte. Deshalb solle die Versammlung den Vorstössen zustimmen.
In der anschliessenden Abstimmung wurden die fünf gleichlautenden Postulate mit 134 zu 49 Stimmen (keine Enthaltung) angenommen. 47 Nein-Stimmen stammten von der SVP-, die restlichen zwei von der FDP-Fraktion.

Sauver les archives Gosteli
Dossier: Gosteli-Archiv

Der Nationalrat setzte sich in der Wintersession 2017 als Zweitrat mit den Änderungen im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz zur Umsetzung der Pädophilen-Initiative auseinander. Im Gegensatz zum Erstrat war hier Eintreten unbestritten. Von verschiedensten Fraktionssprechern wurde betont, dass Artikel 123c BV nicht direkt anwendbar und daher eine Konkretisierung der Verfassungsbestimmung auf Gesetzesebene unerlässlich sei. Ähnlich wie im Ständerat wurde hingegen auch in der grossen Kammer immer wieder darauf hingewiesen, wie schwierig es sei, die Initiative so wortgetreu wie möglich, aber gleichzeitig in den Schranken der rechtsstaatlichen Grundsätze, insbesondere der Verhältnismässigkeit, umzusetzen. Die Meinungen darüber, wie das beste Verhältnis von Wortlaut und Verhältnismässigkeit aussehe, gingen jedoch erwartungsgemäss weit auseinander. So forderte Natalie Rickli (svp, ZH) als Sprecherin der SVP-Fraktion den Rat auf, mehr an die Opfer zu denken als an die Täter, und BDP-Fraktionssprecher Bernhard Guhl (bdp, AG) stellte klar, seiner Fraktion sei „der Schutz der Kinder wesentlich wichtiger als die Erfüllung des Berufswunsches eines verurteilten Straftäters.“ Auf der anderen Seite betonten die Fraktionsvertreterinnen und -vertreter der SP, der FDP, der Grünen, der CVP und der GLP die Wichtigkeit einer Härtefallklausel, die wenigstens einen minimalen richterlichen Ermessensspielraum sicherstellt.

Nachdem Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen worden war, beschäftigte sich die grosse Kammer im ersten Block der Detailberatung mit den Voraussetzungen für die Anordnung der Tätigkeitsverbote. Sie hatte hier in drei Fragen über Minderheitsanträge ihrer vorberatenden Rechtskommission zu befinden. Erstens wollte eine Minderheit Arslan (basta, BS) bei der Definition des Begriffs „Kinder“ dem Ständerat folgen. Dieser hatte beschlossen, dass nur Anlasstaten, die an Kindern unter 16 Jahren begangen worden sind, automatisch zu einem lebenslangen Verbot von Berufen und Tätigkeiten mit Kontakt zu Minderjährigen führen sollen. Im Gegensatz dazu beantragte die Kommissionsmehrheit, sich an den bundesrätlichen Entwurf zu halten und die Altersgrenze bei 18 Jahren festzusetzen – wie sie im geltenden Recht, namentlich im Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot, schon bestehe. Breiten Zuspruch erhielt der Antrag Arslan jedoch nur aus den Fraktionen der Grünen und der FDP, womit der Minderheitsantrag wuchtig verworfen wurde und der Nationalrat sich in dieser Sache dem Bundesrat anschloss. Zweitens beantragte eine Minderheit Guhl (bdp, AG), die Antragsdelikte Exhibitionismus und sexuelle Belästigung wieder in den Katalog der Anlasstaten für ein zwingendes, lebenslängliches Tätigkeitsverbot aufzunehmen – und zwar bei Minderjährigen wie auch bei Erwachsenen. Obwohl dieses Ansinnen eigentlich dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates entsprochen hätte, empfahl Bundesrätin Sommaruga, den Antrag Guhl abzulehnen und der Kommissionsmehrheit zu folgen. Das Konzept des Ständerates sei in diesem Punkt überzeugend und es mache durchaus Sinn, die beiden leichten Straftatbestände aus dem Deliktkatalog auszuschliessen. Die Unterstützung der geschlossenen SVP-, BDP- und CVP-Fraktionen reichte zusammen mit vereinzelten weiteren Stimmen dennoch aus, um dem Minderheitsantrag Folge zu geben und den Beschluss des Ständerates zu kippen. Als Drittes stimmte der Nationalrat über einen Minderheitsantrag Rickli (svp, ZH) ab, der auch den Straftatbestand der Pornografie zum Eigenkonsum wieder in den Katalog von Anlasstaten einfügen wollte. Diesmal sprach sich auch Bundesrätin Sommaruga für die Rückkehr zum bundesrätlichen Entwurf aus, die dann mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor auch beschlossen wurde.

Der zweite Block beinhaltete die Ausnahmebestimmungen, die Überprüfung der Tätigkeitsverbote und alle restlichen Bestimmungen. Hier beantragte eine Minderheit um Natalie Rickli (svp, ZH), die Härtefallklausel ganz aus dem Gesetz zu streichen; die vom Ständerat eingefügte explizite Ausnahmebestimmung für Fälle einvernehmlicher Jugendliebe genüge vollends. Mit 101 zu 73 Stimmen bei einer Enthaltung sprach sich der Nationalrat jedoch für die Beibehaltung der Härtefallklausel aus. Dagegen stimmten neben der geschlossenen SVP-Fraktion die Mehrheit der BDP-Fraktion sowie Vereinzelte aus den Fraktionen der FDP, CVP und SP. Eine weitere Kampfabstimmung gab es zur Frage der Überprüfungsmöglichkeit bei lebenslänglichen Tätigkeitsverboten. Während die Kommissionsmehrheit dem Ständerat folgen und keine Überprüfungsmöglichkeit vorsehen wollte, beantragte eine Minderheit Tschäppät (sp, BE), die bundesrätliche Lösung mit Überprüfungsmöglichkeit nach 10 Jahren für nicht pädophile Täter zu übernehmen. Eine zweite Minderheit Bauer (fdp, NE) legte indes einen Kompromissvorschlag dar, wonach ein lebenslanges Tätigkeitsverbot grundsätzlich nicht aufgehoben werden kann, es sei denn ein unabhängiges Gutachten stellt fest, dass kein Risiko mehr besteht. Mit dieser Formulierung sollte ein Konflikt mit der EMRK vermieden werden. Im Rat scheiterten beide Minderheitsanträge deutlich am Widerstand der SVP- BDP-, GLP- und CVP-Fraktionen. Ein Einzelantrag Nidegger (svp, GE), der die explizite Ausnahmebestimmung für die Jugendliebe streichen wollte, blieb chancenlos. Bei allen übrigen Bestimmungen folgte der Nationalrat den Anträgen seiner Kommissionsmehrheit und schloss sich damit im Grossen und Ganzen dem Beschluss des Ständerates an. Einstimmig nahm der Nationalrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung an und gab sie damit zurück an den Ständerat zur Differenzbereinigung.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Anfang Oktober 2017 gab die Staatsanwaltschaft Zürich bekannt, dass sie das Strafverfahren im Fall Jürg Jegge einstellen werde. Es seien zahlreiche Personen kontaktiert worden, die als Jugendliche mit dem ehemaligen Sonderschullehrer Kontakt hatten und von Missbrauch hätten betroffen sein können. Der grösste Teil der Befragten habe dabei angegeben, dass es zu keinen sexuellen Handlungen zwischen ihnen und Jegge kam. Die in einigen Fällen geschilderten sexuellen Handlungen seien zum heutigen Zeitpunkt bereits verjährt. Die Staatsanwaltschaft liess noch eine Frist für neue Beweisanträge laufen. Im Januar 2018 stellte die Zürcher Justiz das Verfahren gegen Jegge endgültig ein, wie der Wörterseh-Verlag mitteilte, jener Verlag, der das Buch mit den Vorwürfen gegen Jegge veröffentlicht hatte. Die Verfahrenskosten von CHF 4'400 wurden Jegge auferlegt. Die Kostenauferlegung begründete die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich damit, dass Jegge sexuellen Kontakt zu Minderjährigen gestanden habe, womit er deren Persönlichkeit verletzt habe, unabhängig davon, ob die Taten verjährt seien oder nicht.

Aufarbeitung Fall Jürg Jegge
Dossier: Fall Jürg Jegge

In der Herbstsession 2017 beriet der Ständerat als Erstrat die Umsetzung der Pädophilen-Initiative. Schon in der Eintretensdebatte wurde verschiedentlich betont, wie schwierig es sei, den Artikel 123c BV umzusetzen. Ständerat Jositsch (sp, ZH) sprach gar von der „Quadratur des Kreises“ und beantragte Nichteintreten. Mit einer Umsetzung „light“, also dem Versuch, den Konflikt mit den rechtsstaatlichen Prinzipien und den Grundrechten so klein wie möglich zu halten, sende man ein gefährliches Signal an die Stimmbevölkerung: Man könne jede Initiative, so radikal ihre Forderung auch sei, bedenkenlos annehmen, um damit ein Zeichen zu setzen – das Parlament würde das mit der Umsetzung dann schon regeln. Um diesem Argument Nachdruck zu verleihen, nannte er das Beispiel der Volksinitiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe: „Wenn irgendwelche grauenhaften Taten passieren, werden die Leute bei einer solchen Initiative Ja stimmen, weil sie sagen, man werde ja nicht gerade eine Guillotine auf dem Bundesplatz aufstellen, nur weil sie der Initiative zugestimmt hätten [...].“ Dieser Entwicklung müsse Einhalt geboten werden. Die Pädophilen-Initiative könne nicht umgesetzt werden, ohne höherrangiges Recht zu verletzen, weshalb man auf die Umsetzung besser ganz verzichten und nicht auf die Vorlage eintreten solle. Auch Andrea Caroni (fdp, AR) zeigte Verständnis für das Dilemma seines Kollegen und legte dar, dass es unmöglich sei, die Initiative wortgetreu umzusetzen und dabei die Verhältnismässigkeit zu wahren – genauso unmöglich sei es aber, die Initiative „light“ umzusetzen und dabei die Glaubwürdigkeit vor der Stimmbevölkerung zu wahren. Dennoch sei es Aufgabe des Parlamentes, den Verfassungsartikel auf generell-abstrakte Weise zu konkretisieren und offenstehende Fragen zu beantworten. Es sei staatspolitisch nicht vertretbar, diese „heisse Kartoffel“ einfach an die Gerichte weiterzureichen. Den besten Ausweg sah Caroni darin, den Verfassungsartikel mit einem „Minimum an Verhältnismässigkeit“ umzusetzen. Von der Debatte um die Verhältnismässigkeit nichts wissen wollte hingegen SVP-Fraktionsangehöriger Thomas Minder (parteilos, SH). „Man könnte meinen, die Verhältnismässigkeit [...] stehe über allen anderen Normen der Verfassung“, kritisierte er und fügte an, indem das Volk die Pädophilen-Initiative angenommen habe, habe es den entsprechenden Verfassungsartikel eben als verhältnismässig beurteilt. Einige Parlamentarier schöben das Verhältnismässigkeitsprinzip vor, um „politisch Unliebsames zu bekämpfen“, wodurch die Verhältnismässigkeit ad absurdum geführt werde. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hielt dem entgegen, dass die Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 5 BV ein Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns sei, der bei jedem staatlichen Handeln beachtet werden müsse und dem daher zu Recht eine gewisse Priorität eingeräumt werde. Mit 35 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung trat die Ständekammer schliesslich auf die Vorlage ein.

Die anschliessende Detailberatung verlief im Allgemeinen weniger kontrovers als es die mit Leidenschaft geführte Eintretensdebatte hätte vermuten lassen. Auf keinen Widerstand stiessen so etwa die Anträge der vorberatenden RK-SR, einerseits Antragsdelikte und Übertretungen – es handelt sich im konkreten Fall um Exhibitionismus, sexuelle Belästigung und Pornografie zum Eigenkonsum – aus der Liste der Anlasstaten für ein zwingendes lebenslanges Tätigkeitsverbot zu streichen, und andererseits nur zwischen zwei anstatt drei Typen von Tätigkeitsverboten zu unterscheiden. Erstens solle ein lebenslanges Tätigkeitsverbot stets von Amtes wegen und nicht auf Antrag verhängt werden und zweitens sei es nicht notwendig, für den direkten Kontakt mit Patienten im Gesundheitsbereich und den sonstigen Kontakt mit besonders schutzbedürftigen Erwachsenen verschiedene Tätigkeitsverbote vorzusehen, da sich diese Bereiche ohnehin oft überschnitten. Es soll hingegen je ein separates Tätigkeitsverbot für den Kontakt mit Minderjährigen und mit Erwachsenen geben, abhängig davon, ob die Anlasstat an einer minderjährigen oder an einer volljährigen Person begangen worden ist. Ebenfalls unbestritten war das Einfügen einer expliziten Spezialausnahme für Fälle der einvernehmlichen Jugendliebe, um deutlich zu machen, dass in diesen Fällen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes abgesehen werden muss.

Hauptstreitpunkte waren die Definition des Begriffs „Kinder“, der Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung, die Möglichkeit zur Überprüfung eines angeordneten Tätigkeitsverbotes sowie die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft. Bei der Definition des Begriffs „Kinder“ ging es um die Frage, ob alle an Minderjährigen begangenen Anlasstaten – so der Vorschlag des Bundesrates – oder nur solche, die an unter 16-Jährigen begangen worden sind – wie von der Kommission beantragt –, automatisch zu einem Tätigkeitsverbot führen sollen. Mit deutlicher Mehrheit (38 zu 4 Stimmen) setzte sich der Antrag der Kommission gegen jenen des Bundesrates durch, weil dieser der Verhältnismässigkeit eher Rechnung trage und die viel diskutierten Fälle von Jugendliebe von vornherein wenigstens teilweise entschärfe. Knapper fiel die Entscheidung in der Frage aus, wie weit der richterliche Ermessensspielraum bei der Anwendung der Ausnahmebestimmung sein soll. Während der Bundesrat Ausnahmen nur in „besonders leichten Fällen“ vorgesehen hatte und darin von der Kommissionsminderheit unterstützt wurde, wollte die Kommissionsmehrheit den Verzicht auf ein Tätigkeitsverbot bereits in „leichten Fällen“ ermöglichen. Nachdem Bundesrätin Sommaruga konstatiert hatte, die Differenz zwischen Mehrheits- und Minderheitsantrag sei „nicht wahnsinnig gross“, folgte der Ständerat mit 22 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung dem Antrag seiner Kommissionsminderheit.
Mit härteren Bandagen gekämpft wurde um die vom Bundesrat vorgesehene Möglichkeit, ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot unter bestimmten Bedingungen nach 10 Jahren zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit entferne sich die Umsetzungsgesetzgebung damit zu weit vom Inhalt der Initiative. Die Verhältnismässigkeit werde durch die Ausnahmebestimmung sowie durch die Einschränkung der Anlasstaten ausreichend gewährleistet, erläuterte Kommissionssprecher Fabio Abate (fdp, TI) den Mehrheitsantrag, welcher keine Aufhebungsmöglichkeit für lebenslängliche Tätigkeitsverbote vorsah. Der Bundesrat und die Kommissionsminderheit argumentierten hingegen, das Tätigkeitsverbot sei nicht Teil der strafrechtlichen Sanktion, sondern eine zusätzliche Massnahme, um zukünftige Taten zu vermeiden – ähnlich der lebenslänglichen Verwahrung. Es sei daher auch hier geboten, die strafrechtliche Maxime zu befolgen, eine Massnahme nur so lange aufrechtzuerhalten, als sie zur Sicherstellung ihres Zweckes notwendig sei, weshalb es eine Überprüfungsmöglichkeit geben müsse. Die klare Mehrheit der Ständekammer liess sich von diesem Einwand jedoch nicht überzeugen und stimmte mit 28 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung für den Antrag der Kommissionsmehrheit.
Zum Schluss drehte sich die Diskussion um die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren. Während unbestritten war, dass ein Tätigkeitsverbot nur durch ein Gericht ausgesprochen werden kann, blieb die Frage offen, ob der Verzicht auf die Verhängung eines Tätigkeitsverbotes ebenfalls nur in einem Gerichtsverfahren oder auch im Strafbefehlsverfahren durch die Staatsanwaltschaft erfolgen können soll. Die Kommissionmehrheit wollte in der Strafprozessordnung ausdrücklich festschreiben, dass die Härtefallklausel nur von einem Gericht angewandt werden kann – und bei dieser Gelegenheit dieselbe Regelung auch für die Härtefallklausel in der Umsetzungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative festmachen. Die Kommissionsminderheit kritisierte den fehlenden sachlichen Bezug und Bundesrätin Sommaruga wies darauf hin, dass Strafbefehle nur in einfachen und klaren Fällen erlassen werden dürfen – Voraussetzungen, die bei Fragen, ob auf die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes oder eines Landesverweises verzichtet werden kann, eher nicht gegeben seien. Falls die Staatsanwaltschaft doch in einem sehr klaren Fall, beispielsweise bei Jugendliebe, von der Verhängung eines Tätigkeitsverbotes absehe, sollte das hingegen unproblematisch sein. Im Gegenteil wäre eine Überweisung an ein Gericht in solchen Fällen unverhältnismässig aufwändig und kostspielig. Der Ständerat folgte sodann mit 23 zu 17 Stimmen bei zwei Enthaltungen der Minderheit und dem Bundesrat und verzichtete auf diese Anpassung der Strafprozessordnung.
In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage mit 26 zu 12 Stimmen bei vier Enthaltungen an. Die Gegenstimmen stammten hauptsächlich aus dem links-grünen Lager, aber auch von Vertretern der SVP-Fraktion.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Die nationalrätliche Rechtskommission möchte vor der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Rickli (svp, ZH) zur Verwahrung bei rückfälligen Tätern ausführliche Anhörungen durchführen. Sie beantragte ihrem Rat deshalb, die Frist für die Umsetzung der Initiative um zwei Jahre, also bis zur Sommersession 2019, zu verlängern. In der Sommersession 2017 genehmigte der Nationalrat die Fristverlängerung diskussionslos.

Verwahrung bei rückfälligen Tätern (Pa.Iv. 13.463)

Die Standesinitiative des Kantons Genf zur Neudefinition des Rechtsbegriffes der Vergewaltigung im Strafgesetzbuch soll mit der Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches koordiniert werden, führte die RK-SR in ihrem Bericht aus. Diese Harmonisierung der Strafrahmen wird voraussichtlich durch eine zur Zeit im Ständerat hängige und vom Nationalrat bereits gutgeheissene Motion der RK-NR angestossen werden. Aus diesem Grund verlängerte der Ständerat in der Sommersession 2017 die Behandlungsfrist für die Standesinitiative um zwei Jahre.

Neudefinition des Rechtsbegriffs der Vergewaltigung in den Artikeln 189 und 190 des Strafgesetzbuches (Kt.Iv. 14.311)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Sommer 2017 sorgte die Doktorarbeit von Ruth Fivaz-Silbermann, in der Zweifel an den offiziellen Zahlen des Bergier-Berichts zu den Direktabweisungen jüdischer Flüchtlinge an der Schweizer Grenze während des Zweiten Weltkriegs geäussert wurden, für Aufregung. Die Historikerin ging in ihrer Arbeit von weit weniger abgewiesenen Flüchtlingen aus als die Bergier-Kommission in ihrem Bericht 2001. Rund 4'000 jüdischen Flüchtlingen sei die Einreise an der Schweizer Grenze verweigert worden, so das Resultat der Doktorarbeit; die Bergier-Kommission war in ihrem Bericht von ungefähr 24'500 ausgegangen. Es war die rechtskonservative Weltwoche, die das Thema als Erste aufgriff und ihren Artikel mit «Die meisten durften rein» betitelte. «Glaubhaft» habe Fivaz-Silbermann nachgewiesen, dass die Zahlen des Bergier-Berichts «weit übertrieben» seien. Mit dieser Einschätzung war die Weltwoche jedoch alleine. Gerade in der Wissenschaft stiessen Fivaz-Silbermanns Forschungsergebnisse auf starken Gegenwind. Diverse Historikerinnen und Historiker warfen ihr vor, in ihrer Methodik eine unzulässige Hochrechnung vorgenommen zu haben. Zwar wurde allgemein anerkannt, dass sie ihre Erhebungen zu verweigerten Einreisen an der Grenze zu Frankreich sehr sauber aufbereitet habe und diese den wissenschaftlichen Anforderungen standhalten würden; für die Untersuchungen zur deutschen und italienischen Grenze sei dies aber nicht der Fall gewesen. Laut Fivaz-Silbermann seien etwa an der Nordgrenze lediglich drei Prozent aller Flüchtlinge, die an der Schweizer Grenze um Einreise gebeten hatten, angekommen. Diese Schätzung begründete die Historikerin damit, dass die Flüchtlingszahlen an der nördlichen und südlichen Grenze nicht dokumentiert worden seien. In der Folge rechnete sie hoch, dass demnach auch nur drei Prozent der Abweisungen an der Nordgrenze erfolgt seien – was ungefähr 100 Personen entsprochen hätte. Die NZZ widerlegte die Behauptung, dass Abweisungen an der Nordgrenze überhaupt nicht dokumentiert worden seien und legte ihrerseits Resultate von drei Studien über die damaligen Grenzregime in den Kantonen Basel-Stadt, Schaffhausen, St. Gallen und Graubünden vor. Mit den Ergebnissen dieser Studien würde sich bereits eine Zahl von 4'000 abgewiesenen Flüchtlingen ergeben.
Historiker Sacha Zala, Direktor der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente der Schweiz (Dodis) und Autor des Kapitels über die zwei Weltkriege in der 2014 erschienenen «Geschichte der Schweiz», sagte gegenüber der Berner Zeitung, dass das Flüchtlingsthema im Zweiten Weltkrieg unter Fachhistorikern nicht mehr umstritten sei. Es bestehe ein Grundkonsens, dass sich die Zahl abgewiesener Flüchtlinge nie genau rekonstruieren lasse. In der öffentlichen Wahrnehmung würde das Thema aber weiterhin Emotionen wecken. Bei aller öffentlichen Aufregung wollte Zala einen zentralen Punkt ins Gedächtnis rufen: Der Bundesrat habe im Zweiten Weltkrieg die Religion nicht als Aufnahmegrund akzeptiert; habe Juden demnach also nicht als Flüchtlinge anerkannt.

Diskussion um abgewiesene jüdische Flüchtlinge im zweiten Weltkrieg

Am 2. Mai 2017 reichte Natalie Rickli (svp, ZH) das Postulat Aufarbeitung des Falls Jürg Jegge und weiterer Missbrauchsfälle im Lichte der Reformpädagogik ein. Die Aussagen Jegges würden zeigen, wie wichtig es sei, nicht nur den Fall Jegge, sondern die Geschehnisse der damaligen Zeit und die Auswirkungen der Reformpädagogik zu untersuchen, begründete Rickli ihr Postulat. Sie forderte den Bundesrat auf, in einem Bericht den Fall Jürg Jegge und weitere mutmassliche sexuelle Missbräuche an Kindern in Institutionen wie Schulen, Kirchen, Heimen oder Vereinen zwischen 1960 und 1989 aufzuarbeiten.

Fall Jürg Jegge
Dossier: Fall Jürg Jegge

Mittels parlamentarischer Initiative wollte Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren einführen, um diese Straftaten härter zu bestrafen. Zusätzlich sollten die einschlägigen Strafdrohungen zwischen Taten gegenüber Jugendlichen unter 16 Jahren und Kindern unter 12 Jahren differenzieren. Die RK-SR gab der parlamentarischen Initiative im August 2016 mit 7 zu 5 Stimmen Folge. Die nationalrätliche Schwesterkommission tat es ihr im April 2017 gleich und hiess die Initiative mit 16 zu 6 Stimmen ebenfalls gut.

Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren (Pa.Iv. 16.408)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Am 4. April 2017 veröffentlichte ein ehemaliger Schüler Jürg Jegges das Buch „Jürg Jegges dunkle Seite: Die Übergriffe des Musterpädagogen“, in welchem er dem bekannten Sonderschullehrer und Pädagogen vorwarf, ihn während seiner Zeit als Schüler sexuell missbraucht zu haben. Der mittlerweile 74-jährige Jegge erlangte in der Schweiz Bekanntheit nach der Veröffentlichung seines Buches „Dummheit ist lernbar“ im Jahr 1976, in dem Jegge die klassische Volksschule für ihre Behandlung von leistungsschwachen Schülern kritisiert hatte. Kurz nach Veröffentlichung des Buches seines mittlerweile 58-jährigen ehemaligen Schülers, am 8. April 2017, gab Jegge zu, dass es zwischen ihm und einigen seiner Schülern – Jegge sprach im Tagesanzeiger von „etwas unter zehn“ – zu sexuellen Kontakten gekommen sei. Er sei der Meinung gewesen, dass diese Kontakte in gegenseitigem Einvernehmen stattgefunden hätten und er sei damals überzeugt gewesen, dass „derartige Sexualität einen Beitrag leiste zur Selbstbefreiung und zur persönlichen Weiterentwicklung“, sagte Jegge gegenüber der NZZ. Diese Überzeugung habe er nicht alleine gehabt, vielmehr sei sie im „links-grünen Kuchen“ und gewissen pädagogischen Kreisen auch diskutiert worden. Die Medien kritisierten Jegge dafür, dass er, obwohl derart überzeugt von der pädagogischen Wirkung sexueller Kontakte zwischen Lehrer und Schülern, in seinem 1976 erschienenen und weitherum gefeierten Buch nichts von diesen „Praktiken“ erwähnt hatte. Ebenfalls starke Kritik erntete Jegge von Seiten der Medien dafür, dass er von einer Ebenbürtigkeit der Beziehung zwischen Lehrern und Schülern ausging und nicht erkannt habe, dass zwischen einem Lehrer und dessen minderjährigen Schülern ein Machtgefälle bestehe. Jegges Darstellungen liessen auch den Verdacht aufkommen, dass es sich beim Fall Jegge um keinen Einzelfall gehandelt hatte. Wenn er wüsste, dass es noch andere Pädagogen gegeben habe, die Sex mit ihren minderjährigen Schülern hatten, würde er es nicht sagen, so Jegge. „Ich war sicher nicht der Einzige“, meinte er im Interview mit der NZZ. Diese Aussage veranlasste Natalie Rickli (svp, ZH), im Nationalrat ein Postulat einzureichen. Mitte April gab die Staatsanwaltschaft Zürich bekannt, dass sie ein Vorabklärungsverfahren wegen Verdachts auf sexuelle Handlungen mit Kindern eingeleitet habe, dabei kam es auch zu einer Hausdurchsuchung bei Jegge. Bereits damals mutmassten jedoch einige Medien, dass allfällige Straftaten Jegges bereits verjährt sein dürften. Mitte Mai gab die Bildungsdirektion des Kanton Zürich bekannt, dass sie die Hintergründe des Falls Jürg Jegge abklären wolle. Mithilfe eines Rechtsexperten sollte die damals geltende Rechtslage bezüglich sonderpädagogischen Masssnahmen aufgearbeitet werden, womit auch geklärt werden sollte, ob die Gesetze von den Behörden und den involvierten Personen eingehalten wurden. Zudem sollten die relevanten Akten so aufbereitet werden, dass sie für eine allfällige bildungshistorische Auswertung genutzt werden können.

Aufarbeitung Fall Jürg Jegge
Dossier: Fall Jürg Jegge

L'historien Thomas Buomberger revient dans son nouveau livre "Die Schweiz im Kalten Krieg 1945–1990" sur la question de l'identité Suisse pendant la guerre froide. Celle-ci se serait construite autour de l'opposition face au communisme, avec l'exemple bien célèbre de l'affaire des fiches qui vit des milliers de suisses se faire surveiller par les autorités, car on considérait que leur sympathie pour les mouvements de gauche pouvait être un danger pour la nation. Un autre exemple de l'anti-communisme régnant durant cette période historique est l'élan de solidarité que la société eu envers les hongrois réprimés par les autorités soviétiques en 1956; une solidarité en partie due aux velléités d'une majorité de la population à l'encontre de l'URSS.
Thomas Buomberger postule que l'identité suisse s'est façonnée à cette époque dans une perspective de surcompensation – teintée de mauvaise conscience – face à l'inaction du pays lors de la deuxième guerre mondiale. La Guerre froide fut ainsi encore plus froide en Suisse que dans bien d'autres pays, pour reprendre les mots de l'historien. Il parle d'une "défense nationale spirituelle" qui aurait débuté juste avant la deuxième guerre mondiale et qui aurait été l'idéologie la plus influente pour le pays durant le 20ème siècle. Celle-ci amènera les autorités – par peur de cette guerre "imaginaire", selon les termes de l'historien, que fut la Guerre froide – à se lancer dans la construction d'un nombre incalculable de bunkers, amenant à la situation incongrue d'avoir assez de place pour abriter 115% de la population nationale, ce qui n'a pas d'équivalent dans le monde. La Suisse fut certainement le seul pays n'ayant pas fixé sa politique lors de la Guerre froide sur une lutte contre une potentielle guerre nucléaire, mais plutôt sur les conséquences d'une attaque nucléaire et comment y survivre.
La Suisse aurait donc, toujours selon Thomas Buomberger, adopté une attitude "du porc-épique", privilégiant cette posture extrêmement défensive face à la menace communiste, au détriment peut être du développement d'une conception positive de la vie et de la culture au sein du pays.

la question de l'identité Suisse pendant la guerre froide

A l'invitation de la Neue Zürcher Zeitung, les président-e-s des quatre plus grands partis échangent leurs points de vue sur leur idée de la patrie (ou "Heimat" en allemand). Petra Gössi pour le Parti libéral-radical et Albert Rösti pour l'Union démocratique du centre citent l'élément de la nature comme constitutif de leur vision de la partie. Pour les deux également, la patrie est l'endroit où l'on se sent à l'aise, en sécurité et où l'on a ses proches. Le président du Parti socialiste, Christian Levrat, quant à lui construit son image de la patrie autour de la variété et du vivre ensemble entre différentes cultures, langues et religions. Gerhard Pfister – président du Parti démocrate chrétien – fait également mention de la diversité et cite pour exemple son canton d'origine, Zoug, comme étant une Suisse en miniature – un canton où la campagne et le monde international se côtoient.
Les chef-fe-s de partis ont également réagi aux réponses d'un questionnaire sur cette idée de la patrie, fait par l'institution et musée "Stapferhaus" de Lenzbourg en Argovie. Celui-ci révèle que les 1000 suisses interrogés lient leur sentiment de patrie principalement aux humains y vivant, aux paysages et aux traditions. L'importance de la nature ressort fortement de ce sondage – les montagnes y prenant une signification particulière – et cela même pour les citadins. Selon le politologue Michael Hermann qui a analysé les résultats, la nature ferait même office d'agrafe patriotique. Par ailleurs, les personnes estimant que la patrie est en danger (la moitié des sondé-e-s) citent en premier lieu la destruction de la nature, puis le bétonnage intensif et troisièmement les cultures étrangères comme sources de menace.
Albert Rösti voit dans ces différentes menaces un vecteur commun qu'est l'immigration et postule que les Suisses et Suissesses se rattachent à une langue et à des valeurs communes. Il rappelle, par ailleurs, que tous ceux habitant en Suisse doivent respecter l'ordre juridique ainsi que la Constitution fortement teintée – tout comme l'hymne national – de christianisme. Christian Levrat fait remarquer que la Suisse ne possède pas qu'une langue commune et n'est pas faite que d'une seule culture unie. A la culture chrétienne prônée par les présidents de l'UDC et du PDC, il oppose la Suisse moderne et libérale fondée en 1848. Petra Gössi, quant à elle, estime, tout comme Christian Levrat, que la Suisse est un Etat séculaire, reposant sur les valeurs des Lumières et de la liberté. Malgré tout, elle considère qu'une Suisse multiculturelle ne peut fonctionner. Gerhard Pfister, en réponse aux propos de Christian Levrat, est de l'avis que la gauche sous-estime l'apport et l'influence du christianisme sur notre société, et considère que le christianisme (ainsi que le judaïsme) a été le socle de la démocratie. Ce dernier estime également que cette peur de la destruction de la nature est à lier avec la peur de la croissance. Le oui à l'initiative dite "d'immigration de masse" est un signe qui irait en ce sens.
L'une des autres menaces ressortant du questionnaire est la globalisation. Celle-ci est perçue différemment par les quatre président-e-s. Pour le chef de file du Parti socialiste, l'évolution du droit international est l'un des aspects positifs de ce phénomène, car cela permet de contrôler les firmes multinationales. Le président de l'UDC, quant à lui, considère que la libre circulation des matières est fondamentale pour le bon fonctionnement de l'économie, mais que celle-ci ne doit surtout pas s'accompagner de la libre circulation des personnes – vue comme non-compatible avec le sentiment de patrie. Petra Gössi reconnait que la globalisation et les changements rapides qu'elle implique font peur et estime que le rôle de la politique est de préparer au mieux les gens devant subir ses effets négatifs. Finalement, Gerhard Pfister voit un contre-mouvement à ce phénomène de globalisation où cette idée de patrie deviendrait de plus en plus importante pour la population.

Les chefs des trois plus grands partis échangent leurs points de vue sur leur idée de la patrie

Le 30 avril 2017 fut jour de fête dans la commune de Sarnen dans le canton d'Obwald. En effet, les 600 ans de la naissance du "Frère Nicolas" furent marqués par des célébrations à la hauteur du personnage historique. Pas moins de 300 officiels, dont la présidente de la Confédération Doris Leuthard, étaient présents à l'invitation du canton d'Obwald. Mis à part les cantons de Vaud et d'Appenzell Rhodes-Intérieures qui n'étaient pas représentés par un membre de leur gouvernement (les premiers étant occupés par les élections de l'exécutif cantonal ayant lieu au même moment et les seconds ayant leur Landsgemeinde le même jour), tous les cantons ont envoyé un représentant pour célébrer cet anniversaire. Niklaus von Flüe – qui deviendra plus tard Frère Nicolas – est notamment connu pour être entré en pèlerinage et avoir eu une vision le poussant à s'établir en ermite proche de sa maison, commençant un jeûne qui aurait duré 20 ans.
De par son intérêt pour la société et la politique, il se serait également impliqué dans la signature du Convenant de Stans de 1481 qui vit les cantons-villes et cantons campagnards – en situation de conflit vis-à-vis de l'admission au sein de la Confédération des cités de Fribourg et de Soleure – résoudre leurs différends. Grâce à la médiation avisée de Niklaus von Flüe, les cantons de la Confédération réussirent à s'accorder pour permettre aux deux villes de rejoindre la Confédération. Ce convenant reste pour beaucoup l'un des jalons de l'identité des confédérés. De par son importance historique, la Poste a édité un timbre en l'honneur de l'entremetteur.
Mais l'anniversaire de la naissance du Frère Nicolas est également marqué par une controverse autour de la cérémonie qu'un comité proche du parti de l'UDC a prévu d'organiser le 19 août, ainsi que de l'invitation faite à l'évêque de Coire Vitus Huonder à venir y tenir un discours. Certains, comme l'ancien curé-doyen d'Obwald ainsi qu'ancien curé de Kerns Karl Imfeld, critiquent l'implication d'un homme d'église dans une cérémonie organisée par un cercle de politiciens.
Cette cérémonie parallèle est l'occasion, selon l'historien Thomas Maissen, pour Christoph Blocher – également invité à y donner un discours – d'utiliser, à des fins politiques, cette figure qu'est Niklaus von Flüe en s'appuyant sur ses paroles. Celles-ci – relatées 50 ans après sa mort – sont, pour certains, les prémices d'une Suisse neutre et indépendante. Thomas Maissen précise toutefois qu'à l'époque où Frère Nicolas était en vie, la Suisse n'était pas un Etat et que le concept de neutralité n'apparaîtra qu'au 17ème siècle.

600 ans de la naissance du "Frère Nicolas"

Zwei gleichlautende Postulate zum Thema Prävention pädosexueller Straftaten wurden im September 2016 von Natalie Rickli (svp, ZH) im Nationalrat (Po. 16.3637) und von Daniel Jositsch (sp, ZH) im Ständerat (Po. 16.3644) eingereicht. Demnach soll der Bundesrat in einem Bericht die Wirkung von Präventionsprojekten nach dem Vorbild von „Kein Täter werden“ in Deutschland oder „Dis No“ in der Romandie auf potenzielle pädosexuelle Straftäter sowie den Erfolg solcher Projekte in der Praxis darlegen. Die genannten Projekte ermöglichen es Personen mit pädophiler Neigung, die aber nicht straffällig werden wollen, eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Zudem soll im Bericht die Frage erörtert werden, ob durch ein ausgebautes Präventionsangebot in der Schweiz solche Straftaten verhindert werden könnten und falls ja, wie ein entsprechendes Angebot gewährleistet werden könnte und welche Rolle dabei dem Bund zukäme. Im Dezember 2016 wurden beide Postulate vom jeweiligen Rat oppositionslos überwiesen.

Präventionsprojekt «Kein Täter werden» für die Schweiz (Po. 16.3637 und 16.3644)

Aus demselben Grund wie vor zwei Jahren verlängerte der Nationalrat die Frist der parlamentarischen Initiative Abate (fdp, TI) für höhere Strafen bei sexuellen Handlungen mit Kindern zum sechsten Mal um weitere zwei Jahre, diesmal bis zur Wintersession 2018.

Höheres Strafmass für sexuelle Handlungen mit Kindern (Pa.Iv. 03.424)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

On a pu voir, en ce 12 septembre 2016, un peu partout en Suisse, diverses associations fêter l'adoption de la Constitution de 1848. Cette date célèbre, selon eux, l'acte fondateur de la Suisse moderne. En effet, il y a de cela 168 ans, les débats furent vifs après la guerre du Sonderbund. Il s'agissait de réussir à réunifier le pays avec une nouvelle constitution. Rappelons que quatre ans auparavant, en prémices à la guerre mentionnée, plus de 100 morts ainsi que près de 200 blessés furent à comptabiliser après des affrontements entre corps francs protestants et catholiques lucernois, ces premiers n'acceptant pas que l'éducation lucernoise soit remise aux mains des jésuites, assurant ainsi les traditions catholiques.
Ces événements marqueront profondément la construction de cette Suisse moderne. Des groupements politiques tels que la Jeunesse Socialiste Suisse ou Operation Libero se rapportent donc à cette date comme référence pour "leur" Suisse, dans une volonté de rompre avec la création du mythe Suisse basé sur le 1er août 1291.
Déjà en 2009, la conseillère nationale socialiste bernoise Margret Kiener Nellen (sp, BE) posait la question au Conseil Fédéral de savoir quelle date représentait au mieux l'acte fondateur de la Suisse moderne. Celui-ci lui répondit que "le 12 septembre 1848 n'est certainement pas la seule date à retenir, mais elle est peut-être la date la plus importante tant il est vrai que ce jour-là les constitutions cantonales ont perdu leur rang intouchable de charte suprême, sans que les cantons du Sonderbund ne s'y opposent par ailleurs." Le Conseil fédéral précise toutefois que sur ces questions la liberté d'opinion prévaut et qu'il n'est pas de leur ressort de fixer une date précise, la confédération ne s'étant, à l'instar de Rome, pas construite en un jour, pour reprendre les propos des sept sages.

Fête nationale fixée au 12 septembre