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Jahresrückblick 2023: Gesundheit und Sport

In der Gesundheitspolitik wurden 2023 verschiedene gewichtige Baustellen bearbeitet, insgesamt blieb die mediale Beachtung des Themenbereichs nach dem Abflauen der Corona-Pandemie aber deutlich hinter derjenigen der letzten Jahre zurück (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Einigen Fortschritt gab es im Bereich des elektronischen Patientendossiers (EPD), wo der Bundesrat eine Revision des EPD-Gesetzes für eine Weiterentwicklung und für die nachhaltige Finanzierung des Dossiers sowie eine Gesetzesrevision für eine Übergangsfinanzierung in die Vernehmlassung gab. In der Wintersession stimmte der erstbehandelnde Nationalrat letzterer Revision bereits zu, die bis zum Inkrafttreten der umfassenden EPD-Gesetzesrevision (frühestens Ende 2027) gelten soll. Ungeachtet dieser laufenden Arbeiten verlangte der Ständerat mit Annahme eines Postulats im September 2023 eine Tempoerhöhung bei den Revisionsarbeiten. Darüber hinaus wollte das Parlament die Digitalisierung durch die Annahme verschiedener Motionen fördern.

Die Medien berichteten vor allem über die Versorgungsknappheit im Gesundheitsbereich. Insbesondere während der ersten Jahreshälfte schrieben die Zeitungen über Lieferengpässe bei den Medikamenten, was in Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse den Peak im Februar erklären dürfte. Als Reaktion darauf lancierte ein Komitee aus verschiedenen medizinischen Berufsgruppen die Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit».

Aber nicht nur die Knappheit an Arzneimitteln, sondern auch die Knappheit an medizinischem Personal stand 2023 auf der politischen Agenda. Zur Sicherstellung, dass es in allen Regionen der Schweiz genügend Ärztinnen und Ärzte – insbesondere Hausärztinnen und Hausärzte – gibt, hiess die Legislative während der Herbstsession drei Postulate (Po. 23.3678, Po. 21.4226 und Po. 23.3864) zu diesem Thema gut. Um der Pflegeknappheit zu begegnen, wurde 2023 weiter an der Umsetzung der Pflegeinitiative gearbeitet. Nachdem das Parlament im Dezember des Vorjahres die erste Umsetzungsetappe mit den Inhalten «Ausbildungsoffensive» und «Abrechnungsmöglichkeiten» verabschiedet hatte, schickte der Bundesrat Ende August 2023 das Ausführungsrecht zur ersten Etappe in die Vernehmlassung. Die Leitlinien der zweiten Etappe legte die Landesregierung Anfang April fest. Diese beinhalteten Punkte zu anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und besseren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Im Sommer lancierten Bund und Kantone zudem ein Monitoring zur Umsetzung der Initiative.

Bezüglich Tabakprodukten hiess das Parlament im Sommer 2023 die Einführung einer Tabaksteuer bei E-Zigaretten gut. Zudem veröffentlichte die Landesregierung im Mai die Botschaft zur Teilrevision des TabPG, mit der sie die im Februar 2022 angenommene Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» umsetzen wollte. Als behandelnder Erstrat schwächte das Stöckli in der Herbstsession den Entwurf in einigen Punkten ab. Ein weniger restriktiver Trend liess sich im Umgang mit Cannabis beobachten. So starteten in verschiedenen Städten Pilotprojekte zur Cannabis-Abgabe.

Neben den beiden oben beschriebenen Volksbegehren gab es 2023 zudem drei Initiativen im Bereich Gesundheit, die in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie lanciert worden waren. Im Februar startete die Unterschriftensammlung zu einer Volksinitiative, welche die Aufarbeitung der Massnahmenpolitik während der Pandemie forderte. Hingegen scheiterte 2023 eine Volksinitiative, die im Falle künftiger Pandemien eine finanzielle Entschädigung bei massgeblichen wirtschaftlichen Einbussen forderte, im Sammelstadium. Ein Volksbegehren, welches es indes bereits 2022 über das Sammelstadium hinaus geschafft hatte, war die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich in erster Linie gegen eine Impfpflicht richtet. National- und Ständerat empfahlen im Berichtsjahr die Ablehnung der Initiative.

Ähnlich gross wie im Vorjahr war die mediale Aufmerksamkeit für den Sportbereich (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Im Zentrum stand dabei die Schweizer Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2030, welcher das IOC jedoch Ende November eine Absage erteilte. Erfolgreich war hingegen die Kandidatur der Schweiz als Austragungsstätte für die Fussball-EM 2025 der Frauen. Sie setzte sich im Bewerbungsverfahren gegen Polen, Frankreich und die Nordischen Staaten durch. Die beiden eben genannten Kandidaturen dürften in der Abbildung 1 der ASP-Zeitungsanalyse für die Peaks im Frühjahr (Olympische Winterspiele und Fussball-EM) und Spätherbst (Olympische Winterspiele) verantwortlich sein. Im Parlament war insbesondere die Unterstützung für internationale Sportgrossanlässe in den kommenden Jahren Thema, wobei National- und Ständerat den bundesrätlichen Gesamtbetrag von CHF 47 Mio. um CHF 25 Mio. aufstockten.

Jahresrückblick 2023: Gesundheit und Sport
Dossier: Jahresrückblick 2023

Während der Wintersession 2023 nahm sich der Ständerat einer Motion Graf-Litscher (sp, TG) zur Förderung salutogenetischer Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien und zum Einbezug der Komplementärmedizin an. Konkret galt es lediglich über die ersten beiden Ziffern des Geschäfts zu befinden, da der Nationalrat die letzteren beiden bereits abgelehnt hatte. Erich Ettlin (mitte, OW) erklärte, dass die SGK-SR den Vorstoss ablehne, da die darin enthaltenen Anliegen überholt und die verlangten Anpassungen nicht zielführend seien. Beispielsweise sei die Swiss National Covid-19 Science Task Force auf Ende März 2022 aufgelöst worden, weshalb Komplementärmedizin-Fachpersonen darin nicht mehr Einsitz nehmen könnten. Zudem sei die Kommission der Ansicht, dass zusätzliche Bestimmungen bezüglich der Zusammensetzung der EKP «zu starr und nicht sinnvoll» seien. Bundesrätin Viola Amherd schloss sich diesen Worten an und empfahl im Namen der Landesregierung ebenfalls die Ablehnung der Motion. Stillschweigend folgte das Stöckli diesen Voten.

Salutogenetische Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien fördern und die Komplementärmedizin einbeziehen (Mo. 20.3664)

Im März 2022 wurde von einem überparteilichen Komitee eine Volksinitiative mit dem Titel «Für eine geregelte Entschädigung im Epidemiefall (Entschädigungsinitiative)» lanciert. Damit wollte man als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie erreichen, dass in der Bundesverfassung festgehalten wird, dass Betriebe, Geschäfte und Kulturschaffende einheitlich entschädigt werden und keine interkantonalen Unterschiede bestehen, falls die betroffenen Personen ihrer Arbeit aufgrund einer Epidemie nicht mehr nachgehen können. Das Komitee setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern der grössten fünf Parteien und verschiedenen Branchen zusammen. Nachdem das Volksbegehren am 15. März 2022 erfolgreich vorgeprüft worden war, wurde am 29. März 2022 mit der Unterschriftensammlung begonnen. Gemäss NZZ gelang es dem Komitee bis im Januar 2023 allerdings nicht, mehr als 35'000 Unterschriften zusammenzubekommen. Da die Bereitschaft zur Sprechung von notwendigen Zusatzgeldern gefehlt habe, um die erforderlichen 100'000 Unterschriften zu erreichen, sei die Unterschriftensammlung vorzeitig abgebrochen worden, womit die Initiative noch im Sammelstadium scheiterte.

Eidgenössische Volksinitiative Für eine geregelte Entschädigung im Epidemiefall (Entschädigungsinitiative)

«Schluss mit Faxen. Effiziente Datenbereitstellung der Leistungserbringer an Bund und Kantone während einer Pandemie ermöglichen», lautete der Titel einer Motion Dobler (fdp, SG), die im Juni 2023 eingereicht wurde. Der Motionär spielte damit auf Berichte während der Covid-19-Pandemie an, wonach Daten teilweise mehrfach erfasst worden seien, unter anderem weil sie per Fax gesendet worden waren. Dies habe zu Mehraufwand und Verzögerungen geführt. Folglich forderte der Motionär, dass die Leistungserbringenden die Daten, welche notwendig sind, um eine Gesundheitskrise zu bekämpfen, rechtzeitig und in der erforderlichen Qualität verfügbar machen und den verantwortlichen Verwaltungseinheiten zustellen. Dabei soll jedoch der Arbeitsaufwand der Leistungserbringenden in Grenzen gehalten werden und Mehrspurigkeiten vermieden werden. Der Bundesrat empfahl den Vorstoss zur Annahme, was der Nationalrat in der Herbstsession 2023 auch diskussionslos und stillschweigend tat.

Schluss mit Faxen. Effiziente Datenbereitstellung der Leistungserbringer an Bund und Kantone während einer Pandemie ermöglichen (Mo. 23.3681)

Während der Herbstsession 2023 stand die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» auf der Traktandenliste des Ständerats. Wie bereits die Sprecherinnen und Sprecher des Nationalrats erklärte auch Philippe Bauer (fdp, NE) für die RK-SR, dass die Umsetzung der Initiative mit verschiedenen Problemen verbunden wäre, die weit mehr als die Impfdebatte, die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie entfacht worden war, beträfen. So greife das Volksbegehren das Gewaltmonopol des Staates an und sei mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden. Daher empfehle die Kommission die Initiative einstimmig zur Ablehnung. Stillschweigend sprach sich das Stöckli gegen das Volksbegehren aus.

In den Schlussabstimmungen, welche in beiden Räten noch in der gleichen Session stattfand, nahm die grosse Kammer den Bundesbeschluss zur Empfehlung auf Ablehnung der Initiative mit 145 zu 49 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an, die kleine Kammer tat es ihr mit 37 zu 0 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) gleich. Mit einer Ausnahme stammten alle Nein-Stimmen und Enthaltungen aus den Reihen der SVP-Fraktion.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

Im Rahmen der Herbstsession 2023 beschäftigte sich der Ständerat mit der Motion Feller (fdp, VD) zur Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven seitens der Unternehmen. Gemäss Kommissionssprecher Hans Wicki (fdp, NW) habe die WAK-SR die Motion einstimmig zur Ablehnung empfohlen, da sich das 2015 aufgehobene Bundesgesetz über die Bildung steuerbegünstigter Arbeitsbeschaffungsreserven (ABRG) nicht als wirkungsvolles Instrument erwiesen habe und deswegen nicht wieder eingeführt werden solle. Den Unternehmen stünden andere Instrumente zur Verfügung, um ihre Resilienz zu stärken, zum Beispiel die Kurzarbeit oder die freiwillige Reservebildung. Der Ständerat lehnte die Motion stillschweigend ab.

Unternehmen ermutigen, Arbeitsbeschaffungsreserven zu bilden (Mo. 21.3036)

Ende September 2021 reichte Judith Bellaiche (glp, ZH) eine Motion ein, mit welcher sie den Bundesrat damit betrauen wollte, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine dauerhafte genomische Überwachungsplattform für Infektionskrankheiten zu errichten. Das Geschäft kam gut zwei Jahre nach Einreichen in den Nationalrat, wo die Motionärin ihr Anliegen ausführte. Durch die Covid-19-Pandemie sei ersichtlich geworden, dass zurzeit kein Instrument vorhanden sei, das eine systematische Verfolgung von Krankheiten und deren Veränderungsverhalten ermögliche. Damit rechtzeitig auf neue Krankheitserreger oder Bakterienresistenzen reagiert werden könne, sei dies allerdings essenziell. Gesundheitsminister Berset empfahl die Motion zur Ablehnung. In Folge der Covid-19-Pandemie habe man Ausweitungen an der genomischen Überwachung vorgenommen, weshalb die für eine entsprechende Plattform benötigten Rahmenbedingungen bereits existierten. Zudem fliesse die Fragen zur genomischen Überwachung und zu den entsprechenden Plattformen in das derzeit in Überarbeitung befindliche EpG ein. Dennoch nahm die grosse Kammer die Motion mit 109 zu 63 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) an. Während die Fraktionen der SP, GLP, Mitte und der Grünen geschlossen respektive mit einigen Enthaltungen das Geschäft befürworteten, sprachen sich die SVP- und die FDP-Fraktion geschlossen respektive grossmehrheitlich gegen den Vorstoss aus.

Dauerhafte genomische Überwachungsplattform für Infektionskrankheiten (Mo. 21.4175)

Eine unabhängige Aufarbeitung der Covid-19-Krise nach Public Health-Grundsätzen forderte Ruedi Noser (fdp, ZH) Mitte Juni 2023 in einem Postulat. Die Evaluation durch eine interdisziplinäre und unabhängige Expertengruppe soll unter anderem die Folgen der Pandemie auf die Gesellschaft und insbesondere auch auf die Jugend, Leitlinien für die zukünftige Pandemiepolitik beinhalten. Ebenfalls Gegenstand der Evaluation sollen die Umsetzung von Präventionsmassnahmen, gesundheitliche Folgeschäden und der bisherige Pandemieplan sein. Das Geschäft kam in der Herbstsession 2023 in den Ständerat. Da der Bundesrat dem Vorstoss bereits im Vorfeld zugestimmt hatte, sah Noser von einem Votum ab. Gesundheitsminister Alain Berset berichtete, dass schon einige interne und externe Evaluationen zur Pandemie durchgeführt worden seien und verwies auf das NFP 80 «COVID-19 und Gesellschaft», dessen Ergebnisse 2026 verfügbar sein sollen. Um unterschiedliche Perspektiven zu erlangen, könne es jedoch erstrebenswert sein, internationale Expertinnen und Experten miteinzubeziehen. Stillschweigend nahm der Ständerat das Postulat an.

Unabhängige Aufarbeitung der Corona-Krise nach Public Health. Grundsätzen (Po. 23.3675)

Rückblick auf die 51. Legislatur: Gesundheit

Autorinnen: Joëlle Schneuwly und Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Das für die Gesundheitspolitik prägendste Ereignis der 51. Legislatur war unbestritten die Covid-19-Pandemie: Ab Februar 2020 stiegen weltweit und auch in der Schweiz die Fallzahlen von Personen, die an dem neuen Corona-Virus erkrankten, das insbesondere bei älteren Personen unter anderem zu schweren Lungenerkrankungen führte. Mitte März 2020 rief der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz und beruhend darauf einen sogenannten Lockdown aus, um weiterhin genügend freie Spitalbetten garantieren zu können. Dabei wurde das gesellschaftliche Leben weitestgehend heruntergefahren, geöffnet blieben nur Lebensmittelgeschäfte und Gesundheitseinrichtungen. Die Bevölkerung wurde angehalten, zuhause zu bleiben und – wenn möglich – von dort aus zu arbeiten, zudem wurden unter anderem der Präsenzunterricht in Schulen eingestellt und die Grenzen geschlossen. Der Lockdown dauerte bis Juni 2020, in den Sommermonaten erholten sich die Fallzahlen. Bereits ab Oktober 2020 folgte jedoch die zweite Welle, die erneute landesweite Massnahmen und Einschränkungen nach sich zog.

Mitte August legte der Bundesrat das Covid-19-Gesetz vor, durch das er die bisherigen Notverordnungen ersetzte und das in der Herbstsession 2020 vom Parlament unter ausgiebigen Diskussionen verabschiedet wurde. Im Juni 2021 sprach sich die Schweizer Stimmbevölkerung mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für das Covid-19-Gesetz aus. Ähnlich hoch war die Zustimmung auch im November 2021 (62.0% Ja-Stimmen) sowie im Juni 2022 (61.9%), als über die zweite respektive fünfte Revision des Gesetzes abgestimmt wurde – Massnahmengegnerinnen und -gegner hatten jeweils das Referendum ergriffen.

In der Zwischenzeit kam es immer wieder zu neuen Virusvarianten und Ansteckungswellen, die jedoch weniger intensiv waren als die zweite Welle. Ende 2020 erteilte Swissmedic der ersten Covid-19-Impfung die Zulassung – diese reduzierte anfänglich das Ansteckungsrisiko sowie das Risiko eines schweren Verlaufs deutlich, später jedoch nur noch Letzteres. Bis Ende November 2021 waren 66 Prozent der Schweizer Bevölkerung ausreichend geimpft, wobei der ungeimpfte Teil der Bevölkerung eine Impfung grösstenteils strikt ablehnte. Sie fürchteten sich zudem vor einer Impfpflicht, was sich mit Einführung des sogenannten Covid-19-Zertifikats im Juni 2021 noch verstärkte: Ab dann konnten öffentliche Anlässe nur noch unter Nachweis einer Impfung, einer Genesung oder eines negativen Covid-19-Tests besucht werden – Ende 2021 gar nur noch nach Impfung oder Genesung. Damit wollte der Bundesrat eine erneute Schliessung des öffentlichen Lebens verhindern.

Im Laufe der Zeit wurde der Unmut der Massnahmengegnerinnen und -gegner immer lauter. Sie brachten diesen in wöchentlichen Demonstrationen zum Ausdruck, welche insbesondere im Rahmen der Kampagne zur Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes immer gehässiger wurden, so dass die Medien bald von einer «Spaltung der Gesellschaft» sprachen. Nach der erneuten Zustimmung durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger schienen sich die Wogen zumindest gegen aussen wieder etwas zu glätten.

Ab Ende November 2021 verbreitete sich die neue Virusvariante «Omikron», die deutlich ansteckender war als die bisher vorherrschende Delta-Variante, gleichzeitig aber weniger gefährlich. Somit schnellten zwar die Ansteckungszahlen in bisher kaum denkbare Höhen, diese zogen aber deutlich weniger Neuhospitalisierungen nach sich. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, Anfang April 2022 kehrte die Schweiz wieder in die «normale Lage» gemäss Epidemiengesetz zurück und der Bundesrat hob (fast) alle noch verbliebenen Massnahmen auf. Die Zertifikatspflicht war bereits Mitte Februar 2022 eingestellt worden. Zwar wurde das Covid-19-Gesetz im Dezember 2022 – quasi als Sicherheit gegen ein erneutes Aufflammen des Virus – teilweise verlängert, für die meisten Menschen hatte die Pandemie in der Zwischenzeit jedoch ihren Schrecken verloren.

Nachwirkungen hatte die Pandemie in vielen Themenbereichen, im Gesundheitsbereich insbesondere auf diejenigen Menschen, die unter Long Covid oder Post Covid litten – einer Erkrankung, die noch Monate nach einer Infektion mit Covid-19 verschiedene Symptome mit sich bringt. Folgen hatte die Pandemie auch für die Spitäler, deren teilweise bereits vor der Pandemie schwierige wirtschaftliche Lage durch das Verbot während des Lockdowns, nicht dringliche Untersuchungen durchzuführen, um genügend Kapazitäten für Notfälle zu haben, noch verschärft worden waren. Schliesslich trieb die Pandemie auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran, wobei noch immer intensiv am elektronischen Patientendossier gearbeitet wurde.

Neben der Pandemie wurde die Gesundheitspolitik in der 51. Legislatur vor allem von Initiativen vorangetrieben. So nahmen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im November 2021 mit 61 Prozent Ja-Stimmen die Pflegeinitiative an, welche eine Verbesserung des Pflegendenstatus und die Sicherstellung einer genügend grossen Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen erreichen wollte. Sie bevorzugten die Initiative damit gegenüber dem indirekten Gegenvorschlag des Parlaments, welchen Bundesrat und Parlament in der Folge als Teil der Umsetzung der Initiative in Kraft setzte.

Auch die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung», die ein weitreichendes Verbot von Tabakproduktewerbung verlangte, wurde im Februar 2022 von der Stimmbürgerschaft einem indirekten Gegenvorschlag in Form eines Tabakproduktegesetzes vorgezogen. Im Bereich der Suchtmittel bewilligte der Bund 2022 hingegen erste Versuche für eine wissenschaftlich begleitete, kontrollierte Abgabe von Cannabis, von denen man sich einen Erkenntnisgewinn zu alternativen Regulierungsformen erhoffte.

Auch der Organspende-Initiative, welche die bisherige Zustimmungslösung bei der Organspende durch eine Widerspruchslösung ersetzen wollte, hatten Bundesrat und Parlament einen abgeschwächten indirekten Gegenvorschlag mit einer erweiterten Zustimmungslösung, bei der bei Nichtvorliegen des Willens der verstorbenen Person die Meinung der Angehörigen berücksichtigt werden sollte, vorgelegt. Das Initiativkomitee zog daraufhin seine Initiative bedingt zurück und die Stimmbürgerschaft bestätigte die Gesetzesänderung am 15. Mai 2022 an der Urne, nachdem das Referendum gegen den Gegenvorschlag ergriffen worden war.

Bereits während der Pandemie, insbesondere aber im Jahr 2022 wurde eine neue gesundheitsrelevante Krise deutlich, die Medikamentenknappheit. Aufgrund von Brexit, der Opioidkrise in den USA und dem Ukrainekrieg wurden erste Medikamente knapp, weshalb der Bundesrat in den Jahren 2022 und 2023 verschiedene Pflichtlager, etwa für Opioide und Impfstoffe, freigab.


Zu den Jahresrückblicken
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Gesundheit
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rétrospective de la 51e législature : La gestion du système politique face aux (grandes) crises

Auteures: Anja Heidelberger et Marlène Gerber

Traduction: Lloyd Fletcher et Karel Ziehli

Etat au 17.08.2023

Les événements, histoires et débats politiques qui ont eu lieu en très grand nombre au cours de la 51e législature peuvent être retracés de manière détaillée dans nos rapports de législature, classés par thèmes politiques. Toutefois, on se souviendra sans doute surtout des différentes crises qui ont secoué la Suisse au cours de cette législature. En effet, pratiquement aucun domaine politique n'a échappé à au moins une grande crise au cours des quatre dernières années. Par conséquent, nous mettons l'accent, dans cette rétrospective transversale de la 51e législature, sur ces crises et leurs nombreuses répercussions sur la politique et la société.

La pandémie de Covid-19
La pandémie de Covid-19 a eu des répercussions sur presque tous les domaines politiques. En effet, outre le système de santé fortement touché et mis à contribution, les mesures de lutte contre la pandémie ont posé de gros problèmes à différentes branches et catégories de personnes – en particulier aux entreprises et aux indépendants, que le Conseil fédéral a aidés en étendant les allocations pour perte de gain et le chômage partiel et en créant des crédits-relais et des aides pour les cas de rigueur. Les médias, les acteurs culturels, les ligues et associations sportives ainsi que les transports publics et le transport aérien ont également bénéficié de soutiens financiers, tandis que des mesures d’un autre type ont été réclamées dans le domaine des écoles ainsi que pour les loyers commerciaux. Les mesures exhaustives prises pour lutter contre la pandémie ont entraîné un déficit budgétaire considérable, amenant le Parlement à prolonger le délai du remboursement de la dette afin d’éviter des coupes budgétaires draconiennes. La pandémie a également été une charge pour la population, avec des baisses de salaires (lors du chômage partiel), la garde d'enfants en télétravail ou encore l'anxiété. En outre, la pandémie a également posé un problème à la société dans son ensemble, en entraînant (ou en renforçant) une perte de confiance d'une partie de la population dans le gouvernement. Une partie de la population suisse s’est montrée sceptique quant à la vaccination contre le Covid-19, ce qui a suscité des débats émotionnels autour de l'introduction dudit certificat Covid-19. En revanche, tant l'armée, la protection civile et le service civil – en effectuant de nombreuses heures dans des interventions, notamment dans le domaine de la santé – que le monde de la recherche qui a développé des vaccins et des médicaments contre le Covid-19 ont pu démontrer leur utilité dans le cadre de la pandémie. Enfin, la pandémie a également stimulé le télétravail et, plus généralement, la flexibilisation et la numérisation du monde du travail. Au cours de la 51e législature, le peuple et les cantons ont également accepté l'initiative sur les soins, qui contenait des mesures visant à garantir les soins infirmiers de base, dont l'importance a été soulignée pendant la pandémie.

La pandémie a également eu des répercussions sensibles sur le système institutionnel. Au début, le gouvernement a clairement pris les choses en main, prenant toutes les décisions importantes après la proclamation de la situation extraordinaire au sens de la loi sur les épidémies grâce à des décrets d'urgence fondés sur la Constitution et à la loi sur les épidémies, tandis que le Parlement a interrompu prématurément sa session de printemps en raison du début de la pandémie. Le Parlement a obtenu davantage de marge de manœuvre lorsque les ordonnances d'urgence ont dû être remplacées par une loi au bout de six mois, conformément à la Constitution – l'examen de la loi Covid 19 et de ses cinq révisions à ce jour ont donné lieu à des débats animés au Parlement et parfois à des modifications centrales des projets du Conseil fédéral. Les droits populaires ont également connu un coup d'arrêt temporaire, bien que le corps électoral a pu ensuite s'exprimer à trois reprises sur les révisions de la loi Covid 19, qu'il a à chaque fois approuvées. Non seulement les relations entre l'exécutif et le législatif, mais aussi la position des cantons dans la pandémie ont fait l'objet de discussions récurrentes. Ainsi, la déclaration de la situation extraordinaire avait clairement fait basculer le rapport de force en faveur de la Confédération. Certaines phases durant lesquelles les cantons ont temporairement pris le contrôle ont abouti à des patchworks de réglementations entre cantons et à des appels fréquents pour que la Confédération prennent à nouveau les décisions. L'année 2022 a finalement été marquée par les premières tentatives de résoudre politiquement la crise de la Covid-19, avec des propositions discutées pour rendre la Confédération et le Parlement plus résistants aux crises.

La guerre en Ukraine et les problèmes d'approvisionnement en énergie
Immédiatement après la pandémie, la guerre d'agression contre l'Ukraine a attiré l'attention sur des thèmes qui étaient auparavant moins mis en lumière. Ainsi, la guerre a déclenché en Suisse des discussions animées sur l'orientation de la politique étrangère et de la neutralité, après que la Confédération a repris les sanctions décidées par l'UE contre la Russie et que la question de la livraison d’armes à l’Ukraine s’est posée. Cette crise a conduit à l'accueil de réfugié.e.s ukrainien.ne.s en Suisse et à la première utilisation du statut de protection S, ainsi qu'à l'augmentation du budget militaire jusqu'en 2030 et à des discussions sur la sécurité de l'approvisionnement dans le secteur agricole. De plus, la Banque nationale suisse (BNS) a enregistré une perte de 150 milliards de CHF en 2022, qu'elle a notamment attribué aux conséquences de la guerre en Ukraine sur l'économie mondiale.

Conséquence directe de la guerre en Ukraine, les problèmes d'approvisionnement en énergie se sont intensifiés, entraînant une hausse des prix de l'énergie, ce qui s'est répercuté sur les autres prix. En réaction à une possible pénurie d'énergie, le Conseil fédéral a principalement misé sur les énergies renouvelables, tout en faisant construire des centrales de réserve à gaz en cas d'urgence. Des débats sur les avantages de l'énergie nucléaire ont également refait surface dans le monde politique. Enfin, on suppose que la crise énergétique a contribué à la majorité en faveur du contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, bien que des projets d'expansion de l'approvisionnement en électricité en hiver aient été privilégiés au Parlement par rapport aux préoccupations environnementales.

Dans l'ensemble, les différentes crises survenues au cours de la 51e législature ont mis en évidence une vulnérabilité d’une ampleur inattendue en matière de sécurité de l'approvisionnement dans de nombreux domaines, en particulier dans le domaine médical, comme les unités de soins intensifs et les médicaments, ainsi que dans le domaine économique, notamment en matière d'énergie et d'agriculture.

Ce qui a également été important
Bien entendu, la 51e législature a également été marquée par des événements, des choix et des décisions politiques importants, indépendamment des crises.

La rupture des négociations sur l'accord-cadre institutionnel en avril 2021 a particulièrement marqué les relations entre la Suisse et l'UE. Le refus de l'accord-cadre a conduit tant à un blocage de la participation suisse au programme de recherche européen « Horizon Europe »; une situation que même le déblocage du deuxième milliard de cohésion ne changera pas. Après plusieurs autres entretiens exploratoires entre la Suisse et l'UE, le Conseil fédéral a adopté en 2023 des lignes directrices pour un nouveau mandat de négociation avec l'UE.

L'effondrement de Credit Suisse en mars 2023 et son rachat par UBS ont également suscité une attention particulière. C’est pour enquêter sur ces événements que le Parlement a décidé d’instituer la cinquième commission d'enquête parlementaire de l'histoire suisse.

Les femmes ont écrit l'histoire en augmentant de manière significative leur représentation dans les deux chambres lors des élections fédérales de 2019. Près de cinquante ans après l'introduction du droit de vote des femmes – la 51e législature a également été l'occasion de célébrer le 50e anniversaire –, la proportion de femmes au Conseil national a dépassé pour la première fois les 40 pour cent, tandis que celle au Conseil des États s'élevait à 26 % après les élections.

Bien que le Parlement soit devenu plus vert avec les dernières élections fédérales, les questions climatiques ont surtout été au centre de l'attention en 2021, lorsque le corps électoral a rejeté de justesse la révision totale de la loi sur le CO2. En revanche, la loi sur le climat et l'innovation, qui constituait un contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, été approuvée en votation populaire en 2023.

De manière générale, le taux d'acceptation des projets soumis au référendum facultatif au cours de la 51e législature a été relativement faible par rapport aux législatures précédentes, avec 7 échecs sur un total de 21 référendums. De plus, la participation électorale a été élevée de 5 points de pourcentage en plus par rapport à la moyenne depuis 1990, ce qui pourrait être lié au climat politique enflammé pendant la pandémie de Covid-19. Le taux d'acceptation des initiatives lors de la 51e législature a été relativement élevé (3 initiatives sur 13), tandis que le nombre d'initiatives populaires soumises au vote a été moins élevé que lors des législatures précédentes. En revanche, le Conseil fédéral et le Parlement ont élaboré de nombreux contre-projets directs ou indirects aux initiatives populaires au cours de cette législature.


Vous trouverez des informations sur les votations populaires ainsi que des explications sur les objets parlementaires et des descriptions des événements centraux de la 51e législature dans les différentes rétrospectives thématiques de la législature ainsi que dans les rétrospectives annuelles qui y sont liées.

Liens vers les rapports de législature, classés par thèmes politiques:
Problèmes politiques fondamentaux
Ordre juridique
Institutions et droits populaires
Structures fédéralistes
Elections
Politique étrangère
Armée
Politique économique
Crédit et monnaie
Agriculture
Finances publiques
Energie
Transports et communications
Aménagement du territoire et logement
Protection de l'environnement
Population et travail
Santé
Assurances sociales
Groupes sociaux
Enseignement et recherche
Culture, langues, églises
Médias

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen

Autorinnen: Anja Heidelberger und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Die unzähligen Geschichten, Ereignisse und politischen Diskussionen, die sich während der 51. Legislatur ereigneten, lassen sich ausführlich in unseren thematischen Legislaturrückblicken nachlesen. In Erinnerung bleiben werden aber wohl in erster Linie die verschiedenen Krisen, welche die Schweiz in dieser Legislatur beschäftigt haben. So war denn auch kaum ein Themenbereich nicht von mindestens einer grossen Krise betroffen. Folglich stellen wir die Krisen und deren zahlreiche Auswirkungen für Politik und Gesellschaft in den Fokus dieses themenübergreifenden Rückblicks auf die 51. Legislatur.

Die Covid-19-Pandemie
Insbesondere die Covid-19-Pandemie hatte Auswirkungen auf fast alle Politikfelder, denn neben dem stark betroffenen und belasteten Gesundheitssystem stellten die Massnahmen im Kampf gegen die Pandemie verschiedene Branchen und Personengruppen vor grosse Probleme – insbesondere auch die Unternehmen und Selbständigerwerbenden, denen der Bundesrat etwa durch Ausdehnung des Erwerbsersatzes und der Kurzarbeit sowie mit der Schaffung von Corona-Krediten und Härtefallhilfen entgegen kam. Finanziell unterstützt wurden insbesondere auch die Medien, die Kulturunternehmen und Kulturschaffenden, die Sportligen und -vereine sowie der öffentliche Verkehr und der Luftverkehr, während etwa im Bereich der Schulen, aber auch bei den Geschäftsmieten alternative Regelungen gefragt waren. Die umfassenden Massnahmen gegen die Pandemie führten in der Folge zu einem grossen Loch im Bundeshaushalt, dessen Abbaufrist das Parlament verlängerte, um einschneidende Sparrunden zu verhindern. Eine Belastung war die Pandemie auch für die Bevölkerung, welche etwa durch tiefere (Kurzarbeits-)Löhne, Kinderbetreuung im Home-Office oder Angstgefühle. Zudem stellte die Pandemie auch ein Problem für die Gesellschaft als Ganzes dar, indem sie bei Teilen der Bevölkerung zu einem Vertrauensverlust in die Institutionen führte (oder diesen verstärkte). Teile der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz standen denn auch der Covid-19-Impfung skeptisch gegenüber, was zu besonders emotionalen Diskussionen rund um die Einführung des sogenannten Covid-19-Zertifikats führte. Hingegen konnten Armee, Zivilschutz und Zivildienst in zahlreichen Einsatzstunden v.a. im Gesundheitsbereich, aber etwa auch die Forschung bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 ihren Nutzen im Rahmen der Pandemie unter Beweis stellen. Schub bedeutete die Pandemie schliesslich für die Förderung von Homeoffice und allgemein für die Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt. In der 51. Legislatur nahmen Volk und Stände auch die Pflegeinitiative an, welche Massnahmen enthielt, um die pflegerische Grundversorgung zu sichern, deren Wichtigkeit im Zuge der Pandemie noch verdeutlicht worden war.

Spürbare Auswirkungen hatte die Pandemie auch auf das Institutionengefüge. Zu Beginn nahm eindeutig die Regierung das Zepter in die Hand, welche nach Ausrufen der ausserordentlichen Lage gemäss Epidemiengesetz mithilfe von auf der Verfassung beruhenden Notverordnungen und dem Epidemiengesetz alle wichtigen Entscheidungen traf, während das Parlament wegen des Ausbruchs der Pandemie die eigene Frühjahrssession vorzeitig abbrach. Mehr Spielraum erhielt das Parlament, als die Notverordnungen nach sechs Monaten verfassungsmässig durch ein Gesetz ersetzt werden mussten – die Beratung des Covid-19-Gesetzes und seine bisher fünfmalige Revision führten zu angeregten Debatten im Parlament und teilweise zu zentralen Änderungen an den bundesrätlichen Entwürfen. Zwischenzeitlich zum Stillstand kamen auch die Volksrechte, zu den Revisionen der Covid-19-Gesetze konnte sich die Stimmbevölkerung jedoch dann insgesamt dreimal äussern, wobei sie diese jeweils guthiess. Doch nicht nur das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative, sondern auch die Stellung der Kantone in der Pandemie sorgte immer wieder für Diskussionen. So hatte die Ausrufung der ausserordentlichen Lage die Kräfteverhältnisse eindeutig zugunsten des Bundes verschoben. Einzelne Phasen, in denen die Entscheidungsgewalt temporär bei den Kantonen lag, endeten zudem jeweils in sogenannten Flickenteppichen an Regelungen zwischen den Kantonen und nicht selten auch in dem Ruf nach erneuten Entscheidungen durch den Bund. Das Jahr 2022 stand schliesslich im Zeichen erster politischer Aufarbeitung der Covid-19-Krise, wobei insbesondere Vorstösse diskutiert wurden, mit denen Bund und Parlament krisenresistenter gemacht werden sollten.

Krieg in der Ukraine und Energiekrise
Gleich im Anschluss an die Pandemie erhielten mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine zuvor etwas weniger beleuchtete Themenbereiche aussergewöhnlich hohe Aufmerksamkeit. So löste der Krieg in der Schweiz hitzige Diskussionen zur Ausrichtung der Aussen- und Neutralitätspolitik aus, nachdem der Bund die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Russland und in der Folge auch alle Ausweitungen übernommen hatte und überdies über Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert wurde. Der Krieg führte in der Schweiz unter anderem zur Aufnahme von Flüchtenden aus der Ukraine und zur ersten Ausrufung des Schutzstatus S, aber auch zur Aufstockung des Militärbudget bis 2030 sowie zu Diskussionen über die Versorgungssicherheit im Landwirtschaftsbereich. Darüber hinaus verzeichnete die SNB im Jahr 2022 einen Verlust von CHF 150 Mrd., den sie unter anderem auf die weltwirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs zurückführte.

Als direkte Folge des Ukraine-Krieges verstärkte sich zudem die Versorgungsproblematik im Energiebereich, woraufhin die Energiepreise anstiegen, was sich auch auf die übrigen Preise auswirkte. Als Reaktion auf die mögliche Energieknappheit wollte der Bundesrat in erster Linie auf erneuerbare Energien setzen, für den Notfall liess er jedoch Reservegaskraftwerke bauen. Auch flammten in der Politik gleichzeitig Diskussionen um die Vorteile von Atomkraft auf. Schliesslich wird vermutet, dass die Energiekrise dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative zu einer Mehrheit verhalf, gleichzeitig wurde aber Ausbauprojekten zur Stromversorgung im Winter im Parlament Vorrang gegenüber Umweltbedenken gegeben.

Insgesamt zeigten die verschiedenen Krisen während der 51. Legislatur eine ungeahnt grosse Vulnerabilität bezüglich der Versorgungssicherheit in zahlreichen Bereichen auf, insbesondere im medizinischen Bereich, etwa bei den Intensivstationen und den Medikamenten, aber auch im wirtschaftlichen Bereich, hier insbesondere bei der Energie und in der Landwirtschaft.

Was sonst noch wichtig war
Natürlich brachte die 51. Legislatur auch unabhängig von den Krisen wichtige Ereignisse, Weichenstellungen und politische Entscheide mit sich.

Der im April 2021 erfolgte Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen prägte die Beziehungen der Schweiz mit der EU in besonderem Masse. So führte der Verhandlungsabbruch etwa auch zu einer Blockierung der Teilnahme am EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe», woran auch die Freigabe der zweiten Kohäsionsmilliarde nichts änderte. Nach verschiedenen weiteren Sondierungsgesprächen zwischen der Schweiz und der EU verabschiedete der Bundesrat 2023 Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU.

Für besonderes Aufsehen sorgte auch der im März 2023 bekannt gewordene Untergang der Credit Suisse respektive deren Übernahme durch die UBS. Zur Aufarbeitung dieser Geschehnisse wurde die fünfte parlamentarische Untersuchungskommission der Schweizer Geschichte initiiert.

Geschichte schrieben auch die Frauen, die bei den eidgenössischen Wahlen 2019 ihre Vertretung in den beiden Räten signifikant hatten steigern können. Fast fünfzig Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts – in der 51. Legislatur fanden auch die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum statt – betrug der Frauenanteil im Nationalrat erstmals über 40 Prozent, derjenige im Ständerat belief sich nach den Wahlen auf 26 Prozent.

Generell war die Annahmequote von durch das fakultative Referendum initiierten Abstimmungsvorlagen in der 51. Legislatur im Vergleich zu vorherigen Legislaturen eher niedrig, so scheiterten 7 von insgesamt 21 solcher Referendumsvorlagen. Zudem lag die Abstimmungsbeteiligung im langjährigen Schnitt (seit 1990) um 5 Prozentpunkte höher, was mit der während der Covid-19-Pandemie aufgeheizten politischen Stimmung in Zusammenhang stehen könnte. Die Annahmequote von Initiativen in der 51. Legislatur war vergleichsweise hoch (3 von 13 Initiativen), während gleichzeitig eher über weniger Volksbegehren abgestimmt wurde als in früheren Legislaturen. Dafür erarbeiteten Bundesrat und Parlament in dieser Legislatur auch zahlreiche direkte Gegenentwürfe oder indirekte Gegenvorschläge zu Volksinitiativen.


Informationen zu den Abstimmungsvorlagen sowie Ausführungen zu den in den jeweiligen Themenbereichen zentralen Geschäften und Ereignissen der 51. Legislatur finden Sie in den einzelnen thematischen Legislaturrückblicken sowie in den dort verlinkten Jahresrückblicken.

Zu den thematischen Legislaturrückblicken:
Politische Grundfragen
Rechtsordnung
Institutionen und Volksrechte
Föderativer Aufbau
Wahlen
Aussenpolitik
Landesverteidigung
Wirtschaftspolitik
Geld, Währung, Kredit
Landwirtschaft
Öffentliche Finanzen
Energie
Verkehr und Kommunikation
Raumplanung und Wohnungswesen
Umweltschutz
Bevölkerung und Arbeit
Gesundheit
Sozialversicherungen
Soziale Gruppen
Bildung und Forschung
Kultur, Sprache, Kirche
Medien

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Im Sommer 2023 schrieb der Ständerat das Postulat Jositsch (sp, ZH) zum Thema «Angebote der Arbeitslosenversicherung für junge Erwachsene am Übergang II» während der Corona-Krise ab, nachdem der Bundesrat Ende Sommer 2022 den entsprechenden Bericht in Erfüllung des Vorstosses veröffentlicht hatte. Die Abschreibung erfolgte im Rahmen der Behandlung des Berichts des Bundesrates über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022.

Berufserfahrung von arbeitslosen Lehrabgängerinnen und Lehrabgängern in der Corona-Krise stärken (Po. 20.3480)
Dossier: Schulen und Ausbildung während Covid-19 – Reaktionen und Folgen

In der Sommersession 2023 befasste sich der Nationalrat mit der Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit». Die beiden Sprechenden der RK-NR, Patricia von Falkenstein (ldp, BS) und Baptiste Hurni (sp, NE), führten dabei aus, wieso sich die Kommissionsmehrheit für die Zustimmung zum bundesrätlichen Entwurf – sprich für die Ablehnung der Initiative – aussprach. So sei die körperliche und geistige Unversehrtheit insbesondere bereits im geltenden Grundrecht verankert, während die Volksinitiative respektive deren Umsetzung mit einer grossen Rechtsunsicherheit einhergehe, da das Volksbegehren über «erhebliche materielle und rechtliche Mängel» verfüge. Zudem würde die Initiative generell das Gewaltmonopol des Staates aushöhlen, etwa in den Bereichen Polizei und Asylwesen, wo es oft zu Einwirkungen auf den menschlichen Körper komme. Eine Reihe von Sprechenden aus der SVP-Fraktion widersprach dieser Einschätzung. Pirmin Schwander (svp, SZ) etwa war der Ansicht, dass während der Covid-19-Pandemie ersichtlich geworden sei, dass die bestehende Gesetzeslage nicht ausreiche, um die körperliche und geistige Unversehrtheit zu schützen. Der mangelhaften Formulierung der Initiative wollte Schwander mittels zweier Minderheitsanträge auf Rückweisung an die Kommission zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags (Minderheit I) respektive eines direkten Gegenentwurfs (Minderheit II), welche konkret Impfungen und biomedizinische Verfahren zum Inhalt hätten, begegnen. Eine Minderheit Addor (svp, VS) beabsichtigte, die Selbstbestimmung betreffend Impfungen und anderen medizinischen Biotechnologien durch einen bereits von der Minderheit verfassten direkten Gegenentwurf zu gewährleisten, wobei soziale, berufliche und auch andere Diskriminierung verboten werden sollte. Lukas Reimann (svp, SG) schliesslich beantragte in einem weiteren Minderheitsantrag, die Initiative zur Annahme zu empfehlen, falls ein Gegenentwurf abgelehnt würde. Er persönlich halte zwar eine Impfung für vernünftig, es könne aber nicht sein, dass der Staat vorgebe, «was vernünftig ist und was nicht vernünftig ist».
Mit dieser Meinung blieben die Mitglieder der SVP-Fraktion allerdings alleine. Vertreterinnen und Vertreter der anderen Parteien konnten weder der Initiative noch den Minderheitsanträgen viel abgewinnen. Die Sprechenden der anderen Fraktionen verwiesen unter anderem ebenfalls auf die Probleme mit dem Gewaltmonopol – gemäss Nicolas Walder (gp, GE) könnten nach Annahme der Volksinitiative etwa Serienmörder nicht mehr festgenommen werden und Beat Flach (glp, AG) hob hervor, dass durch die Initiative das individuelle Interesse in jedem Fall stärker gewichtet würde als das Interesse der Gesamtgesellschaft, zu der auch schwache und vulnerable Personen zählten. Philipp Bregy (mitte, VS), der sich gegen den Gegenvorschlag von Addor aussprach, argumentierte, dass es keiner besseren Formulierung bedürfe, weil die vom Volksbegehren geforderte Regelung nicht benötigt werde.
Was sich bereits während der offenen Debatte abzeichnete, bestätigte sich nach dem obligatorischen Eintreten in den Abstimmungen: Mit 137 zu 39 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) wurde die erste Minderheit Schwander, die sich zuvor gegen die zweite Minderheit Schwander durchgesetzt hatte, verworfen. Auch der von Addor eingebrachte bereits formulierte Gegenentwurf war chancenlos (40 zu 138 Stimmen bei 5 Enthaltungen). Zum Schluss sprach sich die grosse Kammer mit 140 zu 35 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) deutlich gegen die Volksinitiative aus. Dabei stammten sämtliche Stimmen, welche das Volksbegehren unterstützten, sowie alle Enthaltungen aus den Reihen der SVP-Fraktion. Abgesehen von einer Enthaltung aus der FDP-Fraktion bei der Abstimmung zur ersten Minderheit Schwander entspricht dieses Abstimmungsverhalten auch denjenigen bei den anderen beiden Abstimmungen.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

Im März 2023 reichte Thomas Minder (parteilos, SH) eine Motion ein, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, die Stellenmeldepflicht abzuschaffen. Eine Studie im Auftrag des SECO habe gezeigt, dass die Stellenmeldepflicht für Berufe mit einer gesamtschweizerischen Arbeitslosigkeit von mindestens 5 Prozent keinen signifikanten Einfluss auf die Arbeitslosigkeit oder die Zuwanderung habe und somit «untauglich» sei. Der Bundesrat empfahl, die Motion abzulehnen. Dass keine signifikanten statistischen Effekte der Stellenmeldepflicht gefunden wurden, sei darauf zurückzuführen, dass nur die Jahre 2018 und 2019 untersucht wurden, in denen die Arbeitslosenquoten gering war. Dennoch habe die Studie festgestellt, dass die Stellenmeldepflicht die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Stellensuche in einer meldepflichtigen Berufstätigkeit leicht erhöht habe. Zudem habe der Bundesrat das EJPD und das WBF damit beauftragt, die Umsetzung aller Massnahmen zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials zu analysieren. Ende Mai 2023 zog Minder seine Motion zurück.

Motion "Abschaffung der untauglichen Stellenmeldepflicht" (Mo. 23.3216)

Im Juni 2021 reichte Christian Lohr (cvp, TG) eine Motion ein, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, im Rahmen der ALV Massnahmen für Personen, die von struktureller Arbeitslosigkeit betroffen sind, zu planen. Konkret sollten Möglichkeiten zu Aus- und Weiterbildungen für neue Berufe ihren Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vereinfachen.
In seiner Stellungnahme vom August 2021 beantragte der Bundesrat, die Motion abzulehnen. Er erachtete die geltenden gesetzlichen Grundlage in der ALV als ausreichend. Zudem war er der Meinung, dass die Finanzierung von Grundausbildungen und Höherqualifizierungen für Arbeitslose nicht zu den Aufgaben der ALV gehöre.
Im Rahmen der Sondersession 2023 zog der Motionär seinen Vorstoss kommentarlos zurück, womit das Geschäft erledigt war.

Motion "Investition in berufliche Perspektiven statt strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit" (Mo. 21.3761)

Nach den Schlussabstimmungen zur fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes machten sich die Freunde der Verfassung, Mass-voll sowie etwa zwei Dutzend weitere massnahmenkritische Organisationen an die Unterschriftensammlung für ein erneutes Referendum. Ihre Hauptkritik richtete sich erneut gegen das Covid-19-Zertifikat – dessen Rechtsgrundlage durch die fünfte Revision verlängert wird –, da dieses zu einer «Beschneidung der Grundrechte» und zu einer Spaltung der Gesellschaft führe, wie sie online auf ihrer Kampagnenseite erklärten.
Die mediale Aufmerksamkeit für die Unterschriftensammlung blieb deutlich unter den ersten beiden zum Covid-19-Gesetz ergriffenen Referenden zurück. In einzelnen Zwischenmeldungen wurde jedoch darüber berichtet, dass sich die Referendumsführenden mit der Unterschriftensammlung schwerer täten als zuvor. Als Grund dafür machten die Medien vor allem die gesunkene Sorge vor Covid-19 aus. Noch Anfang März berichtete etwa die Aargauer Zeitung, dass das Referendum wohl nicht zustande kommen werde – einen Monat vor dem Ende der Sammelfrist seien erst 40'000 der angestrebten 60'000 Unterschriften zusammengekommen, bestätigte auch der Präsident von Mass-voll, Nicolas Rimoldi gegenüber den Medien. Ende März 2023 verkündeten die Freunde der Verfassung und Mass-voll jedoch, dass sie mit Einsatz von «viel Zeit und Geld» (Rimoldi) genügend Unterschriften gesammelt hätten, was die Bundeskanzlei Anfang April 2023 bestätigte: Mit 56'184 gültigen von 59'211 eingereichten Unterschriften war das Referendum zustandegekommen. Somit werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Juni 2023 über die fünfte Revision und über die weitere Gültigkeit des Covid-19-Gesetzes abstimmen.

Fünfte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung und Änderung ausgewählter Bestimmungen; BRG 22.046)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im März 2023, zwei Jahre nach ihrer Einreichung, wurde die Motion von Thomas Burgherr (svp, AG) unbehandelt abgeschrieben. Sie hätte eine Beschränkung der Befugnisse des Bundesrates im Epidemiengesetz verlangt. In besagtem Gesetz ist die Kompetenz der Regierung verankert, in ausserordentlichen Lagen Notverordnungen und Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu verfügen. Burgherr forderte in seinem Vorstoss eine Befristung bundesrätlicher Notbeschlüsse und -massnahmen und einen Einbezug des Parlaments.
Der Bundesrat hatte die Motion im Mai 2021 zur Ablehnung empfohlen. In seiner Stellungnahme, die identisch mit jener zur Motion Strupler (svp, TG; Mo. 21.3315) war, wies er darauf hin, dass einerseits eine Revision des Epidemiengesetz auf Basis einer Evaluation der Rolle der verschiedenen Akteure während der Pandemie vorgesehen sei. Andererseits befasse sich die SPK-NR intensiv mit der Frage, wie das Parlament in einer Krisensituation besser einbezogen werden könne. Die Motion würde beiden Arbeiten vorgreifen.

Beschränkung der Macht des Bundesrates im Epidemiengesetz (Mo. 21.3323)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Es sei für ein Parlamentsmitglied frustrierend, Millionen für Hilfsmassnahmen sprechen zu müssen, die nicht vom Parlament, sondern von der Exekutive beschlossen worden seien, wie dies während der Covid-19-Pandemie der Fall gewesen sei, führte Manuel Strupler (svp, TG) in der Begründung seiner im März 2021 eingereichten Motion aus, mit der er den Einbezug des Parlaments bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien forderte. Das Epidemiengesetz sei so zu revidieren, dass das Parlament in besonderen und ausserordentlichen Lagen besser mitbestimmen könne.
In seiner Antwort, welche mit derjenigen auf eine Motion Burgherr (svp, AG; Mo. 21.3323) identisch war, empfahl der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2021 den Vorstoss zur Ablehnung, weil bereits eine Revision des Epidemiengesetzes geplant sei und weil in einer Vorlage der SPK-NR der Einbezug des Parlaments in Krisenzeiten grundlegend geregelt werde. Die Motion Strupler würde diesen Arbeiten vorgreifen und sei abzulehnen.
Da der Vorstoss während zwei Jahren nicht behandelt worden war, wurde er im März 2023 abgeschrieben.

Einbezug des Parlaments bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien (Mo. 21.3315)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Im März 2021 reichte Nationalrat Olivier Feller (fdp, VD) eine Motion ein, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, einen Gesetzentwurf zur Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven seitens der Unternehmen zu erarbeiten. Konkret sollte das 2015 aufgehobene Bundesgesetz über die Bildung steuerbegünstigter Arbeitsbeschaffungsreserven (ABRG) wieder aktiviert und angepasst werden. Das Gesetz sah vor, dass Unternehmen einen Teil ihrer Gewinne als Reserven auf ein Sperrkonto legen und in einer schwierigen Lage für konjunkturbelebende Massnahmen einsetzen konnten. Eine solche Massnahme hätte den Unternehmen in der Covid-19-Pandemie geholfen, argumentierte Feller.
In seiner Stellungnahme vom April 2021 beantragte der Bundesrat, die Motion abzulehnen. Ihr Anliegen sei bereits in einem Postulat Noser (fdp, ZH; Po. 20.3544) enthalten, das vom Ständerat im September 2020 angenommen worden sei. Dennoch nahm der Nationalrat die Motion in der Frühlingssession 2023 mit 70 zu 55 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) an. Abgelehnt wurde der Vorstoss von den Mitgliedern der SVP- und der Mitte-Fraktion. In der Zwischenzeit habe der Bericht in Erfüllung des Postulates Noser gezeigt, dass in diesem Bereich keine zusätzlichen gesetzlichen Grundlagen nötig seien, hatte Bundesrat Guy Parmelin zuvor erfolglos erklärt.

Unternehmen ermutigen, Arbeitsbeschaffungsreserven zu bilden (Mo. 21.3036)

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Zu Beginn des Jahres 2022 wurde befürchtet, dass die Covid-19-Pandemie auch in diesem Jahr das politische Geschehen der Schweiz dominieren würde: Mitte Januar erreichte die Anzahl laborbestätigter täglicher Neuansteckungen mit 48'000 Fällen bisher kaum denkbare Höhen – im Winter zuvor lagen die maximalen täglichen Neuansteckungen noch bei 10'500 Fällen. Die seit Anfang 2022 dominante Omikron-Variante war somit deutlich ansteckender als frühere Varianten – im Gegenzug erwies sie sich aber auch als weniger gefährlich: Trotz der viermal höheren Fallzahl blieben die Neuhospitalisierungen von Personen mit Covid-19-Infektionen deutlich unter den Vorjahreswerten. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, wie auch Abbildung 1 verdeutlicht. Wurde im Januar 2022 noch immer in 15 Prozent aller Zeitungsartikel über Covid-19 gesprochen, waren es im März noch 4 Prozent. Zwar wurde im Laufe des Jahres das Covid-19-Gesetz zum fünften Mal geändert und erneut verlängert, über die Frage der Impfstoff- und der Arzneimittelbeschaffung gestritten und versucht, in verschiedenen Bereichen Lehren aus den letzten zwei Jahren zu ziehen. Jedoch vermochten weder diese Diskussionen, die zwischenzeitlich gestiegenen Fallzahlen sowie ein weltweiter Ausbruch vermehrter Affenpocken-Infektionen das mediale Interesse an der Pandemie erneut nachhaltig zu steigern.

Stattdessen erhielten im Gesundheitsbereich wieder andere Themen vermehrte Aufmerksamkeit, vor allem im Rahmen von Volksabstimmungen und der Umsetzung von Abstimmungsentscheiden.
Einen direkten Erfolg durch ein direktdemokratisches Instrument erzielte das Komitee hinter der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiessen diese Initiative am 13. Februar mit 56.7 Prozent gut. Das Volksbegehren ziel darauf ab, dass Kinder und Jugendliche nicht länger mit Tabakwerbung in Berührung kommen. Während das Initiativkomitee die Vorlage unter anderem damit begründete, dass durch das Werbeverbot dem Rauchen bei Jugendlichen Einhalt geboten werden könne, führten die Gegnerinnen und Gegner die Wirtschaftsfreiheit an. Zudem befürchtete die Gegnerschaft, dass in Zukunft weitere Produkte wie Fleisch oder Zucker mit einem vergleichbaren Werbeverbot belegt werden könnten. Der Bundesrat gab Ende August einen gemäss Medien sehr strikten Entwurf zur Umsetzung der Initiative in die Vernehmlassung. Während die Stimmbevölkerung Werbung für Tabakprodukte verbieten wollte, bewilligte das BAG ein Gesuch der Stadt Basel zur Durchführung von Cannabisstudien; die Städte Bern, Lausanne, Zürich und Genf lancierten ebenfalls entsprechende Studien. Zudem können Ärztinnen und Ärzte seit dem 1. August medizinischen Cannabis ohne Bewilligung durch das BAG verschreiben.

Teilweise erfolgreich waren im Jahr 2022 aber auch die Initiantinnen und Initianten der Organspende-Initiative. 2021 hatte das Parlament eine Änderung des Transplantationsgesetzes als indirekten Gegenvorschlag gutgeheissen, woraufhin das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückgezogen hatte. Im Januar kam das Referendum gegen die Gesetzesänderung zustande. Mit dem Gesetz beabsichtigten Bundesrat und Parlament die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung, wobei die Angehörigen der verstorbenen Person beim Spendeentscheid miteinbezogen werden müssen. Auch wenn es sich dabei um eine Abschwächung der Initiativforderung handelte, ging die Änderung dem Referendumskomitee zu weit; es äusserte ethische und rechtliche Bedenken. Die Stimmbevölkerung nahm die Gesetzesänderung am 15. Mai allerdings deutlich mit 60.2 Prozent an. Damit gewichtete sie die von den Befürwortenden hervorgehobene Dringlichkeit, die Spenderquote zu erhöhen und etwas gegen die langen Wartezeiten auf ein Spenderorgan zu unternehmen, stärker als die Argumente des Referendumskomitees. In den Wochen vor dem Abstimmungssonntag wurde die Vorlage vermehrt von den Zeitungen aufgegriffen, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse verdeutlicht.

Nach dem deutlichen Ja an der Urne im November 2021 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im Mai 2022 seine Botschaft zur Umsetzung eines ersten Teils der Pflegeinitiative. Dieser entspricht dem indirekten Gegenvorschlag, den die Legislative ursprünglich als Alternative zur Volksinitiative ausgearbeitet hatte. Ohne grosse Änderungen stimmten die beiden Kammern der Gesetzesrevision zu.

Noch immer stark von der Covid-19-Pandemie geprägt waren die Diskussionen zu den Spitälern. Da die Überlastung der Spitäler und insbesondere der Intensivstationen während der Pandemie eine der Hauptsorgen dargestellt hatte, diskutierten die Medien 2022 ausführlich darüber, wie es möglich sei, die Intensivstationen auszubauen. Vier Standesinitiativen forderten zudem vom Bund eine Entschädigung für die Ertragsausfälle der Krankenhäuser während der ersten Pandemiewelle, der Nationalrat gab ihnen indes keine Folge.

Von einer neuen Krise betroffen war die Medikamentenversorgung. Die Versorgungssicherheit wurde als kritisch erachtet, was die Medien auf den Brexit, die Opioidkrise in den USA sowie auf den Ukrainekrieg zurückführten. Der Bundesrat gab in der Folge das Pflichtlager für Opioide frei. Das Parlament hiess überdies verschiedene Motionen für eine Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen gut, um so die Medikamentenversorgung auch mittelfristig sicherzustellen (Mo. 20.3211, Mo. 20.3370). Kein Gehör fand hingegen eine Standesinitiative aus dem Kanton Aargau zur Sicherung der Landesversorgung mit essenziellen Wirkstoffen, Medikamenten und medizinischen Produkten, durch ausreichende Lagerhaltung, Produktion in Europa und durch die Vereinfachung der Registrierung in der Schweiz.

Im Bereich des Sports war das Jahr 2022 durch mehrere Grossanlässe geprägt, die nicht nur in sportlicher, sondern auch in politischer Hinsicht für Gesprächsstoff sorgten. Die Olympischen Winterspiele in Peking Anfang Jahr und die Fussball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar zum Jahresende standen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen an den Austragungsstätten in den Schlagzeilen. Skandale gab es aber nicht nur in der internationalen Sportwelt, sondern auch hierzulande, wo Vorwürfe bezüglich Missständen im Synchronschwimmen erhoben wurden und die 1. Liga-Frauen-Fussballmannschaft des FC Affoltern nach einem Belästigungsskandal praktisch geschlossen den Rücktritt erklärte. Erfreut zeigten sich die Medien hingegen über eine Meldung im Vorfeld der Fussball-Europameisterschaft der Frauen, dass die Erfolgsprämien durch die Credit Suisse und die Gelder für Bilder- und Namensrechte durch den SFV für die Spielerinnen und Spieler der Nationalmannschaft der Frauen und Männer künftig gleich hoch ausfallen sollen. Sinnbildlich für den wachsenden Stellenwert des Frauenfussballs stand ferner eine Erklärung des Nationalrats in der Wintersession 2022, wonach er die Kandidatur zur Austragung der Fussball-Europameisterschaft der Frauen 2025 in der Schweiz unterstütze. Trotz dieser verschiedenen Diskussionen im Sportbereich hielt sich die Berichterstattung dazu verglichen mit derjenigen zu gesundheitspolitischen Themen in Grenzen (vgl. Abbildung 1). Dies trifft auch auf die Medienaufmerksamkeit für die Sozialhilfe zu, die sich über das gesamte Jahr hinweg unverändert auf sehr tiefem Niveau bewegte.

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2022: Bevölkerung und Arbeit

Das zentrale Thema im Politikbereich «Bevölkerung und Arbeit» stellten im Jahr 2022 die Löhne allgemein und das Lohndumping im Speziellen dar.

Allgemein standen die Löhne insbesondere Mitte des Jahres und ab Oktober im Zentrum der Diskussion – wie auch Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2022 verdeutlicht –, als die Gewerkschaften als Reaktion auf die Teuerung immer stärker auf eine Lohnerhöhung pochten. Die Löhne für das Jahr 2023 sollten demnach bis zu 4 Prozent ansteigen, um so die Senkung der Kaufkraft und der Reallöhne aufgrund der steigenden Inflation auszugleichen. Mit Lohnerhöhungen beschäftigte sich im Mai auch der Nationalrat, der eine Motion der SP-Fraktion, die eine Auszahlung von CHF 5'000 als Prämie für alle in der Covid-19-Pandemie als systemrelevant eingestuften Arbeitskräfte verlangte, deutlich ablehnte. Noch einmal Aufschwung erhielt die Diskussion um die Löhne im November 2022, als das BFS in einem Bericht die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern auf 18 Prozent bezifferte.

Das Thema «Lohndumping» stand insbesondere bei der Änderung des Entsendegesetzes (EntsG) zur Debatte. Dieses zielt darauf ab, die Anwendung der kantonalen Mindestlöhne schweizweit auf entsandte Arbeitnehmende auszudehnen. Zwar hatte der Nationalrat die Gesetzesänderung im März 2022 deutlich angenommen, der Ständerat sprach sich in der Sommersession jedoch gegen Eintreten aus. Damit brachte er die Gesetzesänderung nach zwei Jahren Arbeit zum Scheitern.
Ein Mittel gegen Lohndumping – mittels Anpassung der Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung im OR – suchte auch der Kanton Tessin durch eine Standesinitiative, welcher der Ständerat in der Frühlingsession jedoch keine Folge gab. Thematisiert wurde das Lohndumping schliesslich auch in einer weiteren Tessiner Standesinitiative, welche die Einführung einer Informationspflicht über Lohndumping-Verfehlungen im Bereich des Normalarbeitsvertrages verlangte und welche das SECO 2022 zur Zufriedenheit der WAK-SR umsetzte.

Doch nicht nur bezüglich Lohndumping diskutierte das Parlament über ausländische Arbeitskräfte, auch die Abhängigkeit des Gesundheits- und Sozialwesen von ausländischem Personal wurde in der Sondersession 2022 thematisiert. Dabei lehnte das Parlament ein Postulat ab, das eine Strategie zur Verringerung dieser Abhängigkeit anstrebte. Mehr Anklang fand hingegen eine Motion, gemäss der die Stellenmeldepflicht wieder auf diejenigen Berufsarten beschränkt werden soll, die eine schweizweite Arbeitslosenquote über 8 Prozent aufweisen – sie wurde der Kommission zur Vorberatung zugewiesen.

Als Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie wurde auch im Jahr 2022 über die Flexibilisierung der Arbeitsformen gesprochen. Der Ständerat lehnte eine Motion ab, mit der das Arbeitsrecht bezüglich Homeoffice flexibler hätte gestaltet werden sollen. Zuspruch fand hingegen ein Postulat für eine Untersuchung der Auswirkungen neuer Arbeitsformen auf die [Verkehrs-]Infrastrukturen.

Thematisiert wurde schliesslich auch das öffentliche Beschaffungswesen, wobei der Bundesrat im August einen Bericht zur Sicherstellung der Einhaltung der sozialen Mindestvorschriften im öffentlichen Beschaffungswesen veröffentlichte. Darin beurteilte er das bestehende Kontroll- und Sanktionssystem zur Einhaltung der entsprechenden Vorschriften als angemessen. Eine weitergehende Forderung, wonach die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen so angepasst werden soll, dass auch Prinzipien aus anderen von der Schweiz nicht ratifizierten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu sozialen Mindestnormen eingehalten werden müssen, scheiterte hingegen am Ständerat.

Jahresrückblick 2022: Bevölkerung und Arbeit
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Dezember 2020 reichte Balthasar Glättli (gp, ZH) eine Motion für ein nachhaltiges Impulsprogramm zur Bewältigung der Corona-Krise ein. Dieses Impulsprogramm sollte verschiedene Massnahmen und Ziele verfolgen, wie erhöhte Investitionen in den Klimaschutz, Schaffung neuer Arbeitsplätze in nachhaltigen Bereichen, neue Erwerbsperspektiven für Menschen in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit durch Weiterbildungen und Umschulungen, eine Ausbildungsoffensive gegen den Fachkräftemangel oder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich. Der Bundesrat beantragte in seiner Stellungnahme vom Februar 2021, die Motion abzulehnen, und verwies dabei auf bereits geplante Investitionen und Bemühungen seinerseits sowie des Parlaments. Im Dezember 2022 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innerhalb der zweijährigen Frist behandelt worden war.

Grüner aus der Corona-Krise: Für ein nachhaltiges Impulsprogramm, das Klimaschutz-Jobs, Zukunfts-Jobs und Care-Jobs schafft (Mo. 20.4726)
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen

Die fünfte Änderung des Covid-19-Gesetzes ging folglich mit zwei Differenzen in das Differenzbereinigungsverfahren, wobei der Nationalrat die Frage nach den Vereinbarungen zwischen den Kantonen zur Finanzierung der ausserkantonalen Covid-19-Patientinnen und -Patienten bereits in der nächsten Behandlungsrunde bereinigte. Nachdem der Ständerat die von der grossen Kammer vorgeschlagene Regelung abgelehnt hatte, verzichtete der Nationalrat darauf, an ihr festzuhalten.

Deutlich länger dauerte die Bereinigung der Frage der Testkosten. Der Ständerat hatte die Übernahme der Testkosten zuvor an die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz knüpfen wollen, der Nationalrat konnte sich dafür aber nicht erwärmen und lehnte einen entsprechenden Minderheitsantrag Dobler (fdp, SG) genauso ab wie den Antrag der Minderheit Weichelt (al, ZG), dass der Bund die Kosten bis Ende 2024 übernehmen soll. Stattdessen entschied er sich, das Testregime des Bundes noch bis Ende März 2023 fortzusetzen. Ab dann sollten bei Symptomen wieder die Krankenkassen für die Tests aufkommen, bei Tests ohne Symptome die Testenden. Von einem Ende des Testregimes per Ende Juni 2024 war der Nationalrat also zu einem Ende per März 2023 übergegangen. Der Ständerat zeigte sich damit aber nicht zufrieden, er entschied sich stattdessen, die Tests bereits Ende 2022 – also rund zwei Wochen nach der aktuellen Session – auslaufen zu lassen. Eine Minderheit Stöckli (sp, BE) hatte sich gegen diese «Hauruckpolitik», wie es der Minderheitssprecher formulierte, gewehrt. Obwohl eine nationalrätliche Kommissionsmehrheit in der Folge auf dem Ende des Testregimes per Ende März 2023 beharren wollte, pflichtete der Nationalrat seinem Schwesterrat in der folgenden Behandlungsrunde bei. Mit 93 zu 91 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm er einen Minderheitsantrag de Courten (svp, BL) an und bereinigte damit die letzte Differenz der Vorlage.

Sowohl die Abstimmungen über die Dringlichkeitsklausel (NR: 129 zu 45 Stimmen bei 6 Enthaltungen; SR: 36 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen) als auch die Schlussabstimmungen (NR: 140 zu 50 Stimmen bei 6 Enthaltungen; SR: 39 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen) passierte die Änderung des Covid-19-Gesetzes deutlich. Die SVP-Fraktion lehnte jedoch insbesondere die erneute Dringlichkeitserklärung der Änderung ab – (fast) alle ablehnenden Stimmen oder Enthaltungen stammten folglich von ihren Mitgliedern.

Verschiedene Corona-Massnahmengegnerinnen und -gegner, etwa die «Freunde der Verfassung» oder «Mass-voll», zeigten sich mit dieser Verlängerung nicht einverstanden und kündigten im Anschluss an die Entscheide des Parlaments an, das Referendum ergreifen zu wollen.

Fünfte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung und Änderung ausgewählter Bestimmungen; BRG 22.046)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im Dezember 2022 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit». Die Initiative verlangte, dass «jeder Eingriff in die körperliche und geistige Unversehrtheit einer Person deren Zustimmung bedarf». Fehlende Zustimmung darf zudem nicht zu Bestrafung oder beruflichen oder sozialen Nachteilen führen. Damit gehe diese Formulierung wohl deutlich über das hinaus, was die Initiantinnen und Initianten erreichen wollten, vermutete der Bundesrat. So tangiere sie etwa auch Bereiche wie das Polizeiwesen, die Strafverfolgung, das Militär, das Ausländer- und Asylwesen sowie den Kindes- und Erwachsenenschutz, während die eigentliche Forderung, die Zustimmungspflicht im medizinischen Kontext, durch das Grundrecht der persönlichen Freiheit bereits in der Bundesverfassung festgeschrieben sei. Deren Einschränkung bedarf unter anderem eines öffentlichen Interesses oder des Schutzes von Grundrechten Dritter und muss verhältnismässig sein. Bereits heute seien Impfobligatorien entsprechend «nur unter Einhaltung enger Voraussetzungen für einen begrenzten Personenkreis und für eine begrenzte Zeit» möglich – und auch dann sei für die Impfung selbst die Zustimmung der betroffenen Person erforderlich. Folglich hätte die Annahme der Initiative grosse Rechtsunsicherheit und einen eingeschränkten Handlungsspielraum bei der Pandemiebekämpfung zur Folge. Schliesslich sollten entsprechende Diskussionen im Rahmen der laufenden Revision des Epidemiengesetzes abgewartet werden. Folglich empfahl der Bundesrat die Initiative der Stimmbevölkerung und den Kantonen zur Ablehnung.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

In der Wintersession 2022 bereinigte das Parlament die fünfte Änderung des Covid-19-Gesetzes, bei der es darum ging zu entscheiden, welche Massnahmen nach der Rückkehr in die normale Lage gemäss Epidemiengesetz bis Juni 2024 weitergeführt werden sollen. Eintreten war im Ständerat unbestritten, umstritten war in der Folge nur die Frage, ob und wie lange die Covid-19-Teststrategie aufrechterhalten wird, wer dafür zuständig sein wird und wer diese bezahlen soll. Nach Testkosten von CHF 2.1 Mrd. im Jahr 2021 und laufenden CHF 1.6 Mrd. im Jahr 2022 würden für das kommende Jahr Testkosten in der Höhe von CHF 430 Mio. und für 2024 Kosten im Umfang von CHF 210 Mio. erwartet, erläuterte Kommissionssprecher Dittli (fdp, UR). Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass die Kantone von Januar bis März 2023 für die vom Bund abgerechneten Testkosten aufkommen und ab April 2023 neben den Kosten auch für die Durchführung und Detailregelungen der Tests zuständig sein sollen. Der Nationalrat wollte jedoch als Erstrat die Verantwortung für Durchführung und Kosten der Tests bis Juni 2024 beim Bund belassen. Eine Minderheit II Stöckli (sp, BE) vertrat die nationalrätliche Position im Ständerat und argumentierte, dass man das bewährte Testregime so lange fortsetzen solle, wie es nötig sei. Eine Übertragung an die Kantone sei nicht sinnvoll, da man ansonsten 26 verschiedene Testregimes haben werde. Die Kommissionsmehrheit pflichtete zwar dem Nationalrat bei, Organisation und Kosten der Tests bis Ende März 2023 beim Bund zu belassen, wollte aber ab April 2023 zum «Normalzustand» (Dittli) zurückkehren, also vollständig auf eine staatliche Finanzierung der Tests verzichten. In der Folge müssten erneut die Krankenkassen und die Privatpersonen für die Kosten aufkommen. Das Testregime sei aufwändig und kostenintensiv und bringe nach dem Ende der Grippesaison nur noch wenig, argumentierte der Kommissionssprecher. Als Kompromiss zwischen den beiden Positionen bezeichnete Maya Graf ihre Minderheit I, welche die Verantwortung wie der Bundesrat ab April 2023 den Kantonen übertragen, im Gegensatz zur Regierung jedoch die Kosten bis Ende März 2023 noch dem Bund belasten wollte. Einen etwas anderen Ansatz verfolgte eine Minderheit III Hegglin (mitte, ZG), welche die Testkosten nur bei einer besonderen Lage gemäss Epidemiengesetz vom Bund abgelten lassen wollte – mit dieser Regelung würden die Tests somit Ende 2022 auslaufen. Seit der Rückkehr in die normale Lage habe man keine Massnahmen gegen die Pandemie mehr ergriffen, entsprechend sei es auch nicht mehr zentral, eine «Übersicht über die epidemiologische Entwicklung» zu haben – die man überdies durch Abwasserproben günstiger haben könne, begründete der Minderheitensprecher seinen Antrag. Gesundheitsminister Alain Berset fürchtete vor allem die Verbindung der Tests mit der Lage gemäss Epidemiengesetz, zumal dies den Druck – auch der Kantone – zur Rückkehr in die besondere Lage verstärken könne. Er beantragte dem Rat folglich, beim bundesrätlichen Vorschlag zu bleiben. In der Ausmehrung setzte sich jedoch der Antrag der Minderheit III Hegglin durch. Der Ständerat entschied sich somit für die Verknüpfung der Testkostenübernahme mit der Lage gemäss Epidemiengesetz und schuf eine erste Differenz zum Nationalrat.

Stillschweigend folgte der Ständerat seiner Kommission bei der Frage der Vorhalteleistungen: Der Nationalrat hatte vorgeschlagen, dass die Kantone Finanzierungsvereinbarungen für ausserkantonale Covid-19-Patientinnen und -Patienten abschliessen sollten. Die Kantone hatten sich aufgrund des grossen administrativen Aufwands dagegen gewehrt, zudem kritisierte die SGK-SR, dass ein solches Vorgehen gegen die Regeln der Spitalfinanzierung verstosse. Der Ständerat lehnte die Regelung folglich ab und schuf eine zweite Differenz zum Nationalrat. Hingegen stimmte er – wie vom Nationalrat vorgeschlagen – für die Aufrechterhaltung der Regelung, wonach Nationalrätinnen und Nationalräte bei Covid-19-Quarantäne oder -Isolation – sollten diese wieder nötig werden – in Abwesenheit abstimmen können. Einstimmig nahm der Ständerat den Entwurf in der Folge an (mit 43 zu 0 Stimmen).

Fünfte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung und Änderung ausgewählter Bestimmungen; BRG 22.046)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen