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Jahresrückblick 2023: Gesundheit und Sport

In der Gesundheitspolitik wurden 2023 verschiedene gewichtige Baustellen bearbeitet, insgesamt blieb die mediale Beachtung des Themenbereichs nach dem Abflauen der Corona-Pandemie aber deutlich hinter derjenigen der letzten Jahre zurück (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Einigen Fortschritt gab es im Bereich des elektronischen Patientendossiers (EPD), wo der Bundesrat eine Revision des EPD-Gesetzes für eine Weiterentwicklung und für die nachhaltige Finanzierung des Dossiers sowie eine Gesetzesrevision für eine Übergangsfinanzierung in die Vernehmlassung gab. In der Wintersession stimmte der erstbehandelnde Nationalrat letzterer Revision bereits zu, die bis zum Inkrafttreten der umfassenden EPD-Gesetzesrevision (frühestens Ende 2027) gelten soll. Ungeachtet dieser laufenden Arbeiten verlangte der Ständerat mit Annahme eines Postulats im September 2023 eine Tempoerhöhung bei den Revisionsarbeiten. Darüber hinaus wollte das Parlament die Digitalisierung durch die Annahme verschiedener Motionen fördern.

Die Medien berichteten vor allem über die Versorgungsknappheit im Gesundheitsbereich. Insbesondere während der ersten Jahreshälfte schrieben die Zeitungen über Lieferengpässe bei den Medikamenten, was in Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse den Peak im Februar erklären dürfte. Als Reaktion darauf lancierte ein Komitee aus verschiedenen medizinischen Berufsgruppen die Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit».

Aber nicht nur die Knappheit an Arzneimitteln, sondern auch die Knappheit an medizinischem Personal stand 2023 auf der politischen Agenda. Zur Sicherstellung, dass es in allen Regionen der Schweiz genügend Ärztinnen und Ärzte – insbesondere Hausärztinnen und Hausärzte – gibt, hiess die Legislative während der Herbstsession drei Postulate (Po. 23.3678, Po. 21.4226 und Po. 23.3864) zu diesem Thema gut. Um der Pflegeknappheit zu begegnen, wurde 2023 weiter an der Umsetzung der Pflegeinitiative gearbeitet. Nachdem das Parlament im Dezember des Vorjahres die erste Umsetzungsetappe mit den Inhalten «Ausbildungsoffensive» und «Abrechnungsmöglichkeiten» verabschiedet hatte, schickte der Bundesrat Ende August 2023 das Ausführungsrecht zur ersten Etappe in die Vernehmlassung. Die Leitlinien der zweiten Etappe legte die Landesregierung Anfang April fest. Diese beinhalteten Punkte zu anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und besseren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Im Sommer lancierten Bund und Kantone zudem ein Monitoring zur Umsetzung der Initiative.

Bezüglich Tabakprodukten hiess das Parlament im Sommer 2023 die Einführung einer Tabaksteuer bei E-Zigaretten gut. Zudem veröffentlichte die Landesregierung im Mai die Botschaft zur Teilrevision des TabPG, mit der sie die im Februar 2022 angenommene Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» umsetzen wollte. Als behandelnder Erstrat schwächte das Stöckli in der Herbstsession den Entwurf in einigen Punkten ab. Ein weniger restriktiver Trend liess sich im Umgang mit Cannabis beobachten. So starteten in verschiedenen Städten Pilotprojekte zur Cannabis-Abgabe.

Neben den beiden oben beschriebenen Volksbegehren gab es 2023 zudem drei Initiativen im Bereich Gesundheit, die in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie lanciert worden waren. Im Februar startete die Unterschriftensammlung zu einer Volksinitiative, welche die Aufarbeitung der Massnahmenpolitik während der Pandemie forderte. Hingegen scheiterte 2023 eine Volksinitiative, die im Falle künftiger Pandemien eine finanzielle Entschädigung bei massgeblichen wirtschaftlichen Einbussen forderte, im Sammelstadium. Ein Volksbegehren, welches es indes bereits 2022 über das Sammelstadium hinaus geschafft hatte, war die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich in erster Linie gegen eine Impfpflicht richtet. National- und Ständerat empfahlen im Berichtsjahr die Ablehnung der Initiative.

Ähnlich gross wie im Vorjahr war die mediale Aufmerksamkeit für den Sportbereich (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Im Zentrum stand dabei die Schweizer Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2030, welcher das IOC jedoch Ende November eine Absage erteilte. Erfolgreich war hingegen die Kandidatur der Schweiz als Austragungsstätte für die Fussball-EM 2025 der Frauen. Sie setzte sich im Bewerbungsverfahren gegen Polen, Frankreich und die Nordischen Staaten durch. Die beiden eben genannten Kandidaturen dürften in der Abbildung 1 der ASP-Zeitungsanalyse für die Peaks im Frühjahr (Olympische Winterspiele und Fussball-EM) und Spätherbst (Olympische Winterspiele) verantwortlich sein. Im Parlament war insbesondere die Unterstützung für internationale Sportgrossanlässe in den kommenden Jahren Thema, wobei National- und Ständerat den bundesrätlichen Gesamtbetrag von CHF 47 Mio. um CHF 25 Mio. aufstockten.

Jahresrückblick 2023: Gesundheit und Sport
Dossier: Jahresrückblick 2023

Nachdem sich die SGK-SR deutlich gegen eine Standesinitiative des Kantons Solothurn zur Cannabis-Legalisierung ausgesprochen hatte, war es in der Herbstsession 2023 am Ständerat, das Geschäft zu diskutieren. Hans Stöckli (sp, BE) machte sich im Namen der Kommission dafür stark, der Initiative keine Folge zu geben. Er begründete diese Haltung, indem er auf die parlamentarische Initiative Siegenthaler (mitte, BE; Pa.Iv. 20.473) verwies, die quasi «deckungsgleich» mit der Solothurner Standesinitiative sei. Eine Annahme Letzterer würde zu Doppelspurigkeiten führen, was man vermeiden wolle. Stillschweigend gab der Ständerat dem Geschäft keine Folge.

Cannabis-Legalisierung (St.Iv. 22.317)

Während der Herbstsession 2023 stand die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» auf der Traktandenliste des Ständerats. Wie bereits die Sprecherinnen und Sprecher des Nationalrats erklärte auch Philippe Bauer (fdp, NE) für die RK-SR, dass die Umsetzung der Initiative mit verschiedenen Problemen verbunden wäre, die weit mehr als die Impfdebatte, die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie entfacht worden war, beträfen. So greife das Volksbegehren das Gewaltmonopol des Staates an und sei mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden. Daher empfehle die Kommission die Initiative einstimmig zur Ablehnung. Stillschweigend sprach sich das Stöckli gegen das Volksbegehren aus.

In den Schlussabstimmungen, welche in beiden Räten noch in der gleichen Session stattfand, nahm die grosse Kammer den Bundesbeschluss zur Empfehlung auf Ablehnung der Initiative mit 145 zu 49 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an, die kleine Kammer tat es ihr mit 37 zu 0 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) gleich. Mit einer Ausnahme stammten alle Nein-Stimmen und Enthaltungen aus den Reihen der SVP-Fraktion.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

Rückblick auf die 51. Legislatur: Gesundheit

Autorinnen: Joëlle Schneuwly und Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Das für die Gesundheitspolitik prägendste Ereignis der 51. Legislatur war unbestritten die Covid-19-Pandemie: Ab Februar 2020 stiegen weltweit und auch in der Schweiz die Fallzahlen von Personen, die an dem neuen Corona-Virus erkrankten, das insbesondere bei älteren Personen unter anderem zu schweren Lungenerkrankungen führte. Mitte März 2020 rief der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz und beruhend darauf einen sogenannten Lockdown aus, um weiterhin genügend freie Spitalbetten garantieren zu können. Dabei wurde das gesellschaftliche Leben weitestgehend heruntergefahren, geöffnet blieben nur Lebensmittelgeschäfte und Gesundheitseinrichtungen. Die Bevölkerung wurde angehalten, zuhause zu bleiben und – wenn möglich – von dort aus zu arbeiten, zudem wurden unter anderem der Präsenzunterricht in Schulen eingestellt und die Grenzen geschlossen. Der Lockdown dauerte bis Juni 2020, in den Sommermonaten erholten sich die Fallzahlen. Bereits ab Oktober 2020 folgte jedoch die zweite Welle, die erneute landesweite Massnahmen und Einschränkungen nach sich zog.

Mitte August legte der Bundesrat das Covid-19-Gesetz vor, durch das er die bisherigen Notverordnungen ersetzte und das in der Herbstsession 2020 vom Parlament unter ausgiebigen Diskussionen verabschiedet wurde. Im Juni 2021 sprach sich die Schweizer Stimmbevölkerung mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für das Covid-19-Gesetz aus. Ähnlich hoch war die Zustimmung auch im November 2021 (62.0% Ja-Stimmen) sowie im Juni 2022 (61.9%), als über die zweite respektive fünfte Revision des Gesetzes abgestimmt wurde – Massnahmengegnerinnen und -gegner hatten jeweils das Referendum ergriffen.

In der Zwischenzeit kam es immer wieder zu neuen Virusvarianten und Ansteckungswellen, die jedoch weniger intensiv waren als die zweite Welle. Ende 2020 erteilte Swissmedic der ersten Covid-19-Impfung die Zulassung – diese reduzierte anfänglich das Ansteckungsrisiko sowie das Risiko eines schweren Verlaufs deutlich, später jedoch nur noch Letzteres. Bis Ende November 2021 waren 66 Prozent der Schweizer Bevölkerung ausreichend geimpft, wobei der ungeimpfte Teil der Bevölkerung eine Impfung grösstenteils strikt ablehnte. Sie fürchteten sich zudem vor einer Impfpflicht, was sich mit Einführung des sogenannten Covid-19-Zertifikats im Juni 2021 noch verstärkte: Ab dann konnten öffentliche Anlässe nur noch unter Nachweis einer Impfung, einer Genesung oder eines negativen Covid-19-Tests besucht werden – Ende 2021 gar nur noch nach Impfung oder Genesung. Damit wollte der Bundesrat eine erneute Schliessung des öffentlichen Lebens verhindern.

Im Laufe der Zeit wurde der Unmut der Massnahmengegnerinnen und -gegner immer lauter. Sie brachten diesen in wöchentlichen Demonstrationen zum Ausdruck, welche insbesondere im Rahmen der Kampagne zur Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes immer gehässiger wurden, so dass die Medien bald von einer «Spaltung der Gesellschaft» sprachen. Nach der erneuten Zustimmung durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger schienen sich die Wogen zumindest gegen aussen wieder etwas zu glätten.

Ab Ende November 2021 verbreitete sich die neue Virusvariante «Omikron», die deutlich ansteckender war als die bisher vorherrschende Delta-Variante, gleichzeitig aber weniger gefährlich. Somit schnellten zwar die Ansteckungszahlen in bisher kaum denkbare Höhen, diese zogen aber deutlich weniger Neuhospitalisierungen nach sich. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, Anfang April 2022 kehrte die Schweiz wieder in die «normale Lage» gemäss Epidemiengesetz zurück und der Bundesrat hob (fast) alle noch verbliebenen Massnahmen auf. Die Zertifikatspflicht war bereits Mitte Februar 2022 eingestellt worden. Zwar wurde das Covid-19-Gesetz im Dezember 2022 – quasi als Sicherheit gegen ein erneutes Aufflammen des Virus – teilweise verlängert, für die meisten Menschen hatte die Pandemie in der Zwischenzeit jedoch ihren Schrecken verloren.

Nachwirkungen hatte die Pandemie in vielen Themenbereichen, im Gesundheitsbereich insbesondere auf diejenigen Menschen, die unter Long Covid oder Post Covid litten – einer Erkrankung, die noch Monate nach einer Infektion mit Covid-19 verschiedene Symptome mit sich bringt. Folgen hatte die Pandemie auch für die Spitäler, deren teilweise bereits vor der Pandemie schwierige wirtschaftliche Lage durch das Verbot während des Lockdowns, nicht dringliche Untersuchungen durchzuführen, um genügend Kapazitäten für Notfälle zu haben, noch verschärft worden waren. Schliesslich trieb die Pandemie auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran, wobei noch immer intensiv am elektronischen Patientendossier gearbeitet wurde.

Neben der Pandemie wurde die Gesundheitspolitik in der 51. Legislatur vor allem von Initiativen vorangetrieben. So nahmen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im November 2021 mit 61 Prozent Ja-Stimmen die Pflegeinitiative an, welche eine Verbesserung des Pflegendenstatus und die Sicherstellung einer genügend grossen Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen erreichen wollte. Sie bevorzugten die Initiative damit gegenüber dem indirekten Gegenvorschlag des Parlaments, welchen Bundesrat und Parlament in der Folge als Teil der Umsetzung der Initiative in Kraft setzte.

Auch die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung», die ein weitreichendes Verbot von Tabakproduktewerbung verlangte, wurde im Februar 2022 von der Stimmbürgerschaft einem indirekten Gegenvorschlag in Form eines Tabakproduktegesetzes vorgezogen. Im Bereich der Suchtmittel bewilligte der Bund 2022 hingegen erste Versuche für eine wissenschaftlich begleitete, kontrollierte Abgabe von Cannabis, von denen man sich einen Erkenntnisgewinn zu alternativen Regulierungsformen erhoffte.

Auch der Organspende-Initiative, welche die bisherige Zustimmungslösung bei der Organspende durch eine Widerspruchslösung ersetzen wollte, hatten Bundesrat und Parlament einen abgeschwächten indirekten Gegenvorschlag mit einer erweiterten Zustimmungslösung, bei der bei Nichtvorliegen des Willens der verstorbenen Person die Meinung der Angehörigen berücksichtigt werden sollte, vorgelegt. Das Initiativkomitee zog daraufhin seine Initiative bedingt zurück und die Stimmbürgerschaft bestätigte die Gesetzesänderung am 15. Mai 2022 an der Urne, nachdem das Referendum gegen den Gegenvorschlag ergriffen worden war.

Bereits während der Pandemie, insbesondere aber im Jahr 2022 wurde eine neue gesundheitsrelevante Krise deutlich, die Medikamentenknappheit. Aufgrund von Brexit, der Opioidkrise in den USA und dem Ukrainekrieg wurden erste Medikamente knapp, weshalb der Bundesrat in den Jahren 2022 und 2023 verschiedene Pflichtlager, etwa für Opioide und Impfstoffe, freigab.


Zu den Jahresrückblicken
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Gesundheit
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Der Kanton Solothurn beabsichtigte im September 2022 mittels Standesinitiative eine Legalisierung des Anbaus, Handels, Besitzes, Konsums und der Abgabe von Cannabis. Die Substanz soll vergleichbar mit alkoholischen Getränken reguliert werden. Bei Cannabis handle es sich um jene illegale Substanz, die hierzulande am häufigsten konsumiert werde, erklärte der Kanton Solothurn in seiner eingereichten Begründung. Der Konsum könne verschiedene Folgen nach sich ziehen, die von körperlichen Auswirkungen bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen reichten. Verschärft würden die Gesundheitsrisiken insbesondere durch synthetische Cannabinoide, welche teilweise auf legal erworbenes CBD-Hanf aufgesprüht würden. Durch eine Aufhebung des bestehenden Verbots und durch eine Neuregulierung könnten Cannabisprodukte kontrolliert und somit die Gesundheitsrisiken gesenkt werden. Weiter betonte der Nordwestschweizer Kanton, dass der Jugendschutz, die Prävention und die Ergebnisse der Pilotversuche mit nicht-medizinischem Cannabiskonsum miteinbezogen werden sollen. Die Forderung der Standesinitiative entsprach derjenigen der parlamentarischen Initiative Siegenthaler (mitte, BE; Pa.Iv. 20.473). Mitte August 2023 sprach sich die SGK-SR mit 6 zu 0 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen den Solothurner Vorstoss aus. Sie begründete ihre negative Haltung damit, dass sich die nationalrätliche SGK bereits mit einer neuen Cannabisregulierung befasse, welche die gleichen Absichten verfolge.

Cannabis-Legalisierung (St.Iv. 22.317)

In der Sommersession 2023 befasste sich der Nationalrat mit der Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit». Die beiden Sprechenden der RK-NR, Patricia von Falkenstein (ldp, BS) und Baptiste Hurni (sp, NE), führten dabei aus, wieso sich die Kommissionsmehrheit für die Zustimmung zum bundesrätlichen Entwurf – sprich für die Ablehnung der Initiative – aussprach. So sei die körperliche und geistige Unversehrtheit insbesondere bereits im geltenden Grundrecht verankert, während die Volksinitiative respektive deren Umsetzung mit einer grossen Rechtsunsicherheit einhergehe, da das Volksbegehren über «erhebliche materielle und rechtliche Mängel» verfüge. Zudem würde die Initiative generell das Gewaltmonopol des Staates aushöhlen, etwa in den Bereichen Polizei und Asylwesen, wo es oft zu Einwirkungen auf den menschlichen Körper komme. Eine Reihe von Sprechenden aus der SVP-Fraktion widersprach dieser Einschätzung. Pirmin Schwander (svp, SZ) etwa war der Ansicht, dass während der Covid-19-Pandemie ersichtlich geworden sei, dass die bestehende Gesetzeslage nicht ausreiche, um die körperliche und geistige Unversehrtheit zu schützen. Der mangelhaften Formulierung der Initiative wollte Schwander mittels zweier Minderheitsanträge auf Rückweisung an die Kommission zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags (Minderheit I) respektive eines direkten Gegenentwurfs (Minderheit II), welche konkret Impfungen und biomedizinische Verfahren zum Inhalt hätten, begegnen. Eine Minderheit Addor (svp, VS) beabsichtigte, die Selbstbestimmung betreffend Impfungen und anderen medizinischen Biotechnologien durch einen bereits von der Minderheit verfassten direkten Gegenentwurf zu gewährleisten, wobei soziale, berufliche und auch andere Diskriminierung verboten werden sollte. Lukas Reimann (svp, SG) schliesslich beantragte in einem weiteren Minderheitsantrag, die Initiative zur Annahme zu empfehlen, falls ein Gegenentwurf abgelehnt würde. Er persönlich halte zwar eine Impfung für vernünftig, es könne aber nicht sein, dass der Staat vorgebe, «was vernünftig ist und was nicht vernünftig ist».
Mit dieser Meinung blieben die Mitglieder der SVP-Fraktion allerdings alleine. Vertreterinnen und Vertreter der anderen Parteien konnten weder der Initiative noch den Minderheitsanträgen viel abgewinnen. Die Sprechenden der anderen Fraktionen verwiesen unter anderem ebenfalls auf die Probleme mit dem Gewaltmonopol – gemäss Nicolas Walder (gp, GE) könnten nach Annahme der Volksinitiative etwa Serienmörder nicht mehr festgenommen werden und Beat Flach (glp, AG) hob hervor, dass durch die Initiative das individuelle Interesse in jedem Fall stärker gewichtet würde als das Interesse der Gesamtgesellschaft, zu der auch schwache und vulnerable Personen zählten. Philipp Bregy (mitte, VS), der sich gegen den Gegenvorschlag von Addor aussprach, argumentierte, dass es keiner besseren Formulierung bedürfe, weil die vom Volksbegehren geforderte Regelung nicht benötigt werde.
Was sich bereits während der offenen Debatte abzeichnete, bestätigte sich nach dem obligatorischen Eintreten in den Abstimmungen: Mit 137 zu 39 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) wurde die erste Minderheit Schwander, die sich zuvor gegen die zweite Minderheit Schwander durchgesetzt hatte, verworfen. Auch der von Addor eingebrachte bereits formulierte Gegenentwurf war chancenlos (40 zu 138 Stimmen bei 5 Enthaltungen). Zum Schluss sprach sich die grosse Kammer mit 140 zu 35 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) deutlich gegen die Volksinitiative aus. Dabei stammten sämtliche Stimmen, welche das Volksbegehren unterstützten, sowie alle Enthaltungen aus den Reihen der SVP-Fraktion. Abgesehen von einer Enthaltung aus der FDP-Fraktion bei der Abstimmung zur ersten Minderheit Schwander entspricht dieses Abstimmungsverhalten auch denjenigen bei den anderen beiden Abstimmungen.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

Der Tessiner Nationalrat Piero Marchesi (svp, TI) forderte in einer im Mai 2021 eingereichten Motion, dass der Bundesrat den Startschuss für die Impfstoffforschung und Impfstoffproduktion in der Schweiz erteilt. Erfahrungen aus der Corona-Pandemie hätten gezeigt, dass die Schweiz trotz der ansässigen Pharmaindustrie grosse Mühe – gemäss Motionär «enormi difficoltà» – gehabt habe, geeignete Impfstoffe zu besorgen. Der Bundesrat sollte deshalb dazu angehalten werden, in Zusammenarbeit mit den Universitäten, den privaten Forschungseinrichtungen und der Pharmaindustrie eine Vorlage auszuarbeiten, um die Rahmenbedingungen für den hiesigen Forschungs- und Produktionsstandort zu verbessern. Die Massnahmen sollten dazu beitragen, dass die Schweiz besser auf künftige Pandemien vorbereitet ist. In der Sondersession im Mai 2023 befasste sich der Nationalrat mit der Motion. Gesundheitsminister Alain Berset plädierte im Namen des Gesamtbundesrates für eine Ablehnung der Motion. Er zeigte sich gegenüber dem Anliegen nicht abgeneigt, erklärte aber, dass dieses bereits mit der Verlängerung des Covid-19 Gesetzes bis im Sommer 2024 und dem darin enthaltenen Unterstützungsprogramm – insbesondere für die Entwicklung von Covid-19-Medikamenten – umgesetzt werde. Im Anschluss an diese Regelung plane der Bundesrat mit der Revision des Epidemiengesetzes zudem die Verankerung einer langfristigen Vorbereitung auf allfällige Pandemien. Eine Mehrheit der grossen Kammer folgte diesem Votum und lehnte die Motion mit 101 zu 59 Stimmen bei 20 Enthaltungen ab. Für Annahme stimmten dabei die geschlossene SVP-Fraktion zusammen mit Teilen der SP-Fraktion. In Letzterer enthielten sich viele Mitglieder der Stimme.

Startschuss für Impfstoffforschung und Impfstoffproduktion in der Schweiz (Mo. 21.3513)

Nachdem Thomas de Courten (svp, BL) im Dezember 2022 ein Postulat Molina (sp, ZH) zum Drug Checking in der Schweiz – also zur Überprüfungsmöglichkeit von Substanzen für Drogenkonsumierende – bekämpft hatte, befasste sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2023 mit dem Geschäft. Gemäss dem Bericht in Erfüllung eines Postulats Rechsteiner (sp, SG; Po. 17.4076) hätten im Jahr 2017 acht Prozent der Schweizer Bevölkerung mindestens einmal illegale Substanzen konsumiert, wobei Cannabis hier nicht mitgezählt worden sei. Mittels Drug Checking bestünden bereits in verschiedenen Städten und Kantonen Angebote zur «Schadensminimierung». Nun soll der Bundesrat einen Bericht zu den bestehenden Substanzanalyseangeboten mit persönlicher Beratung und zu Unterstützungsmöglichkeiten durch den Bund ausarbeiten. Gesundheitsminister Alain Berset anerkannte die Wichtigkeit des Themas. Er wies auf einen bereits existierenden Bericht zur Effektivität von Drug Checking hin, gab allerdings zu bedenken, dass es nach wie vor Fragen zu den Rechtsgrundlagen gebe, die es noch zu klären gelte. Daher empfehle er das Postulat zur Annahme. Der Nationalrat folgte dieser Aufforderung mit 91 zu 88 Stimmen (bei 5 Enthaltungen). Geschlossen für das Postulat sprachen sich die Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP aus. Geschlossen dagegen stellten sich die Fraktionen der SVP und der Mitte. Die FDP-Fraktion zeigte sich gespalten.

Drug-Checking in der Schweiz: Mit welchen Massnahmen kann das bestehende Angebot unterstützt und verbessert werden? (Po. 20.4047)

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Zu Beginn des Jahres 2022 wurde befürchtet, dass die Covid-19-Pandemie auch in diesem Jahr das politische Geschehen der Schweiz dominieren würde: Mitte Januar erreichte die Anzahl laborbestätigter täglicher Neuansteckungen mit 48'000 Fällen bisher kaum denkbare Höhen – im Winter zuvor lagen die maximalen täglichen Neuansteckungen noch bei 10'500 Fällen. Die seit Anfang 2022 dominante Omikron-Variante war somit deutlich ansteckender als frühere Varianten – im Gegenzug erwies sie sich aber auch als weniger gefährlich: Trotz der viermal höheren Fallzahl blieben die Neuhospitalisierungen von Personen mit Covid-19-Infektionen deutlich unter den Vorjahreswerten. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, wie auch Abbildung 1 verdeutlicht. Wurde im Januar 2022 noch immer in 15 Prozent aller Zeitungsartikel über Covid-19 gesprochen, waren es im März noch 4 Prozent. Zwar wurde im Laufe des Jahres das Covid-19-Gesetz zum fünften Mal geändert und erneut verlängert, über die Frage der Impfstoff- und der Arzneimittelbeschaffung gestritten und versucht, in verschiedenen Bereichen Lehren aus den letzten zwei Jahren zu ziehen. Jedoch vermochten weder diese Diskussionen, die zwischenzeitlich gestiegenen Fallzahlen sowie ein weltweiter Ausbruch vermehrter Affenpocken-Infektionen das mediale Interesse an der Pandemie erneut nachhaltig zu steigern.

Stattdessen erhielten im Gesundheitsbereich wieder andere Themen vermehrte Aufmerksamkeit, vor allem im Rahmen von Volksabstimmungen und der Umsetzung von Abstimmungsentscheiden.
Einen direkten Erfolg durch ein direktdemokratisches Instrument erzielte das Komitee hinter der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiessen diese Initiative am 13. Februar mit 56.7 Prozent gut. Das Volksbegehren ziel darauf ab, dass Kinder und Jugendliche nicht länger mit Tabakwerbung in Berührung kommen. Während das Initiativkomitee die Vorlage unter anderem damit begründete, dass durch das Werbeverbot dem Rauchen bei Jugendlichen Einhalt geboten werden könne, führten die Gegnerinnen und Gegner die Wirtschaftsfreiheit an. Zudem befürchtete die Gegnerschaft, dass in Zukunft weitere Produkte wie Fleisch oder Zucker mit einem vergleichbaren Werbeverbot belegt werden könnten. Der Bundesrat gab Ende August einen gemäss Medien sehr strikten Entwurf zur Umsetzung der Initiative in die Vernehmlassung. Während die Stimmbevölkerung Werbung für Tabakprodukte verbieten wollte, bewilligte das BAG ein Gesuch der Stadt Basel zur Durchführung von Cannabisstudien; die Städte Bern, Lausanne, Zürich und Genf lancierten ebenfalls entsprechende Studien. Zudem können Ärztinnen und Ärzte seit dem 1. August medizinischen Cannabis ohne Bewilligung durch das BAG verschreiben.

Teilweise erfolgreich waren im Jahr 2022 aber auch die Initiantinnen und Initianten der Organspende-Initiative. 2021 hatte das Parlament eine Änderung des Transplantationsgesetzes als indirekten Gegenvorschlag gutgeheissen, woraufhin das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückgezogen hatte. Im Januar kam das Referendum gegen die Gesetzesänderung zustande. Mit dem Gesetz beabsichtigten Bundesrat und Parlament die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung, wobei die Angehörigen der verstorbenen Person beim Spendeentscheid miteinbezogen werden müssen. Auch wenn es sich dabei um eine Abschwächung der Initiativforderung handelte, ging die Änderung dem Referendumskomitee zu weit; es äusserte ethische und rechtliche Bedenken. Die Stimmbevölkerung nahm die Gesetzesänderung am 15. Mai allerdings deutlich mit 60.2 Prozent an. Damit gewichtete sie die von den Befürwortenden hervorgehobene Dringlichkeit, die Spenderquote zu erhöhen und etwas gegen die langen Wartezeiten auf ein Spenderorgan zu unternehmen, stärker als die Argumente des Referendumskomitees. In den Wochen vor dem Abstimmungssonntag wurde die Vorlage vermehrt von den Zeitungen aufgegriffen, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse verdeutlicht.

Nach dem deutlichen Ja an der Urne im November 2021 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im Mai 2022 seine Botschaft zur Umsetzung eines ersten Teils der Pflegeinitiative. Dieser entspricht dem indirekten Gegenvorschlag, den die Legislative ursprünglich als Alternative zur Volksinitiative ausgearbeitet hatte. Ohne grosse Änderungen stimmten die beiden Kammern der Gesetzesrevision zu.

Noch immer stark von der Covid-19-Pandemie geprägt waren die Diskussionen zu den Spitälern. Da die Überlastung der Spitäler und insbesondere der Intensivstationen während der Pandemie eine der Hauptsorgen dargestellt hatte, diskutierten die Medien 2022 ausführlich darüber, wie es möglich sei, die Intensivstationen auszubauen. Vier Standesinitiativen forderten zudem vom Bund eine Entschädigung für die Ertragsausfälle der Krankenhäuser während der ersten Pandemiewelle, der Nationalrat gab ihnen indes keine Folge.

Von einer neuen Krise betroffen war die Medikamentenversorgung. Die Versorgungssicherheit wurde als kritisch erachtet, was die Medien auf den Brexit, die Opioidkrise in den USA sowie auf den Ukrainekrieg zurückführten. Der Bundesrat gab in der Folge das Pflichtlager für Opioide frei. Das Parlament hiess überdies verschiedene Motionen für eine Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen gut, um so die Medikamentenversorgung auch mittelfristig sicherzustellen (Mo. 20.3211, Mo. 20.3370). Kein Gehör fand hingegen eine Standesinitiative aus dem Kanton Aargau zur Sicherung der Landesversorgung mit essenziellen Wirkstoffen, Medikamenten und medizinischen Produkten, durch ausreichende Lagerhaltung, Produktion in Europa und durch die Vereinfachung der Registrierung in der Schweiz.

Im Bereich des Sports war das Jahr 2022 durch mehrere Grossanlässe geprägt, die nicht nur in sportlicher, sondern auch in politischer Hinsicht für Gesprächsstoff sorgten. Die Olympischen Winterspiele in Peking Anfang Jahr und die Fussball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar zum Jahresende standen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen an den Austragungsstätten in den Schlagzeilen. Skandale gab es aber nicht nur in der internationalen Sportwelt, sondern auch hierzulande, wo Vorwürfe bezüglich Missständen im Synchronschwimmen erhoben wurden und die 1. Liga-Frauen-Fussballmannschaft des FC Affoltern nach einem Belästigungsskandal praktisch geschlossen den Rücktritt erklärte. Erfreut zeigten sich die Medien hingegen über eine Meldung im Vorfeld der Fussball-Europameisterschaft der Frauen, dass die Erfolgsprämien durch die Credit Suisse und die Gelder für Bilder- und Namensrechte durch den SFV für die Spielerinnen und Spieler der Nationalmannschaft der Frauen und Männer künftig gleich hoch ausfallen sollen. Sinnbildlich für den wachsenden Stellenwert des Frauenfussballs stand ferner eine Erklärung des Nationalrats in der Wintersession 2022, wonach er die Kandidatur zur Austragung der Fussball-Europameisterschaft der Frauen 2025 in der Schweiz unterstütze. Trotz dieser verschiedenen Diskussionen im Sportbereich hielt sich die Berichterstattung dazu verglichen mit derjenigen zu gesundheitspolitischen Themen in Grenzen (vgl. Abbildung 1). Dies trifft auch auf die Medienaufmerksamkeit für die Sozialhilfe zu, die sich über das gesamte Jahr hinweg unverändert auf sehr tiefem Niveau bewegte.

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Dezember 2022 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit». Die Initiative verlangte, dass «jeder Eingriff in die körperliche und geistige Unversehrtheit einer Person deren Zustimmung bedarf». Fehlende Zustimmung darf zudem nicht zu Bestrafung oder beruflichen oder sozialen Nachteilen führen. Damit gehe diese Formulierung wohl deutlich über das hinaus, was die Initiantinnen und Initianten erreichen wollten, vermutete der Bundesrat. So tangiere sie etwa auch Bereiche wie das Polizeiwesen, die Strafverfolgung, das Militär, das Ausländer- und Asylwesen sowie den Kindes- und Erwachsenenschutz, während die eigentliche Forderung, die Zustimmungspflicht im medizinischen Kontext, durch das Grundrecht der persönlichen Freiheit bereits in der Bundesverfassung festgeschrieben sei. Deren Einschränkung bedarf unter anderem eines öffentlichen Interesses oder des Schutzes von Grundrechten Dritter und muss verhältnismässig sein. Bereits heute seien Impfobligatorien entsprechend «nur unter Einhaltung enger Voraussetzungen für einen begrenzten Personenkreis und für eine begrenzte Zeit» möglich – und auch dann sei für die Impfung selbst die Zustimmung der betroffenen Person erforderlich. Folglich hätte die Annahme der Initiative grosse Rechtsunsicherheit und einen eingeschränkten Handlungsspielraum bei der Pandemiebekämpfung zur Folge. Schliesslich sollten entsprechende Diskussionen im Rahmen der laufenden Revision des Epidemiengesetzes abgewartet werden. Folglich empfahl der Bundesrat die Initiative der Stimmbevölkerung und den Kantonen zur Ablehnung.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

In der Wintersession 2022 folgte der Ständerat der SGK-SR und beschloss, der Standesinitiative des Kantons Jura, die einen weltweiten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen forderte, stillschweigend keine Folge zu geben.
Für die Kommission sprach Hans Stöckli (sp, BE) und betonte, dass heute nicht der Zugang zu den Impfstoffen, sondern die dafür notwendige Logistik die primäre Schwierigkeit darstelle. Eine Aufweichung des Patentschutzes sei nicht zielführend, so der Ständerat. Die einzige weitere Wortmeldung kam von Carlo Sommaruga (sp, GE), der sich mit dem Anliegen des Kantons solidarisierte und erläuterte, dass Patentregelungen dem medizinischen Fortschritt eher im Weg stünden, als dass sie ihn beschleunigten und die Standesinitiative deshalb ihre Berechtigung habe.

Impfungen von öffentlichem Interesse müssen für alle zugänglich sein (Kt.Iv. 21.319)

In der Wintersession 2022 behandelte das Parlament den Nachtrag II zum Voranschlag 2022 zusammen mit dem Voranschlag 2023. Anna Giacometti (fdp, GR) erläuterte dem Nationalrat die aktuelle Vorlage als Kommissionssprecherin: Nachdem National- und Ständerat in der Herbstsession 2022 bereits den Voranschlagskredit für subsidiäre Finanzhilfen über CHF 4 Mrd. an ein systemrelevantes Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft bewilligt hatten, standen nun weitere Ausgaben von CHF 1.6 Mrd. in 23 Nachtragskrediten zur Diskussion. Den grössten Kreditposten stellte die Aufnahme von bis zu 110'000 Geflüchteten mit Schutzstatus S dar (CHF 1.2 Mrd.), gefolgt von Transport und Einrichtung von Reservekraftwerken im Kampf gegen eine mögliche Strommangellage ab dem Winter 2022/2023 (CHF 160 Mio. Nachtragskredit, CHF 470 Mio. Verpflichtungskredit) und einem Kredit zur Begleichung der Passivzinsen des Bundes aufgrund der Zinserhöhungen durch die SNB (CHF 135 Mio.). Zuvor hatte die FinDel bereits dringliche Kredite über CHF 4.3 Mrd. bewilligt (neben den CHF 4 Mrd. für die Elektrizitätswirtschaft auch CHF 303 Mio. für das Reservekraftwerk in Birr, für die höheren Migrationsausgaben, für die höheren Passivzinsen sowie für die Impfungen gegen die Affenpocken), diese müssen vom Parlament aber dennoch beraten werden. In der Zwischenzeit hatte der Bundesrat zudem zwei Nachmeldungen zum Nachtrag II vorgenommen, in denen er unter anderem CHF 100 Mio. für ein Winterhilfe-Paket zugunsten des Wiederaufbaus der zivilen Infrastruktur in der Ukraine beantragte.

Während sich die Kommissionsmehrheit mit allen Nachtragskrediten und Nachmeldungen einverstanden zeigte, lagen zahlreiche Minderheitsanträge vor. So verlangte eine Minderheit Friedl (sp, SG), die Beträge zugunsten der Ukraine aufzustocken, was der Nationalrat jedoch mehrheitlich ablehnte. Kürzungsanträge stellten hingegen Mike Egger (svp, SG) bezüglich des Globalbudgets des BAG für den Kauf des Impfstoffes gegen die Affenpocken sowie Benjamin Fischer (svp, ZH) zu den Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer, sie blieben jedoch ebenfalls erfolglos. Abgelehnt wurden auch die Kürzungs- oder Streichungsanträge von Mitgliedern der SVP-Fraktion bezüglich verschiedener Kredite beim BFE: So sollte der Kredit für die Reservekraftwerke weniger stark erhöht, das Globalbudget des BFE gar nicht erhöht und der Nachtragskredit für die Notstromgruppen gestrichen werden, obwohl die FinDel bereits verschiedene dieser Beträge gutgeheissen hatte. Erfolglos blieb schliesslich auch ein Einzelantrag Glättli (gp, ZH) auf Erhöhung des Globalbudgets des BFE zur Finanzierung einer Informationskampagne zum Einsparpotenzial im Warmwasserbereich.
Mit 139 zu 51 Stimmen (bei 1 Enthaltung) hiess der Nationalrat in der Folge den zweiten Entwurf des Nachtrags II zum Voranschlag 2023 gut, die ablehnenden Stimmen stammten von den Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Keine Änderungsanträge lagen im Ständerat vor, der sämtliche Kredite stillschweigend guthiess, sämtliche Ausgaben einstimmig genehmigte und den Entwurf schliesslich mit 38 zu 0 Stimmen ebenfalls einstimmig annahm.

Nachtrag II zum Voranschlag 2022 (BRG 22.042)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Ende 2020 forderten fast hundert Regierungen, angeführt von Indien und Südafrika, zusammen mit zahlreichen NGOs eine temporäre Aussetzung der Patente auf Covid-19-Impfstoffen. Dies soll einen Technologietransfer und somit einen schnelleren und günstigeren Zugang zu den entsprechenden Impfstoffen für Menschen in Ländern mit niedrigerem Einkommen ermöglichen. Möglich sei eine solche Aussetzung aufgrund einer seit 1995 bestehenden Ausnahmeregel im TRIPS-Abkommen für geistiges Eigentum der WTO. Im Januar 2021 wandten sich verschiedene Schweizer NGOs in einem offenen Brief mit der Forderung an den Bundesrat, einen entsprechenden Antrag bei der WTO-Sitzung im Februar 2021 zu unterstützen. Dies sei auch im Sinne der Schweiz, zumal die Pandemie nur gemeinsam besiegt werden könne. Im September 2021 reichte der Kanton Jura überdies eine Standesinitiative ein, in der er ebenfalls ein entsprechendes Engagement der Schweiz forderte.

In den Medien wurde dieser Problematik ein gewisses Verständnis entgegengebracht. So seien zum Beispiel 80 Prozent der ersten Milliarde Impfdosen in den reichen Ländern verwendet worden – dort werde überdies 25-mal schneller geimpft als in den Ländern mit niedrigeren Einkommen. Reiche Länder mit 16 Prozent der Weltbevölkerung hätten zudem über die Hälfte der Impfstoffe aufgekauft, während in 100 Ländern noch keine Person geimpft worden sei. Schliesslich seien im Juni 2021 90 Prozent der Impfungen in den G20-Staaten erfolgt und nur 0.3 Prozent in den Staaten mit den niedrigsten Einkommen. Als besonders stossend wurde dies in den Medien in Anbetracht der hohen Kursgewinne und Umsätze der mit der Impfung beschäftigen Unternehmen erachtet.
Zu Wort kamen in den Medien aber auch die Pharmaunternehmen und -verbände, welche die Forderung ablehnten. So sei die Entwicklung der Impfstoffe einerseits das Verdienst der Unternehmen, andererseits sei eine Aussetzung der Patente kontraproduktiv, weil es dadurch zukünftig an Investitionen fehlen würde – so werde die entsprechende Forschung nur aufgrund der Verdienstaussichten fremdfinanziert. Darüber hinaus reiche der Erhalt eines Patents zur Produktion nicht aus – anschliessend stelle sich das Problem der fehlenden Rohstoffe und Herstellungskapazitäten.
Die Medien zeigten sich grösstenteils von letzterer Argumentation überzeugt, vereinzelt wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Covid-19-Impfstoffe zu einem grossen Teil von Staaten mitfinanziert worden seien – insbesondere durch die USA. Die WOZ ergänzte, dass die Impferfolge zu einem grossen Teil auch auf jahrzehntelanger öffentlich finanzierter Forschung beruhten. Zudem seien gemäss SP-Nationalrat Molina (sp, ZH) etwa in Indien und Südafrika durchaus Produktionskapazitäten vorhanden. Als Alternative wurde vor allem die Verteilung der Impfstoffe durch die Covax-Initiative für einen gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen hervorgehoben. Diese funktioniere jedoch nicht, weil die Industriestaaten die meisten Impfstoffe aufkaufen würden und somit für die übrigen Staaten mangels zu niedriger Produktion keine Impfstoffe übrig blieben, erwiderte erneut die WOZ.

Im Februar 2021 sprach sich die Schweizer Delegation beim WTO-Treffen für die Aufrechterhaltung der Patente aus, genauso wie die Delegationen der meisten EU-Staaten und der USA. Im Mai 2021 wurde jedoch bekannt, dass die US-Regierung ihre Meinung in der Zwischenzeit geändert hatte und eine zeitlich begrenzte Aufhebung der Patente befürwortete. Dazu wäre jedoch eine einstimmige Entscheidung der WTO nötig, wie die Medien berichteten. Im Anschluss an diese Meldung aus den USA brachen die Aktienkurse von Biontech, Curevac und Moderna gemäss NZZ ein.

Am World Health Summit der G20 im Mai 2021 blieb eine Entscheidung zu den Patenten aus, jedoch versprachen die Pharmaunternehmen Pfizer, Moderna und Johnson&Johnson eine vermehrte, teilweise vergünstigte Lieferung von Covid-19-Impfstoffen in die Staaten mit tieferen Einkommen. Nachdem Ende 2021 die 12. WTO-Ministerkonferenz Corona-bedingt verschoben werden musste, wurde es in den Medien trotz verschiedener erneuter Aufrufe von NGOs still um die Forderung.

Im Oktober 2022 sprach sich die SGK-SR gegen die Forderung des Kantons Jura aus, zumal die Impfkapazitäten in der Zwischenzeit stark gesteigert worden waren, während die Nachfrage nach dem Impfstoff abnahm.

Sollen Patente für Covid-19-Impfstoffe zugunsten ärmerer Länder ausgesetzt werden?

Im September 2021 reichte der Kanton Jura eine Standesinitiative ein, mit der er den weltweiten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen verlangte. Darin nahm das jurassische Kantonsparlament eine Debatte im Rahmen der WTO auf und kritisierte die einseitige Verteilung der Impfstoffe: Während die reichen Staaten für 13 Prozent der Weltbevölkerung 50 Prozent der Impfdosen reserviert hätten, fehlten für die ärmeren Regionen Impfstoffe und Spendengelder zur Beschaffung der Impfstoffe. Zur Verbesserung der Situation sei eine Lockerung des Patentschutzes, wie sie gemäss einem WTO-Abkommen von 1995 in gesundheitlichen Notlagen möglich sei, nötig. Die Schweiz müsse daher «darauf pochen», dass von dieser WTO-Regelung Gebrauch gemacht werde.
Als die SGK-SR die Initiative im Oktober 2022 behandelte, hatte sich die Situation allerdings verändert: Aktuell sei die Impfstoffnachfrage rückläufig, es müssten gar Impfstoffe vernichtet werden, begründete die Kommission unter anderem ihren einstimmigen Antrag, der Initiative keine Folge zu geben. Auch in Krisenzeiten müsse zudem geistiges Eigentum zur Förderung von Innovation geschützt werden.

Impfungen von öffentlichem Interesse müssen für alle zugänglich sein (Kt.Iv. 21.319)

Nach der Zustimmung im Nationalrat sprach sich auch der Ständerat in der Herbstsession 2022 stillschweigend für die Motion Dobler (fdp, SG) zur Schaffung eines elektronischen Impfausweises aus. Zuvor hatte die SGK-SR die Motion einstimmig zur Annahme empfohlen, um damit das BAG bei seinen Plänen für eine Aufnahme des Impfausweises in das EPD zu unterstützen. Bundesrat Berset ergänzte, dass bis Ende 2022 bereits ein entsprechendes Modul vorliegen werde.

Schaffung eines elektronischen Impfausweises (Mo. 21.4313)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Im April 2022 befasste sich die SGK-NR erneut mit der parlamentarischen Initiative Siegenthaler (mitte, BE) «Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz». In ihrer Medienmitteilung gab die Kommission bekannt, dass sie sich, nachdem sie eine Vertretung der EKSN angehört habe, mit 13 zu 6 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) dazu entschieden habe, die Umsetzung der Initiative mit der Schaffung einer Subkommission zu beginnen.

Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz (Pa.Iv. 20.473)

In der Frühjahrssession 2022 nahm sich der Ständerat einer Motion Heim (sp, SO) an, welche eine grössere Versorgungssicherheit bei Impfstoffen zum Inhalt hatte. Pirmin Bischof (mitte, SO) liess für die Mehrheit der SGK-SR verlauten, dass diese mit 7 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) das Geschäft zur Ablehnung beantrage. Zwar sei auch die Kommissionsmehrheit der Ansicht, dass es einer Verbesserung der Impfstoffversorgung bedürfe, gleichzeitig würden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie bereits auf verschiedenen Stufen Abklärungen vorgenommen. Bischof verwies auf den Bericht in Erfüllung des Postulats 12.3426 und auf die Schritte, die durch die Annahme der Postulate 20.3453 und 20.3241 eingeleitet worden seien. Zudem hob der Standesvertreter aus Solothurn hervor, dass die Mehrheit der SGK-SR eine generelle, nicht nur während ausserordentlichen Krisenzeiten geltende Verstaatlichung der Impfstoffbeschaffung, wie es die Motion fordere, nicht als den geeigneten Weg erachte. Vielmehr beabsichtige sie, an der dezentralen und privaten Beschaffung festzuhalten. Eine Minderheit rund um Hans Stöckli (sp, BE) sah dies anders. Der Bundesrat habe im Falle der Covid-19-Pandemie dank dem Notverordnungsrecht «rechtzeitig die besten Impfstoffe […] besorgen» können, der Einkauf soll jedoch auch unabhängig von der Existenz einer Pandemie zentral erfolgen können, gebe es doch auch Notlagen, welche «die Voraussetzungen einer Pandemie nicht erfüll[t]en». An den aufgeworfenen Punkt zur Beschaffung der Covid-19-Impfstoffe anknüpfend erklärte Gesundheitsminister Berset, dass die Zentralisierung in diesem Fall notwendig gewesen sei, um die entsprechenden Impfstoffe überhaupt beschaffen zu können, der Bundesrat habe allerdings immer die Absicht geäussert, langfristig zum bisherigen System zurückzukehren. Zudem sei die Landesregierung der Meinung, dass die beiden anderen Forderungen der Motion – ein Pflichtlager für Impfstoffe mit potentiellen Versorgungsengpässen und eine vereinfachte Zulassung von EMA-Impfstoffen – bereits erfüllt seien. Daher empfehle der Bundesrat das Geschäft zur Ablehnung. Mit 29 zu 13 Stimmen folgte der Ständerat diesem Votum.

Versorgungssicherheit bei Impfstoffen (Mo. 19.4131)

Im März 2022 kam die Motion Heim (sp, SO) – übernommen von Angelo Barrile (sp, ZH) – zur Versorgungsverbesserung und Zulassungsvereinfachung von Impfstoffen in den Ständerat. Dort führte Primin Bischof (mitte, SO) für die SGK-SR aus, dass die Kommission bei der Impfstoffversorgung in der Schweiz Verbesserungsbedarf sehe. Um Impfwillige nicht zu benachteiligen, bedürfe es bei einer Impfstoffknappheit zudem auch der Vergütung alternativer Impfstoffe, die hierzulande nicht bzw. noch nicht zugelassen sind. Daher empfehle die Kommission das Geschäft mit 7 zu 5 Stimmen zur Annahme. Gesundheitsminister Berset strich in seiner Wortmeldung die Wichtigkeit der Impfstoffversorgung während der Covid-19-Pandemie hervor. Die Beschaffungsflexibilität, die Sicherstellung der nationalen Produktion und die internationale Kollaboration seien essenziell gewesen. Da viele Forderungen des Vorstosses aber bereits in Angriff genommen worden seien, empfehle der Bundesrat die Motion zur Ablehnung. Der Ständerat folgte jedoch seinem Schwesterrat und seiner Kommission und nahm die Motion mit 36 zu 5 Stimmen an.

Impfstoffe. Versorgung verbessern, Zulassung vereinfachen (Mo. 19.3221)

Im Oktober 2021, im Nachgang an das Verfahren des EDÖB gegen die Plattform www.meineimpfungen.ch und deren Abschaltung, verlangte Marcel Dobler (fdp, SG) in einer Motion die Schaffung eines elektronischen Impfausweises. Dieser müsse mit dem EPD kompatibel, freiwillig und in einer App verwaltbar sein, zudem seien «Datenschutz und Sicherheit zentral», erläuterte der Motionär. Da unter anderem die «Affinität der Bevölkerung für digitale Lösungen» gestiegen sei, solle jetzt eine solche Option verfolgt werden.
Nachdem Jean-Luc Addor (svp, VS) die Motion in der Wintersession 2021 bekämpft hatte, kam sie in der Frühjahrssession 2022 in den Nationalrat. Addor argumentierte mit Verweis auf die Covid-19-Zertifikatspflicht, dass ein solcher Impfausweis «comme un moyen de contrôle de l'Etat, également sur les citoyens», also zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger, sowie zur Schaffung einer zukünftigen Impfpflicht verwendet werden könne. Gesundheitsminister Berset entgegnete, dass der elektronische Impfausweis freiwillig verwendet werden könne. Der Bundesrat sei bereits daran, Lösungen für einen solchen Ausweis zu prüfen. Da man die Digitalisierung nicht bremsen könne, versuche man, hier eine Lösung zu schaffen, mit der man den Datenschutz sicherstellen könne. Mit 141 zu 41 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an. Die ablehnenden Stimmen stammten aus der SVP-Fraktion.

Schaffung eines elektronischen Impfausweises (Mo. 21.4313)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Zu Beginn des Jahres 2022 hatte der Bundesrat stark mit der neuen Dynamik in der fünften Welle der Covid-19-Pandemie zu kämpfen: Die sich immer stärker ausbreitende Omikron-Variante erwies sich als deutlich ansteckender als die bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Delta-Variante. Dies führte zu immer neuen Rekordzahlen laborbestätigter Ansteckungen mit dem Corona-Virus. Anders als bei der Delta-Variante stiegen jedoch die Spitaleinweisungen deutlich weniger stark an. So stellte etwas später auch die EMPA zusammen mit wissenschaftlichen Instituten und dem Kanton Graubünden fest, dass «Omikron [...] das Gesundheitssystem wohl nicht an die Grenzen [bringe]». So sei die Omikron-Variante zwar infektiöser als die Delta-Variante, aber «scheinbar weniger gefährlich für die Gesundheit». Folglich stieg die Anzahl täglicher Hospitalisationen mit oder wegen Covid-19 zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 auf durchschnittlich 119 und blieb damit fast halb so gross wie im November 2020 mit durchschnittlich 206 entsprechenden Hospitalisationen täglich.
Somit stand neu nicht mehr in erster Linie das Gesundheitssystem pandemiebedingt vor grossen Schwierigkeiten, sondern die Wirtschaft: Die Medien diskutierten ausführlich über die Folgen des Personalmangels, der durch die überaus hohen Quarantänezahlen verursacht wurde. «Wir können nicht einen Drittel der Bevölkerung in Quarantäne schicken, sonst würde alles zusammenbrechen», gab etwa der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (LU, mitte) gegenüber der Luzerner Zeitung zu bedenken. Am 12. Januar 2022 entschied der Bundesrat daher, die Kontaktquarantäne sowie die Isolation von zehn auf fünf Tage zu verkürzen, wie es Economiesuisse zuvor gegenüber den Medien gefordert hatte. Weiterhin konnte die Isolation jedoch nur verlassen, wer zuvor 48 Stunden ohne Symptome war. Die Kontaktquarantäne wurde überdies auf Personen in demselben Haushalt und mit engem Kontakt zu Infizierten beschränkt, während Personen, die innert der letzten vier Monate geimpft worden oder genesen waren, gänzlich von der Quarantäne ausgenommen wurden. Ausdrücklich ermöglichte der Bundesrat den Kantonen zudem Ausnahmen bezüglich Quarantäne und Isolation, «um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten». Trotz dieser Abschwächung der Quarantäne verlängerte der Bundesrat Mitte Januar 2022 ob der immer noch steigenden Fallzahlen die Geltungsdauer verschiedener Massnahmen: Die Kontaktquarantäne sowie die Homeoffice-Pflicht sollten neu bis Ende Februar gelten, die 2G-, 2Gplus- und 3G-Regeln, die Maskenpflicht und die Einschränkung privater Treffen sollten gar bis Ende März aufrechterhalten werden. Zudem sollten die Covid-19-Zertifikate in Übereinstimmung mit den Regelungen in der EU neu nur noch 270 statt 365 Tage gültig sein.

Dies sollten jedoch vorerst die letzten Verschärfungen in den Covid-19-Regelungen sein. Denn so schnell die laborbestätigten Covid-19-Fallzahlen Ende 2021 angestiegen waren, so schnell begannen sie Ende Januar 2022 wieder zu sinken. Entsprechend entschied sich der Bundesrat, die Homeoffice-Pflicht und die Kontaktquarantäne per 3. Februar 2022 wieder aufzuheben. Die Kontaktquarantäne habe aufgrund der hohen Ansteckungszahlen «an Bedeutung verloren» und wurde folglich erstmals seit Pandemiebeginn eingestellt. Weiterhin mussten sich jedoch infizierte Personen während fünf Tagen isolieren, um Ansteckungen anderer zu verhindern. Zwei Wochen später hob der Bundesrat schliesslich beinahe alle verbliebenen Covid-19-Massnahmen auf: Er beendete generell die Zertifikats- und Maskenpflicht – ausser im öffentlichen Verkehr und in Gesundheitseinrichtungen –, die Bewilligungspflicht von Grossveranstaltungen sowie die Einschränkung privater Treffen. Zuvor hatte sich eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden für diese schnelle Lockerung ausgesprochen. Zwar stiegen die Fallzahlen Mitte Februar 2022 erneut an, erreichten bis Mitte März aber mit über 40'000 Fällen und einem 7-Tage-Durchschnitt von 28'000 Fällen nicht mehr die Rekordzahlen von Mitte Januar 2022.

Dass der Anteil Personen, die sich bisher noch nie mit dem Coronavirus infiziert hatten, immer geringer wurde, zeigte sich beispielhaft an den sich mehrenden Meldungen über infizierte Bundesratsmitglieder: Im Februar 2022 traf es Ignazio Cassis, im März 2022 Gesundheitsminister Alain Berset sowie Guy Parmelin und im April Simonetta Sommaruga. Im August 2022 gab der Bundesrat dann bekannt, dass in der Zwischenzeit über 97 Prozent der Schweizer Bevölkerung mit dem Virus in Kontakt gekommen seien – durch Ansteckung oder Impfung, wobei 70 Prozent der Gesamtbevölkerung mindestens einmal geimpft seien.

Bereits vorher, nämlich am Freitag, 1. April 2022 folgte schliesslich nach über zwei Jahren Ausnahmezustand die Rückkehr in die normale Lage gemäss Epidemiengesetz. Somit fielen mit der Isolationspflicht für infizierte Personen und der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und in Gesundheitseinrichtungen auch die letzten grossen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Gleichzeitig legte der Bundesrat die «Hauptverantwortung für Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung» nun wieder in die Hände der Kantone. Dennoch wollte er in einer einjährigen Übergangsphase eine erhöhte Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit aufrechterhalten, in der die während der Pandemie wichtigen Strukturen insbesondere bezüglich Tests, Impfungen und Contact Tracing erhalten bleiben sollten. So hatten Bund und Kantone bereits einen Monat zuvor in einer Medienmitteilung festgestellt, dass auch weiterhin mit saisonalen Erkrankungswellen zu rechnen sei. Um das Ausmass der Verbreitung des Virus weiterhin überprüfen zu können, setzte der Bundesrat in der Folge verstärkt auf die Überprüfung des Abwassers: Bis zu diesem Zeitpunkt war das Wasser in sechs Kläranlagen auf die Stärke der Virenlast und die zirkulierenden Varianten überprüft worden, neu wurde dieses Projekt auf 100 Kläranlagen ausgedehnt.
Gänzlich aufgehoben wurden die Covid-19-Massnahmen im Übrigen nicht, bestehen blieben die zwangsweisen Covid-19-Tests von Abgewiesenen bei der Rückstellung in ihr Herkunftsland, welche das Parlament bis ins Jahr 2024 verlängerte.

Im Mai 2022 verabschiedete der Bundesrat ein Grundlagenpapier zu Zielen und Aufgabenverteilung in der Übergangsphase. Demnach liege die Hauptverantwortung bei den Kantonen, wobei sie insbesondere für die Test- und Spitalkapazitäten und das Impfangebot zu sorgen und allfällige Massnahmen bei Anstieg der Fallzahlen zu ergreifen hätten. Der Bund blieb lediglich zuständig für die Überwachung, den internationalen Personenverkehr, für die Versorgung mit Heilmitteln sowie für alle Massnahmen aufgrund des Covid-19-Gesetzes. Die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz werde er zukünftig nur dann wieder ausrufen, wenn die Bemühungen der Kantone die Verbreitung des Virus nicht verhindern könnten und die öffentliche Gesundheit gefährdet sei.

Ab Juni 2022 stiegen die Fallzahlen für eine Sommerwelle – wie sie in den Medien teilweise genannt wurde – an, die Mitte Juli 2022 Höchstwerte von fast 10'000 Fällen und einen 7-Tage-Schnitt von fast 8'000 Fällen erreichte. Wie stark die Corona-Pandemie in der Zwischenzeit an Schrecken und Aufmerksamkeit verloren hatte, zeigte sich etwa daran, dass sich die Medien kaum noch auf eine einheitliche Nummerierung der Covid-19-Wellen einigen konnten. Zudem galt die Medienaufmerksamkeit in der Zwischenzeit viel mehr den beiden grossen aktuellen Themen, dem Krieg in der Ukraine und dem Energie-Engpass. Mitte September 2022 bahnte sich schliesslich eine auch vom Bundesrat mehrfach prognostizierte Herbst- und Winterwelle an, die aber bis Ende Jahr mit einem Spitzenwert im Oktober von fast 8'300 gemeldeten Neuinfektionen täglich und einem maximalen 7-Tage-Schnitt von 5'450 Neuinfektionen nicht die befürchteten Fallzahlen erreichte – womöglich auch wegen einer hohen Dunkelziffer.

Allgemein hatte sich der Fokus der bundesrätlichen Massnahmen seit November 2021 immer stärker hin zur Ausweitung der Behandlungsmöglichkeiten der Schweizer Bevölkerung verschoben. So berichtete die Regierung immer wieder über den Kauf neuer Arzneimittel, mit denen Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf oder bei einem schweren Verlauf behandelt werden können: Ende November 2021 reservierte der Bundesrat 8'640 Packungen des «vielversprechenden Arzneimittels» Molnupiravir von MSD Merck Sharp & Dohme AG Schweiz, das bis im Januar 2022 verfügbar sein sollte. Ende Dezember 2021 kamen weitere Verträge mit GlaxoSmithKline AG und Roche Pharma (Schweiz) AG für die Medikamente Sotrovimab (2'000 Packungen) und Casirivimab/Imdevimab (4'000 Packungen) hinzu, welche der Bund bereits im Jahr zuvor bestellt hatte. Kurz darauf gab die Regierung im Rahmen ihres Förderprogramms für Covid-19-Arzneimittel den Abschluss von Verträgen mit vier in der Schweiz ansässigen Unternehmen in der Gesamthöhe von CHF 27 Mio. bekannt, von denen sie sich bis Ende 2022 neue Medikamente versprach. Im Mai 2022 folgte ein Vertrag mit Pfizer für die Beschaffung von 12'000 Packungen des Arzneimittels Paxlovid.

Doch nicht nur zur Behandlung, auch zur Prophylaxe standen neu Arzneimittel zur Verfügung: Noch Ende 2021 erteilte Swissmedic dem Arzneimittel Ronapreve, das zur Prävention von Covid-19 für Personen mit ungenügender Immunantwort auf die Impfung dient, die Zulassung. Dieses Medikament war in Übereinstimmung mit der Covid-19-Verordnung 3 bereits während der Zulassungsphase eingesetzt worden. Mitte Februar 2022 reservierte der Bundesrat zudem erneut 2'000 Packungen des Medikaments Sotrovimab von GlaxoSmithKline AG, während er in Übereinstimmung mit Motionen von Verena Herzog (svp, TG) und der SGK-NR den Zugang zu weiteren Arzneimitteln zur Prävention von Covid-19 für immunsupprimierte Personen sicherte. Im März 2022 und im Juil 2022 folgten Verträge mit AstraZeneca Schweiz für Tixagevimab/Cilgavimab als weitere Möglichkeit zur Prophylaxe gegen Covid-19.

Ausgedehnt wurden auch die Impfmöglichkeiten. Bereits Ende 2021 hatte der Bundesrat bekannt gegeben, dass die Bevölkerung auch im Jahr 2022 gratis Zugang zu den Covid-19-Impfungen haben werde – die Kosten teilen sich OKP, Bund und Kantone weiterhin auf. Noch Ende 2021 hiess Swissmedic nach Pfizer/BioNTech und Moderna auch die Auffrischungsimpfung von Johnson & Johnson sowie deren Kreuzimpfungen mit mRNA-Impfstoffen gut.
Neu zugelassen für Personen ab 18 Jahren wurde Anfang März 2022 überdies der Impfstoff Nuvaxovid von Novavax. Neben den beiden mRNA-Impfstoffen von Pfizer/BioNTech und Moderna sowie dem Vektor-basierten Impfstoff von Johnson & Johnson stellte Nuvaxovid einen Protein-Impfstoff dar, der «einen nicht infektiösen Bestandteil der Oberfläche des Sars-CoV-2-Virus» enthält und damit eine Immunreaktion auslöst. Im April 2022 nahmen BAG und EKIF diesen Impfstoff in ihre Impfempfehlung für Personen ab 18 Jahren auf.
Anfang März 2022 gab der Bundesrat seinen Plan für die Impfstoffversorgung der Schweizer Bevölkerung für das Jahr 2023 bekannt, die er mit je 7 Mio. Impfdosen von Pfizer/BioNTech und Moderna sowie mit je weiteren 7 Mio. optionalen Dosen sicherstellen wollte. Bereits zuvor hatte er bekannt gegeben, bis Mitte 2022 maximal 15 Mio. Impfstoffdosen an die COVAX-Initiative und andere Länder weiterzugeben, sofern die Schweiz diese nicht verwenden könne. Später entschied das Parlament jedoch bei der Beratung des Nachtrags Ib zum Voranschlag 2022, die Anzahl Impfdosen für das Jahr 2023 zu halbieren, woraufhin das BAG neue Verträge mit den Impfstofflieferanten ausarbeiten musste.
Im Juni 2022 folgte ein erstes Zulassungsgesuch für einen «Omikron-Impfstoff» durch Moderna Switzerland GmbH, Anfang August sowie Mitte September folgten auch zwei entsprechende Anträge von Pfizer/BioNTech. Die Gesuche wurden Mitte September (Moderna) respektive Mitte Oktober (Pfizer/BioNTech) bewilligt.
Laufend passten BAG und EKIF auch ihre Impfempfehlung an: Ab Mai 2022 empfahlen sie Personen mit einem stark geschwächten Immunsystem eine weitere Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff, Anfang Juli dehnten sie diese Empfehlung auf Personen über 80 Jahren aus. Und auf den Herbst hin empfahlen sie insbesondere Personen über 65 Jahren sowie Personen mit erhöhtem Krankheitsrisiko durch Vorerkrankung oder Schwangerschaft sowie ergänzend dazu Personen in Akut- und Langzeitbetreuung oder in Betreuung besonders gefährdeter Personen eine Impfung. Schliesslich sei die Impfung auch für alle anderen Personen ab 16 Jahren sinnvoll, um «das Risiko einer Infektion oder eines seltenen schweren Verlaufs [zu] vermindern».

Nicht nur für Erwachsene, auch für Kinder wurden die Impfmöglichkeiten erweitert. Bereits Ende 2021 erteilte Swissmedic dem Impfstoff von Pfizer/BioNTech die Zulassung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren, im Mai 2022 folgte die Zulassung des Moderna-Impfstoffs für Kinder zwischen sechs und elf Jahren und im September 2022 die Zulassung von Novoxovid für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren.

Neben den Arzneimitteln und Impfungen gelangte auch die Finanzierung der Covid-19-Massnahmen sowie der Abbau der pandemiebedingten Schulden, welche der Bundesrat ausserordentlich verbucht hatte, stärker in den Fokus. Im Februar 2022 beantragte die Regierung die Finanzierung der vom Parlament vorgenommenen Änderungen in der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes in einem ausserordentlichen Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022, was das Parlament in der Frühjahrssession 2022 guthiess.
In der Folge wurde vor allem über den Abbau der Covid-19-Schulden diskutiert, wobei man sich lange nicht einig war, ob die Schulden mit zukünftigen Überschüssen oder auch mit bisherigen Überschüssen und dafür in einer verkürzten Frist abgebaut werden sollten. Das Parlament entschied sich schliesslich, nur die zukünftigen Überschüsse und allfällige SNB-Zusatzausschüttungen zu verwenden, deren Anfallen jedoch im Verlauf des Jahres unwahrscheinlich geworden war.

Gleichzeitig wurden auch immer mehr Aktivitäten zur Evaluation des Krisenmanagements während der Pandemie bekannt. Bereits Ende 2020 hatte das BAG eine «externe Evaluation über die Bewältigung der Covid-19-Pandemie» in Auftrag gegeben. Diese stellte Bund und Kantonen grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus, kritisierte jedoch die Krisenvorbereitung sowie das anfängliche Krisenmanagement. Im Juni 2022 ergänzte der Bundesrat diese Evaluationsbemühungen um eine Administrativuntersuchung zur Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen, bei der untersucht werden sollte, ob sämtliche Beschaffungen durch Kredite gedeckt «und in den Verträgen Parlamentsvorbehalte eingefügt» waren. Zeitgleich erschien auch der zweite Bericht über die Beschaffung von medizinischen Gütern während der Covid-19-Pandemie, gemäss dem die Armeeapotheke zwischen Juli 2020 und Dezember 2021 medizinische Güter im Wert von CHF 96 Mio. beschafft hatte. Deren Einsatz bezüglich der Maskenbeschaffung im Frühjahr 2020 würdigte der Bundesrat überdies in einer Stellungnahme zu einem Bericht der GPK-NR. Das «VBS und insbesondere die Armeeapotheke» hätten den Auftrag, eine grösstmögliche Menge an Schutzmasken in kürzester Zeit zu beschaffen, «unter hohem Druck, mit grossem Einsatz und trotz der schwierigen Bedingungen» erfüllt. Aus den dabei dennoch erfolgten Fehlern sollen nun Lehren gezogen werden.
Im August 2022 zeigten statistische Auswertungen schliesslich noch einmal das Ausmass der Pandemie im Jahr 2020 auf: So habe es im ersten Pandemiejahr 12.4 Prozent mehr Todesfälle gegeben als durchschnittlich, wobei die Covid-19-Pandemie mit 12.2 Prozent für am drittmeisten Todesfälle nach Herz-Kreislauf-Krankheiten (mit 26.9%) und Krebs (mit 22.2%) verantwortlich gewesen sei.

In der Herbst- und Wintersession 2022 beschäftigte sich das Parlament mit der fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes, bei dem es erneut insbesondere um die Frage ging, wie lange die Regelungen im Covid-19-Gesetz aufrecht erhalten bleiben sollen. Besonders umstritten war dabei die Frage, ob die Kantone die Finanzierung und Organisation der Covid-19-Tests übernehmen sollten, wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Die Kantone wehrten sich erfolgreich, so dass ab 2023 die Krankenkassen und bei Tests, welche für Reisen nötig sind, die Bevölkerung für die Tests aufkommen werden.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Jahresrückblick 2021: Covid-19-Pandemie

Auch 2021 hielt die Covid-19-Pandemie Politik und Gesellschaft in Atem. Im Vergleich zum Vorjahr waren insbesondere zwei Aspekte neu: Zum einen verfügte der Bund dank Zulassung und Zugänglichkeit der Covid-19-Impfungen und dem darauf beruhenden Covid-19-Zertifikat über zwei neue Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Zum anderen erhielt die Stimmbevölkerung die Möglichkeit, sich gleich zweimal an der Urne zu dem im Covid-19-Gesetz geregelten Teil der Covid-19-Massnahmen zu äussern. Insbesondere die Diskussionen um das Covid-19-Zertifikat führten dabei laut Medien zu einer aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung. Nicht nur deshalb behielt die Pandemie im Jahr 2021 ihre überragende Stellung in der öffentlichen Diskussion: Fast 18 Prozent aller von der APS-Zeitungsanalyse gezählten Artikel hatten im Jahr 2021 Covid-19 zum Thema, im Vorjahr waren es 20 Prozent (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Dabei folgte die Anzahl Zeitungsberichte im Laufe des Jahres grob den laborbestätigten Covid-19-Fallzahlen, wie Abbildung 1 verdeutlicht.

Die seit Jahresbeginn verfügbare Covid-19-Impfung stellte Bund und Kantone vor viele praktische Probleme und logistische Herausforderungen. So kam es zu grossen Unterschieden in der Impfgeschwindigkeit zwischen den Kantonen sowie zu Verzögerungen durch ausbleibende Impfstofflieferungen, was nicht selten auch zu Kritik an Bund und Kantonen führte. Ab Mitte April begann jedoch das Impftempo anzuziehen, so dass Ende Juli die Hälfte der Gesamtbevölkerung doppelt geimpft war. In der Folge nahm die Anzahl Personen, die sich wöchentlich impfen liessen, jedoch deutlich ab, weswegen der Bund in der ersten Novemberhälfte eine nationale Impfwoche mit verschiedenen Aktionen in Kantonen und Gemeinden zur Erhöhung der Impfmotivation durchführte. Die Impfwoche wurde durch eine breite Werbekampagne – aber auch durch Misstöne und Störaktionen – begleitet, verzeichnete aber nur einen geringen Erfolg: Bis Ende November betrug der Anteil doppelt Geimpfter 66 Prozent – ein im europäischen Vergleich tiefer Wert. Da sich abzuzeichnen begann, dass sich die Schutzwirkung der Impfung nach sechs Monaten vor allem bei der älteren Generation abschwächt – Impfdurchbrüche begannen sich zu häufen –, lancierte der Bund bereits Ende Oktober die sogenannte Booster-Impfung für Personen, die seit mehr als sechs Monaten doppelt geimpft waren. Mitte Dezember wurde diese Frist dann auf vier Monate gesenkt, was prompt zu Kritik aus einigen Kantonen führte, die befürchteten, der starken Nachfrage nach Auffrischimpfungen nicht nachkommen zu können.

Zu Beginn des Jahres kam das vom Verein «Freunde der Verfassung» ergriffene Referendum gegen das im September 2020 vom Parlament verabschiedete Covid-19-Gesetz zustande, was die Richtung der Diskussionen im Themenbereich «Covid-19» für den Rest des Jahres vorgab. Die Gegnerinnen und Gegner des Covid-19-Gesetzes wehrten sich dagegen, dass die ausserordentlichen Kompetenzen des Bundesrates während der Pandemie mit dem Gesetz rückwirkend legitimiert und bis Ende 2021 verlängert werden sollten. Sie störten sich zudem an der Verknüpfung von Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft mit zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat im selben Covid-19-Gesetz. Thema im Rahmen des Abstimmungskampfes war auch immer wieder die Skepsis gegenüber den in Rekordzeit entwickelten Impfstoffen, zumal die Gegnerinnen und Gegner eine Impfpflicht fürchteten – auch wenn dieser Aspekt nicht im Covid-19-Gesetz geregelt war. Am 13. Juni 2021 sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für das Covid-19-Gesetz aus, das entsprechend bis zu seiner Ablauffrist Ende 2021 in Kraft bleiben sollte. Der Abstimmung waren zwar teilweise gehässige Diskussionen, aber nur ein vergleichsweise schwacher Abstimmungskampf vorausgegangen. Das Abstimmungsresultat zeigte deutliche Unterschiede in der Zustimmung zwischen den kleineren deutschsprachigen Kantonen der Inner- und Ostschweiz, in denen sich jeweils eine Mehrheit gegen das Gesetz aussprach, und den anderen, mehrheitlich zustimmenden Kantonen auf.

Noch bevor das Covid-19-Gesetz im Juni 2021 zur Abstimmung gelangt war, hatte es das Parlament in der Frühjahrssession bereits ein zweites Mal revidiert und befand sich in der Sommersession gar an der dritten Revision. Mit den Revisionen verlängerte das Parlament bestehende Massnahmen, sprach weitere Kredite zur Unterstützung der Betroffenen – insbesondere in der Form von Kurzarbeitsentschädigungen und Erwerbsersatz – und baute zentrale Regelungen aus, etwa im Bereich der Härtefallmassnahmen. Gleichzeitig schuf das Parlament im Rahmen der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch die gesetzliche Grundlage für das sogenannte Covid-19-Zertifikat (3G-Regel): Dieser individuelle Nachweis einer Impfung, einer Genesung oder eines negativen Covid-19-Tests sollte es verschiedenen Veranstalterinnen und Veranstaltern zukünftig ermöglichen, auf weiterführende Massnahmen wie Abstandsregeln, beschränkte Personenzahl oder Maskenpflicht zu verzichten. Koordiniert mit der EU sollte das Zertifikat überdies eine geordnete Reisetätigkeit zumindest zwischen den Schengen-Staaten ermöglichen.

In der Folge knüpfte der Bundesrat seine Öffnungsstrategie, das sogenannte Drei-Phasen-Modell, an den Impfstatus der Bürgerinnen und Bürger: Bevor nicht zumindest alle impfwilligen und besonders gefährdeten Personen geimpft waren, verzichtete der Bundesrat trotz zahlreicher entsprechender Forderungen – etwa auch einer Erklärung des Nationalrates – auf Öffnungen. Nach Erreichen dieses Etappenziels sollten zwar erste Öffnungsschritte möglich sein, auch dann wollte die Regierung jedoch vorerst zurückhaltend bleiben. Breite Lockerung bis hin zu einer vollständigen Aufhebung aller verbliebenen Massnahmen sollten folglich erst möglich werden, nachdem alle impfwilligen erwachsenen Personen geimpft sind.

Unmittelbar nach der Juni-Abstimmung über das Covid-19-Gesetz ergriffen die «Freunde der Verfassung» zusammen mit anderen Organisationen auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes vom März 2021, über das am 28. November 2021 abgestimmt wurde. In diesem zweiten Referendum ging es den Gegnerinnen und Gegnern neben allgemeineren Punkten in erster Linie um die Covid-19-Zertifikate. Weil der nichtgeimpfte Teil der Gesellschaft nur nach einem vorgängigen negativen Covid-19-Test am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne – in der Zwischenzeit waren zum Beispiel Restaurantbesuche nur noch mit gültigem Zertifikat möglich –, führe diese Massnahme zu einer Spaltung der Gesellschaft und zu einer Diskriminierung der Ungeimpften, argumentierten die Gegnerinnen und Gegner. Zusätzliche Virulenz erhielt dieses Argument, als der Bundesrat im September entschied, die Covid-19-Tests für Personen ohne Symptome zukünftig kostenpflichtig zu machen.

Im Vorfeld dieser zweiten Abstimmung wurden die Debatten um die Covid-19-Massnahmen und gleichzeitig um das Covid-19-Gesetz immer gehässiger. Immer häufiger drückten Massnahmengegnerinnen und -gegner ihren Unmut in Demonstrationen aus, wobei es teilweise auch zu Ausschreitungen kam. Die Medien sorgten sich in der Folge um die Kohäsion der Schweiz, machten dafür aber grösstenteils die Gegnerschaft der Massnahmen verantwortlich. Die Gegnerinnen und Gegner fühlten sich hingegen unfair behandelt, zum Beispiel durch den Titel der Covid-19-Gesetzesrevision, der nur die wirtschaftlichen Aspekte, nicht aber das Zertifikat ansprach. Zudem fürchtete sich ein Teil der Gegnerinnen und Gegner im Vorfeld vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung und kündigte an, ein ablehnendes Abstimmungsergebnis nicht akzeptieren zu wollen. Diese Aussage stiess in den Medien auf grosse Aufmerksamkeit. Verschiedene Kommentatorinnen und Kommentatoren sahen in den Geschehnissen während der Abstimmungskampagnen über das Covid-19-Gesetz einen Beweis für die Spaltung der Gesellschaft, die durch die Abstimmungen noch befeuert werde.

Ende November 2021 fand schliesslich die Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes statt. Bei einer hohen Stimmbeteiligung von 65.3 Prozent sprachen sich 62 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger – und damit nur 0.2 Prozent weniger als noch im Juni – für Annahme der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes aus. Dabei hatten sich die Unterschiede zwischen den Regionen etwas ausgeglichen – ablehnende Mehrheiten gab es nun nur noch in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden und Schwyz. Nach dem Abstimmungsentscheid glätteten sich die Wogen zumindest gegen aussen wieder etwas, auch wenn sich die Gegnerinnen und Gegner des Covid-19-Gesetzes nur teilweise versöhnt zeigten.

Trotz dem zweifachen klaren Ja zum Covid-19-Gesetz schloss das zweite Pandemiejahr mit vielen Unsicherheiten. Kurz vor dem Novemberabstimmungstermin waren die Fallzahlen im nahen Ausland, insbesondere in Deutschland und Österreich, drastisch angestiegen, so dass die beiden Staaten neue Einschränkungen erliessen. Gerade die Einschränkung des Zertifikats auf Geimpfte und Genesene (2G) stiess dabei auch in der Schweiz auf einiges mediales Interesse, zumal sich nun auch in der Schweiz eine fünfte Welle abzeichnete. Zusätzliche Unsicherheit schuf auch die Ende November neu entdeckte Virusvariante «Omikron», die angeblich deutlich ansteckender sein soll als die bisher vorherrschende Delta-Variante. Bis Ende 2021 konnte denn auch nicht abschliessend geklärt werden, wie gut die bestehenden Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Geäussert wurde aber auch die Hoffnung, dass die neue Variante zwar ansteckender, aber für das Individuum weniger gefährlich sein könnte.

Vor diesem Hintergrund behandelte und verabschiedete das Parlament in der Wintersession die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes, die eine Verlängerung zahlreicher Massnahmen vorsah, um der Pandemie auch in ihrem dritten Jahr angemessen begegnen zu können. Obwohl die meisten Massnahmen ursprünglich bis Ende 2021 befristet waren, drehten sich die Diskussionen weniger um die Verlängerung an sich, sondern um die Frage, ob die Massnahmen neu auf Ende Juni oder Ende Dezember 2022 befristet werden sollten – das Parlament entschied sich für Letzteres. Zudem legten National- und Ständerat fest, dass der Bund per sofort die Testkosten für Antigen-Schnelltests und Speichel-PCR-Pooltests wieder übernehmen muss. Damit könne womöglich die Anzahl durchgeführter Tests erhöht werden, wurde argumentiert. Gleichzeitig würde dies auch den Zugang zum Zertifikat für Ungeimpfte wieder erleichtern – sofern die 3G-Regel nicht durch eine 2G-Regel ersetzt würde, wie es der Bundesrat als mögliche Massnahme in die Vernehmlassung gegeben hatte. Zuvor hatte das Parlament verschiedene Anträge von Mitgliedern der SVP-Fraktion, 1G oder 2G zu verbieten, abgelehnt. Kurz vor Weihnachten entschied der Bundesrat schliesslich, die Massnahmen im Kampf gegen Covid-19 – insbesondere gegen die sich immer stärker ausbreitende Omikron-Variante – zu verschärfen: Er setzte für Innenräumen wie Restaurants oder Kinos neu die 2G-Regel in Kraft – Zutritt erhielten also nur noch Geimpfte oder Genesene – und verhängte erneut eine Homeoffice-Pflicht.

Jahresrückblick 2021: Covid-19-Pandemie
Dossier: Jahresrückblick 2021

Ende 2021 machte eine Studie über den Drogenkonsum von Jugendlichen, die am Jacobs Center der Universität Zürich durchgeführt worden war, von sich reden. Von den befragten Zwanzigjährigen aus dem Raum Zürich konsumierten im Jahr vor der Befragung mehr als 50 Prozent die Droge Cannabis. Dabei waren keine grossen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verzeichnen. Ausgehend von einer vergleichbaren Studie bei Rekrutinnen und Rekruten sei zudem anzunehmen, dass es keine spezifischen Stadt-Land-Unterschiede gebe, so die Studie. Boris Quednow, assoziierter Professor und Pharmakopsychologe an der Universität Zürich, der an der Studie beteiligt war, zeigte sich von den Ergebnissen überrascht. Gegenüber der NZZ deutete er diese so, dass «[f]ür viel junge Menschen in der Schweiz [...] Substanzkonsum zur Normalität geworden» sei. Er forderte daher eine verstärkte Debatte über das Ausmass des Substanzkonsums durch Jugendliche, aber auch durch die gesamte Gesellschaft. Es müsse nicht die totale Abstinenz angestrebt werden, es gehe aber darum, besser mit dem Konsum umzugehen. Ein Schulfach «Substanzen und Medikamente» könnte dazu beitragen, dass zukünftig weniger Personen einen problematischen Konsum aufweisen. Dieser Aufruf wurde etwa vom Tages-Anzeiger begrüsst: Nicht mehr die Illegalität von Substanzen, sondern deren Gefährlichkeit solle verstärkt thematisiert werden.

Drogenkonsum bei Jugendlichen

Mitte Dezember 2021 und damit knapp ein Jahr nach Sammelbeginn reichten die Initiantinnen und Initianten der Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» 126'089 Unterschriften ein. War die Debatte zur Impfpflicht bei Sammelbeginn noch theoretisch gewesen, verwies die Freiheitliche Bewegung Schweiz nun auf die neusten Entwicklungen in der Pandemiebekämpfung: Einzelne Bars oder Kinos würden demnach nur noch geimpften oder genesenen, nicht mehr aber getesteten Personen Einlass gewähren. Am Tag nach Einreichung verkündete der Bundesrat denn auch allgemein, dass Personen, welche weder gegen Covid-19 geimpft noch davon genesen sind, temporär keinen Zugang zu Innenräumen wie denjenigen von Restaurants mehr erhalten. Gut einen Monat später bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen der Initiative mit 125'015 gültigen Unterschriften.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

Comme au printemps et à l'automne 2020, le Conseil fédéral autorise un nouveau service d'appui de l'armée au profit des autorités civiles, soit 2'500 militaires pour soutenir les hôpitaux dans les soins et le transport des patients ainsi que les cantons pour la vaccination jusqu'au 31 mars 2022. A l'instar du Valais et du Jura, les cantons doivent faire une demande pour bénéficier du renfort si leurs moyens civils sont insuffisants. L'engagement étant supérieur à trois semaines, la décision du Conseil fédéral doit être avalisée par l'Assemblée fédérale.
Quelques jours plus tard, le Conseil fédéral a décidé d'un troisième engagement de la protection civile pour la vaccination et le traçage des contacts, d'un maximum de 100'000 jours de services d'ici au 31 mars 2022. Le coût estimé de l'opération devrait s'élever à CHF 2.75 millions.

COVID-19: Troisième service appui de l'armée au profit des autorités civiles et engagement de la protection civile
Dossier: Assistenzdienst der Armee im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung von Covid-19

Heinz Siegenthaler (bdp, BE) reichte im September 2020 eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz» ein. Einhergehend mit den Empfehlungen der EKSF beabsichtigte der Initiant im Zusammenhang mit THC-haltigem Cannabis die gesetzliche Neuregelung der Aspekte «Anbau, Produktion, Handel und Konsum». Dabei gelte es der Vier-Säulen-Drogenpolitik Rechnung zu tragen, Produktion und Handel der staatlichen Kontrolle zu unterstellen, zwischen medizinischem und nicht-medizinischem Markt zu differenzieren, die Prohibition abzuschaffen und dadurch dem Schwarzmarkt entgegenzuwirken sowie die Besteuerung, Bewerbung und den Anbau für den persönlichen Gebrauch zu regeln. Ende April 2021 gab die SGK-NR in einer Medienmitteilung ihre Unterstützung für die parlamentarische Initiative bekannt (13 zu 11 Stimmen, 1 Enthaltung). Dabei wies sie insbesondere auf die Pilotprojekte zu nicht-medizinischem Cannabis hin, auf die sie sich im Rahmen ihrer Arbeiten stützen wolle. Im Oktober 2021 folgte ihre Schwesterkommission diesem Entschluss mit 9 zu 2 Stimmen. Die SGK-SR hob unter anderem die Wichtigkeit des Jugendschutzes und der Prävention hervor und erklärte zudem, dass auch der internationale Kontext miteinbezogen werden müsse.

Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz (Pa.Iv. 20.473)