Suche zurücksetzen

Inhalte

  • AHV-Revision

Akteure

Prozesse

195 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

In der schriftlichen Vernehmlassung stiessen die Vorschläge des Bundesrates auf allgemeine Kritik. SP, Grüne und Gewerkschaften lehnten die Revision als Leistungsabbau ab. Als inakzeptabel bezeichnete die Linke die Verlangsamung des Teuerungsausgleichs durch eine Inflationsschwelle: Leistungen, die bereits heute kein existenzsicherndes Ausmass hätten, dürften nicht derart weiter reduziert werden. Bei der Erhöhung des AHV-Alters der Frauen und der Neuregelung bei den Witwenrenten war die Ablehnung nicht ganz so kategorisch; als Voraussetzung dafür wurden jedoch die tatsächliche Gleichstellung der Frauen in der Arbeitswelt sowie die Einführung eines flexiblen Rentenalters ohne Rentekürzung genannt.

Als eigentliche Knacknuss der Revision erwies sich die Überbrückungsrente. SP und Grüne kritisierten, mit dieser werde eine Abkehr vom Sozialversicherungsprinzip in der AHV eingeleitet. Gemeinsam mit dem SGB warf die SP den Vorschlägen vor, sie würden nur zu einer Entlastung der Arbeitslosenversicherung, der IV und der Sozialhilfe führen und hätten nichts mit einer sozial ausgestalteten Flexibilisierung des Rentenalters zu tun. Auch bei den bürgerlichen Parteien und der Wirtschaft stiess die Überbrückungsrente auf Widerstand, allerdings aus entgegengesetzten Gründen. Für die SVP war sie gar der Anlass, trotz der begrüssten Sparvorschläge die ganze Revision abzulehnen, da diese Rente einen unverantwortbaren Leistungsausbau darstelle. Nicht so weit gehen wollten FDP, CVP und die Wirtschaftsverbände. FDP und Economiesuisse kritisierten den vage formulierten Bezügerkreis, weshalb es fraglich sei, ob der angegebene Kreditrahmen von CHF 400 Mio. ausreichen könne. Die CVP hatte bereits bei früherer Gelegenheit erklärt, die Übergangsrente könnte „Gerechtigkeit schaffen“, doch dürfe sie nicht auf IV-Rentner und ausgesteuerte Arbeitslose beschränkt werden.

11. AHV-Revision: Leistungsseitige Massnahmen (BRG 05.093)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

In seiner gewohnt ungestümen Art wollte Bundesrat Couchepin diese 11. AHV-Revision „light“ im Schnellzugstempo durchziehen und lud deshalb Mitte April Kantone, Parteien und Verbände für Ende Mai zu einer konferenziellen Vernehmlassung ein, welche die reguläre dreimonatige Vernehmlassung ersetzen sollte. Die Kantone reagierten mit Empörung auf dieses Ansinnen: Eine AHV-Revision sei ein zu gewichtiges Reformvorhaben, als dass auf eine umfassende Vorbereitung verzichtet werden könne. Die Grünen als erste, dann auch die CVP und die SP erklärten, die Konferenz boykottieren zu wollen, da wirklich keine Dringlichkeit bestehe; die SVP zeigte ebenfalls wenig Verständnis für das forsche Vorgehen Couchepins, einzig die FDP stellte sich hinter ihren Bundesrat. Angesichts dieser Widerstände verlängerte Couchepin die Vernehmlassungsfrist bis Ende Juli. Die Konferenz fand dennoch statt, wenn auch in reduziertem Rahmen; sie führte zu keinen konkreten Ergebnissen.

11. AHV-Revision: Leistungsseitige Massnahmen (BRG 05.093)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Oppositionslos schloss sich der Nationalrat einer Ständeratsmotion an, die mehr Transparenz in die AHV-Finanzierung bringen will. Künftig sollen die für die AHV erhobenen Mehrwertsteuerprozente vollumfänglich in den AHV-Fonds fliessen. Heute behält der Bund 17% zurück, um seinen gesetzlichen Anteil an den Ausgaben der AHV zu decken. Im Gegenzug sollen die Bundesbeiträge entsprechend reduziert werden. Hingegen wurde eine weitere Motion der kleinen Kammer, welche Massnahmen zur langfristigen Sicherung des AHV-Fonds vorschlägt, da noch nicht ganz ausgegoren, lediglich als Postulat überwiesen.

Transparenz in die AHV-Finanzierung

Obgleich sich das Parlament bei der gescheiterten 11. AHV-Revision gegen eine sozial abgefederte Ausgestaltung der vorzeitigen Pensionierung ausgesprochen hatte, ist das Anliegen in den Räten trotzdem nicht vom Tisch. Mit 86 zu 57 Stimmen lehnte der Nationalrat zwar wegen offener Finanzierungsfragen eine parlamentarische Initiative (03.467) Rossini (sp, VS) ab, welche die Frühpensionierung an 40 Beitragsjahre koppeln wollte, nahm aber eine Motion (04.3623) seiner SGK an, die den Bundesrat beauftragt, bei der nächsten AHV-Revision eine Bestimmung zur Flexibilisierung des Rentenalters vorzulegen, die insbesondere die Beitragsjahre aufgrund von Erwerbstätigkeit (einschliesslich Erziehungs- und Betreuungsgutschriften) berücksichtigt. Der Ständerat stimmte ebenfalls zu, modifizierte aber den Auftrag an den Bundesrat zu einer blossen Prüfung.

vorzeitigen Pensionierung

Nach dem Scheitern der 11. AHV-Revision in der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 beschloss der Bundesrat, den Umbau der 1. Säule der Alterssicherung in kleinen Schritten anzugehen. Ende Februar stellte er die wichtigsten Reformideen zur Diskussion. So soll das Rentenalter der Frauen dem Niveau der Männer (65 Jahre) angeglichen werden. Zudem schlug er vor, die Renten nicht mehr im Zweijahresrhythmus der Teuerung anzupassen, sondern nur noch dann, wenn diese vier Prozent erreicht. Auch regte er an, nach einer Übergangsfrist die Witwenrenten für kinderlose Frauen abzuschaffen. Da die Erstauflage der 11. AHV-Revision unter anderem deshalb von der Linken erfolgreich bekämpft worden war, weil das Parlament auf die Einführung einer sozial abgefederten Frührente verzichtet hatte, präsentierte der Bundesrat nun ein neues Modell für eine Überbrückungsrente für bestimmte Personenkategorien (beispielsweise Teilinvalide und ältere Arbeitslose). Damit erteilte er den Forderungen nach einem allgemein zugänglichen flexiblen Pensionierungsalter ohne Rentenkürzung eine klare Absage. Die neue Überbrückungsrente soll wie die Ergänzungsleistungen (aber grosszügiger ausgestaltet) aus allgemeinen staatlichen Mitteln und nicht über die AHV (d.h. durch Lohnabgaben) finanziert werden, um die Notwendigkeit eines Exports ins Ausland zu vermeiden. In einem zweiten Reformpaket sollten technische Verbesserungen bei der AHV, die in der 11. AHV-Revision nicht bestritten gewesen waren (beispielsweise die Aufhebung des Freibetrags für erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner sowie die Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften), wieder aufgenommen werden.

11. AHV-Revision: Leistungsseitige Massnahmen (BRG 05.093)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Um die Kostenexplosion in der Sozialhilfe zu stoppen, drängen sich nach Ansicht der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und der „Städteinitiative“ verschiedene Massnahmen auf. So sollen Anreizmodelle geschaffen werden, damit sich Arbeit lohnt. Weiter sollen schweizweit harmonisierte Standards in der Sozialhilfe gelten, um eine weitere Zuwanderung Bedürftiger in die Städte zu vermeiden. Die SKOS verabschiedete entsprechende Richtlinien. Als besonders wichtig erachtet wurde eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen ALV, IV und Sozialhilfe, um nach Möglichkeiten den so genannten „Drehtür-Effekt“, das Weiterreichen einer desintegrierten Person von einer Institution zur anderen, zu vermeiden. Die Präsidenten des Verbands schweizerischer Arbeitsämter, der SKOS und der schweizerischen IV-Konferenz plädierten für die Errichtung von gemeinsamen Assessment-Centers zur professionellen Integration. Dazu erarbeitete das Seco ein Handbuch mit Tipps und Hinweisen zur interinstitutionellen Zusammenarbeit.

verstärkte Zusammenarbeit zwischen ALV, IV und Sozialhilfe

Mit 82:8 Stimmen beschlossen die Grünen in Sitten (VS) die Nein-Parole zum Stammzellenforschungsgesetz; sie hatten bereits das Referendum unterstützt. Mit 61:28 Stimmen lehnten die Delegierten auch die NFA ab; sie befürchteten, die Vorlage führe zu einem Sozialabbau. Gegen den Antrag des Vorstandes, der die Mehrwertsteuer teilweise durch eine ökologische Steuerreform ersetzen wollte, folgten die Grünen schliesslich ihrer Bundeshausfraktion und gaben mit 76:23 Stimmen die Ja-Parole zur neuen Finanzordnung heraus. Abschliessend verabschiedeten sie eine Resolution für ein zehnjähriges Atomkraftwerk-Moratorium.

Grüne wollen ein Atomkraftmoratorium

Im Frühjahr sprachen sich die Delegierten der CSP für eine stärkere christliche Orientierung der Partei aus, das christlichsoziale Gedankengut werde innerhalb der CVP immer mehr verletzt – diese hatte für die Mietrechts- und die 11. AHV-Revision die Ja-Parole herausgegeben; und auch beim Steuerpaket, bei der Post-Initiative, der NFA und der Stammzellenforschung, die später im Jahr zur Abstimmung gelangten, gingen die Meinungen der beiden Parteien auseinander; die Empfehlungen der CSP deckten sich mit Ausnahme der Stammzellenforschung, zu der sie Stimmfreigabe beschloss, mit jenen der SP. Im Sommer sprach sich der Vorstand der CSP für den definitiven Ausstieg aus der Kernenergie bis ins Jahr 2015 aus. Die nach wie vor ungelösten Probleme bei der Endlagerung von radioaktiven Abfällen sowie der schnelle Technologiefortschritt alternativer Energiequellen sprächen für diesen Schritt. Gleichzeitig anerkenne die Partei die Notwendigkeit von Endlagern für radioaktive Abfälle in der Schweiz.
Bei den Wahlen in die Legislative der Stadt Luzern musste die CSP ihren einzigen Sitz abtreten.

Die CSP im Jahr 2004

Aufgrund des Handlungsbedarfs in den Sozialversicherungen und des negativen Ergebnisses der Volksabstimmung vom Mai, legte das EDI dem Bundesrat unter dem Titel „Panorama der Sozialversicherungen“ eine Gesamtsicht der Sozialwerke vor. Gestützt auf dieses Aussprachepapier, das sämtliche Sozialversicherungen (mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung) sowie die Familienpolitik umfasste, traf der Bundesrat Ende Juni Richtungsentscheide insbesondere bezüglich AHV und IV.

Der Bundesrat teilte die Einschätzung des EDI, dass sich die finanzielle Situation der AHV ab 2010 rapide verschlechtert, falls keine Massnahmen ergriffen werden, und dass die AHV bis zum Jahre 2025 zusätzliche finanzielle Mittel benötigt, welche ungefähr 3,8 MwSt-Prozentpunkten entsprechen. Er beschloss deshalb, sofort Vorbereitungsarbeiten zu einer weiteren AHV-Revision in Angriff zu nehmen mit der zentralen Vorgabe, dass die Reform die finanzielle Sicherung bis 2020 ermöglichen soll und dabei den bis zu diesem Zeitpunkt erforderlichen Finanzierungsbedarf berücksichtigt. Alternative Szenarien, so etwa ein System basierend auf der Lebensarbeitszeit oder Modelle, die Aspekte wie das Einkommen und die Beschwerlichkeit der Arbeit in Rechnung stellen, sollen mit einbezogen werden. Dieser Entscheid entsprach der Ansicht der AHV-Kommission, welche die Prüfung neuer Kriterien zur Bestimmung des regulären Rentenalters verlangt hatte.

Der Bundesrat ging ebenfalls mit dem EDI einig, dass die Sanierung der IV im Hinblick auf ihre prekäre finanzielle Situation absolute Priorität hat. Mit der neuen Vorlage zur Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der IV und mit der 5. IV-Revision bestünden gute Aussichten, dass die Schulden der IV langsam abgebaut werden können. Der Bundesrat war aber der Ansicht, dass einige in der 5. IV-Revision vorgesehene Massnahmen, so etwa die Einführung eines kostenpflichtigen Verfahrens bei Anfechtung eines IV-Rentenentscheids, dringend umgesetzt werden sollten. Er kam zudem zum Schluss, dass das Thema der Entflechtung des Finanzhaushalts von AHV und IV von jenem des Bundes im Rahmen einer langfristigen Sicherung der AHV aufgegriffen und parallel zu den Massnahmen zur Sanierung der IV behandelt werden soll. Ende Oktober gab er dem EDI und dem EFD den Auftrag, eine Entscheidgrundlage bezüglich der Entflechtung auszuarbeiten.

Der Nationalrat überwies stillschweigend ein Postulat (04.3234) Meyer Thérèse (cvp, FR), welches den Bundesrat auffordert, ein Modell zur Flexibilisierung des Rentenalters auszuarbeiten, das sowohl die Beitragsjahre aufgrund einer regulären Erwerbstätigkeit als auch die Höhe der Rente berücksichtigt und die Flexibilisierung des Rentenalters gezielt fördert.

Bericht des EDI zur Gesamtsicht der Sozialwerke
Dossier: Fünfte IV-Revision (2004-2009)

An der Delegiertenversammlung in Schaffhausen von Mitte Juni zog Parteipräsident Hans-Jürg Fehr eine erste, positive Bilanz: Die SP schaffe es nicht nur, bei den Wahlen zuzulegen, so in St. Gallen, Schwyz und im Tessin, sondern auch, mit dem Volks-Nein zur Avanti-Strassenbauvorlage, zur AHV-Revision und zum Steuerpaket Abstimmungen von richtungsweisender Bedeutung zu gewinnen. Diese Erfolge zeigten, dass die unter dem Diktat der SVP stehende bürgerliche Koalition nicht mehrheitsfähig sei und dass man weder gegen die SP noch ohne sie regieren könne, sondern nur mit ihr. Zu allen im September zur Abstimmung gelangenden Vorlagen gaben die Delegierten die Ja-Parole heraus, zum Mutterschaftsurlaub und zu den Einbürgerungsvorlagen einstimmig und diskussionslos, zur Volksinitiative „Postdienste für alle“ mit wenigen Nein-Stimmen. Ausserdem verabschiedeten sie eine Resolution, die den Verzicht auf den Bau eines neuen AKW und auf die Planung von Atommülldeponien verlangt. Bundesrat Moritz Leuenberger hielt ein neues AKW aufgrund der Referendumshürde für unrealistisch, mahnte aber, sich nicht gegen ein Endlager zu stellen.

SP beschliesst den Atomausstieg

Als Erstrat befasste sich der Nationalrat mit dem Vorschlag des Bundesrates zur Verwendung des Verkaufserlöses aus dem überschüssigen Gold der Nationalbank. Seine vorberatende Kommission schlug dabei eine grundlegende Änderungen am Konzept vor: Der Bund sollte nicht nur einen, sondern zwei Drittel des Ertrags des rund 20 Mia Fr. betragenden Fonds erhalten. Zudem sollten diese Gelder nicht der allgemeinen Bundeskasse, sondern der AHV zukommen. Diese Neuaufteilung von zwei Dritteln für die AHV und einem Drittel für die Kantone würde auch bei der Auflösung des Fonds nach dreissig Jahren (sofern dann kein anderer Verwendungszweck bestimmt wird) zum Zuge kommen. Die Fraktionen der SP und der SVP unterstützten grundsätzlich diesen Vorschlag der Kommissionsmehrheit. Beide vertraten aber auch noch eigene, abweichende Präferenzen. So sprach sich die SVP dafür aus, die Kantone leer ausgehen zu lassen und den ganzen Ertrag der AHV zu überlassen. Die SP wollte während einer ersten Periode von fünfzehn Jahren die zwei Drittel des Bundes je hälftig für die AHV und für Bildungsprojekte verwenden, um dann in der zweiten Periode die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung zu praktizieren (1/3 Bund, 2/3 Kantone ohne Zweckbindung). Die FDP und die CVP stellten sich hinter den Bundesrat. Dabei sprach sich die FDP zusätzlich für die von Favre (fdp, VD) beantragte Bestimmung aus, dass sowohl der Bund als auch die Kantone die Gelder für den Schuldenabbau verwenden müssen. Nach einer Abstimmungskaskade über die verschiedenen Minderheitsanträge setzte sich schliesslich der von der SVP und SP getragene Vorschlag der Kommission (2/3 für die AHV, 1/3 für die Kantone) durch. In der Gesamtabstimmung optierten 109 Abgeordnete für und 77 gegen diesen Verteilschlüssel. Dabei waren die FDP und die CVP geschlossen dagegen, die SVP und die SP mit nur je zwei Gegenstimmen dafür und die Grünen hälftig gespalten.

Bundesrätlicher Vorschlag zur Verwendung der Gewinne des Goldverkaufs & Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“ (BRG 03.049)

In der Vox-Analyse dieses Urnengangs erschien die parteipolitische Positionierung als das dominante Erklärungsmoment für den Stimmentscheid. Mit 83% Nein verwarfen die Sympathisanten der SP die Revision wuchtig. Die FDP konnte eine Mehrheit (56%) ihrer Anhängerschaft von ihrer Ja-Parole überzeugen. Dies gelang der CVP lediglich zu 46% und der SVP sogar nur zu 41%. Die Deutschschweiz stimmte mit 35% Ja-Stimmen eher zu als die Welschschweiz (25%), doch war der Unterschied nicht mehr so relevant wie in früheren Abstimmungen zur AHV. Anders als bei der 10. AHV-Revision nahmen die Männer mit 38% Ja deutlich stärker an als die Frauen (25%), wobei der Unterschied (ausser bei den über 70-Jährigen) linear mit dem Alter zunahm. Die 50- bis 59-jährigen Männer nahmen die Revision sogar knapp an, während die Frauen der gleichen Altersklasse sie zu 80% ablehnten. Als Entscheidmotiv wurde von den Befürwortern mehrheitlich die Sicherung der Sozialwerke genannt; die Gründe der Gegner waren weniger einheitlich, artikulierten aber doch zu einem grossen Teil die Sorge um die Errungenschaften des Sozialstaats.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

In der Volksabstimmung vom 16. Mai wurde auch die Mehrwertsteuererhöhung zu Gunsten von AHV und IV mit über 68% Nein-Stimmen wuchtig verworfen. Am deutlichsten erfolgte die Ablehnung im Kanton Jura, wo nur 18,9% der Stimmenden ein Ja in die Urne legten. Es folgten die Kantone Wallis (20%) sowie Nid- und Obwalden mit 21,7 resp. 22,7%. Am höchsten war der Ja-Stimmenanteil im Kanton Basel-Stadt mit 39,3%, gefolgt von Zürich (36,6%) und Bern (34,1%).


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 756 550 (31,4%)
Nein: 1 651 347 (68,6%)

Parolen:
– Ja: CSP, CVP, EVP, GPS, SPS; SBV, SGB, Travail.Suisse
– Nein: EDU, FDP, FPS, Lega, LPS, PdA, SD, SVP; Economiesuisse, SGV

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Gegen die 11. AHV-Revision hatte der SGB im Vorjahr mit Unterstützung von SP, GP und Travail.suisse das Referendum ergriffen und mit in Rekordzeit gesammelten über 150'000 Unterschriften eingereicht. Im Abstimmungskampf standen sich zwei klar abgesteckte Lager gegenüber. Auf der einen Seite das links-grün-gewerkschaftliche, welches die Revision mit der Erhöhung des Frauenrentenalters, den Abstrichen bei der Witwenrente, dem verlangsamten Teuerungsausgleich sowie dem nicht eingehaltenen Versprechen auf eine sozial abgefederte Frühpensionierung als reine „Sozialabbauvorlage“ bezeichnete, auf der anderen Seite die bürgerlichen Parteien, für welche die Revision einen dringend notwendigen Beitrag zur Sicherung der Sozialwerke darstellte. Im Vorfeld der Abstimmung vom 16. Mai gaben die meisten Beobachter der Revision nur geringe Erfolgschancen. Das Ausmass der Ablehnung – über zwei Drittel Nein-Stimmen – erstaunte dennoch. In sämtlichen Kantonen wurde die Vorlage verworfen. Am deutlichsten war die Verweigerung im Kanton Jura mit lediglich 13,6% Ja-Stimmen, gefolgt vom Wallis (17,6%) und dem Kanton Neuenburg (21%). Am meisten Zustimmung fand die Revision in den Kantonen Appenzell Innerrhoden (45,9%), Appenzell Ausserrhoden (41,1%) und Nidwalden (40,1%). Während im links-grünen Lager der deutliche Entscheid mit grossem Jubel aufgenommen wurde, da er zeige, dass sich das Volk einem Rentenabbau widersetze, versuchten die Vertreter des bürgerlichen Lagers, die Bedeutung ihrer Niederlage herunter zu spielen. Einig war man sich allerdings, dass das von Bundesrat Couchepin in die Diskussion gebrachte Rentenalter 67 praktisch vom Tisch sei; es könne nur noch darum gehen, das AHV-Alter, das heute faktisch bei 62 Jahren liegt, durch geeignete Massnahmen wieder an die gesetzlich vorgesehenen 65 Jahre anzunähern.


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 772 773 (32,1%)
Nein: 1 634 572 (67,9%)

Parolen:
– Ja: FDP, SVP, CVP, LPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, CSP, EVP, Lega; SGB, Travail.suisse.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Da es sich bei Mehrwertsteueranpassungen um Verfassungsänderungen handelt, unterstand der Finanzierungsbeschluss dem obligatorischen Referendum. Die Vorlage wurde dem Volk am gleichen Abstimmungswochenende wie die 11. AHV-Revision unterbreitet, gegen welche die Linke das Referendum ergriffen hatte. Obgleich die FDP-Fraktion der Finanzierungsvorlage als Teil eines ausgewogenen Ganzen zugestimmt hatte, bröckelte die freisinnige Zustimmung angesichts der Opposition der Wirtschaft in den Wochen vor der Abstimmung zusehends. Schliesslich gab die Partei die Nein-Parole aus. Als Hauptargument nannte sie ihre Ablehnung von „Steuern auf Vorrat“ sowie das Zustandekommen des Referendums gegen die 11. AHV-Revision. Beobachter bezeichneten die Begründung allerdings als etwas fragwürdig: Das Mehrwertsteuerprozent sollte erst erhoben werden, wenn es wegen der demographischen Entwicklung wirklich nötig ist. Zudem hätte die tatsächliche Einführung einen Parlamentsbeschluss benötigt, gegen den das Referendum hätte ergriffen werden können. Die SVP hatte von Anbeginn erklärt, dass sie die Mehrwertsteuererhöhung bekämpfen werde und zur Sicherung der AHV-Finanzierung auf das Nationalbankgold setzen wolle. Als dann auch noch ein Teil der Gewerkschaftsbewegung ein Fragezeichen hinter die „unsoziale“ Erhöhung der Mehrwertsteuer setzte, schien das Schicksal der Vorlage besiegelt. Es zeigte sich, dass es fatal gewesen war, die beiden Finanzierungsbeschlüsse zu AHV und IV nicht aufzusplitten, wie dies der Ständerat vorerst angeregt hatte; eine differenzierte Stimmabgabe war unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Nach einer emotionsgeladenen Debatte sprachen sich die CVP-Delegierten Anfang April mit 177:82 Stimmen bei 9 Enthaltungen für das Steuerpaketaus. Einige CVP-Regierungsräte hatten die Vorlage als Wahlgeschenk bezeichnet, das föderalismus- und demokratiefeindlich und eines Rechtsstaates unwürdig sei und darauf hingewiesen, dass das Kantonsreferendum massgeblich auf die Initiative von CVP-Exekutivmitgliedern zustande gekommen war. Der Entscheid zugunsten der AHV-Revision fiel mit 169:30 Stimmen bei einer Enthaltung, jener zugunsten der Mehrwertsteuererhöhung mit 164:31 Stimmen bei 3 Enthaltungen.

CVP ringt sich zum JA für das Steuerpaket

Anfang April fassten die Grünen in Schaffhausen einstimmig die Nein-Parole zum Steuerpaket; sie hatten dagegen das Referendum ergriffen. Die 11. AHV-Revision wurde mit einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen ebenfalls abgelehnt; die Vorlage sei die erste reine Abbauvorlage seit Bestehen der AHV/IV. Mit 65:24 Stimmen bei 9 Enthaltungen befürworteten die Grünen hingegen die Erhöhung der MWSt.

GPS lehnt das Steuerpaket ab

An ihrem ausserordentlichen Parteitag in Basel bestimmten die Sozialdemokraten den Schaffhauser Nationalrat Hans-Jürg Fehr zum Nachfolger von Parteipräsidentin Christiane Brunner (GE). Während der als kämpferisch geltende Glarner Werner Marti eher verkrampft und uninspiriert wirkte, vermochte Fehr die Delegierten mit einer beherzten Rede und sachpolitisch engagiertem, in eigener Sache bescheidenem und parteiintern integrativem Auftreten zu überzeugen. Auf Fehr entfielen 531 Stimmen, auf Marti 360. Zu Vizepräsidenten wurden der Gewerkschafter Pierre-Yves Maillard (VD) und Ursula Wyss (BE) gewählt. Im Hinblick auf die Abstimmungen vom Mai beschlossen die Sozialdemokraten ohne Gegenstimme die Ablehnung der 11. AHV-Revision und des Steuerpakets – für den Abstimmungskampf hatte die Geschäftsleitung einen Kredit von 500'000 Fr. gesprochen. Die Mehrwertsteuererhöhung wurde mit wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen zur Annahme empfohlen. Nach rund dreistündiger Debatte, in der Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ihre Partei zu einer in Sozialfragen forscheren Oppositionspolitik ermunterte, da Moritz Leuenberger und sie für diese Dossiers nicht zuständig seien, beschlossen die Delegierten einen pointierteren Linkskurs – der Antrag der Jusos, aus dem Bundesrat auszutreten, blieb chancenlos.

Hans-Jürg Fehr zum Nachfolger von Parteipräsidentin Christiane Brunner gwählt
Dossier: SP-Präsidenten seit 2000

Im Anschluss an die Beratungen reichte Nationalrat Studer (evp, AG) eine Motion ein, welche verlangte, in die nächste AHV-Revision sei eine sozial abgefederte Flexibilisierung des Rentenalters für tiefere Einkommen wieder aufzunehmen. Zudem sei zu prüfen, ob die AHV-Rente bereits nach einer zu bestimmenden Zahl von Beitragsjahren bezogen werden kann. Der Bundesrat erklärte, er wolle sich im jetzigen Zeitpunkt nicht festlegen, er werde aber ganz unterschiedliche Modelle verfolgen, weshalb er erfolgreich Umwandlung in ein Postulat beantragte.

nächste AHV-Revision

Mit dem Referendum gegen die 11. AHV-Revision starteten die Sozialdemokraten Anfang Oktober in die Schlussphase des Wahlkampfs. Erstmals in der Geschichte der AHV habe das Parlament eine reine „Abbauvorlage“ beschlossen, welche vor allem die Frauen, die Witwen sowie die unteren und mittleren Einkommen belaste. In einer Resolution zur Krankenversicherung forderten die SP-Delegierten, nicht ausgeschöpfte Beiträge zur Prämienverbilligung, vor allem der Kinderprämien, einzusetzen. Zudem sollte die Ärzteschaft vermehrt preisgünstige Arzneimittel resp. Generika verschreiben.

Wahlkampf und Wahlresultate der SP (2003)

An ihrer Delegiertenversammlung von Anfang Oktober beschloss die SP geschlossen, das Referendum gegen die 11. AHV-Revision zu ergreifen. Begründet wurde dieser Entscheid zwar auch mit der Erhöhung des Rentenalters der Frauen und den Abstrichen bei der Witwenrente, wodurch die Frauen gleich doppelt zur Kasse gebeten würden. Im Zentrum stand aber der Verzicht der bürgerlichen Parlamentsmehrheit auf eine soziale Abfederung des flexiblen Rentenalters. In einer koordinierten Aktion machte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) zwischen dem 20. und dem 22. November an 200 Standorten für das Referendum gegen die 11. AHV-Revision mobil. In 48 Stunden kam die Rekordzahl von über 80'000 Unterschriften zusammen. Da auch weitere Organisationen (SP, GP, Travail.Suisse) zur Sammlung beitrugen, kam das Referendum mit 152'031 Unterschriften zustande.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Vor der Zustimmung zum Ergebnis der Einigungskonferenz machten im Nationalrat Gewerkschaftsvertreter aus der SP, der GP und der CVP ihrem Ärger über die Bilanz dieser Revision Luft, die sie als reinen Sozialabbau resp. als Nichteinhalten des Versprechens auf eine echte Flexibilisierungsvorlage anprangerten. In der Schlussabstimmung wurde die 11. AHV-Revision von der grossen Kammer mit 109 zu 73 Stimmen angenommen. SP und Grüne stimmten dagegen, ebenso eine kleine Minderheit der CVP. Der Ständerat hiess die Vorlage mit 34 zu 9 Stimmen gut.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

In der Maisession bekräftige der Nationalrat mit 95 zu 59 Stimmen noch einmal seinen Beschluss bezüglich Streichung des Bundesanteils. In der Diskussion um das Ausmass der Anhebung der Steuersätze zu Gunsten der AHV wollte sich eine Minderheit I (Triponez, fdp, BE) dem Ständerat anschliessen, eine Minderheit II (Zäch, cvp. AG) hingegen dem Antrag des Bundesrates auf 1,5 Prozentpunkte folgen. Schliesslich setzte sich mit 90 zu 75 resp. 101 zu 64 Stimmen der Antrag der Kommission auf eine Erhöhung um einen Prozentpunkt durch. Der Ständerat folgte der grossen Kammer bei der Erhöhung, unterstrich aber, dass er nach seinem Entgegenkommen erwarte, dass der Bundesrat den neuen Mehrwertsteuersatz frühestens 2010 in Kraft setze. Beim Bundesanteil blieb er hingegen hart. Auch in der dritten Runde fand keine Annäherung der Standpunkte statt. Die Einigungskonferenz übernahm den Beschluss des Ständerates, dem schliesslich auch SP und GP, bis anhin Gegnerinnen des Bundesanteils, zustimmten, um ein Scheitern der Mehrwertsteuervorlage zu vermeiden. Mit Ausnahme einer starken Mehrheit der SVP stimmten alle Parteien zu. Da es sich bei Mehrwertsteueranpassungen um Verfassungsänderungen handelt, untersteht dieser Finanzierungsbeschluss dem obligatorischen Referendum.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Der Ständerat beharrte aber auf seinen Beschlüssen. Der CVP-Vorschlag für die Frauenrenten wurde als unbrauchbar erachtet, weil er mangels Definition einer oberen Einkommenslimite nach dem Giesskannen-Prinzip funktioniere. Gegen eine Schonung der Witwen machte Beerli (fdp, BE) geltend, dank der langen Übergangsfrist von 17 Jahren, in denen die Rente schrittweise an das neue Modell herangeführt würde, seien die heutigen älteren Witwen gar nicht betroffen. Die Einigungskonferenz übernahm im Wesentlichen die Positionen des Ständerates. Einzig beim Rentenvorbezug der Frauen machte er eine Geste in Richtung der grossen Kammer: während fünf Jahren nach Inkrafttreten der Revision können Frauen der Jahrgänge 1948 bis 1952 die Rente um ein Jahr mit dem halben Kürzungssatz vorbeziehen.

Während die parlamentarischen Beratungen in den Endspurt gingen, folgten rund 25'000 Personen dem Aufruf der Gewerkschaften und demonstrierten vor dem Bundeshaus gegen die Verschlechterungen bei der Altersvorsorge.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Der seit Jahren andauernde Streit um die Bundesanteile führte unter anderem dazu, dass der Bundesrat eine im Anschluss an die Beratung der 11. AHV-Revision eingereichte und gleichentags angenommene Motion der SGK des Ständerates umsetzte, bevor sich der Nationalrat dazu äussern konnte. Mit der Motion wurde die Regierung ersucht, bei der 12. AHV-Revision eine transparente Finanzierung der AHV vorzuschlagen, in der die sämtlichen für die AHV erhobenen Mehrwertsteuerprozente direkt in den AHV-Fonds fliessen und die Beiträge aus der Bundeskasse entsprechend nach unten angepasst werden. Im November beauftragte der Bundesrat – ohne darüber öffentlich zu informieren – das BSV und die Finanzverwaltung mit den Vorarbeiten für eine Herauslösung von AHV und IV aus dem Bundeshaushalt. Er entschied zudem, dieses Vorhaben nicht in die 12. AHV-Revision einzubauen, sondern zeitlich vorzuziehen. Von dieser Entflechtung erhofft sich der Bundesrat neben mehr Transparenz auch eine Erhöhung des Spardrucks auf die beiden Sozialwerke, die nicht mehr auf automatisch steigende Bundesbeiträge zählen könnten.

Transparenz in die AHV-Finanzierung