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Mittels Motion forderte Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) eine Änderung der BV, sodass neben ausländischen Personen der dritten Generation auch Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation erleichtert eingebürgert werden können. Die zweite Generation habe aufgrund der Geburt oder dem Aufwachsen in der Schweiz eine Beziehung sowie ein Zugehörigkeitsgefühl zur Schweiz entwickelt und erfülle damit die selben Voraussetzungen wie die Menschen der dritten Generation. In seiner Stellungnahme beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Eine erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation gemäss BV bedeutete, dass diese Kompetenz neu auf Bundesebene angesiedelt würde, und damit ein weiterer Bedeutungsverlust für das Kantons- und Gemeindebürgerrecht. Die unteren Staatsebenen könnten in diesem Fall nur noch über die Einbürgerung der ersten Generation verfügen, so der Bundesrat. Infolge eines Ordnungsantrags von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR) in der Wintersession 2021 wurde der Vorstoss der SPK-SR zur Vorberatung zugewiesen.

Am 17. März 2023 wurde die Motion schliesslich abgeschrieben, da die Zweijahresfrist ohne abschliessende Behandlung in Rat verstrichen war.

Die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der zweiten Generation erleichtern (Mo. 21.3112)

In Erfüllung eines Postulats Graf (gp, BL) präsentierte der Bundesrat im Dezember 2021 seinen Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld sowie zu Massnahmen zu deren Verhinderung. Dem Bericht lagen von der Universität St. Gallen im Auftrag des EBG ausgewertete Daten zu Ursachen von Homiziden innerhalb der Partnerschaft vor. Gemäss diesen Auswertungen sind die Opfer in neun von zehn Fällen weiblich. Die Studie eruierte verschiedene Risikofaktoren für Tötungsdelikte im häuslichen Umfeld, namentlich eine Trennung und die vorhergehende Ausübung von häuslicher Gewalt – inklusive Stalking –, Alkohol- und Drogenkonsum, Schusswaffenbesitz, finanzielle Schwierigkeiten oder auch «kulturell geprägte Vorstellungen über Geschlechterrollen mit einem Besitzanspruch sowie Macht- und Kontrollverhalten seitens des Mannes». Gerade im häuslichen Bereich bestehe Handlungsbedarf für Präventions- und Schutzmassnahmen, da die Tötungsdelikte dort im Gegensatz zu denjenigen ausserhalb der Partnerschaft über die Zeit nicht abgenommen hätten. Die sieben von den Autorinnen und Autoren im Bericht festgehaltenen Empfehlungen zielen unter anderem darauf ab, sowohl gewaltbetroffene als auch gewaltausübende Personen während der Trennung besser professionell zu betreuen, Schusswaffen schwieriger erhältlich zu machen und die Wirksamkeit von Präventionsinstrumenten stärker zu erforschen.
Aufgrund des Berichts beschloss der Bundesrat sechs Massnahmen: Erstens sollen fedpol und das VBS die Herkunft der für Homizide verwendeten Waffen erforschen, damit basierend auf diesen Grundlagen weitere Massnahmen zur Einschränkung des missbräuchlichen Waffengebrauchs beschlossen werden können. Zweitens soll zur Prävention von Tötungsdelikten erforscht werden, «mit welchen Massnahmen in der Schweiz auf gewaltbegünstigende Männlichkeitsvorstellungen eingewirkt werden kann». Drittens sollen Fachpersonen aus der Medizin, Psychiatrie, der Suchtberatung und dem sozialen Bereich sensibilisiert und Hilfsangebote verstärkt werden. Ebenfalls sollen – viertens – solche Hilfsangebote besser koordiniert und besser vermittelbar werden. Da etwas mehr als ein Viertel der Tötungsdelikte in der Partnerschaft mit dem Suizid des Täters oder der Täterin enden, soll fünftens diese Kategorie von Fällen verstärkt untersucht werden. Sechstens soll das SEM prüfen, wie Migrantinnen und Migranten besser über häusliche Gewalt und die für diesen Fall zur Verfügung stehenden Hilfsangebote informiert werden können.

Nach Kenntnisnahme des Berichts beschloss die WBK-NR mit 16 zu 7 Stimmen die Lancierung einer Kommissionsmotion, um regelmässige Präventionskampagnen gegen häusliche, geschlechterbezogene und sexuelle Gewalt in der ganzen Schweiz durchzuführen. Der Bundesrat stand diesem Anliegen positiv gegenüber. Ähnliche Anliegen verfolgten drei unmittelbar nach Publikation des Berichts von Nationalrätinnen unterschiedlicher politischer Lager eingereichte Motionen.

Postulat fordert Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld (Po. 19.3618)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Der Ständerat folgte der Empfehlung seiner Kommission und gab der Standesinitiative des Kantons Genf für Unterhaltsbeiträge an erwachsene Kinder bis 25 Jahren in Ausbildung in der Herbstsession 2021 stillschweigend keine Folge. Erich Ettlin (mitte, OW) anerkannte zuvor für die Kommission zwar die Problematik, betonte aber, dass die Umsetzung der Initiative die «Ungleichbehandlung zwischen getrennt lebenden und verheirateten Paaren verstärk[en]» würde, da Letztere lediglich den allgemeinen Kinderabzug beanspruchen könnten. Stattdessen spielte er den Ball den Kantonen zu, die ja die Möglichkeit hätten, die allgemeinen Kinderabzüge zu erhöhen.

Abzug für Unterhaltsbeiträge an erwachsene Kinder (Kt.Iv. 20.321)

Im Mai 2020 reichte Marco Chiesa (svp, TI) zwei parlamentarische Initiativen für Änderungen der Pauschalbesteuerung ein, nachdem er sich bereits im Jahr 2019 mit zwei Motionen dieses Themas angenommen hatte. In seiner ersten Initiative (Pa.Iv. 20.421) wollte er Besteuerung nach dem Aufwand, also die sogenannte Pauschalbesteuerung, zukünftig auch ausländischen Personen ermöglichen, die in der Schweiz erwerbstätig sind – bisher war sie auf in der Schweiz nicht erwerbstätige Ausländerinnen und Ausländer beschränkt. Dabei solle das in der Schweiz erworbene Nettoeinkommen separat besteuert werden.
Mit seiner zweiten parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 20.422) beabsichtigte er, auch mit Schweizerinnen oder Schweizern verheirateten Ausländern oder Ausländerinnen Zugang zur Pauschalbesteuerung zu gewähren – bisher durfte bei einer Besteuerung nach dem Aufwand keiner der Ehegatten die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzen. Dabei sollten die Übergangsbestimmungen der Revision von 2012, die bis Ende 2020 in Kraft sind, weiterhin gelten, damit die ausländischen Ehegatten ihr Recht auf Besteuerung nach dem Aufwand nicht verlieren würden.
Andere Länder, beispielsweise Italien, hätten attraktivere Pauschalbesteuerungsregeln als die Schweiz, begründete Chiesa seine zwei Vorstösse. Unter anderem kenne gerade Italien eben auch eine Besteuerung nach dem Aufwand bei in Italien Erwerbstätigen. Folglich müsse hier die Schweiz nachziehen, um diesbezüglich wettbewerbsfähig zu bleiben, zumal sie mit der Besteuerung nach dem Aufwand «nicht zu vernachlässigende Steuereinnahmen» generiere.
Mitte April 2021 beriet die WAK-SR die beiden Initiativen und entschied mit 10 zu 2 Stimmen gegen Folgegeben. Die Akzeptanz für eine Anpassung der Regelungen der Pauschalbesteuerung in der Bevölkerung sei gering, überdies könnten die Vorstösse nur geringes zusätzliches Steuersubstrat generieren.
In der Sommersession 2021 zog der Initiant seinen Vorstoss ohne Begründung zurück.

Änderungen an der Pauschalbesteuerung (Pa.Iv. 20.421 und Pa.Iv. 20.422)

Die Autorinnen und Autoren der VOX-Analyse zur eidgenössischen Abstimmung vom 7. März 2021 über die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» kamen zum Schluss, dass das Abstimmungsergebnis – eine knappe Zustimmung zur Initiative mit 51.2 Prozent – infolge einer starken links-rechts-Polarisierung zustande gekommen war. Wenig überraschend war die Unterstützung mit rund 88 Prozent unter den Sympathisierenden der SVP gross. Allerdings stimmten auch die Sympathisierenden der Mitte und der FDP entgegen den Parteiparolen mit 60 respektive 58 Prozent mehrheitlich ja. Die Sympathisierenden der GLP (36% Ja), der SP (24% Ja) und der Grünen (16% Ja) lehnten die Initiative hingegen deutlich ab.

Als Motive der Ja-Stimmenden identifizierte die Studie den Schutz von Schweizer Werten und Kultur, die Stärkung von Frauenrechten sowie Sicherheitsaspekte in Bezug auf Extremismus und Hooliganismus. Die Schweizer Werte, Kultur und Identität wurden dabei als Hauptmotive genannt. Für die Nein-Stimmenden hatten als Motive die Zweifel an der Wirksamkeit der Initiative und ihre als diskriminierend empfundene Absicht überwogen. Hinzu kamen Bedenken hinsichtlich der Einmischung in fremde Kulturen und der Einschränkung der Selbstbestimmung von Frauen.

Wie schon im Abstimmungskampf wurden Frauenrechte von beiden Seiten als Argument angeführt, einfach jeweils umgekehrt ausgelegt. Die Studie betonte jedoch, dass der Stimmentscheid inhaltlich stark fundiert gewesen sei, so hätten 85 Prozent der Stimmenden entsprechend ihrer argumentativen Haltung (Zustimmung zu den jeweiligen Pro-/Kontraargumenten) gestimmt. Das Pro-Argument, wonach es zur Schweizer Kultur gehöre, das Gesicht zu zeigen, verfing am stärksten; selbst bei den Nein-Stimmenden war die Zustimmung (72%) dazu hoch. Während Ja-Stimmende dem Argument, dass die Verhüllung mit Burka und Niqab frauenfeindlich sei, mit rund 84 Prozent deutlich zustimmten, waren nur 42 Prozent der Nein-Stimmenden mit dieser Aussage einverstanden. Am stärksten polarisierte das Argument, das Verhüllungsverbot werde vor Terrorismus und Straftaten durch Vermummte schützen. Dies wurde von 84 Prozent der Ja-Stimmenden unterstützt und von 67 Prozent der Nein-Stimmenden abgelehnt. Die Nein-Stimmenden waren im Gegenzug mit 89 Prozent stark davon überzeugt, dass die Initiative Symbolpolitik auf Kosten einer kleinen Minderheit betreibe.

Überdies war die Zustimmung zur Initiative vom Vertrauen in Frauenrechts- und muslimische Organisationen abhängig. Je geringer das Vertrauen der Stimmenden in deren Vertreterinnen und Vertreter war, desto eher stimmten sie dem Verhüllungsverbot zu. Die Religionszugehörigkeit spielte ebenfalls eine zentrale Rolle. Personen mit christlicher Konfession stimmten mehrheitlich für die Initiative, während Personen ohne religiöse Bindung sich mehrheitlich dagegen aussprachen. Andersgläubige stimmten der Initiative mit 51 Prozent knapp zu. Eine detailliertere Auswertung – beispielsweise zum Stimmverhalten von Musliminnen und Muslimen – liess die zu geringe Anzahl von entsprechenden Befragten nicht zu. Die Analyse ergab ausserdem, dass ältere Menschen tendenziell häufiger zustimmten, während jüngere Menschen das Verhüllungsverbot am deutlichsten ablehnten. Ebenfalls deutlich war der Geschlechterunterschied: Frauen (56% Nein) lehnten die Initiative im Vergleich zu Männern (58% Ja) stärker ab. Des Weiteren zeigte sich, dass Personen mit einem Hochschulabschluss die Initiative tendenziell ablehnten, während Personen aller anderen Bildungsgruppen mehrheitlich Ja stimmten.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Ende April 2021 verabschiedete der Bundesrat seine erste nationale Gleichstellungsstrategie. In den 50 Jahren seit Einführung des Frauenstimmrechts sei die Gleichstellung zwar vorangeschritten, vollständig erreicht worden sei sie aber noch nicht. Die sogenannte Gleichstellungsstrategie 2030 setzt sich eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und familiären Leben zum Ziel. Ferner sollen Frauen und Männer «während ihres ganzen Lebens die gleiche soziale Sicherheit [geniessen] und [...] sich in einem respektvollen Umfeld ohne Diskriminierung und Gewalt [verwirklichen können]». In vier Handlungsfeldern setzt die Strategie bei der Förderung der beruflichen Gleichstellung, der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Bekämpfung von Diskriminierung, Sexismus und Gewalt an. In Bezug auf die Gleichstellung in der Arbeitswelt pocht die Strategie etwa auf die Einhaltung der Lohngleichheit, die Erhöhung des Frauenanteils in MINT-Studienfächern, die Einführung der Individualbesteuerung und auf eine verbesserte Rentensituation dank Reformen der ersten und zweiten Säule. Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf plant der Bundesrat unter anderem eine Botschaft für ein bedarfsgerechteres Angebot an ausserfamiliärer Betreuung und definiert nicht zuletzt das folgende Ziel: «Elternurlaube, familienfreundliche Arbeitszeiten und die soziale Sicherheit für Eltern und betreuende Angehörige sind ausgebaut.» Im Bereich der geschlechtsspezifischen Gewalt zielt die Strategie auf die Verringerung der häuslichen Gewalt und die Verbesserung der persönlichen Sicherheit der Frauen, wobei insbesondere Opferschutzmassnahmen und Massnahmen «zur stärkeren Verantwortungsnahme von Tatpersonen» ausgebaut werden sollen. Zur Verhinderung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts überprüft der Bundesrat das Bundesrecht auf bestehende rechtliche Ungleichheiten und setzt auf Sensibilisierungskampagnen sowie auf eine verbesserte Datenlage zu geschlechtsspezifischen Auswirkungen.
Die Strategie setzt auf den Dialog des Bundes mit Kantonen und Gemeinden, aber auch mit anderen interessierten Kreisen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft. Ebenfalls hält der Bund darin explizit fest, dass auch die unteren föderalen Ebenen zur Bekämpfung von Stereotypen und der Diskriminierung von Frauen verpflichtet seien. Nicht zuletzt ist die Gleichstellungsstrategie gemäss Bundesrat auch das Ergebnis der Ratifikation internationaler Konventionen, namentlich der Istanbul-Konvention und des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW).

Erste nationale Gleichstellungsstrategie

Im Frühling 2021 publizierte das BFS erstmals eine Statistik zu den Wiederholungen von Schülerinnen und Schülern im 3. bis 8. Jahr der Primarstufe – also von der ersten bis zur sechsten Klasse, da die beiden Kindergartenjahre ebenfalls zur Primarstufe gezählt werden. Die Studie belegte, dass es im Allgemeinen nur sehr wenige Wiederholungen auf dieser Stufe gibt; im Durchschnitt müssen jedes Jahr nur 1.3 Prozent der Lernenden eine Klasse wiederholen. Es bestehen jedoch Unterschiede bezüglich des Geschlechts, der Region und vor allem bezüglich der Migrationskategorie sowie des sozialen Hintergrundes. Währenddem 2.8 Prozent der Kinder, die nach ihrem 6. Lebensjahr in die Schweiz eingewandert sind, auf der Primarstufe mindestens einmal eine Klasse wiederholen müssen, beläuft sich diese Zahl bei Kindern, die in der Schweiz geboren sind, auf lediglich 1.1 Prozent. Hinsichtlich des Bildungsniveaus der Eltern hielt die Studie fest, dass Kinder mit Eltern ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss dreimal häufiger repetieren müssen als Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil über einen Hochschulabschluss verfügt (2.1 Prozent versus 0.7 Prozent).

Wenige Wiederholungen auf Primarstufe

Weil die SPK-NR im Januar 2021 nach wie vor auf den Bericht in Erfüllung ihres Postulats 17.3269 wartete, beantragte sie ihrem Rat die erneute Fristverlängerung für die beiden Tessiner Standesinitiativen (Kt.Iv. 15.320 und 15.321) mit der Forderung, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger bei der Beantragung einer Aufenthaltsbewilligung systematisch einen Strafregisterauszug vorlegen müssen. Der Nationalrat gab diesem Antrag in der Frühjahrssession 2021 stillschweigend statt und verlängerte die Frist zur Ausarbeitung einer Vorlage bis zur Frühjahrssession 2023.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Der Nationalrat besprach in der Frühjahrssession 2021 das Postulat der APK-NR, das vom Bundesrat einen Bericht über die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz forderte. Es handelte sich dabei um einen von zwei Vorstössen, mit denen die Kommission die Petition der Gesellschaft für bedrohte Völker (Pet. 18.2020) umgesetzt hatte. Den zweiten Vorstoss (Po. 20.4334) hatte der Nationalrat bereits eine Woche zuvor angenommen. Kommissionssprecher Roland Fischer (glp, LU) klärte den Nationalrat darüber auf, dass die tibetische Exilgemeinschaft in der Schweiz mit 4'000 Mitgliedern die grösste Europas sei. Die Menschenrechte in Tibet würden weiterhin verletzt werden, wobei sich «der lange Arm der chinesischen Diktatur» immer mehr auch nach Europa erstrecke, so Fischer. Er zitierte dabei aus einem Lagebericht «Sicherheit Schweiz» des NDB von 2016, der ein selbstbewusstes und forderndes Verhalten Chinas konstatierte. Fischer sah die Befürchtungen der tibetischen Diaspora – ihre Meinungsfreiheit und Privatsphäre werde zunehmend eingeschränkt – daher als berechtigt an. Eine Minderheit Estermann (svp, LU) stellte sich gegen einen derartigen Bericht. In den Augen der Minderheit waren mehr oder weniger sämtliche Anliegen der ursprünglichen Petition bereits erfüllt oder nicht umsetzbar, weshalb das Postulat zur Ablehnung empfohlen wurde. Bundesrätin Karin Keller-Sutter zeigte sich im Namen des Bundesrats bereit dazu, die wesentlichen Fragestellungen der Petition in einem Bericht zu beantworten und empfahl die Annahme des Postulats. Der Bundesrat habe ein Interesse daran, die Situation der Tibeterinnen und Tibeter aufzuarbeiten, da es dazu immer wieder Gerüchte und Fehlinformationen gegeben habe. Der Nationalrat nahm das Postulat mit 134 zu 48 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) an. Die Kommissionsminderheit fand über die Grenzen der SVP-Fraktion hinaus keine Unterstützung.

Bericht über die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz (Po. 20.4333)
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Einer von Silvia Schenker (sp, BS) eingereichten und später von Parteikollegin Yvonne Feri (sp, AG) übernommenen parlamentarischen Initiative, welche in bundesrätlichen Botschaften zu Erlassentwürfen explizite Stellungnahmen bezüglich der Einhaltung der Sozialziele forderte, gab der Nationalrat Anfang März 2021 mit 115 zu 70 Stimmen keine Folge. Während die Fraktionen der SP und der Grünen Partei sowie drei Mitglieder der Mitte-Fraktion die parlamentarische Initiative unterstützten, wurde sie von einer bürgerlich-liberalen Mehrheit abgelehnt. Der Nationalrat urteilte somit gleich wie vor ihm bereits eine Mehrheit der SGK-NR, womit die Initiative erledigt war.

Botschaften zu Erlassentwürfen sollen sich zu Einhaltung der Sozialziele äussern (Pa.Iv. 19489)

Am 7. März 2021 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Damit fiel das Ergebnis letztlich knapper aus als aufgrund von Vorumfragen erwartet. Die Stimmbeteiligung betrug 51.4 Prozent. Die höchste Zustimmung erfuhr das Verhüllungsverbot im Jura (60.7% Ja), gefolgt vom Tessin (60.5%) und Schwyz (60.2%). In St. Gallen, wo wie im Tessin bereits ein kantonales Verhüllungsverbot gilt, dem 2018 zwei Drittel der Stimmbevölkerung zugestimmt hatten, war die Zustimmung mit 53.1 Prozent vergleichsweise schwach. Am wenigsten Unterstützung erhielt die Initiative im Kanton Basel-Stadt (40.6% Ja), gefolgt von Zürich (45.2%) und Genf (48.7%). Auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden (49.1%), Bern (49.6%) und Graubünden (49.6%) lehnten die Initiative knapp ab. Bemerkenswert hoch war die Zustimmung für eine Initiative aus den Reihen der SVP – auch im direkten Vergleich mit dem 2009 angenommenen Minarettverbot, das ebenfalls vom Egerkinger Komitee initiiert worden war – in der Westschweiz. Verschiedene Expertinnen und Experten mutmassten in den Medien, dass einerseits die Nähe zu Frankreich den Diskurs analog der dort geführten Debatten stärker auf den sicherheitspolitischen Aspekt gelenkt habe und andererseits die in der Romandie stark präsenten, prominenten bürgerlichen und linken Stimmen, die sich für die Initiative starkgemacht hatten, wohl erheblichen Einfluss gehabt und den Anti-SVP-Reflex beschränkt hätten.
Die Befürwortendenseite wertete den Entscheid als «ein klares Signal des Widerstands gegen die Islamisierung der Schweiz», wie sich der Urheber des ersten kantonalen Verhüllungsverbots Giorgio Ghiringhelli vom «Corriere del Ticino» zitieren liess. Als «Zeichen gegen den ‹politischen Islam›, der vielen Menschen Unbehagen bereitet», interpretierte die NZZ das Votum. Der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui sah im Resultat dementsprechend einen Positionsbezug der gemässigten Muslime gegen den Islamismus, wie er gegenüber «Le Temps» verlauten liess.
Das unterlegene Lager bedauerte den Volksentscheid derweil aus verschiedenen Gründen. Feministische Kreise, die sich gegen das Verhüllungsverbot starkgemacht hatten, fühlten sich durch das Argument, die Vollverschleierung sei Ausdruck der Unterdrückung der Frauen, für rassistische und xenophobe Zwecke missbraucht, wie deren Vertreterin Meriam Mastour gegenüber der Presse erklärte. Die Tourismusbranche befürchtete einen Imageschaden für die Schweiz und zeigte sich besorgt, dass künftig weniger kaufkräftige und konsumfreudige Gäste aus den Golfstaaten die Schweiz besuchen würden. Die Jungen Grünen und der IZRS erklärten unabhängig voneinander, eine gerichtliche Anfechtung des Verhüllungsverbots wenn nötig bis vor den EGMR unterstützen zu wollen. Pascal Gemperli, Pressesprecher der FIDS, zeigte sich um die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaft besorgt und befürchtete zunehmende Aggression und Gewalt gegenüber Musliminnen und Muslimen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte gegenüber den Medien, das Abstimmungsresultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Diese Linie wurde im unterlegenen Nein-Lager breit vertreten. Dass der Ja-Anteil gegenüber der Minarettinitiative deutlich abgenommen habe, gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz vielleicht doch nicht so islamfeindlich sei, so der Tenor.
Letztlich sei der Entscheid «vor allem auf symbolischer Ebene bedeutsam», resümierte die NZZ. Die konkreten praktischen Auswirkungen sind in der Tat noch unklar. Wie Karin Keller-Sutter erklärte, liege die Umsetzung bei den Kantonen, weil sie über die Polizeihoheit verfügten. Sie hätten nun zwei Jahre Zeit, entsprechende Gesetze zu erlassen. Der Bund müsse das Verbot unterdessen für diejenigen Bereiche, in denen er zuständig ist – beispielsweise im öffentlichen Transportwesen und im Zollwesen – auf Gesetzesebene konkretisieren. Gemäss dem «Blick» zeigten sich einige Kantonsvertretende wenig motiviert, ein gesetzliches Verhüllungsverbot zu erlassen, und würden die Umsetzung lieber ganz dem Bund überlassen. Initiant Walter Wobmann (svp, SO) warf dem Bund in derselben Zeitung bereits vor, die Initiative nicht umsetzen zu wollen: Ein Bundesgesetz sei «unabdingbar, um zu verhindern, dass am Schluss in jedem Kanton etwas anderes gilt», zitierte ihn das Blatt.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.42%
Ja: 1'427'344 (51.2%) / Stände: 16 4/2
Nein: 1'360'750 (48.8%) / Stände: 4 2/2

Parolen:
– Ja: EDU, Lega, SD, SVP
– Nein: FDP (4*; Frauen: 1*; Jungfreisinnige: 2*), GLP, GP, KVP, Die Mitte (2*), PdA, SP; EKR, SSV, Travail.Suisse, VPOD, Schweizer Tourismus-Verband, EKS, SBK, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), Schweizerischer Rat der Religionen, Katholischer Frauenbund (SKF), Alliance F, Amnesty International, Operation Libero
– Stimmfreigabe: EVP (3*); Schweizerische Evangelische Allianz
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Mitte Januar 2021 startete mit Medienkonferenzen sowohl seitens des Initiativkomitees als auch des Bundesrats der Abstimmungskampf zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot». In den zwei darauffolgenden Monaten bis zum Abstimmungstermin am 7. März 2021 war das Thema Verhüllungsverbot in der Presse praktisch täglich präsent. Wie die Zeitungs- und Inserateanalyse zeigte, erhielt die Volksinitiative im angegebenen Zeitraum deutlich mehr Medienaufmerksamkeit als die beiden anderen Abstimmungsvorlagen vom 7. März, das E-ID-Gesetz und das Freihandelsabkommen mit Indonesien. Obgleich über das Verhüllungsverbot sehr viel debattiert wurde, gab es weder für noch gegen die Initiative eine nennenswerte Inseratekampagne. Dies ging mit einer komplexen Gemengelage in der intensiv geführten Debatte einher: Die Grenze zwischen dem befürwortenden und dem ablehnenden Lager war äusserst diffus; praktisch in jeder Partei oder gesellschaftlichen Gruppierung, die ihren Standpunkt kundtat, gab es gewichtige Stimmen, die sich für die jeweils gegnerische Seite starkmachten. Neben dem Egerkinger Komitee, das die Initiative lanciert hatte, und der SVP, die sie im Parlament unterstützt hatte, stand auf der Pro-Seite etwa auch ein Mitte-links-Komitee aus der Westschweiz, in dem sich unter anderen GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley (VD), der Genfer FDP-Grossrat Jean Romain, der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui und alt-CVP-Nationalrätin Marlyse Dormond Béguelin (VD) für das Verhüllungsverbot engagierten. Ferner warb ein überparteiliches Frauenkomitee um die Nationalrätinnen Marianne Binder-Keller (mitte, AG) und Monika Rüegger (svp, OW) sowie die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam Saïda Keller-Messahli für die Initiative. Für ein Nein plädierten indes alle grossen Parteien ausser der SVP – allerdings keineswegs geschlossen –, ein parlamentarisches Komitee unter der Federführung von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR), der Schweizer Tourismusverband, mehrere Frauenverbände und Frauenstreikkomitees sowie diverse Akteure, die sich selbst als liberal verstanden oder sich für die Religionsfreiheit einsetzten, darunter die Operation Libero, Amnesty International und verschiedene religiöse Organisationen. Die grossen Abwesenden im Abstimmungskampf waren die direkt Betroffenen, die Nikabträgerinnen selber. Wie der Tages-Anzeiger berichtete, lag das jedoch nicht daran, dass man sie nicht hätte zu Wort kommen lassen, sondern dass sie sich – abgesehen von zwei Interviews während der gesamten Kampagne – nicht äussern wollten. Nach gemäss eigenen Angaben monatelanger Suche blieb der Zeitung deshalb nichts als die Erkenntnis, «dass verhüllte Frauen in der Schweiz nicht nur Körper und Gesicht verstecken, sondern unsichtbar und stumm bleiben».

Argumentativ bewegte sich der Abstimmungskampf auf verschiedenen Ebenen, wobei die Befürwortenden und die Gegnerschaft über weite Strecken dieselben Punkte vorbrachten, sie aber unterschiedlich interpretierten und daher zu gegenteiligen Schlüssen kamen. Neben der Islamdebatte und der Grundrechtsdiskussion wurde von beiden Seiten aus feministischer, sicherheitspolitischer, staatspolitischer und empirischer Warte argumentiert. Wenngleich der Initiativtext keinen Bezug zur islamischen Gesichtsverschleierung herstellte, war beiden Seiten klar, dass sie sich vor allem gegen jene richtete. In der Presse war daher meist vom «Burkaverbot» oder von der «Anti-Burka-Initiative» die Rede, obwohl in der Schweiz – wenn überhaupt – ausschliesslich der Nikab zu sehen sei, wie eine im Abstimmungskampf viel zitierte Studie der Universität Luzern feststellte. Während das Contra-Lager die Initiative als anti-islamisch und diskriminierend gegenüber Musliminnen verstand, sah die Pro-Seite sie als Mittel zum Kampf gegen den radikalen Islam und den Islamismus. Die Religionsfreiheit der Musliminnen tangiere die Initiative nicht, weil die Verschleierung nicht vom Islam verlangt werde, sondern ein kultureller Ausdruck für die Unterdrückung der Frau sei; sie könne daher nicht als Ausübung der persönlichen Freiheit gewertet werden. Vielmehr sei die Vollverschleierung sexistisch und entwürdigend, weil sie die Frauen im öffentlichen Leben unsichtbar mache und entmenschliche. Die muslimischen Frauen müssten davor bewahrt werden, weil sie sich mit Gesichtsschleier nicht in die Schweizer Gesellschaft integrieren könnten. Die Gegenseite betonte, dass sich die Nikabträgerinnen in der Schweiz in der Regel aus religiöser Überzeugung freiwillig verschleierten und nicht befreit werden müssten – im Gegenteil: Soziologische Studien aus Frankreich zeigten, dass die Verschleierung von den strenggläubigen Musliminnen im westlichen Kulturkreis als antikonformistischer, emanzipatorischer Akt verstanden werde. In Frankreich habe das Verbot den Gesichtsschleier sogar populärer werden lassen, weil er jetzt auch als Ausdruck des Protests getragen werde. Zudem sei es sexistisch und paternalistisch, den Frauen vorzuschreiben, wie sie sich zu kleiden hätten und ihnen die freie Entscheidung für den Schleier nicht zuzutrauen. Falls eine Frau den Schleier tatsächlich unter Zwang trage, kriminalisiere das Verbot überdies das Opfer und wirke kontraproduktiv, indem es die betroffenen Frauen zuhause einsperre und erst recht aus der Gesellschaft ausschliesse. Dass es gemäss der Studie der Universität Luzern in der Schweiz nur 20 bis 30 vollverschleierte Frauen gebe, gab dem ablehnenden Lager Anlass, das Anliegen als unnötige Symbolpolitik zu bezeichnen. Für die Befürworterinnen und Befürworter war die Gesichtsverhüllung jedoch eine Prinzipienfrage und auch in noch so kleinen Zahlen nicht tolerierbar. Sie sahen sich im Motto «Wehret den Anfängen» bestärkt und forderten, jetzt zu handeln, solange es noch nicht zu spät sei.

Weiter hob die Pro-Seite hervor, dass die Identifizierbarkeit von Personen sicherheitsrelevant sei. Das Verhüllungsverbot schütze die Gesellschaft somit auch vor vermummten Kriminellen wie zum Beispiel Hooligans oder gewalttätigen Demonstrierenden. Dem setzte die Gegenseite entgegen, dass es in fünfzehn Kantonen bereits verboten sei, sich bei Demonstrationen und Sportveranstaltungen zu vermummen. (Als erster Kanton hatte Basel-Stadt 1990 ein solches Verbot eingeführt.) Ausserdem verhindere das Verhüllungsverbot – anders als von den Initianten schon bei der medienwirksamen Lancierung der Initiative suggeriert – keine Terroranschläge. Dafür brauche es strafrechtliche und präventiv-polizeiliche Massnahmen, denn allein durch ein Verhüllungsverbot würden radikalisierte Islamisten und Islamistinnen «nicht plötzlich zurück in die Mitte der Gesellschaft finden», wie es der «Sonntags-Blick» formulierte. In anderen Kontexten, etwa in winterlicher Kälte, an der Fasnacht oder in der Pandemiesituation, sei die Verhüllung zudem auch für die Initiantinnen und Initianten kein Problem, wie die im Initiativtext enthaltenen Ausnahmen zeigten.

Auf der staatspolitischen Ebene drehte sich die Diskussion um die Frage, ob das Verhüllungsverbot in die Bundesverfassung gehöre. Während die Contra-Seite es ablehnte, Kleidervorschriften in die Verfassung zu schreiben, sah das Pro-Lager dies als gerechtfertigt an, weil es eben nicht um eine blosse Kleidervorschrift gehe, sondern um einen Grundsatz der liberalen und demokratischen Gesellschaft: In der Öffentlichkeit das Gesicht zu zeigen und dasjenige des Gegenübers zu sehen, sei fundamental für das Zusammenleben. Diese Begründung hatte auch den EGMR von der menschenrechtlichen Zulässigkeit des Verhüllungsverbots in Frankreich überzeugt, als dieses in Strassburg vergeblich angefochten worden war. Darüber, ob die seit Monaten geltende Maskenpflicht aufgrund der Corona-Pandemie dieses Argument ad absurdum führe oder ob sie gerade beweise, dass es das Verhüllungsverbot für das Funktionieren der zwischenmenschlichen Beziehungen brauche, wurden sich die beiden Lager nicht einig. Derweil war das gegnerische Lager der Ansicht, es sei gerade höchst illiberal, etwas zu verbieten, das niemandem schade, nur weil es auf Ablehnung stosse. Auch der Bundesrat argumentierte hauptsächlich staatspolitisch: Ein nationales Verhüllungsverbot greife in die Souveränität der Kantone ein, denen die Polizeihoheit obliege. Das Tessin und St. Gallen hätten bereits ein Verhüllungsverbot eingeführt, während andere Kantone ein solches explizit abgelehnt hätten. Diese Entscheide seien zu respektieren. Die Befürwortendenseite argumentierte indessen, dass die Regelung einer solch fundamentalen gesellschaftlichen Frage nicht den Kantonen überlassen werden dürfe. Dass die Gesichtsverhüllung in vielen anderen europäischen Ländern – darunter Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Lettland und Österreich – und sogar einigen arabischen Staaten wie Ägypten, Marokko, Senegal oder Tunesien verboten – und im Falle von Frankreich das Verbot explizit vom EGMR als menschenrechtskonform bestätigt – sei, wertete die Pro-Seite als Zeichen der Legitimität ihres Anliegens. Sie betonte zudem die guten Erfahrungen, welche die Kantone Tessin und St. Gallen damit gemacht hätten. Weder im Tessin noch in den bei arabischen Gästen beliebten österreichischen Ferienorten habe sich das Verhüllungsverbot negativ auf den Tourismus ausgewirkt, wie es der Tourismusverband befürchtete. Die Contra-Seite hob hingegen hervor, dass im Tessin und in St. Gallen praktisch keine Verstösse gegen das Verbot registriert würden, was bestätige, dass es sich nur um ein Scheinproblem handle. In diesem Zusammenhang war in den Augen der Befürworterinnen und Befürworter auch Justizministerin Karin Keller-Sutter, die sich im Namen des Bundesrats gegen das Verhüllungsverbot aussprach, nicht glaubwürdig, weil sie in St. Gallen als ehemalige Polizeidirektorin genau ebendieses eingeführt habe. Gleichzeitig attestierten die Gegnerinnen und Gegner dem Egerkinger Komitee und der SVP ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil sie ihnen ihr Engagement für Frauenrechte nicht abkauften.

Neben der Initiative selbst sorgte auch der indirekte Gegenvorschlag, der bei Ablehnung der Initiative automatisch in Kraft treten würde, für einige Diskussionen. Die Initiativgegnerinnen und -gegner waren der Ansicht, der Gegenvorschlag regle mit der gesetzlichen Pflicht, zur Identifizierung vor Behörden das Gesicht zu zeigen, alles Nötige. Ausserdem leiste er – im Gegensatz zum Verhüllungsverbot – einen tatsächlichen Beitrag an die Stärkung der Frauenrechte und die bessere Integration von ausländischen Frauen in die Gesellschaft. Die Initianten argumentierten hingegen, der Gegenvorschlag löse das eigentliche Problem nicht und wer keine «Gleichstellungsoffensive» («Weltwoche») wolle, müsse mit der Annahme der Initiative den Gegenvorschlag verhindern.

Die durchgeführten Umfragen attestierten der Initiative von Anfang an gute Chancen. Nachdem Ende Januar eine klare Ja-Mehrheit von 63 Prozent (Tamedia) bzw. 56 Prozent (SRF) resultiert hatte, legte die Nein-Kampagne im Folgenden etwas zu. Zwei Wochen vor der Abstimmung bekundeten noch 59 bzw. 49 Prozent der Befragten eine Ja-Stimmabsicht. Während die Parteibasis der SVP durchwegs zu rund 90 Prozent ja stimmen wollte, zeigten sich die Anhängerschaften von FDP, Mitte und GLP gespalten – hier konnte das Nein-Lager im Verlauf der Kampagne Boden gutmachen. Auch im linken Lager traf das Anliegen immerhin bei rund 30 Prozent der Befragten auf Wohlwollen.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Im Februar 2021 stellte sich die RK-SR gegen eine parlamentarische Initiative Rickli (svp, ZH), der ihre Schwesterkommission im Vorjahr noch Folge gegeben hatte, mit der Ehen mit Minderjährigen für ungültig erklärt werden sollten. Dabei anerkannte sie zwar den Handlungsbedarf in diesem Bereich, wollte aber den im Sommer erwarteten Vernehmlassungsentwurf des Bundesrates abwarten, weswegen sie der parlamentarischen Initiative mit 7 zu 4 Stimmen (1 Enthaltung) keine Folge gab. Aus dem gleichen Grund sistierte die Kommission auch eine Motion der RK-NR (Mo. 20.3011).

Keine Anerkennung von Kinder- und Minderjährigenehen in der Schweiz (Pa. Iv. 18.467)

Im Februar 2021 befasste sich die KVF-SR mit vier parlamentarischen Initiativen, welche vergünstigte Tageskarten für Schulklassen forderten (Pa.Iv. 19.504 Munz (sp, SH); Pa.Iv. 19.505 Roduit (cvp, VS); Pa.Iv. 19.506 Eymann (lpd, BS); Pa.Iv. 19.507 Trede (gp, BE)). Wie bereits in der KVF-NR stiessen die Initiativen auch bei der Schwesterkommission auf Zustimmung; sie begrüsste die finanzielle Unterstützung von schulischen Aktivitäten, die ausserhalb des Klassenzimmers stattfinden. Die Kommission wies darauf hin, dass die Branchenorganisation des öffentlichen Verkehrs Alliance SwissPass für die Tarifregelung zuständig sei. Daher solle diese einen Tarifvorschlag im Sinne der Initiativen ausarbeiten. Erst danach solle geprüft werden, ob eine Änderung gesetzlicher Grundlagen nötig sei. Eine Kommissionsminderheit beantragte, den Initiativen keine Folge zu geben, da die Kompetenz in Bildungsfragen bei den Kantonen und Gemeinden liege.

Vier parlamentarische Initiativen zu vergünstigten Tageskarten für Schulklassen (Pa.Iv. 19.504; Pa.Iv. 19.505; Pa.Iv. 19.506; Pa.Iv. 19.507)

Der Bundesrat veröffentlichte im Februar 2021 den Bericht «Politik der frühen Kindheit. Auslegeordnung und Entwicklungsmöglichkeiten auf Bundesebene» in Erfüllung der Postulate der WBK-NR und von Nik Gugger (evp, ZH; Po. 19.3262). Der Bericht nahm eine Definition des Begriffs «Politik der frühen Kindheit» vor und stellte einen nicht abschliessenden Katalog der Leistungen in diesem Politikbereich vor; dieser reichte von der Elternbildung, über die frühe Sprachförderung bis zur aufsuchenden Familienarbeit. In den Handlungsfeldern «Statistische Datengrundlagen», «Informations- und Erfahrungsaustausch/Koordination», «Zugang zu den Angeboten», «Qualität der Angebote» sowie «Finanzierung der Angebote» identifizierte der Bericht Verbesserungspotenzial in Bezug auf das staatliche Wirken. In der Folge wurden für diese Handlungsfelder verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten formuliert. Diese umfassten beispielsweise die Einführung einer nationalen Kinderbetreuungsstatistik, die Verbesserung der Datenlage zum Gesundheitszustand von Kindern unter Berücksichtigung sozialer Benachteiligungen, die Förderung des Informations- und Erfahrungsaustausches zwischen Fachpersonen, die Verbesserung der Zusammenarbeit und der Koordination auf Bundesebene, die verstärkte Förderung der Chancengerechtigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund und von Kindern mit Behinderungen oder auch die Subventionierung von Familienorganisationen mit Tätigkeiten betreffend Familien mit kleinen Kindern. Einige dieser Massnahmen würden geprüft oder befänden sich bereits in Umsetzung. So würden beispielsweise schon heute Projekte mit Kindern, die eine Beeinträchtigung haben, unterstützt, schloss der Bericht.

Strategie zur Stärkung der frühen Förderung
Dossier: Frühe Kindheit

Dans le cadre d'une étude, l'EPFZ s'est penchée sur les discriminations ethniques vécues sur le marché de l'emploi. Elle révèle que les candidatures issues de la migration ont plus de chances d'être examinées en fin de matinée ou en fin de journée. L'étude s'est basée sur les comportements des employeurs sur la plateforme de recherche d'emploi de l'assurance chômage. Les candidatures anonymisées ont été étudiées sous l'angle de la nationalité et du nom de famille étranger. Ainsi, une personne de nationalité suisse avec un patronyme de consonance arabe a 6.5 pour cent moins de chances d'être contacté par rapport à une personne suisse présentant, pour le reste, les mêmes caractéristiques. Si les personnes issues d'Europe du Sud ne subissent pas de discrimination liée à leur origine, ce n'est pas le cas pour les Asiatiques, la population des Balkans, du continent africain ou du Moyen-Orient. L'étude relève également que l'impact défavorable de l'origine est plus conséquent aux alentours de midi et en fin de journée. Une des raisons avancée est que les biais, comme par exemple les stéréotypes à l'égard de certaines minorités, agissent de manière plus importante sur le processus de décision lorsque la personne en charge du recrutement est fatiguée ou stressée.

Etude de l'EPFZ sur les discriminations ethniques vécues sur le marché de l'emploi

Eine von Silvia Schenker (sp, BS) eingereichte und nach Ausscheiden der Parlamentarierin aus dem Nationalrat von Parteikollegin Yvonne Feri (sp, AG) übernommene parlamentarische Initiative verlangte, dass in Botschaften zu Erlassentwürfen jeweils explizit Bezug zur Einhaltung der Sozialziele genommen werden muss. Schenker hatte ihren Vorstoss damit begründet, dass die Sozialwerke in den letzten Jahren stark unter Druck geraten seien und dass in den Debatten finanzielle Aspekte oftmals im Zentrum stünden. Übergeordnete Aspekte programmatischer Natur, wie sie sich in den Sozialzielen finden, erhielten dadurch zu wenig Beachtung. Die vorberatende SGK-NR wollte dem Anliegen mit 16 zu 8 Stimmen keine Folge geben. Die Kommissionsmehrheit war der Ansicht, aufgrund der bereits vorhandenen Bestimmungen in Art. 141 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes, konkret mit der Ziffer g, die die Berücksichtigung der Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt und künftige Generationen verlangt, komme den Sozialzielen in den Erlassentwürfen ausreichend Beachtung zu. Eine linke Minderheit erachtete es dagegen als wichtig, die sozialen Auswirkungen ebenfalls explizit aufzuführen.

Botschaften zu Erlassentwürfen sollen sich zu Einhaltung der Sozialziele äussern (Pa.Iv. 19489)

Jahresrückblick 2020: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Die Gesundheitspolitik stand 2020, wie die gesamte Schweizer Politik, ganz im Zeichen der Corona-Pandemie, welche die Schweiz im Februar – damals noch als Epidemie eingestuft – erreichte und seither in Atem hält. Die steigenden Infektionszahlen veranlassten den Bundesrat dazu, am 28. Februar die «besondere Lage» gemäss Epidemiengesetz auszurufen, mit welcher der Bund die Weisungsbefugnisse gegenüber den Kantonen sowie die Verantwortung für die Krisenbewältigung übernahm. Zudem verabschiedete die Regierung die Verordnung über «Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19)», durch welche Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen bis auf Weiteres verboten wurden. Dennoch stiegen die Fallzahlen in der Folge drastisch an, so dass der Bundesrat am 13. März in einer zweiten Verordnung die Einreise aus Risikoländern einschränkte und das Zusammenkommen von über 100 Personen untersagte.
Nachdem auch diese Massnahmen dem Anstieg der Fallzahlen keinen Einhalt gebieten konnten, verkündete der Bundesrat am 16. März die ausserordentliche Lage gemäss dem Epidemiengesetz und ordnete einen Lockdown an, um weiterhin genügend freie Betten in Krankenhäusern garantieren zu können. Abgesehen von Lebensmittelgeschäften und Gesundheitseinrichtungen mussten sämtliche Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe schliessen. Öffentliche und private Veranstaltungen wurden untersagt, der Präsenzunterricht in Schulen wurden verboten und die Bevölkerung wurde dazu angehalten, zuhause zu bleiben und wenn möglich Homeoffice zu betreiben. Einhalten der Hygienemassnahmen und Abstand wahren – was sich in den darauffolgenden Monaten noch als Social Distancing durchsetzen sollte –, waren die Devise. Die Grenzen zu sämtlichen noch offenen grossen Nachbarländern wurden geschlossen und Schweizerinnen und Schweizer zurück ins Land gerufen. In diesem Zusammenhang organisierte die Regierung Rückholaktionen von im Ausland gestrandeten Bürgerinnen und Bürgern, an der sich auch die Rega beteiligte.
Am 20. März reduzierte die Landesregierung die erlaubte Gruppengrösse von öffentlichen Versammlungen weiter auf fünf Personen. Da die Spitäler stark beansprucht waren, verbot sie zudem die Durchführung von nicht dringend notwendigen Untersuchungen, Eingriffen und Therapien in medizinischen Einrichtungen], was dazu führte, dass die Spitäler erhebliche finanzielle Einbussen erlitten. Gleichzeitig hob der Bundesrat die Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeiten im Gesundheitswesen auf, um der Problematik der knappen personellen Ressourcen begegnen zu können.
Am 8. April verlängerte der Bundesrat die Massnahmen der ausserordentlichen Lage bis zum 26. April, kündigte aber am 16. April erste Lockerungsschritte an, die bis im Juni erfolgten. In der Folge entspannte sich die Situation während den Sommermonaten, so dass der Bundesrat das Corona-Zepter an die Kantone zurückgegeben konnte. Diese Beruhigung der Lage war jedoch nur von begrenzter Dauer: Aufgrund der steigenden Fallzahlen erliess der Bundesrat am 18. Oktober erneut landesweite Massnahmen wie zum Beispiel ein Versammlungsverbot von mehr als 15 Personen.
Weil die vom Bundesrat erlassenen Notverordnungen nach sechs Monaten automatisch ausser Kraft treten, mussten die darin enthaltenen Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Bundesgesetz gegossen werden. In der Herbstsession behandelte das Parlament entsprechend das stark umstrittene dringliche Covid-19-Gesetz, zu dem der Verein «Freunde der Verfassung» das Referendum ergreifen wollte. Bereits in der Wintersession und somit noch vor Ablauf der Referendumsfrist nahm das Parlament auf Antrag des Bundesrates zudem einige Anpassungen am neuen Gesetz vor, die es dem Bundesrat ermöglichen sollen, die Auswirkungen der zweiten Welle abzudämpfen.

Obwohl die Corona-Pandemie den Parlamentsbetrieb zweifelsohne dominierte, wurden auch andere Geschäfte in der Gesundheitspolitik behandelt. Im Bereich der Krankenpflege war dies zum Beispiel der indirekte Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative, dem sich die beiden Räte in mehreren Sessionen annahmen. Der Pflegeberuf hatte durch die Coronakrise zwar an Ansehen gewonnen, trotzdem gab es zwischen den beiden Parlamentskammern unter anderem noch Differenzen bezüglich des eigenständigen Abrechnens durch die Pflegefachpersonen mit den Krankenkassen oder bezüglich der Ausbildungsbeiträge durch die Kantone.
Weiter ermöglichten die beiden Räte in der Herbstsession Versuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabis, von denen man sich einen Erkenntnisgewinn zu alternativen Regulierungsformen erhoffte. Auch medizinischer Cannabis war 2020 ein Thema: So beabsichtigte der Bundesrat, den Zugang zu medizinischen Cannabisbehandlungen zu ermöglichen. Die Volkskammer befasste sich in der Wintersession mit dem Geschäft und hiess die entsprechende Änderung am BetmG gut.
Im Spätsommer gab die Landesregierung bekannt, dass sie die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» zur Ablehnung empfehle, da ihr das Anliegen zu weit gehe. Es müsse ein gewisses Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Interessen der öffentlichen Gesundheit bestehen, was der Bundesrat beim Volksbergehren, das ein weitreichendes Verbot für Tabakproduktewerbung vorsah, als nicht gegeben erachtete. Er unterstütze allerdings den Jugendschutz im Rahmen der parlamentarischen Debatte zum Tabakproduktegesetz, mit dem sich der Nationalrat im Dezember 2020 auseinandersetzte.

Während in der Sportpolitik zu Beginn des Jahres Themen wie die in Lausanne organisierten Olympischen Winterjugendspiele und das Fortbestehen des Lauberhornrennens in den Schlagzeilen waren, wichen diese Ende Februar Artikeln im Zusammenhang mit Covid-19. So traf die Absage von Grossveranstaltungen vor allem die Profiligen des Fussballs und des Eishockeys hart. Nachdem die Ligen zuerst eine vorläufige Pause eingelegt hatten, wurden die Saisons am 12. März (Eishockey) respektive 30. April (die unteren Ligen im Fussball) definitiv abgebrochen. Zwischenzeitlich kam es zu Diskussionen, ob Geisterspiele durchgeführt oder ganz auf den Spielbetrieb verzichtet werden sollte. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus zu dämpfen, sagte der Bundesrat am 20. März der Sportbranche CHF 100 Mio. zu, wobei die eine Hälfte in Form von zinslosen Darlehen an den Spitzensport und die andere Hälfte als A-fonds-perdu-Beiträge an den Breitensport gehen sollten. Da dies nicht ausreichte, wurde Mitte Mai ein Stabilisierungspaket im Umfang von einer halben Milliarde Franken festgelegt. Im Rahmen der Behandlung des Covid-19-Gesetzes im September einigten sich National- und Ständerat darauf, dass nicht die Ligen, sondern die Sportvereine selber Darlehen erhalten sollen, wobei sie Sicherheiten im Umfang von einem Viertel ihres betrieblichen Aufwandes der Saison 2018/19 zu leisten haben. Anfang November stellte Sportministerin Amherd ein Hilfspaket für den Sport vor, das bis Ende 2021 CHF 350 Mio. für den Spitzensport und CHF 200 Mio. für den Breitensport vorsah und von dem auch semiprofessionelle Teams verschiedener weiterer Sportarten profitieren können sollen.

Nicht nur für die Unternehmen und die Sportvereine, sondern auch für die Schweizer Bevölkerung hatte die Corona-Pandemie grosse finanzielle Einbussen zur Folge, weshalb sich auch im Themenbereich Sozialhilfe einiges tat. Dabei würden aber nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich stark von der Krise getroffen, berichteten die Medien. Der Krise besonders stark ausgesetzt seien die unteren Einkommensschichten, wo bereits einige Hundert Franken, die beispielsweise wegen dem durch Kurzarbeit für viele Personen auf 80 Prozent reduzierten Lohn wegfielen, einen grossen Unterschied machten. Aus diesem Grunde hielt die Hilfsorganisation Caritas den Bundesrat und das Parlament dazu an, Unterstützungsprogramme, die einmalige Direktzahlungen in der Höhe von CHF 1'000 beinhalteten, für armutsbetroffene Haushalte und Einzelpersonen zu beschliessen. Die durch die Pandemie gemäss Medien verstärkten Ungleichheiten in der Bevölkerung wurden insbesondere anhand der teilweise über einen Kilometer langen Menschenschlangen vor Lebensmittelausgabestellen in Genf oder Zürich ersichtlich. Besonders stark auf solche Angebote angewiesen waren viele Sans-Papiers, die keine Sozialhilfe beziehen können, sowie Ausländerinnen und Ausländer mit Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung, da diese einen Widerruf ihrer Bewilligungen riskierten, wenn sie Sozialhilfe bezögen.
Bereits im Vorjahr – also noch vor der Pandemie – hatte der Ständerat eine Motion der WBK-SR (Mo. 19.3953) behandelt, welche die Einrichtung eines fünfjährigen Monitoring-Zyklus zur Prävention und Bekämpfung von Armut beabsichtigte. Der Nationalrat stimmte dem Kommissionsbegehren in der Sommersession 2020 zu; dies wohl auch im Lichte der gegebenen Umstände, wie einige Medien mutmassten.

Welch gewaltigen Raum die Thematik rund um die Covid-19-Pandemie in der Medienberichterstattung einnahm, widerspiegelt sich auch in der Anzahl dazu veröffentlichter Zeitungsartikel (siehe APS-Zeitungsanalyse 2020). Dabei dominierte die Pandemie nicht nur die Berichterstattung im Themenbereich «Gesundheitspolitik» (siehe Abb. 1), sondern machte zu Zeiten, wo die Covid-19-Fallzahlen sehr hoch waren – sprich im Frühjahr und im Herbst –, sogar gut ein Drittel beziehungsweise ein Viertel der abgelegten Zeitungsberichte über alle untersuchten Zeitungen und Themen hinweg aus. Während sich die Artikelzahl zur Sozialhilfe 2020 auf konstant tiefem Niveau hielt, ist für den Sport im Mai ein leichter Peak erkennbar. Im September, als das Parlament das Covid-19-Gesetz beriet, von welchem auch der Sport stark betroffen war, fiel die Medienpräsenz hingegen sehr gering aus.

Jahresrückblick 2020: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2020

Die APK-NR wollte den Bundesrat mittels Postulat dazu auffordern, einen detaillierten Bericht über die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz zu erstellen. Dieser solle sich insbesondere mit der Situation der Meinungsäusserungsfreiheit und der Überwachung auseinandersetzen. Damit gab die Kommission einer Petition der Gesellschaft für bedrohte Völker (Pet. 18.2020) Folge.
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats.

Bericht über die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz (Po. 20.4333)
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Zwar hatte der Ständerat bezüglich des Voranschlags 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 nur wenige Differenzen geschaffen, dennoch mussten beide Räte den Entwurf im Differenzbereinigungsverfahren noch je zweimal beraten, bis eine Einigung erzielt werden konnte.
Bereits in der ersten Runde bereinigte der Nationalrat die Differenzen zu den Sollwerten zum öffentlichen Verkehr sowie zur Zentralen Ausgleichsstelle ZAS, indem er wie vom Ständerat vorgeschlagen auf diese verzichtete. Auch die Meinungsverschiedenheiten bei den Direktzahlungen in der Landwirtschaft konnten in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens behoben werden; hier pflichtete der Nationalrat dem Ständerat gegen den Willen einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) bei und verzichtete auf den Sömmerungsbeitrag an die nachhaltige Schafalpung.
Im Gegenzug zeigte sich der Ständerat in der nächsten Runde mit den höheren Beiträgen für den Kinderschutz einverstanden, nachdem der Nationalrat zuvor an seiner Position festgehalten hatte. Bezüglich der Frage der Umwelttechnologie nahm der Nationalrat in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens einen Kompromissvorschlag an, wonach der Betrag statt auf CHF 7 Mio. auf CHF 5 Mio. aufgestockt werden sollte, wie die FK-SR zuvor erfolglos vorgeschlagen hatte. Eine Erhöhung sei jedoch sinnvoll, da in diesem Bereich die Mittel fehlten, um die zahlreichen Gesuche zur Weiterentwicklung von Umwelttechnologien weiterzuverfolgen, betonte Kommissionssprecher Fischer (glp, LU). Entgegen einer Minderheit Knecht (svp, AG), welche auf dem bundesrätlichen Vorschlag bestand, willigte der Ständerat ein und bereinigte diese Differenz. Ohne Minderheit und somit stillschweigend pflichtete der Nationalrat dem ständerätlichen Vorschlag auf Streichung der CHF 20 Mio. für Härtefälle bei den Geschäftsmieten bei, nachdem das Parlament das neue Geschäftsmietegesetz in der Zwischenzeit versenkt hatte.
Eine weitere Runde dauerte es zur Bereinigung der Fragen im Bildungsbereich. Hier hatten sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat an ihren Positionen festgehalten, solange die BFI-Botschaft noch nicht bereinigt war. Nach deren Abschluss übernahmen die Räte die entsprechenden Entscheidungen in den Voranschlag; der Nationalrat verzichtete beim Finanzierungsbeitrag an den ETH-Bereich und bei Forschungseinrichtungen von nationaler Bedeutung auf die Aufstockung, hielt aber bei den Innovations- und Projektbeiträgen daran fest, was der Ständerat in der Folge bestätigte. In derselben Runde konnte auch die Frage bezüglich der Finanzierung der Regionalflugplätze in den Finanzplanjahren bereinigt werden, nachdem der Nationalrat anstelle seiner Kommission einer Minderheit Gmür (cvp, NR) gefolgt war, welche dem Ständerat und somit der Erhöhung des Kredits beipflichten wollte. Zuvor hatte Gmür die volkswirtschaftliche und sicherheitstechnische Relevanz dieser Flugplätze betont und seine Sympathien für die zusätzlichen Gelder bekundet. Es gehe aber nicht nur darum, die Finanzierung dieser Flugplätze im Voranschlagsjahr zu sichern, sondern auch in den darauffolgenden Jahren, begründete er seinen Antrag.
Als letzte Differenz überdauerte schliesslich die Frage der Finanzierung der internationalen Mobilität in der Bildung die vorangehenden Beratungen. Der Nationalrat blieb bei seiner Entscheidung, die für die Finanzplanjahre für die Vollassoziierung an Erasmus plus erwarteten Kosten bereits in den Finanzplan aufzunehmen, während der Ständerat darauf beharrte, auf einen entsprechenden Finanzbeschluss des Bundesrates zu warten. Ohne grosse Überzeugung empfahl Kommissionssprecher Hegglin (cvp, ZG) dem Ständerat in der letzten Behandlungsrunde des Differenzbereinigungsverfahrens, die entsprechenden Beträge im Finanzplan gutzuheissen. Das sei weder ein Ausgabenbeschluss noch als Präjudiz zu verstehen; sobald der Bundesrat eine entsprechende Botschaft vorgelegt habe, könne man die definitiven Beträge festlegen. Stillschweigend räumte der Ständerat in der Folge auch diese Differenz aus.

Dies war jedoch noch nicht das Ende des Differenzbereinigungsverfahrens, da der Bundesrat Mitte Dezember und damit noch während der Beratung des Voranschlags 2021 in Übereinstimmung mit dem geänderten Covid-19-Gesetz eine vierte Nachmeldung zum Voranschlag vorgelegt und darin den Betrag für die kantonalen Härtefallmassnahmen für Unternehmen von CHF 680 Mio. um CHF 1.25 Mrd. auf CHF 1.9 Mrd. erhöht hatte. Obwohl dieser Budgetposten bereits bereinigt gewesen war, nahmen National- und Ständerat in den letzten Runden des Differenzbereinigungsverfahrens dessen Beratung nach einem Rückkommensbeschluss beider Finanzkommissionen wieder auf. Der Bundesrat beabsichtigte die zusätzlichen Mittel in zwei Tranchen à je CHF 750 Mio., wobei die erste Tranche zu zwei Dritteln vom Bund und zu einem Drittel von den Kantonen finanziert wird, zur Verfügung zu stellen. Die zweite Tranche, die der Bund alleine leistet, soll vorerst «quasi in Reserve behalten» (Fischer: glp, LU) werden. Die FK-NR beantragte zwar mit 22 zu 1 Stimmen deutlich die Annahme der Aufstockung, Fischer betonte aber, dass es diesbezüglich zu ausführlichen Diskussionen gekommen sei. Alternativ müsse man auch über A-Fonds-perdu-Beiträge sowie über eine Wiedereröffnung des Covid-19-Solidarbürgschaftsprogramms nachdenken. Stillschweigend hiessen sowohl National- als auch Ständerat die zusätzlichen Unterstützungsgelder gut und machten damit das eingangs der Session angenommene Notbudget obsolet.

Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 (BRG 20.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Am 14. und 15. Dezember 2020 konnten die beiden Räte bei der BFI-Botschaft 2021-2024 die letzten Differenzen ausräumen. Sie einigten sich auf die Erhöhung des Verpflichtungskredits im Bereich der beruflichen Weiterbildung um CHF 20 Mio. auf insgesamt CHF 255 Mio., wie es der Nationalrat vorgeschlagen hatte. Beim 3R Kompetenzzentrum lenkte der Nationalrat ein und verzichtete auf die von ihm geforderte finanzielle Aufstockung. Das Thema Tierversuche sei für die WBK-NR sehr wichtig, zuerst wolle man aber die Rolle des 3R Kompetenzzentrums detaillierter klären, erläuterte Berichterstatter Wasserfallen (fdp, BE). Zudem begrüsse die Kommission auch die Durchführung eines NFP zu diesem Thema, das der SNF im Jahr 2021 wahrscheinlich lancieren werde.

BFI-Botschaft 2021-2024 (BRG 20.028)

In der Wintersession 2020 beugte sich der Nationalrat ein weiteres Mal über die BFI-Botschaft 2021-2024. Nach dieser Debatte bestanden noch zwei Differenzen zum Ständerat. Die eine betraf den Bereich der beruflichen Bildung, wo der Nationalrat den Verpflichtungskredit um CHF 20 Mio. erhöhen will. Die zweite Differenz betraf die Kredite zugunsten von Forschungseinrichtungen. Hier hielt der Nationalrat an der Aufstockung um CHF 12 Mio. für das 3R Kompetenzzentrum fest.

BFI-Botschaft 2021-2024 (BRG 20.028)

Le Conseil national aurait dû adopter tacitement, en septembre 2020, un postulat de la députée fribourgeoise Christine Bulliard-Marbach (pdc, FR), qui demandait un rapport pour étudier les possibilités d'inscrire dans le code civil la protection des enfants contre la violence dans l'éducation. Le texte, soutenu par le Conseil fédéral, a été combattu par la députée UDC Monika Rüegger (udc, OW), qui estime que les enfants sont déjà suffisamment protégés par le droit existant et que la manière d'éduquer ses enfants ne doit pas être prescrite par une autorité étatique.
Après le débat devenu nécessaire lors de la session d'hiver, l'UDC est le seul parti à avoir refusé le postulat, qui a passé la rampe par 46 voix contre 134 et 3 abstentions.

Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung (Po. 20.3185)

Deutlich kürzer als im Erstrat fiel die Behandlung des Voranschlags 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 im Ständerat aus. Die FK-SR und mit ihr der Ständerat pflichteten den meisten der vom Nationalrat eingefügten Änderungen bei, etwa der Erhöhung verschiedener Kulturbeiträge in Übereinstimmung mit der Kulturbotschaft, der Erhöhung des Kredits des NDB unter gleichzeitiger Reduktion des Betrags für den Rüstungsaufwand oder dem Zahlungskredit für eine Covid-Härtefallhilfe über CHF 680 Mio. als Ergänzung zum gleich hohen Verpflichtungskredit. Anderer Meinung als der Nationalrat war die Kommissionsmehrheit jedoch bezüglich der Ausgaben für die Vollassoziierung an Erasmus plus, für die der Nationalrat höhere Beiträge in den Finanzplanjahren gesprochen hatte. Stillschweigend folgte der Ständerat diesbezüglich dem Bundesrat und verzichtete auf die Aufstockung. Auch mit den Sollwerten zur Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) sowie zum Personenverkehr zeigte sich der Zweitrat nicht einverstanden und strich diese wieder aus den Planungsgrössen. Mehr Diskussionen gab es über die Direktzahlungen in der Landwirtschaft, bei denen die Kommissionsmehrheit dem Bundesrat folgen und auf die Aufstockung verzichten wollte. Eine Minderheit Ettlin (cvp, OW) beantragte hingegen, denselben Betrag bei den Direktzahlungen zu gewähren, wie im Jahr 2019 ausbezahlt worden war, um so «den verbleibenden Bauernfamilien nicht Einkommen wegzunehmen». Der Ständerat folgte der Minderheit Ettlin mit 22 zu 20 Stimmen, lehnte jedoch eine weitere Aufstockung um CHF 1.6 Mio. als Sömmerungsbeiträge an die nachhaltige Schafalpung, wie sie der Nationalrat beschlossen hatte, ab. Zusätzlich erhöhte die kleine Kammer jedoch die Zulagen zur Milchwirtschaft. Den Umwelttechnologiekredit des BAFU, mit dem dieses die Entwicklung von Anlagen und Verfahren zur Verminderung der Umweltbelastung fördern kann, wollte die FK-SR weniger stark erhöhen (auf CHF 5 Mrd.) als zuvor der Nationalrat (CHF 7 Mrd.), aber höher als eine Minderheit Knecht (svp, AG), welche dem Bundesrat folgen wollte (CHF 4 Mrd.). Mit 23 zu 19 Stimmen setzte sich auch hier die Minderheit durch. Eine weitere Differenz wurde beim Kinderschutz geschaffen, den der Nationalrat im Vergleich zum Bundesrat ausbauen wollte und bei dem sich der Ständerat für einen Kompromissvorschlag einer Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) entschied. Damit sollten Organisationen im Bereich Kinderschutz wie Pro Juventute unterstützt werden. Dies sei ein «sehr kleiner Betrag gegenüber den Gesamtausgaben des Bundesamtes für Sozialversicherungen» in einem Bereich, in dem der Handlungsbedarf «nach wie vor gross» sei, betonte die Minderheitensprecherin.
Keine inhaltliche, sondern eine taktische Absicht verfolgte Peter Hegglin (cvp, ZG), der die Ablehnung von drei Aufstockungen von Beträgen im Bildungsbereich durch den Nationalrat beantragte. Hier sollten die Differenzen offengelassen werden, bis die entsprechenden Beträge in der BFI-Botschaft festgelegt worden seien. Deutlich folgte der Ständerat diesem Vorschlag. In einem weiteren Einzelantrag verlangte Hegglin die Streichung der CHF 20 Mio. für Härtefälle bei den Geschäftsmieten, da das Parlament das Geschäftsmietegesetz in der Zwischenzeit verworfen hatte. Der Ständerat folgte ihm ohne Gegenstimme, jedoch mit 8 Enthaltungen.
Vom Nationalrat noch unbeachtet geblieben war die Frage der Regionalflugplätze, für die eine Minderheit Würth (cvp, SG) die Aufstockung des vom Bundesrat vorgeschlagenen Beitrags an die technischen Sicherheitsmassnahmen vorschlug. Da bei Skyguide keine Quersubventionen mehr erlaubt seien, bestehe gemäss Alois Gmür (cvp, SZ) bei den Regionalflugplätzen eine Unterdeckung. Diese wollte Würth durch die Erhöhung des Beitrags in den Finanzplanjahren beheben. In diesem Bereich fänden in Kürze Subventionsüberprüfungen statt, bei denen die Kostenfrage ebenfalls geklärt werden solle, betonte er. Eine Beitragsreduktion im Rahmen des Voranschlags 2021 würde nun die Subventionsprüfung präjudizieren, befürchtete Würth. Finanzminister Maurer bat in der Folge darum, die entsprechende Entwicklung im Folgejahr abzuwarten. Mit 23 zu 19 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Minderheit.
Nachdem der Ständerat dem Vorschlag von Bundesrat und Nationalrat, einen Teil der Corona-bedingten Mehrkosten als ausserordentliche Ausgaben zu verbuchen, stillschweigend beigepflichtet hatte, nahm die kleine Kammer den Entwurf des Voranschlags in der Gesamtabstimmung einstimmig (mit 40 zu 0 Stimmen) an, genauso wie auch die übrigen Bundesbeschlüsse zu den Planungsgrössen, Finanzplanjahren, zum Bahninfrastrukturfonds und zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds.

Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 (BRG 20.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits