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Im Dezember 2021 gab das Kunstmuseum Bern bekannt, dass zwei Kunstwerke aus der umstrittenen Gurlitt-Sammlung an die ursprünglichen Besitzenden zurückgegeben werden. Dies sorgte für mediale Reaktionen, da gemäss Schweizer Gesetzgebung eine Restitution von Kulturgütern nur dann zwingend ist, wenn die Provenienzforschung eindeutig aufzeigen konnte, dass es sich bei den betreffenden Werken um sogenannte NS-verfolgungsbedingte Raubkunst handelte. Eine lückenhafte Provenienzforschung verhinderte jedoch eine solche abschliessende Beurteilung bei den betreffenden Werken der Gurlitt-Sammlung, wie die Zeitung «Der Bund» berichtete. Dass sich das Kunstmuseum trotzdem für eine Restitution entschied, lobten die Medien als klare Haltung – der Raubkunstexperte Thomas Buomberger sprach gegenüber dem Blick gar von einem «Paradigmenwechsel».

Gurlitts Kunstsammlung

In seinem Bericht zu den parlamentarischen Vorstössen im Jahre 2020 (BRG 21.006) beantragte der Bundesrat die Abschreibung der Motion Jositsch (sp, ZH) zum Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt. Zu diesem Zweck war 2017 ein Aktionsplan mit 26 Massnahmen erarbeitet, verabschiedet und mit einer Impulsfinanzierung von CHF 5 Mio. unterstützt worden. 2019 war zudem die Verordnung über Massnahmen zur Unterstützung der Sicherheit von Minderheiten mit besonderen Schutzbedürfnissen (SR 311.039.6) in Kraft getreten. Damit seien die Forderungen der Motion erfüllt worden. Der Ständerat nahm den Antrag des Bundesrates in der Sommersession 2021 kommentarlos an.
Da bloss Abklärungen vorgenommen worden und noch keine konkrete Umsetzung erfolgt sei, beantragte die SiK-NR im Zweitrat hingegen, die Motion zu gegebenem Zeitpunkt nicht abzuschreiben. Der Nationalrat folgte seiner Kommission und lehnte die Abschreibung ab. In der Differenzbereinigung im Herbst stimmte der Ständerat schliesslich dem Nationalrat zu, womit die Motion noch nicht abgeschrieben wurde.

Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt (Mo. 16.3945)

In Erfüllung des 2019 überwiesenen Postulats Rechsteiner (sp, SG) veröffentlichte der Bundesrat Anfang Juni 2021 einen Bericht zur Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Darin anerkannte die Regierung den Wert und die praktische Relevanz der rechtlich nicht bindenden Definition «als Leitfaden für die Identifikation antisemitischer Vorfälle». Sie könne insbesondere als Ausgangspunkt dienen, um spezifische, auf den jeweiligen Anwendungsbereich und -zweck ausgerichtete Definitionen zu verfassen. Allerdings erachtete der Bundesrat eine explizite Bestätigung der Definition durch die Schweizer Behörden als nicht angezeigt, weil es sich um einen nicht bindenden internationalen Text handle. Bei der Verwendung der Definition müsse überdies darauf geachtet werden, dass die Meinungsfreiheit gewahrt werde; Kritik an der israelischen Politik müsse beispielsweise – auch in einem politisch heiklen Kontext – frei geäussert werden können. Es seien in diesem Sinne immer alle Bestandteile der Definition – sie umfasst neben der Basisdefinition auch Erläuterungen, Erklärungen und Beispiele – heranzuziehen sowie situativ und kontextuell zu beurteilen. In der Rechtsprechung könne die Anwendung der Definition «helfen, mögliche Verschleierungsstrategien zu entlarven, und dazu führen, dass antisemitische Motivationen bei der Strafverschärfung berücksichtigt werden». Im zweiten Teil des Berichts betrachtete die Regierung die Politik und Massnahmen gegen Antisemitismus auf nationaler und internationaler Ebene und formulierte eine Reihe von konkreten Empfehlungen, um gesamtschweizerisch noch umfassender und konsequenter gegen Antisemitismus vorzugehen. Demnach wünschte sich der Bundesrat eine bessere Koordination von Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene durch die Klärung von Verantwortlichkeiten, die Stärkung des Austauschs und die Förderung einer gemeinsamen strategischen Planung. Auf Bundesebene betraute er die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) mit der Umsetzung.

Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (Po. 19.3942)

In seinem jährlichen Antisemitismusbericht sammelt und analysiert der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 2008 antisemitische Vorfälle aus der deutschsprachigen, rätoromanischen und italienischsprachigen Schweiz. Die Vorfälle sammelt der SIG zum einen über eine interne Meldestelle, andererseits werden auch Fälle aufgenommen, über welche die Medien berichten, sowie vom SIG im Internet selbst recherchierte Fälle. Als Grundlage nutzt der SIG dabei die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Für die Westschweiz erstellt die CICAD einen eigenen Antisemitismusbericht, der jedoch methodisch vom Bericht des SIG abweicht.

Im Jahr 2021 verzeichnete der Antisemitismusbericht einen deutlichen Anstieg an antisemitischen Vorfällen. So kam es insgesamt zu 859 gemeldeten oder beobachteten Fällen von Antisemitismus – dies beinhaltete Übergriffe in der realen, aber auch der digitalen Welt, wobei letztere mit 806 Fällen deutlich die Mehrheit bildeten. In der Mehrheit der Fälle – nämlich in 95.5 Prozent der Fälle – handelte es sich um antisemitische Aussagen, die restlichen 4.5 Prozent der Fälle setzten sich aus Beschimpfungen (2.0%), Karikaturen (1.2%), Schmierereien (0.8%), Auftritten (0.3%) und Sachbeschädigungen (0.1%) zusammen. In der Westschweiz kam es gar zu zwei körperlichen Angriffen auf jüdische Menschen, wie der CICAD-Bericht zeigte. Dabei kam es im Jahr 2021 aufgrund von Strafanzeigen durch den SIG und der GRA zu insgesamt sechs Verurteilungen gegen rechtsextreme und antisemitische Personen. Inhaltlich standen antisemitische Verschwörungstheorien (48.4%) und Fälle des allgemeinen Antisemitismus, also die Verbreitung von antisemitischen Stereotypen (38.5%) im Zentrum. Dazu kam noch Israel-bezogener Antisemitismus (8.6%) und Leugnung oder Banalisierung des Holocaust (4.5%).

Gemäss Bericht können jeweils sogenannte «Trigger» ausgemacht werden, die zu einer Häufung von antisemitischen Vorfällen führen. Für das Jahr 2021 hätten etwa Diskussionen um ein Schweizer Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus oder die Eskalation des Israel-Palästina-Konflikts solche Trigger dargestellt und insbesondere zu einem deutlichen Anstieg des Israel-bezogenen Antisemitismus in der Schweiz geführt. Doch der mit Abstand grösste Trigger sei wie bereits im Vorjahr die Covid-19-Pandemie gewesen, die über das ganze Jahr hinweg zu Verschwörungstheorien geführt habe. Jedoch seien die antisemitischen Verschwörungstheorien bei den Schweizer Gegnerinnen und -gegnern der Corona-Massnahmen nach wie vor nicht mehrheitsfähig. Zugenommen hätten zudem die Vergleiche der Massnahmen gegen Covid-19, insbesondere des Covid-Zertifikats, mit dem Holocaust. Obwohl der SIG diesen Vergleich als «absolut abstossend» erachte, fliessen diese Fälle jedoch nicht als Antisemitismusfälle in die Statistiken ein, da sie gemäss der verwendeten IHRA-Antisemitismusdefinition nicht automatisch antisemitisch seien – auch wenn sie wegen einer Verharmlosung des Holocaust und dessen Folgen gefährlich seien.

Der Bericht schloss mit diversen Empfehlungen und identifizierte fünf Handlungsfelder, um einer weiteren Zunahme von Antisemitismus entgegenzuwirken. So solle der Bund etwa für eine bessere Datenlage sorgen oder soziale Medien sollten vermehrt in die Verantwortung gezogen werden, damit antisemitische Aussagen auf ihren Plattformen durch gute Moderation besser erkannt und gelöscht werden könnten. Der SIG führte gemäss Bericht auch eigene Präventionsmassnahmen durch, etwa Schulbegegnungen und Aufklärung rund um das Judentum. Zudem startete 2021 ein Pilotprojekt mit der Schweizer Armee, um für Diversität und Inklusion zu sensibilisieren.

Auch in den Medien wurde der Antisemitismus thematisiert. So berichteten die Medien etwa, dass der SIG Strafanzeige gegen die PNOS eingereicht hatte. Diese hatte in ihrem Parteimagazin Teile der «Protokolle der Weisen von Zion», einer der gemäss SIG am weitesten verbreiteten antisemitischen Hetzschriften weltweit, veröffentlicht. Nachdem im März 2021 antisemitische Aussagen und Symbole an der Synagoge in Biel angebracht worden waren, forderten der SIG sowie Mitglieder des Berner Kantonsrats gemäss Medien, dass der Kanton Bern seine Bemühungen zum Schutz der jüdischen Gemeinschaft erhöhe. In den vergangenen zwei Jahren habe sich gezeigt, dass die CHF 500'000, welche der Bund für Sicherheitsmassnahmen für bedrohte Minderheiten gesprochen hatte, nicht ausreichten. Das Budget sei in den letzten beiden Jahren jeweils ausgeschöpft worden, wobei nicht alle Anträge hätten genehmigt werden können – für 2022 seien insgesamt Anfragen in der Höhe von CHF 1 Mio. eingegangen.

Antisemitismus 2021

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung

Die innere und äussere Sicherheit der Schweiz waren im Kapitel Rechtsordnung aufgrund der fortwährenden internationalen Terrorismusgefahr auch 2020 dominante Themen. So verabschiedeten die eidgenössischen Räte gleich drei Gesetzesvorlagen zur Umsetzung der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Erstens wurden mit der Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus und das dazugehörige Zusatzprotokoll umgesetzt. Damit sind neu bereits bestimmte Handlungen im Vorfeld eines geplanten terroristischen Aktes strafbar, insbesondere das Anwerben und Ausbilden von Terroristinnen und Terroristen, das Reisen für terroristische Zwecke (sog. Dschihadreisen) und die entsprechende Finanzierung. Das Vorläuferstoffgesetz reguliert zweitens den Zugang von Privatpersonen zu bestimmten Chemikalien, die zur Herstellung von Sprengstoff missbraucht werden können. Das dritte und umstrittenste der drei neuen Antiterrorgesetze war das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT), auf dessen Grundlage die Polizei präventiv gegen terroristische Gefährderinnen und Gefährder vorgehen kann. Die PMT umfassen unterschiedlich starke Freiheitseinschränkungen von einer Meldepflicht bis zum Hausarrest und können gegen potenziell gefährliche Personen verhängt werden. Die Gegnerschaft sah damit den Rechtsstaat in Gefahr, weil die betroffenen Personen keine Straftat begangen hätten und die Massnahmen aufgrund blosser Indizien angeordnet würden. Die Jungen Grünen, die Juso und die Junge GLP ergriffen zusammen mit der Piratenpartei und dem Chaos Computer Club das Referendum gegen das Gesetz und begannen im Oktober mit der Unterschriftensammlung. Neben dem Parlament beschäftigte sich auch das Bundesstrafgericht mit der terroristischen Bedrohung, indem es mehrere Prozesse wegen der Unterstützung terroristischer Aktivitäten führte.

Unabhängig von der spezifisch terroristischen Bedrohung trieb das Parlament die Informationssicherheit des Bundes weiter voran, indem es die bereits 2017 begonnenen Beratungen zum Informationssicherheitsgesetz fortführte und in der Wintersession 2020 zum Abschluss brachte. Im Februar erschütterte überdies die sogenannte Crypto-Affäre die Schweizer Politlandschaft, als bekannt wurde, dass die Zuger Firma Crypto AG über Jahrzehnte von der CIA und dem BND manipulierte Chiffriergeräte in alle Welt verkauft hatte. Über Wochen wurde in den Medien gemutmasst, wer wie viel darüber wusste, welche Rolle der NDB, die Armee, die Bundesanwaltschaft, das Fedpol und der Bundesrat gespielt hatten und inwiefern sich die Schweizer Behörden und einzelne Führungsfiguren damit zu Komplizen ausländischer Nachrichtendienste gemacht hatten. Die ausgiebige Berichterstattung liess die Anzahl Zeitungsartikel im Themenbereich innere und äussere Sicherheit im Februar denn auch markant nach oben schnellen, während er über das ganze Jahr 2020 im Vergleich mit den Vorjahren medial eher schwach abgedeckt war (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat und Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Das Ansinnen der Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion, zur Aufarbeitung der Ereignisse rund um die Crypto AG eine PUK einzusetzen, scheiterte vorerst am Widerstand des Büros-NR, das den beiden entsprechenden parlamentarischen Initiativen im November keine Folge gab. Es erachtete die Untersuchung der GPDel, die kurz zuvor ihren Bericht veröffentlicht hatte, als ausreichend.

Im Bereich Strafrecht schlossen die eidgenössischen Räte den ersten Teil der Revision der Strafprozessordnung ab. Die Bestimmungen zur Sicherheitshaft wurden infolge einer Verurteilung der Schweiz durch den EGMR als dringend revidierungsbedürftig eingestuft und der Revision der gesamten Strafprozessordnung deshalb zeitlich vorgezogen. Auch zum zweiten laufenden, umfassenden Revisionsprojekt im Strafrecht, der Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (BT), nahm das Parlament die Beratungen in Angriff. Hauptbestandteil der BT-Revision bildet die Harmonisierung der Strafrahmen, mit der die im Strafgesetzbuch aus den 1940er-Jahren angedrohten Strafen mit den heutigen Werthaltungen in Einklang gebracht und deren Verhältnis zueinander neu ausgelotet werden sollen. Die von der Öffentlichkeit mit Spannung erwartete Anpassung der sexualstrafrechtlichen Normen wurde vorerst jedoch weiter aufgeschoben, da der Ständerat diese Bestimmungen im Einvernehmen mit dem Bundesrat in einen separaten Entwurf auslagerte, der zuerst noch in die Vernehmlassung gegeben werden soll.

Im Bereich Zivilrecht verabschiedete das Parlament sowohl die erste Etappe der Erbrechts-Revision, mit der durch die Verkleinerung der Pflichtteile die Verfügungsfreiheit von Erblasserinnen und Erblassern erhöht wird, als auch die Änderung des Zivilgesetzbuches zur einfacheren Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister für Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung. Betreffend das internationale Privatrecht wurden die Normen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit modernisiert, um die Schweiz als internationalen Schiedsplatz attraktiv zu halten.

Mit dem Datenschutzgesetz fand ein weiteres, grosses Gesetzgebungsprojekt 2020 seinen Abschluss. Knapp vier Jahre nach dem Beginn der Vernehmlassung und drei Jahre nach Beginn der parlamentarischen Beratung stimmten die eidgenössischen Räte dem Antrag der Einigungskonferenz zu und brachten damit das hart umkämpfte Geschäft in trockene Tücher. Umstritten waren vor allem die Voraussetzungen, unter denen das sogenannte Profiling, d.h. die Verknüpfung von Daten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, zulässig ist. Im Sinne eines Kompromisses setzte sich ein risikobasierter Ansatz durch, der strengere Voraussetzungen, wie beispielsweise die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person, stellt, wenn die Datenverknüpfung die Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit der betroffenen Person ermöglicht. Damit hat die Schweiz nun ein modernes Datenschutzrecht, das nach Einschätzung des Bundesrates und des Parlaments dem Datenschutzniveau der EU gleichwertig sein sollte. Der diesbezügliche Äquivalenzbeschluss, der wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen hing und der eigentlich für 2020 angekündigt war, ist indes noch ausstehend.

Die Corona-Krise wurde im Kapitel Rechtsordnung vor allem in zwei Dimensionen sichtbar. Einerseits wurde die Einführung der Corona-Warn-App «SwissCovid» von einer ausführlichen Datenschutz-Diskussion begleitet. Andererseits gab es im ganzen Land zahlreiche Demonstrationen gegen die und trotz der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Gegen die Corona-Massnahmen wurde ab Anfang Mai demonstriert, weil sich die Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten eingeschränkt sahen, nicht zuletzt gerade durch das Versammlungsverbot. Menschen, die nicht an die Gefährlichkeit des Virus glaubten, wehrten sich so gegen die aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Freiheitsbeschränkungen. Der Pandemie zum Trotz demonstrierten im Juni – in Folge der antirassistischen Proteste in den USA als Reaktion auf den durch Polizeigewalt verursachten Tod des Afroamerikaners George Floyd – auch in den Schweizer Städten Tausende unter dem Motto «Black Lives Matter». Die Ereignisse lösten eine grosse gesellschaftliche Debatte über strukturellen Rassismus in der Schweizer Gesellschaft aus, die sich um systematische Benachteiligung nichtweisser Menschen, Polizeigewalt und Racial Profiling, und nicht zuletzt auch um die umstrittene Bezeichnung einer Süssigkeit drehte. Diese Debatte machte zusammen mit der Grundrechtsdiskussion um die Corona-Massnahmen die Bürgerrechte über den Sommer zum in der Presse meistdiskutierten Themenfeld des Kapitels Rechtsordnung (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Über das ganze Jahr zeichnete zudem der Themenbereich innere Konflikte und Krisen für einen deutlich höheren Anteil an der Zeitungsberichterstattung verantwortlich als in den Vorjahren (vgl. Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr).

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2020

In seinem jährlichen Antisemitismusbericht sammelt und analysiert der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 2008 antisemitische Vorfälle aus der deutschsprachigen, rätoromanischen und italienischsprachigen Schweiz. Die Vorfälle sammelt der SIG zum einen über eine interne Meldestelle, andererseits werden auch Fälle aufgenommen, über welche die Medien berichten, sowie vom SIG im Internet selbst recherchierte Fälle. Als Grundlage nutzt der SIG dabei die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance. Für die Westschweiz erstellt die CICAD einen eigenen Antisemitismusbericht, der jedoch methodisch vom Bericht des SIG abweicht.

Im Antisemitismusbericht für das Jahr 2020 verzeichnete der SIG insgesamt 532 klar antisemitische Vorfälle (grenzwertige Fälle: 126). 47 der Vorfälle fanden in der «realen» Welt statt, die restlichen 485 Vorfälle wurden online verzeichnet. Am verbreitetsten waren antisemitische Aussagen (92.3%), Schmierereien (2.8%), Karikaturen (2.4%) und Beschimpfungen (2.3%). Im Vergleich zum Vorjahr nahmen sowohl der Anteil antisemitischer Verschwörungstheorien (2020: 46.7%, 2019: 36.5%) als auch der allgemeine Antisemitismus, welcher die Verbreitung von stereotypischen Bildern über die jüdische Gemeinschaft umfasst (2020: 36.9%, 2019: 29%) und Leugnungen oder Banalisierungen des Holocaust (2020: 4.7%, 2019: 3.5%) zu. Israel-bezogener Antisemitismus wurde dagegen weniger erfasst (2020: 11.7%, 2019: 31.0%), was der SIG darauf zurückführte, dass auf Grund der Covid-19-Pandemie der Fokus in den Medien weniger auf dem Nahostkonflikt gelegen habe.

Da in den sozialen Medien teilweise unter echtem Namen strafrechtliche Aussagen gemacht wurden, reichte der SIG insgesamt fünf Strafanzeigen ein. Einem spezifischen Milieu könnten die Täterinnen und Täter derweil gemäss Bericht nicht zugeteilt werden – von rechts- bis linksextremen Personen, radikalen Tierschützerinnen und -schützern, Islamgläubigen oder eben auch von Personen aus der «Mitte der Gesellschaft» sei es im Netz zu Antisemitismus gekommen.

Genauer untersuchte der SIG die Verschwörungstheorien, von denen während der Covid-19-Pandemie eine Vielzahl entstanden war – wie etwa, dass jüdische Personen das Virus absichtlich in die Welt gesetzt hätten. Jedoch seien diese Meinungen gemäss Bericht innerhalb der Gruppierungen der Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen nicht mehrheitsfähig. Zudem wehrte sich der SIG gegen die Instrumentalisierung und Verharmlosung des Holocaust durch Mitglieder dieser Gruppierungen, als sie beispielsweise Parallelen zwischen den Massnahmen gegen die Pandemie und dem Holocaust zogen.

Neben dem SIG-Bericht veröffentlichte die ZHAW in Zusammenarbeit mit der GRA eine Studie zur Wahrnehmung von Antisemitismus in der Schweiz durch Jüdinnen und Juden. Gemäss der Befragung von 487 Jüdinnen und Juden sei ein Grossteil der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz mit Antisemitismus konfrontiert: 50 Prozent gaben an, in den letzten fünf Jahren Antisemitismus erfahren zu haben, 75 Prozent nahmen Antisemitismus in der Schweiz als ein zunehmendes Problem wahr. Die Studie kam weiter zum Schluss, dass die Angriffe mehrheitlich online stattfinden und Antisemitismus aus der «Mitte der Gesellschaft» komme. Insbesondere streng-orthodoxe Jüdinnen und Juden seien regelmässig Opfer von Angriffen. Diese Angst wirke sich konkret auf das Leben der jüdischen Menschen in der Schweiz aus, indem beispielsweise ein Drittel der Befragten aus Angst vor Übergriffen auf dem Hinweg jüdische Veranstaltungen meiden würden.
Der SIG betonte, dass er von einer grossen Dunkelziffer ausginge, da für den eigenen Bericht beispielsweise nicht das gesamte Internet nach Antisemitismus durchsucht werden könne und nicht alle betroffenen Personen nach einem antisemitischen Angriff eine Anzeige erstatten würden. Die Studie der ZHAW konnte hier etwas Licht auf die Dunkelziffer werfen. So gaben etwa 75 Prozent der Befragten an, dass sie Übergriffe wie Belästigungen oder Beleidigungen vielfach nicht melden würden. Bei Sachbeschädigungen oder physischer Gewalt liege die Meldequote dagegen bei 71.4 Prozent, respektive 63.6 Prozent. Dirk Baier, Leiter der ZHAW-Studie, hielt in der Medienmitteilung zur Studie fest, dass es zentral sei, dass der Bund die Sicherheitssorgen wahrnehme und in einen Dialog mit den jüdischen Gemeinschaften trete, um entsprechende Lösungen für deren Sicherheit zu suchen.

Antisemitismus 2020

En 1945, au sortir de la Seconde Guerre mondiale, la Suisse a accueilli de jeunes juifs et juives rescapé.e.s des camps de concentration. Inspirée de ces événements, l'intrigue de la série «Frieden» – «Le Prix de la paix» en français – se déroule dans un foyer où sont hébergés des survivants du camp de concentration de Buchenwald. Diffusée en novembre 2020 sur les chaînes nationales, cette série historique dévoile un pan méconnu de l'histoire suisse. Les trois personnages principaux incarnent les paradoxes auxquels furent confrontés la population et les autorités de l'époque. Klara, enseignante dans le foyer, partage le quotidien des survivants des camps de concentration. Afin de remettre l'entreprise familiale sur les rails, son mari Johann Leutenegger doit engager un chimiste allemand au passé obscur, relié au régime nazi. Des nazis que traque avec ardeur Egon, le frère de Johann. Employé par la Confédération, il cherche à amener devant la justice les anciens criminels de guerre qui se cachent sous de fausses identités en Suisse. Pour créer la série au plus gros budget jamais réalisée en Suisse, la scénariste Petra Volpe – réalisatrice de «l'ordre Divin» – a effectué des recherches historiques approfondies, s'appuyant notamment sur les publications de la commission Bergier au sujet de la politique d'asile de la Confédération pendant et après la Seconde Guerre mondiale.
Un regard critique est porté sur l'accueil des rescapé.e.s, qui résulterait surtout d'un calcul politique pour figurer dans les bons papiers des Alliés, vainqueurs de la guerre. Officiellement, c'était pour faire honneur à sa longue tradition humanitaire que la Suisse avait accepté d'accueillir des enfants. Les «Buchenwaldkinder» – 374 jeunes garçons juifs arrivés en juin 1945 – avaient cependant entre 16 et 22 ans, ce à quoi les structures d'accueil n'étaient pas préparées. D'abord mis en quarantaine, les jeunes gens furent ensuite placés dans des foyers et des camps, parfois sous surveillance militaire. Un accueil chaotique dans un environnement où l'antisémitisme était encore latent. Dans le même temps, il est avéré que de nombreux membres du régime nazi ont au moins momentanément trouvé refuge en Suisse dans leur fuite pour échapper à la justice.
L'histoire du chimiste allemand engagé par une entreprise suisse repose également sur une histoire vraie. L'entreprise Ems-Chemie, qui n'était à l'époque pas encore propriété de la famille Blocher, produisait durant la guerre des carburants synthétiques subventionnés par la Confédération pour faire face à la pénurie d'essence. Obligée de se réinventer après la guerre, l'entreprise engagea le chimiste Johann Giesen, qui occupait auparavant une fonction dirigeante dans une firme du régime nazi. Ses compétences permirent le développement de la production de fibres synthétiques, sauvant plus de 1000 emplois. Malgré son passé obscur, le chimiste n'a jamais été condamné et il travailla même avec les Alliés. Son arrivée en Suisse fût par ailleurs rendue possible par Robert Grimm, un influent politicien socialiste et anti-fasciste notoire, qui le mit en contact avec Werner Oswald, le fondateur d'Ems-Chemie. De telles collaborations furent fréquentes après la guerre. La Sonntagszeitung rappelle en effet que les américains et les russes engagèrent eux-mêmes de nombreux scientifiques nazis.

Si la série a été globalement bien reçue, certaines critiques lui ont néanmoins été adressées. La Sonntagszeitung lui reproche notamment son ton accusateur, présentant la Suisse comme un pays «sans coeur et opportuniste, où les criminels nazis en fuite vivaient en toute tranquillité dans des hôtels de luxe, tandis que les enfants sans défense des camps de concentration n'avaient droit qu'à un maigre séjour – et encore, c'était à des fins de relations publiques, afin de mieux paraître.» Ici se pose la question de la perception actuelle des événements survenus au siècle passé. S'il paraît aujourd'hui inacceptable que de jeunes gens traumatisés aient été placés dans des camps et traités avec une sévérité militaire, le journaliste de la Sonntagszeitung Rico Bandle rappelle que cela correspondait à la façon dont les juifs étaient traités dans toute l'Europe après la libération par les Alliés. Cela justifie-il pour autant la manière de faire des autorités suisses?
Dans son livre «Buchenwaldkinder – eine Schweizer Hilfsaktion», Madeleine Lerf s'est intéressée au destin des rescapés. Leur séjour en Suisse, qui devait initialement durer six mois, a ensuite été rallongé à un an, la plupart d'entre eux étant des apatrides n'ayant nulle part où aller. La Suisse avait développé sa politique d'accueil pendant la Seconde Guerre mondiale sur le principe de la transmigration, qui permettait aux réfugié.e.s d'être hébergé.e.s pour une durée limitée, sans droit de séjour. Ce principe, maintenu après la guerre, s'est donc appliqué au groupe de Buchenwald. Une partie d'entre eux est finalement partie en Israël, avec l'aide d'organisations juives. D'autres ont rejoint des parents aux États-Unis ou en Australie, alors qu'une trentaine de personnes ont pu rester en Suisse, car elles souffraient de la tuberculose ou avaient des parrains. Par ailleurs, selon des sondages effectués plus tard, les enfants de Buchenwald ont malgré tout majoritairement gardé des souvenirs positifs de leur séjour en Suisse.

Série Frieden

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen

2019 war hinsichtlich der Kultur-, Sprach- und Kirchenpolitik vergleichsweise ein eher moderater Jahrgang, sowohl im Vergleich zu anderen Politikbereichen, als auch im direkten Vergleich zu den Vorjahren. Eine APS-Zeitungsanalyse zeigt auf, dass alle drei Politikbereiche von einem rückläufigen Trend betroffen sind, wobei sich dieser besonders in der Medienberichterstattung zur Kirchen- und Religionspolitik am stärksten zeigt – hier hat sich der Anteil themenspezifischer Artikel seit 2016 nahezu halbiert. Im Jahresverlauf wurden über die drei Themenbereiche betrachtet unterschiedliche Entwicklungen ersichtlich: Während die Sprachthemen auf nationaler Ebene offensichtlich im Allgemeinen wenig Beachtung fanden, wurden kirchenpolitische Themen besonders Anfangs und Ende Jahr stark diskutiert und fielen dann dem obligaten «Sommerloch» zum Opfer. Die Kulturpolitik hingegen sah sich mit einem regelrechten «Sommerhoch» konfrontiert, nachdem es ab März 2019 eher ruhig geworden war.

Das Hauptaugenmerk der Parlamentarierinnen und Parlamentarier lag 2019 hinsichtlich der kulturpolitischen Entwicklungen mit Sicherheit auf der Revision des Schweizer Urheberrechts. Nach rund 7-jähriger Vorarbeit und einer vom Ständerat im Frühjahr 2019 zwecks Sondierung der Lage des europäischen Urheberrechts auferlegten Rückweisung, wurden im Sommer schliesslich die Weichen gestellt und das Gesamtpaket im Herbst gebündelt. Da die angestrebte Revision Einfluss auf verschiedene Bereiche hat, blieben die negativen Reaktionen indes nicht aus; deshalb ist es auch wenig erstaunlich, dass kurz nach der Schlussabstimmung bereits das Referendum ergriffen wurde. Ob die URG-Revision effektiv gelungen ist, wird sich Mitte Januar 2020 zeigen, wenn die Referendumsfrist abgelaufen ist.
Die Ratifizierungen internationaler Abkommen wie des Übereinkommens über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes und des Rahmenübereinkommens des Europarats über den Wert des Kulturerbes standen hingegen ausser Diskussion.
Ein anderer Fokus wurde im Kulturjahr 2019 wiederum auf die Kulturförderung gelegt. Im Frühjahr wurde die Kulturbotschaft 2021–2024 in die Vernehmlassung geschickt und bis im September zur Stellungnahme freigegeben. Der Ergebnisbericht lag Ende Jahr zwar noch nicht vor, jedoch geben die im Verlauf des Jahres gefällten Entscheide zu diversen Vorstössen mit Referenz auf die Kulturbotschaft (Kulturabgeltung an die Stadt Bern, Einführung eines schweizerischen Jugendkulturgutscheins, Auswirkungen der Urbanisierung auf die Kulturförderung, Aufgabenteilung zwischen SBFI und BAK, Erhöhung des Kredits für die Förderung des Sprachaustausches) einen ersten Hinweis auf mögliche Herausforderungen hinsichtlich der weiteren Beratungen .
Auch im Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege blieben die Institutionen nicht untätig. So wurde eine Motion Regazzi (cvp, TI; Mo. 17.4308), die eine Anpassung der Bewertungskriterien für die ISOS-Aufnahme verlangte, stillschweigend angenommen und die Vernehmlassungsergebnisse zur Totalrevision des VISOS vielen mehrheitlich positiv aus, was auf ein Inkrafttreten der revidierten Verordnung auf den 1. Januar 2020 hindeutete.
In der ausserparlamentarischen Debatte fand das Fête de Vignerons, das drei Jahre nach seiner Aufnahme ins UNESCO Weltkulturerbe und 20 Jahre nach der letzten Austragung neuerlich in Vevey (VD) stattfand, grosse Beachtung – leider aufgrund der finanziellen Bruchlandung nicht nur positive. Ein wiederkehrendes Thema war 2019 auch die Raubkunst, wobei der Fokus in diesem Jahr auf den afrikanischen Kontinent und die im Kontext der Kolonialisierung erbeuteten Schätze gerichtet wurde. Auch das Volk der Fahrenden war 2019 insbesondere in den Kantonen ein Thema, da sich die Frage der Durchgangsplätze nicht nur im Kanton Bern aufgetan hatte.

Im Bereich der Sprachpolitik standen in diesem Jahr die Mehrsprachigkeit und damit zusammenhängend die Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften sowie der Erhalt des Rätoromanischen im Fokus. So forderte eine Motion Bourgeois (fdp, FR; Mo. 17.3654), dass öffentliche Ausschreibungen des Bundes künftig in den wichtigsten Landessprachen zu erfolgen hätten, und eine Motion Gmür-Schönenberger (cvp, LU; Mo. 18.4156), dass TV-Produktionen nicht mehr synchronisiert, sondern sowohl Eigenproduktionen in den Landessprachen, als auch englischsprachige Produktionen in der Originalsprache ausgestrahlt und lediglich noch untertitelt werden sollen.
Mit dem Begehen der 100-Jahr-Feier der Lia Rumantscha wurden indes Bestrebungen aufgezeigt, das Rätoromanische wieder mehr aufs Parkett zu bringen und insbesondere auch einem Publikum ausserhalb des Bergkantons ins Gedächtnis zu rufen. Nicht zuletzt seit einem im Frühjahr erschienene Bericht des ZDA war deutlich geworden, dass es für das Rätoromanische in der Schweiz fünf vor zwölf geschlagen hat.

In Bezug auf kirchen- und religionspolitische Themen stand in diesem Jahr die SVP mit ihren islamkritischen Parolen auf prominentem Parkett. Mit ihrem Vorstoss zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams war sie im Parlament zwar gescheitert, generierte aber mit den daraus resultierenden Wahlplakaten des der SVP nahestehenden Egerkinger-Komitees im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 ein grosses Medienecho. Auch die Motion Wobmann (svp, SO; Mo. 17.3583), die ein Verbot der Verteilaktion «Lies!» zum Ziel hatte, scheiterte – nach einer rund 1.5-jährigen Sistierung – am Ständerat. Wie eine bereits im Sommer veröffentlichte Studie aufzeigte, nahm die SVP auch in den Kantonen eine dominante Rolle in der Religionsdebatte ein. So war es nur wenig erstaunlich, dass die Anfangs Jahr neuerlich aufkommende Frage, ob man als guter Christ noch die SVP wählen dürfe, wieder zu diskutieren gab; nicht zuletzt, weil damit auch verschiedentliche Kirchenaustritte – nebst den ohnehin zunehmenden Kirchenaustritten – von SVP-Politikerinnen und -Politikern einhergingen, welche sich lieber dem Churer Bischof Huonder zuwenden wollten. Dieser seinerseits wurde schliesslich nach zweijährigem Aufschub zu Pfingsten Abberufen, nutzte die Zeit bis dahin aber für einen Rundumschlag gegen die Landeskirchen und stellte sich noch immer quer zu den Missbrauchsvorwürfen in der Kirche.
Wie sich die Kirche zum Staat verhalten soll und in welchem Masse sich Theologen in die politische Debatte einbringen dürfen, wurde seit Anfang Jahr im Rahmen eines von Gerhard Pfister (cvp, ZG) neu gegründeten Think-Tanks «Kirche/Politik» erläutert.
Eine für viele eher überraschende Kunde kam im Herbst von Seiten der reformierten Kirchen: Diese hatten sich nach langen Diskussionen für die «Ehe für alle» ausgesprochen, wobei sie im Wissen um die konservativen Kräfte innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Gewissensfreiheit der Pfarrpersonen gewährleisten wollten. Unerfreulich waren 2019 die Meldungen über die Rückkehr und rasche Zunahme des Antisemitismus in der Schweiz.

Die 2019 im Vorfeld des angekündigten Frauenstreiks virulent diskutierte Genderthematik fand ihren Einzug auch im Bereich der Kultur, Sprache und Kirche. So wurden Frauen, und spezifisch ihr Schaffen und ihre Stellung in der Kunst und Kultur, wesentlich stärker thematisiert als in den vergangenen Jahren. Auch die Diskussion um gendergerechte Sprache wurde in diesem Jahr wieder virulenter aufgegriffen. Besonders überraschend kam auch die Ankündigung der Kirchenfrauen, sich am diesjährigen Frauenstreik zu beteiligen, um ein Zeichen gegen die männliche Dominanz innerhalb der Institution zu setzen.

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2019

Anfangs Oktober 2019 gab der Bundesrat in einer Medienmitteilung bekannt, dass sich der Bund neu pro Jahr mit bis zu CHF 500'000 an den Sicherheitskosten von «besonders gefährdeten Minderheiten» beteiligen wird. Die entsprechende Verordnung sei auf ein Konzept des Sicherheitsverbundes Schweiz (SVS) zurückzuführen. Die Gelder sollen gemäss Medienmitteilung für Massnahmen eingesetzt werden, mit denen Straftaten verhindert werden können – wie beispielsweise durch die Installation von Überwachungskameras –, jedoch nicht für Sicherheitspersonal. Um Unterstützungsleistungen zu erhalten, wird nebst einem erhöhten Sicherheitsrisiko verlangt, dass die Minderheitsgruppen über eine «gefestigte Bindung zur Schweiz und ihren Werten» verfügen. Jüdische und muslimische Glaubensgemeinschaften dürften gemäss Medienmitteilung im Zentrum dieser Massnahme stehen. Die Verordnung trat am 1. November 2019 in Kraft.

Beteiligung Bund an den Sicherheitskosten für besonders gefährdete Minderheiten

Stillschweigend überwies der Ständerat in der Herbstsession 2019 ein Postulat Rechsteiner (sp, ZH), das vom Bundesrat verlangte, die Verwendung der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance in der Innen- und Aussenpolitik des Bundes darzulegen. Der geforderte Bericht muss gemäss Postulatstext aufzeigen, welche rechtlichen Implikationen die Definition hat, wie sie der Sensibilisierungs-, Präventions-, Beratungs- und Interventionsarbeit auf allen Staatsebenen dient und inwiefern sie für die gezielte Erhebung von Fallzahlen, für die Forschungsarbeit und von den Gerichten genutzt wird oder werden kann.

Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (Po. 19.3942)

Als parlamentarische Gruppe werden informelle Zusammenschlüsse von Parlamentarierinnen und Parlamentariern zwecks Austausch zu einem bestimmten, die Gruppe interessierenden Thema bezeichnet. Eine von den Parlamentsdiensten geführte Liste wies Mitte Juni 2019 nicht weniger als 156 solcher Gruppen aus, die von A wie Altersfragen bis Z wie Zivildienst für unterschiedlichste Themen gegründet worden waren.
In seiner Antwort auf das Postulat Molina (sp, ZH) gab das Büro-NR seine Absicht kund, prüfen zu wollen, ob es Vorgaben oder Richtlinien für die in den letzten Jahren in ihrer Zahl stark angewachsenen Gruppen geben solle. Das Anliegen des Zürcher Sozialdemokraten erübrige sich deshalb. Fabian Molina hatte in seinem Vorstoss die Befürchtung geäussert, dass parlamentarische Gruppen gegründet würden, die eine «Assoziierung mit rassistischen oder antisemitischen Personen, Organisationen oder Inhalten» zum Ziel haben könnten. Das Büro habe keine Kenntnis von solchen Gruppen, was ein zusätzlicher Grund für die Ablehnung des Postulats sei. Der Rat brauchte diesem Antrag freilich nicht zu folgen, weil Molina sein Anliegen zurückzog.

Parlamentarische Gruppen

In seinem jährlichen Antisemitismusbericht sammelt und analysiert der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 2008 antisemitische Vorfälle aus der deutschsprachigen, rätoromanischen und italienischsprachigen Schweiz. Die Vorfälle sammelt der SIG zum einen über eine interne Meldestelle, andererseits werden auch Fälle aufgenommen, über welche die Medien berichten, sowie vom SIG im Internet selbst recherchierte Fälle. Als Grundlage nutzt der SIG dabei die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance. Für die Westschweiz erstellt die CICAD einen eigenen Antisemitismusbericht, der jedoch methodisch vom Bericht des SIG abweicht.

Insgesamt werden im Antisemitismusbericht von 2019 523 antisemitische Vorfälle verzeichnet. 38 Fälle fanden dabei in der «realen Welt» statt – ähnlich viele wie im Vorjahr –, 485 Fälle entfielen auf den Online-Bereich, wohingegen dieser Wert leicht unter dem Vorjahreswert zu liegen kam. Mit 95.6 Prozent machten antisemitische Aussagen die Mehrheit der Vorfälle aus, es kam aber auch zu Beschimpfungen (1.9%), Schmierereien (1.3%), Karikaturen (0.6%), Auftritten (0.6%) und sogar zu Tätlichkeiten (0.2%). Inhaltlich handelte es sich meist um antisemitische Verschwörungstheorien (36.5%), Israel-bezogenen Antisemitismus (31.0%), oder allgemeinen Antisemitismus (die Verbreitung von antisemitischen Stereotypen; 29.0%), während die Leugnung oder Banalisierung des Holocausts (3.5%) seltener war.

Der Bericht betonte insbesondere die Gefahr, welche von antisemitischen Verschwörungstheorien ausgehen, könnten doch auf solche Theorien «reale Taten mit gravierenden Konsequenzen folgen», wie etwa der rechtsextreme Anschlag im deutschen Halle zeige, dessen Urheber ebenfalls Anhänger solcher Verschwörungstheorien war. Darauf basierend forderten der SIG und die GRA, dass sich Gesellschaft, Politik und Bildung vermehrt gegen die Verbreitung solcher Theorien einsetzen sollten. Zwar begrüsste der SIG-Präsident Herbert Winter die vom Bundesrat Anfang Oktober 2019 nach dem Anschlag in Halle zusätzlich zur Verfügung gestellten CHF 500'000 für den Schutz von Minderheiten mit erhöhtem Risiko für extremistische oder terroristische Anschläge, erachtete dies aber als zu wenig. Schätzungsweise müssten jüdische Organisationen CHF 7 Mio. jährlich für Sicherheitsmassnahmen aufwenden, folglich sollten sich auch die Kantone an den entsprechenden Kosten beteiligen.

Auch in den Medien wurde die Situation jüdischer Gemeinschaften in der Schweiz und Europa thematisiert. Die Antisemitismus-Beauftragte der EU, Katharina von Schnurbein, machte gegenüber der Sonntagszeitung ein Erstarken des Antisemitismus aus und führte dieses auf die wachsende zeitliche Distanz zum Holocaust und die durch die sozialen Medien sinkenden Hürde, sich antisemitisch zu äussern, zurück.

Antisemitismus 2019

In der Debatte um die bevorstehende Selbstbestimmungsinitiative veröffentlichte die Weltwoche Anfang November 2018 einen Artikel über eine scheinbare Verbindung zwischen dem ungarisch-amerikanischen Milliardär George Soros und der Operation Libero, welche die Initiative bekämpfte. Soros finanziert weltweit Zivilgesellschaften mit Spendegeldern; 2017 soll er seiner Stiftung Open Society Foundations (OSF) 18 Mrd. US-Dollar übertragen haben. Die Stifung setzt sich nach eigenen Angaben in über 60 Ländern unter anderem für journalistische Projekte, mehr Demokratie, Bildung, Menschenrechte und gegen Diskriminierung ein.
Einem durch Soros und seine Stiftung finanzierten europapolitischen Think-Tank, dem EFCR, gehört auch die Co-Präsidentin der Operation Libero, Flavia Kleiner, an, weshalb die Weltwoche nun die Frage stellte, ob auch Operation Libero von Geldern Soros' profitiere. Kleiner habe diesen Verdacht auf Anfrage entrüstet zurückgewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass sich Operation Libero ausschliesslich über Crowdfunding finanziere.
Der Abstimmungskampf um die Selbstbestimmungsinitiative, dies schrieb das Online-Magazin «Republik» ein paar Tage später, gestalte sich im Hinblick auf die Soros-Frage nur an der Oberfläche «weichgespült». In Wirklichkeit sickere «die Rhetorik der neuen globalen Rechten» in die Debatte ein und es würden gezielt Verschwörungstheorien verbreitet, deren gemeinsamer Nenner George Soros als zugleich «grösster gemeinsamer Feind der extremen Rechten» sei. In den USA bewirtschafte ihn die Rechte seit Jahren als Feindbild und Initiator jeglicher Protestbewegungen. Unter rechtsextremen Verschwörungstheoretikern, so die Republik weiter, gelte der Jude George Soros unterdessen als Wurzel des Bösen; ihm werde vorgeworfen, die Weltherrschaft übernehmen zu wollen. Soros' Kampfzone, stellte die Weltwoche auf der anderen Seite fest, habe sich vom Sozialismus in den 1970er- und 1980er-Jahren auf die rechtskonservativen Bewegungen verlagert. Die OSF betreibe gar einen «Kreuzzug gegen die Rechtskonservativen».
Wie die Republik aufzeigte, war die Debatte um die Abhängigkeit der Operation Libero von Soros' Geldern aber nicht in der Weltwoche entbrannt, die das Thema lediglich aufgegriffen hatte, sondern auf Social Media und auf der Website der nationalkonservativen Bewegung «Brennpunkt Schweiz». Drei Wochen später zitierte die Aargauer Zeitung eine Stellungnahme der OSF. Demnach habe man die Stiftung Operation Libero «nie finanziell» unterstützt, denn die OSF sei nicht in Parteipolitik involviert. Flavia Kleiner wiederholte zudem gegenüber der Aargauer Zeitung ihre Aussage aus der Weltwoche, wonach sie oder die Operation Libero nie Geld von Soros oder einer seiner Stiftungen erhalten hätten. Es verblüffe sie aber, dass das Engagement Soros' verteufelt und von rechten Verschwörungstheoretikern missbraucht werde.

Operation Libero Soros

In der Frühjahrssession 2018 hiess auch der Nationalrat die Motion Jositsch (sp, ZH) zum Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt diskussionslos gut. Im Namen der RK-NR unterstrichen Erich von Siebenthal (svp, BE) und Lisa Mazzone (gp, GE) die hohe Bedeutung der Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie der Polizei, um diese Lücken im verfassungsmässigen Bevölkerungsschutz zu füllen. Seit 2017 setze sich eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines Konzeptes zur Unterstützung von besonders gefährdeten Minderheiten auseinander und prüfe Möglichkeiten zur Ergänzung des geltenden Rechts, um die Bundeskompetenzen zu erweitern, so Justizministerin Sommaruga. Aufgrund der kantonalen Polizeikompetenz liege die Verantwortung zur Umsetzung solcher Schutzmassnahmen jedoch vorwiegend bei den Kantonen. So sei die Absprache zwischen Bund und Kantonen unabdingbar.

Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt (Mo. 16.3945)

2016 hatte das BFS zum ersten Mal eine Erhebung zum Zusammenleben in der Schweiz durchgeführt, womit auf Grundlage von 3'000 befragten Personen die Einstellung der Bevölkerung in der Schweiz gegenüber einzelnen Bevölkerungsgruppen untersucht worden war. Erste Resultate legte das BFS im Oktober 2017 vor. Die Schweiz sei vielfältig und differenziert, eröffnete der Bericht: So beheimate sie 190 Nationalitäten und zehn verschiedene Religionen. 36 Prozent der befragten Personen gaben an, sich durch die Anwesenheit von als «anders» empfundenen Personen gestört zu fühlen; das Anderssein bezog sich dabei auf die Nationalität, die Religion oder die Hautfarbe. Die Erhebung ging des Weiteren spezifisch auf die Einstellung zu den drei Bevölkerungsgruppen Musliminnen und Muslime, Jüdinnen und Juden und dunkelhäutige Personen ein. Dabei zeigte sich, dass der grösste Unmut gegenüber den Angehörigen der islamischen Religion besteht: 17 Prozent der Bevölkerung hielten negative Aussagen zu Musliminnen und Muslimen für zutreffend, geringer fiel dieser Prozentsatz für die jüdische (12%) und die dunkelhäutige Bevölkerung (4%) aus. Zudem nahmen 66 Prozent der Befragten Rassismus als gesellschaftliches Problem wahr. Allgemein zeige sich die Bevölkerung jedoch tolerant gegenüber Ausländerinnen und Ausländern, schlussfolgerte das BFS. So waren 56 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Integration von Migrantinnen und Migranten in der Schweizer Gesellschaft gut funktioniere. 64 Prozent der Befragten waren dagegen, Ausländerinnen und Ausländer bei Arbeitsplatzknappheit wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. 60 Prozent begrüssten das Recht auf Familiennachzug, 56 Prozent befürworteten eine automatische Einbürgerung der zweiten Generation und 68 Prozent verneinten die Aussage, dass Ausländerinnen und Ausländer die Ursache für eine allfällige Zunahme der Arbeitslosigkeit seien.

Umfrage zur Toleranz

In der Frühjahrssession 2017 nahm der Ständerat als Erstrat eine Motion Jositsch (sp, ZH) zum Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt an. Die Motion verlangt, der Bundesrat solle gemeinsam mit den Kantonen aufzeigen, durch welche weitergehenden Massnahmen religiöse Gemeinschaften, die der Gefahr von terroristischer und extremistischer Gewalt besonders stark ausgesetzt sind, besser geschützt werden können und welche gesetzlichen Grundlagen dafür vonnöten wären. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt; er sei sich der besonderen Bedrohung einiger religiöser Gemeinschaften und Minderheiten – insbesondere der jüdischen Gemeinschaften und deren Einrichtungen durch islamistischen Terror – bewusst und begrüsse eine verstärkte Zusammenarbeit zu deren Schutz.

Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt (Mo. 16.3945)

Mitte Dezember 2016 bestätigte das Oberlandesgericht München das Kunstmuseum Bern als rechtmässigen Alleinerben der Kunstsammlung des im Mai 2014 verstorbenen Cornelius Gurlitt. Damit stellte sich das Gericht in zweiter Instanz gegen die von Gurlitts Cousine Uta Werner geäusserte Ansicht, der Kunstsammler habe beim Aufsetzen seines Testaments an Wahn oder Demenz gelitten. Gemäss aktuellem Wissensstand soll das Kunstmuseum Bern somit schlussendlich in den Besitz von über 1000 Werken aus dem sogenannten Schwabinger Kunstfund gelangen und kann die Planung der gemeinsam mit der Bundeskunsthalle Bonn angedachten Ausstellung in Angriff nehmen. Besagte Ausstellung soll auch dem Zweck dienen, die Bevölkerung über den NS-Kunstraub aufzuklären und für das Thema der entarteten Kunst zu sensibilisieren. In einem ersten Schritt werden Werke, die zweifelsfrei vom Raubkunst-Verdacht befreit sind, nach Bern gelangen. Darunter befinden sich über 230 Werke entarteter Kunst sowie knapp 280 Werke, die sich in legitimem Besitz der Familie Gurlitt befanden. Ende 2016 befanden sich noch um die 1000 Werke in Untersuchung, wovon bei der Hälfte davon ausgegangen werden muss, dass ihre Herkunft ungeklärt bleiben wird. Über die Annahme oder Verweigerung von Werken ungeklärter Herkunft hat das Kunstmuseum Bern bis 2020 zu befinden.

Gurlitts Kunstsammlung

In der Sommersession 2016 wurden gleichentags zwei Motionen mit Themenschwerpunkt «Raubkunst» verjährungsbedingt unbehandelt abgeschrieben. Die Motion Tschäppät (sp, BE; Mo. 14.3497) hätte die Schaffung gesetzlicher Grundlagen und Bereitstellung finanzieller Mittel gefordert, damit in Zusammenarbeit mit den Kantonen (EDK) und Museumsverbänden die Provenienzuntersuchungen für seit 1933 erworbene Sammlungen öffentlicher Museen und Dritter hätten durchgeführt und entsprechende Ergebnisse hätten publiziert werden können. Die Motion Reynard (sp, VS; Mo. 14.3480) hätte das Hinwirken des Bundesrates im multilateralen Rahmen gefordert, damit die Verbindlichkeiten und Anwendungsbereiche der Washingtoner Richtlinien zur Raubkunst international hätten gestärkt und ausgeweitet werden sollen. Der Bundesrat hatte bereits im Sommer 2014 beide Motionen zur Ablehnung beantragt, da zum einen die Frage der gesetzlichen Grundlagen und zusätzlicher finanzieller Mittel bereits im Rahmen der Kulturbotschaft 2016–2019 geklärt werde und zum anderen auf internationaler Ebene keine weiteren zwischenstaatlichen Bestrebungen zur Stärkung der Richtlinien bekannt seien und ein Alleingang der Schweiz daher keine Notwendigkeit darstelle.

Raubkunst - Provenienzforschung wirksam fördern

L'Initiative populaire pour le renvoi des criminels de sexe masculin a échoué en mai 2016 au stade de la récolte de signatures. Lancée par un comité intitulé "Männer raus!" (les hommes dehors!), l'initiative offrait un contre-pied volontaire à l'initiative pour le renvoi des criminels étrangers de l'UDC, dont le texte est repris quasiment à la lettre. Le comité veut ainsi démontrer le caractère raciste caché de l'initiative UDC qui désigne comme coupables les hommes étrangers alors que ce sont les hommes dans leur ensemble qui commettent l'immense majorité des délits en Suisse, comme le dit le texte de l'initiative Männer raus!, statistiques de l'OFS à l'appui. L'échec de la récolte de signatures n'est pas reconnu comme tel par Christian Müller, membre du comité d'initiative, qui déclare à la NZZ avoir avant tout voulu créer le débat et dénoncer le racisme, le rôle violent des hommes et les stratégies populistes de l'UDC, selon ses termes. Le comité ne bénéficiant pas des moyens nécessaires pour lancer une initiative populaire et mener une campagne, la publication du texte dans la feuille fédérale était déjà un but en soi.

Initiative populaire pour le renvoi des criminels de sexe masculin

Im März 2016 legte Uta Werner drei neue Gutachten vor. Zwei psychiatrische Gutachten stuften Cornelius Gurlitt als testierunfähig ein, während das Dritte am im Vorjahr vom Oberlandesgericht München in Auftrag gegebenen Gutachten methodische Mängel feststellte. Daraufhin machte sich das Oberlandesgericht München daran, den Geisteszustand Cornelius Gurlitts kurz vor seinem Tod einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Unterdessen gab das Kunstmuseum Bern, das von Gurlitt als Alleinerbe seiner Kunstsammlung eingesetzt worden war, bekannt, dass die geplante Ausstellung zu Gurlitts Sammlung wegen Rechtsstreitigkeiten nicht wie geplant 2016 stattfinden, sondern um ein Jahr verschoben werde. Die Ausstellung soll in enger Zusammenarbeit mit der Bundeskunsthalle Bonn erfolgen, welche zeitgleich eine Ausstellung mit Werken aus der Gurlitt-Sammlung anbieten wird.

Gurlitts Kunstsammlung

Im Winter 2015/2016 hatte das wohl bekannteste und traditionsreichste Textilerzeugnis der Schweiz seinen grossen Auftritt auf dem Polit-Catwalk: das Edelweiss-Hemd. Was eigentlich zur Grundausrüstung der sogenannten „Bösen“ (Schwinger) gehört und gerne auch von den Schweizer Sennen getragen wird, wurde dank einer Sekundarschule im zürcherischen Gossau zum Symbol für einen emotionsgeladenen Kampf zwischen Tradition und Moderne – inklusive des obligaten Rassismusvorwurfes.
Zehn Oberstufenschüler waren laut der Sonntagszeitung am Morgen des 11. Dezembers 2015 in den berühmten blau-weissen Hemden mit aufgesticktem Edelweiss zum Unterricht erschienen. Sie wollten ihrem Umfeld auf diese Weise zeigen, dass sie „stolze Schweizer und patriotisch“ seien. Ihre Lehrerin indes konnte dieses Ehrgefühl nicht mit ihren Schülern teilen und forderte diese dazu auf, sich umziehen zu gehen, da der vorgeführte Aufzug lediglich rassistisch und ausländerfeindlich sei. Die Schüler verteidigten sich gegen diesen Vorwurf, in dem sie beteuerten, dass sie nichts gegen Ausländer hätten, sich aber an denjenigen störten, die sich geringschätzig über die Schweiz äussern würden. Die Lehrerin habe sich im Nachhinein bei den Schülern entschuldigt und die Angelegenheit geklärt. Nachdem sich auch der Schulleiter von einem offiziellen Hemdenverbot distanziert hatte, hätte man meinen können, die Angelegenheit sei erledigt. Der wahre Hund in dieser Geschichte liegt aber, wie so oft, in der Politik begraben.
Kurz nachdem die Geschichte publik geworden war, schrien bereits die ersten Politiker – zumeist aus den Reihen der SVP – „J'accuse!“ und solidarisierten sich demonstrativ gegen diese Form des „Schweizerhasses“. Scharen von Parlamentariern tauschten Anzug und Krawatte gegen das Sennenhemd; Lukas Reimann (svp, SG) twitterte sogar: „Wir lassen uns von ‚Integrierten‘ unsere Traditionen nicht zerstören!“ (Schweiz am Sonntag) – wohl nicht im Wissen darüber, dass die besagte Tradition kaum 20 Jahre älter als er selbst ist. Das eigentlich Anstössige an der gesamten Textildiskussion fand sich wie so oft in der Frage der Gleichstellung: Denn just am Tag des „Edelweiss-Gates“ hatte das Bundesgericht im Fall einer muslimischen Schülerin aus St. Gallen entschieden, dass sie trotz Einwänden der Schulleitung mit dem Kopftuch zur Schule gehen darf.

Edelweiss-Hemden

Die wahrscheinliche Übernahme der Gurlitt-Sammlung durch das Kunstmuseum Bern befeuerte 2015 Diskussionen um den Umgang mit Raubkunst. Dabei kritisierten Medien und ein Kunsthistoriker der Universität Bern die passive Rolle des Bundes im Fall Gurlitt. Der Bundesrat verteidigte sein Vorgehen etwa auch in seiner Antwort auf eine Interpellation Comte (fdp, NE). Der Bund gehöre nicht zu den Vertragsparteien, weswegen er die Gespräche zwischen dem privatrechtlichen Kunstmuseum Bern, der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern lediglich im Rahmen seiner Guten Dienste verfolgt habe. Ebenfalls wehrte er sich gegen die Forderungen – wie sie etwa von Seiten des Kantons Bern und der SP im Rahmen der Vernehmlassung zur neuen Kulturbotschaft geäussert wurden – zur Verstärkung seiner Provenienzforschung, die er seit 1998 durch die beim BAK angesiedelte Anlaufstelle Raubkunst betreibt und jüngst durch ein Internetportal ergänzt hat. Vorerst seien die Museen gefordert. Nichtsdestotrotz stellte er noch im selben Jahr Museen Mittel zur Intensivierung der Forschung über die Herkunft ungeklärter Werke in Aussicht.
Sinniert wurde 2015 ebenfalls über die Unterscheidung von Raubkunst und Fluchtgut, so etwa an einer wissenschaftlichen Tagung in Winterthur. Der Begriff des Fluchtguts, der im Rahmen der Untersuchungen der Bergier-Kommission zur Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg geprägt wurde, bezeichnet das von Juden nach ihrer Flucht in die Schweiz veräusserte Kunsteigentum. Dabei geht die Schweiz – anders als beispielsweise Deutschland oder Österreich, die eine breitere Auslegung der Washingtoner Richtlinien verfolgen und nicht zwischen diesen beiden Begriffen unterscheiden – davon aus, dass solche Verkäufe unter freiem Willen und rechtmässig erfolgt waren. Die offizielle Sichtweise der Schweiz vertrat ein Salzburger Rechtsprofessor an der Winterthurer Tagung mit Rückgriff auf die unterschiedliche Rolle Deutschlands und Österreichs im Vergleich zur Schweiz im zweiten Weltkrieg. Ebenfalls geteilt wird diese Ansicht von den grossen öffentlichen Museen in der Schweiz.

Diskussion um Raubkunst

2015 wurden auf dem Rütli einige Neuerungen umgesetzt. Das Restaurant wurde von einem neuen Pächter übernommen und die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) plante, den Besuchern des historischen Ortes mit jährlichen Ausstellungen mehr zu bieten. Die erste Ausstellung war dem Thema Identität und Rassismus gewidmet und startete im Juni.
Freilich war die Wiese auch 2015 Ort politischer Debatten. Ende Juli führte die Schweizerische Offiziersgesellschaft eine Gedenkfeier zum 75-Jahr-Jubiläum des so genannten Rütlirapports durch. Am 25. Juli 1940 hatte General Guisan den Wehrwillen der Schweiz beschwört und gleichzeitig seine Reduit-Idee öffentlich bekannt gegeben. Die geladenen Redner waren sichtlich bemüht, den Reduit-Gedanken nicht wiederzubeleben. Bundesrat Ueli Maurer plädierte allerdings mit Bezug auf Gusians Rede für einen stärkeren Glauben an die Armee und eine höhere Bereitschaft, die Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz zu verteidigen. Dafür seien allerdings auch die nötigen finanziellen Mittel für die Armee zu sprechen.
Bei der traditionellen 1.-August-Feier, die unter dem Motto "Gastfreundschaft" stand, trat Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga als Festrednerin auf. Ihre Rede setzte sozusagen den Kontrapunkt, indem sie nicht eine Konzentration auf die Innenpolitik, sondern eine lösungsorientierte Auseinandersetzung mit der EU forderte.
Der in der Presse von Peter Keller (svp, NW) angekündigte Vorstoss mit dem Ziel, die "linksfreisinnige" SGG vom Rütli-Mandat zu entbinden, blieb bis anhin Makulatur.

Bundesfeier auf dem Rütli

Erbstreitigkeiten führten dazu, dass das Kunstmuseum Bern die Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt im Jahr 2015 noch nicht entgegennehmen konnte. Gurlitts Cousine Uta Werner zweifelte an Gurlitts Testierfähigkeit und erhob Anfang 2015 Anspruch auf das Erbe. Im März wies das Münchner Amtsgericht den Antrag jedoch ab, wobei es sich bei seinem Entscheid auf die bereits vorgelegten Gutachten stützte. Bevor das Urteil rechtskräftig wurde, focht Werner den Entscheid an. Daraufhin gab das Oberlandesgericht München die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens in Auftrag, das das Testament von Gurlitt als rechtskräftig einstufte. Das Gericht äusserte sich 2015 noch nicht zur neuen Sachlage.

Gurlitts Kunstsammlung

Der im September erschienene fünfte Bericht der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates (ECRI) stellte der Schweiz teilweise ein schlechtes Zeugnis aus. Gerügt wurde der zunehmend ausländerfeindliche und zumindest ansatzweise rassistische politische Diskurs. Dieser beeinträchtige insbesondere die Lebensbedingungen von Schwarzen, Fahrenden und Jenischen in der Schweiz. Zudem kritisierte der Bericht die Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt und bei Dienstleistungen. Der Bundesrat versprach, die Empfehlungen des Berichtes zu prüfen. In einem Interview in der NZZ am Sonntag vom 21. September 2014 bestätigte die Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martine Brunschwig-Graf, die wachsende Fremdenfeindlichkeit. Sie stellte eine Verschiebung fest: Der Antirassismusartikel im Strafgesetz werde nicht mehr als eine Grenze, sondern als Einschränkung der Meinungsfreiheit betrachtet. Brunschwig-Graf warnte zudem davor, den Wahlkampf mit Nazi-Vergleichen anzufeuern. Tatsächlich hatten im Berichtsjahr die Präsidenten der SP und der BDP – Christian Levrat und Martin Landolt – die SVP mit Nazivergleichen angegriffen. Levrat sprach von „faschistoider Politik“ und Landolt zog Parallelen zur braunen Politik in den 1930er Jahren.

nette Fremdenhasser