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In Erfüllung eines Postulats der RK-SR veröffentlichte der Bundesrat im Dezember 2022 einen Bericht zur Einführung elektronischer Fussfesseln im Ausländergesetz. Im Bericht wird die Verwendung elektronischer Fussfesseln, auch bekannt als Electronic Monitoring, in der Durchsetzung ausländerrechtlicher Zwangsmassnahmen, unter anderem als Alternative zur Administrativhaft, näher beleuchtet. Bereits heute muss das Electronic Monitoring, meist als Sender am Fussgelenk, von allen Kantonen als Vollzugsform für kurze Freiheitsstrafen angeboten werden und kann auch zur Durchsetzung von Kontakt- und Rayonverboten verwendet werden. Der Bundesrat hob hervor, dass die Anwendung von Electronic Monitoring im ausländerrechtlichen Bereich in erster Linie mit einigermassen kooperativen Individuen zu erfolgen habe. Für diese bestünden aber bereits weniger harte Massnahmen als die ausländerrechtliche Administrativhaft. Letztere werde bei Personen, bei denen die akute Gefahr bestehe, dass sie nach einem negativen Aufenthaltsentscheid untertauchen, zur Anwendung gebracht. Folglich käme der Einsatz des Electronic Monitorings nur bei einem sehr begrenzten Personenkreis in Frage, namentlich bei Personen, bei welchen die ausländerrechtliche Administrativhaft entweder momentan nicht verordnet werden könne oder bereits die maximale Haftdauer überschritten habe. Demgegenüber könnten einzelne Auflagen wie Hausarrest durch den Einsatz von Electronic Monitoring einfach verfolgt und das Untertauchen von Individuen im Asylprozess vermieden werden. Gemäss der Analyse des Bundesrats wögen die potentiellen Nachteile des Electronic Monitorings jedoch schwer. Erstens verfüge die Polizei in den meisten Kantonen nicht über die personellen Mittel, die durch das Electronic Monitoring verzeichneten Verstösse zu verfolgen, insbesondere da sich ausreisepflichtige Individuen oftmals als weniger kooperativ erweisen würden als dies beispielsweise bei Personen im Strafvollzug der Fall sei. Zweitens könnte das Electronic Monitoring ein Untertauchen von ausreisepflichtigen Individuen kaum verhindern, da entsprechende Geräte zerstört werden könnten. Zuletzt sei der Mehrwert einer solchen Intervention fraglich, da Verstösse bereits heutzutage meist relativ schnell erkannt würden. Abschliessend erachtete der Bundesrat in seinem Bericht die Einführung elektronischer Fussfesseln als nicht zielführend, da bereits genügend Alternativen zur Administrativhaft im Schweizer Asylvollzug vorhanden seien.

Introduction du bracelet électronique dans la loi fédérale sur les étrangers et l'intégration (Po. 20.4265)

Eine in der Wintersession 2020 eingereichte Motion Quadri (lega, TI) forderte – wie eine bereits im Mai eingereichte Motion Addor (svp, VS; Mo. 20.3264) – ein Moratorium für die Erteilung von neuen Grenzgängerbewilligungen und die Wiedereinführung des Inländervorrangs in Grenzkantonen. Die Coronakrise habe zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit auf dem Schweizer Arbeitsmarkt geführt, während mehr Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Schweiz arbeiteten und somit zusätzlich einheimische Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt verdrängen würden, argumentierte der Motionär. Obschon der Bundesrat in seiner Stellungnahme die schwierige wirtschaftliche Lage von Bewohnerinnen und Bewohnern der Grenzkantone im Zuge der Coronakrise anerkannte, erachtete er die Aufrechterhaltung der Personenfreizügigkeit als immens wichtig, insbesondere um dem Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich während der Corona-Pandemie entgegenzuwirken. Zudem bestehe durch die Stellenmeldepflicht, durch die Stellensuchende fünf Tage vor der öffentlichen Ausschreibung einer Stelle über diese informiert werden, bereits ein effektiver inländischer Mechanismus, um arbeitssuchende Personen wieder in den Arbeitsmarkt einzubinden, so die Regierung.
Mitte Dezember 2022 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innert zwei Jahren behandelt worden war.

Coronabedingte Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise. Moratorium für die Erteilung von neuen Grenzgängerbewilligungen und Wiedereinführung des Inländervorrangs (Mo. 20.4521)

Als Zweitrat stimmte der Ständerat in der Wintersession 2022 einer Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes zu, mit welcher die Covid-19-Testpflicht für ausreisepflichtige Personen bis Ende Juni 2024 verlängert wird. Ebenso wie im Nationalrat hatte eine linke Kommissionsminderheit auf Nichteintreten plädiert. Mit 33 zu 11 Stimmen wurde dieser Antrag abgelehnt, worauf mit ebendiesem Stimmverhältnis die Zustimmung zum Gesetzesentwurf erfolgte. Nachdem beide Parlamentskammern der Dringlichkeitsklausel zugestimmt hatten, konnte die Schlussabstimmung noch in derselben Session stattfinden. Der Nationalrat stimmte der Revision mit 122 zu 67 Stimmen (6 Enthaltungen) zu, der Ständerat mit 33 zu 10 Stimmen (1 Enthaltung). Während die ablehnenden Stimmen aus dem linken Lager stammten, fanden sich die Enthaltungen in den Reihen der Bürgerlichen.

Verlängerung der Bestimmungen zum Covid-19-Test bei der Ausschaffung (BRG 22.047)

In der Wintersession 2022 entschied der Nationalrat in der Differenzbereinigung stillschweigend, dem Entschied des Ständerats bezüglich der finanziellen Unterstützung von Kantonen mit Ausreisezentren an der Landesgrenze in Ausnahmesituationen zu folgen. Somit revidierte der Nationalrat seinen vorherigen Entscheid gegen die Festhaltung von Unter-15-Jährigen in Ausreisezentren und kehrte zur Fassung des Bundesrats zurück. Dies, da er unter anderem darauf verzichten wollte, Familien im Rahmen der kurzen Festhaltung zu trennen und er die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Ausreisezentren als zumutbar erachtete. In den Schlussabstimmungen nahm der Ständerat den Gesetzesentwurf einstimmig an, während in der grossen Kammer lediglich SVP-Nationalrat Erich Hess (svp, BE) gegen den Entwurf stimmte.

Finanzielle Unterstützung von Kantonen mit Ausreisezentren an der Grenze (BRG 22.044)

Im Dezember 2022 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit». Die Initiative verlangte, dass «jeder Eingriff in die körperliche und geistige Unversehrtheit einer Person deren Zustimmung bedarf». Fehlende Zustimmung darf zudem nicht zu Bestrafung oder beruflichen oder sozialen Nachteilen führen. Damit gehe diese Formulierung wohl deutlich über das hinaus, was die Initiantinnen und Initianten erreichen wollten, vermutete der Bundesrat. So tangiere sie etwa auch Bereiche wie das Polizeiwesen, die Strafverfolgung, das Militär, das Ausländer- und Asylwesen sowie den Kindes- und Erwachsenenschutz, während die eigentliche Forderung, die Zustimmungspflicht im medizinischen Kontext, durch das Grundrecht der persönlichen Freiheit bereits in der Bundesverfassung festgeschrieben sei. Deren Einschränkung bedarf unter anderem eines öffentlichen Interesses oder des Schutzes von Grundrechten Dritter und muss verhältnismässig sein. Bereits heute seien Impfobligatorien entsprechend «nur unter Einhaltung enger Voraussetzungen für einen begrenzten Personenkreis und für eine begrenzte Zeit» möglich – und auch dann sei für die Impfung selbst die Zustimmung der betroffenen Person erforderlich. Folglich hätte die Annahme der Initiative grosse Rechtsunsicherheit und einen eingeschränkten Handlungsspielraum bei der Pandemiebekämpfung zur Folge. Schliesslich sollten entsprechende Diskussionen im Rahmen der laufenden Revision des Epidemiengesetzes abgewartet werden. Folglich empfahl der Bundesrat die Initiative der Stimmbevölkerung und den Kantonen zur Ablehnung.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

Zu Beginn der Wintersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024–2026. Anna Giacometti (fdp, GR) und Jean-Pierre Grin (svp, VD) präsentierten dem Rat das Budget und die Änderungsvorschläge der Kommissionsmehrheit. Beide betonten die «düsteren finanzpolitischen Aussichten» (Giacometti), welche in den Finanzplanjahren grosse Korrekturmassnahmen nötig machen würden. Besser sehe es noch für das Jahr 2023 und somit für den Voranschlag aus, hier schlug die Kommissionsmehrheit gar Mehrausgaben von CHF 11.2 Mio. vor, womit die Schuldenbremse immer noch eingehalten werden könne. Insgesamt beantragte die Kommission sieben Änderungen am bundesrätlichen Voranschlag, welche der Rat allesamt annahm. Kaum Erfolg hatten hingegen die Minderheitsanträge.

Das geplante Defizit in den Finanzplanjahren war auch Thema in den folgenden Fraktionsvoten. Als besonders dramatisch erachtete etwa Lars Guggisberg (svp, BE) die finanzielle Situation des Bundes: Man befinde sich «finanzpolitisch seit Jahren im freien Fall», zumal das Parlament immer mehr Geld ausgebe als vorhanden sei. Nun müsse man Prioritäten setzen, weshalb die SVP insbesondere im Finanzplan entsprechende Kürzungsanträge stelle. Ähnlich formulierte es Alex Farinelli (fdp, TI) für die FDP-Fraktion, der die Bundesfinanzen mit der Titanic verglich – zwar scheine alles ruhig, bei genauerer Betrachtung sei «das Bild, insbesondere das mittelfristige, [aber] wesentlich problematischer und beunruhigender». Auch er verlangte daher die Setzung von Prioritäten. Demgegenüber hob Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) das positive strukturelle Saldo des Voranschlags hervor, betonte aber auch, dass man für die Finanzplanjahre Korrekturmassnahmen einbringen müsse – insbesondere auch, weil die Gewinnausschüttung durch die SNB ausbleiben könne.
Deutlich weniger besorgt zeigten sich die Sprechenden der anderen Fraktionen über die finanzpolitische Situation. Roland Fischer (glp, LU) erachtete in Anbetracht der tiefen Schuldenquote des Bundes nicht in erster Linie die Defizite als problematisch, sondern die Ausgestaltung der Schuldenbremse, die es nicht erlaube, Schulden zu machen, um Investitionen zu tätigen. Auch Sarah Wyss (sp, BS) zeigte sich durch die «Mehrbelastungen ab 2024 [...] nicht besonders beunruhig[t]». Man müsse zwar reagieren, dabei aber vor allem auf Nachhaltigkeit setzen und von «kurzfristige[r] Sparwut» absehen. Gerhard Andrey (gp, FR) sah die Schuld für die finanzpolitischen Probleme vor allem bei denjenigen Mitgliedern des Parlaments, welche das Armeebudget stark aufgestockt und einen Abbau der Corona-Schulden über zukünftige Überschüsse durchgesetzt hätten. Statt über Sparmassnahmen solle man aber nun über zusätzliche Einnahmen, etwa im Rahmen einer Erbschaftssteuer, sprechen.

In der Folge behandelte der Nationalrat den Voranschlag 2023 in sechs Blöcken, beginnend mit einem ersten Block zu den Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hierbei lagen dem Rat keine Mehrheitsanträge der Kommission vor, jedoch zahlreiche Minderheitsanträge von Mitgliedern der Polparteien. Einerseits verlangten Minderheiten Badertscher (gp, BE), Friedl (sp, SG), Wettstein (gp, SO) sowie zwei Einzelanträge Pasquier-Eichenberger (gp, GE) etwa eine Aufstockung der Beiträge für humanitäre Aktionen oder an die Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Ostens, teilweise auch in den Finanzplanjahren. Andererseits forderten Minderheiten Grin (svp, VD), Guggisberg (svp, BE), Fischer (svp, ZH) sowie ein Einzelantrag der SVP-Fraktion etwa eine Reduktion des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten, an die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit oder an die Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer (teilweise auch oder nur in den Finanzplanjahren) sowie die ordentliche Verbuchung der Ausgaben für Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Die Minderheitsanträge blieben jedoch allesamt erfolglos.

Im zweiten Block zu Kultur, Bildung, Forschung, Familie und Sport lagen dem Nationalrat vier Kommissionsanträge vor. Im Sportbereich wollte die Kommission einerseits einen Kredit für die Sportverbände zugunsten der nationalen Meldestelle von Swiss Sport Integrity um CHF 360'000 aufstocken, zumal seit deren Schaffung Anfang 2022 dreimal mehr Meldungen eingegangen seien, als erwartet worden waren. CHF 650'000 sollten zudem für die Ausrichtung der Staffel-Weltmeisterschaft 2024 in Lausanne gesprochen werden, wobei der Bund einen Drittel der Gesamtfinanzierung übernehmen würde. Keine Aufstockung, sondern eine ausdrückliche Verwendung der CHF 390'000, welche der Bundesrat im Bereich Kinderschutz/Kinderrechte veranschlagt hatte, für eine Übergangslösung zur Stärkung der Kinderrechte verlangte die Kommission bei den Krediten des BSV. Eine Übergangslösung war nötig geworden, weil die Ombudsstelle für Kinderrechte, für die der Betrag gedacht war, noch nicht über eine gesetzliche Grundlage verfügte. Schliesslich verlangte die Kommission, dass CHF 35 Mio., welche nach dem Ausschluss der Schweiz aus Horizon Europe bei den EU-Forschungsprogrammen nicht benötigt werden, stattdessen Innosuisse zugesprochen werden. Der Nationalrat hiess alle vier Kommissionsanträge stillschweigend gut.
Weitere CHF 50 Mio. aus dem Kredit der EU-Forschungsprogramme zum Kredit für die Institutionen der Forschungsförderung verschieben wollte eine Minderheit Munz (sp, SH). Zudem verlangten zwei weitere Minderheiten Munz Aufstockungen bei der internationalen Mobilität Bildung zugunsten des Programms Erasmus+. Die Kredite gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduzieren wollten hingegen eine Minderheit I Grin bei den Institutionen der Forschungsförderung sowie eine Minderheit Guggisberg in den Finanzplanjahren bei der internationalen Mobilität Bildung und bei den Stipendien an ausländische Studierende. Mit 123 zu 68 Stimmen kürzte der Nationalrat in Übereinstimmung mit der Minderheit Munz den Kredit der EU-Forschungsprogramme zugunsten der Institutionen der Forschungsförderung, lehnte aber ansonsten sämtliche Minderheitsanträge ab. Dazu gehörten auch zwei Minderheiten Nicolet (svp, VD), welche bei Pro Helvetia (auch in den Finanzplanjahren) und bei der familienergänzenden Kinderbetreuung kürzen wollten.

Im Block 3 zu Umwelt und Energie hiess der Nationalrat die veranschlagten CHF 42 Mio. für Programme von EnergieSchweiz für den Heizungsersatz, zur Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe, zur Einführung von neuen Technologien und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie CHF 4 Mrd. für den Rettungsschirm Elektrizitätswirtschaft, welchen der Bundesrat in einer Nachmeldung beantragt hatte, gut. Eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) hatte erfolglos eine Kürzung bei den Programmen von EnergieSchweiz im Voranschlag und in den Finanzplanjahren gefordert. Erfolglos blieben auch alle anderen Minderheiten etwa zur Streichung von CHF 10 Mio. für eine Winter-Energiespar-Initiative, zur Reduktion des Kredits für die Reservekraftwerke, aber auch für eine Erhöhung des Kredits für die Reservekraftwerke um CHF 100 Mio., um eine Erhöhung der Energiekosten für die Bevölkerung zu verhindern.

Erfolglos blieben auch sämtliche Minderheitsanträge im vierten Block zu den Themen «soziale Wohlfahrt, Gesundheit und Sicherheit», wo etwa eine Minderheit Wettstein (gp, SO) eine Erhöhung des Bundesbeitrags an das Schweizerische Rote Kreuz oder verschiedene Minderheiten Kürzungen beim Rüstungsaufwand oder bei verschiedenen Positionen zur Verteidigung beantragten.

Im fünften Block zu Standortförderung, Steuern und Landwirtschaft gab es nur einzelne Forderungen zu den ersten beiden Bereichen, etwa verlangte eine Minderheit Gysi (sp, SG) zusätzliche Mittel und Stellen in der Steuerverwaltung für mehr Mehrwertssteuerkontrollen und eine Minderheit Guggisberg eine Streichung der Neuen Regionalpolitik, da diese Aufgabe der Kantone sei. Das Hauptinteresse des Nationalrats galt in diesem Block aber der Landwirtschaft, zu der zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vorlagen: Die Kommissionsmehrheit verlangte eine Erhöhung des Kredits für die Qualitäts- und Absatzförderung zugunsten des Schweizer Weins um CHF 6.2 Mio. (in Umsetzung einer Motion 22.3022, die vom Nationalrat angenommen, aber vom Ständerat an die WAK-SR verwiesen worden war). Eine Minderheit Munz wollte stattdessen einen Teil der bereits veranschlagten Mittel zur Umsetzung der Motion einsetzen, der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und beschloss die Krediterhöhung. Weiter beantragte die Kommissionsmehrheit, in den Planungsgrössen zu den Direktzahlungen die Höhe der Versorgungssicherheitsbeiträge auf CHF 1.1 Mrd. festzuschreiben, so dass diese entgegen der Absicht des Bundesrates nicht gekürzt werden könnten. Der Nationalrat folgte auch dieser Kommissionsmehrheit, während eine Minderheit Munz besagte Planungsgrösse erfolglos streichen wollte. Schliesslich sollten die Mittel für Wildtiere, Jagd und Fischerei gemäss Kommissionsmehrheit um CHF 4 Mio. zugunsten von Sofortmassnahmen für den Herdenschutz aufgestockt werden, wobei der Nationalrat auch hier der Komissionsmehrheit und nicht einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) auf Beibehalten des bundesrätlichen Betrags folgte. Erfolgreich war zudem eine Minderheit Grin für eine Erhöhung des Kredits für die Pflanzen- und Tierzucht um CHF 3.9 Mio. zugunsten einheimischer Nutztierrassen, nicht aber ein weiterer Minderheitsantrag Grin für einen Verzicht auf die Aufstockung des Funktionsaufwands beim Bundesamt für Landwirtschaft um CHF 900'000 zur Umsetzung einer parlamentarischen Initiative zur Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.

Im sechsten Block ging es abschliessend um den Eigenaufwand des Bundes und um die Schuldenbremse, wobei die Kommissionsmehrheit nur einen Antrag auf Änderung gegenüber der bundesrätlichen Version stellte: Bei den Planungsgrössen zum BABS sollte der Soll-Wert der Kundenzufriedenheit bei den Ausbildungsleistungen von 80 auf 85 Prozent und in den Finanzplanjahren auf 90 Prozent erhöht werden. Stillschweigend hiess der Nationalrat die Änderung gut. Zudem lagen zahlreiche Minderheitsanträge Nicolet auf Kürzungen im Personalbereich verschiedener Bundesämter (BAFU, BAG, BAK, BAV, BFS) sowie beim UVEK vor, die jedoch allesamt abgelehnt wurden – genauso wie weitere Kürzungsanträge im Personalbereich sowie bei den Sach- und Betriebsausgaben des SEM, zur Kürzung des Personalaufwands im Bereich der Social-Media-Strategie und der Digitalisierung sowie für Querschnittskürzungen beim BBL. Abgelehnt wurde aber auch ein Minderheitsantrag Schneider Schüttel zur Schaffung von zwei zusätzlichen Stellen beim BLV im Bereich Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Schliesslich scheiterte auch ein Antrag der SVP-Fraktion, die aus der Gewinnausschüttung der SNB veranschlagten Einnahmen von CHF 666.7 Mio. zu streichen, da die SNB diese nach ihren Verlusten voraussichtlich nicht würde tätigen können.

Nach langen Diskussionen, bei denen sämtliche Mehrheits- sowie einzelne Minderheitsanträge angenommen worden waren, hiess der Nationalrat den Voranschlag in der Gesamtabstimmung mit 137 zu 49 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von einem Mitglied der Grünen. Angenommen wurden in der Folge auch der Bundesbeschluss über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2023 (138 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen), der Bundesbeschluss über den Finanzplan für die Jahre 2024-2026 (179 zu 12 Stimmen) sowie der Bundesbeschluss über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2023 (191 zu 0 Stimmen).

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024-2026 (BRG 22.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Der Ständerat befasste sich in der Wintersession 2022 als Zweitrat mit der Frage, wie der Bund Kantone mit Ausreisezentren an der Landesgrenze in Ausnahmesituationen finanziell unterstützen soll. Eine Mehrheit der SPK-SR sprach sich für die unveränderte Annahme der entsprechenden Änderung des AIG aus. Eine Minderheit Engler (mitte, GR) erachtete es hingegen als ratsam, dem Entscheid des Nationalrats zu folgen und die Festhaltung von Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren zu untersagen. Der Ständerat entschied sich jedoch mit 23 zu 15 Stimmen (bei 1 Enthaltung), die im Nationalrat beschlossene Bestimmung wieder zu streichen und bei der Fassung des Bundesrats zu bleiben. Des Weiteren reichte Ständerat Philippe Bauer (fdp, NE) einen Einzelantrag ein, mit dem er den Bund verpflichten wollte, sich im Rahmen einer Tagespauschale an den Betriebskosten zur kurzfristigen Festhaltung von Personen zu beteiligen. Dies sei jedoch nicht realistisch, entgegnete Bundesrätin Karin Keller-Sutter, da der Vollzug des Ausländerrechts allein den Kantonen obliege. Nach Inkrafttreten der zur Diskussion stehenden Vorlage werde der Bund die Kantone fortan allerdings auf freiwilliger Basis in Ausnahmesituationen unterstützen können. Der Antrag Bauer scheiterte mit 21 zu 20 Stimmen knapp und die Vorlage wurde zur Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat überwiesen.

Finanzielle Unterstützung von Kantonen mit Ausreisezentren an der Grenze (BRG 22.044)

Die überwiesene Motion Abate (fdp, TI) zur finanziellen Unterstützung von Kantonen mit Ausreisezentren an der Grenze wurde vom Parlament während den Beratungen zu einer entsprechende Änderung des AIG in der Wintersession 2022 als erfüllt abgeschrieben.

Aide financière aux cantons qui gèrent des centres de départ à la frontière suisse

Ende April 2022 lancierte die WBK-NR ein Postulat, welches darauf abzielte, Kompetenzen von Geflüchteten zu erfassen. Der Bundesrat solle in einem Bericht aufzeigen, wie momentan das Bildungsniveau und Bildungspotenzial von geflüchteten Personen dokumentiert wird und wo allfällige Lücken in der Aufnahme dieser Daten bestehen. Nach momentanem Stand werde bei der Ankunft in der Schweiz der Bildungsstand durch das SEM nicht erhoben und auch die entsprechenden Daten der Kantone seien lückenhaft, argumentierte die Kommission. In seiner Stellungnahme erwiderte der Bundesrat, dass man sich bereits mit der effektiven Nutzung und Förderung der Kompetenzen von geflüchteten Personen beschäftige. Das SEM untersuche konkret, welche bildungsrelevanten Faktoren von Geflüchteten wie erfasst werden. Die Regierung beantragte folglich die Ablehnung des Postulats. Eine ebenfalls ablehnende Kommissionsminderheit Keller (svp, NW) fügte an, die Integration geflüchteter Personen sei Sache der Kantone und Gemeinden, weshalb es Sinn ergebe, allfällige demografische Daten auf jenen Ebenen zu erheben. In der Herbstsession 2022 nahm der Nationalrat das Postulat mit 126 zu 58 Stimmen bei einer Enthaltung an, wobei sich lediglich die geschlossene SVP-Fraktion und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion dagegen positionierten.

Kompetenzen von Geflüchteten erfassen und nutzen (Mo. 22.3393)

Als Erstrat stimmte der Nationalrat in der Herbstsession 2022 über eine Verlängerung der Covid-19-Testpflicht für ausreisepflichtige Personen bis Ende Juni 2024 ab. Während die Mehrheit der SPK-NR eintreten empfahl, argumentierte eine Kommissionsminderheit unter anderem, dass die bestehenden Zwangstests das Recht der Betroffenen auf Selbstbestimmung verletzten. Unter Umständen brächten sie einen starken Eingriff in deren körperliche Integrität mit sich, weshalb die Vorlage abzulehnen sei. Die Forderung der Kommissionsminderheit wurde allerdings lediglich von den einstimmigen Fraktionen der SP und Grünen unterstützt: Die grosse Kammer trat mit 118 zu 61 Stimmen auf die Vorlage ein und nahm den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 118 zu 62 Stimmen an.

Verlängerung der Bestimmungen zum Covid-19-Test bei der Ausschaffung (BRG 22.047)

In der Herbstsession 2022 stimmte der Nationalrat als Erstrat über einen Gesetzesentwurf des Bundesrats ab, der beabsichtigt eine Gesetzesgrundlage zur finanziellen Unterstützung von Kantonen mit Ausreisezentren an der Landesgrenze in Ausnahmesituationen zu schaffen. Die Vorlage basierte auf der überwiesenen Motion Abate (fdp, TI; Mo. 17.3857). Die Kommission hatte dem Entwurf des Bundesrates zuvor in den meisten Punkten zugestimmt, jedoch lagen dem Rat anfänglich drei Minderheitenanträge vor. Während die Minderheit Klopfenstein Broggini (gp, GE) ihren Antrag «für würdige Unterbringungsbedingungen und die Einhaltung der Grundrechte» zurückzog, blieben die Forderungen der Minderheit von Samira Marti (sp, BL) auf Ergänzung des bundesrätlichen Entwurfs bestehen. Einerseits sollten im Rahmen ihrer ersten Minderheit kurzfristige Festhaltungen von Personen in Ausreisezentren schriftlich angeordnet und binnen 24 Stunden durch richterliche Behörden auf ihre Rechtmässigkeit geprüft werden müssen. Andererseits sprach sich die zweite Minderheit Marti gegen die Festhaltung von Jugendlichen und Kindern unter 15 Jahren aus, da dies auch im Falle der Administrativhaft im AIG explizit verboten sei. Es müsse bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs besonderes Augenmerk auf das Wohl der Kinder im Sinne der Kinderrechtskonvention gelegt werden und für deren Unterbringung an die Zusammenarbeit mit Behörden wie der KESB angeknüpft werden. Während die erste Minderheit Marti Samira lediglich auf die Unterstützung der geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen zählen konnte und mit 115 zu 64 Stimmen scheiterte, unterstützte eine Nationalratsmehrheit bestehend aus den einstimmigen Fraktionen der SP, Grünen und Grünliberalen sowie rund der Hälfte der Mitglieder der Mitte-Fraktion mit 94 zu 87 Stimmen die zweite Minderheit Marti. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf mit 182 zu 1 Stimme (bei 2 Enthaltungen) an.

Finanzielle Unterstützung von Kantonen mit Ausreisezentren an der Grenze (BRG 22.044)

Ende Mai 2022 lancierten die SVP-Fraktion im Nationalrat und Marco Chiesa (svp, TI) im Ständerat je eine Motion zur Aufhebung des Schutzstatus S für Menschen aus der West-, Zentral- und Nordukraine. Der Schutzstatus S, der den Gefüchteten ein Aufenthaltsrecht gewährt, ohne dass sie das ordentliche Asylverfahren durchlaufen müssen, solle demnach zukünftig nur Personen aus dem Süden oder dem Osten des Landes sowie Personen von der Krim erteilt werden. Denn insbesondere Regionen in der West-, Zentral- und Nordukraine seien gar nicht oder kaum von der russischen Invasion betroffen, zudem hätten Personen aus diesen Regionen oftmals bereits die Rückreise angetreten. Für Flüchtende aus diesen Regionen solle fortan das reguläre Asylverfahren zum Tragen kommen.
Der Bundesrat erklärte, dass die Adressangaben der aus der Ukraine geflüchteten Menschen oftmals nicht strukturiert und systematisch ins ZEMIS übertragen würden, unter anderem aufgrund von Übersetzungsfehlern aus dem Kyrillischen. Des Weiteren sei die Lage auch in der West-, Zentral- und Nordukraine nach wie vor sehr volatil und könne durch russische Angriffe mit Fernkampfwaffen rasch eskalieren. Überdies würde sich eine regionale Einschränkung des Schutzstatus S stark von entsprechenden Regelungen der EU unterscheiden. Die aktuelle Flüchtlingssituation bedürfe aber einer europaweiten Koordination. Zusammen mit der hohen Anzahl an regulären Asylanträgen von Personen aus momentan kriegsfreien Regionen würde die verlangte Regelung in eine Überlastung des Asylverfahrens münden. Der Bundesrat beantragte entsprechend die Ablehnung der Motion, merkte aber an, dass er die Situation weiterhin genau beobachten und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen werde.
Nur eine Mehrheit der SVP-Fraktion sprach sich in den Räten für eine Anpassung des Schutzstatus S aus, womit die Motionen mit 135 zu 46 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) sowohl vom Nationalrats als auch mit 37 zu 5 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) vom Ständerat abgelehnt wurden.

Reguläres Asylverfahren statt Schutzstatus S für Menschen aus der West-, Zentral- und Nordukraine (Mo. 22.3512)
Dossier: Schutzstatus S für Personen aus der Ukraine

Ende Mai 2022 reichten die SVP-Fraktion im Nationalrat und SVP-Vertreter Jakob Stark (TG) im Ständerat zwei gleichlautende Motionen zur regelmässigen und dynamischen Überprüfung und Anpassung des Schutzstatus S für Personen aus der Ukraine ein. Dies sei nötig, da sich die Kämpfe innerhalb der Ukraine im Kriegsverlauf in den Süden und Osten des Landes verlegt hätten. Der Bundesrat solle daher regelmässig überprüfen, ob eine sichere Rückkehr in verschiedene Regionen der Ukraine möglich sei und allenfalls den Schutzstatus S zukünftig an den Wohnort der Betroffenen knüpfen. Wie bereits in der Stellungnahme zu zwei verwandten Motionen (Mo. 22.3512 und Mo. 22.3517) wies der Bundesrat auf die volatile Sicherheitslage innerhalb der gesamten Ukraine hin. Während in ukrainisch kontrollierten Gebieten aktuell zwar keine Kampfhandlungen stattfänden, könne man erneute Angriffe mit Fernkampfwaffen durch Russland nicht ausschliessen. Ebenso würden solche dynamischen und regionalen Anpassungen des Schutzstatus S nicht den Regelungen der EU entsprechen, weshalb der Bundesrat die beiden Motionen zur Ablehnung beantragte. In der Herbstsession 2022 wurden die Vorstösse gegen den Widerstand der SVP-Fraktion in beiden Kammern deutlich abgelehnt. Der Nationalrat sprach sich mit 153 zu 51 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dagegen aus, im Ständerat scheiterte das Anliegen mit 37 zu 6 Stimmen (bei 1 Enthaltung).

Regelmässige und dynamische geografische Überprüfung und Anpassung des Status S (Mo. 22.3513)
Dossier: Schutzstatus S für Personen aus der Ukraine

Im Zuge des Ukrainekriegs und der damit zusammenhängenden Flüchtlingskrise hatte der Bundesrat im März 2022 erstmals den Schutzstatus S für aus der Ukraine geflüchtete Personen aktiviert. Dieser Schutzstatus solle jedoch ausschliesslich ukrainischen Staatsangehörigen und in der Ukraine anerkannten Asylbewerberinnen und -bewerbern zugutekommen, forderte die SVP-Fraktion. Sie reichte Ende Mai 2022 im Nationalrat eine entsprechende Motion ein (Mo. 22.3514), während Hansjörg Knecht (svp, AG; Mo. 22.3518) einen gleichlautenden Vorstoss im Ständerat einbrachte. Es könnten weiterhin alle Personen in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, allerdings sollten Personen, die lediglich in der Ukraine lebten, aber nicht deren Staatsbürgerschaft besitzen, keinen Schutzstatus S erhalten, da sie in ihr Herkunftsland zurückkehren könnten, forderte die SVP. Wie bereits in der Antwort auf zwei zeitgleich von der SVP lancierte Motionen im National- und im Ständerat (Mo. 22.3512 und 22.3517; Mo. 22.3513 und 22.3516), welche eine Einschränkung des Schutzstatus S für Geflüchtete aus der Ukraine forderten, merkte der Bundesrat an, dass man sich in erster Linie an entsprechenden EU-Regelungen orientiere, wonach auch in der Ukraine ansässige Personen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren könnten, Schutz erhalten sollten. So prüfe das SEM im Einzelfall, ob die beiden festgelegten Kriterien – Aufenthaltsrecht oder Schutzstatus in der Ukraine sowie keine mögliche dauerhafte Rückkehr ins Herkunftsland – vorliegen. Da der Bundesrat keinen Grund sah, den Schutzstatus einzuschränken, beantragte er die Ablehnung der beiden Motionen. Die Nationalratsmehrheit sprach sich in der Herbstsession 2022 mit 136 zu 50 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen den Vorstoss aus. Am selben Tag lehnte auch der Ständerat die Motion Knecht mit 37 zu 7 Stimmen ab, womit beide Geschäfte im Erstrat scheiterten.

Kein Status S für Personen aus Drittstaaten (Mo. 22.3514 und 22.3518)
Dossier: Schutzstatus S für Personen aus der Ukraine

Auf Antrag seiner staatspolitischen Kommission entschied der Ständerat stillschweigend, einer Standesinitiative des Kantons Genf zum Stopp der Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, die gegen Menschenrechte verstossen, keine Folge zu geben. Unter anderem argumentierte die SPK-SR, dass das Ziel des Vorstosses in der schweizerischen Asylpolitik bereits zur Genüge durchgesetzt werde. Somit wird als nächstes die SPK-NR über den Vorstoss beraten.

Nein zu Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, in denen die Menschenrechte mit Füssen getreten werden (Kt.Iv. 21.309)

Mit einem Postulat forderte Nationalrätin Samira Marti (sp, BL) den Bundesrat auf, zusammen mit dem SKMR einen Bericht über den momentanen Stand des Kindeswohls im Asyl- und Ausländerrecht in der Schweiz zu verfassen und in diesem auch potentielle Handlungsmöglichkeiten im Sinne der UNO-Kinderrechtskonvention (KRK) zu identifizieren. Konkret sollte der Bericht die kindgerechte Ausgestaltung des Asylverfahrens analysieren und untersuchen, ob das Recht auf familiäres Zusammenleben und Privatsphäre gewährleistet wird. Des Weiteren solle das Kindeswohl auch bei Wegweisungen und bei der Unterbringung von Kindern im Detail evaluiert werden. Der Bundesrat entgegnete in seiner Stellungnahme, dass die Richtlinien und Grundsätze der UNO-Kinderrechtskonvention bereits systematisch in der Asylpolitik Anwendung fänden und Einzelfälle sorgfältig auf ihre Rechtmässigkeit geprüft würden. Die rechtmässige Unterbringung von minderjährigen Asylsuchenden in Bundesasylzentren werde bereits durch die nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKFV), unter anderem in der Form von stichprobenartigen Kontrollbesuchen, gewährleistet. Zudem seien bereits einige Berichte zum Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen im Schweizer Asylwesen in Ausarbeitung, etwa ein Bericht des SKMR zur Ausbeutung von minderjährigen Asylsuchenden in der Schweiz. Zudem verabschiedete der Bundesrat 2020 den fünften und sechsten Bericht zur Schweizer Umsetzung der KRK. Entgegen der Empfehlung des Bundesrats nahm der Nationalrat das Postulat in der Herbstsession 2022 diskussionslos mit 105 zu 73 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Das Postulat wurde von der SP-, der Grünen-, der GLP- und der Mitte-Fraktionen unterstützt, während die SVP- und FDP-Fraktionen dagegen stimmten.

Kindeswohl im Asyl- und Ausländerrecht (Po. 20.4421)

Die eidgenössischen Gerichte entscheiden intern, welche Fälle welchen Richterinnen oder Richtern zugeordnet werden bzw. wie sich die Gerichtskollegien zusammensetzen, denen diese Fälle zugewiesen werden. Die Bildung dieser ein- bis maximal siebenköpfigen sogenannten Spruchkörper sowie die Geschäftsverteilung, die im Bundesgericht und im Bundesverwaltungsgericht mittels Softwareprogrammen und in den anderen eidgenössischen Gerichten manuell erfolgt, ist in der Schweiz von einiger Brisanz. Weil Richterinnen und Richter mittels Parteienproporz gewählt werden, kann vermutet werden, dass je nach parteilicher Zusammensetzung eines Spruchkörpers andere Urteile gefällt werden. Insbesondere die «Justizinitiative» hatte solche Diskussionen, die letztlich die Unabhängigkeit der Judikative tangieren, verstärkt angeregt, wobei diesen Diskussionen jedoch die Grundlagen gefehlt hatten, da die konkrete Praxis der einzelnen Gerichte kaum bekannt war. Dies nahmen die GPK Anfang 2019 zum Anlass, die PVK mit einer Evaluation zu Spruchkörperbildung und Geschäftsverteilung an den eidgenössischen Gerichten zu beauftragen.
Auf der Basis dieser PVK-Evaluation, die am 5. November 2020 vorgelegt worden war, veröffentlichten die GPK im Juni 2021 einen Bericht, der eine «grundsätzlich positive[...] Bilanz» zog: Die Spruchkörperbildung entspreche Verfassungsgrundsätzen und internationalen Rechtsnormen, Willkür zeige sich dabei in keinem der untersuchten Fälle. Es gebe aber durchaus einige «Lücken und Schwachstellen». So seien die angewandten Verfahrensregeln nicht immer verschriftlicht oder überhaupt nicht veröffentlicht, zudem würde den Beteiligten eines Verfahrens nicht immer aktiv mitgeteilt, wie der Spruchkörper zusammengesetzt sei. Entsprechend gaben die GPK Empfehlungen ab: So verlangten sie etwa eine jährliche Berichterstattung über die Bildung der Spruchkörper und regten an, dies auch im jährlichen Geschäftsbericht der Bundesgerichte der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus verlangten die GPK vom Bundesstrafgericht die Prüfung der Entwicklung einer Software für die Zuteilung der Geschäfte. Beim Bundespatentgericht, das die Zuteilung ebenfalls manuell vornimmt, sei dies in Anbetracht der «überschaubaren Anzahl Fälle» nicht erforderlich. Schliesslich soll das Bundesgericht aus Transparenzgründen wieder ausweisen, welcher Partei seine Mitglieder angehören.

Die Diskussionen um die Spruchkörperbildung nahmen nach der Veröffentlichung des Berichts freilich nicht ab. Auf der einen Seite erhob Asylanwalt Gabriel Püntner in den Medien schwere Vorwürfe gegen das Bundesverwaltungsgericht. Die meisten seiner Fälle würden Spruchkörpern zugeteilt, in denen Richterinnen und Richter, die der SVP angehören, in der Mehrheit seien. Im Februar 2022 reichte Püntner deshalb Strafanzeige gegen einen «noch zu bestimmenden Personenkreis innerhalb» des Bundesverwaltungsgerichts ein, bei dem er vermute, dass er das «System der Spruchkörperbildung [...] beeinflusse». In der Tat zeigte eine aktuelle Studie, dass fast die Hälfte der automatisierten Zuteilung der Fälle nachträglich manuell übersteuert wurde; insbesondere im Asylrecht. Dabei sei nicht nachvollziehbar, weshalb diese Eingriffe durchgeführt worden seien.
Auf der anderen Seite wurde in den Medien über einen konkreten Fall berichtet: Einem SVP-Richter am Bundesverwaltungsgericht werde Amtsmissbrauch vorgeworfen, weil er eigenhändig und entsprechend vorschriftswidrig den Spruchkörper neu eingeteilt habe, in dem er selber sass, so der Tages-Anzeiger.
Ende Mai 2022 gab das Bundesverwaltungsgericht bekannt, die interne Spruchkörperbildung unabhängig überprüfen zu lassen. Auch die GPK kündigten an, die Geschäftszuteilung an den Bundesgerichten im Auge behalten zu wollen.

Spruchkörperbildung und Geschäftsverteilung an den eidgenössischen Gerichten
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums von J+S wurde im Sommer 2022 in Tenero ein nationales Jugendlager durchgeführt, an dem 560 Jugendliche teilnahmen. Bei 160 von ihnen handelte es sich um in der Schweiz lebende Flüchtlinge aus der Ukraine und anderen Ländern. Ebenfalls im Lager mit dabei waren Personen mit einer Behinderung. In seiner Medienmitteilung hob das BASPO die Integration als Ziel von J+S hervor. Fairplay, Teamgeist und Toleranz seien Werte, die Kindern und Jugendlichen im Rahmen gemeinsamer sportlicher Aktivitäten nähergebracht werden können, was wiederum die Entwicklung eines respektvollen Umgangs untereinander ermögliche, bei dem niemand aufgrund seiner Herkunft oder körperlicher Fähigkeiten ausgegrenzt werde.

Ukrainische Flüchtlinge im J+S-Sportlager in Tenero

Die SPK-SR folgte im Juni 2022 dem Nationalrat und entschied mit 8 zu 3 Stimmen, der Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt, welche forderte, zusätzliche, in Griechenland gestrandete, besonders schutzbedürftige Personen aufzunehmen, keine Folge zu geben. In einer Medienmitteilung erklärte die Kommission, dass das Anliegen zwar berechtigt sei, der vorgeschlagene Ansatz in den Augen der Kommissionsmehrheit jedoch keine Besserung der Situation bringen würde.

Aufnahme von Menschen aus Griechenland und Auslastung der Asylzentren (Kt.Iv. 21.310)
Dossier: Dublin-Verordnung

Nachdem die SPK-NR entschieden hatte, der Vorlage keine Folge zu geben, beugte sich der Nationalrat in der Sommersession 2022 über die parlamentarische Initiative der Grünen Fraktion, die forderte, dass es Kantonen und Gemeinden ermöglicht werden soll, auf eigene Initiative hin zusätzliche Flüchtlingsgruppen aufzunehmen. Der Minderheitensprecher Balthasar Glättli (gp, ZH) argumentierte für das Anliegen seiner Fraktion, dass es keinen guten Grund gäbe, wieso der Schweizer Föderalismus nicht dazu genutzt werden solle, die Asylpolitik der Schweiz menschlicher und offener zu gestalten. Laut Marianne Binder-Keller (mitte, AG) stünde der vorgeschlagene Mechanismus im Verständnis der Kommissionsmehrheit aber im «Widerspruch zum aktuellen System», welches darauf aufbaue, dass «die Lasten» gemeinsam, statt von einzelnen Gemeinden, getragen würden.
Der Nationalrat entschied mit 119 zu 70 Stimmen, dem Anliegen der Grünen Fraktion keine Folge zu geben. Für die Vorlage sprachen sich lediglich die beiden geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen sowie die drei Nationalratsmitglieder der EVP aus. Damit blieb der Nationalrat seiner Stellung zu diesem Thema treu – so hatte er bereits eine Woche zuvor einer Standesinitiative aus dem Kanton Basel-Stadt keine Folge gegeben, die eine ähnliche Änderung im Asylwesen gefordert hatte.

Aufnahme von Asylsuchenden: Willkommensstädte und solidarische Gemeinden ermöglichen (Pa.Iv. 21.419)

In der Sommersession 2022 debattierte der Nationalrat über die parlamentarische Initiative von Jean-Luc Addor (svp, VS), welche verlangte, dass nur noch Personen als Flüchtlinge anerkannt werden, die bei der Anreise keinen sicheren Staat passiert haben. Addor erläuterte, dass er eine Lücke im Gesetz sehe: Wenn das Dublin-Abkommen konsequent umgesetzt würde, könnten in der Schweiz nur Personen ein Asylgesuch stellen, welche per Luftweg angekommen sind. Delphine Klopfenstein Broggini (gp, GE) argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass es nie angebracht sei, das Völkerrecht in Frage zu stellen, wie es dieser Vorstoss tue. Für die Kommissionsmehrheit sei klar, dass das Recht, einen Asylantrag zu stellen, sowie das Recht auf Prüfung jedes Asylantrages unbedingt garantiert werden müssten. Entsprechend der Kommissionsmehrheit – bestehend aus 17 befürwortenden zu 7 ablehnenden Stimmen – entschied der Nationalrat mit 136 zu 51 Stimmen (bei 3 Enthaltungen), der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben, wobei die 51 Stimmen für die Vorlage allesamt von Mitgliedern der SVP-Fraktion stammten.

Asylsuchende, die ein sicheres Land durchqueren, sollen nicht als Flüchtlinge gelten (Pa.Iv. 21.420)

Aufgrund einer im August 2021 veröffentlichten externen Evaluation und den daraus abgeleiteten Massnahmen sowie aufgrund des bestehenden Monitorings Asylsystem erachtete der Bundesrat eine angenommene Motion Pfister (cvp, ZG), die eine regelmässige Evaluation der Bundesasylzentren seit Inkrafttreten des revidierten Asylgesetzes forderte, als erfüllt und beantragte dem Parlament die Abschreibung des Geschäfts. National- und Ständerat kamen diesem Antrag in der Sommersession 2022 nach.

Évaluation des centres fédéraux pour requérants d'asile (Mo. 16.3478)

Nachdem sich die SPK-NR entgegen ihrer Schwesterkommission entschieden hatte, der Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt, welche forderte, zusätzliche, in Griechenland gestrandete, besonders schutzbedürftige Personen aufzunehmen, keine Folge zu geben, kam das Anliegen in der Sommersession 2022 in die grosse Kammer.
Marianne Binder-Keller (mitte, AG) argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass die Situation in Griechenland nicht mehr «dermassen tragisch» sei wie im Herbst 2020, weshalb sich die Mehrheit der Kommission dafür ausgesprochen habe, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Ausserdem tue die Schweiz bereits viel – etwa in Form von Hilfsgütern oder mit der Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden. Als Sprecherin der Kommissionsminderheit setzte sich Tamara Funiciello (sp, BE) für Folgegeben ein und forderte den Nationalrat auf, «endlich das Richtige» zu tun und mehr humanitäre Verantwortung zu übernehmen. Der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, dass die Schweiz durchaus in der Lage sei, schutzbedürftigen Menschen die nötige Sicherheit und Aussicht auf Arbeit zu geben. Die Frage sei nun, wieso dies für Menschen, welche an den europäischen Aussengrenzen unter prekären Umständen ausharren müssen, nicht auch möglich sein soll. Funiciello vermochte jedoch den Nationalrat nicht für das Anliegen zu gewinnen, welcher mit 98 zu 59 Stimmen entschied, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Lediglich die Fraktionen der SP und der Grünen stimmten geschlossen für das Anliegen, zusätzliche Unterstützung erfuhr die Standesinitiative darüber hinaus lediglich von den beiden EVP-Nationalrätinnen.

Aufnahme von Menschen aus Griechenland und Auslastung der Asylzentren (Kt.Iv. 21.310)
Dossier: Dublin-Verordnung

Da viele Heimat- oder Herkunftsstaaten von ausreisepflichtigen Personen für die Rückübernahme nach wie vor einen negativen Covid-19-Test verlangten, beschloss der Bundesrat, die entsprechende, auf Ende 2022 befristete dringliche Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG), mit der eine Testpflicht und deren Durchsetzung geregelt worden waren, bis Ende Juni 2024 zu verlängern. Im Juni 2022 legte er seine Botschaft zu diesem Beratungsgegenstand vor. Die erstberatende SPK-NR empfahl ihrem Rat im Juli 2022 mit 17 zu 8 Stimmen, die vom Bundesrat «aufgrund der pandemiebedingten unsicheren Situation» beschossene Verlängerung der Geltungsdauer anzunehmen.

Verlängerung der Bestimmungen zum Covid-19-Test bei der Ausschaffung (BRG 22.047)

«Es braucht legale Fluchtrouten als humanitäre flankierende Massnahmen zur Übernahme der Frontex-Verordnung» forderte Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) im März 2022 in einer parlamentarischen Initiative. Jositsch wollte den Bundesbeschluss zur Übernahme der Frontex-Verordnung, mit der die EU-Grenzschutzagentur ausgebaut werden sollte, um einen Artikel ergänzen. Die Ergänzung sähe vor, dass die Schweiz in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt mindestens 4'000 UNHCR-Resettlement-Flüchtlinge aufnehmen müsste. Resettlement bezeichnet die dauerhafte Neuansiedelung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge, die weder in ihr Heimatland zurückkehren, noch in dem Land bleiben können, in welches sie geflohen sind. Jositsch argumentierte, dass diese Forderung bereits in der parlamentarischen Debatte zur Frontex-Vorlage gestellt worden sei. Seiner Meinung nach müsste man zusätzlich zum Frontex-Ausbau die legalen Fluchtrouten ausbauen. Nach einer allfälligen Ablehnung der Frontex-Vorlage durch die Stimmbevölkerung solle der Bundesrat möglichst rasch eine neue Vorlage erarbeiten, welche die in der parlamentarischen Initiative genannten humanitären flankierenden Massnahmen umsetze, denn dies würde die Annahmewahrscheinlichkeit des Frontex-Ausbaus erhöhen. Ständerat Jositsch zog seine Initiative Ende Mai 2022 zurück, nachdem die Frontex-Vorlage mit einer deutlichen Mehrheit (71.5% Ja-Stimmen) angenommen worden war.

Es braucht legale Fluchtroute als humanitäre flankierende Massnahmen zur Übernahme der Frontex-Verordnung
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex