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Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen

Nach gut zwei Jahren Covid-19-Pandemie war es dieses Jahr endlich wieder so weit: Die Schweiz durfte die Kultur wieder ohne Einschränkungen geniessen. Bereits am 16. Februar 2022 hob der Bundesrat den Grossteil der nationalen Massnahmen – auch diejenigen im Kulturbereich – auf, woraufhin es in der Kultur ein breites Aufatmen und Erwachen gab. Konzerte und Festivals, sowie Museen, Theater oder Kinos konnten wieder gänzlich ohne Einschränkungen besucht werden. Dies führte auch dazu, dass der Kulturbereich – nach zwei Jahren verstärkter Aufmerksamkeit durch Covid-19 – in den Medien etwas aus dem Fokus geriet, wie Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse zeigt.

Die Kulturpolitik der Schweiz war 2022 von drei grösseren Themen geprägt: der Abstimmung zur Revision des Filmförderungsgesetzes, dem neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele und der Frage, wie die Schweiz mit Nazi-Raubkunst umgehen soll.

Nachdem die Beratungen zur Revision des Filmförderungsgesetzes – Lex Netflix – nach langwierigen Diskussionen als letztes Geschäft der Kulturbotschaft 2021-2024 in der Herbstsession 2021 zu einem Abschluss gekommen war, ergriffen die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen sowie die Junge SVP Ende Januar 2022 erfolgreich das Referendum. Streaming-Anbietende wie Netflix oder Disney+ sollten mit diesem Gesetz unter anderem dazu verpflichtet werden, vier Prozent des Umsatzes in das schweizerische Filmschaffen zu investieren oder für die Bewerbung Schweizer Filme einzusetzen. Zudem mussten die Plattformen 30 Prozent des Angebots mit europäischen Beiträgen füllen. Die bürgerlichen Jungparteien störten sich besonders an diesen beiden Punkten: Zum einen befürchteten sie, mit der Pflichtabgabe würde eine Erhöhung der Abo-Preise einhergehen, und zum anderen erachteten sie die Quote für europäische Filme und Serien als «bevormundend und eurozentristisch». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nahmen das Gesetz im Mai 2022 jedoch mit 58.1 Prozent Ja-Stimmen an. Der Abstimmungskampf war dann auch das einzige Ereignis des Jahres, welches im Bereich Kulturpolitik zu einem substantiellen Anstieg der medialen Berichterstattung führte (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse).

Ohne grosse mediale Beachtung fanden in der Herbstsession 2022 die Beratungen um das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele nach gut zwei Jahren ein Ende. Ziel des Gesetzes soll es sein, Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt- und Sexualdarstellungen in Filmen und Videospielen zu schützen, etwa durch eine schweizweite Alterskennzeichnung und -kontrolle der Produkte. Die Verantwortung, diese Regelungen zu entwickeln, wurde den Branchenorganisationen überlassen, welche entsprechende Expertinnen und Experten hinzuziehen sollen.

Für hitzige mediale Debatten sorgte hingegen die Kunstsammlung von Emil Bührle, der gemäss Medien ein Nazisympathisant und Waffenlieferant im Zweiten Weltkrieg war. Als Teile seiner Sammlung im Sommer 2021 im Kunsthaus Zürich ausgestellt worden waren, waren darob hitzige Diskussionen entbrannt, insbesondere weil Bührle Nazi-Raubkunst besessen habe und die Provenienz bei einigen Werken der Sammlung nicht endgültig geklärt sei. Diese Debatte ging auch an Bundesbern nicht ohne Spuren vorbei. So nahmen die Räte eine Kommissionsmotion der WBK-NR an, welche die Schaffung einer Plattform für die Provenienzforschung von Kulturgütern forderte. Weiter hiessen sie eine Motion gut, mit der eine unabhängige Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter geschaffen werden sollte. Offen liessen die Räte, ob eine solche Kommission auch für Raubkunst aus kolonialen Kontexten geschaffen werden soll.

Rund um die kirchen- und religionspolitische Fragen blieb es in der Bundespolitik im Jahr 2022 eher ruhig, jedoch weckte die katholische Kirche der Schweiz einige mediale Aufmerksamkeit, wie erneut in der APS-Zeitungsanalyse ersichtlich wird. Der Universität Zürich war im Frühling 2022 in Form eines Pilotprojekts ein Forschungsauftrag erteilt worden, mit dem die sexuellen Missbräuche innerhalb der Schweizer katholischen Kirche seit 1950 wissenschaftlich untersucht werden sollten. Dabei sollte ein Fokus auf die Strukturen gelegt werden, welche dabei geholfen hatten, die Missbräuche zu vertuschen. Zu diesem Zweck öffnete die katholische Kirche der Schweiz ihre Geheimarchive für die Forschenden.
Heftige Debatten rief auch der vom Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain eingeführte, für die Angestellten aller Ebenen der katholischen Kirche verbindliche Verhaltenskodex hervor, mit dem sexuellem Missbrauch vorgebeugt werden sollte. Einige Priester von Chur weigerten sich, den Kodex zu unterzeichnen, da einzelne Weisungen daraus der katholischen Lehre entgegenlaufen würden – so untersage er es etwa, sich negativ über die sexuelle Ausrichtung von Menschen auszusprechen.

Anfang 2022 verlängerte das SEM die muslimische Seelsorge in den Bundesasylzentren, welche Anfang 2021 in einzelnen Regionen als Pilotprojekt eingeführt worden war. Zuvor hatte eine Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg eine positive Bilanz gezogen. Sollten die Ergebnisse auch nach diesem Jahr positiv ausfallen, strebt das SEM eine permanente Einführung des Angebots und einen Ausbau auf alle Bundesasylzentren an – sofern die Finanzierung dafür gesichert werden kann. Bereits 2018 war ein entsprechendes Pilotprojekt aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf Eis gelegt worden.

Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2022: Soziale Gruppen
von Viktoria Kipfer und Marlène Geber

Die Schweizer Asylpolitik wurde vor allem im Frühjahr 2022 primär durch den Krieg in der Ukraine geprägt, wie auch die Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse zeigt. So aktivierte die Schweiz im März 2022 erstmals den Schutzstatus S, der es den Geflüchteten aus der Ukraine erlaubt, ohne reguläres Asylverfahren in der Schweiz eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Bis im November 2022 fanden so rund 70'000 Flüchtende aus der Ukraine in der Schweiz Schutz. Das Zusammenleben zwischen Geflüchteten aus der Ukraine und Schweizerinnen und Schweizern nahm zu Beginn des Krieges eine Hauptrolle in der medialen Berichterstattung ein. So zeigten sich viele Schweizerinnen und Schweizer vor allem zu Beginn solidarisch mit den Flüchtenden, von denen in der Folge rund die Hälfte bei Privatpersonen unterkam, wie die SFH berichtete. Gleichzeitig wurde der Schutzstatus S aber auch als «faktische Ungleichbehandlung» der Ukrainerinnen und Ukrainer gegenüber allen anderen Asylsuchenden kritisiert. Folglich wurden im Parlament zahlreiche Vorstösse zum neuen Schutzstatus eingereicht, welche diesen unter anderem einschränken oder anpassen wollten – jedoch erfolglos. Insgesamt führte die Zeitungsberichterstattung zur Asylpolitik im Zuge des Ukraine-Kriegs zu einem deutlichen Anstieg des medialen Interesses des Jahres 2022 zum Thema «Soziale Gruppen» gegenüber dem Vorjahr (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Diskutiert wurden auch allgemeine Neuregelungen bei den Asylsuchenden, etwa zur Schaffung der Möglichkeit, dass Asylsuchende nach einem negativen Aufenthaltsentscheid ihre Lehre in der Schweiz beenden dürften. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch im Ständerat. Hingegen sprach sich der Nationalrat für zwei Motionen für eine Erleichterung des Zugangs zu einer beruflichen Ausbildung für abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papier sowie für die Ermöglichung der Erwerbstätigkeit auch im Falle eines negativen Asylentscheids aus. Unverändert bestehen blieben die zwangsweisen Covid-19-Tests von Abgewiesenen bei der Rückstellung in ihr Herkunftsland, welche das Parlament bis ins Jahr 2024 verlängerte. Finanzielle Unterstützung wollte der Bundesrat schliesslich Kantonen mit Ausreisezentren an der Landesgrenze in Ausnahmesituationen gewähren, National- und Ständerat nahmen jedoch gewichtige Änderungen an der entsprechenden Revision des AIG vor.

Im Jahre 2022 unternahmen Bundesrat und Parlament einige Anstrengungen bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt an Frauen. Einerseits inspirierte ein Bericht zu Ursachen von Homiziden im häuslichen Umfeld eine Vielzahl verschiedener Vorstösse, andererseits diente auch die Ratifikation der Istanbul-Konvention als Ansporn zur Lancierung parlamentarischer Vorlagen gegen häusliche und geschlechterbezogene Gewalt. Als Erbe der letztjährigen Frauensession wurde zudem ein erster Vorstoss, der nationale Präventionskampagnen gegen Gewalt fordert, überwiesen. Während sich bei diesem Thema eine Allianz von Frauen verschiedenster Parteien beobachten liess, fand ein Vorstoss aus dem rechten Lager, mit dem Gewalt an Frauen künftig mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden müsste, im Parlament keine Mehrheit. Des Weiteren rückte auch die Mehrdimensionalität der Gewalt an Frauen im Rahmen intersektionaler Vorstösse in den Fokus. Einerseits erhielt die Forderung nach verbessertem Schutz ausländischer Opfer vor häuslicher Gewalt mehr Aufmerksamkeit, andererseits wurde die Schutzbedürftigkeit von Menschen mit Behinderung bei häuslicher Gewalt hervorgehoben. Zwei weitere, im Frühjahr 2022 lancierte Vorlagen mit dem Titel «Wer schlägt, geht!» beschäftigten sich mit dem Wohnverhältnis nach Vorfällen der häuslichen Gewalt, während sich der Nationalrat in der Sommersession für eine nationale Statistik über Kinder, die Zeuginnen und Zeugen von häuslicher Gewalt sind, aussprach. Zuletzt forderten Vertreterinnen unterschiedlicher Parteien in sechs parlamentarischen Initiativen, Aufrufe zu Hass und Gewalt aufgrund des Geschlechts der Antirassismus-Strafnorm zu unterstellen, was von der erstberatenden RK-NR befürwortet wurde.

Die Idee eines «pacte civil de solidarité» (Pacs) treibt die Schweiz bereits seit mehreren Jahren um, was im Frühjahr 2022 in einem Bericht des Bundesrats über die «Ehe light» mündete. Auf Grundlage des Berichts wurde bereits ein parlamentarischer Vorstoss zur Schaffung entsprechender Rechtsgrundlagen im Ständerat eingereicht. Auch die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen fand im Jahr 2022 Platz auf der politischen Agenda. Denn Ende 2021 hatten Vertreterinnen und Vertreter der SVP zwei Volksinitiativen lanciert, welche die Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen reduzieren wollten: einerseits die Initiative «Für einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung (Einmal-darüber-schlafen-Initiative)» und andererseits die Initiative «Für den Schutz von ausserhalb des Mutterleibes lebensfähigen Babys (Lebensfähige-Babys-retten-Initiative)». 2022 führten diese Anliegen auch innerhalb der SVP zu Diskussionen; insbesondere jüngere Vertreterinnen der Volkspartei äusserten sich dezidiert dagegen. Dieser Konflikt mündete unter anderem in der Ablehnung hauseigener Vorstösse durch eine Minderheit der SVP-Fraktion in der Sondersession 2022. Umgekehrt hatten es auch Vorstösse, die auf einen flächendeckenden und hürdenfreien Zugang zu Abtreibung abzielten, 2022 nicht leicht im Parlament.

Betreffend die Familienplanung sprachen sich beide Räte für eine Legalisierung der Eizellenspende für Ehepaare aus. Unter anderem weil die parlamentarische Initiative zur Überführung der Anstossfinanzierung für die familienexterne Kinderbetreuung in eine zeitgemässe Lösung den Sprung ins Sessionsprogramm 2022 verpasst hatte, stimmten National- und Ständerat einer Verlängerung der Bundesbeiträge an die familienexterne Kinderbetreuung bis Ende 2024 zu. Um jedoch die Kosten für die familienergänzende Kinderbetreuung zu senken und die Anzahl Kitaplätze zu erhöhen, wurde im Frühjahr 2022 eine Volksinitiative «Für eine gute und bezahlbare familienergänzende Kinderbetreuung für alle (Kita-Initiative)» lanciert. Auch die Annahme der «Ehe für alle» im September 2021 blieb nicht folgenlos im Parlament: Da gleichgeschlechtliche Paare nach der Heirat bei der Familienplanung weiterhin eingeschränkt seien, setzten sich zwei Motionen mit der rechtlichen Anerkennung der Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare auseinander, um deren Gleichberechtigung auch über die «Ehe für alle» hinaus voranzutreiben.

Darüber hinaus wurde 2022 eine Reihe von Forderungen aus der zweitägigen Frauensession 2021 vom Parlament aufgegriffen. Zwei Motionen zum Einbezug der Geschlechterperspektive in der Medizin stiessen in der Herbstsession 2022 in der grossen Kammer auf Akzeptanz. In Anbetracht des bevorstehenden digitalen Wandels fokussierten andere, auf die Frauensession zurückgehende erfolgreiche parlamentarische Vorstösse auf den Einbezug von Frauen in die Digitalisierungsstrategie des Bundes. In Anbetracht der in der Frauensession eingereichten Petitionen reichten die betroffenen Kommissionen auch mehrere Postulate ein, welche unter anderem Berichte zur Strategie zur Integration von Frauen in MINT-Berufen, zur Evaluation der schulischen Sexualaufklärung und zur Aufwertung der Care-Arbeit forderten – sie wurden allesamt angenommen.

In der LGBTQIA-Politik nahm besonders die Diskussion über die Existenz und das Verbot von Konversionstherapien viel Platz ein. Nach der Annahme der «Ehe für alle» waren 2021 drei parlamentarische Initiativen zum Verbot von Konversionstherapien eingereicht, später aber wegen einer lancierten Kommissionsmotion zurückgezogen worden. Angenommen wurde hingegen ein Postulat, das die Datengrundlage zum Vorkommen von Konversionsmassnahmen in der Schweiz verbessern möchte.

Auch die Gleichstellung gehörloser und hörbehinderter Menschen sollte gemäss Parlament vorangetrieben werden, weshalb National- und Ständerat eine Motion zur Schaffung eines Gesetzes zur Anerkennung der Gebärdensprachen annahmen.

Jahresrückblick 2022: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2022

Auf Antrag seiner RK und des Bundesrats sprach sich der Ständerat in der Wintersession 2022 als Zweitrat stillschweigend für eine Reformation der Stiefkindadoption aus. Die entsprechende Motion der RK-NR zielte darauf ab, die Stiefkindadoption für Paare zu vereinfachen. Bisher musste vor der Adoption ein einjähriges Pflegeverhältnis zum nicht-leiblichen Elternteil bestehen. Die Motion forderte indes, dass sich beide Elternteile bei der Geburt des Kindes lediglich in einer Lebensgemeinschaft im gleichen Haushalt befinden müssen.

Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption (Mo. 22.3382)

In der Sommersession 2022 lancierte Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) eine parlamentarische Initiative zur Einführung eines «pacte civil de solidarité» (PACS) für die Schweiz. Ein entsprechendes Projekt solle sich konkret am Bericht des Bundesrats zur Einführung eines PACS orientieren. Konkret forderte der Initiant, Paaren eine Option zwischen der Ehe und dem weitgehend ungeregelten Konkubinat zu bieten, wie es bereits in Frankreich und den Benelux-Staaten geläufig sei. So könnten sich Personen in einer langjährigen Partnerschaft rechtlich absichern, ohne die Verpflichtungen einer Ehe einzugehen. Für einen PACS erachtete der Initiant eheähnliche Regelungen lediglich bei der Vertretung der Partnerschaft gegenüber Dritten und bei gemeinsamen Kindern als sinnvoll; deshalb sollte dieser eher als «Konkubinat plus» statt als «Ehe light» verstanden werden. Die RK-SR gab der parlamentarischen Initiative als erstberatende Kommission Anfang November 2022 mit 9 zu 2 Stimmen Folge.

Einen Pacs für die Schweiz (Pa. Iv. 22.448)

Obschon die Abstimmung mit 22 zu 20 Stimmen um einiges knapper ausfiel als im Erstrat, sprach sich der Ständerat in der Herbstsession 2022 ebenfalls für die Motion der WBK-NR zur Ermöglichung der Eizellenspende im Falle der Unfruchtbarkeit von Frauen aus. Er folgte damit dem Antrag seiner WBK. Eine Kommissionsminderheit kritisierte, dass die Ausbeutung von Eizellenspenderinnen unter Umständen nicht vermieden werden könne und die Folgen der Eizellenentnahme nach wie vor nicht vollends geklärt seien. Jedoch mass die Mehrheit der kleinen Kammer der Gleichberechtigung beider Elternteile im Falle der Unfruchtbarkeit mehr Gewicht bei. Mit der Überweisung der Motion beauftragte die Ständekammer den Bundesrat nun, eine Gesetzesgrundlage für die Eizellenspende in der Schweiz auszuarbeiten und die entsprechenden Rahmenbedingungen festzulegen.

Eizellenspende ermöglichen (Mo. 21.4341)

Ayant pour objectif de modifier le préambule de la Constitution fédérale, l'initiative parlementaire de Fabian Molina (ps, ZH) n'a pas été couronnée de succès lors de son passage devant le Conseil national. Par 113 voix contre 59, la chambre basse n'a pas souhaité donné suite à l'objet. 18 parlementaires se sont abstenu.e.s, dont 14 provenaient du camp socialiste, indiquant que la proposition du député Molina n'a pas fait l'unanimité au sein même de son parti. Les partis bourgeois l'ont en revanche rejetée en bloc.
Au nom d'une minorité de la commission des institutions politiques (CIP-CN), Céline Widmer (ps, ZH) a émis le souhait de discuter à nouveau de la formulation du préambule, plus de 20 ans après l'entrée en vigueur de la Constitution de 1999. Entre-temps, de nombreux cantons ont retiré la mention à Dieu de leur constitution, ce qui, selon la zurichoise, démontre que d'autres formulations sont possibles pour exprimer les notions de modestie et d'humilité que le préambule a pour vocation de transmettre. L'argument inverse a été brandi par Michaël Buffat (udc, VD), qui a souligné que de nombreux cantons ainsi que d'autres États font également mention d'une entité supérieure dans leur constitution. Au nom de la majorité de la commission, le député agrarien a mentionné les origines historiques du préambule, dont le but était notamment de rappeler qu'aucun roi ni parti ne détient le pouvoir suprême en Suisse. Selon lui, l'argument de la laïcité ne doit pas suffire pour effacer des symboles de l'histoire suisse, sans quoi on pourrait à l'avenir proposer de «supprimer la croix des armoiries fédérales». Des arguments suivis donc par une majorité des membres de la chambre du peuple.

La laïcité doit être inscrite dans la Constitution (Iv.pa. 21.419)

In der Sommersession 2022 lehnte der Nationalrat auf Anraten des Bundesrates eine Motion Reynard (sp, VS) ab, die verlangt hätte, dass sich jede Frau auch über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch entscheiden kann, ohne dass sie sich in Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder in einer seelischen Notlage befinden muss. Die nach Ausscheiden Reynards aus dem Rat von Christian Dandrès (sp, GE) übernommene Motion fand Zustimmung in den geschlossenen Reihen der SP, der Grünen und der GLP, wurde von den drei verbleibenden bürgerlichen Fraktionen jedoch nicht minder deutlich abgelehnt.

Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Eine bevormundende Gesetzgebung ändern (Mo. 20.4140)

Auf Antrag von Christa Markwalder (fdp, BE) lancierte die RK-NR im Frühjahr 2022 eine Kommissionsmotion zur Reformation der Stiefkindadoption, welche bestehende Hürden bei ebendieser abbauen soll. Insbesondere in Angesicht der Annahme der «Ehe für alle» im September 2021 seien bestehende Regelungen zur Stiefkindadoption weiterhin zu kompliziert, da unter anderem in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft der nicht-leibliche Elternteil das Kind erst nach einem mindestens einjährigen Pflegeverhältnis adoptieren könne. Mit einer Revision der Stiefkindadoption zielte die Kommissionsmehrheit darauf ab, dass auf ein Pflegeverhältnis verzichtet werden kann, wenn sich der leibliche und der adoptionswillige Elternteil beim Zeitpunkt der Geburt des Kindes in einer Lebensgemeinschaft im gleichen Haushalt befinden. Der Nationalrat folgte in der Sommersession 2022 dem Antrag des Bundesrats und nahm die Motion mit 133 zu 40 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Während sich die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, Grünen, Grünliberalen und FDP.Liberalen für die Vorlage aussprachen, lehnten die Mehrheit der SVP-Fraktion sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion die Motion ab.

Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption (Mo. 22.3382)

Anfang Juli 2022 veröffentlichte das BFS eine Statistik zu den Schwangerschaftsabbrüchen 2021. Schweizweit kam es zu 11'049 Abbrüchen, was einer Rate von 6.7 pro 1'000 Frauen (Alter: 15 bis 44 Jahre) entspricht. Diese Rate liegt in der gleichen Grössenordnung wie die Abbruchrate 2020 (6.8 pro 1'000 Frauen). Im internationalen Vergleich handelte es sich bei diesen Zahlen um einen niedrigen Wert. Veränderungen waren indes bezüglich der Verteilung auf die verschiedenen Alterskategorien feststellbar. Für die vergangenen zehn Jahre war beim Anteil der über dreissigjährigen Frauen eine Zunahme von 45 Prozent auf 52 Prozent zu verzeichnen, der Anteil bei den unter 25-Jährigen sank von 33 Prozent (2010) auf 25 Prozent (2021) und derjenige der Frauen, welche zwischen 15 und 19 Jahre alt waren, von 9 auf 7 Prozent. Praktisch unverändert blieb der Anteil der 25-30-jährigen Frauen. Was die Methode, welche für die Schwangerschaftsbrüche angewendet wird, betrifft, so gab es einen Anstieg der medikamentösen Abbrüche zu verzeichnen. 2021 erfolgten 80 Prozent der Abbrüche auf diese Weise, 20 Prozent wurden mittels chirurgischem Eingriff vollzogen. Über die Zeit stabil blieb der Abbruchanteil vor der zwölften Schwangerschaftswoche, der bei 95 Prozent zu liegen kommt.

Schwangerschaftsabbrüche 2021

Eine Motion Estermann (svp, LU) forderte den Bundesrat dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um die Zahl der Spätabtreibungen in der Schweiz zu reduzieren. In ihrer Begründung forderte die Motionärin eine umfassende Information über die Risiken eines Schwangerschaftsabbruch, über die Wahrscheinlichkeit von Fehldiagnosen sowie über die Lebensfähigkeit und Lebensqualität eines Kindes mit Anomalien. Zusätzlich verlangte die SVP-Nationalrätin die Erhebung der Richtigkeit von diagnostizierten Anomalien nach einer Abtreibung, um Aussagen über die Quote von Fehldiagnosen zu erhalten.
In seiner Antwort gab der Bundesrat zuerst zu Protokoll, dass die Schweiz im internationalen Vergleich über eine tiefe Schwangerschaftsabbruchrate verfüge. Weiter verwies er auf die im Jahr 2018 verabschiedete Totalrevision des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG), gemäss welcher ein Aufklärungsgespräch nicht erst beim Entscheid zum Schwangerschaftsabbruch, sondern bereits beim Entscheid über die Durchführung einer pränatalen genetischen Untersuchung durchgeführt werden müsse. Dazu gehöre ebenfalls eine umfassende genetische Beratung nach Durchführung der genannten Untersuchung sowie das Hinweisen der schwangeren Frauen auf unabhängige Stellen zur Information und Beratung für pränatale Untersuchungen, die die Kantone nun einzurichten hätten. Das GUMG schreibe ferner vor, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Betracht ziehen, über Alternativen zur Abtreibung informiert und beraten sowie auf Vereinigungen von Eltern mit behinderten Kindern hingewiesen werden, so der Bundesrat weiter. Aus diesen Gründen sah er keinen zusätzlichen Handlungsbedarf zur weiteren Reduktion von Spätabtreibungen. Mit den getroffenen Massnahmen werde seiner Meinung nach bereits sichergestellt, dass «Schwangerschaftsabbrüche nach der 12. Schwangerschaftswoche auch künftig stets Ultima Ratio bleiben». Der Nationalrat, der die Motion in der Sondersession vom Mai 2022 beriet, lehnte sie mit 132 zu 36 Stimmen bei 13 Enthaltungen ab. Zustimmende und enthaltende Stimmen fanden sich dabei in den Fraktionen der SVP und der Mitte. 10 Ratsmitglieder der SVP und 19 Nationalrätinnen und Nationalräte der Mitte-Fraktion lehnten die Forderung ebenso wie die anderen, geschlossen dagegen stimmenden Fraktionen ab.

Die Zahl der Spätabtreibungen in der Schweiz reduzieren (Mo. 20.3191)
Dossier: Aktuelle Vorstösse zur Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen (ab 2020)

« Au nom de Dieu Tout-Puissant !
Le peuple et les cantons suisses,
conscients de leur responsabilité envers la Création [...] »

Ainsi commence la constitution fédérale de la Confédération suisse. Son préambule, qui date de la dernière révision totale du texte fondateur de l'État, en 1999, mentionne explicitement un «Dieu chrétien» ainsi que la «Création», selon le député Fabian Molina (ps, ZH). Considérant que ces références contreviennent à la neutralité de l'État en termes de confession, le socialiste propose de modifier ces trois lignes, en les remplaçant par «Le peuple et les cantons suisses, conscients de leur responsabilité envers l'environnement, [...]». Le zurichois invoque l'art. 15 Cst et l'art. 9 CEDH, qui garantissent la liberté de conscience et de croyance, pour mettre en avant l'ambivalence du préambule. De plus, il souligne que les relations entre l’Église et l’État relèvent de la compétence des cantons, en vertu de l'art. 72 Cst. Afin d'être compatible avec ces articles, il serait donc nécessaire d'introduire un préambule laïc. Cette requête avait déjà été formulée par la gauche lors de la révision totale de 1999, sans trouver cependant de majorité.
Un scénario similaire se dessine pour l'initiative parlementaire Molina. Elle n'a, en tout cas, pas trouvé grâce aux yeux de la commission des institutions politiques du Conseil national (CIP-CN). Par 14 voix contre 6 (2 abstentions), la commission a proposé de ne pas donner suite à l'objet, arguant que la formulation du préambule a déjà donné lieu à de vastes discussions lors de la révision de 1999. La formulation actuelle est donc le résultat d'un processus démocratique. En outre, la commission estime qu'une modification du préambule ne devrait pas intervenir dans le cadre d'une révision partielle de la constitution. Celui-ci n'a de toute façon pas force légale et donc aucune implication sur les droits et obligations des citoyennes et citoyens. Une minorité partage cependant l'avis du député Molina et estime qu'il y a d'autres moyens d'exprimer «l'humilité et la modestie» que le préambule a pour vocation de transmettre.
Dans la Sonntagszeitung, le journaliste Markus Somm a rappelé que la mention à «Dieu Tout-puissant», si elle peut paraître dépassée aujourd'hui, trouve ses racines dans la première constitution de 1848. Alors que les démocraties européennes étaient encore balbutiantes, la référence divine visait à établir le lien direct entre le peuple et les cantons suisses et le pouvoir, évitant de passer par un monarque qui hériterait son pouvoir de Dieu. L'objectif n'était donc pas de créer un état chrétien, mais bien d'affirmer le pouvoir du peuple et des cantons comme organes principaux de la Confédération, indique Somm. Conserver le préambule tel qu'il a été formulé à l'origine serait donc un moyen de souligner la souveraineté du peuple et des cantons. D'autres voix se sont cependant élevées dans la presse pour faire remarquer que le préambule ne collait plus avec l'air du temps: dans la Weltwoche, l'éditorialiste Urs Paul Engeler a plaidé en faveur de l'abandon des «fioritures» («Schwulst») de la préface, arguant qu'une formule telle que «le peuple et les cantons suisses se donnent la constitution suivante» suffirait.

La laïcité doit être inscrite dans la Constitution (Iv.pa. 21.419)

In der Frühjahrssession 2022 stimmte der Nationalrat mit 107 zu 57 Stimmen bei 16 Enthaltungen einer Motion seiner WBK zu, welche die Eizellenspende ermöglichen will, falls bei der Frau ein Unfruchtbarkeitsgrund vorliegt. Damit möchte die Mehrheit der Kommission eine bestehende Ungleichbehandlung korrigieren: Im Falle einer Unfruchtbarkeit des Mannes kann das Paar seinen Kinderwunsch in der Schweiz durch eine Samenspende erfüllen. Eine Eizellenspende sei momentan hingegen nur im Ausland möglich und werde im Unterschied zur Samenspende in der Schweiz von der Krankenkasse nicht vergütet, so die Kommission. Im Nationalrat stimmten fast ausnahmslos Vertreterinnen und Vertreter der SVP- und Mitte-Fraktionen gegen die Motion. Auch der Bundesrat hatte das Geschäft zur Ablehnung empfohlen. Er wollte die Ergebnisse einer bereits in Auftrag gegebenen Evaluation des Fortpflanzungsmedizingesetzes abwarten, bevor Revisionsschritte beschlossen werden.

Eizellenspende ermöglichen (Mo. 21.4341)

Bereits kurz nachdem ein Komitee, prominent vertreten durch die beiden SVP-Nationalrätinnen Yvette Estermann (LU) und Andrea Geissbühler (BE), zwei Volksinitativen zur Einschränkung des Rechts auf Abtreibung lanciert hatte, äusserten sich andere SVP-Exponentinnen kritisch zu den beiden Volksbegehren, die konkret «einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung» sowie ein Verbot von Spätabtreibungen fordern. In einem Streitgespräch mit Andrea Geissbühler über die Bedenkzeit-Initiative sprach die Präsidentin der Jungen SVP Zürich, Camille Lothe, im Tages-Anzeiger von «ein[em] massive[n] Eingriff» in die persönliche Freiheit von Frauen. Gegenüber «24 Heures» gab SVP-Vizepräsidentin Céline Amaudruz (GE) zu Protokoll, dass es bei der Frage der Abtreibung sowohl das Wohl des Kindes als auch dasjenige der schwangeren Frau zu berücksichtigen gelte und sie das bestehende Recht auf Abtreibung deswegen unter keinen Umständen angreifen wolle. Bereits 2014 hatte sich Amaudruz prominent gegen die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» gestellt – entgegen der Parole ihrer Partei.
Wie sich die SVP insgesamt zu den beiden neuen Volksinitiativen stellen würde, blieb vorerst offen. Ein Blick auf die namentliche Abstimmung im Nationalrat über eine Motion Estermann mit ähnlicher Stossrichtung (Mo. 20.3191) zeigte im Mai 2022 indes, dass die Westschweizer SVP-Vizepräsidentin Amaudruz nicht die einzige Parteivertreterin war, die dem Anliegen nur wenig abgewinnen konnte. Von den 12 an der Abstimmung teilnehmenden SVP-Nationalrätinnen fand die Motion lediglich bei deren 4 Unterstützung, wogegen sich 5 dagegen aussprachen und 3 weitere sich der Stimme enthielten. Im Unterschied zu den mehrheitlich skeptisch positionierten SVP-Nationalrätinnen stellten sich die männlichen Nationalratsmitglieder der SVP grossmehrheitlich hinter die Motion. Dennoch fanden sich unter den 38 an der Abstimmung teilnehmenden SVP-Nationalräten 5 ablehnende sowie 4 enthaltende Stimmen – zu Letzteren zählte unter anderem Parteipräsident Thomas Aeschi. Dass sich die SVP-Frauen in der Abtreibungsfrage teilweise anders positionieren als ihre männlichen Parteikollegen, ist jedoch nichts Neues; bereits 2002 hatten die SVP Frauen im Gegensatz zur SVP Schweiz die Ja-Parole zur Fristenregelung gefasst.

Abtreibungs-Initiativen spalten SVP-Vertreterinnen
Dossier: Aktuelle Vorstösse zur Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen (ab 2020)

Ende Dezember 2021 startete ein Komitee rund um die beiden SVP-Nationalrätinnen Yvette Estermann (LU) und Andrea Geissbühler (BE) die Unterschriftensammlung für zwei Volksinitiativen zur Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen. Beide verlangen, in der Verfassung den «Schutz des menschlichen Lebens, insbesondere vor der Geburt», explizit zu verankern. Bis am 21. Juni 2023 hat das Initiativkomitee Zeit, die notwendigen 100'000 Unterschriften für ihre Begehren zu sammeln. Während sich die eine Volksinitiative gegen Spätabtreibungen richtet, verlangt die andere Volksinitiative «einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung (Einmal-darüber-schlafen-Initiative)». Letztere will genau das, was der Titel des Anliegens bereits zum Ausdruck bringt: Mit Ausnahme von Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund lebensbedrohlicher Umstände sollen Schwangerschaftsabbrüche erst «nach einem Tag Bedenkzeit» durchgeführt werden dürfen. Zu dieser Bedenkzeit würde die ärztliche Pflicht gehören, der schwangeren Frau einen Leitfaden abzugeben, «der sämtliche kantonal und sämtliche national tätigen Beratungs- und Hilfsstellen enthält, welche psychologische, finanzielle oder materielle Hilfe anbieten». Laut Aussagen des Initiativkomitees, dem ebenfalls SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal (BE) und die Zürcher SVP-Kantonsrätin Maria Rita Marty angehören, bestünden in 18 Ländern in Europa Bestimmungen für Wartefristen. Mit einer Wartefrist verfolge die Initiative das Ziel, überstürzte Entscheidungen für einen Schwangerschaftsabbruch zu verhindern. Die Initiantinnen und Initianten gaben an, auf das Mittel der Volksinitiative zurückgegriffen zu haben, weil entsprechende Anliegen in parlamentarischen Vorstössen nicht auf Gehör gestossen waren. Zur Frage der Bedenkzeit hatte sich der Bundesrat in Beantwortung einer Motion Herzog (svp, TG; Mo. 14.3442) negativ geäussert. Dabei hatte er angemerkt, dass er eine solche Regelung nicht als notwendig erachte, und auf die geltende Praxis basierend auf Art. 120 StGB verwiesen, die darin besteht, dass die ärztliche Fachperson vor einer Abtreibung zur Beratung und Information ein eingehendes Gespräch mit der schwangeren Frau führen muss. Da die Motion nicht innert der vorgegebenen Frist von zwei Jahren im Nationalrat traktandiert worden war, war sie im Jahr 2016 unbehandelt abgeschrieben worden.

Volksinitiative «Für einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung (Einmal-darüber-schlafen-Initiative)»
Dossier: Aktuelle Vorstösse zur Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen (ab 2020)

Ende Dezember 2021 startete ein Komitee rund um die beiden SVP-Nationalrätinnen Yvette Estermann (LU) und Andrea Geissbühler (BE) die Unterschriftensammlung für zwei Volksinitiativen zur Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen. Beide verlangten, in der Verfassung den «Schutz des menschlichen Lebens, insbesondere vor der Geburt», explizit zu verankern. Während die eine Volksinitiative einen Tag Bedenkzeit vor einer Abtreibung einführen wollte, richtete sich die Volksinitiative «Für den Schutz von ausserhalb des Mutterleibes lebensfähigen Babys (Lebensfähige-Babys-retten-Initiative)» gegen Spätabtreibungen. Konkret verlangte Letztere, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr vorgenommen werden dürfen, wenn ein Ungeborenes zum Zeitpunkt der Abtreibung mit intensivmedizinischer Betreuung überlebensfähig wäre. Gemäss Initiativkomitee, dem ebenfalls SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal (BE) und die Zürcher SVP-Kantonsrätin Maria Rita Marty angehörten, würden in der Schweiz pro Jahr etwa 100 ausserhalb des Mutterleibs lebensfähige Ungeborene abgetrieben. Gemäss geltender Regelungen im Strafgesetzbuch (Art. 119) sind Abtreibungen in der Schweiz in gewissen Fällen auch nach der 12. Schwangerschaftswoche noch möglich. Dies konkret, wenn sich die Mutter in einer schwerwiegenden seelischen Notlage befindet oder wenn eine Abtreibung notwendig ist, um eine schwerwiegende körperliche Schädigung der schwangeren Frau zu verhindern. Falls Behinderungen oder schwerwiegende Erkrankungen beim ungeborenen Kind festgestellt werden, werden in der Schweiz auch Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche mit der Begründung der physischen oder psychischen Beeinträchtigung der Mutter durchgeführt, wobei die Gründe für die Abtreibung umso schwerer wiegen müssen, je weiter fortgeschritten die Schwangerschaft ist. Über Vorliegen solcher Umstände entscheidet dabei eine ärztliche Fachperson – dies im Unterschied zu Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 12. Schwangerschaftswoche: Seit Annahme der Fristenregelung entscheidet in letzterem Fall allein die schwangere Frau über eine Abtreibung.
Als Begründung für die Lancierung seiner Volksinitiativen gab das Komitee an, auf dieses Mittel zurückgegriffen zu haben, weil entsprechende parlamentarische Vorstösse bei Bundesrat und Parlament nicht erfolgreich waren. Zum Zeitpunkt der Lancierung der Volksinitiativen war eine Motion Estermann (Mo. 20.3191) mit der Forderung nach Reduktion von Spätabtreibungen hängig, die der Bundesrat zur Ablehnung empfohlen hatte. Bis am 21. Juni 2023 hat das Initiativkomitee Zeit, die notwendigen 100'000 Unterschriften für seine Begehren zu sammeln.

Volksinitiative «Für den Schutz von ausserhalb des Mutterleibes lebensfähigen Babys (Lebensfähige-Babys-retten-Initiative)»
Dossier: Aktuelle Vorstösse zur Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen (ab 2020)

Das im Jahr 2014 gegründete Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) in Freiburg stand im Zentrum eines im Juni 2021 eingereichten Postulats von Piero Marchesi (svp, TI). Marchesi forderte von der Regierung einen umfassenden Bericht über dieses Zentrum und seine Tätigkeiten. Zudem sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Streichung der finanziellen Mittel des Bundes gegeben seien. Der Postulant erläuterte, dass das SZIG, das der Universität Freiburg angegliedert sei, Glaube und Wissenschaft miteinander vermische. So habe eine Direktorin des SZIG beispielsweise darauf hingewiesen, wie das Schweizer Recht ausgelegt werden kann, «dass ein Sohn beim Erben im Verhältnis zu seiner Schwester begünstigt wird, wie es im islamischen Recht vorgesehen ist».
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Dieses wurde vom Nationalrat in der Herbstsession 2021 stillschweigend angenommen.

Schweizerisches Zentrum für Islam und Gesellschaft in Freiburg. Stopp der Finanzierung durch öffentliche Gelder prüfen (Po. 21.3767)

In Erfüllung eines im März 2017 vom Nationalrat angenommenen Postulats von Maja Ingold (evp, ZH) veröffentlichte der Bundesrat im August 2021 den Bericht zu Professionalisierungsanreizen für religiöse Betreuungspersonen. Der Bericht hatte entsprechend das Ziel auszuarbeiten, «ob und inwiefern das inkludierende Potenzial islamischer Betreuungspersonen durch Ausbildungsvorgaben gefördert und nutzbar gemacht werden kann». Die ZHAW, welche die Studie im Auftrag des BJ und des SEM durchführte, stellte grundlegend fest, dass der Einfluss und die Reichweite von Imamen durch die Öffentlichkeit überschätzt werde. So spielten Moscheen und islamische Betreuungspersonen eine Nebenrolle in sogenannten «Radikalisierungsphänomenen», wodurch es wenig zielführend sei, sich auf die Ausbildung von Imamen zu konzentrieren, um dieses Problem anzugehen. Die Studie fokussierte sich auf drei Schwerpunkte, von welchen der Bundesrat insgesamt 12 Erkenntnisse im Umgang mit religiösen Betreuungspersonen und 6 konkrete Handlungsempfehlungen ableitete.
Der erste Punkt drehte sich um die von der Postulantin verlangten Weiterbildungsmöglichkeiten für islamische Betreuungspersonen. Hier zeigte der Bericht etwa auf, dass vom Staat vorgegebene Ausbildungsvoraussetzungen für Imame weder zielführend noch rechtlich umsetzbar seien. Die religiöse Neutralität des Staates verbiete jegliches staatliches Eingreifen in Angelegenheiten von privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften. Zudem hätten sich die Änderungen des AIG von 2019, welche Zulassungsvoraussetzungen für religiöse Betreuungspersonen aus Drittstaaten definierte, bisher gut bewährt. Dazu gehörten etwa Kenntnisse der Landessprache entsprechend der Region, in der die betreffende Person arbeitet, sowie eine gewisse Vertrautheit mit dem gesellschaftlichen und rechtlichen Wertesystem der Schweiz. Eine erneute Revision sei hier aus Sicht des Bundesrates nicht angezeigt.
Der zweite Schwerpunkt lag auf der Einbindung von privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften in der Seelsorge in öffentlichen Institutionen.
Zum einen würde dies dem Bund die Möglichkeit geben, staatliche Voraussetzungen zur Zulassung als Seelsorgerin oder Seelsorger aufzustellen – wie etwa einen Abschluss einer Weiterbildung in diesem Bereich – und dadurch Professionalisierungsanreize schaffen. Zum anderen könnte man so dem Anspruch der Bewohnenden von Institutionen und Einrichtungen auf Seelsorge, welche ihrer religiösen Zugehörigkeit entspricht, gerecht werden. Dabei sollten auch Institutionen des Bundes einbezogen werden, wie die Armee oder Bundesasylzentren. In der Armee seien mittlerweile auch Religionsgemeinschaften, die nicht öffentlich-rechtlich anerkannt sind, in das Seelsorge-Angebot eingebunden. In Bundesasylzentren fehle es derzeitig noch an einer ähnlichen Lösung, es habe jedoch bereits erste erfolgreiche Pilotversuche einer muslimischen Seelsorge in Bundesasylzentren gegeben. Der Bundesrat wolle daher prüfen, ob diese flächendeckend eingeführt und finanziert werden könne.
Als letzter Punkt zeigte der Bericht auf, dass es zentral sei, den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften und den Kantonen sowie zwischen den Behörden zu intensiveren, auszubauen und allenfalls zu institutionalisieren. Dies sei in Anbetracht der zunehmenden Religionsdiversität und dem demographischen Wandel von besonderer Bedeutung. Entsprechend unterstützte der Bundesrat die Schaffung von Fachstellen für Religionsfragen.
Zum Schluss betonte der Bundesrat, dass dieser Bericht nicht abschliessend sei und dass im Rahmen des Postulats der SIK-SR zu Imamen in der Schweiz weitere relevante Aspekte dieses Themenbereichs untersucht würden.
Mit diesem Bericht erachtete der Bundesrat das Postulat von Maja Ingold als erfüllt. Der Nationalrat schrieb es in der Sommersession 2022 ab.

Gemässigte Imame als Schlüsselpersonen gegen Radikalisierung

Die SIK-SR verlangte im März 2021 als Ergänzung zum Bundesratsbericht «Professionalisierungsanreize für religiöse Betreuungspersonen» in Erfüllung des Postulats von Maja Ingold (evp, ZH; Po. 16.3314) in einem weiteren Postulat eine Abklärung zur Frage, wie Imame in der Schweiz, die im Rahmen von religiösen Reden «terroristisches oder gewalttätig-extremistisches Gedankengut verbreiten», besser überprüft werden können. Konkret sollen die Vorteile eines Bewilligungsverfahrens für Imame, ein Imam-Register sowie ein Finanzierungsverbot für Moscheen aus dem Ausland geprüft werden. Der Bundesrat empfahl im Mai 2021 die Annahme des Postulats, der Ständerat stimmte dem in der Sommersession 2021 stillschweigend und diskussionslos zu. Wie die SIK-SR in ihrer Medienmitteilung vom März 2021 ausführte, reichte sie gleichzeitig noch ein weiteres Postulat ein, welches vom Bundesrat eine Überprüfung allfälliger Gesetzeslücken bezüglich sogenannter «Hassrede» und der «Einfuhr und Verbreitung von extremistischem Propagandamaterial» (Po. 21.3450) einforderte. Dieses wurde, trotz der Empfehlung zur Ablehnung seitens des Bundesrats, ebenfalls diskussionslos vom Ständerat angenommen.

Imame in der Schweiz

Im Rahmen der Beratungen zum Bericht über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2020 schrieb der Nationalrat in der Sommersession 2021 ein Postulat Rickli (svp, ZH) als erfüllt ab, das einen Bericht über Massnahmen gegen die weibliche Genitalverstümmelung gefordert hatte. Ein entsprechender Bericht war im November 2020 erschienen.

Massnahmen gegen Mädchenbeschneidung (Po. 18.3551)

Die Autorinnen und Autoren der VOX-Analyse zur eidgenössischen Abstimmung vom 7. März 2021 über die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» kamen zum Schluss, dass das Abstimmungsergebnis – eine knappe Zustimmung zur Initiative mit 51.2 Prozent – infolge einer starken links-rechts-Polarisierung zustande gekommen war. Wenig überraschend war die Unterstützung mit rund 88 Prozent unter den Sympathisierenden der SVP gross. Allerdings stimmten auch die Sympathisierenden der Mitte und der FDP entgegen den Parteiparolen mit 60 respektive 58 Prozent mehrheitlich ja. Die Sympathisierenden der GLP (36% Ja), der SP (24% Ja) und der Grünen (16% Ja) lehnten die Initiative hingegen deutlich ab.

Als Motive der Ja-Stimmenden identifizierte die Studie den Schutz von Schweizer Werten und Kultur, die Stärkung von Frauenrechten sowie Sicherheitsaspekte in Bezug auf Extremismus und Hooliganismus. Die Schweizer Werte, Kultur und Identität wurden dabei als Hauptmotive genannt. Für die Nein-Stimmenden hatten als Motive die Zweifel an der Wirksamkeit der Initiative und ihre als diskriminierend empfundene Absicht überwogen. Hinzu kamen Bedenken hinsichtlich der Einmischung in fremde Kulturen und der Einschränkung der Selbstbestimmung von Frauen.

Wie schon im Abstimmungskampf wurden Frauenrechte von beiden Seiten als Argument angeführt, einfach jeweils umgekehrt ausgelegt. Die Studie betonte jedoch, dass der Stimmentscheid inhaltlich stark fundiert gewesen sei, so hätten 85 Prozent der Stimmenden entsprechend ihrer argumentativen Haltung (Zustimmung zu den jeweiligen Pro-/Kontraargumenten) gestimmt. Das Pro-Argument, wonach es zur Schweizer Kultur gehöre, das Gesicht zu zeigen, verfing am stärksten; selbst bei den Nein-Stimmenden war die Zustimmung (72%) dazu hoch. Während Ja-Stimmende dem Argument, dass die Verhüllung mit Burka und Niqab frauenfeindlich sei, mit rund 84 Prozent deutlich zustimmten, waren nur 42 Prozent der Nein-Stimmenden mit dieser Aussage einverstanden. Am stärksten polarisierte das Argument, das Verhüllungsverbot werde vor Terrorismus und Straftaten durch Vermummte schützen. Dies wurde von 84 Prozent der Ja-Stimmenden unterstützt und von 67 Prozent der Nein-Stimmenden abgelehnt. Die Nein-Stimmenden waren im Gegenzug mit 89 Prozent stark davon überzeugt, dass die Initiative Symbolpolitik auf Kosten einer kleinen Minderheit betreibe.

Überdies war die Zustimmung zur Initiative vom Vertrauen in Frauenrechts- und muslimische Organisationen abhängig. Je geringer das Vertrauen der Stimmenden in deren Vertreterinnen und Vertreter war, desto eher stimmten sie dem Verhüllungsverbot zu. Die Religionszugehörigkeit spielte ebenfalls eine zentrale Rolle. Personen mit christlicher Konfession stimmten mehrheitlich für die Initiative, während Personen ohne religiöse Bindung sich mehrheitlich dagegen aussprachen. Andersgläubige stimmten der Initiative mit 51 Prozent knapp zu. Eine detailliertere Auswertung – beispielsweise zum Stimmverhalten von Musliminnen und Muslimen – liess die zu geringe Anzahl von entsprechenden Befragten nicht zu. Die Analyse ergab ausserdem, dass ältere Menschen tendenziell häufiger zustimmten, während jüngere Menschen das Verhüllungsverbot am deutlichsten ablehnten. Ebenfalls deutlich war der Geschlechterunterschied: Frauen (56% Nein) lehnten die Initiative im Vergleich zu Männern (58% Ja) stärker ab. Des Weiteren zeigte sich, dass Personen mit einem Hochschulabschluss die Initiative tendenziell ablehnten, während Personen aller anderen Bildungsgruppen mehrheitlich Ja stimmten.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Ende November 2020 publizierte der Bundesrat in Erfüllung eines Postulats Rickli (svp, ZH) einen Bericht über die Massnahmen gegen die weibliche Genitalverstümmelung. In diesem Bericht wird unter anderem hervorgehoben, dass es unklar sei, ob und in welchem Ausmass weibliche Genitalverstümmelung in der Schweiz stattfindet. Die Forderung nach einer diesbezüglichen Verschärfung des Strafrechts lehnte die Regierung ab. Während sie die Wichtigkeit des expliziten Straftatbestandes der weiblichen Genitalverstümmelung (Art. 124 StGB) aus dem Jahre 2012 hervorhob, betonte sie, dass ein erhöhtes Mass an strafrechtlicher Verfolgung gesundheitliche Konsequenzen für Betroffene mit sich ziehen könne. Denn diese nähmen unter Umständen aus Angst vor Strafen keine medizinische Versorgung in Anspruch. Des Weiteren verfüge die Schweiz bereits über eine hinreichende Strafverfolgung bei weiblicher Genitalverstümmelung, welche gar weiter gehe als bei anderen europäischen Migrationszielstaaten. Zudem betonte der Bundesrat, dass die weibliche Genitalverstümmelung oftmals eng an ein entsprechendes Wertesystem gekoppelt sei und deshalb eine Revision des Strafrechts alleine nicht zu einem Umdenken der Betroffenen führen könne.
Stattdessen empfahl er, sich vermehrt auf die Präventionsarbeit innerhalb betroffener Migrationsgruppen zu fokussieren. Dies sehe unter anderem die Sensibilisierung bestimmter Berufsgruppen vor, die mit potenziell bedrohten Frauen und Mädchen in Kontakt kommen, und verlange insbesondere nach interdisziplinärer Zusammenarbeit der Behörden. Des Weiteren sah der Bundesrat eine «bedarfsgerechte medizinische Versorgung der betroffenen Mädchen und Frauen» in Form von Folgebehandlungen nach einer Genitalverstümmelung vor.

Ende April 2021 beriet die RK-NR die Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043) zu Ende und befürwortete die Revision in der Gesamtabstimmung mit 16 zu 7 Stimmen (1 Enthaltung). Während den Beratungen kam die Kommissionsmehrheit unter Kenntnisnahme des Berichts des Bundesrats zum Schluss, dass der bestehende Tatbestand der weiblichen Genitalverstümmelung momentan keiner Veränderung bedarf.

Massnahmen gegen Mädchenbeschneidung (Po. 18.3551)

Am 7. März 2021 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Damit fiel das Ergebnis letztlich knapper aus als aufgrund von Vorumfragen erwartet. Die Stimmbeteiligung betrug 51.4 Prozent. Die höchste Zustimmung erfuhr das Verhüllungsverbot im Jura (60.7% Ja), gefolgt vom Tessin (60.5%) und Schwyz (60.2%). In St. Gallen, wo wie im Tessin bereits ein kantonales Verhüllungsverbot gilt, dem 2018 zwei Drittel der Stimmbevölkerung zugestimmt hatten, war die Zustimmung mit 53.1 Prozent vergleichsweise schwach. Am wenigsten Unterstützung erhielt die Initiative im Kanton Basel-Stadt (40.6% Ja), gefolgt von Zürich (45.2%) und Genf (48.7%). Auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden (49.1%), Bern (49.6%) und Graubünden (49.6%) lehnten die Initiative knapp ab. Bemerkenswert hoch war die Zustimmung für eine Initiative aus den Reihen der SVP – auch im direkten Vergleich mit dem 2009 angenommenen Minarettverbot, das ebenfalls vom Egerkinger Komitee initiiert worden war – in der Westschweiz. Verschiedene Expertinnen und Experten mutmassten in den Medien, dass einerseits die Nähe zu Frankreich den Diskurs analog der dort geführten Debatten stärker auf den sicherheitspolitischen Aspekt gelenkt habe und andererseits die in der Romandie stark präsenten, prominenten bürgerlichen und linken Stimmen, die sich für die Initiative starkgemacht hatten, wohl erheblichen Einfluss gehabt und den Anti-SVP-Reflex beschränkt hätten.
Die Befürwortendenseite wertete den Entscheid als «ein klares Signal des Widerstands gegen die Islamisierung der Schweiz», wie sich der Urheber des ersten kantonalen Verhüllungsverbots Giorgio Ghiringhelli vom «Corriere del Ticino» zitieren liess. Als «Zeichen gegen den ‹politischen Islam›, der vielen Menschen Unbehagen bereitet», interpretierte die NZZ das Votum. Der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui sah im Resultat dementsprechend einen Positionsbezug der gemässigten Muslime gegen den Islamismus, wie er gegenüber «Le Temps» verlauten liess.
Das unterlegene Lager bedauerte den Volksentscheid derweil aus verschiedenen Gründen. Feministische Kreise, die sich gegen das Verhüllungsverbot starkgemacht hatten, fühlten sich durch das Argument, die Vollverschleierung sei Ausdruck der Unterdrückung der Frauen, für rassistische und xenophobe Zwecke missbraucht, wie deren Vertreterin Meriam Mastour gegenüber der Presse erklärte. Die Tourismusbranche befürchtete einen Imageschaden für die Schweiz und zeigte sich besorgt, dass künftig weniger kaufkräftige und konsumfreudige Gäste aus den Golfstaaten die Schweiz besuchen würden. Die Jungen Grünen und der IZRS erklärten unabhängig voneinander, eine gerichtliche Anfechtung des Verhüllungsverbots wenn nötig bis vor den EGMR unterstützen zu wollen. Pascal Gemperli, Pressesprecher der FIDS, zeigte sich um die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaft besorgt und befürchtete zunehmende Aggression und Gewalt gegenüber Musliminnen und Muslimen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte gegenüber den Medien, das Abstimmungsresultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Diese Linie wurde im unterlegenen Nein-Lager breit vertreten. Dass der Ja-Anteil gegenüber der Minarettinitiative deutlich abgenommen habe, gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz vielleicht doch nicht so islamfeindlich sei, so der Tenor.
Letztlich sei der Entscheid «vor allem auf symbolischer Ebene bedeutsam», resümierte die NZZ. Die konkreten praktischen Auswirkungen sind in der Tat noch unklar. Wie Karin Keller-Sutter erklärte, liege die Umsetzung bei den Kantonen, weil sie über die Polizeihoheit verfügten. Sie hätten nun zwei Jahre Zeit, entsprechende Gesetze zu erlassen. Der Bund müsse das Verbot unterdessen für diejenigen Bereiche, in denen er zuständig ist – beispielsweise im öffentlichen Transportwesen und im Zollwesen – auf Gesetzesebene konkretisieren. Gemäss dem «Blick» zeigten sich einige Kantonsvertretende wenig motiviert, ein gesetzliches Verhüllungsverbot zu erlassen, und würden die Umsetzung lieber ganz dem Bund überlassen. Initiant Walter Wobmann (svp, SO) warf dem Bund in derselben Zeitung bereits vor, die Initiative nicht umsetzen zu wollen: Ein Bundesgesetz sei «unabdingbar, um zu verhindern, dass am Schluss in jedem Kanton etwas anderes gilt», zitierte ihn das Blatt.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.42%
Ja: 1'427'344 (51.2%) / Stände: 16 4/2
Nein: 1'360'750 (48.8%) / Stände: 4 2/2

Parolen:
– Ja: EDU, Lega, SD, SVP
– Nein: FDP (4*; Frauen: 1*; Jungfreisinnige: 2*), GLP, GP, KVP, Die Mitte (2*), PdA, SP; EKR, SSV, Travail.Suisse, VPOD, Schweizer Tourismus-Verband, EKS, SBK, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), Schweizerischer Rat der Religionen, Katholischer Frauenbund (SKF), Alliance F, Amnesty International, Operation Libero
– Stimmfreigabe: EVP (3*); Schweizerische Evangelische Allianz
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Mitte Januar 2021 startete mit Medienkonferenzen sowohl seitens des Initiativkomitees als auch des Bundesrats der Abstimmungskampf zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot». In den zwei darauffolgenden Monaten bis zum Abstimmungstermin am 7. März 2021 war das Thema Verhüllungsverbot in der Presse praktisch täglich präsent. Wie die Zeitungs- und Inserateanalyse zeigte, erhielt die Volksinitiative im angegebenen Zeitraum deutlich mehr Medienaufmerksamkeit als die beiden anderen Abstimmungsvorlagen vom 7. März, das E-ID-Gesetz und das Freihandelsabkommen mit Indonesien. Obgleich über das Verhüllungsverbot sehr viel debattiert wurde, gab es weder für noch gegen die Initiative eine nennenswerte Inseratekampagne. Dies ging mit einer komplexen Gemengelage in der intensiv geführten Debatte einher: Die Grenze zwischen dem befürwortenden und dem ablehnenden Lager war äusserst diffus; praktisch in jeder Partei oder gesellschaftlichen Gruppierung, die ihren Standpunkt kundtat, gab es gewichtige Stimmen, die sich für die jeweils gegnerische Seite starkmachten. Neben dem Egerkinger Komitee, das die Initiative lanciert hatte, und der SVP, die sie im Parlament unterstützt hatte, stand auf der Pro-Seite etwa auch ein Mitte-links-Komitee aus der Westschweiz, in dem sich unter anderen GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley (VD), der Genfer FDP-Grossrat Jean Romain, der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui und alt-CVP-Nationalrätin Marlyse Dormond Béguelin (VD) für das Verhüllungsverbot engagierten. Ferner warb ein überparteiliches Frauenkomitee um die Nationalrätinnen Marianne Binder-Keller (mitte, AG) und Monika Rüegger (svp, OW) sowie die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam Saïda Keller-Messahli für die Initiative. Für ein Nein plädierten indes alle grossen Parteien ausser der SVP – allerdings keineswegs geschlossen –, ein parlamentarisches Komitee unter der Federführung von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR), der Schweizer Tourismusverband, mehrere Frauenverbände und Frauenstreikkomitees sowie diverse Akteure, die sich selbst als liberal verstanden oder sich für die Religionsfreiheit einsetzten, darunter die Operation Libero, Amnesty International und verschiedene religiöse Organisationen. Die grossen Abwesenden im Abstimmungskampf waren die direkt Betroffenen, die Nikabträgerinnen selber. Wie der Tages-Anzeiger berichtete, lag das jedoch nicht daran, dass man sie nicht hätte zu Wort kommen lassen, sondern dass sie sich – abgesehen von zwei Interviews während der gesamten Kampagne – nicht äussern wollten. Nach gemäss eigenen Angaben monatelanger Suche blieb der Zeitung deshalb nichts als die Erkenntnis, «dass verhüllte Frauen in der Schweiz nicht nur Körper und Gesicht verstecken, sondern unsichtbar und stumm bleiben».

Argumentativ bewegte sich der Abstimmungskampf auf verschiedenen Ebenen, wobei die Befürwortenden und die Gegnerschaft über weite Strecken dieselben Punkte vorbrachten, sie aber unterschiedlich interpretierten und daher zu gegenteiligen Schlüssen kamen. Neben der Islamdebatte und der Grundrechtsdiskussion wurde von beiden Seiten aus feministischer, sicherheitspolitischer, staatspolitischer und empirischer Warte argumentiert. Wenngleich der Initiativtext keinen Bezug zur islamischen Gesichtsverschleierung herstellte, war beiden Seiten klar, dass sie sich vor allem gegen jene richtete. In der Presse war daher meist vom «Burkaverbot» oder von der «Anti-Burka-Initiative» die Rede, obwohl in der Schweiz – wenn überhaupt – ausschliesslich der Nikab zu sehen sei, wie eine im Abstimmungskampf viel zitierte Studie der Universität Luzern feststellte. Während das Contra-Lager die Initiative als anti-islamisch und diskriminierend gegenüber Musliminnen verstand, sah die Pro-Seite sie als Mittel zum Kampf gegen den radikalen Islam und den Islamismus. Die Religionsfreiheit der Musliminnen tangiere die Initiative nicht, weil die Verschleierung nicht vom Islam verlangt werde, sondern ein kultureller Ausdruck für die Unterdrückung der Frau sei; sie könne daher nicht als Ausübung der persönlichen Freiheit gewertet werden. Vielmehr sei die Vollverschleierung sexistisch und entwürdigend, weil sie die Frauen im öffentlichen Leben unsichtbar mache und entmenschliche. Die muslimischen Frauen müssten davor bewahrt werden, weil sie sich mit Gesichtsschleier nicht in die Schweizer Gesellschaft integrieren könnten. Die Gegenseite betonte, dass sich die Nikabträgerinnen in der Schweiz in der Regel aus religiöser Überzeugung freiwillig verschleierten und nicht befreit werden müssten – im Gegenteil: Soziologische Studien aus Frankreich zeigten, dass die Verschleierung von den strenggläubigen Musliminnen im westlichen Kulturkreis als antikonformistischer, emanzipatorischer Akt verstanden werde. In Frankreich habe das Verbot den Gesichtsschleier sogar populärer werden lassen, weil er jetzt auch als Ausdruck des Protests getragen werde. Zudem sei es sexistisch und paternalistisch, den Frauen vorzuschreiben, wie sie sich zu kleiden hätten und ihnen die freie Entscheidung für den Schleier nicht zuzutrauen. Falls eine Frau den Schleier tatsächlich unter Zwang trage, kriminalisiere das Verbot überdies das Opfer und wirke kontraproduktiv, indem es die betroffenen Frauen zuhause einsperre und erst recht aus der Gesellschaft ausschliesse. Dass es gemäss der Studie der Universität Luzern in der Schweiz nur 20 bis 30 vollverschleierte Frauen gebe, gab dem ablehnenden Lager Anlass, das Anliegen als unnötige Symbolpolitik zu bezeichnen. Für die Befürworterinnen und Befürworter war die Gesichtsverhüllung jedoch eine Prinzipienfrage und auch in noch so kleinen Zahlen nicht tolerierbar. Sie sahen sich im Motto «Wehret den Anfängen» bestärkt und forderten, jetzt zu handeln, solange es noch nicht zu spät sei.

Weiter hob die Pro-Seite hervor, dass die Identifizierbarkeit von Personen sicherheitsrelevant sei. Das Verhüllungsverbot schütze die Gesellschaft somit auch vor vermummten Kriminellen wie zum Beispiel Hooligans oder gewalttätigen Demonstrierenden. Dem setzte die Gegenseite entgegen, dass es in fünfzehn Kantonen bereits verboten sei, sich bei Demonstrationen und Sportveranstaltungen zu vermummen. (Als erster Kanton hatte Basel-Stadt 1990 ein solches Verbot eingeführt.) Ausserdem verhindere das Verhüllungsverbot – anders als von den Initianten schon bei der medienwirksamen Lancierung der Initiative suggeriert – keine Terroranschläge. Dafür brauche es strafrechtliche und präventiv-polizeiliche Massnahmen, denn allein durch ein Verhüllungsverbot würden radikalisierte Islamisten und Islamistinnen «nicht plötzlich zurück in die Mitte der Gesellschaft finden», wie es der «Sonntags-Blick» formulierte. In anderen Kontexten, etwa in winterlicher Kälte, an der Fasnacht oder in der Pandemiesituation, sei die Verhüllung zudem auch für die Initiantinnen und Initianten kein Problem, wie die im Initiativtext enthaltenen Ausnahmen zeigten.

Auf der staatspolitischen Ebene drehte sich die Diskussion um die Frage, ob das Verhüllungsverbot in die Bundesverfassung gehöre. Während die Contra-Seite es ablehnte, Kleidervorschriften in die Verfassung zu schreiben, sah das Pro-Lager dies als gerechtfertigt an, weil es eben nicht um eine blosse Kleidervorschrift gehe, sondern um einen Grundsatz der liberalen und demokratischen Gesellschaft: In der Öffentlichkeit das Gesicht zu zeigen und dasjenige des Gegenübers zu sehen, sei fundamental für das Zusammenleben. Diese Begründung hatte auch den EGMR von der menschenrechtlichen Zulässigkeit des Verhüllungsverbots in Frankreich überzeugt, als dieses in Strassburg vergeblich angefochten worden war. Darüber, ob die seit Monaten geltende Maskenpflicht aufgrund der Corona-Pandemie dieses Argument ad absurdum führe oder ob sie gerade beweise, dass es das Verhüllungsverbot für das Funktionieren der zwischenmenschlichen Beziehungen brauche, wurden sich die beiden Lager nicht einig. Derweil war das gegnerische Lager der Ansicht, es sei gerade höchst illiberal, etwas zu verbieten, das niemandem schade, nur weil es auf Ablehnung stosse. Auch der Bundesrat argumentierte hauptsächlich staatspolitisch: Ein nationales Verhüllungsverbot greife in die Souveränität der Kantone ein, denen die Polizeihoheit obliege. Das Tessin und St. Gallen hätten bereits ein Verhüllungsverbot eingeführt, während andere Kantone ein solches explizit abgelehnt hätten. Diese Entscheide seien zu respektieren. Die Befürwortendenseite argumentierte indessen, dass die Regelung einer solch fundamentalen gesellschaftlichen Frage nicht den Kantonen überlassen werden dürfe. Dass die Gesichtsverhüllung in vielen anderen europäischen Ländern – darunter Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Lettland und Österreich – und sogar einigen arabischen Staaten wie Ägypten, Marokko, Senegal oder Tunesien verboten – und im Falle von Frankreich das Verbot explizit vom EGMR als menschenrechtskonform bestätigt – sei, wertete die Pro-Seite als Zeichen der Legitimität ihres Anliegens. Sie betonte zudem die guten Erfahrungen, welche die Kantone Tessin und St. Gallen damit gemacht hätten. Weder im Tessin noch in den bei arabischen Gästen beliebten österreichischen Ferienorten habe sich das Verhüllungsverbot negativ auf den Tourismus ausgewirkt, wie es der Tourismusverband befürchtete. Die Contra-Seite hob hingegen hervor, dass im Tessin und in St. Gallen praktisch keine Verstösse gegen das Verbot registriert würden, was bestätige, dass es sich nur um ein Scheinproblem handle. In diesem Zusammenhang war in den Augen der Befürworterinnen und Befürworter auch Justizministerin Karin Keller-Sutter, die sich im Namen des Bundesrats gegen das Verhüllungsverbot aussprach, nicht glaubwürdig, weil sie in St. Gallen als ehemalige Polizeidirektorin genau ebendieses eingeführt habe. Gleichzeitig attestierten die Gegnerinnen und Gegner dem Egerkinger Komitee und der SVP ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil sie ihnen ihr Engagement für Frauenrechte nicht abkauften.

Neben der Initiative selbst sorgte auch der indirekte Gegenvorschlag, der bei Ablehnung der Initiative automatisch in Kraft treten würde, für einige Diskussionen. Die Initiativgegnerinnen und -gegner waren der Ansicht, der Gegenvorschlag regle mit der gesetzlichen Pflicht, zur Identifizierung vor Behörden das Gesicht zu zeigen, alles Nötige. Ausserdem leiste er – im Gegensatz zum Verhüllungsverbot – einen tatsächlichen Beitrag an die Stärkung der Frauenrechte und die bessere Integration von ausländischen Frauen in die Gesellschaft. Die Initianten argumentierten hingegen, der Gegenvorschlag löse das eigentliche Problem nicht und wer keine «Gleichstellungsoffensive» («Weltwoche») wolle, müsse mit der Annahme der Initiative den Gegenvorschlag verhindern.

Die durchgeführten Umfragen attestierten der Initiative von Anfang an gute Chancen. Nachdem Ende Januar eine klare Ja-Mehrheit von 63 Prozent (Tamedia) bzw. 56 Prozent (SRF) resultiert hatte, legte die Nein-Kampagne im Folgenden etwas zu. Zwei Wochen vor der Abstimmung bekundeten noch 59 bzw. 49 Prozent der Befragten eine Ja-Stimmabsicht. Während die Parteibasis der SVP durchwegs zu rund 90 Prozent ja stimmen wollte, zeigten sich die Anhängerschaften von FDP, Mitte und GLP gespalten – hier konnte das Nein-Lager im Verlauf der Kampagne Boden gutmachen. Auch im linken Lager traf das Anliegen immerhin bei rund 30 Prozent der Befragten auf Wohlwollen.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Sans surprise, la pandémie de coronavirus et ses conséquences font une entrée fracassante dans le baromètre des préoccupations du Credit Suisse 2020. Ce thème arrive en tête de l'étude réalisée par l’institut de recherche gfs.bern, qui a interrogé des citoyens et citoyennes suisses sur leurs principales préoccupations et sur les caractéristiques de l'identité du pays. C'est la première fois en 44 ans qu'une nouvelle préoccupation arrive aussi nettement en haut du classement. En effet, 51 pour cent des personnes sondées ont cité la pandémie parmi les cinq plus gros problèmes auquel la Suisse fait face. Suivent dans le classement le thème de l'AVS et de la prévoyance vieillesse (37%), qui occupait la première place depuis 2017, et l'inquiétude liée au chômage (31%), elle aussi en augmentation, sans doute en lien avec la pandémie.
Le thème de l'environnement et du climat, mentionné par 29 pour cent des personnes sondées, occupe la quatrième place. Il est néanmoins considéré comme le deuxième problème le plus urgent à résoudre, seulement précédé par la pandémie de coronavirus. Le top-5 des préoccupations des suisses et suissesses est complété par la catégorie «étrangers» avec 28 pour cent.
Si l'on met de côté la pandémie, les préoccupations de la population sont relativement similaires aux années précédentes. Certaines thématiques telle que la prévoyance vieillesse, la protection environnementale ou la question des étrangers, même si toujours considérées comme importantes, sont néanmoins devenues moins urgentes aux yeux des citoyens et citoyennes, alors que l'inquiétude face au chômage est elle revenue sur le devant de la scène, sans pour autant atteindre les niveaux records des années 90, comme le souligne Lukas Golder, le co-directeur de gfs.bern.
Parmi les autres questions posées aux personnes sondées figurait celle des éléments les plus importants de la sécurité du pays. Mises en lumière par la pandémie, les questions d'approvisionnement arrivent en tête de liste. Ce sont la sécurité de l'approvisionnement en énergie, l'approvisionnement autonome en matériel médical ainsi que la sécurité de l'approvisionnement en marchandises qui cristallisent l'attention, en adéquation avec le fait que 87 pour cent des personnes sondées se disent plutôt ou tout à fait d'accord avec la proposition de rapatrier en Suisse, avec l'aide de l'État, certains processus de production.
La confiance dans les institutions est elle en hausse par rapport à l'année précédente. La police conserve sa première place en ayant la confiance de 70 pour cent de la population, suivie par le Conseil fédéral avec 68 pour cent et un gain de 18 points de pourcentage. Le Parlement fédéral (Conseil des États: 51%, +7 pp; Conseil national: 48%, +8 pp) et l'administration publique (48%, +8 pp) progressent également. Selon Lukas Golder, cela s'explique par la bonne maîtrise de la première vague de la pandémie. Il convient cependant de relever que l'étude a été réalisée au cours de l'été, au moment où le nombre de contaminations était bas et les conséquences de la deuxième vague ne se faisaient pas encore sentir.
L'étude montre également un intérêt grandissant de la population pour les questions politiques, avec 85 pour cent des personnes sondées qui se disent très ou plutôt intéressées par la politique. Enfin, les suisses et suissesses évaluent toujours leur situation économique personnelle de manière positive, même si la part des personnes s'attendant à une dégradation de celle-ci ou s'inquiétant pour leur avenir n'a jamais été aussi grande (19%).

Sorgenbarometer

Die Nachbefragung zur eidgenössischen Abstimmung über einen Vaterschaftsurlaub ergab, dass der Stimmentscheid stark von parteipolitischen Präferenzen geprägt war. So befürworteten beinahe neun von zehn Sympathisantinnen und Sympathisanten linker Parteien die Vorlage (SP: 85%; Grüne: 88%). In zwei gleich grosse Lager gespalten zeigte sich die Anhängerschaft der FDP (49% Ja), bei der CVP legten etwas mehr als die Hälfte der Sympathisierenden ein Ja ein (57%). Die Anhängerschaft der SVP verwarf den Vaterschaftsurlaub hingegen deutlich mit einem Nein-Anteil von 78 Prozent (22% Ja). Die von der Vorlage potentiell besonders betroffene Gruppe – Männer zwischen 18 und 39 Jahren – befürwortete einen Vaterschaftsurlaub mit einer Dreiviertelmehrheit (77%). Grundsätzlich stiess die Vorlage aber bei Frauen in den meisten Altersgruppen auf grösseres Gehör als bei den Männern. Als Motive stand für die Ja-Stimmenden häufig die Intensivierung der Beziehung zwischen Vater und Kind im Vordergrund (31% Erstnennungen). Jede fünfte befürwortende Person erachtete einen Vaterschaftsurlaub in erster Linie als selbstverständlich oder überfällig und ebenso häufig war das erstgenannte Argument für die Befürwortenden die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Für vier von zehn Nein-Stimmenden stand das Kosten-Argument für ihren Stimmentscheid im Vordergrund (40% Erstnennungen). Jede vierte Person der Gegnerschaft stellte primär den Nutzen des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs in Frage und 15 Prozent der Nein-Stimmenden gaben als Erstes an, dass sich der Staat nicht in Familienangelegenheiten einmischen soll.

Contre-projet indirect à l'initiative pour un congé de paternité (18.441)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zu Vaterschafts- oder Elternurlaub