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Jahresrückblick 2023: Kultur, Kirchen und religionspolitische Fragen

Im Jahr 2023 standen insbesondere die Kirchen und religionspolitische Fragen im Zentrum der politischen und medialen Aufmerksamkeit. Wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse zeigt, kam es im Herbst 2023 zu einer starken Häufung an Zeitungsartikeln zu diesem Thema. Grund dafür dürften auf der einen Seite die Veröffentlichung eines Berichts über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz und andererseits eine vermehrte Verzeichnung antisemitischer Vorfälle sein.

Der im September 2023 veröffentlichte Bericht über sexuellen Missbrauch im Umfeld der römisch-katholischen Kirche war das Ergebnis eines Pilotprojekts der Universität Zürich. Demnach identifizierten die Forschenden für den untersuchten Zeitraum zwischen 1950 und heute insgesamt 1'002 Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, erachteten dies aber nur als Spitze des Eisbergs. Auch bekannt wurde im Bericht, dass die katholische Kirche zahlreiche dieser Fälle vertuscht hatte. Der Bericht löste in den Medien Diskussionen über Konsequenzen aus und führte in der Herbstsession 2023 zu einer Reihe von politischen Vorstössen. Eine Motion, welche einen offiziellen Bericht vom Bund über die Thematik verlangte, lehnte der Ständerat in der Wintersession jedoch bereits ab.

Des Weiteren berichteten die Medien vermehrt über antisemitische Vorfälle. In den vergangenen Jahren verzeichnete der SIG in seinem jährlichen Antisemitismusbericht immer häufiger Fälle von Antisemitismus, wobei etwa im letzten publizierten Bericht für das Jahr 2022 insbesondere die Covid-19-Pandemie und der Ukraine-Krieg als Auslöser ausgemacht wurden. In der Herbstsession 2023 verlangte der Nationalrat mit Annahme eines Postulats denn auch eine Untersuchung der rassistischen und antisemitischen Vorfälle im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Die vermehrten Antisemitismus-Vorfälle im Jahr 2023 stellte der SIG-Präsident derweil mit dem Gaza-Israel-Konflikt in Zusammenhang.

Zwar berichteten die Medien im Jahr 2023 im Vergleich zu den vergangenen Jahren eher wenig über Kulturpolitik (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse), zwei Themen erhielten jedoch verstärkte Aufmerksamkeit. Zum einen war dies das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele, welches das Parlament 2022 verabschiedet hatte. Anfang Januar 2023 scheiterte das fakultative Referendum der Piratenpartei zum neuen Gesetz an der Unterschriftenhürde. Die Partei hatte sich insbesondere an den Alterskontrollen im Internet gestört. Einen weiteren umstrittenen Aspekt dieses Gesetzes, die sogenannten «Mikrotransaktionen», nahm der Nationalrat in der Sondersession 2023 wieder auf, indem er ein Postulat der WBK-NR guthiess, das deren Auswirkungen untersuchen lassen wollte.

Zudem war 2023 – wie bereits 2022 – die Frage nach dem Umgang mit Kulturgütern mit problematischer Provenienz ein wiederkehrendes mediales, aber auch politisches Thema. Im November 2023 schuf der Bundesrat in Umsetzung einer Motion eine «unabhängige Kommission für historisch belastetes Kulturerbe». Die Expertinnen und Experten sollen sich in Bezug auf den Umgang mit Kulturgütern mit umstrittener Provenienz, worunter sowohl NS-Raubkunst als auch Kulturgüter aus dem kolonialen Kontext gefasst werden, beraten und unverbindliche Empfehlungen abgeben.

Jahresrückblick 2023: Kultur, Kirchen und religionspolitische Fragen
Dossier: Jahresrückblick 2023

Jahresrückblick 2023: Rechtsordnung

Das Jahr 2023 war im Bereich Rechtsordnung stark von straf- und zivilrechtlichen Fragen geprägt. Die in den vergangenen Jahren immer wieder virulent geführte Debatte über die terroristische, vor allem islamistisch motivierte, Gefährdung der Schweiz rückte angesichts des fortdauernden Kriegs in der Ukraine sowie des Kriegsausbruchs im Nahen Osten weiter in den Hintergrund. Stattdessen beschäftigten eher Cyberangriffe und die Angst vor russischer Spionage die Schweizer Sicherheitspolitik. (Für Cybersicherheit vgl. Jahresrückblick zur Landesverteidigung.)

Zudem nahm der Diskurs um Grund- und Menschenrechte in der Öffentlichkeit wieder mehr Raum ein, angetrieben unter anderem vom zunehmenden Augenmerk auf den Antisemitismus infolge des Nahostkonflikts (vgl. Jahresrückblick zu Kultur, Kirchen und religionspolitische Fragen sowie Jahresrückblick zur Aussenpolitik). Nach dem Angriff der Hamas Anfang Oktober kam es in den grossen Schweizer Städten zu Kundgebungen mit antiisraelischen Parolen, worauf in der Öffentlichkeit debattiert wurde, inwiefern an propalästinensischen Friedenskundgebungen antisemitisches und rechtsextremes Gedankengut verbreitet werde. Aus Sorge vor einer gewaltsamen Eskalation verhängte die Stadt Bern bis Weihnachten ein Demonstrationsverbot, was wiederum zu Protesten aufgrund der Grundrechtseinschränkung führte. In der Medienberichterstattung spiegelte sich diese Entwicklung in einem Anstieg in den Themenbereichen «Bürgerrechte» sowie «innere Konflikte und Krisen» gegen Ende Jahr wider (vgl. Abb. 1 der APS-Zeitungsanalyse). Auch über das ganze Jahr gesehen vereinnahmten diese beiden Themen einen höheren Anteil der Zeitungsberichterstattung als im Vorjahr (vgl. Abb. 2). Die gestiegene Sensibilität für die Antisemitismus-Thematik zeigte sich ebenso im Parlament, das im Laufe des Jahres eine Handvoll Vorstösse für ein Verbot von Nazisymbolen in der Öffentlichkeit behandelte und diese Forderung im Grundsatz unterstützte. Als «historischen Moment» bezeichnete der Bundesrat die Gründung der Nationalen Menschenrechtsinstitution im Mai 2023, das Resultat eines zwanzigjährigen Prozesses zur Förderung der Menschenrechte in der Schweiz.

Unter anderem von Menschenrechts- und Frauenorganisationen gefeiert wurde die Verabschiedung des revidierten Sexualstrafrechts durch die beiden Räte. Begleitet von einer lebhaften gesellschaftlichen Debatte rangen die Räte bei der Revision des Sexualstrafrechts insbesondere um eine neue, zeitgemässe Definition von Vergewaltigung, die sie letztlich in der sogenannten erweiterten Widerspruchslösung fanden. Damit sind sexuelle Handlungen künftig strafbar, wenn sie gegen den Willen – aber im Unterschied zur Zustimmungslösung nicht «ohne Einwilligung» – einer Person vorgenommen werden oder wenn ein Schockzustand für sexuelle Handlungen ausgenutzt wird. Dass das Opfer nachweisbar zur sexuellen Handlung genötigt wurde, ist mit der neuen Regelung indes nicht mehr erforderlich. Im Unterschied zum alten Recht, wonach nur Frauen Opfer einer Vergewaltigung sein konnten, spielt das Geschlecht des Opfers im revidierten Sexualstrafrecht keine Rolle mehr. Mit Verabschiedung der Sexualstrafrechtsrevision brachten die eidgenössischen Räte im Sommer 2023 eines der grössten Gesetzgebungsprojekte der 51. Legislatur zum Abschluss: die unter dem Titel «Harmonisierung der Strafrahmen» durchgeführte Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches (BT). Ziel der Strafrahmenharmonisierung war es, die aus den 1940er-Jahren stammenden Strafen mit den heutigen Werthaltungen in Einklang zu bringen und deren Verhältnis zueinander neu auszuloten. Noch während das Sexualstrafrecht zu Ende debattiert wurde, traten die ersten beiden Vorlagen des BT-Revisionsprojekts, die in erster Linie die Strafen für Gewaltdelikte erhöhten, am 1. Juli 2023 bereits in Kraft.

Als weiteres Grossprojekt schloss das Parlament im Frühling 2023 die Revision der Zivilprozessordnung ab. Mit einer Vielzahl punktueller Anpassungen sollten festgestellte Schwachstellen der 2011 in Kraft getretenen Zivilprozessordnung ausgebessert und insgesamt deren Praxistauglichkeit verbessert werden. Ein von der Einigungskonferenz vorgeschlagener Kompromissvorschlag wurde schliesslich in beiden Räten breit mitgetragen. Nachdem im Sommer auch die Referendumsfrist ungenutzt verstrichen ist, wird das revidierte Zivilprozessrecht planmässig am 1. Januar 2025 in Kraft treten können.

Weiter stand 2023 im Zivilrecht das Erbrecht auf der politischen Agenda. Mit der Überarbeitung des sechsten Kapitels des IPRG über das internationale Erbrecht sollten Kompetenzkonflikte mit ausländischen Behörden minimiert und sich widersprechende Entscheidungen in internationalen Erbrechtsfällen verhindert werden. Zwischen den Kammern entbrannte ein erbitterter Streit über einige Punkte, so etwa um die Frage, ob Schweizer Doppelbürgerinnen und -bürger wählen können sollen, dem Recht welches ihrer Heimatstaaten sie ihren Nachlass unterstellen wollen. Nach erfolgreicher Kompromissfindung konnte die Vorlage in der Wintersession 2023 schliesslich verabschiedet werden. Im Hinblick auf das innerstaatliche Erbrecht trat am 1. Januar 2023 die erste Etappe der laufenden Erbrechtsrevision in Kraft, die in erster Linie die Pflichtteile reduzierte und damit die Verfügungsfreiheit der Erblasserinnen und Erblasser erhöhte. Die zweite Etappe zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge kam im Sommer 2023 ins Parlament, wobei der Ständerat im Unterschied zum Nationalrat nicht auf den Entwurf eintreten wollte.

Darüber hinaus trieben Bundesrat und Parlament 2023 die Digitalisierung in der Justiz voran. Mit der Verabschiedung des Bundesgesetzes über die Digitalisierung im Notariat ebneten die eidgenössischen Räte den Weg für die elektronische Ausfertigung von Urkunden und Beglaubigungen. Damit muss das Originaldokument künftig nicht mehr in Papierform erstellt werden. Zur sicheren Aufbewahrung der elektronischen Originaldokumente wird ein nationales Urkundenregister geschaffen. Um den elektronischen Rechtsverkehr generell zu ermöglichen, war im Parlament zudem das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz hängig, wo es vom Erstrat positiv aufgenommen wurde.

Nach der grossen gesellschaftlichen Kontroverse um das Verbot zur Verhüllung des Gesichts, die rund um die 2021 angenommene Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ausgefochten worden war, ging die Umsetzung der Initiative geradezu ereignisarm vonstatten. Beide Parlamentskammern verabschiedeten den Entwurf zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot unverändert und mit grossen Mehrheiten. Auch in der Gesellschaft war kein grösserer Widerstand mehr vernehmbar, sodass die im Januar 2024 endende Referendumsfrist wohl ungenutzt verstreichen wird.

Für neue Kontroversen sorgen dürfte hingegen die im Mai 2023 lancierte Volksinitiative «für ein modernes Bürgerrecht». Die sogenannte Demokratie-Initiative fordert, dass Ausländerinnen und Ausländer schweizweit Anspruch auf Einbürgerung haben, wenn sie sich seit fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz aufhalten, zu keiner längeren Freiheitsstrafe verurteilt wurden und über Grundkenntnisse einer Landessprache verfügen. Die hinter der Initiative stehende «Aktion Vierviertel» sieht in der tiefen Einbürgerungsquote ein Demokratiedefizit, weil rund ein Viertel der zur Schweizer Gesellschaft gehörenden Menschen politisch nicht mitbestimmen darf.

Jahresrückblick 2023: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2023

Die RK-NR beantragte ihrem Rat im Dezember 2023 eine erneute Fristverlängerung für die von Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) übernommene parlamentarische Initiative Amherd (damals cvp, VS) mit der Forderung, Cybergrooming mit Minderjährigen unter Strafe zu stellen. Ihren Antrag begründete die Kommission damit, dass das Anliegen keinen Eingang in die Revision des Sexualstrafrechts gefunden habe, welche am 1. Juli 2023 in Kraft trat. Ein entsprechender Straftatbestand sei jedoch aufzunehmen und somit die Behandlungsfrist erneut zu verlängern. Der Nationalrat stimmte der Fristverlängerung um zwei weitere Jahre in der Wintersession 2023 stillschweigend zu.

Cybergrooming mit Minderjährigen endlich unter Strafe stellen (Pa.Iv. 18.434)

Als Reaktion auf den im September 2023 veröffentlichten Bericht der Universität Zürich über den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz, forderte Carlo Sommaruga (sp, GE) in einer Motion, dass die Missbrauchsfälle in einem Bericht aufgearbeitet werden sollen. Dieser von der katholischen Kirche unabhängige Bericht solle zum einen den Missbrauch und dessen Vertuschung in der katholischen Kirche genauer beleuchten. Zum anderen solle untersucht werden, ob und inwiefern die Kantone und der Bund ihre Pflicht, Kinder zu schützen sowie Täter und Täterinnen juristisch zu verfolgen, nicht wahrgenommen haben. Sommaruga argumentierte in der Wintersession 2023 im Ständerat, dass ein Bericht auf nationaler Ebene zentral sei, um die Problematik umfassend zu verstehen, entsprechende Präventionsmassnahmen zu ergreifen, Gesetzesanpassungen vorzunehmen oder um sich schlicht bei den Betroffenen entschuldigen zu können. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung. Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider erklärte dies insbesondere damit, dass die Verantwortung und Kompetenz in diesem Bereich bei den Kantonen liege. Der Bundesrat sei jedoch bereit die Beziehung zwischen Kirche und Staat anhand einiger Kantone in einem Bericht zu analysieren, wie es in einem Postulat Fischer (Mo. 23.4294) gefordert werde und er empfehle die vorliegende Motion entsprechend zur Annahme. In der Folge lehnte der Ständerat die Motion mit 33 zu 8 Stimmen (3 Enthaltungen) ab.

Für einen offiziellen Bericht über den Missbrauch in der katholischen Kirche (Mo. 23.4302)

Der Bundesrat veröffentlichte in Erfüllung der Postulate Feri (sp, AG) und Regazzi (mitte, TI; Po. 19.4105) einen Bericht über die Massnahmen zur Bekämpfung von sexueller Gewalt an Kindern im Internet und Kindsmissbrauch via Live-Streaming. Federführend beim Bericht war das Fedpol in Zusammenarbeit mit den betroffenen Bundesämtern, interkantonalen Konferenzen und Kantonspolizeien. Die Kompetenz für die Bekämpfung der Pädokriminalität liege in erster Linie bei den zuständigen Behörden in den Kantonen, welche zudem interkantonale Strukturen einsetzen würden, um die Koordination auf strategischer und operativer Ebene zu verbessern, erklärte der Bundesrat im Bericht. Zudem komme den Kantonspolizeien bei der Prävention eine wichtige Rolle zu, wobei sie von der Schweizerischen Kriminalprävention (SKP), von verschiedenen Initiativen des Bundes und von Nichtregierungsorganisationen unterstützt würden. Weiter überwachten die Kantonspolizeien pädokriminelle Netzwerke, und Polizistinnen und Polizisten würden auf Foren oder in Chats eingesetzt, um potenzielle Täter und Täterinnen zu entlarven. Das Fedpol übernehme hingegen Zentralstellenaufgaben wie die internationale Zusammenarbeit mit Europol und Interpol sowie die Voranalyse der Verdachtsmeldungen des Nationalen Zentrums für vermisste und ausgebeutete Kinder (NCMEC) aus den USA. Im internationalen Vergleich sei die Organisation mit einer Zentralstelle für die internationale Koordination einerseits und lokal ermittelnden Einheiten andererseits weit verbreitet, so die Regierung. Dabei stosse man auch auf ähnliche Herausforderungen wie andere Staaten, vor allem beim grenzüberschreitendem Zugang zu elektronischen Beweismitteln oder mangelnden personellen Ressourcen. Im Bereich der digitalen Pädokriminalität seien die internationale Zusammenarbeit und die Prävention die entscheidenden Faktoren. Der Bundesrat werde daher seine Anstrengungen im Rahmen seiner subsidiären Rolle, namentlich im Bereich der internationalen Koordination und Prävention, fortführen und die entsprechenden multilateralen Entwicklungen aufmerksam verfolgen, versprach er im Bericht. Ausserdem beteilige sich die Schweiz an den zurzeit laufenden Verhandlungen zu einem UNO-Übereinkommen über die Cyberkriminalität. Darüber hinaus sei das EJPD mit der Analyse beauftragt worden, welche Auswirkungen die künftige EU-Verordnung betreffend Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern für die Schweiz haben werde.

Sexuelle Gewalt an Kindern im Internet. Was macht das Bundesamt für Polizei? (Po. 19.4016)

Zwanzig Jahre nach deren Einreichung beantragte die Mehrheit der RK-NR ihrem Rat, die parlamentarische Initiative Abate (fdp, TI) für ein höheres Strafmass bei sexuellen Handlungen mit Kindern abzuschreiben. Im Zuge der Revision des Sexualstrafrechts sei das Strafmass für sexuelle Handlungen mit Kindern erheblich angehoben und das Anliegen der Initiative damit erfüllt worden. Auch der inzwischen aus dem Parlament ausgeschiedene Urheber Fabio Abate sei mit der Abschreibung einverstanden, liess Kommissionssprecherin Christa Markwalder (fdp, BE) das Ratsplenum wissen. Eine Minderheit Tuena (svp, ZH) zeigte sich mit der Umsetzung jedoch nicht zufrieden, weil die Höchststrafe nicht auf zehn Jahre angehoben wurde, wie es die Initiative Abate forderte. Der Nationalrat schrieb die Initiative in der Herbstsession 2023 mit 99 zu 77 Stimmen bei einer Enthaltung ab.

Höheres Strafmass für sexuelle Handlungen mit Kindern (Pa.Iv. 03.424)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit 144 zu 24 Stimmen bei 21 Enthaltungen nahm der Nationalrat in der Herbstsession 2023 eine Motion Bellaiche (glp, ZH) an, die den Bundesrat aufforderte, die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz vor der von der EU vorgesehenen Chatkontrolle zu schützen. Gemäss der Motionärin plane die Europäische Kommission unter dem Deckmantel der Prävention und Bekämpfung von sexuellem Kindsmissbrauch im Internet eine beispiellose Massenüberwachung, die nicht mit dem Recht auf Privatsphäre vereinbar sei: Alle Anbietenden von elektronischen Kommunikationsdiensten, die in der EU tätig sind, sollen dazu verpflichtet werden, sämtliche private und geschäftliche Kommunikation auf Anzeichen von Kindsmissbrauch zu kontrollieren. Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung beantragt, weil die EU-Institutionen den Vorschlag noch nicht verabschiedet hätten und damit noch nicht klar sei, was genau dessen Konsequenzen seien. Ausserdem habe sich Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider in einem gemeinsamen Schreiben mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Österreich, Liechtenstein und Luxemburg an die Justizministerinnen und -minister der EU-Staaten gewandt, um sie auf die grundrechtlichen Gefahren der geplanten Chatkontrolle hinzuweisen. Judith Bellaiche zeigte sich im Ratsplenum dankbar für diesen Schritt, forderte den Bundesrat aber auf, weitere Einflusskanäle zu nutzen. Der Nationalrat stützte diese Ansicht; gegen die Motion stimmten die Mehrheit der FDP-Fraktion sowie einzelne Vertreterinnen und Vertreter aus Mitte und SVP. Die Grüne Fraktion enthielt sich grossmehrheitlich der Stimme.

Chat-Kontrolle. Schutz vor anlassloser dauernder Massenüberwachung (Mo. 22.4113)

Aussenminister Ignazio Cassis reiste im September 2023 nach Kanada, wo er auf sein kanadisches Pendant, Mélanie Joly, traf. Im Zentrum der Gespräche stand die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Umwelt sowie Menschenrechte. Auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde thematisiert. Ein weiteres Augenmerk wurde auf die neue kanadische Initiative zum Schutz von willkürlich verhafteten Personen gelegt. Diese Initiative prangerte die Praxis einiger Staaten an, «Personen willkürlich zu inhaftieren und sie als Druckmittel in der Aussenpolitik einzusetzen». Gemäss Bundesrat widerspreche diese Praxis den in der Amerikas-Strategie festgehaltenen Grundsätzen der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.
Diese Initiative wurde auch im Rahmen der UNO-Generalversammlung von Ende September 2023 diskutiert, an der Ignazio Cassis ebenfalls teilnahm. Ansonsten prägte der russische Angriff auf die Ukraine die Agenda des Aussenministers in New York; er nahm dabei unter anderem an einem Ministertreffen zur Revision des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs teil, das zum Ziel hatte, ein starkes Signal gegen die Straflosigkeit des Verbrechens der Aggression zu setzen.

Bundesrat Ignazio Cassis reist nach Kanada

Die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission reichte im Juni 2023 ein Postulat ein, mit welchem sie einen Bericht über die Stärkung der Aufsicht und Kontrolle der biologischen Hochsicherheitslabore forderte. Die GPK-NR wollte in diesem Bericht zahlreiche Fragen rund um die Sicherheit der biologischen Hochsicherheitslabore klären; so etwa wie die Aufsicht des Bundes über die Kontrolltätigkeit der Kantone gestärkt und wie der Vollzug durch die Kantone selber vereinheitlicht und verbessert werden kann oder auch wie ein intensiverer Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Bund und Kantonen zu Stande kommen kann. Im Postulatsbericht solle auch festgehalten werden, ob die entsprechenden Rechtsgrundlagen durch die erwähnten Massnahmen angepasst werden müssen. Die GPK-NR begründete ihren Vorstoss mit dem Umstand, dass die Kantone die Kontrolltätigkeit über diese Labore sehr unterschiedlich handhabten, beispielsweise in Bezug auf die Häufigkeit der Kontrollen oder auch in Bezug auf die Ressourcen, die für die Inspektionen aufgewendet werden. Zudem verfüge der Bund derzeit nur über begrenzte Aufsichtskompetenzen über die Kontrolltätigkeit der Kantone; es gebe zum Beispiel keine Regelung, wann und in welchem Umfang dem Bund Informationen zu den Kontrollen übermittelt werden müssen. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates und der Nationalrat nahm den Vorstoss in der Herbstsession 2023 stillschweigend an.

Stärkung von Aufsicht und Kontrolle über biologische Hochsicherheitslabore (Po. 23.3965)

Ende September 2021 reichte Judith Bellaiche (glp, ZH) eine Motion ein, mit welcher sie den Bundesrat damit betrauen wollte, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine dauerhafte genomische Überwachungsplattform für Infektionskrankheiten zu errichten. Das Geschäft kam gut zwei Jahre nach Einreichen in den Nationalrat, wo die Motionärin ihr Anliegen ausführte. Durch die Covid-19-Pandemie sei ersichtlich geworden, dass zurzeit kein Instrument vorhanden sei, das eine systematische Verfolgung von Krankheiten und deren Veränderungsverhalten ermögliche. Damit rechtzeitig auf neue Krankheitserreger oder Bakterienresistenzen reagiert werden könne, sei dies allerdings essenziell. Gesundheitsminister Berset empfahl die Motion zur Ablehnung. In Folge der Covid-19-Pandemie habe man Ausweitungen an der genomischen Überwachung vorgenommen, weshalb die für eine entsprechende Plattform benötigten Rahmenbedingungen bereits existierten. Zudem fliesse die Fragen zur genomischen Überwachung und zu den entsprechenden Plattformen in das derzeit in Überarbeitung befindliche EpG ein. Dennoch nahm die grosse Kammer die Motion mit 109 zu 63 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) an. Während die Fraktionen der SP, GLP, Mitte und der Grünen geschlossen respektive mit einigen Enthaltungen das Geschäft befürworteten, sprachen sich die SVP- und die FDP-Fraktion geschlossen respektive grossmehrheitlich gegen den Vorstoss aus.

Dauerhafte genomische Überwachungsplattform für Infektionskrankheiten (Mo. 21.4175)

Im September 2023 wurde der Bericht zum Forschungsprojekt über die sexuellen Missbräuche innerhalb der schweizerischen katholischen Kirche seit 1950 unter grosser medialer und politischer Aufmerksamkeit veröffentlicht. Das Forschungsteam hatte darin in rund zwei Dutzend Archiven Akten von Missbrauchsfällen zusammengesucht, gelesen und einige Fälle analysiert. Ergänzend bezog es mediale Berichte zum Thema ein und führte Interviews mit Betroffenen, Expertinnen und Experten sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der katholischen Kirche.

Die Studie identifizierte zwischen 1950 und 2023 insgesamt 1'002 Fälle von sexuellem Missbrauch mit 510 Täterinnen und Tätern und 921 Betroffenen. Während die Beschuldigten bis auf wenige Ausnahmen männlichen Geschlechts waren, waren 39 Prozent der Betroffenen weiblich. Mehrheitlich handelte es sich dabei um Minderjährige (74%), wobei die gesamte Altersspanne vertreten war. Doch bei mindestens 14 Prozent der Fälle handelte es sich auch um erwachsene Betroffene, was gemäss Bericht ein wichtiger Befund sei, da bisherige Untersuchungen nur Minderjährige in den Fokus genommen und somit eine grosse Gruppe an Betroffenen nicht berücksichtigt hätten. Die untersuchten Fälle fanden mehrheitlich vor der Jahrhundertwende statt (47% zwischen 1650 und 1969; 41% zwischen 1970 und 1999; 12% zwischen 2000 und 2022).

Zudem lieferte die Studie einen Überblick über die Archivsituation in der katholischen Kirche. So sei zwar der Zugang zu den Archiven grösstenteils gegeben gewesen, wie es die katholische Kirche im Vorfeld versprochen hatte, jedoch gab es in Bezug auf die Qualität der Archivierung teils grosse Unterschiede. Einzelne Archive hätten demnach grössere Schwächen in der Organisation sowie Lücken in der Dokumentation aufgewiesen. Eine Hürde stellte dabei eine Regel im kanonischen Recht der katholischen Kirche dar, wonach alle Akten zehn Jahre nach dem Vorfall oder bei Tod der beschuldigten Person vernichtet werden sollten. Obwohl die Mehrheit der Bistümer diese Regelung heute mehrheitlich nicht mehr umsetzten, fanden die Forschenden in einigen Archiven nach wie vor Hinweise auf eine solche Vernichtung von Akten. Zum «diplomatische[n] Schutz der Nuntiatur» erhielt das Forschungsteam zudem keinen Zugang in die Archive der Apostolischen Nuntiatur der Schweiz, der diplomatischen Vertretung des Vatikans. Da es Aufgabe des Nuntius ist, Brüche mit dem katholischen Recht, wie etwa sexueller Missbrauch, dem Papst zu melden, erachtete das Forschungsteam das entsprechende Archiv als wichtige Quelle für weitere Untersuchungen und befürchtete, dass die bisherigen Zahlen wohl nur «die Spitze des Eisberges» seien.

Weiter zeichnete der Bericht ein Bild über den Umgang der katholischen Kirche mit Fällen von sexuellem Missbrauch. So gebe es erst im 21. Jahrhundert schrittweise eine konsequentere Aufarbeitung und Verfolgung von sexuellem Missbrauch, während die Fälle zuvor meist «bagatellisiert» und oft «ausgesessen» worden seien. So seien Täterinnen und Täter etwa oft in andere Bistümer versetzt statt des Amtes enthoben worden, zudem habe es eine Schweigepflicht für Betroffene oder Mitwissende gegeben.

Der Bericht betonte zuletzt, dass die Ergebnisse mehrheitlich auch als Grundlage für zukünftige und weitergehende Untersuchungen dienen sollten. Entsprechend behandelte er auch Empfehlungen für weitergehende Untersuchungen und identifizierte Forschungslücken. Zentral sei etwa, dass die verschiedenen Strukturen der katholischen Kirche miteinbezogen würden und dass der Blick über die Bistümer hinausgehe. Untersucht werden müssten demnach unter anderem auch katholische Kinder- und Jugendverbände, wie etwa die Jungwacht-Blauring.

In der Folge kam es zu einer breit geführten medialen Debatte über den Bericht und dessen direkten Folgen, zudem wurden Forderungen an die katholische Kirche gestellt.

Ein prominent diskutiertes Thema waren dabei erstens die Strukturen der katholischen Kirche, welche Missbrauch potenziell fördern könnten. So kritisierten die Medien etwa das Pflichtzölibat, wonach geweihte Personen ihre Sexualität in keinerlei Form ausleben dürfen, als unrealistisch. Es verhindere, dass junge Männer einen gesunden Umgang mit der eigenen Sexualität erlernen könnten. Folglich würden sexuelle Präferenzstörungen wie Pädophilie wahrscheinlicher, zudem könnten Personen davon angezogen werden, die bereits ein gestörtes Sexualverhältnis haben. Unter anderem der Präsident der Schweizerischen Bischofskonferenz, Felix Gmür, forderte deshalb eine Abschaffung des Zölibats.
Zudem wurde die fehlende Gewaltenteilung innerhalb der katholischen Kirche kritisiert. So sind Bischöfe derzeit zugleich Legislative, Exekutive und Judikative, was einerseits Vertuschungen begünstige, andererseits Bischöfe in ein Dilemma zwischen Schutz ihrer Unterstellten und Pflicht zur Aufklärung der Taten stürzten. Folglich wurde eine bessere Machtteilung innerhalb der katholischen Kirche und eine Einschränkung der Macht der Bischöfe gefordert.

Zweitens hatte der Bericht auch direkte Auswirkungen für die katholische Kirche. So meldeten sich viele neue Betroffene von sexuellem Missbrauch bei den entsprechenden Meldestellen der katholischen Kirche. Viele Betroffene fänden nun den Mut, über den erfahrenen Missbrauch zu sprechen. Jedoch seien die Mehrheit der Betroffenen mittlerweile Seniorinnen und Senioren und die Fälle folglich verjährt. Bei den nicht verjährten Fällen hätten die Bistümer jedoch offiziell Strafanzeige erstattet. Zudem kam es nach der Veröffentlichung des Berichts zu zahlreichen Austritten aus der katholischen Kirche. Dies brachte starke finanzielle Einbussen für die katholische Kirche mit sich und stellte durch den Austritt vieler langjähriger, engagierter Freiwilliger auch das Funktionieren gewisser Gemeinden in Frage. Der durch diese Ereignisse mutmasslich verstärkte Austritt von vor allem aufgeschlossenen und liberalen Gläubigen bremse zusätzlich den Wertewandel innerhalb der katholischen Kirche, lautete der Tenor in den Medien. Nicht zuletzt sorgte der Auftrag des Papstes an den Churer Bischof Joseph Bonnemain, eine Voruntersuchung gegen sechs Bischöfe einzuleiten, für einige Diskussionen. Ein Berner Pfarrer hatte die Bischöfe gegenüber den Forschenden und dem Schweizer Nuntius beschuldigt, sexuellen Missbrauch begangen oder solchen vertuscht zu haben.

Nach der Veröffentlichung des Berichts kam es zudem zu einer Reihe von parlamentarischen Vorstössen, welche forderten, dass der Bund die Vorfälle selbst untersucht (Mo. 23.4302); dass die Beziehung zwischen Kirche und Staat klarer und transparenter geregelt wird (Po. 23.4294); dass die Kirche verpflichtet wird, einheitliche Schutzmassnahmen gegen sexuellen Missbrauch zu ergreifen (Mo. 23.4191; 23.4192; 23.4193; 21.4194; 21.4195; 23.4196); und dass die katholische Kirche als Konzern für Missbrauchsfälle haftbar gemacht werden kann (Pa.Iv. 23.460).

Die Bischofskonferenz versprach derweil gegenüber der Öffentlichkeit, dass ein Wertewandel innerhalb der katholischen Kirche angestrebt werde. Insbesondere der Churer Bischof Joseph Bonnemain betonte, dass es an der Zeit sei, dass die Kirche ihre Schuld eingestehe und entsprechende Massnahmen umsetze. Zudem soll gemäss Felix Gmür, dem Bischof des Bistums St.Gallen, ein unabhängiger kirchlicher Gerichtshof eingesetzt werden, der weiterhin unabhängig vom weltlichen Recht agiert und sich um strafrechtliche oder disziplinarische Verfahren innerhalb der Kirche kümmert. Dies müsse jedoch zuerst mit dem Vatikan abgesprochen werden, da dafür bisher keine kirchenrechtliche Grundlage bestehe. Die Medien bezweifelten jedoch die Umsetzung der Versprechen der Bischofskonferenz – bereits früher seien auf Versprechen keine Änderungen erfolgt. Erste Schritte unternahm hingegen das Bistum St. Gallen, das unter anderem die Forscherinnen der Universität Zürich mit einer zweiten Studie beauftragte und die Regelung, Akten nach 10 Jahren zu vernichten, aufhob – dies ohne grünes Licht aus Rom.

Archivöffnung der katholischen Kirche zur Untersuchung sexuellen Missbrauchs

Rückblick auf die 51. Legislatur: Soziale Gruppen

Autorin: Marlène Gerber, Sophie Guignard und Viktoria Kipfer

Stand: 17.08.2023

Die eidgenössischen Wahlen 2019 waren ein denkwürdiges Ereignis für die politische Vertretung von Frauen; die 51. Legislatur wurde kurz vor dem fünfzigjährigen Bestehen des Frauenstimmrechts (siehe Legislaturrückblick «Problèmes politiques fondamentaux») sowohl im National- als auch im Ständerat mit einem bedeutend höheren Frauenanteil gestartet als die früheren Legislaturen. Doch auch ansonsten gab es zahlreiche Neuerungen, welche direkt oder indirekt in erster Linie die Frauen betrafen. In der 51. Legislatur beschäftigte sich das Parlament sehr ausführlich mit der Revision des Sexualstrafrechts – die Revision war Teil der Strafrahmenharmonisierung, die über alle Themenbereiche hinweg das am stärksten debattierte Geschäft der gesamten Legislatur darstellte. Viele Frauen lobten, dass der in der Revision erzielte Kompromiss einer «Nein heisst Nein»-Lösung unter Einbezug des Tatbestands des sogenannten Freezings einen besseren Schutz bei Vergewaltigungen bringt – wobei neu auch Männer Opfer einer Vergewaltigung sein können. Grössere Auswirkungen auf Frauen haben auch die im Rahmen der viel diskutierten BVG-Revision vorgeschlagenen Änderungen beim Koordinationsabzug, mit dem Mehrfach- und Teilzeitbeschäftigte bessergestellt werden sollen. Konkrete Auswirkungen auf die Frauen hat ebenfalls die in der 51. Legislatur an der Urne bestätigte AHV-21-Reform, die ebenso wie die BVG-Revision unter den Frauen umstritten war und mit der das Rentenalter der Frauen an dasjenige der Männer angeglichen wird.

Viel zu diskutieren gab im Parlament auch die Überführung der Kita-Anstossfinanzierung in eine dauerhafte Lösung, mit welcher der Bund verpflichtet werden soll, sich zukünftig an den Kosten der Eltern für die familienexterne Kinderbetreuung zu beteiligen. Bis zum Sommer 2023 hatte sich erst der Nationalrat dazu geäussert; er forderte eine 20-prozentige Kostenbeteiligung durch den Bund, womit sich der Bundesrat nicht einverstanden erklärte. Weiter sprach sich die Stimmbevölkerung während der 51. Legislatur für die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs aus. Dabei handelte es sich um einen indirekten Gegenvorschlag zu einer bedingt zurückgezogenen Volksinitiative, die vier Wochen Urlaub für Väter gefordert hatte. Auch Eltern, die ein Kind unter vier Jahren adoptieren, haben aufgrund Annahme einer entsprechenden Vorlage durch das Parlament künftig Anrecht auf einen zweiwöchigen bezahlten Urlaub.

Bedeutend gestärkt wurden in der 51. Legislatur die Rechte von LGBTQIA+-Personen. Eine Verbesserung an der Urne gab es für gleichgeschlechtliche Paare, als die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im September 2021 mit deutlicher Annahme der «Ehe für alle» die Möglichkeit ihrer Eheschliessung bestätigten und weitere Ungleichheiten im Familienleben gleichgeschlechtlicher Paare beseitigten. Ebenfalls im betrachteten Zeitraum wurde die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung an der Abstimmung von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern klar befürwortet.

Keine Mehrheit an der Urne fand hingegen die Begrenzungsinitiative im September 2020. Auch weitere Forderungen im Themenbereich Asyl- und Migration scheiterten in der 51. Legislatur: Etwa die Verschärfung des Familiennachzugs für Schutzbedürftige, ein Verbot der Administrativhaft für Minderjährige oder zuerst auch die Möglichkeit zur Beendigung der Lehre nach einem abgewiesenen Asylentscheid wurden nicht eingeführt, weil sich die beiden Räte in diesen Fragen nicht einig waren. Letzteres Anliegen überzeugte in Form einer breiter gefassten Kommissionsmotion schliesslich dennoch beide Räte. Ob die beiden Räte hingegen in der Frage der Zulassungserleichterung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss zu einer Einigung kommen werden, war bis Redaktionsschluss (Mitte August) noch offen. Während der 51. Legislatur vom Parlament nach intensiveren Diskussionen beschlossen wurde hingegen eine Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes, die ein Reiseverbot für vorläufig Aufgenommene beinhaltete. Eine weitere, während der aktuellen Legislatur kontrovers diskutierte Änderung des Asylgesetzes erlaubt es zukünftig zudem, zur Feststellung der Identität von asylsuchenden Personen deren mobile Datenträger auszuwerten. Zu vergleichsweise wenig Diskussionen kam es schliesslich, als das Parlament die Möglichkeit zur Durchführung zwangsweiser Covid-19-Tests bei Wegweisung in der Herbst- und Wintersession 2022 bis Ende Juni 2024 verlängerte.

Für die 51. Legislatur als bedeutend hervorzuheben ist auch die erstmalige Aktivierung des Schutzstatus S, die der Bundesrat im Rahmen des Ukraine-Kriegs beschloss. Zahlreiche Ukrainerinnen und Ukrainer suchten in anderen Ländern Schutz; so auch in der Schweiz, wobei das SEM über 80'000 Personen den Status S gewährte. Davon verliessen über 10'000 Personen die Schweiz in der Zwischenzeit wieder. Ab der zweiten Hälfte der Legislatur verzeichnete die Schweiz zudem eine deutliche Zunahme an Asylgesuchen, wobei diese im Jahr 2022 den höchsten Wert seit 2017 erreichten, jedoch deutlich hinter dem Spitzenwert von 2015 zu liegen kamen. Die erste Hälfte des aktuellen Jahres machte indes deutlich, dass für 2023 womöglich noch grössere Anstiege folgen werden.


Zu den Jahresrückblicken:
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Rückblick auf die 51. Legislatur: Soziale Gruppen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Bildung und Forschung

Autorinnen und Autoren: Bernadette Flückiger, Marco Ackermann und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Die Finanzierung sämtlicher Bereiche in Bildung, Forschung und Innovation wird alle vier Jahre in der sogenannten BFI-Botschaft geregelt – so auch in der 51. Legislatur. Für die Jahre 2021 bis 2024 sprach das Parlament insgesamt Mittel im Umfang von CHF 28.1 Mrd., zuvor hatte es die 14 Bundesbeschlüsse teilweise während drei Sessionen beraten. Damit entpuppte sich die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024 auch zum am längsten debattierten Geschäft der Legislatur im vorliegenden Themenbereich.

Im Bereich der frühkindlichen Förderung bot ein vom Bundesrat verfasster Bericht zur Politik der frühen Kindheit unter anderem den Anstoss zur Einreichung einer Kommissionsinitiative, die eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den elterlichen Kosten der ausserfamiliären Kinderbetreuung fordert.

Während der 51. Legislatur wurden in den Medien verschiedene Diskussionen zur obligatorischen Schule intensiv geführt. So gab während des Lockdowns in der Corona-Pandemie etwa das für eine Zeit nötig gewordene Homeschooling oder die später eingeführte Maskentragepflicht zu reden. Doch auch nach Ende der Pandemie standen die Schulen vor grossen Herausforderungen: Nach Beginn des Ukraine-Kriegs stellte sich die Frage zur Integration geflüchteter ukrainischer Kinder in das Schweizer Schulsystem. Ab dem Jahr 2022 intensivierten sich die Diskussionen um den Mangel an Lehrpersonen, was auch in politische Vorstösse – etwa bezüglich des Zugangs zum Beruf oder zur Ausbildung – mündete.

Neben Diskussionen um die obligatorische Schule wurden in den Medien auch Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Berufsbildung diskutiert. Mit dem sogenannten EHB-Gesetz schuf der Bundesrat in der 51. Legislatur eine eigene gesetzliche Grundlage für die Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung. Aufgrund des Widerstands des Ständerates nicht zustande kam hingegen die Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung.

In den Bereichen Forschung und Hochschulen beschäftigte die Revision des ETH-Gesetzes die Räte, mit der unter anderem Empfehlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle zu generellen Aufsichtskompetenzen des ETH-Rates umgesetzt wurden. Das Geschäft konnte schliesslich nach der Einigungskonferenz verabschiedet werden. Ebenfalls ausführlich debattiert worden war die Finanzierungsbotschaft für die Beteiligung am Horizon Paket 2021-2027 der EU – allerdings noch bevor es zum Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU kam. Nach besagtem Verhandlungsabbruch und der Schweizer Zurückhaltung in Sachen Kohäsionsmilliarde war es der Schweiz lediglich möglich, als nicht-assoziierter Drittstaat an «Horizon Europe» teilzunehmen, worauf Bundesrat und Parlament verschiedene Übergangsmassnahmen verabschiedeten. In Erfüllung zweier Standesinitiativen gab der Bundesrat Ende 2022 ferner einen Entwurf zur Schaffung eines Horizon-Fonds – ein befristeter Fonds für die finanzielle Unterstützung der internationalen Forschungszusammenarbeit für die Zeit der Nicht-Assoziierung an «Horizon Europe» – in die Vernehmlassung. Auch bleibt der Schweiz nach wie vor die Assoziierung an Erasmus+ versagt.

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Rückblick auf die 51. Legislatur: Bildung und Forschung
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Rechtsordnung

Autorinnen: Karin Frick und Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Zu Beginn der Legislatur stand insbesondere die Stärkung der Terrorismusbekämpfung in der Schweiz im Zentrum des Themenbereichs «Rechtsordnung». Dabei setzte der Bundesrat die Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung mittels drei Projekten um: Das Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe soll den bisher im Vergleich zur EU einfacheren Kauf von chemischen Substanzen, die zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden können, erschweren. Durch die Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität in Umsetzung des Europarat-Übereinkommens zur Verhütung des Terrorismus sollen bereits Handlungen im Vorfeld eines geplanten terroristischen Aktes strafbar gemacht werden. Und das an der Urne angenommene Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (PMT) soll der Polizei zusätzliche Instrumente gegen terroristische Gefährderinnen und Gefährder liefern, unter anderem indem verdächtige Personen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden.

Während sicherheitspolitische Argumente gemäss Nachabstimmungsbefragung zum Terrorismusgesetz an der Volksabstimmung von zentraler Bedeutung waren, spielten sie bei der Annahme der Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» im März 2021 eine eher untergeordnete Rolle. Als Hauptargument zur Annahme der Initiative, die ein Verbot der Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum und an öffentlich zugänglichen Orten beinhaltete, wurde der Schutz der Schweizer Werte und Kultur genannt. Der bundesrätliche Gesetzesvorschlag zur Umsetzung der Initiative befand sich Ende der Legislatur noch in parlamentarischer Beratung.

Auch zu Beginn der Legislatur abgeschlossen werden konnte die Totalrevision des Datenschutzgesetzes, wobei vor allem die Voraussetzungen, unter denen das sogenannte Profiling, d.h. die Verknüpfung von Daten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, zulässig ist, umstritten waren. Im Juni 2021 lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zudem die Einführung einer E-ID ab, wobei nicht in erster Linie die E-ID an sich, sondern deren Herausgabe durch private Anbieter anstelle des Staates kritisiert wurde.

Das grösste Gesetzgebungsprojekt im Themenbereich «Rechtsordnung» war die Strafrahmenharmonisierung und Anpassung des Nebenstrafrechts an das neue Sanktionenrecht – tatsächlich widmete das Parlament in dieser Legislatur keiner anderen Vorlage mehr Diskussionszeit (gemessen an der Anzahl Wörter). Damit sollten die aus den 1940er-Jahren stammenden Strafen mit den heutigen Werthaltungen in Einklang gebracht und deren Verhältnis zueinander neu ausgelotet werden. Diskutiert wurde dabei insbesondere über eine Verschärfung der Strafen für Gewalt gegen Behörden und Beamte sowie über die Revision des Sexualstrafrechts, welche aber aufgrund des grossen Besprechungsbedarfs in einen eigenen Entwurf ausgelagert wurde. Dabei entschied sich das Parlament nach langen Diskussionen, die auch in der Gesellschaft und den Medien widerhallten, gegen eine neue «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regelung, die Vergewaltigung zukünftig als sexuelle Handlungen ohne Einwilligung des Opfers definiert hätte. Stattdessen ergänzte es die sogenannte «Nein-heisst-Nein»-Regelung dahingehend, dass auch ein allfälliger Schockzustand des Opfers erfasst wird. Nach der neuen Definition wird bei einer Vergewaltigung nicht mehr vorausgesetzt, dass das Opfer zur sexuellen Handlung genötigt wurde. Zudem können künftig nicht mehr nur Frauen als Opfer einer Vergewaltigung anerkannt werden.

Ausführlich debattiert wurde auch die Revision der Strafprozessordnung (StPO). Nachdem das Parlament – nach einem Urteil des EGMR – kurzfristig bereits eine Gesetzeslücke bei der Sicherheitshaft geschlossen hatte, befasste es sich mit problematischen Aspekten der Strafprozessordnung, um die Praxistauglichkeit bestimmter Bestimmungen zu verbessern. Im Hauptstreitpunkt, wonach Beschuldigte zukünftig nicht mehr bei allen Einvernahmen anderer Personen anwesend sein sollten, damit es nicht zu Absprachen kommt, lehnte das Parlament nach langen Diskussionen eine Änderung des Status quo ab.

Schliesslich stand neben dem Strafrecht auch das Zivilrecht im Mittelpunkt des Interesses, als in der Zivilprozessordnung der Zugang zum Gericht erleichtert und die Rechtssicherheit verbessert werden sollte. Die Aufmerksamkeit galt aber vielmehr einer vom Parlament verschärften Regelung, welche eine Verhinderung des Erscheinens von Medienartikeln durch eine superprovisorische Verfügung einfacher möglich machte (siehe auch Legislaturrückblick «Médias»).

Für mediale Aufmerksamkeit sorgten während der 51. Legislatur auch immer wieder Demonstrationen gegen im Zuge der Covid-19-Pandemie beschlossene Massnahmen. Diese verstärkten sich im Laufe des Jahres 2021 und erreichten nach Einführung der Zertifikatspflicht gegen Ende des Jahres 2021 ihren Höhepunkt. Die aufgeladene Stimmung gipfelte darin, dass das Bundeshaus aufgrund befürchteter Ausschreitungen am Abstimmungssonntag zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes von der Polizei grossräumig abgeriegelt wurde – eine weitere Eskalation blieb jedoch aus.


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Rückblick auf die 51. Legislatur: Rechtsordnung
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rétrospective de la 51e législature : La gestion du système politique face aux (grandes) crises

Auteures: Anja Heidelberger et Marlène Gerber

Traduction: Lloyd Fletcher et Karel Ziehli

Etat au 17.08.2023

Les événements, histoires et débats politiques qui ont eu lieu en très grand nombre au cours de la 51e législature peuvent être retracés de manière détaillée dans nos rapports de législature, classés par thèmes politiques. Toutefois, on se souviendra sans doute surtout des différentes crises qui ont secoué la Suisse au cours de cette législature. En effet, pratiquement aucun domaine politique n'a échappé à au moins une grande crise au cours des quatre dernières années. Par conséquent, nous mettons l'accent, dans cette rétrospective transversale de la 51e législature, sur ces crises et leurs nombreuses répercussions sur la politique et la société.

La pandémie de Covid-19
La pandémie de Covid-19 a eu des répercussions sur presque tous les domaines politiques. En effet, outre le système de santé fortement touché et mis à contribution, les mesures de lutte contre la pandémie ont posé de gros problèmes à différentes branches et catégories de personnes – en particulier aux entreprises et aux indépendants, que le Conseil fédéral a aidés en étendant les allocations pour perte de gain et le chômage partiel et en créant des crédits-relais et des aides pour les cas de rigueur. Les médias, les acteurs culturels, les ligues et associations sportives ainsi que les transports publics et le transport aérien ont également bénéficié de soutiens financiers, tandis que des mesures d’un autre type ont été réclamées dans le domaine des écoles ainsi que pour les loyers commerciaux. Les mesures exhaustives prises pour lutter contre la pandémie ont entraîné un déficit budgétaire considérable, amenant le Parlement à prolonger le délai du remboursement de la dette afin d’éviter des coupes budgétaires draconiennes. La pandémie a également été une charge pour la population, avec des baisses de salaires (lors du chômage partiel), la garde d'enfants en télétravail ou encore l'anxiété. En outre, la pandémie a également posé un problème à la société dans son ensemble, en entraînant (ou en renforçant) une perte de confiance d'une partie de la population dans le gouvernement. Une partie de la population suisse s’est montrée sceptique quant à la vaccination contre le Covid-19, ce qui a suscité des débats émotionnels autour de l'introduction dudit certificat Covid-19. En revanche, tant l'armée, la protection civile et le service civil – en effectuant de nombreuses heures dans des interventions, notamment dans le domaine de la santé – que le monde de la recherche qui a développé des vaccins et des médicaments contre le Covid-19 ont pu démontrer leur utilité dans le cadre de la pandémie. Enfin, la pandémie a également stimulé le télétravail et, plus généralement, la flexibilisation et la numérisation du monde du travail. Au cours de la 51e législature, le peuple et les cantons ont également accepté l'initiative sur les soins, qui contenait des mesures visant à garantir les soins infirmiers de base, dont l'importance a été soulignée pendant la pandémie.

La pandémie a également eu des répercussions sensibles sur le système institutionnel. Au début, le gouvernement a clairement pris les choses en main, prenant toutes les décisions importantes après la proclamation de la situation extraordinaire au sens de la loi sur les épidémies grâce à des décrets d'urgence fondés sur la Constitution et à la loi sur les épidémies, tandis que le Parlement a interrompu prématurément sa session de printemps en raison du début de la pandémie. Le Parlement a obtenu davantage de marge de manœuvre lorsque les ordonnances d'urgence ont dû être remplacées par une loi au bout de six mois, conformément à la Constitution – l'examen de la loi Covid 19 et de ses cinq révisions à ce jour ont donné lieu à des débats animés au Parlement et parfois à des modifications centrales des projets du Conseil fédéral. Les droits populaires ont également connu un coup d'arrêt temporaire, bien que le corps électoral a pu ensuite s'exprimer à trois reprises sur les révisions de la loi Covid 19, qu'il a à chaque fois approuvées. Non seulement les relations entre l'exécutif et le législatif, mais aussi la position des cantons dans la pandémie ont fait l'objet de discussions récurrentes. Ainsi, la déclaration de la situation extraordinaire avait clairement fait basculer le rapport de force en faveur de la Confédération. Certaines phases durant lesquelles les cantons ont temporairement pris le contrôle ont abouti à des patchworks de réglementations entre cantons et à des appels fréquents pour que la Confédération prennent à nouveau les décisions. L'année 2022 a finalement été marquée par les premières tentatives de résoudre politiquement la crise de la Covid-19, avec des propositions discutées pour rendre la Confédération et le Parlement plus résistants aux crises.

La guerre en Ukraine et les problèmes d'approvisionnement en énergie
Immédiatement après la pandémie, la guerre d'agression contre l'Ukraine a attiré l'attention sur des thèmes qui étaient auparavant moins mis en lumière. Ainsi, la guerre a déclenché en Suisse des discussions animées sur l'orientation de la politique étrangère et de la neutralité, après que la Confédération a repris les sanctions décidées par l'UE contre la Russie et que la question de la livraison d’armes à l’Ukraine s’est posée. Cette crise a conduit à l'accueil de réfugié.e.s ukrainien.ne.s en Suisse et à la première utilisation du statut de protection S, ainsi qu'à l'augmentation du budget militaire jusqu'en 2030 et à des discussions sur la sécurité de l'approvisionnement dans le secteur agricole. De plus, la Banque nationale suisse (BNS) a enregistré une perte de 150 milliards de CHF en 2022, qu'elle a notamment attribué aux conséquences de la guerre en Ukraine sur l'économie mondiale.

Conséquence directe de la guerre en Ukraine, les problèmes d'approvisionnement en énergie se sont intensifiés, entraînant une hausse des prix de l'énergie, ce qui s'est répercuté sur les autres prix. En réaction à une possible pénurie d'énergie, le Conseil fédéral a principalement misé sur les énergies renouvelables, tout en faisant construire des centrales de réserve à gaz en cas d'urgence. Des débats sur les avantages de l'énergie nucléaire ont également refait surface dans le monde politique. Enfin, on suppose que la crise énergétique a contribué à la majorité en faveur du contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, bien que des projets d'expansion de l'approvisionnement en électricité en hiver aient été privilégiés au Parlement par rapport aux préoccupations environnementales.

Dans l'ensemble, les différentes crises survenues au cours de la 51e législature ont mis en évidence une vulnérabilité d’une ampleur inattendue en matière de sécurité de l'approvisionnement dans de nombreux domaines, en particulier dans le domaine médical, comme les unités de soins intensifs et les médicaments, ainsi que dans le domaine économique, notamment en matière d'énergie et d'agriculture.

Ce qui a également été important
Bien entendu, la 51e législature a également été marquée par des événements, des choix et des décisions politiques importants, indépendamment des crises.

La rupture des négociations sur l'accord-cadre institutionnel en avril 2021 a particulièrement marqué les relations entre la Suisse et l'UE. Le refus de l'accord-cadre a conduit tant à un blocage de la participation suisse au programme de recherche européen « Horizon Europe »; une situation que même le déblocage du deuxième milliard de cohésion ne changera pas. Après plusieurs autres entretiens exploratoires entre la Suisse et l'UE, le Conseil fédéral a adopté en 2023 des lignes directrices pour un nouveau mandat de négociation avec l'UE.

L'effondrement de Credit Suisse en mars 2023 et son rachat par UBS ont également suscité une attention particulière. C’est pour enquêter sur ces événements que le Parlement a décidé d’instituer la cinquième commission d'enquête parlementaire de l'histoire suisse.

Les femmes ont écrit l'histoire en augmentant de manière significative leur représentation dans les deux chambres lors des élections fédérales de 2019. Près de cinquante ans après l'introduction du droit de vote des femmes – la 51e législature a également été l'occasion de célébrer le 50e anniversaire –, la proportion de femmes au Conseil national a dépassé pour la première fois les 40 pour cent, tandis que celle au Conseil des États s'élevait à 26 % après les élections.

Bien que le Parlement soit devenu plus vert avec les dernières élections fédérales, les questions climatiques ont surtout été au centre de l'attention en 2021, lorsque le corps électoral a rejeté de justesse la révision totale de la loi sur le CO2. En revanche, la loi sur le climat et l'innovation, qui constituait un contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, été approuvée en votation populaire en 2023.

De manière générale, le taux d'acceptation des projets soumis au référendum facultatif au cours de la 51e législature a été relativement faible par rapport aux législatures précédentes, avec 7 échecs sur un total de 21 référendums. De plus, la participation électorale a été élevée de 5 points de pourcentage en plus par rapport à la moyenne depuis 1990, ce qui pourrait être lié au climat politique enflammé pendant la pandémie de Covid-19. Le taux d'acceptation des initiatives lors de la 51e législature a été relativement élevé (3 initiatives sur 13), tandis que le nombre d'initiatives populaires soumises au vote a été moins élevé que lors des législatures précédentes. En revanche, le Conseil fédéral et le Parlement ont élaboré de nombreux contre-projets directs ou indirects aux initiatives populaires au cours de cette législature.


Vous trouverez des informations sur les votations populaires ainsi que des explications sur les objets parlementaires et des descriptions des événements centraux de la 51e législature dans les différentes rétrospectives thématiques de la législature ainsi que dans les rétrospectives annuelles qui y sont liées.

Liens vers les rapports de législature, classés par thèmes politiques:
Problèmes politiques fondamentaux
Ordre juridique
Institutions et droits populaires
Structures fédéralistes
Elections
Politique étrangère
Armée
Politique économique
Crédit et monnaie
Agriculture
Finances publiques
Energie
Transports et communications
Aménagement du territoire et logement
Protection de l'environnement
Population et travail
Santé
Assurances sociales
Groupes sociaux
Enseignement et recherche
Culture, langues, églises
Médias

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen

Autorinnen: Anja Heidelberger und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Die unzähligen Geschichten, Ereignisse und politischen Diskussionen, die sich während der 51. Legislatur ereigneten, lassen sich ausführlich in unseren thematischen Legislaturrückblicken nachlesen. In Erinnerung bleiben werden aber wohl in erster Linie die verschiedenen Krisen, welche die Schweiz in dieser Legislatur beschäftigt haben. So war denn auch kaum ein Themenbereich nicht von mindestens einer grossen Krise betroffen. Folglich stellen wir die Krisen und deren zahlreiche Auswirkungen für Politik und Gesellschaft in den Fokus dieses themenübergreifenden Rückblicks auf die 51. Legislatur.

Die Covid-19-Pandemie
Insbesondere die Covid-19-Pandemie hatte Auswirkungen auf fast alle Politikfelder, denn neben dem stark betroffenen und belasteten Gesundheitssystem stellten die Massnahmen im Kampf gegen die Pandemie verschiedene Branchen und Personengruppen vor grosse Probleme – insbesondere auch die Unternehmen und Selbständigerwerbenden, denen der Bundesrat etwa durch Ausdehnung des Erwerbsersatzes und der Kurzarbeit sowie mit der Schaffung von Corona-Krediten und Härtefallhilfen entgegen kam. Finanziell unterstützt wurden insbesondere auch die Medien, die Kulturunternehmen und Kulturschaffenden, die Sportligen und -vereine sowie der öffentliche Verkehr und der Luftverkehr, während etwa im Bereich der Schulen, aber auch bei den Geschäftsmieten alternative Regelungen gefragt waren. Die umfassenden Massnahmen gegen die Pandemie führten in der Folge zu einem grossen Loch im Bundeshaushalt, dessen Abbaufrist das Parlament verlängerte, um einschneidende Sparrunden zu verhindern. Eine Belastung war die Pandemie auch für die Bevölkerung, welche etwa durch tiefere (Kurzarbeits-)Löhne, Kinderbetreuung im Home-Office oder Angstgefühle. Zudem stellte die Pandemie auch ein Problem für die Gesellschaft als Ganzes dar, indem sie bei Teilen der Bevölkerung zu einem Vertrauensverlust in die Institutionen führte (oder diesen verstärkte). Teile der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz standen denn auch der Covid-19-Impfung skeptisch gegenüber, was zu besonders emotionalen Diskussionen rund um die Einführung des sogenannten Covid-19-Zertifikats führte. Hingegen konnten Armee, Zivilschutz und Zivildienst in zahlreichen Einsatzstunden v.a. im Gesundheitsbereich, aber etwa auch die Forschung bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 ihren Nutzen im Rahmen der Pandemie unter Beweis stellen. Schub bedeutete die Pandemie schliesslich für die Förderung von Homeoffice und allgemein für die Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt. In der 51. Legislatur nahmen Volk und Stände auch die Pflegeinitiative an, welche Massnahmen enthielt, um die pflegerische Grundversorgung zu sichern, deren Wichtigkeit im Zuge der Pandemie noch verdeutlicht worden war.

Spürbare Auswirkungen hatte die Pandemie auch auf das Institutionengefüge. Zu Beginn nahm eindeutig die Regierung das Zepter in die Hand, welche nach Ausrufen der ausserordentlichen Lage gemäss Epidemiengesetz mithilfe von auf der Verfassung beruhenden Notverordnungen und dem Epidemiengesetz alle wichtigen Entscheidungen traf, während das Parlament wegen des Ausbruchs der Pandemie die eigene Frühjahrssession vorzeitig abbrach. Mehr Spielraum erhielt das Parlament, als die Notverordnungen nach sechs Monaten verfassungsmässig durch ein Gesetz ersetzt werden mussten – die Beratung des Covid-19-Gesetzes und seine bisher fünfmalige Revision führten zu angeregten Debatten im Parlament und teilweise zu zentralen Änderungen an den bundesrätlichen Entwürfen. Zwischenzeitlich zum Stillstand kamen auch die Volksrechte, zu den Revisionen der Covid-19-Gesetze konnte sich die Stimmbevölkerung jedoch dann insgesamt dreimal äussern, wobei sie diese jeweils guthiess. Doch nicht nur das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative, sondern auch die Stellung der Kantone in der Pandemie sorgte immer wieder für Diskussionen. So hatte die Ausrufung der ausserordentlichen Lage die Kräfteverhältnisse eindeutig zugunsten des Bundes verschoben. Einzelne Phasen, in denen die Entscheidungsgewalt temporär bei den Kantonen lag, endeten zudem jeweils in sogenannten Flickenteppichen an Regelungen zwischen den Kantonen und nicht selten auch in dem Ruf nach erneuten Entscheidungen durch den Bund. Das Jahr 2022 stand schliesslich im Zeichen erster politischer Aufarbeitung der Covid-19-Krise, wobei insbesondere Vorstösse diskutiert wurden, mit denen Bund und Parlament krisenresistenter gemacht werden sollten.

Krieg in der Ukraine und Energiekrise
Gleich im Anschluss an die Pandemie erhielten mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine zuvor etwas weniger beleuchtete Themenbereiche aussergewöhnlich hohe Aufmerksamkeit. So löste der Krieg in der Schweiz hitzige Diskussionen zur Ausrichtung der Aussen- und Neutralitätspolitik aus, nachdem der Bund die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Russland und in der Folge auch alle Ausweitungen übernommen hatte und überdies über Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert wurde. Der Krieg führte in der Schweiz unter anderem zur Aufnahme von Flüchtenden aus der Ukraine und zur ersten Ausrufung des Schutzstatus S, aber auch zur Aufstockung des Militärbudget bis 2030 sowie zu Diskussionen über die Versorgungssicherheit im Landwirtschaftsbereich. Darüber hinaus verzeichnete die SNB im Jahr 2022 einen Verlust von CHF 150 Mrd., den sie unter anderem auf die weltwirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs zurückführte.

Als direkte Folge des Ukraine-Krieges verstärkte sich zudem die Versorgungsproblematik im Energiebereich, woraufhin die Energiepreise anstiegen, was sich auch auf die übrigen Preise auswirkte. Als Reaktion auf die mögliche Energieknappheit wollte der Bundesrat in erster Linie auf erneuerbare Energien setzen, für den Notfall liess er jedoch Reservegaskraftwerke bauen. Auch flammten in der Politik gleichzeitig Diskussionen um die Vorteile von Atomkraft auf. Schliesslich wird vermutet, dass die Energiekrise dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative zu einer Mehrheit verhalf, gleichzeitig wurde aber Ausbauprojekten zur Stromversorgung im Winter im Parlament Vorrang gegenüber Umweltbedenken gegeben.

Insgesamt zeigten die verschiedenen Krisen während der 51. Legislatur eine ungeahnt grosse Vulnerabilität bezüglich der Versorgungssicherheit in zahlreichen Bereichen auf, insbesondere im medizinischen Bereich, etwa bei den Intensivstationen und den Medikamenten, aber auch im wirtschaftlichen Bereich, hier insbesondere bei der Energie und in der Landwirtschaft.

Was sonst noch wichtig war
Natürlich brachte die 51. Legislatur auch unabhängig von den Krisen wichtige Ereignisse, Weichenstellungen und politische Entscheide mit sich.

Der im April 2021 erfolgte Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen prägte die Beziehungen der Schweiz mit der EU in besonderem Masse. So führte der Verhandlungsabbruch etwa auch zu einer Blockierung der Teilnahme am EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe», woran auch die Freigabe der zweiten Kohäsionsmilliarde nichts änderte. Nach verschiedenen weiteren Sondierungsgesprächen zwischen der Schweiz und der EU verabschiedete der Bundesrat 2023 Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU.

Für besonderes Aufsehen sorgte auch der im März 2023 bekannt gewordene Untergang der Credit Suisse respektive deren Übernahme durch die UBS. Zur Aufarbeitung dieser Geschehnisse wurde die fünfte parlamentarische Untersuchungskommission der Schweizer Geschichte initiiert.

Geschichte schrieben auch die Frauen, die bei den eidgenössischen Wahlen 2019 ihre Vertretung in den beiden Räten signifikant hatten steigern können. Fast fünfzig Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts – in der 51. Legislatur fanden auch die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum statt – betrug der Frauenanteil im Nationalrat erstmals über 40 Prozent, derjenige im Ständerat belief sich nach den Wahlen auf 26 Prozent.

Generell war die Annahmequote von durch das fakultative Referendum initiierten Abstimmungsvorlagen in der 51. Legislatur im Vergleich zu vorherigen Legislaturen eher niedrig, so scheiterten 7 von insgesamt 21 solcher Referendumsvorlagen. Zudem lag die Abstimmungsbeteiligung im langjährigen Schnitt (seit 1990) um 5 Prozentpunkte höher, was mit der während der Covid-19-Pandemie aufgeheizten politischen Stimmung in Zusammenhang stehen könnte. Die Annahmequote von Initiativen in der 51. Legislatur war vergleichsweise hoch (3 von 13 Initiativen), während gleichzeitig eher über weniger Volksbegehren abgestimmt wurde als in früheren Legislaturen. Dafür erarbeiteten Bundesrat und Parlament in dieser Legislatur auch zahlreiche direkte Gegenentwürfe oder indirekte Gegenvorschläge zu Volksinitiativen.


Informationen zu den Abstimmungsvorlagen sowie Ausführungen zu den in den jeweiligen Themenbereichen zentralen Geschäften und Ereignissen der 51. Legislatur finden Sie in den einzelnen thematischen Legislaturrückblicken sowie in den dort verlinkten Jahresrückblicken.

Zu den thematischen Legislaturrückblicken:
Politische Grundfragen
Rechtsordnung
Institutionen und Volksrechte
Föderativer Aufbau
Wahlen
Aussenpolitik
Landesverteidigung
Wirtschaftspolitik
Geld, Währung, Kredit
Landwirtschaft
Öffentliche Finanzen
Energie
Verkehr und Kommunikation
Raumplanung und Wohnungswesen
Umweltschutz
Bevölkerung und Arbeit
Gesundheit
Sozialversicherungen
Soziale Gruppen
Bildung und Forschung
Kultur, Sprache, Kirche
Medien

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Im Juni 2023 publizierte die EKR eine Studie zum Thema Rassismus in Lehrmitteln. Die Autorinnen und Autoren kamen zum Schluss, dass sich die Gesellschaft stärker mit den Themen Rassismus und Diversität auseinandersetze als noch vor einigen Jahren. In den Lehrmitteln würden entsprechend offensichtlich rassistische Ausdrücke durch neutrale Begriffe ersetzt, was die EKR begrüsse. In den Lehrmitteln werde Rassismus aber nicht als eigene Thematik behandelt. Falls Rassismus überhaupt in einem Schulbuch thematisiert werde, dann allen voran als zwischenmenschliches oder historisches Phänomen, jedoch nicht als strukturelle Form der Diskriminierung von Menschen. In den Lehrplänen fehle die Thematik zudem gänzlich. Eine Befragung von Lehrpersonen habe darüber hinaus ergeben, dass sich die verwendeten Lehrmittel nicht eigneten, um das Thema im Unterricht zu diskutieren. Auch fehle den Lehrerinnen und Lehrern das «Rüstzeug», um im Unterricht eine entsprechende Debatte zu führen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse empfahl die EKR das Thema in die Lehrpläne aufzunehmen, den Umgang mit bestehenden Lehrmitteln zu thematisieren sowie den Lehrpersonen in der Aus- und Weiterbildung die notwendigen Kompetenzen für die Diskussion von Rassismus im Unterricht zu vermitteln.
Einige Tage nach der Publikation der Studie führte die EKR auch eine Tagung zum Thema Rassismus und Jugendliche durch und stellte die Studie einem Fachpublikum vor. An dieser Tagung debattierten die Teilnehmenden aber nicht nur über Rassismus in Bildung und Schule, sondern auch im Sport sowie im digitalen Raum.

Studie zum Thema Rassismus in Lehrmitteln

Ende Juni 2022 verabschiedete der Bundesrat die Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU. Im Vorfeld wurde in der Öffentlichkeit die Hoffnung geäussert, dass die Verhandlungsgrundlage dieses Mal besser sei als jene beim gescheiterten institutionellen Rahmenabkommen. Die vom Bundesrat präsentierten Eckwerte sollen als Grundlage für weitere Gespräche und als Leitlinien für mögliche künftige Verhandlungen mit der EU dienen. Der Bundesrat definierte damit also jene Bereiche, die in einem künftigen Verhandlungsmandat abgedeckt werden sollten. Ergänzt wurden diese durch Oberziele allfälliger Verhandlungen und durch spezifische Ziele in einzelnen Bereichen. Zu den Oberzielen gehören unter anderem: Eine Stabilisierung des bilateralen Wegs und dessen für die Schweiz massgeschneiderte Entwicklung; hindernisfreie Binnenmarktbeteiligung in den Bereichen Landverkehr, Luftverkehr, Landwirtschaft, Strom, Lebensmittelsicherheit sowie in allen Kapiteln des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen; der Abschluss eines Stromabkommens, eines Abkommens im Bereich Lebensmittelsicherheit und eines Gesundheitsabkommens; die Zulassung der Schweiz zu EU-Programmen wie beispielsweise Horizon 2021-2027. Im Gegenzug zu diesen Zugeständnissen biete die Schweiz Hand zu institutionellen Lösungen zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei bestehenden und künftigen Binnenmarktabkommen. Zudem wolle die Schweiz sektoriell eingeschränkte staatliche Beihilferegelungen der EU übernehmen und die Verstetigung der Kohäsionszahlungen an die EU prüfen.
Der Bundesrat teilte in seiner Medienmitteilung mit, dass die betroffenen Bundesämter damit beauftragt worden seien, die noch offenen Punkte in Gesprächen mit der EU zu klären, unter anderem die Frage, wie die neuen Abkommen in das Verhandlungspaket integriert werden sollen. Er kündigte an, bis Ende Jahr die Verabschiedung des Verhandlungsmandats vorzubereiten, sofern die internen Arbeiten und die Gespräche mit der EU weiterhin gut verliefen.

Die Schweizer Öffentlichkeit reagierte unterschiedlich auf die Positionsbestimmung des Bundesrats. Während der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Travail Suisse auf viele ungelöste Probleme verwiesen und den präsentierten Kompromissen kritisch gegenüber standen, betonte der Arbeitgeberverband, dass die «allermeisten offenen Punkte» bei den flankierenden Massnahmen gelöst werden konnten. Die Eckpunkte stiessen auch bei den Parteien nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) bezeichnete die Eckwerte vor der Verabschiedung des Verhandlungsmandats als unnötigen Zwischenschritt, der nur dazu diene, «alle ruhigzustellen». Die SVP monierte laut «La Liberté», dass der Bundesrat mit diesen Eckwerten die Souveränität des Landes opfern wolle. SVP-Aussenpolitiker Franz Grüter (svp, LU) kritisierte, dass die heiklen Punkte wie die dynamische Rechtsübernahme oder die Streitbeilegung mit dem EuGH als Entscheidungsinstanz die gleichen wie beim institutionellen Rahmenabkommen seien. Ebenfalls unzufrieden, wenngleich aus anderen Gründen, waren die Grünen. Sie warfen dem Bundesrat vor, die Verhandlungen mit der EU bis nach den nationalen Wahlen im Herbst 2023 zu verzögern. Sibel Arslan (basta, BS) sprach dem Bundesrat den politischen Willen und den Mut zu Verhandlungen ab. Auch SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) störte sich in der «Republik» an dieser Verlangsamung der Gespräche, denn damit sei nichts zu gewinnen. Ähnliches vernehme man auch aus Brüssel, berichtete die NZZ. Der Sprecher der Europäischen Kommission gab zu Protokoll, dass man die Ankündigung des Bundesrates zur Kenntnis nehme und bereit sei, die laufenden Sondierungsgespräche fortzusetzen. Das übergeordnete Ziel für die EU sei es, eine systemische Lösung für alle strukturellen Fragen in den verschiedenen Abkommen zu finden. Für die EU sei jedoch ein «glaubwürdiger Zeitplan» wichtig, man wolle die Verhandlungen noch während der Amtszeit der derzeitigen Kommission zu Ende führen. Auch die Gewerkschaften, deren Vorbehalte gegen das institutionelle Rahmenabkommen mitverantwortlich für dessen Scheitern gewesen waren, äusserten sich zu den Eckwerten des Bundesrates. SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD) warf Bundesrat Cassis vor, schönfärberisch über die Fortschritte im EU-Dossier zu kommunizieren. Seiner Meinung nach nehme man in den Gesprächen mit der EU kaum etwas von diesen vermeldeten Fortschritten wahr, da sich die EU-Kommission auf ihre Positionen aus den Verhandlungen zum Rahmenabkommen berufe. Der SGB befürchtete nicht nur die Schwächung des Schweizer Lohnschutzes, sondern auch Forderungen der EU in weiteren Bereichen wie der Spesenregelung oder bei der Liberalisierung des Service public. Pierre-Yves Maillard nannte das Schienennetz oder den Strommarkt als Beispiele, bei denen man hart bleiben müsse. Er bezeichnete die Gefahr eines erneuten Scheiterns der Verhandlungen angesichts der derzeitigen Ausgangslage als «gross».

EU-Verhandlungsmandat

Am 18. Juni 2023 gelangte der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, der mittlerweile unter dem Titel Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG) lief und meist als «Klimagesetz» bezeichnet wurde, zur Abstimmung. Die Vorlage umfasste Fördergelder für den Ersatz von fossilen Heizungen und für innovative Technologien sowie Ziele und Richtwerte für die Treibhausgasreduktion, etwa in Form von Reduktionszielen für die einzelnen Sektoren Verkehr, Industrie und Gebäude. Das grundlegende Ziel der Vorlage lag in der Erreichung von Netto Null bis 2050. Die einzelnen dafür notwendigen Massnahmen sollten jedoch erst im Rahmen der Weiterentwicklung des CO2-Gesetzes festgelegt werden.

Gegen dieses neue Gesetz hatte die SVP erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie wurde dabei vom HEV und kleineren rechts-konservativen Parteien unterstützt. Die Gegnerschaft kritisierte, dass die Umsetzung des Gesetzes zwangsläufig zu einem Verbot von Öl, Gas, Diesel und Benzin führen werde. Infolgedessen würden der Strombedarf und die entsprechenden Kosten massiv steigen. Der erhöhte Strombedarf werde wiederum dazu führen, dass die Landschaft mit Windkraftanlagen und Solarpanels zerstört werde und trotzdem könne es gerade im Winter zu einer Strommangellage kommen.

Die Befürworterinnen und Befürworter des Klimagesetzes bestanden aus den Parteien Grüne, SP, GLP, Mitte, EVP sowie FDP.Liberale. Dazu gesellten sich noch zahlreiche Organisationen und Verbände, wie etwa Swissmem, der Schweizer Tourismus-Verband oder auch die Bankiervereinigung. Auch die Kantone, in Form der KdK, unterstützten das Gesetz. Koordiniert wurden die verschiedenen Akteurinnen und Akteure durch den eigens für den Abstimmungskampf gegründeten «Verein Klimaschutz», welcher laut eigenen Angaben über ein Budget von rund CHF 4 Mio verfügte. Das Komitee der Befürwortenden argumentierte, dass die Vorlage den Klimaschutz stärke, wichtige Anreize für die Abkehr von Öl und Gas setze und damit auch die Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Energielieferanten verringere. Die Bevölkerung und die Schweizer Wirtschaft würden finanziell entlastet, respektive bei der Entwicklung von klimafreundlichen Technologien unterstützt. Die Umsetzung des Gesetzes geschehe – entgegen der Einschätzung der Gegnerschaft – ohne Verbote oder neue Abgaben.

In den Medien gab besonders die Position des HEV Schweiz zu reden. Dieser hatte die Nein-Parole beschlossen, mehrere kantonale Sektionen sprachen sich jedoch für ein Ja oder für Stimmfreigabe aus. Aufgrund der Kampagne des HEV, die sich optisch und inhaltlich an der Kampagne der SVP ausrichtete, gab der damalige Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH) gar seinen Austritt aus dem HEV bekannt und kritisierte, dass der HEV von der SVP übernommen worden sei. In den Medien meldeten sich auch die beiden Klimawissenschaftler Thomas Stocker und Reto Knutti zu Wort. Während sich Stocker über die grelle Kampagne der SVP, welche lediglich Ängste schüre, und über einen vom Komitee «Rettung Werkplatz Schweiz» an fast alle Schweizer Haushalte versendeten Flyer enervierte – letzterer sei «unerträglich» und voller Unwahrheiten – monierte Knutti, dass lediglich über die zu befürchtenden Kosten und den Strom gesprochen werde und nicht über den Nutzen, der in der Erhaltung unserer Lebensgrundlagen liege.

Wie die APS- Zeitungs- und Inserateanalyse, welche im Vorfeld der Abstimmung durchgeführt wurde, zeigte, wurde die Abstimmungsvorlage überdurchschnittlich stark mit Inseraten beworben. Gut zwei Drittel der Inserate stammten dabei aus dem Lager der Befürwortenden, ein Drittel von den Gegnerinnen und Gegnern. Dieses Verhältnis deckte sich in etwa mit demjenigen zur Abstimmung über das CO2-Gesetz in 2021. Dem Anfang Juni 2023 publizierten Zwischenbericht des Fög konnte entnommen werden, dass das Klimagesetz in den Medien starke Beachtung fand und überwiegend positiv darüber berichtet wurde. Interessanterweise lösten nicht nur die offiziellen Kampagnen-Starts von Befürwortenden und Gegnerschaft, sondern auch die Turbulenzen um die Position des HEV einen Peak in der Medienberichterstattung aus.

In den Vorumfragen fand das Klimagesetz eine hohe, aber über die Zeit abnehmende Zustimmung. So zeigte etwa die Anfang Juni 2023 veröffentlichte dritte Umfragewelle von 20 Minuten/Tamedia, dass 56 Prozent der Befragten dem Gesetz zustimmen wollten (« Ja» oder « Eher Ja»). Der Tages-Anzeiger griff aus dieser Vorumfrage die Stimmungslage der Anhängerinnen und Anhänger der FDP heraus. Bemerkenswerterweise beabsichtigten diese grossmehrheitlich, die Vorlage abzulehnen, obwohl die Partei offiziell die Ja-Parole beschlossen hatte.

Das Abstimmungsresultat vom 18. Juni fiel dann jedoch deutlicher aus, als es die Vorumfragen prophezeit hatten. Bei einer Stimmbeteiligung von 42.5 Prozent stimmten fast 60 Prozent der Stimmenden für das neue Klimagesetz.

Abstimmung vom 18. Juni 2023

Beteiligung: 42.54%
-Ja: (59.1%)
-Nein: (40.9%)

Parolen:
-Ja: EVP, FDP (1*), GLP, GPS, Mitte, PdA, SP; SBV, SGB, VPOD
-Nein: EDU, Lega, SVP; HEV (4)
-Stimmfreigabe: SD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Vox-Analyse brachte zu Tage, dass die Parteizugehörigkeit respektive -sympathie ausschlaggebend war für das Stimmverhalten. So sprachen sich lediglich Personen, die sich als rechtsaussen bezeichneten und/oder sich der SVP zugehörig fühlten, mehrheitlich gegen das Klimagesetz aus. Anders als bei der Abstimmung im Jahr 2021 votierten die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Mitte und der FDP nun mehrheitlich für das Klimagesetz (64% respektive 66%). Das Geschlecht war ebenfalls ein wichtiger Faktor beim Abstimmungsverhalten: Frauen legten häufiger ein Ja in die Urne als Männer (63% respektive 55% Ja-Anteil). Zudem sprachen auch ein hoher Bildungsgrad sowie ein hohes Salär tendenziell für eine Zustimmung zum Klimagesetz. Bei den Motiven für oder gegen das Gesetz wurden insbesondere das Thema «Umweltschutz» und «Kostenfolgen» genannt. Während sich die Befürwortenden also vor allem einen Ausbau des Umweltschutzes erhofften, kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage die Kosten, die mit der Umsetzung des Gesetzes einhergehen.
Die Medien ergänzten, dass wohl auch die Unverbindlichkeit der Vorlage – sie bestand bekannterweise mehrheitlich aus Zielen sowie Fördergeldern und nicht aus neuen Abgaben – zum klaren Ja geführt hatte. Zudem wurde an jenem Sonntag, im Gegensatz zur Abstimmung über das CO2-Gesetz von 2021, nicht noch über weitere umweltpolitische Anliegen abgestimmt, welche die ländliche Bevölkerung vermehrt an die Urne gelockt hätte und für mehr Nein-Stimmen hätte sorgen können. Bei der Frage nach dem « Wie weiter?» waren sich die Medien einig, dass die grosse Arbeit jetzt erst anfange. Diese bestehe darin, rasch viel Strom zu produzieren. Die politischen Akteure waren sich jedoch uneinig, wie dies am Besten geschehen solle. Zum einen befand sich der sogenannte Mantelerlass zur Zeit der Abstimmung über das Klimagesetz auf der Zielgeraden. Er soll die Erzeugung von Solar- und Windenergie sowie der Wasserkraft stark vorantreiben. Zum anderen wurde bereits im August 2022 mit der Unterschriftensammlung für die Initiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» gestartet, welche sich mehr oder weniger explizit für den Bau neuer Atomkraftwerke ausspricht.

Indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Netto null Treibhausgasemissionen bis 2050 (Pa.Iv. 21.501)
Dossier: Die Gletscherinitiative, ihr direkter Gegenentwurf und ihr indirekter Gegenvorschlag

Der Ständerat hatte sich in der Sommersession 2023 noch mit zwei inhaltlichen Differenzen bei der Revision des Sexualstrafrechts zu beschäftigen. Mit der gleichen Argumentation wie seit Beginn der Beratungen erteilte dieser dem Tatbestand für Cybergrooming erneut eine Absage. Ebenso stillschweigend folgte er seiner Kommission in der Frage der Lernprogramme, die das Obligatorium nach wie vor ablehnte. Stattdessen schlug sie vor, dass die Richterinnen und Richter bei jeder Straftat gegen die sexuelle Integrität zwingend prüfen müssen, ob die Täterin oder der Täter zur Teilnahme an einem Lernprogramm verpflichtet werden soll. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider unterstützte diese Lösung, da ein Lernprogramm nicht bei allen Täterinnen und Tätern erfolgversprechend sei; ohne ein «Minimum an Verständnis und Zusammenarbeit» bringe es schlicht nicht den gewünschten Nutzen. Zudem sollen Verfahren wegen sexueller Belästigung – nicht aber wegen schwererer Sexualdelikte – eingestellt werden, wenn der Täter oder die Täterin ein Lernprogramm vollständig absolviert hat. Eine der sexuellen Belästigung beschuldigte Person kann demnach also entscheiden, ob sie die Verpflichtung zu einem Lernprogramm akzeptiert – womit dann das Verfahren ohne Urteil eingestellt wird – oder ob sie ins Gerichtsverfahren geht, das mit einem Schuld- oder Freispruch endet. In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, was mit allfälligen Zivilforderungen des Opfers – z.B. Kosten für psychologische oder psychiatrische Behandlung – geschehen sollte. Nach einem Urteil könnte das Opfer solche Entschädigungsforderungen auf dem Zivilweg geltend machen, nicht jedoch nach einer Verfahrenseinstellung, da eine solche juristisch gesehen kein verfahrenserledigender Entscheid sei, stellte Beat Rieder (mitte, VS) fest. Er beantragte deshalb, den einschlägigen Artikel dahingehend anzupassen, dass die Staatsanwaltschaft gleichzeitig mit dem Einstellungsverfahren auch über allfällig geltend gemachte Zivilforderungen entscheiden muss. Im darauffolgenden juristischen Schlagabtausch wandte die Gegenseite – darunter auch Justizministerin Baume-Schneider – ein, dass es bei einem eingestellten Verfahren eben keinen Schuldspruch gebe und es daher dem Schuldprinzip widerspreche, die nicht verurteilte beschuldigte Person zur Zahlung einer Entschädigung zu verpflichten. Rieder hielt dagegen, dass eine zu Unrecht beschuldigte Person das Lernprogramm ja ablehnen und im Gerichtsverfahren einen Entscheid verlangen könne. Werde die Person dann tatsächlich freigesprochen, müsse sie keinerlei Entschädigung zahlen. Durch diese Möglichkeit blieben die Verteidigungsrechte der beschuldigten Person aus seiner Sicht gewahrt. Die Ständekammer entschied mit 24 zu 16 Stimmen bei 2 Enthaltungen für den Antrag Rieder und schuf damit noch eine letzte neue Differenz.

Der Nationalrat stimmte diesen Beschlüssen seiner Schwesterkammer schliesslich stillschweigend zu. Die Lösung zu den Zivilforderungen sei zwar nicht ideal, betreffe aber voraussichtlich nur wenige Fälle, weshalb man nicht einzig wegen dieser Bestimmung eine Einigungskonferenz provozieren und die ganze Vorlage nochmals gefährden wolle, erläuterte Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE) die Überlegungen der Kommission. Zum vom Nationalrat ursprünglich geforderten Grooming-Artikel sei indessen noch die parlamentarische Initiative 18.434 hängig, mit der man das Thema weiterverfolgen könne, ergänzte die deutschsprachige Berichterstatterin Patricia von Falkenstein (ldp, BS).

In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf zur Revision des Sexualstrafrechts mit 141 zu 52 Stimmen bei einer Enthaltung an. Die SVP-Fraktion opponierte geschlossen, nachdem ihre Hoffnungen auf deutliche Strafverschärfungen enttäuscht worden waren. Der Ständerat hiess das Geschäft einhellig gut.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In der Sommersession 2023 stand eine Motion der WBK-NR zur Schaffung von Transparenz über die verwendeten Mittel des Horizon-Pakets mittels eines Dashboards auf der Traktandenliste des Ständerats. Die vorberatende UREK-SR hatte dem Stöckli im März 2023 mit 6 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen beantragt, die Motion abzulehnen. Kommissionssprecher Benedikt Würth (mitte, SG) legte im Rat dar, dass bereits genügend Transparenz über die Verwendung der finanziellen Mittel bei den Auffangmassnahmen bestehe. Zwar seien die Unterlagen teilweise komplex, bei Unklarheiten könne die Kommission aber jederzeit bei der Verwaltung detailliertere Unterlagen zu einzelnen Krediten verlangen. «[N]ur weil es schwerfällt, das transparent Dargestellte zu verstehen», brauche es keine Motion, schloss Würth. Auch Guy Parmelin argumentierte im Namen des Bundesrats für eine Ablehnung, da bereits genügend Transparenz bestehe. Dieser Ansicht war auch der Ständerat und lehnte die Motion stillschweigend ab. Das Anliegen war damit erledigt.

Transparenz bezüglich der verwendeten und nicht verwendeten Mittel des Verpflichtungskredits «Horizon-Paket 2021-2027» (Mo 22.3876)
Dossier: Erasmus und Horizon

Nachdem der Nationalrat eine Motion der SGK-NR zur Förderung der Gendermedizin angenommen hatte, beantragte die Mehrheit der WBK-SR ihrem Rat die Ablehnung des Anliegens. Sie war der Meinung, dass dieses Anliegen mit einer anderen Kommissionsmotion der SGK-NR zur Förderung von Forschung und Therapie für spezifische Frauenkrankheiten (Mo. 22.3869) besser zu erfüllen sei. Insbesondere lehnte es die Kommissionsmehrheit ab, dass der Bund Vorgaben zu den Nationalen Forschungsprogrammen (NFP) des SNF macht, da diese «bottom-up» entstehen sollten. Schliesslich sei ein NFP zu Gendermedizin bereits in Planung. Die Kommissionsminderheit hingegen erinnerte daran, dass das Parlament bereits früher bei der Verwirklichung eines NFP mitgewirkt habe, und war der Ansicht, dass die Motion dazu beitragen könne, die Erforschung frauenspezifischer Krankheiten voranzubringen. Sie beantragte folglich, die Motion anzunehmen. Im Ständerat, der sich in der Sommersession 2023 mit dem Vorstoss auseinandersetzte, kam es dennoch zu keiner Abstimmung: Die Kommissionsminderheit zog ihren Antrag zurück, da der Bundesrat wenige Tage vor der parlamentarischen Beratung die Lancierung der neuen Nationalen Forschungsprogramme bekannt gegeben hatte, darunter eines zur Gendermedizin. Damit ist die Motion erledigt.

Gender-Medizin. Schluss mit Frauen als Ausnahme in der Medizin (Mo. 22.2868)
Dossier: Behandlung der Petitionen der Frauensession 2021 in parlamentarischen Vorstössen

In der Sommersession 2023 gab der Nationalrat einer Motion Fabien Fivaz (gp, NE) für ergänzende Verfahren zur Sicherung von Forschung und Innovation in der Schweiz grünes Licht. Der Grüne Politiker forderte zum Horizon-Paket 2021-2027 ergänzende Massnahmen, um Förderlücken in den Bereichen der Quanten- und Weltraumforschung, in den digitalen Schlüsseltechnologien und im Innovationsbereich von KMU zu kompensieren und die reglementarischen Unterstützungsgrundlagen entsprechend anzupassen. Im Rat ermahnte Fivaz, dass die Nichtassoziierung bei Horizon für den Schweizer Forschungs- und Innovationsplatz «un désastre» sei und erinnerte daran, dass die Schweiz, die über keine natürlichen Ressourcen verfüge, den wirtschaftlichen Erfolg stets der Innovationskraft und akademischer Exzellenz zu verdanken gehabt habe. Guy Parmelin erklärte, dass für den Bundesrat eine rasche Assoziierung der Schweiz bei Horizon-Europe weiterhin das oberste Ziel bleibe. Der Bundesrat war jedoch der Ansicht, dass bestehende Bemühungen bereits das Anliegen der Motion erfüllten und beantragte die Ablehnung. Während die geschlossene SVP-Fraktion und die Mehrheit der Mitte-Fraktion mit insgesamt 65 Stimmen diesem Antrag folgten, waren 117 Nationalrätinnen und Nationalräte anderer Fraktionen vom Anliegen überzeugt und stimmten für die Motion.

Horizon 2021–2027 und Nicht-Assoziierung der Schweiz. Verfahren zur Sicherung von Forschung und Innovation in der Schweiz ergänzen (Mo. 21.4214)
Dossier: Erasmus und Horizon

Mit dem Bericht «Sexuelle Belästigung in der Schweiz: Ausmass und Entwicklung» erachtete der Bundesrat ein Postulat Reynard (sp, VS; Po. 18.4048) als erfüllt. Der Postulant hatte verlässliche Zahlen über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit gefordert. Die vom Bundesrat beantragte Abschreibung des Postulats genehmigte der Nationalrat in der Sommersession 2023 stillschweigend.

Sexuelle Belästigung. Wir brauchen endlich verlässliche Zahlen über dieses Problem (Po. 18.4048)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Pour faire face aux défis dans les domaines de l'énergie et du climat, le Conseil fédéral souhaite doubler le crédit d'engagement pour l'instrument d'encouragement de la recherche Swiss Energy research for the Energy Transition (SWEET). Ce programme de recherche se compose de partenariats entre des hautes écoles et des acteurs de l'économie privée, mais aussi des cantons, communes et villes. Pour être précis, le gouvernement préconise un crédit supplémentaire de CHF 135 millions sur la période 2025 à 2036. L'objectif est d'élargir les champs de recherche en incluant notamment le stockage d'énergie, la saisonnalité de la production et de la consommation d'énergie, les réseaux énergétiques, la numérisation et les réseaux intelligents, l'économie circulaire, les villes intelligentes, ou encore les innovations sociales. Le renforcement du programme de recherche SWEET doit permettre de répondre aux défis urgents et nouveaux de la sécurité d'approvisionnement énergétique de la Suisse.

SWEETER Conseil fédéral veut développer la recherche dans les domaines énergétiques et climatiques