Der Bauernverband (SBV) nahm anfangs 2022 eine vielbeachtete Neupositionierung zur Gentech-Politik vor, indem er die Prüfung einer Aufweichung des Verbots für den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) befürwortete. Davor hatte der SBV die Nutzung gentechnischer Verfahren im Pflanzenbau rund zwei Jahrzehnte lang konsequent abgelehnt, so namentlich in der erfolgreichen Abstimmungskampagne zugunsten der Gentech-Moratoriums-Initiative 2005 und bei den seitherigen Entscheiden des Parlaments zur dreimaligen Verlängerung des Moratoriums.
In einem Interview mit der NZZ führte SBV-Präsident Markus Ritter (mitte, SG) zwei zentrale Gründe für den Kurswechsel an: Erstens könnten gentechnologische Verfahren die Krankheitsresistenz von Pflanzen verbessern. Dies würde es der Landwirtschaft erleichtern, den Pestizideinsatz zu reduzieren und damit dem zuletzt gestiegenen politischen Druck in diesem Bereich nachzukommen. Zweitens erhoffe sich der SBV von den Verfahren die Entwicklung von Pflanzensorten, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen. Gleichzeitig relativierte Ritter die Tragweite der Neupositionierung: Der SBV wolle weiterhin eine gentechfreie Landwirtschaft. Es stelle sich aber die Frage, ob die neuen Verfahren der sogenannten Genom-Editierung überhaupt zur «Gentechnik im klassischen Sinn» gehörten oder ob sie vielmehr als Methoden der Pflanzenzüchtung betrachtet werden und somit vom Gentechgesetz ausgenommen werden könnten. Indem der SBV eine Klärung dieser Frage durch den Bundesrat befürworte, biete er lediglich Hand für eine offene Diskussion. Im Verbandsvorstand sei diese Position denn auch einstimmig beschlossen worden, wobei der SBV-Präsident nicht verhehlte, dass er selbst «innerhalb der Landwirtschaft zur kritischeren Hälfte» gehöre. Denn es gelte das Risiko im Auge zu behalten, dass die Konsumentinnen und Konsumenten die neuen Methoden nicht akzeptierten und deshalb das Vertrauen in die Schweizer Landwirtschaft leide – darin sähe Ritter «den Super-GAU für die Landwirtschaft». Aus ebendieser Sorge und weil sie eine Einführung der «Gentechnik durch die Hintertür» befürchteten, machten der Kleinbauernverband und Bio Suisse die Neupositionierung des SBV nicht mit.
Im Parlament konnte sich die SBV-Haltung in der Frühlingssession 2022 bei der Beratung der Änderung des Gentechnikgesetzes indessen durchsetzen. Die NZZ sah den SBV dabei als Schlüsselakteur: Als «direkte Folge» von dessen Neupositionierung seien auch die SVP- und die Mitte-Fraktionen auf diese Haltung umgeschwenkt und hätten der Änderung zusammen mit FDP und GLP zu einer Mehrheit verholfen.

Bauernverband ändert langjährige Haltung zum Gentechverbot