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Jahresrückblick 2021: Rechtsordnung

Das erste Halbjahr 2021 stand im Zeichen von drei Volksabstimmungen, die die öffentliche Debatte im Bereich der Rechtsordnung prägten. Am 7. März 2021 kamen die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und das E-ID-Gesetz zur Abstimmung. Am 13. Juni 2021 folgte das Referendum zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT). Die damit einhergehenden Abstimmungskampagnen waren in der Medienkonjunktur deutlich zu erkennen, wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt: Das Thema Bürgerrechte, worunter das Verhüllungsverbot fällt, verzeichnete über das ganze Jahr gesehen den höchsten Anteil an Zeitungsartikeln zur Rechtsordnung (vgl. Abbildung 2 im Anhang) und dominierte die Medienberichterstattung im Bereich Rechtsordnung von Januar bis März (vgl. Abbildung 1). An zweiter Stelle lag im ersten Quartal das Thema Öffentlicher Dienst, dem die E-ID zuzuordnen ist. Von April bis Juni galt die meiste Beachtung dem Thema Innere Sicherheit, wo das PMT-Referendum angesiedelt ist.

Nach einem intensiven und vielschichtigen Abstimmungskampf, in dem viele Argumente gleichzeitig von der Pro- und der Contra-Seite verwendet wurden, nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die vom Egerkinger Komitee lancierte Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» am 7. März 2021 mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Während das befürwortende Lager den Volksentscheid als klares Zeichen gegen den Islamismus in der Schweiz wertete, beklagte das unterlegene Lager einen unnötigen Eingriff in die Grundrechte von Musliminnen. Die für das Geschäft zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die den Erfolg der Initiative trotz indirekten Gegenvorschlags nicht hatte abwenden können, legte viel Wert darauf zu betonen, das Resultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Die Vox-Analyse bestätigte denn auch, dass das Ja nicht nur von kulturellen, sondern ebenso von sicherheitspolitischen und feministischen Argumenten getragen wurde.

Am selben Tag erlitt Justizministerin Karin Keller-Sutter mit dem Nein zur E-ID auch beim zweiten Geschäft aus ihrem Zuständigkeitsbereich eine Niederlage. Die Schweizer Stimmbevölkerung versenkte das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste in der Referendumsabstimmung mit 64.4 Prozent Nein-Stimmen deutlich. Gemäss der Vox-Nachbefragung war es den Behörden nicht gelungen, das Misstrauen gegenüber den privaten Anbieterinnen und Anbietern der E-ID abzubauen, das die Abstimmungskampagne dominiert hatte. Die E-ID ist damit nicht grundsätzlich gescheitert, allerdings würde von der Stimmbevölkerung eine staatliche Lösung gewünscht.

In der dritten Volksabstimmung des Jahres im Bereich Rechtsordnung konnte die Justizministerin schliesslich einen Erfolg verbuchen. Eine klare Mehrheit von 56.6 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiess am 13. Juni 2021 das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) an der Urne gut. Angesichts der wahrgenommenen Terrorgefahr überwog das Vertrauen in den Bundesrat und die Polizei letztlich die Bedenken bezüglich polizeilicher Willkür und Verlust der Rechtsstaatlichkeit, wovor das Referendumskomitee gewarnt hatte, so die Schlussfolgerung der Vox-Analyse. Der Staat erhält damit verschiedene präventiv-polizeiliche Mittel – von der Meldepflicht bis zum Hausarrest –, um terroristische Gefährderinnen und Gefährder zu kontrollieren.

In der zweiten Jahreshälfte zog das Thema Innere Konflikte und Krisen zunehmende Aufmerksamkeit auf sich, sodass es im September und Oktober im Bereich der Rechtsordnung das von den Medien meistbeachtete Thema war (vgl. Abbildung 1). Dafür verantwortlich waren hauptsächlich die Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen. Insbesondere im Herbst, als der Bundesrat die Zertifikatspflicht beschloss, intensivierten sich die Proteste. So fanden in der Bundesstadt wöchentliche Kundgebungen der Massnahmenkritikerszene statt. Nachdem es mehrmals zu Ausschreitungen gekommen war und die Stadt Bern die Kundgebungen nicht mehr bewilligte – was die Massnahmengegnerinnen und -gegner aber nicht davon abhielt, weiter zu demonstrieren –, wurde auch die Radikalisierung der Szene in den Medien debattiert. Im Vorfeld der Referendumsabstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes Ende November erhitzten sich die Gemüter weiter. Die aufgeladene Stimmung gipfelte darin, dass aufgrund befürchteter Ausschreitungen am Abstimmungssonntag das Bundeshaus von der Polizei grossräumig abgeriegelt wurde. Eine weitere Eskalation blieb dann aber glücklicherweise aus.

Etwas abseits der Medienaufmerksamkeit widmete sich das Parlament 2021 mehreren umfangreichen Gesetzesrevisionen im Strafrecht. In der Frühjahrssession nahm der Nationalrat die Revision der Strafprozessordnung in Angriff, die der Ständerat in der Wintersession fortsetzte. Das Revisionsprojekt geht auf eine 2015 überwiesene Motion der RK-SR zurück, die den Bundesrat beauftragt hatte, die Strafprozessordnung auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen und allfällige Anpassungen vorzuschlagen. Nachdem die Räte die Bestimmungen zur Sicherheitshaft aufgrund ihrer Dringlichkeit ausgekoppelt und 2020 bereits verabschiedet hatten, begannen 2021 die Beratungen zum Hauptentwurf. Das zweite zentrale Gesetzgebungsprojekt im Strafrecht, die Harmonisierung der Strafrahmen, durchlief 2021 die Differenzbereinigung. Einer der Hauptstreitpunkte dieser Vorlage war, inwieweit die Strafen für Gewalt gegen Behörden und Beamte verschärft werden sollen. Zusammen mit der Revision des Sexualstrafrechts bildet die Strafrahmenharmonisierung die zweite Etappe einer umfassenden StGB-Revision, in der nach dem Allgemeinen Teil (abgeschlossen 2016) nun auch der Besondere Teil erneuert wird. Aufgrund des festgestellten Diskussionsbedarfs hatte das Parlament die Revision des Sexualstrafrechts in einen eigenen Entwurf ausgelagert, der Anfang 2021 in die Vernehmlassung gegeben wurde. Des Weiteren brachten die eidgenössischen Räte in der Wintersession 2021 die Änderung des DNA-Profil-Gesetzes zum Abschluss. Nach Inkrafttreten dürfen die Ermittlungsbehörden neu mittels sogenannter Phänotypisierung äusserliche Merkmale wie Haar-, Haut- und Augenfarbe oder das Alter der gesuchten Person aus DNA-Spuren bestimmen.

Jahresrückblick 2021: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2021

Mittels parlamentarischer Initiative forderte SVP-Nationalrat Piero Marchesi (TI), die beiden Organisationen «Islamischer Zentralrat Schweiz» und «Association des Savants Musulmans» auf die Liste der verbotenen Organisationen zu setzen. Beide Organisationen stellten aufgrund ihrer nachgewiesenen Verbindungen zu den beiden verbotenen Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» eine Gefahr für die innere Sicherheit der Schweiz dar und müssten verboten werden, forderte der Initiant im Ratsplenum in der Wintersession 2021. Unterstützt wurde er dabei von einer Minderheit Addor (svp, VS). Die Mehrheit der SPK-NR beantragte mit 13 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung hingegen, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Eine solche Gesetzesänderung würde die innere Sicherheit der Schweiz nicht signifikant verbessern und das Verbot wäre leicht zu umgehen, etwa indem die beiden Vereine unter anderem Namen fortbestehen würden, so Kommissionssprecher Thomas Rechsteiner (mitte, AI). Zudem dürfe die Schweiz nur Gruppierungen verbieten, die von der UNO sanktioniert oder verboten wurden. Der Nationalrat gab der Initiative mit 130 zu 54 Stimmen bei drei Enthaltungen keine Folge.

Die Organisationen «Islamischer Zentralrat Schweiz» und «Association des Savants Musulmans» sollen verboten werden (Pa.Iv. 20.489)

Eine im Sommer 2021 von der Grünen Fraktion eingereichte parlamentarische Initiative forderte die Präzisierung der Definition der «terroristischen Aktivität» im Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT). Gemäss der Definition im neuen Antiterrorgesetz reiche bereits die «Verbreitung von Furcht und Schrecken» aus, um von «terroristischer Aktivität» zu sprechen. Dadurch bestehe ein gewisser Interpretationsspielraum bezüglich der Rolle von Gewalt in diesem Gefüge sowie des Anwendungsbereichs des Begriffs, argumentierte die initiierende Fraktion. Im Abstimmungskampf zum PMT sei zwar immer wieder beteuert worden, dass das neue Gesetz keine Ausweitung des Begriffes der terroristischen Gewalt – beispielsweise auf politische Aktivisten und Aktivistinnen oder Medienschaffende – zum Ziel habe und dass die «Verknüpfung mit Gewalt auf der Hand liege»; da die Bevölkerung den Abstimmungsentscheid jedoch auf der Grundlage dieser Begriffsinterpretation gefällt habe, müsse die Definition im Gesetz nun um die Aspekte der Gefahr gegen Leib und Leben sowie der Freiheit präzisiert werden, so die Forderung der Grünen. Die SPK-NR lehnte die Initiative mit der Begründung ab, dass das Gesetz im ersten Halbjahr 2022 in Kraft treten werde und erst einmal erste Praxiserfahrungen gesammelt werden sollten, bevor Änderungen daran vorgenommen würden. Zudem würde die vorgeschlagene Änderung dem Zweck der Gesetzesänderung zuwiderlaufen, da diese auch auf die Verfolgung von gewaltfreien terroristischen Aktivitäten ausgerichtet sei, so Kommissionssprecherin Jacqueline de Quattro (fdp, VD) im Ratsplenum. Es sei jedoch niemals darum gegangen, das Gesetz auf politische Aktivistinnen und Aktivisten auszurichten, schrieb die Kommission zudem in ihrem Bericht. In der Wintersession 2021 folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit und gab der parlamentarischen Initiative mit 104 zu 83 Stimmen keine Folge.

Präzisierung der Definition der «terroristischen Aktivität» im Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (Pa.Iv. 21.455)

Dans une situation politique, environnementale et sanitaire de plus en plus complexe et incertaine, la Confédération helvétique a publié en novembre 2021 son rapport sur la politique de sécurité 2021. Afin de garantir la sûreté dont le pays bénéficie actuellement, la Suisse compte poursuivre et même intensifier ses actions dans le domaine de la sécurité nationale. Elle s'est fixé neuf objectifs pour la période à venir, souhaitant ainsi assurer la protection du pays malgré les nombreux changements et évolutions que le monde politique vit en cette période marquée notamment par un déploiement des conflits (hybrides et traditionnels), la pandémie du Covid-19 ou encore le changement climatique.
Parmi les neufs objectifs que le gouvernement a défini comme prioritaires, on retrouve: (1) Renforcer la détection des menaces afin d'agir aussi tôt que possible; (2) renforcer la coopération internationale dans le but de stabiliser la sécurité; (3) prendre davantage en considération les conflits hybrides, les cyberattaques et la désinformation et adapter les ressources militaires afin de renforcer la sécurité du pays et faire face aux menaces; (4) encourager la formation libre de l'opinion public; (5) renforcer la sécurité contre les cybermenaces; (6) combattre le terrorisme et les autres formes de criminalité; (7) renforcer l'indépendance de la Suisse dans son approvisionnement lors de crises internationales; (8) améliorer la gestion, la prévention et la sécurité en cas de catastrophes ou de situations d'urgence (changement climatique); et (9) renforcer la collaboration entre les différents acteurs de la sécurité suisse (armée, police, gestion des douanes, service civil, etc.).
Afin d'atteindre chacun de ces neuf objectifs, la Confédération helvétique compte sur une coopération efficace et structurée entre les différents domaines politiques et instruments suisses tels que la Confédération, les cantons, les communes, la politique étrangère ou encore l'armée. Ainsi, la politique de sécurité de la Suisse a pu être définie comme étant une «tâche commune». Celle-ci nécessite une collaboration engagée de la part des différents acteurs suisses pour viser la réalisation des desseins fixés par le rapport fédéral. Dans la conclusion de ce dernier, un accent tout particulier est mis sur les révisions de la politique de sécurité suisse. En effet, il est rappelé que toute modification de la politique de sécurité s'appliquant à la gestion du personnel de milice devrait impliquer la Confédération, les cantons et les communes. La confiance du Conseil fédéral en sa capacité à défendre la sécurité du territoire et les habitants est également évoquée.
Il est encore à noter que, lors de la discussion de l'objet au Conseil national, la situation en Europe, actuellement mouvementée en raison de la guerre en Ukraine, a suscité divers avis parmi les parlementaires. Une certaine disparité sur la direction à prendre en terme de politique de sécurité a pu être remarquée entre la gauche et la droite. Dans ce contexte particulier, le Conseil fédéral a annoncé qu'il publiera un complément au rapport d'ici fin 2022.

Rapport sur la politique de sécurité de la Suisse 2021 (MCF 21.070)

Mit der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» in der Volksabstimmung vom 7. März 2021 wurde die Bundesverfassung um den neuen Artikel 10a ergänzt, der die Verhüllung des eigenen Gesichts in der Öffentlichkeit verbietet. Zur Umsetzung des Gesichtsverhüllungsverbots gab der Bundesrat im Oktober 2021 eine Änderung des Strafgesetzbuches in die Vernehmlassung. Der vorgesehene Artikel 332a StGB stellt die Gesichtsverhüllung an allen öffentlich zugänglichen Orten unter Strafe. Widerhandlungen sollen mit Busse geahndet werden. Wie in der Verfassung festgeschrieben, bleibt die Verhüllung in Sakralstätten sowie aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums weiterhin erlaubt. Zusätzlich schlug der Bundesrat zwei weitere Ausnahmen vor: Sofern sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht beeinträchtigen, sollen Gesichtsverhüllungen im öffentlichen Raum auch zur Ausübung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit sowie für Auftritte zu Kunst-, Unterhaltungs- oder Werbezwecken erlaubt sein. «Demonstrieren in Kuhmaske erlaubt, Schal zu kurzen Hosen nicht», fasste der Tages-Anzeiger das Vorhaben des Bundesrats lapidar zusammen. Die Vernehmlassung läuft bis Anfang Februar 2022.

Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot (BRG 22.065)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Nachdem der Nationalrat der Forderung nach einer Präventivhaft für terroristische Gefährder im Sommer 2020 anlässlich der Behandlung des Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) eine Absage erteilt hatte, doppelte Mauro Tuena (svp, ZH), der das Anliegen im Nationalrat als Kommissionssprecher vergebens vertreten hatte, im September 2020 mit der Einreichung einer parlamentarischen Initiative nach. Er forderte das Parlament auf, die gesetzlichen Grundlagen für eine gesicherte Unterbringung von staatsgefährdenden Personen zu schaffen. Die wenige Wochen vorher verübte Messerattacke von Morges (VD), deren Täter zum Zeitpunkt des Anschlags schon länger im Ermittlungsfokus der Bundesanwaltschaft gestanden hatte und mit diversen Auflagen wie einer nächtlichen Ausgangssperre, einer Meldepflicht und einem Waffentragverbot belegt worden war, hätte durch die vorgesehenen PMT nicht verhindert werden können; die gesicherte Unterbringung könne jedoch den nötigen Schutz für die Bevölkerung bieten, argumentierte der Initiant. Die SiK-NR gab der Initiative im Oktober 2021 mit 15 zu 10 Stimmen Folge.

Gesicherte Unterbringung von staatsgefährdenden Personen (Pa.Iv. 20.465)

In der Herbstsession 2021 gelangte die 2010 überwiesene Motion Marty (fdp, TI) «Die UNO untergräbt das Fundament unserer Rechtsordnung» wiederum ins Parlament, nachdem die vorberatenden Aussenpolitischen Kommissionen die erneute Verlängerung der Frist empfohlen hatten. Damian Müller (fdp, LU) – Sprecher der APK-SR – begründete die fortlaufende Verlängerung der Motionsfrist damit, dass dadurch das Parlament regelmässig über neue Entwicklungen bei der Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit der Anti-Terrorismus-Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats informiert werde. Müller stellte fest, dass zu diesem Zeitpunkt nur das Sanktionsregime gegen den Islamischen Staat und Al-Kaida das Büro der Ombudsperson beanspruche. Zudem setze sich die Schweiz weiterhin für die Stärkung der Sanktionsregime ein, welche nicht über einen Zugang zu einer Ombudsperson verfügen. Laut Müller hat die Schweiz dem Sicherheitsrat im Juni 2021 deswegen Vorschläge für die Einrichtung eines unabhängigen Überprüfungsmechanismus gemacht. Er beantragte im Namen der Kommission die erneute Verlängerung der Frist. Bundesrat Cassis informierte den Ständerat darüber, dass das Bundesgericht bestätigt habe, dass Personen auf einer schwarzen Liste der UNO in der Schweiz Rekurs einlegen könnten. Damit sei das Hauptziel der Motion erreicht, nichtsdestotrotz könne man deren Anliegen weiterverfolgen. Sowohl der Ständerat wie auch der Nationalrat verlängerten in der Folge die Behandlungsfrist des Geschäfts.

Non-application des sanctions de l'ONU dans le cadre de la lutte contre le terrorisme (Mo. 09.3719)

Das Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das Eurodac-Protokoll, das Abkommen mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und der Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus gelangten in der Herbstsession 2021 mit der einstimmigen Unterstützung der SIK-NR in den Nationalrat. Kommissionssprecherin Graf-Litscher (sp, TG) sah in der vereinfachten polizeilichen Zusammenarbeit im Rahmen des Prümer Abkommens grosse Vorteile, weil dadurch bei Abfragen von DNA-Profilen und Fingerabdruckdaten ein automatisierter Abgleich mit anderen nationalen europäischen Datenbanken gleichzeitig möglich werde. Sie warnte zudem vor negativen Auswirkungen einer Nichtteilnahme der Schweiz und wies darauf hin, dass Kriminalität ein grenzübergreifendes Problem sei, welches eine internationale Zusammenarbeit notwendig mache. Ihr Kommissionskollege Pointet (glp, VD) erklärte, dass das Abkommen mit den USA die gleiche Thematik behandle und daher mit den gleichen Vorteilen einhergehe. Da alle Fraktionen die Verbesserung der internationalen Polizeizusammenarbeit begrüssten, stand den Vorlagen wie schon im Ständerat nichts im Weg. Alle drei Bundesbeschlüsse wurden von der grossen Kammer einstimmig angenommen.
In den Schlussabstimmungen wenige Tage später bestätigten die Räte die deutlichen Ergebnisse aus den Ratsdebatten. Das Abkommen mit den Vereinigten Staaten wurde vom Nationalrat mit 194 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) und vom Ständerat einstimmig angenommen. Das Abkommen zur Prümer Zusammenarbeit nahm der Nationalrat mit 191 zu 1 Stimme (bei 3 Enthaltungen) an, im Ständerat war das Ergebnis wiederum einstimmig. Zum Verpflichtungskredit war keine Schlussabstimmung nötig.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus

In seinem Bericht zu den parlamentarischen Vorstössen im Jahre 2020 (BRG 21.006) beantragte der Bundesrat die Abschreibung der Motion Jositsch (sp, ZH) zum Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt. Zu diesem Zweck war 2017 ein Aktionsplan mit 26 Massnahmen erarbeitet, verabschiedet und mit einer Impulsfinanzierung von CHF 5 Mio. unterstützt worden. 2019 war zudem die Verordnung über Massnahmen zur Unterstützung der Sicherheit von Minderheiten mit besonderen Schutzbedürfnissen (SR 311.039.6) in Kraft getreten. Damit seien die Forderungen der Motion erfüllt worden. Der Ständerat nahm den Antrag des Bundesrates in der Sommersession 2021 kommentarlos an.
Da bloss Abklärungen vorgenommen worden und noch keine konkrete Umsetzung erfolgt sei, beantragte die SiK-NR im Zweitrat hingegen, die Motion zu gegebenem Zeitpunkt nicht abzuschreiben. Der Nationalrat folgte seiner Kommission und lehnte die Abschreibung ab. In der Differenzbereinigung im Herbst stimmte der Ständerat schliesslich dem Nationalrat zu, womit die Motion noch nicht abgeschrieben wurde.

Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt (Mo. 16.3945)

In der Herbstsession 2021 beugte sich der Nationalrat über eine Motion der SVP-Fraktion vom September 2019, bei welcher der Titel Programm war: «Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!». Damit forderte die SVP-Fraktion unter anderem ein Verbot von direkten oder indirekten Zahlungen aus dem Ausland an islamische Organisationen, Gebetshäuser und weitere Institutionen mit denen die Förderung des Islams in der Schweiz finanziert würde. Ausserdem solle der Informationsaustausch zwischen den Behörden auf allen Ebenen ausgebaut werden und genügend Spezialistinnen und Spezialisten zur Überwachung von Moscheen und Imamen zur Verfügung gestellt werden. Zusammen mit weiteren Massnahmen solle damit die Schweizer Rechtsordnung bewahrt und die Schweiz weiter vor terroristischen Anschlägen geschützt werden, wie Walter Wobmann (svp, SO) das Anliegen seiner Fraktion erklärte. Bundesrätin Karin Keller-Sutter sprach sich gegen die Annahme der Motion aus. Auch wenn von extremistischen islamistischen Gemeinschaften durchaus Gefahr ausgehe, seien die geforderten Massnahmen unverhältnismässig und würden die Grundrechte der muslimischen Gemeinschaft verletzen. Dies sei diskriminierend und verfassungswidrig, wie die Justizministerin ausführte.
Der Nationalrat lehnte die Motion in der Folge mit 136 zu 54 Stimmen ab. Die befürwortenden Stimmen stammten aus der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von einer Person aus der FDP.Liberalen-Fraktion.
Bereits kurz vor Einreichung dieser Motion hatte der Nationalrat in der Herbstsession 2019 eine exakt gleichlautende Motion der SVP-Fraktion abgelehnt, welche ebenfalls von Walter Wobmann vertreten worden war. Damals wurde sie per Stichentscheid durch die damalige Präsidentin Marina Carobbio (sp, TI) allerdings noch äusserst knapp abgelehnt.

«Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!» (Mo. 19.4005)
Dossier: Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Im Juni 2021 veröffentlichten sowohl die APK-NR wie auch die APK-SR je einen Kommissionsbericht, in denen sie sich mit der überwiesenen Motion Marty (fdp, TI) «Die UNO untergräbt das Fundament unserer Rechtsordnung» auseinandersetzten. Beide Kommissionen empfahlen ihren Räten einstimmig, die Behandlungsfrist der Motion um ein weiteres Jahr zu verlängern. Die beiden Räte werden – gestützt auf die Anträge der Kommissionen – voraussichtlich in der Herbstsession 2021 darüber zu entscheiden haben, ob die Frist der Motion ein weiteres Mal verlängert wird oder ob diese abgeschrieben werden soll.

Non-application des sanctions de l'ONU dans le cadre de la lutte contre le terrorisme (Mo. 09.3719)

Die SIK-SR verlangte im März 2021 als Ergänzung zum Bundesratsbericht «Professionalisierungsanreize für religiöse Betreuungspersonen» in Erfüllung des Postulats von Maja Ingold (evp, ZH; Po. 16.3314) in einem weiteren Postulat eine Abklärung zur Frage, wie Imame in der Schweiz, die im Rahmen von religiösen Reden «terroristisches oder gewalttätig-extremistisches Gedankengut verbreiten», besser überprüft werden können. Konkret sollen die Vorteile eines Bewilligungsverfahrens für Imame, ein Imam-Register sowie ein Finanzierungsverbot für Moscheen aus dem Ausland geprüft werden. Der Bundesrat empfahl im Mai 2021 die Annahme des Postulats, der Ständerat stimmte dem in der Sommersession 2021 stillschweigend und diskussionslos zu. Wie die SIK-SR in ihrer Medienmitteilung vom März 2021 ausführte, reichte sie gleichzeitig noch ein weiteres Postulat ein, welches vom Bundesrat eine Überprüfung allfälliger Gesetzeslücken bezüglich sogenannter «Hassrede» und der «Einfuhr und Verbreitung von extremistischem Propagandamaterial» (Po. 21.3450) einforderte. Dieses wurde, trotz der Empfehlung zur Ablehnung seitens des Bundesrats, ebenfalls diskussionslos vom Ständerat angenommen.

Imame in der Schweiz

Bei einer hohen Stimmbeteiligung von 59.6 Prozent hiess eine solide Mehrheit von 56.6 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) in der Referendumsabstimmung vom 13. Juni 2021 gut. Einzig der Kanton Basel-Stadt sprach sich mit einem Ja-Anteil von 45.1 Prozent mehrheitlich gegen das Gesetz aus. Hohe Zustimmung erfuhr die Vorlage derweil in der Romandie, insbesondere im Wallis (65.0%), in Freiburg (63.6%), in Neuenburg (62.0%) und im Jura (61.0%). In den Medien wurde gemutmasst, dass die Westschweiz aufgrund der Nähe zum von Terroranschlägen stark betroffenen Frankreich das Gesetz eher für notwendig gehalten habe, während in der freiheitsliebenden Deutschschweiz die staatlichen Grundrechtseingriffe kritischer beurteilt worden seien.
Die schweizweite Zustimmung blieb damit etwas hinter den von den vorhergehenden Umfragen geschürten Erwartungen zurück. Wie die Presse berichtete, habe es das Nein-Lager kurz vor dem Abstimmungstermin doch noch geschafft, seinen Bedenken bezüglich der Rechtsstaatlichkeit der Massnahmen verstärkt Gehör zu verschaffen. So zeigte sich die Waadtländer Grünen-Nationalrätin Léonore Porchet gegenüber «Le Temps» erfreut, dass man der zuständigen Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Vorfeld der Abstimmung einige Klarstellungen zu umstrittenen Punkten im Gesetz abringen konnte, etwa die Bekräftigung, dass Aktivistinnen und Aktivisten sozialer Bewegungen nicht vom Gesetz betroffen sein werden. Nichtsdestotrotz kündigten die Grünen bereits am Abstimmungssonntag an, eine parlamentarische Initiative einreichen zu wollen, mit dem Ziel, die umstrittene, in ihren Augen zu unklar gefasste Terrorismusdefinition zu konkretisieren. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International betonten, nun die konkrete Anwendung des Gesetzes genau im Auge zu behalten und Menschenrechtsverletzungen gegebenenfalls anzuprangern. Die NZZ wertete das Ergebnis denn auch als «grossen Vertrauensbeweis gegenüber der Polizei»; immerhin habe die Bevölkerung ein Gesetz angenommen, das der Polizei in zentralen Punkten einen grossen Spielraum lasse. «Die Bürgerinnen und Bürger gehen offenkundig davon aus, dass von den Befugnissen menschenrechtskonform und verhältnismässig Gebrauch gemacht wird – und die Gerichte nötigenfalls korrigierend eingreifen», kommentierte die Zeitung. Die Befürwortendenseite zeigte sich indessen zufrieden mit dem Resultat. Die Schweiz könne damit eine Lücke in ihrer Terrorismusabwehr schliessen, erklärte Justizministerin Keller-Sutter gegenüber den Medien.
Noch nicht geschlagen geben wollte sich aus dem unterlegenen Lager die Piratenpartei. Sie hoffte, berichteten «L'Express» und «Le Nouvelliste», dass die Abstimmung wiederholt werden würde. So seien beim Bundesgericht rund 600 Beschwerden gegen die Abstimmung eingereicht worden, die monierten, das Bundesbüchlein sei nicht objektiv gewesen, habe keine klare Meinungsbildung ermöglicht, irreführende Informationen enthalten und wichtige rechtliche Konsequenzen des Gesetzes verschwiegen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.6%
Ja: 1'811'795 (56.6%)
Nein: 1'390'383 (43.4%)

Parolen:
– Ja: EVP, FDP (1*), KVP, Libertäre Partei, Mitte (Junge Mitte: 1*), Piratenpartei, SVP (2*; JSVP: 2*), BastA!, CSP OW, PCSI JU
– Nein: GLP, GP, PdA, SD, SP, Jungfreisinnige; VPOD, Amnesty International, Chaos Computer Club, Demokratische JuristInnen Schweiz (DJS), Digitale Gesellschaft, Ensemble à Gauche, GSoA, Greenpeace, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), Schweizerischer Friedensrat, Solidarité sans frontières, Verein «Freunde der Verfassung»
– Stimmfreigabe: EDU; SSV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In der Sommersession 2021 wurden das Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das Eurodac-Protokoll, das Abkommen mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und ein Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus im Ständerat beraten. In der Beratung der SiK-SR im Vorfeld der Session hatten sämtliche Anträge breite Unterstützung gefunden und waren der kleinen Kammer einstimmig zur Annahme beantragt worden. Kommissionssprecherin Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) hob besonders die Vorteile hervor, welche der Schweiz aus dem Prümer Abkommen und dem Eurodac-Protokoll erwachsen würden. Dadurch könnten Schweizer Strafverfolgungsbehörden zukünftige Anfragen zu DNA-Profilen und Fingerabdrücken automatisiert bei allen beteiligten EU-Staaten vornehmen. Der bisherige Prozess via Interpol sei komplex, langwierig und biete keine Garantie für Erfolg, erläuterte Gmür-Schönenberger. Das PCSC-Abkommen mit den USA verfolge die gleichen Ziele wie das Prümer Abkommen, umfasse aber keinen Zugriff auf Fahrzeug- und Fahrzeughalterdaten. Da der Austausch über die gleiche Infrastruktur stattfinden solle, decke der Verpflichtungskredit über CHF 11 Mio. sämtliche Investitionskosten ab. Der Ständerat folgte dem Beispiel seiner Kommission und nahm alle drei Abkommen sowie den Verpflichtungskredit einstimmig an.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus

Mit der Verabschiedung der Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität in der Herbstsession 2020 wurde auch die sogenannte kleine Kronzeugenregelung auf Mitglieder terroristischer Organisationen ausgeweitet. In der Sommersession 2021 schrieben die eidgenössischen Räte daher die Motion der RK-NR, die ebendiese Forderung enthielt, als erfüllt ab.

Einführung einer Kronzeugenregelung (Mo. 16.3735 und 17.3264)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Einstimmig überwies der Ständerat in der Sommersession 2021 ein Postulat seiner SiK, womit der Bundesrat darüber Bericht erstatten muss, ob zum Thema Hassreden gesetzliche Lücken bestehen. Er soll insbesondere darlegen, was für strafrechtliche, präventiv-polizeiliche und andere öffentlich-rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, um das öffentliche Auffordern zu Hass sowie die Einfuhr und Verbreitung von extremistischem Propagandamaterial zu unterbinden. Die Kommission hatte das Postulat im Anschluss an eine Expertenanhörung zur Bedrohung der Schweiz durch den dschihadistisch motivierten Terrorismus eingereicht.

Hassreden. Bestehen gesetzliche Lücken? (Po. 21.3450)

Le Conseil fédéral soumet à consultation – jusqu'au 18 août – son nouveau rapport sur la politique de sécurité de la Suisse, lequel détaille les intérêts et les objectifs de la politique sécuritaire pour les années à venir. Le Conseil fédéral a décidé de procéder à des adaptations, face au contexte international en mutation et à l'apparition de nouvelles menaces. Neuf objectifs sont fixés dans le rapport: renforcer continuellement la détection précoce de menaces, de dangers et de crises; renforcer la coopération internationale, la stabilité et la sécurité; mettre davantage l’accent sur la gestion des conflits hybrides; encourager la formation libre et non biaisée de l’opinion; renforcer la protection contre les cybermenaces; enrayer le terrorisme, l’extrémisme violent, la criminalité organisée et d’autres formes de criminalité transnationale; renforcer la résilience et la sécurité de l’approvisionnement lors de crises internationales; améliorer la protection en cas de catastrophes et de situations d’urgence ainsi que la capacité de régénération et renforcer la collaboration entre les autorités et les organes de gestion des crises. Pour chacun de ces objectifs, le rapport expose les mesures spécifiques à introduire. Le précédent rapport remontant en 2016, le rapport sur la politique de sécurité sera par la suite publié une fois par législature. Le présent rapport sera soumis à l'Assemblée fédérale d'ici la fin de l'année.

Rapport sur la politique de sécurité de la Suisse 2021 (MCF 21.070)

Mit Verweis auf begangene Terroranschläge in Europa forderte die SVP mit einer Fraktionsmotion (Mo. 20.4347) und einer Motion des Ständerats Marco Chiesa (svp, TI; Mo. 20.4367), dass in die Schweiz migrierte Personen oder Asylbewerbende bis zur abschliessenden Beurteilung ihres Gefährdungspotentials in geschlossenen Zentren unterzubringen seien, um das Sicherheitsrisiko zu minimieren. Dies sollte gemäss den identisch lautenden Motionen für Personen anwendbar werden, deren Identität nicht vollständig geklärt werden kann, sowie für alle Personen, die aus einem Gebiet «mit starker Präsenz von terroristischen, gewalttätigen, extremistischen Gruppierungen oder radikalen Strömungen» stammen oder sich in einem solchen Gebiet aufgehalten haben.
In seiner ablehnenden Stellungnahme führte der Bundesrat aus, dass die Abklärung einer möglichen Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit bereits beim Eintritt in ein Bundesasylzentrum erfolge; dort würden sogleich Identitätsabklärungen vor- und Fingerabdrücke abgenommen, um nach bestehenden Einträgen in der Eurodac-Datenbank für Asylangelegenheiten und in Fahndungsdatenbanken wie dem Schengener Informationssystem (SIS) zu suchen. Gesuchstellende aus Risikogebieten müssten sich zudem einer Befragung zu ihren politischen Überzeugungen unterziehen. Eine separate Unterbringung in geschlossenen Zentren für alle Asylsuchenden aus Risikogebieten erachtete der Bundesrat zum einen als logistisch nicht möglich, da dies eine sehr grosse Anzahl von Personen betreffen würde, und zum anderen auch als unverhältnismässig, da Personen aus Risikogebieten gerade von den genannten radikalen Gruppierungen geflohen seien. Ebenso sahen dies wohl auch die Mehrheiten der Räte, die die beiden Motionen in der Frühjahrssession 2021 ablehnten. Abgesehen von SVP-Vertretenden wurde die Motion der SVP-Fraktion im Nationalrat mit 139 zu 53 Stimmen (0 Enthaltungen) von allen Fraktionen geschlossen abgelehnt. Der Ständerat fasste seine Ablehnung mit 6 zu 33 Stimmen (2 Enthaltungen). Die Beschlüsse wurden im Rahmen einer von der SVP-Fraktion verlangten ausserordentlichen Session gefasst, in der neben den genannten Motionen lediglich noch zwei weitere, ebenfalls identisch lautende Motionen aus der Feder der SVP traktandiert worden waren. Letztere forderten, Flüchtlingsgruppen aus oben genannten Gebieten kein Asyl zu gewähren (Mo. 20.4346 und Mo. 20.4368).

Migranten und Asylbewerber mit ungeklärter Identität oder aus Risikogebieten geschlossen unterbringen oder überwachen (Mo. 20.4347 und 20.4367)

Der Nationalrat beriet in der Frühjahrssession 2021 über den zwölften Bericht über die Schweiz und die Konventionen des Europarats. Brigitte Crottaz (sp, VD) äusserte im Namen der APK-NR eine gewisse Missbilligung gegenüber dem Entscheid des Bundesrates, den Bericht in dieser Form nicht mehr länger fortzuführen und stattdessen nur noch punktuell über substanzielle Entwicklungen zu berichten. Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) hatte aus diesem Grund in der APK-NR Sitzung vom Januar 2020 einen Antrag eingereicht, um vom Bundesrat konkret zu erfahren, wie er die aussenpolitischen Kommissionen und das Parlament zukünftig über die Tätigkeiten des Europarats informieren will. Eine Mehrheit der APK-NR hatte sich einstimmig für den Vorschlag des Bundesrats ausgesprochen, zweimal pro Jahr eine zwei- bis dreiseitige Briefing-Note vorzulegen. Auch der Antragsteller Nussbaumer zeigte sich im Plenum mit dem Halbjahresrhythmus zufrieden, forderte aber ausführlichere Informationsnotizen wenn bedeutende Gremien oder Entwicklungen betroffen seien. Der Nationalrat nahm auf Antrag seiner Kommission Kenntnis vom Bericht.

Zwölfter Bericht zur Schweiz und den Konventionen des Europarats (BRG 20.073)
Dossier: Berichte zur Schweiz und den Konventionen des Europarats

Am 7. März 2021 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Damit fiel das Ergebnis letztlich knapper aus als aufgrund von Vorumfragen erwartet. Die Stimmbeteiligung betrug 51.4 Prozent. Die höchste Zustimmung erfuhr das Verhüllungsverbot im Jura (60.7% Ja), gefolgt vom Tessin (60.5%) und Schwyz (60.2%). In St. Gallen, wo wie im Tessin bereits ein kantonales Verhüllungsverbot gilt, dem 2018 zwei Drittel der Stimmbevölkerung zugestimmt hatten, war die Zustimmung mit 53.1 Prozent vergleichsweise schwach. Am wenigsten Unterstützung erhielt die Initiative im Kanton Basel-Stadt (40.6% Ja), gefolgt von Zürich (45.2%) und Genf (48.7%). Auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden (49.1%), Bern (49.6%) und Graubünden (49.6%) lehnten die Initiative knapp ab. Bemerkenswert hoch war die Zustimmung für eine Initiative aus den Reihen der SVP – auch im direkten Vergleich mit dem 2009 angenommenen Minarettverbot, das ebenfalls vom Egerkinger Komitee initiiert worden war – in der Westschweiz. Verschiedene Expertinnen und Experten mutmassten in den Medien, dass einerseits die Nähe zu Frankreich den Diskurs analog der dort geführten Debatten stärker auf den sicherheitspolitischen Aspekt gelenkt habe und andererseits die in der Romandie stark präsenten, prominenten bürgerlichen und linken Stimmen, die sich für die Initiative starkgemacht hatten, wohl erheblichen Einfluss gehabt und den Anti-SVP-Reflex beschränkt hätten.
Die Befürwortendenseite wertete den Entscheid als «ein klares Signal des Widerstands gegen die Islamisierung der Schweiz», wie sich der Urheber des ersten kantonalen Verhüllungsverbots Giorgio Ghiringhelli vom «Corriere del Ticino» zitieren liess. Als «Zeichen gegen den ‹politischen Islam›, der vielen Menschen Unbehagen bereitet», interpretierte die NZZ das Votum. Der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui sah im Resultat dementsprechend einen Positionsbezug der gemässigten Muslime gegen den Islamismus, wie er gegenüber «Le Temps» verlauten liess.
Das unterlegene Lager bedauerte den Volksentscheid derweil aus verschiedenen Gründen. Feministische Kreise, die sich gegen das Verhüllungsverbot starkgemacht hatten, fühlten sich durch das Argument, die Vollverschleierung sei Ausdruck der Unterdrückung der Frauen, für rassistische und xenophobe Zwecke missbraucht, wie deren Vertreterin Meriam Mastour gegenüber der Presse erklärte. Die Tourismusbranche befürchtete einen Imageschaden für die Schweiz und zeigte sich besorgt, dass künftig weniger kaufkräftige und konsumfreudige Gäste aus den Golfstaaten die Schweiz besuchen würden. Die Jungen Grünen und der IZRS erklärten unabhängig voneinander, eine gerichtliche Anfechtung des Verhüllungsverbots wenn nötig bis vor den EGMR unterstützen zu wollen. Pascal Gemperli, Pressesprecher der FIDS, zeigte sich um die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaft besorgt und befürchtete zunehmende Aggression und Gewalt gegenüber Musliminnen und Muslimen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte gegenüber den Medien, das Abstimmungsresultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Diese Linie wurde im unterlegenen Nein-Lager breit vertreten. Dass der Ja-Anteil gegenüber der Minarettinitiative deutlich abgenommen habe, gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz vielleicht doch nicht so islamfeindlich sei, so der Tenor.
Letztlich sei der Entscheid «vor allem auf symbolischer Ebene bedeutsam», resümierte die NZZ. Die konkreten praktischen Auswirkungen sind in der Tat noch unklar. Wie Karin Keller-Sutter erklärte, liege die Umsetzung bei den Kantonen, weil sie über die Polizeihoheit verfügten. Sie hätten nun zwei Jahre Zeit, entsprechende Gesetze zu erlassen. Der Bund müsse das Verbot unterdessen für diejenigen Bereiche, in denen er zuständig ist – beispielsweise im öffentlichen Transportwesen und im Zollwesen – auf Gesetzesebene konkretisieren. Gemäss dem «Blick» zeigten sich einige Kantonsvertretende wenig motiviert, ein gesetzliches Verhüllungsverbot zu erlassen, und würden die Umsetzung lieber ganz dem Bund überlassen. Initiant Walter Wobmann (svp, SO) warf dem Bund in derselben Zeitung bereits vor, die Initiative nicht umsetzen zu wollen: Ein Bundesgesetz sei «unabdingbar, um zu verhindern, dass am Schluss in jedem Kanton etwas anderes gilt», zitierte ihn das Blatt.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.42%
Ja: 1'427'344 (51.2%) / Stände: 16 4/2
Nein: 1'360'750 (48.8%) / Stände: 4 2/2

Parolen:
– Ja: EDU, Lega, SD, SVP
– Nein: FDP (4*; Frauen: 1*; Jungfreisinnige: 2*), GLP, GP, KVP, Die Mitte (2*), PdA, SP; EKR, SSV, Travail.Suisse, VPOD, Schweizer Tourismus-Verband, EKS, SBK, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), Schweizerischer Rat der Religionen, Katholischer Frauenbund (SKF), Alliance F, Amnesty International, Operation Libero
– Stimmfreigabe: EVP (3*); Schweizerische Evangelische Allianz
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Mitte Januar 2021 startete mit Medienkonferenzen sowohl seitens des Initiativkomitees als auch des Bundesrats der Abstimmungskampf zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot». In den zwei darauffolgenden Monaten bis zum Abstimmungstermin am 7. März 2021 war das Thema Verhüllungsverbot in der Presse praktisch täglich präsent. Wie die Zeitungs- und Inserateanalyse zeigte, erhielt die Volksinitiative im angegebenen Zeitraum deutlich mehr Medienaufmerksamkeit als die beiden anderen Abstimmungsvorlagen vom 7. März, das E-ID-Gesetz und das Freihandelsabkommen mit Indonesien. Obgleich über das Verhüllungsverbot sehr viel debattiert wurde, gab es weder für noch gegen die Initiative eine nennenswerte Inseratekampagne. Dies ging mit einer komplexen Gemengelage in der intensiv geführten Debatte einher: Die Grenze zwischen dem befürwortenden und dem ablehnenden Lager war äusserst diffus; praktisch in jeder Partei oder gesellschaftlichen Gruppierung, die ihren Standpunkt kundtat, gab es gewichtige Stimmen, die sich für die jeweils gegnerische Seite starkmachten. Neben dem Egerkinger Komitee, das die Initiative lanciert hatte, und der SVP, die sie im Parlament unterstützt hatte, stand auf der Pro-Seite etwa auch ein Mitte-links-Komitee aus der Westschweiz, in dem sich unter anderen GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley (VD), der Genfer FDP-Grossrat Jean Romain, der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui und alt-CVP-Nationalrätin Marlyse Dormond Béguelin (VD) für das Verhüllungsverbot engagierten. Ferner warb ein überparteiliches Frauenkomitee um die Nationalrätinnen Marianne Binder-Keller (mitte, AG) und Monika Rüegger (svp, OW) sowie die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam Saïda Keller-Messahli für die Initiative. Für ein Nein plädierten indes alle grossen Parteien ausser der SVP – allerdings keineswegs geschlossen –, ein parlamentarisches Komitee unter der Federführung von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR), der Schweizer Tourismusverband, mehrere Frauenverbände und Frauenstreikkomitees sowie diverse Akteure, die sich selbst als liberal verstanden oder sich für die Religionsfreiheit einsetzten, darunter die Operation Libero, Amnesty International und verschiedene religiöse Organisationen. Die grossen Abwesenden im Abstimmungskampf waren die direkt Betroffenen, die Nikabträgerinnen selber. Wie der Tages-Anzeiger berichtete, lag das jedoch nicht daran, dass man sie nicht hätte zu Wort kommen lassen, sondern dass sie sich – abgesehen von zwei Interviews während der gesamten Kampagne – nicht äussern wollten. Nach gemäss eigenen Angaben monatelanger Suche blieb der Zeitung deshalb nichts als die Erkenntnis, «dass verhüllte Frauen in der Schweiz nicht nur Körper und Gesicht verstecken, sondern unsichtbar und stumm bleiben».

Argumentativ bewegte sich der Abstimmungskampf auf verschiedenen Ebenen, wobei die Befürwortenden und die Gegnerschaft über weite Strecken dieselben Punkte vorbrachten, sie aber unterschiedlich interpretierten und daher zu gegenteiligen Schlüssen kamen. Neben der Islamdebatte und der Grundrechtsdiskussion wurde von beiden Seiten aus feministischer, sicherheitspolitischer, staatspolitischer und empirischer Warte argumentiert. Wenngleich der Initiativtext keinen Bezug zur islamischen Gesichtsverschleierung herstellte, war beiden Seiten klar, dass sie sich vor allem gegen jene richtete. In der Presse war daher meist vom «Burkaverbot» oder von der «Anti-Burka-Initiative» die Rede, obwohl in der Schweiz – wenn überhaupt – ausschliesslich der Nikab zu sehen sei, wie eine im Abstimmungskampf viel zitierte Studie der Universität Luzern feststellte. Während das Contra-Lager die Initiative als anti-islamisch und diskriminierend gegenüber Musliminnen verstand, sah die Pro-Seite sie als Mittel zum Kampf gegen den radikalen Islam und den Islamismus. Die Religionsfreiheit der Musliminnen tangiere die Initiative nicht, weil die Verschleierung nicht vom Islam verlangt werde, sondern ein kultureller Ausdruck für die Unterdrückung der Frau sei; sie könne daher nicht als Ausübung der persönlichen Freiheit gewertet werden. Vielmehr sei die Vollverschleierung sexistisch und entwürdigend, weil sie die Frauen im öffentlichen Leben unsichtbar mache und entmenschliche. Die muslimischen Frauen müssten davor bewahrt werden, weil sie sich mit Gesichtsschleier nicht in die Schweizer Gesellschaft integrieren könnten. Die Gegenseite betonte, dass sich die Nikabträgerinnen in der Schweiz in der Regel aus religiöser Überzeugung freiwillig verschleierten und nicht befreit werden müssten – im Gegenteil: Soziologische Studien aus Frankreich zeigten, dass die Verschleierung von den strenggläubigen Musliminnen im westlichen Kulturkreis als antikonformistischer, emanzipatorischer Akt verstanden werde. In Frankreich habe das Verbot den Gesichtsschleier sogar populärer werden lassen, weil er jetzt auch als Ausdruck des Protests getragen werde. Zudem sei es sexistisch und paternalistisch, den Frauen vorzuschreiben, wie sie sich zu kleiden hätten und ihnen die freie Entscheidung für den Schleier nicht zuzutrauen. Falls eine Frau den Schleier tatsächlich unter Zwang trage, kriminalisiere das Verbot überdies das Opfer und wirke kontraproduktiv, indem es die betroffenen Frauen zuhause einsperre und erst recht aus der Gesellschaft ausschliesse. Dass es gemäss der Studie der Universität Luzern in der Schweiz nur 20 bis 30 vollverschleierte Frauen gebe, gab dem ablehnenden Lager Anlass, das Anliegen als unnötige Symbolpolitik zu bezeichnen. Für die Befürworterinnen und Befürworter war die Gesichtsverhüllung jedoch eine Prinzipienfrage und auch in noch so kleinen Zahlen nicht tolerierbar. Sie sahen sich im Motto «Wehret den Anfängen» bestärkt und forderten, jetzt zu handeln, solange es noch nicht zu spät sei.

Weiter hob die Pro-Seite hervor, dass die Identifizierbarkeit von Personen sicherheitsrelevant sei. Das Verhüllungsverbot schütze die Gesellschaft somit auch vor vermummten Kriminellen wie zum Beispiel Hooligans oder gewalttätigen Demonstrierenden. Dem setzte die Gegenseite entgegen, dass es in fünfzehn Kantonen bereits verboten sei, sich bei Demonstrationen und Sportveranstaltungen zu vermummen. (Als erster Kanton hatte Basel-Stadt 1990 ein solches Verbot eingeführt.) Ausserdem verhindere das Verhüllungsverbot – anders als von den Initianten schon bei der medienwirksamen Lancierung der Initiative suggeriert – keine Terroranschläge. Dafür brauche es strafrechtliche und präventiv-polizeiliche Massnahmen, denn allein durch ein Verhüllungsverbot würden radikalisierte Islamisten und Islamistinnen «nicht plötzlich zurück in die Mitte der Gesellschaft finden», wie es der «Sonntags-Blick» formulierte. In anderen Kontexten, etwa in winterlicher Kälte, an der Fasnacht oder in der Pandemiesituation, sei die Verhüllung zudem auch für die Initiantinnen und Initianten kein Problem, wie die im Initiativtext enthaltenen Ausnahmen zeigten.

Auf der staatspolitischen Ebene drehte sich die Diskussion um die Frage, ob das Verhüllungsverbot in die Bundesverfassung gehöre. Während die Contra-Seite es ablehnte, Kleidervorschriften in die Verfassung zu schreiben, sah das Pro-Lager dies als gerechtfertigt an, weil es eben nicht um eine blosse Kleidervorschrift gehe, sondern um einen Grundsatz der liberalen und demokratischen Gesellschaft: In der Öffentlichkeit das Gesicht zu zeigen und dasjenige des Gegenübers zu sehen, sei fundamental für das Zusammenleben. Diese Begründung hatte auch den EGMR von der menschenrechtlichen Zulässigkeit des Verhüllungsverbots in Frankreich überzeugt, als dieses in Strassburg vergeblich angefochten worden war. Darüber, ob die seit Monaten geltende Maskenpflicht aufgrund der Corona-Pandemie dieses Argument ad absurdum führe oder ob sie gerade beweise, dass es das Verhüllungsverbot für das Funktionieren der zwischenmenschlichen Beziehungen brauche, wurden sich die beiden Lager nicht einig. Derweil war das gegnerische Lager der Ansicht, es sei gerade höchst illiberal, etwas zu verbieten, das niemandem schade, nur weil es auf Ablehnung stosse. Auch der Bundesrat argumentierte hauptsächlich staatspolitisch: Ein nationales Verhüllungsverbot greife in die Souveränität der Kantone ein, denen die Polizeihoheit obliege. Das Tessin und St. Gallen hätten bereits ein Verhüllungsverbot eingeführt, während andere Kantone ein solches explizit abgelehnt hätten. Diese Entscheide seien zu respektieren. Die Befürwortendenseite argumentierte indessen, dass die Regelung einer solch fundamentalen gesellschaftlichen Frage nicht den Kantonen überlassen werden dürfe. Dass die Gesichtsverhüllung in vielen anderen europäischen Ländern – darunter Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Lettland und Österreich – und sogar einigen arabischen Staaten wie Ägypten, Marokko, Senegal oder Tunesien verboten – und im Falle von Frankreich das Verbot explizit vom EGMR als menschenrechtskonform bestätigt – sei, wertete die Pro-Seite als Zeichen der Legitimität ihres Anliegens. Sie betonte zudem die guten Erfahrungen, welche die Kantone Tessin und St. Gallen damit gemacht hätten. Weder im Tessin noch in den bei arabischen Gästen beliebten österreichischen Ferienorten habe sich das Verhüllungsverbot negativ auf den Tourismus ausgewirkt, wie es der Tourismusverband befürchtete. Die Contra-Seite hob hingegen hervor, dass im Tessin und in St. Gallen praktisch keine Verstösse gegen das Verbot registriert würden, was bestätige, dass es sich nur um ein Scheinproblem handle. In diesem Zusammenhang war in den Augen der Befürworterinnen und Befürworter auch Justizministerin Karin Keller-Sutter, die sich im Namen des Bundesrats gegen das Verhüllungsverbot aussprach, nicht glaubwürdig, weil sie in St. Gallen als ehemalige Polizeidirektorin genau ebendieses eingeführt habe. Gleichzeitig attestierten die Gegnerinnen und Gegner dem Egerkinger Komitee und der SVP ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil sie ihnen ihr Engagement für Frauenrechte nicht abkauften.

Neben der Initiative selbst sorgte auch der indirekte Gegenvorschlag, der bei Ablehnung der Initiative automatisch in Kraft treten würde, für einige Diskussionen. Die Initiativgegnerinnen und -gegner waren der Ansicht, der Gegenvorschlag regle mit der gesetzlichen Pflicht, zur Identifizierung vor Behörden das Gesicht zu zeigen, alles Nötige. Ausserdem leiste er – im Gegensatz zum Verhüllungsverbot – einen tatsächlichen Beitrag an die Stärkung der Frauenrechte und die bessere Integration von ausländischen Frauen in die Gesellschaft. Die Initianten argumentierten hingegen, der Gegenvorschlag löse das eigentliche Problem nicht und wer keine «Gleichstellungsoffensive» («Weltwoche») wolle, müsse mit der Annahme der Initiative den Gegenvorschlag verhindern.

Die durchgeführten Umfragen attestierten der Initiative von Anfang an gute Chancen. Nachdem Ende Januar eine klare Ja-Mehrheit von 63 Prozent (Tamedia) bzw. 56 Prozent (SRF) resultiert hatte, legte die Nein-Kampagne im Folgenden etwas zu. Zwei Wochen vor der Abstimmung bekundeten noch 59 bzw. 49 Prozent der Befragten eine Ja-Stimmabsicht. Während die Parteibasis der SVP durchwegs zu rund 90 Prozent ja stimmen wollte, zeigten sich die Anhängerschaften von FDP, Mitte und GLP gespalten – hier konnte das Nein-Lager im Verlauf der Kampagne Boden gutmachen. Auch im linken Lager traf das Anliegen immerhin bei rund 30 Prozent der Befragten auf Wohlwollen.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Im März 2021 publizierte der Bundesrat die umfassende Botschaft zur Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit), des Eurodac-Protokolls, des Abkommens mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus.
Mithilfe dieser Fülle an Abkommen wollte der Bundesrat der grenzüberschreitenden Kriminalität durch eine vertiefte internationale Zusammenarbeit begegnen. Herzstück der Unternehmung war das Prümer Abkommen mit der EU. Dabei handelt es sich nicht um eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands, weshalb die Schweiz ein separates Assoziierungsabkommen mit der EU abschliessen musste. Bisher mussten Schweizer Ermittlungsbehörden für einen Abgleich von DNA-Profilen, Fingerabdrücken oder Fahrzeughalterdaten via Interpol alle Länder einzeln kontaktieren, was sehr aufwändig und langwierig war. Durch das Abkommen sollten sich derartige Abfragen erheblich vereinfachen, da die schweizerischen Informationssysteme direkt mit denen anderer europäischer Staaten vernetzt werden könnten.
Das Eurodac-Protokoll zwischen der Schweiz und der EU wiederum regelt die Nutzung der Eurodac-Datenbank, welche Fingerabdruckdaten von Asylsuchenden aus Drittstaaten beinhaltet. Die Umsetzung des Prümer Abkommens gilt dabei als Voraussetzung für die Inkraftsetzung des Eurodac-Protokolls, weshalb die beiden Vorlagen gemeinsam behandelt werden. Durch die Unterzeichnung des Protokolls erhalten schweizerische Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die Datenbank, aber nur in Fällen schwerwiegender Straftaten oder bei Verdacht auf einen terroristischen Hintergrund.
Parallel zur technischen Umsetzung des Prümer Abkommens soll auch das PCSC-Abkommen (Cooperation in Preventing and combating Serious Crime) mit den USA in Kraft treten. Dieses verfolgt inhaltlich ähnliche Ziele, ist jedoch auf den Austausch von DNA- und Fingerabdruckdaten beschränkt. Die Umsetzung des PCSC-Abkommens war zudem eine Bedingung dafür, dass die Schweiz weiterhin am Visa Waiver Programm – welches maximal neunzigtägige, visumsfreie Aufenthalte in den USA ermöglicht – teilnehmen konnte.
Da die drei Abkommen technische und juristische Gemeinsamkeiten aufweisen, wurden sie im politischen Prozess und bei der technischen Umsetzung parallel unter dem Begriff «Programm Prüm Plus» geführt. Im Rahmen dieser Dossiers sollten finanzielle Verpflichtungen für Informatik-Investitionen über das Voranschlagsjahr 2022 hinaus eingegangen werden, weshalb der Bundesrat dem Parlament einen Verpflichtungskredit über CHF 11 Mio. vorlegte.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus

Mitte Januar 2021 reichte das Referendumskomitee gegen das PMT-Gesetz, bestehend aus der Jungen GLP, den Jungen Grünen, den Juso und der Piratenpartei, rund 87'800 Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Weitere etwa 55'000 Unterschriften steuerte der coronamassnahmenkritische Verein «Freunde der Verfassung» bei. Insgesamt zählte das Referendum gegen die PMT-Vorlage somit ungefähr 142'800 eingereichte Unterschriften. Die «Freunde der Verfassung» hatten sich Medienberichten zufolge erst im Dezember 2020, als das von ihnen angeführte Referendum gegen das Covid-19-Gesetz auf sichtlich gutem Weg war, entschieden, sich auch gegen die polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung zu engagieren. Vorstandsmitglied Michael Bubendorf erklärte gegenüber dem Tages-Anzeiger, man wolle auch hier gegen den Staat vorgehen, der die Freiheit der Bürger einschränke. Wie die Koordinatorin des Referendumskomitees Sanija Ameti (jglp) derselben Zeitung gestand, war die unverhoffte Unterstützung für das Komitee «wie ein Weihnachtswunder» gekommen – zu einem Zeitpunkt, als das Komitee mit 18'000 gesammelten Unterschriften so weit vom Ziel entfernt war, dass es darüber nachdachte, die Sammlung abzubrechen. Infolgedessen habe auch bei den Jungparteien ein «eigentlicher Unterschriftenboom» eingesetzt, berichtete die Aargauer Zeitung. Dennoch distanzierten sich die Jungparteien öffentlich von den «Freunden der Verfassung» und lehnten eine Zusammenarbeit aufgrund der grossen politischen Differenzen ab. So kam es, dass die beiden Organisationen ihre Unterschriften schliesslich getrennt voneinander einreichten. Anfang März bestätigte die Bundeskanzlei offiziell das Zustandekommen des Referendums mit 76'926 gültigen Unterschriften. Aufgrund der Corona-Pandemie hatte die Bundeskanzlei nur einen Teil der eingereichten Unterschriften bescheinigen lassen. Als Abstimmungstermin wurde der 13. Juni 2021 festgelegt.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Die Mehrheit der vorberatenden SiK-SR beantragte ihrem Rat im Frühjahr 2021, die Motion der SVP-Fraktion für eine Sicherheitshaft für Dschihad-Rückkehrer und -Rückkehrerinnen abzulehnen, weil die Motion, so Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) «den Boden des Rechtsstaates» verlasse. Eine präventive Inhaftierung aufgrund blosser Hinweise und ohne dringenden Tatverdacht sei auch mit der EMRK nicht vereinbar, wie die Diskussion um die Präventivhaft im Rahmen der PMT-Vorlage bereits gezeigt habe. Eine Minderheit Salzmann (svp, BE)/Minder (parteilos, SH) beantragte dennoch die Annahme der Motion, weil sich die Situation seit der Verabschiedung des PMT-Gesetzes im September 2020 «massiv verändert» habe; mit der Messerattacke von Morges sei «der Terror [...] in der Schweiz angekommen», so Werner Salzmann. Mit 37 zu 5 Stimmen folgte die Ständekammer ihrer Kommissionsmehrheit und lehnte die Motion ab. Bundesrätin Karin Keller-Sutter wies darauf hin, dass bei einem konkreten Verdacht bereits heute eine Untersuchungshaft angeordnet werden könne. Zudem würden mit den im PMT-Gesetz vorgesehenen Massnahmen – über welche die Stimmbevölkerung im Sommer 2021 abstimmen wird – die gesetzlichen Möglichkeiten ausreichen, um mit terroristischen Gefährderinnen und Gefährdern angemessen umzugehen.

Sicherheitshaft für Dschihad-Rückkehrer (Mo. 19.3034)

D'après les conclusions du rapport final de l'exercice du Réseau national de sécurité (RNS) 2019, une menace terroriste peut être maîtrisée sur le territoire au niveau opérationnel. Les faiblesses observées lors de l'exercice ont été traduites en 15 recommandations destinées à la Confédération, à la Conférence cantonale des directrices et directeurs de justice et police (CCDJ), à la Conférence gouvernementale des affaires militaires, à la protection civile et aux sapeurs-pompiers. Huit d'entre-elles seront mises en œuvre par la Confédération; les cantons appliqueront celles dont la compétence leur revient. Les enseignements tirés de l'exercice et de la gestion de la crise du Covid-19 seront considérés lors de la planification des prochains grands exercices présentée au Conseil fédéral d'ici l'été 2021.

Sicherheitsverbund Schweiz Übung
Dossier: Sicherheitsverbund Schweiz (SVS)