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Den Strafverfolgungsbehörden sollen zur Bekämpfung von terroristischen Organisationen im Sinne des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen „Al-Qaïda“ und „Islamischer Staat“ sowie verwandter Organisationen die gleichen Mittel zur Verfügung gestellt werden wie zur Verfolgung krimineller Organisationen im Sinne von Art. 260ter StGB. Die dazu notwendige Ausweitung der sogenannten kleinen Kronzeugenregelung auf terroristische Organisationen fordert eine Motion der RK-NR, welche damit diese Frage von jener nach der Einführung einer umfassenden Kronzeugenregelung separiert hat. Nachdem der Nationalrat die Motion im Sommer 2017 angenommen hatte, stimmte ihr im Herbst 2017 auch der Ständerat stillschweigend zu.

Einführung einer Kronzeugenregelung (Mo. 16.3735 und 17.3264)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Im Juni 2017 schickte der Bundesrat die Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität in die Vernehmlassung, die unter anderem das Übereinkommen und das Zusatzprotokoll des Europarats zur Verhütung des Terrorismus im Schweizer Recht umsetzen wird. Zusammen mit der Vorlage zu präventiven polizeilichen Massnahmen und dem Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus, der Präventionsmassnahmen in allen Gesellschaftsbereichen beinhaltet, bildete die vorliegende Anpassung des Strafrechts die Grundlage, damit Justiz und Polizei die Gefahr eines terroristischen Anschlags in der Schweiz besser vermindern können.
Mit dem Entwurf wollte der Bundesrat erstens das Verbot, Terroristinnen und Terroristen anzuwerben und auszubilden sowie Reisen mit dem Ziel einer terroristischen Straftat – sogenannte Dschihadreisen – anzutreten, das bisher im befristeten Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen verankert war, in Form einer neuen Strafbestimmung ins ständige Recht überführen. Zweitens sollte in Erfüllung der Motion 15.3008 die Bestimmung gegen organisierte Kriminalität (Art. 260ter StGB), die bisher vor allem gegen mafiöse Organisationen gerichtet war, auch auf terroristische Organisationen zugeschnitten werden, indem die Kriterien für das Vorliegen einer kriminellen bzw. terroristischen Organisation angepasst werden. Damit einhergehen sollte auch eine Erhöhung des entsprechenden Strafmasses von aktuell fünf auf neu maximal zwanzig Jahre Freiheitsstrafe. Drittens sollte das Organisationsverbot von Art. 74 NDG so angepasst werden, dass die Strafandrohung mit jener des befristeten Bundesgesetzes über das Verbot von «Al-Qaïda» und dem «Islamischen Staat» übereinstimmt und die Strafverfolgung in die Zuständigkeit des Bundes gelegt wird. Viertes Ziel war die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit in der Rechtshilfe und bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. So wollte der Bundesrat einerseits die internationale Rechtshilfe beschleunigen, indem unter gewissen Voraussetzungen eine vorzeitige Übermittlung von Informationen und Beweismitteln – d.h. ohne dass die betroffene Person informiert wird und damit Beschwerde erheben könnte – ermöglicht werden sollte. Ausserdem sollte die Einsetzung gemeinsamer Ermittlungsgruppen im Rechtshilfegesetz geregelt werden. Andererseits wollte er die Kompetenzen der Meldestelle für Geldwäscherei dahingehend erweitern, dass sie auch ausländische Informationen über kriminelle Gelder verarbeiten darf, ohne dass eine Verdachtsmeldung von der betroffenen Schweizer Bank vorliegen muss.
Neu sollte bereits die Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Organisation, und zwar ohne Zusammenhang zu einer innerhalb der Organisation begangenen Straftat, unter Strafe gestellt werden. Die ideologische Unterstützung oder die blosse Zugehörigkeit zu einer kriminellen oder terroristischen Organisation, wie von den kantonalen Strafverfolgungsbehörden und der Bundesanwaltschaft gefordert, wollte der Bundesrat dagegen nicht verbieten. Die Regierung lehne ein Gesinnungsstrafrecht ab, wurde Justizministerin Simonetta Sommaruga in der Presse zitiert. Dennoch sei die Botschaft klar, so Sommaruga weiter: «Die Schweiz ist kein sicherer Hafen für Terroristen und ihre Unterstützer.»

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Au mois de juin 2017, les deux chambres du Parlement ont pris acte du rapport établi par la Délégation parlementaire auprès du Conseil de l'Europe pour l'année 2016.
Outre les questions en lien avec les domaines de l'asile, de la crise migratoire ou du terrorisme international, la situation en Turquie a, durant l'année sous revue, tout particulièrement préoccupé le Conseil de l'Europe. S'est alors posée la question de savoir si certaines des évolutions prônées par la Turquie sur des thématiques telles que la liberté de la presse, le respect de l'Etat de droit ou celui des droits de l'homme, notamment à la suite de la tentative de coup d'Etat de juillet 2016, étaient en adéquation avec les engagements souscrits par le pays auprès du Conseil de l'Europe. Jusqu'à présent, aucune sanction n'a été décidée à l'égard de la délégation turque. En revanche, en raison de l'attitude de la Russie dans le conflit qui l'oppose à l'Ukraine, le droit de vote de la délégation russe a lui été suspendu, occasionnant le départ des représentants de la Fédération de Russie de l'Assemblée parlementaire du Conseil de l'Europe (APCE).
L'image de l'institution en question a par ailleurs été considérablement écornée par différents soupçons de corruption. Le dernier scandale en date concerne Pedro Agramunt, président de l'APCE depuis 2016. Il est reproché à l'Espagnol de s'être rendu à Damas au moyen d'un avion gouvernemental russe, un fait qui entache la crédibilité de l'Assemblée, notamment au regard des valeurs fondatrices du Conseil de l'Europe que sont la démocratie, l'Etat de droit et la défense des droits de l'Homme. Suite à la controverse, la Commission du règlement, des immunités et des affaires institutionnelles de l'APCE, présidée par Liliane Maury Pasquier (ps, GE), a formulé une résolution allant dans le sens d'une modification du règlement, afin d'octroyer à l'Assemblée parlementaire la possibilité de destituer son président.
A ce propos, Elisabeth Schneider-Schneiter (pdc, BL), également membre de la délégation parlementaire helvétique, a laissé entendre, dans les colonnes du SonntagsBlick, que Pedro Agramunt serait très probablement destitué lors de la session parlementaire du 9 octobre prochain.

Délégation parlementaire auprès du Conseil de l'Europe. Rapport
Dossier: Berichte der Parlamentarierdelegation beim Europarat

In einem Bericht soll der Bundesrat mögliche Verbesserungen der Ausschaffungsprozesse und beim Schutz vor Gefährdern, die nicht ausgeschafft werden können, aufzeigen. Stillschweigend überwies der Ständerat in der Sommersession 2017 ein entsprechendes Postulat Müller (fdp, LU). Der Bundesrat hatte die Annahme des Postulats beantragt, da er sich mit den aufgeworfenen Fragen im Gesetzgebungsprojekt zu den präventiv-polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung befasse.

Verbesserungen der Ausschaffungsprozesse und Schutz vor Gefährdern (Po. 17.3044)
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse

Nachdem der Ständerat die Motion Janiak (sp, BL) zur Einführung einer Kronzeugenregelung Ende 2016 angenommen hatte, befasste sich die Rechtskommission des Nationalrates mit der Thematik und führte eine sorgfältige Abwägung im Interessenkonflikt zwischen effizienter Strafverfolgung und der Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien, insbesondere des Rechtsgleichheitsgebots, durch. Als klarer Vorteil einer Kronzeugenregelung nannte sie die Möglichkeit, mithilfe von Insiderwissen ganze Verbrechensstrukturen zu zerschlagen. Geständige Täter könnten eher zur Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden bewegt werden, wenn ihnen die Belohnung für ihre Kooperation in Form von Strafmilderung oder Straffreiheit bereits in einem frühen Verfahrensstadium zugesichert werden könnte und nicht erst nachträglich vor Gericht. Die Kehrseite dieser Medaille sei jedoch, dass dadurch ein Anreiz zu interessant klingenden Falschaussagen geboten werde, um einen möglichst guten „Deal“ mit den Strafverfolgungsbehörden zu erreichen. Wenn die Strafverfolgungsbehörde eine Strafmilderung oder Straffreiheit zuspricht, muss sich das Gericht daran halten, was das Gericht in seinem Ermessensspielraum einschränkt und eventuell sogar eine rechtsgleiche Bestrafung von vergleichbaren Sachverhalten verhindern kann. Die Mehrheit der RK-NR gewichtete die möglichen Vorteile in der Strafverfolgung jedoch höher als die Einwände und beantragte die Motion zur Annahme. Gleichzeitig reichte sie eine Kommissionsmotion (17.3264) ein mit der Forderung, die heute in Art. 260ter Ziff. 2 StGB bestehende sogenannte kleine Kronzeugenregelung auf Mitglieder terroristischer Organisationen im Sinne des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen „Al-Qaïda“ und „Islamischer Staat“ sowie verwandter Organisationen auszudehnen. Diese mögliche Massnahme hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Motion ins Spiel gebracht und ausdrücklich befürwortet, während er der Einführung einer umfassenden Kronzeugenregelung skeptisch gegenübergestanden hatte. So beantragte der Bundesrat dem Nationalrat die Kommissionsmotion zur Annahme, während er und eine Minderheit der RK-NR die Motion Janiak zur Ablehnung empfahlen. In der Sommersession 2017 lehnte der Nationalrat die Motion Janiak mit 108 zu 72 Stimmen ab und nahm die Motion seiner Rechtskommission stillschweigend an.

Einführung einer Kronzeugenregelung (Mo. 16.3735 und 17.3264)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

In der Frühjahrssession 2017 nahm der Ständerat als Erstrat eine Motion Jositsch (sp, ZH) zum Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt an. Die Motion verlangt, der Bundesrat solle gemeinsam mit den Kantonen aufzeigen, durch welche weitergehenden Massnahmen religiöse Gemeinschaften, die der Gefahr von terroristischer und extremistischer Gewalt besonders stark ausgesetzt sind, besser geschützt werden können und welche gesetzlichen Grundlagen dafür vonnöten wären. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt; er sei sich der besonderen Bedrohung einiger religiöser Gemeinschaften und Minderheiten – insbesondere der jüdischen Gemeinschaften und deren Einrichtungen durch islamistischen Terror – bewusst und begrüsse eine verstärkte Zusammenarbeit zu deren Schutz.

Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt (Mo. 16.3945)

Die Motion Romano (cvp, TI), welche die Aberkennung des Schweizer Bürgerrechts bei Dschihadisten mit Doppelbürgerschaft forderte, scheiterte im Frühjahr 2017 im Ständerat. Die kleine Kammer folgte mit 30 zu 12 Stimmen dem Antrag ihrer Staatspolitischen Kommission. Als Argument wurde angeführt, dass eine Ausbürgerung aufgrund von Terrorismus sowohl im geltenden als auch im revidierten Bürgerrechtsgesetz vorgesehen ist; im vergangenen Jahr hatten die Behörden auch ein Ausbürgerungsverfahren gegen einen Dschihad-Reisenden angestrebt. Der Ständerat ging damit seinen im letzten Sommer eingeschlagenen Weg konsequent weiter, als er einer ähnlichen, aber weniger weit gehenden parlamentarischen Initiative Brunner (svp, SG) keine Folge gegeben hatte.

Aberkennung des Schweizer Bürgerrechts bei Dschihadisten mit Doppelbürgerschaft (Mo. 14.3705)
Dossier: Ausbürgerung von Dschihadisten

Im Jahr 2016 rückten Dschihad-Reisende wiederholt in den Fokus der Medien. Laut dem NDB kehrte im Jahr 2016 eine Person nach ihrer Ausreise in ein dschihadistisches Kampfgebiet in die Schweiz zurück. Dazu kommen mindestens drei Personen, welche kurz vor bzw. nach ihrer Abreise nach Syrien zum Islamischen Staat (IS) angehalten wurden. Zudem wurden 2016 laut Medienberichten strafrechtliche Verfahren gegen vier zurückgekehrte Dschihad-Reisende aufgenommen. Im Fall einer Person wurde das erste rechtskräftige Urteil wegen einer Dschihad-Reise gesprochen. Zu Beginn des Jahres 2016 hallte in den Medien überdies die Heimkehr zweier Winterthurer Jugendlicher aus dem syrischen Kampfgebiet nach.
Dschihad-Rückkehrende und die Gefahren, die von ihnen ausgehen können, wurden auch im Lagebericht des NDB und im Bericht zur Sicherheitspolitik des Bundesrats thematisiert. Insbesondere der Lagebericht des NDB stiess auf grosses mediales Interesse. In der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des NDB-Berichts prognostizierte Markus Seiler, Direktor des NDB, dass bei den Ausreisen Richtung dschihadistisches Kampfgebiet ein Plafond erreicht worden sein könnte, während Dschihad-Rückkehrer und -Rückkehrerinnen eine der relevantesten Bedrohungen für die Sicherheit der Schweiz darstellten. Letztere könnten laut dem NDB an der Planung und Durchführung von Attentaten in der Schweiz oder im Ausland beteiligt sein oder mit ihren Erlebnisberichten neue Mitglieder für den IS rekrutieren.

Angesichts dieser Geschehnisse waren auch die gesetzlichen Grundlagen zum Umgang mit potenziellen, ausgereisten oder zurückgekehrten Dschihad-Reisenden Gegenstand der öffentlichen Debatte. Diskutiert wurden drei Hauptaspekte: die Prävention von Ausreisen beziehungsweise Einreisen, die strafrechtliche Verurteilung von Ausgereisten und die Wiedereingliederung von Zurückgekehrten in die Gesellschaft.
Die Sonntagszeitung erachtete die Lage bezüglich präventiver Massnahmen im Dezember 2016 als unzureichend. So würden beispielsweise die beiden jungen Männer aus Genf, welche im Sommer 2016 von der Polizei wegen dschihadistisch motivierter Ausreise angehalten wurden, zeigen, dass die bestehenden präventiven Strukturen nur bedingt greifen. Die beiden Männer seien beide bereits zuvor polizeilich bekannt gewesen und kurz vor ihrer Abreise von der Polizei vorgeladen worden. In beiden Fällen sei kurz darauf die Ausreise erfolgt. Um solche Ausreisen in dschihadistische Kampfgebiete zu verhindern, sei laut dem Tages-Anzeiger beispielsweise eine regelmässige Meldepflicht bei der Polizei oder das Sperren von Reisedokumenten denkbar. Dabei merkten die Medien jedoch auch an, dass Ausreisesperren Grundrechte verletzen können und in jedem Fall auch Möglichkeiten für Beschwerden und die Berücksichtigung individueller Bedingungen der potenziellen Dschihadreisenden bestehen müssen.
Im Parlament wurde eine Motion für eine gesetzliche Grundlage für eine Ausreisesperre für Dschihadisten und Dschihadistinnen abgelehnt. Bundesrätin Sommaruga verwies dabei aber darauf, dass alternative Präventionsmassnahmen ausgearbeitet würden.
Neben der Ausreise sollte auch die Einreise von Dschihadisten und Dschihadistinnen verhindert werden. So wurde im Verlauf des Jahres gegen 26 Personen mit Bezug zum Dschihad ein Einreiseverbot in die Schweiz verhängt. Medial und politisch kontrovers diskutiert wurde in diesem Zusammenhang die Frage, ob Doppelbürgern und Doppelbürgerinnen, welche für eine fremde Armee oder eine armeeähnliche, ideologisch motivierte Gruppierung gekämpft haben, die Schweizer Staatsbürgerschaft entzogen werden soll.
Die präventive Überwachung und strafrechtliche Verfolgung von Dschihadisten und Dschihadistinnen rückte im Rahmen der Abstimmung zum neuen Nachrichtendienstgesetz im September 2016 in den Fokus. Bundesrat Parmelin warb zum Beispiel an der Pressekonferenz zum Lagebericht des NBD für die Annahme der Vorlage. Ebenso wurden die Möglichkeiten zur besseren Überwachung von potenziellen Dschihadisten und Dschihadistinnen wiederholt als Pro-Argument für das Nachrichtendienstgesetz genannt. Nach der Annahme des Gesetzes an der Urne wurde die Kompetenz, ausreisende, ausgereiste oder zurückgekehrte Dschihadistinnen und Dschihadisten verdeckt im Schengener Informationssystem auszuschreiben, zusätzlich auf das Fedpol ausgeweitet. Das Nachrichtendienstgesetz hatte diese Kompetenz nur dem NDB erteilt.

Gegen die tatsächlich zurückgekehrten Dschihadisten und Dschihadistinnen wurde bisher in jedem Fall ein Strafverfahren eröffnet. Basis dafür war das dringliche Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen Al-Qaïda, Islamischer Staat sowie verwandter Organisationen. Erfahrung in der Verurteilung von Dschihadisten und Dschihadistinnen hatte die Bundesanwaltschaft jedoch fast keine. Während zwar rund sechzig Verfahren wegen Verstosses gegen das Verbot von Al-Qaïda und IS offen waren, kam es erst im Juli 2016 zu einer ersten Verurteilung durch das Bundesstrafgericht: Ein 26-Jähriger wurde zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Das Urteil war laut Le Temps und NZZ wegweisend: Einerseits sei das Verbot der Gruppierungen Al-Qaïda und IS erstmals angewandt worden. Andererseits wurde der Angeklagte bereits vor seiner Ausreise in die Türkei verhaftet und in der Folge angeklagt; somit sei die «deutliche Absicht» – wie sie das Gericht feststellte –, sich in das dschihadistische Kriegsgebiet zu begeben, ausreichend, um entsprechend dem dringlichen Bundesgesetz verurteilt zu werden. Trotz dieser ersten Verurteilung eines Dschihad-Reisenden wurden verschiedene Stimmen für eine Verschärfung und Überarbeitung der Terrorismusstrafnorm laut, welche das 2018 auslaufende dringliche Bundesgesetz ablösen sollte.

Neben Prävention und strafrechtlicher Verfolgung nahm der Aspekt der Resozialisierung der Dschihad-Rückkehrer und -Rückkehrerinnen einen zentralen Platz in der öffentlichen Debatte ein. So wurden zu Beginn des Jahres in der NZZ «Konzepte für die Reintegration der Rückkehrer abseits des Strafrechts» gefordert. Für die gesellschaftliche Wiedereingliederung von Dschihad-Reisenden gebe es gemäss der NZZ keine ausreichenden interkantonalen und bereichsübergreifenden Strukturen. Medien, Experten und Expertinnen sowie die operative Koordination TETRA des Fedpol, welche sich brereichsübergreifend mit dem Tracking von Terroristinnen und Terroristen befasst, forderten die Schaffung eines schweizweiten Kompetenzzentrums für die Deradikalisierung und Resozialisierung von Dschihadisten und Dschihadistinnen. Eine solche Kooperation zwischen Strafbehörden und Fachstellen, die beispielsweise psychologische oder soziale Betreuungsangebote bieten würde, wurde vorerst aber nicht eingerichtet. Einzig auf kantonaler Ebene gab es laut der NZZ bereits verschiedene Fachstellen, die Präventions- und Resozialisierungsarbeit leisteten.

Dschihad-Reisende und -Rückkehrende

Im Ständerat wurde die Motion Glanzmann-Hunkeler mit der Forderung, eine Ausreisesperre für potenzielle Dschihad-Touristen im BWIS zu verankern, im Dezember 2016 stillschweigend abgelehnt. Die vorberatende Kommission hatte ebenfalls einstimmig die Ablehnung beantragt und dabei vier Gründe ins Feld geführt: Eine Ausreisesperre allein könne erstens nicht die Lösung des Problems sein und zweitens müsste der Vollzug einer solchen Sperre zuerst mit den Kantonen abgeklärt werden. Drittens sei die Ausreisesperre ein Grundrechtseingriff und das Recht auf Ausreise im UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte völkerrechtlich geschützt, was klare prozessuale Regeln, Beschwerdemöglichkeiten und die Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips unabdingbar macht. Viertens sei die Verankerung im BWIS nicht zielführend, da dieses mit dem Inkrafttreten des neuen Nachrichtendienstgesetzes bald grossteils ausser Kraft gesetzt werde. Bundesrätin Sommaruga versicherte noch einmal, man arbeite an einer Lösung und setze dabei vor allem auf eine Meldepflicht und eine Reisedokumentensperre sowie Deradikalisierungsprogramme.

Ausreisesperre für potenzielle Dschihad-Touristen (Mo. 14.3711)

Die Einführung einer Kronzeugenregelung im Schweizer Strafrecht war das Ziel einer Motion Janiak (sp, BL), mit welcher sich der Ständerat im Dezember 2016 befasste. Janiak war mit dem Vorstoss dem von der Bundesanwaltschaft in ihrem Tätigkeitsbericht 2015 geäusserten Wunsch nachgekommen, der Gesetzgeber möge sich mit der Idee einer Kronzeugenregelung für die Schweiz auseinandersetzen. Das Schweizer Strafgesetzbuch kennt heute für den Straftatbestand der kriminellen Organisation die sogenannte kleine Kronzeugenregelung. Dies bedeutet, dass das Gericht Mitgliedern krimineller Organisationen für ihre Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden eine Strafmilderung nach freiem Ermessen zusprechen kann. Für Personen, die durch ihre Mitwirkung in einem Strafverfahren gefährdet sind, sind ausserdem Zeugenschutzprogramme im Sinne des Bundesgesetzes über den ausserprozessualen Zeugenschutz vorgesehen. Die bestehenden Instrumente der Strafverfolgung reichten nach Ansicht des Motionärs für die wirksame Bekämpfung von mafiösen und terroristischen Organisationen aber nicht aus, was sich zuletzt auch bei den Thurgauer Mafia-Fällen gezeigt habe. Darüber hinaus sei der Dienst ÜPF auch mit dem revidierten BÜPF nur sehr eingeschränkt in der Lage, die Kommunikation von kriminellen Organisationen zu überwachen, da sich diese verschlüsselter Kommunikationsmittel bedienten, die so sicher seien, dass selbst der Anbieter die übermittelten Informationen nicht entschlüsseln könne. Der Kronzeuge habe als Insider jedoch das notwendige Wissen, um solche intransparenten Strukturen aufzubrechen, und sei daher ein unabdingbares Mittel zur Bekämpfung krimineller und terroristischer Organisationen, argumentierte der Motionär. Sein Parteikollege Daniel Jositsch (sp, ZH) betonte hingegen die Fehleranfälligkeit von Kronzeugenaussagen und äusserte rechtsstaatliche Bedenken. In der offenen Formulierung der Motion – sie schlägt keine konkreten Massnahmen vor – sah die Ständekammer jedoch auch eine Chance, die Vorteile und Probleme einer solchen Regelung eingehend zu diskutieren. Aus diesem Grund nahm sie die Motion entgegen der bundesrätlichen Empfehlung mit 23 zu 11 Stimmen bei 4 Enthaltungen an.

Einführung einer Kronzeugenregelung (Mo. 16.3735 und 17.3264)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Die Stimmbeteiligung lag bei der Abstimmung zum Nachrichtendienstgesetz mit knapp 43 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre, wie die VOTO-Studie zum Urnengang vom 25. September 2016 aufzeigte. Im Gegensatz etwa zu den Abstimmungen vom 28. Februar 2016, als unter anderem die Entscheidung zur Durchsetzungsinitiative gefällt wurde, habe dem Abstimmungssonntag im Herbst ein «Mobilisierungmotor» gefehlt, stellten die Autoren fest. Selbst von den nach eigenen Angaben fast immer Teilnehmenden waren im September 2016 nur rund drei Viertel an die Urne gegangen, obwohl drei von vier befragten Stimmenden sowohl dem NDG als auch der gleichzeitig dem Volk vorgelegten «AHVplus»-Initiative eine hohe persönliche Bedeutung beimassen.
Die Parteiparolen hatten eigentlich auf einen klassischen Links-Rechts-Konflikt hingedeutet; einen solchen konnte die Studie im Stimmverhalten jedoch nicht nachzeichnen. Während bei denjenigen Befragten, die sich selbst links aussen einstuften, nur rund ein Drittel dem NDG zustimmte, erreichte die Vorlage im gemässigt-linken Lager bereits 60 Prozent Zustimmung. Bei den grösseren Parteien stimmte nur die Anhängerschaft der Grünen mehrheitlich (61%) gegen das NDG. Von den SP-Sympathisantinnen und -Sympathisanten legten hingegen 57 Prozent ein Ja in die Urne, womit nur eine Minderheit der Basis der Parteiparole folgte. Bei der GLP, die sich schon im Vorfeld tief gespalten gezeigt und daher Stimmfreigabe beschlossen hatte, stimmten rund zwei Drittel der Anhängerschaft Ja. Die höchste Zustimmung erreichte die Vorlage mit einem Ja-Anteil von 86 Prozent bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der CVP. Bei der FDP und der SVP sprachen sich je rund drei Viertel der Anhängerinnen und Anhänger für das NDG aus, womit das Gesetz mit 65.5 Prozent insgesamt fast eine Zweidrittelmehrheit in der Stimmbevölkerung erreichte.
Jüngere sprachen sich häufiger gegen das Gesetz aus als Ältere. Bei den Unter-40-Jährigen erzielte die Vorlage keine Ja-Mehrheit, wohingegen die Über-70-Jährigen zu fast 80 Prozent zustimmten. Unabhängig vom Alter stimmten auch internetaffine Personen eher Nein als solche, die das Internet weniger nutzen. In Zusammenhang mit dem Stimmentscheid standen ausserdem das Vertrauen in die Regierung und die Haltung zur Armee, wobei ein höheres Regierungsvertrauen und eine positivere Haltung zur Armee mit einer wahrscheinlicheren Zustimmung zum NDG einhergingen. Des Weiteren stimmten jene, denen der Entscheid leicht gefallen war, häufiger Ja als jene, die sich mit dem Stimmentscheid schwer taten. Dies deuteten die Autoren dahingehend, dass einerseits die Befürworterinnen und Befürworter von ihrer Sache überzeugter waren und weniger zweifelten als die Gegnerinnen und Gegner und/oder dass sich andererseits die Unentschlossenen im Zweifelsfall eher für den Status quo entschieden als für das neue Gesetz.
Das dominierende Motiv für die Zustimmung zum NDG war der Bezug auf die aktuelle Sicherheitslage, in der es das NDG brauche. 80 Prozent der Ja-Stimmenden begründeten ihren Stimmentscheid damit. Andere Motive, etwa dass man als unbescholtener Bürger oder unbescholtene Bürgerin vom NDG nichts zu befürchten habe, wurden demgegenüber nur selten genannt. Für die Nein-Stimmenden gab primär der starke Eingriff in die Grundrechte den Ausschlag, der von über der Hälfte der Nein-Stimmenden als Motiv angegeben wurde. Am zweitmeisten genannt wurde als Motiv für ein Nein die Wahrnehmung, dass das Gesetz ineffektiv oder unnötig sei, weil es keine Terroranschläge verhindere. Explizit Bezug auf einen neuen Fichenskandal oder einen Überwachungsstaat nahmen unterdessen nur wenige und 9 Prozent der Nein-Stimmenden konnten ihren Entscheid nicht begründen (gegenüber 4% der Ja-Stimmenden).
Sehr grossen Anklang in der Stimmbevölkerung fand das Argument, dass die Schweiz für den Kampf gegen den Terrorismus einen starken Nachrichtendienst brauche. Während die Ja-Stimmenden diesem Argument fast einhellig beipflichteten, zeigte sich auch eine Mehrheit der Nein-Stimmenden damit einverstanden. Die Ja-Stimmenden fanden indes grossmehrheitlich auch, dass man für die Sicherheit gewisse Einschränkungen der persönlichen Freiheit in Kauf nehmen müsse, was die Nein-Stimmenden mehrheitlich ablehnten. Eine knappe Mehrheit aller Stimmenden – damit auch fast die Hälfte der Ja-Stimmenden – hielt zudem nach einer Annahme des NDG Massenüberwachungen ohne klare Verdachtsmomente für möglich. Die noch grössere Resonanz erzeugte bei den Nein-Stimmenden aber das Argument, dass die Schweiz bereits über die nötigen rechtlichen Mittel zur Terrorismusbekämpfung verfüge.
Die Zustimmung zum NDG sei somit vor allem ein Entscheid für mehr Sicherheit gewesen, für die man nötigenfalls auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit hinzunehmen bereit sei, bilanzierten die Autoren.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Mit 8 zu 4 Stimmen lehnte die SiK-SR im November 2016 die Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung ab. Die bestehenden rechtlichen Grundlagen seien ausreichend, so der mehrheitliche Tenor in der Kommission. Ausserdem würde die Annahme der parlamentarischen Initiative der FDP-Fraktion zu Koordinationsproblemen mit bestehenden Gesetzgebungsarbeiten in diesem Bereich führen. Da die Schwesterkommission der Initiative im Vorjahr Folge gegeben hatte, muss diese nun noch einmal über den Vorstoss befinden.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Bei einer Stimmbeteiligung von knapp 43 Prozent nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 25. September 2016 das Bundesgesetz über den Nachrichtendienst (NDG) mit 65.5 Prozent Ja-Stimmen an. Das Resultat fiel damit noch deutlicher aus, als es die im Vorfeld durchgeführten Umfragen erwarten liessen. In keinem einzigen Kanton resultierte eine Nein-Mehrheit. Die geringste Zustimmung erfuhr das NDG im Kanton Basel-Stadt mit 55 Prozent. Am höchsten fiel die Zustimmung mit gut 74 Prozent im Kanton Waadt aus, gefolgt von Nidwalden mit gut 70 Prozent. In allen anderen Kantonen bewegte sich der Ja-Anteil zwischen 60 und 70 Prozent, wobei sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Landesteilen oder zwischen Stadt und Land zeigten.
Bundesrat Guy Parmelin, der hiermit seine Feuerprobe als neuer Verteidigungsminister vor dem Stimmvolk souverän bestanden hatte, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung. Die Schweiz erhalte damit moderne Mittel, um auf aktuelle Bedrohungen zu reagieren, sagte er gegenüber den Medien. Auch das Ja-Komitee zeigte sich erfreut, dass es gelungen sei, die Ängste vor der Massenüberwachung zu entkräften. Die Presse deutete das Resultat entsprechend als Vertrauensbeweis der Stimmbevölkerung in den Staat. Das unterlegene Nein-Lager kündigte unterdessen an, nun auf die transparente Kontrolle des NDB zu pochen und die vom Bundesrat kommunizierte Zahl von rund zehn Überwachungsfällen pro Jahr genau im Auge zu behalten.
In Kraft treten wird das neue NDG am 1. September 2017. Bis dahin gebe es noch viel zu tun, erklärte der Verteidigungsminister. So müsse der NDB organisatorisch und technisch auf seine neuen Befugnisse ausgerichtet werden, denn mit diesen Anpassungen habe man bis zur Abstimmung zugewartet. Die personelle Aufstockung des NDB um 20 Stellen solle bis 2019 schrittweise erfolgen. Möglichst zeitnah müsse zudem die neue unabhängige Aufsichtsbehörde eingerichtet werden, deren Leitung der VBS-Chef bis Ende Jahr ernennen werde. Die Aufsicht solle dann – wie auch die Sicherheitspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte und die GPDel – bereits in die Ausarbeitung der Verordnungen zur Konkretisierung des NDG einbezogen werden, die der Bundesrat Anfang 2017 in die Vernehmlassung schicken wolle.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 42.94%
Ja: 1'459'068 (65.5%)
Nein: 768'065 (34.5%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU (1*), EVP (1*), FDP, FP, KVP, SVP (1*); KKJPD, Economiesuisse
– Nein: GP, PdA, Piratenpartei, SD, SP (2*); GSoA, Digitale Gesellschaft, Syndicom
– Stimmfreigabe: GLP (4*)
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Lange bevor der Bundesrat Mitte Juni 2016 mit seiner Medienkonferenz den Abstimmungskampf zum Nachrichtendienstgesetz offiziell eröffnete, wurde das Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Anlass dazu boten etwa die Terroranschläge in Brüssel vom 22. März 2016, in deren Nachgang bürgerliche Sicherheitspolitikerinnen und -politiker den Bundesrat dazu aufforderten, dem Nachrichtendienst per dringlichem Bundesbeschluss schleunigst zu den notwendigen Kompetenzen zu verhelfen. Man könne nicht warten, bis das neue NDG nach der Referendumsabstimmung vom September in Kraft treten könne; die jüngsten Anschläge hätten gezeigt, «dass die Bedrohung durch Terrorismus real ist», erklärte die Präsidentin der SiK-NR, Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), gegenüber der NZZ. In Zeiten wie diesen sei es «unsinnig», dass der NDB in seiner Arbeit behindert werde, zitierte die «Tribune de Genève» dazu SiK-SR-Präsident Isidor Baumann (cvp, UR). Der NDB sei momentan «blind und taub», mahnte der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (GE, fdp) an gleicher Stelle. Obschon die Forderung unerfüllt verhallte, lagen die Hauptargumente für das neue Nachrichtendienstgesetz damit schon einmal auf dem Tisch.

Dass ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung ähnlich dachte, zeigte die im Mai veröffentlichte Studie «Sicherheit 2016» der ETH Zürich. Darin schätzten rund drei Viertel der Befragten die weltpolitische Lage (eher) pessimistisch ein, wobei die Erhebungen bereits im Januar und damit vor den Terrorattacken in Brüssel stattgefunden hatten. Damit einher gingen ein gegenüber dem Vorjahr gestiegenes subjektives Unsicherheitsempfinden sowie die klare Unterstützung von Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit wie Datensammlungen über verdächtige Personen, Armeeeinsätze zur Sicherstellung von Ruhe und Ordnung, die Aufstockung der Polizeikorps, Videoüberwachung im öffentlichen Raum oder vorsorgliche Verhaftungen. Von einer gewissen Ambivalenz zeugten die Antworten zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit: 55 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass der Staat die Sicherheit der Bevölkerung auch auf Kosten der persönlichen Freiheit garantieren solle, gleichzeitig würden sich aber ebenfalls 55 Prozent für Freiheit statt Sicherheit entscheiden, wenn sie gezwungen wären, eins der beiden zu wählen. Zwei Drittel befürworteten aber die Terrorismusbekämpfung auch unter Einschränkung der persönlichen Freiheit – ein Ergebnis, das «Wasser auf die Mühlen der Befürworter» des neuen NDG sei, wie das St. Galler Tagblatt resümierte.

Weiteren Impetus fand die Befürworterseite in der Tatsache, dass sich offenbar auch der IZRS an der Unterschriftensammlung gegen das NDG beteiligt hatte, wie die Luzerner Zeitung Mitte Juni bekannt machte. Die umstrittene islamische Organisation sehe im NDG ein «Vehikel gegen Muslime», in dessen Fokus «je nach politischem Klima» auch andere Gruppen geraten könnten, weshalb Mediensprecher Qaasim Illi zur Unterschrift gegen das NDG aufgerufen habe. Im Einsatz für das NDG sah man sich dadurch bestätigt, denn es sei «bezeichnend», dass «ein Verein wie der IZRS, der selber im Fokus des NDB stehen könnte», gegen das Gesetz mobil mache, zitierte die Zeitung Ida Glanzmann-Hunkeler. Sogar Bundesrat Guy Parmelin sollte den Widerstand des IZRS einige Tage später vor den Medien lakonisch als «beste Werbung für das Gesetz» bezeichnen. Die Gegenseite distanzierte sich derweil von «diesen Extremisten», wie SP-Sprecher Michael Sorg betonte; man sei nicht verbündet und stehe in keinerlei Kontakt. Aus dem Abstimmungskampf wollte sich der IZRS denn auch heraushalten, wie er über eine Sprecherin verlauten liess.

Auf der Pro-Seite stand neben dem Bundesrat ein überparteiliches Ja-Komitee, das Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller grösseren Parteien ausser den Grünen vereinte. Im Laufe der Kampagne sprachen sich zudem die Ost- und Westschweizer Konferenzen der Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren sowie die Regierungsräte der Kantone Zürich und Schaffhausen für das NDG aus. Das Hauptargument für das neue Gesetz war, dass die Mittel des schweizerischen Nachrichtendienstes an die aktuelle Bedrohungslage angepasst werden müssten, denn mit seinen heutigen Instrumenten könne er die Schweiz nicht ausreichend vor den sich ständig verändernden und komplexer werdenden Gefahren schützen. Der NDB sei schlicht «überholt», konstatierte FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger (fdp, AG) gegenüber der Presse. Klar könne das Risiko nicht vollständig eliminiert werden, aber es seien schon viele Attentate dank Überwachung verhindert worden, pries SVP-Ratskollege Raymond Clottu (svp, NE) die neuen Überwachungsmöglichkeiten an. Als die Ziele des NDG nannte Verteidigungsminister Guy Parmelin einerseits die präventive Überwachung der «gefährlichsten Individuen» (NZZ) sowie andererseits die Erschwerung von Cyberangriffen und -spionage, wie im Fall der Ruag, der Anfang 2016 aufgedeckt worden war. Als weiteren Vorzug des neuen Gesetzes hob NDB-Chef Markus Seiler die Vereinfachung der internationalen Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung hervor. Gleichzeitig warnte er vor einer Schwächung der internationalen Stellung der Schweiz, sollte das Gesetz abgelehnt werden, denn je weniger eigene nachrichtendienstliche Erkenntnisse die Schweiz habe, umso grösser sei die Gefahr, von ausländischen Geheimdiensten instrumentalisiert zu werden. Es sei aber mitnichten die Absicht des neuen Gesetzes, alle Bürgerinnen und Bürger zu überwachen und selbstverständlich müsse Missbrauch verhindert werden, betonte Bundesrat Parmelin weiter. Auch das Komitee erklärte, umfassende Kontrollmechanismen und eine gut ausgebaute Aufsicht über den Nachrichtendienst verhinderten, dass ein Überwachungsstaat geschaffen werde. Die Befürworterinnen und Befürworter wurden nicht müde zu betonen, dass das NDG das Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit wahre und letztlich schlicht notwendig sei – oder mit den Worten von SP-Nationalrätin Rebecca Ruiz (sp, VD) in der «Tribune de Genève»: «Wir können nicht bei Windows 95 und Walkie-Talkies bleiben.» Der Status quo sei eine Reaktion auf den Fichenskandal in den 1990er-Jahren gewesen, erklärte auch EDÖB Adrian Lobsiger gegenüber der Sonntagszeitung. Seither hätten sich die Welt verändert und die Sicherheitslage verschärft. Auch er bezeichnete das NDG als «Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit», liess sich aber nicht auf eine explizite Abstimmungsempfehlung hinaus. Zum frühen Zeitpunkt des offiziellen Kampagnenstarts Mitte Juni sagte Bundesrat Parmelin, er wolle eine «pädagogische» Abstimmungskampagne führen, um der Bevölkerung angesichts des heiklen und komplexen Themas genau zu erklären, was die Neuerungen seien und warum sie nötig seien.

Die Kontra-Seite bestand hauptsächlich aus dem Referendumskomitee «Bündnis gegen den Schnüffelstaat», das von den Grünen, der SP, den Juso, der Piratenpartei, der Gewerkschaft Syndicom, der Digitalen Gesellschaft, dem Verein Grundrechte.ch sowie dem Chaos Computer Club unterstützt wurde. Ein bürgerlich geprägtes Gegenkomitee um die bürgerlichen Jungparteien, kritische Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SVP bis GLP sowie die Operation Libero, das liberale Argumente gegen das NDG anführen wollte, zerbrach hingegen, bevor es sich formieren konnte. Man habe das NDG gleichzeitig mit dem BÜPF bekämpfen wollen, aber mit dem Scheitern des BÜPF-Referendums sei die Gruppe auseinandergefallen, schilderte der Koordinator und stellvertretende SGV-Direktor Henrique Schneider dem St. Galler Tagblatt. So dominierten denn auch die von links geäusserten Bedenken das Argumentarium der Gegnerschaft. Weil es dem NDB erlaube, auf Basis blosser Vermutungen zu agieren, gehe das neue Nachrichtendienstgesetz zu weit, so das Hauptargument des Nein-Lagers. Juso-Präsidentin Tamara Funiciello nannte das NDG einen «Schritt Richtung Massenüberwachung». Mit dem Gesetz würden alle Bürgerinnen und Bürger zu Verdächtigen gemacht, sodass der NDB letztlich jeden zum potenziellen Terroristen «emporstilisieren» könne, kritisierte der Präsident des Vereins Grundrechte.ch, Viktor Györffy. Das von der Befürworterseite propagierte Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit konnte die Gegnerschaft nirgends erkennen. Mit der Stärkung des Nachrichtendienstes kreiere man nur eine «Illusion von Sicherheit», bemängelte der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH). Die Attentäter von Paris und Brüssel seien sehr wohl nachrichtendienstlich oder polizeilich bekannt gewesen, aber nichtsdestotrotz hätten die Anschläge nicht verhindert werden können. Dass eine parlamentarische oder juristische Kontrolle die Aktivitäten des NDB und damit die Eingriffe in die Grundrechte wirklich begrenzen könne, sei ebenfalls «illusorisch», so Györffy weiter. Glättli sah das Gesetz ausserdem – sowohl aufgrund der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten als auch wegen der Möglichkeit zum Eindringen in ausländische Computersysteme – als Gefahr für die Neutralität der Schweiz. Zudem missbilligte die Gegnerschaft, dass der Staat durch den Kauf von Trojanern den Schwarzmarkt für Sicherheitslücken und das organisierte Verbrechen fördere.

Insgesamt verlief die öffentliche Debatte über lange Zeit unaufgeregt und angesichts der Tragweite des Themas eher spärlich. Erst rund drei Wochen vor dem Abstimmungssonntag, im Anschluss an die SRF-«Arena» zum NDG, gewann sie «doch noch etwas an Temperatur», wie der Tages-Anzeiger kommentierte. Dabei stand das Instrument der Kabelaufklärung im Fokus, in der die Gegenseite nichts anderes als die verdachtsunabhängige Massenüberwachung erkannte. Die Beteuerung, es werde nur der grenzüberschreitende, nicht aber der inländische Internetverkehr überwacht, sei bedeutungslos, da etwa sehr viele E-Mails über ausländische Server verschickt würden, auch wenn sich Sender und Empfänger in der Schweiz befänden. Ein viel genanntes Argument gegen diese Art der Überwachung war die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen, die eben nicht einfacher werde, wenn man den Heuhaufen vergrössere. NDG-Fürsprecherin Corina Eichenberger hielt dem in der «Tribune de Genève» entgegen, man werde im Internetverkehr schon nach sehr eng definierten Schlagworten suchen, und nicht einfach nach «Islam» oder «Bombe». Ausserdem führte die Pro-Seite an, der NDB verfüge gar nicht über genug Ressourcen für eine solche Massenüberwachung. Der Bundesrat sprach bis zuletzt von rund zehn Fällen pro Jahr, in denen bewilligungspflichtige Beschaffungsmassnahmen eingesetzt würden, wie er auch schon dem Parlament erklärt hatte. In den Medien wurde diese Zahl jedoch in Zweifel gezogen, da sich seit den parlamentarischen Beratungen die Bedrohungslage durch vermehrte Anschläge in Europa – die bisher folgenschwersten in Paris und Brüssel – und die zunehmende Anzahl Dschihad-Reisender aus der Schweiz verschärft habe. Während das VBS die Zahl als Durchschnittswert, der mit der Bedrohungslage variieren könne, verteidigte, sprach Ida Glanzmann-Hunkeler eher von 20 bis 25 Fällen pro Jahr, wobei diese Schätzung nicht statistisch extrapoliert, sondern «mehr ein Gefühl» sei, wie sie gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte. NDG-Gegner Balthasar Glättli sah in diesem Zahlenwirrwarr gemäss St. Galler Tagblatt ein Indiz dafür, dass «die staatlichen Schnüffler wesentlich hungriger» seien, als sie es «vor der Abstimmung zugeben» wollten. Wie der Tages-Anzeiger feststellte, wurde der Abstimmungskampf gegen Ende zum «Streit der Begrifflichkeiten», der sich vor allem um die Definition von Massenüberwachung drehte. Es sei die Antwort auf die von Beat Flach (glp, AG) in der «Arena» gestellte Frage, ob es wirklich so furchtbar sei, dass in Zukunft alles zuerst durch den Filter des NDB gehe, die Befürworter und Gegner des NDG trenne, konstatierte dieselbe Zeitung.

Die ab Mitte August durchgeführten Umfragen zeigten schon von Anfang an eine breite Unterstützung von knapp 60 Prozent für das NDG, die bis zur letzten Umfragewelle Mitte September ungefähr konstant blieb. Als wichtigste Argumente identifizierten die Befragungen die Befürchtung möglichen Missbrauchs neuer Technologien auf der Pro- sowie den mangelhaften Schutz der Privatsphäre auf der Kontra-Seite. Bei den bürgerlichen Parteien wollte die Mehrheit der Basis Ja stimmen, während die Anhängerschaft der linken Parteien mehrheitlich ein Nein einlegen wollte. Damit hatte das NDG gute Voraussetzungen, das Referendum ungefährdet zu passieren.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Der Nationalrat sprach sich in der Herbstsession 2016 mit 108 zu 79 Stimmen bei 6 Enthaltungen für eine Motion Romano (cvp, TI) mit der Forderung aus, dass Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern die Schweizer Staatsbürgerschaft entzogen werden kann, wenn sie im Ausland nachweislich und freiwillig für eine fremde Armee oder eine armeeähnliche, ideologisch motivierte Gruppierung gekämpft haben. Damit zielt der Motionär vor allem auf Dschihadisten. Die Massnahme soll jedoch nur Personen betreffen, welche das Schweizer Bürgerrecht durch Einbürgerung erlangt haben und nicht jene, die von Geburt an Schweizerinnen und Schweizer sind. Ausgenommen sind zudem Personen, die von ihrem Heimatstaat zur Leistung von Militärdienst verpflichtet sind. Der Bundesrat argumentierte vergeblich, dass das Vorhaben in dieser Form nicht mit der Gleichberechtigung aller Bürger in der schweizerischen Rechtsordnung vereinbar sei und darüber hinaus auch in einem Spannungsverhältnis zu den in der EMRK und im UNO-Pakt II garantierten Menschenrechten stehe. Die Fraktionen von SVP, CVP und BDP standen geschlossen hinter dem Vorstoss, während sich die Grünen, SP und GLP geschlossen dagegen stellten.

Aberkennung des Schweizer Bürgerrechts bei Dschihadisten mit Doppelbürgerschaft (Mo. 14.3705)
Dossier: Ausbürgerung von Dschihadisten

Die Schweiz soll keinen Terrorismus exportieren. Darin waren sich die Motionärin Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) und der Bundesrat einig. Ob die Verankerung einer Ausreisesperre für potenzielle Dschihad-Touristen im BWIS – wie in der Motion verlangt – jedoch der richtige Weg ist, darüber schieden sich die Geister. In der Debatte im Nationalrat wies Bundesrätin Simonetta Sommaruga auf die Gefahren hin, die eine Ausreisesperre ohne flankierende Massnahmen mit sich bringe: Man müsse wissen, was mit einer an der Ausreise gehinderten Person in der Schweiz geschehen soll, um nicht zu riskieren, dass diese Person hier eine schwere Straftat verübt. Der Bundesrat sei ausserdem daran, eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Dennoch unterstützte die grosse Kammer den Vorstoss im September 2016 mit deutlicher Mehrheit.

Ausreisesperre für potenzielle Dschihad-Touristen (Mo. 14.3711)

Mit der gleichen Argumentation wie ihre Schwesterkommission im Vorjahr beantragte auch die Mehrheit der SPK-SR ihrem Rat, der parlamentarischen Initiative Brunner (svp, SG) zum zwingenden Entzug des Schweizer Bürgerrechts für dschihadistische Söldner keine Folge zu geben. Im Gegensatz zum Nationalrat folgte die Ständekammer im Sommer 2016 dem Antrag ihrer Komissionsmehrheit und versenkte das Anliegen mit 27 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung.

Entzug des Schweizer Bürgerrechts für Söldner (Pa.Iv. 14.450)
Dossier: Ausbürgerung von Dschihadisten

Mittels parlamentarischer Initiative forderte Ida Glanzmann (cvp, LU) gesetzliche Strukturen für die Einrichtung eines Staatssekretariats für innere Sicherheit. Den momentanen Bedrohungen in Form von Cyberkriminalität, organisiertem Verbrechen und insbesondere von terroristischen Anschlägen solle mit allen verfügbaren Ressourcen begegnet werden. Dafür brauche es aber bessere Strukturen, in denen alle operativen und administrativen Kräfte zusammengefasst würden. Einem Staatssekretariat für innere Sicherheit, das dem EJPD angehängt würde, würden etwa die Behörden für Strafverfolgung, die Sicherheitsorgane und die Nachrichtendienste angehören.
Die Kommission empfahl mit 20 zu 4 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Hauptargument der SiK-NR gegen die Idee war der Hinweis auf die Gefahr, dass das gut austarierte föderal organisierte Sicherheitssystem ausgehebelt würde, was entgegen der Forderung gar mehr Unsicherheit schaffen würde. Es sei angezeigter, auf aktuelle Bedrohungen spezifische Taskforces einzusetzen, was etwa mit der Taskforce Tetra im Bereich der Bekämpfung von Terrorismus bereits geschehen sei. Staatssekretariate seien eher Instrumente, die den Bundesrat in seiner Repräsentationsfunktion entlasten würden. Auch wenn sich eine kleine Minderheit mit Verweis auf die Sicherheitsbedürfnisse in der Bevölkerung und die Möglichkeit, einen nationalen Ansprechpartner im föderalen System einzurichten, der auch Doppelspurigkeiten verhindern würde, für das Vorhaben aussprach, zog die Initiantin im März 2016 ihr Anliegen zurück.

Staatssekretariat für innere Sicherheit

Wenige Tage nachdem das Parlament das Nachrichtendienstgesetz verabschiedet hatte, begannen die Gegner des Gesetzes Anfang Oktober 2015 mit der Unterschriftensammlung für das bereits vorher angekündigte NDG-Referendum. Jungsozialisten, Grüne, die Piratenpartei, die Alternative Liste, die GSoA, der Verein Grundrechte Schweiz sowie das Bündnis Digitale Gesellschaft schlossen sich dazu zum „Bündnis gegen den Schnüffelstaat“ zusammen. Starthilfe erhielt die Allianz sogar aus dem Ausland: Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarats, kritisierte kurz vor der Schlussabstimmung im Parlament die geplanten Beschaffungsmassnahmen und sah das in der EMRK verankerte Recht auf Respektierung des Privatlebens durch Staatstrojaner in Gefahr. Anfang Dezember beschloss dann auch die SP an ihrer Delegiertenversammlung, dem „Bündnis gegen den Schnüffelstaat“ beizutreten. Bis zum Ablauf der Referendumsfrist am 14. Januar 2016 reichten die NDG-Gegner gut 56'000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein, womit das Referendum zustandegekommen ist und das Volk das letzte Wort zum NDG haben wird.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Mit einer parlamentarischen Initiative forderte Toni Brunner (svp, SG), dass Doppelbürgern, welche sich an terroristischen Aktivitäten oder Kampfhandlungen in der Schweiz oder im Ausland beteiligen, zwingend das Schweizer Bürgerrecht entzogen werden soll. Von in die Schweiz zurückkehrenden dschihadistischen Söldnern gehe ein «enormes Gefahrenpotential für den Staat und seine Bevölkerung» aus, begründete der Initiant sein Anliegen. Die Mehrheit der vorberatenden SPK-NR lehnte den Automatismus jedoch mit der Begründung ab, dass er die Gewaltenteilung untergrabe, indem er den rechtsanwendenden Behörden jeglichen Spielraum verwehre. Die Massnahme bringe zudem keinen Sicherheitsgewinn, da der Entzug des Bürgerrechts dazu führe, dass eine straffällige Person nicht mehr in die Schweiz ausgeliefert werden könne und sich so nicht vor Schweizer Gerichten verantworten müsse. Dem Nationalrat genügte die bereits heute im Bürgerrechtsgesetz vorgesehene Möglichkeit zum Entzug des Bürgerrechts jedoch nicht. Eine Mehrheit aus Vertretern der SVP- und CVP-Fraktionen sprach sich mit 102 gegen 85 Stimmen bei 4 Enthaltungen für den Ausbürgerungs-Automatismus aus.

Entzug des Schweizer Bürgerrechts für Söldner (Pa.Iv. 14.450)
Dossier: Ausbürgerung von Dschihadisten

Ende November 2015 versammelten sich die Delegierten der CVP in Granges-Paccot (FR), wo die Parolen für die Abstimmungen vom Februar 2016 gefasst, die Unterstützung für die zweite der beiden CVP-Familieninitiativen noch einmal bekräftigt und die Abstimmungskampagne für dieses Volksbegehren lanciert wurde. Eröffnet wurde die Delegiertenversammlung vom Parteipräsidenten Christoph Darbellay, der sich in Anbetracht der weltweiten Terroranschläge gegen die These wandte, dass die Religion Wurzel des Übels sei. Atheismus mit demselben Eifer zu predigen, wie dies Salafisten täten, um Anhänger zu finden, sei genauso falsch. „Terrorismus hat keine Religion!“, so Darbellay. Ebenfalls zu Wort meldete sich CVP-Bundesrätin Doris Leuthard, die für die Sanierung des Gotthard-Strassentunnels warb und die scheidende Bundeskanzlerin Corina Casanova verabschiedete. Auch die abtretenden Stände- und Nationalräte wurden für ihre Tätigkeit verdankt.

CVP - Delegiertenversammlung in Grange-Pacot

Anders als ihre Schwesterkommission zeigte sich die SiK-SR im November 2015 nicht überzeugt davon, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Terrorismusbekämpfung dringend erweitert werden müssen. Die Schweiz kenne bereits Rechtsvorschriften, die terroristische Organisationen verbieten und terroristische Handlungen sowie entsprechende Vorbereitungshandlungen unter Strafe stellen, darunter das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen sowie die Bestimmungen zur Terrorismusfinanzierung. Die Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung, wie sie die FDP-Fraktion mittels parlamentarischer Initiative forderte, sei deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt, erklärte die Kommission in einer Medienmitteilung. Der Fokus müsse nun vielmehr auf die Terrorismusprävention gelegt werden; wichtig dafür sei ein zügiges Inkrafttreten des neuen Nachrichtendienstgesetzes sowie des revidierten BÜPF. In naher Zukunft sollten überdies im Zuge der Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung des Terrorismus weitere Strafnormen eingeführt werden. Aus diesen Gründen entschied sich die Kommission dazu, im kommenden Jahr eine erneute Lagebeurteilung vorzunehmen und die Behandlung der parlamentarischen Initiative vorerst zu sistieren.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Im Oktober 2015 unterzeichnete der Bundesrat als Erweiterung zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus das dazugehörige Zusatzprotokoll, das Reisen für terroristische Zwecke sowie entsprechende Finanzierungs- und Unterstützungshandlungen unter Strafe stellt. Durch das Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen ist die Beteiligung an sowie die Unterstützung und Förderung von terroristischen Organisationen in der Schweiz bereits strafbar. Darüber hinaus wolle der Bundesrat in Umsetzung des Zusatzprotokolls nun auch die Anwerbung und Ausbildung von Terroristen unter Strafe stellen sowie einen eigenen Straftatbestand für terroristisch motiviertes Reisen und dessen Finanzierung prüfen, gab er per Medienmitteilung bekannt.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Mittels parlamentarischer Initiative beabsichtigte die FDP-Fraktion, eine Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung zu schaffen, wie sie vom Bundesrat zusammen mit der Strafnorm zur Terrorismusfinanzierung schon einmal vorgesehen, aber 2003 im Parlament gescheitert war. Die urhebende Fraktion schlug vor, den Entwurf von 2002 dahingehend zu erweitern, dass nicht nur terroristische Handlungen an sich, sondern auch Vorbereitungshandlungen sowie die Unterstützung und Verherrlichung von Terrorismus unter Strafe gestellt werden. Ausserdem soll es den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden gemäss dem Staatsschutzprinzip ermöglicht werden, Täterinnen und Täter auch im Ausland zu verfolgen – so beispielsweise Schweizer Dschihadreisende, die sich noch im Ausland befinden. Mit 15 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung sprach sich die SiK-NR im Oktober 2015 für die Schaffung einer allgemeinen Terrorismusstrafnorm aus. Man wolle damit ein «starkes Zeichen zur Eindämmung und Prävention von terroristischen Aktivitäten jeglicher Art» setzen, verkündete die Kommission per Medienmitteilung.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Nach der Beratung durch den Zweitrat im Sommer 2015 verblieben fünf grundsätzliche Differenzen in der Beratung zum Nachrichtendienstgesetz. Als erstes stellte sich bei Art. 23 NDG die Frage, ob der NDB Personen anhalten darf oder ob diese Kompetenz ausschliesslich den Polizeibehörden vorbehalten bleiben soll. Die Mehrheit der SiK-NR beantragte, dem Ständerat zu folgen und diese Kompetenz bei den Polizeibehörden zu belassen. Demgegenüber wollte eine von der SVP und der CVP unterstützte Minderheit in Ausnahmefällen auch dem NDB diese polizeilichen Befugnisse einräumen. Mit 107 zu 77 Stimmen bei einer Enthaltung wurde der Antrag der Kommissionsmehrheit gegen den Widerstand der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion und der Mehrheit der CVP-Fraktion angenommen.

In Art. 28 Abs. 6 NDG wird das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, einen Tätigkeitsbericht über die Ausübung seiner Funktion als Bewilligungsinstanz für genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen zuhanden der GPDel zu verfassen. Strittig war hier, ob dieser Bericht mindestens in seinem allgemeinen Teil öffentlich zugänglich sein muss oder ob der Entscheid über eine allfällige Veröffentlichung der GPDel als Adressatin des Berichtes überlassen werden soll. Während eine links-grüne Minderheit für mehr Transparenz plädierte, sah die Kommissionsmehrheit in der Veröffentlichungspflicht eine Beschneidung der Kompetenzen der GPDel. Die bürgerliche Mehrheit konnte sich in diesem Punkt klar mit 117 zu 69 Stimmen bei 3 Enthaltungen durchsetzen.

Derselbe ideologische Graben zeigte sich in der Diskussion um Art. 36 NDG, dem eigentlichen Kernstück der Vorlage. Der erste Streitpunkt war hier, ob der Bundesrat Entscheide über das Eindringen in Computernetzwerke im Ausland, von welchen Angriffe auf kritische Infrastrukturen in der Schweiz ausgehen, an den Chef oder die Chefin des VBS bzw. an den Direktor oder die Direktorin des NDB delegieren kann oder nicht. Entgegen einem Minderheitsantrag aus dem linken Lager und der Empfehlung des Bundesrates hielt die grosse Kammer mit 107 zu 80 Stimmen an dieser Delegationsmöglichkeit fest. Nicht weniger umstritten war das Eindringen in Computernetzwerke im Ausland zwecks Informationsbeschaffung. Während der Ständerat hier das gleiche Bewilligungsverfahren wie für die genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen vorgesehen hatte, war inzwischen klar, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht bereit ist, solche Aktionen auf ausländischem Territorium zu bewilligen. Diese Kontrollmöglichkeit fiel somit aus. Infolgedessen beantragte eine linke Kommissionsminderheit, die betreffenden Befugnisse des NDB vollständig zu streichen. Mit 128 zu 59 Stimmen folgte der Nationalrat jedoch seiner Kommissionmehrheit und hielt an seinem letzten Beschluss, welcher auch der Fassung des Bundesrates entsprach, fest. Diese Regelung sieht vor, dass „in politisch heiklen Fällen“ der Chef oder die Chefin des VBS einer solchen Massnahme zustimmen muss.

Die vierte Kontroverse drehte sich um Art. 66 NDG und damit um die Ausnahme des NDB vom Öffentlichkeitsprinzip. Der Ständerat hatte in der Sommersession beschlossen, das gesamte NDG vom Öffentlichkeitsprinzip auszuschliessen. Diese Extremlösung stand im Nationalrat gar nicht mehr zur Debatte, dafür aber ihr Gegenstück: Eine linke Minderheit wollte das gesamte Gesetz grundsätzlich dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellen, blieb damit aber chancenlos. Mit 132 zu 55 Stimmen sprach sich die grosse Kammer für den Kompromissantrag der Kommissionsmehrheit und des Bundesrates aus, nach welchem nur der Bereich der Informationsbeschaffung vom Öffentlichkeitsprinzip ausgenommen wird.

Als fünfte grosse Differenz bestand noch die Frage der Aufsicht über den NDB. Die SiK-NR arbeitete hier detailliertere Regelungen aus als jene, welche der Ständerat im Sommer mehr oder weniger „provisorisch“ eingefügt hatte, um die Diskussion am laufen zu halten. Diese neuen Bestimmungen stiessen im Nationalrat auf überwiegend positive Resonanz und wurden ohne nennenswerten Schlagabtausch angenommen. Ein Minderheitsantrag von linker Seite, welcher noch eine Ergänzung anbringen wollte, blieb erfolglos. Somit übergab die grosse Kammer die Vorlage mit verbleibenden drei grossen Differenzen an den Ständerat.

Ausser beim umstrittenen Art. 36 NDG stimmte die kleine Kammer überall dem Entwurf des Nationalrates zu und räumte die Differenzen aus. Mit der vom Nationalrat erneut beschlossenen Delegationsmöglichkeit bei Entscheiden über das Eindringen in Computersysteme, welche sich im Ausland befinden, wollte sich der Ständerat nicht abfinden und hielt im Gegenzug ebenfalls an seiner Version ohne Delegationsmöglichkeit fest. Bundesrat Maurer unterstrich noch einmal ausdrücklich, dass dies auch der Haltung des Bundesrates entspreche. In Bezug auf das Eindringen in Computernetzwerke im Ausland zur Informationsbeschaffung genügte dem Ständerat die vom Nationalrat beschlossene Regelung nicht. Anstatt nur in politisch heiklen Fällen seine Zustimmung zu geben, soll der Vorsteher oder die Vorsteherin des VBS die Departementsvorstehungen des EDA und des EJPD konsultieren und anschliessend den NDB zu einer solchen Massnahme ermächtigen. Diese beiden Regelungen fanden auch im Nationalrat stillschweigende Zustimmung, womit die letzten Differenzen beseitigt waren. In der Schlussabstimmung wurde das NDG schliesslich im Nationalrat mit 145 zu 58 Stimmen bei 8 Enthaltungen und im Ständerat mit 35 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen. Die ablehnenden Stimmen kamen wenig überraschend mehrheitlich aus dem links-grünen Lager, welches auch schon das Referendum angekündigt hatte.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen