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Die an der Sprachgrenze gelegene Gemeinde Sierre/Siders (VS) weitete das im Vorjahr auf Kindergartenstufe eingeführte Pilotprojekt eines zweisprachigen Unterrichts auf die Primarschulen aus. Das Westschweizer Institut für pädagogische Forschung will hier während sieben Jahren mit zwei Modellen Erfahrungen sammeln. Im Kanton Wallis soll zudem vom Sommer 1995 an in allen Mittelschulen und Gymnasien ein Fach in der zweiten Sprache unterrichtet werden. Das Wallis hat damit in Sachen zweisprachiger Unterricht an öffentlichen Schulen die Führung übernommen. Im Kanton Freiburg, der in den vergangenen Jahren mehrfach sein Interesse an Versuchen mit zweisprachigen Unterrichtsformen bekundet hatte, wurde in Villars-sur-Glâne auf Druck der Eltern erstmals eine zweisprachige Kindergartenklasse eröffnet. Der Berner Stadtrat überwies ein Postulat zur Prüfung der Möglichkeit, an den Stadtberner Schulen verschiedene Fächer französisch zu unterrichten.

Versuche mit zweisprachigem Unterricht in den Kantonen Wallis, Freiburg und Bern

Der Ständerat nahm eine 1993 vom Nationalrat teilweise überwiesene Motion Comby (fdp, VS) an, welche verlangt, dass die Weisungen über die Vertretung der sprachlichen Minderheiten in der Bundesverwaltung von 1983 näher auszuführen, zu ergänzen und für verbindlich zu erklären seien. Da die Forderungen teilweise in den Zuständigkeitsbereich des Bundesrates eingreifen, wurden zwei Motionen Salvioni (fdp, TI), die eine gerechtere Vertretung der lateinischen Sprachgruppen in der allgemeinen Bundesverwaltung sowie eine bessere Berücksichtigung dieser Sprachregionen bei der Vergabe von Bundesaufträgen forderten, lediglich als Empfehlungen verabschiedet.

Weisung zur Förderung der Mehrsprachigkeit
Dossier: Vorstösse zu Sprachminderheiten in der Bundesverwaltung 1990-2000

Im Kanton Freiburg entfachte ein von der Regierung in Auftrag gegebener kantonaler Sprachenbericht die Sprachendebatte erneut. Seit 1990 stehen die Gleichberechtigung von Deutsch und Französisch sowie das Territorialitätsprinzip in der Freiburger Verfassung. Der von einer Kommission erarbeitete Bericht sollte nun Wege zur Konkretisierung des neuen Verfassungsartikels und insbesondere des Territorialitätsprinzips aufzeigen. Die zentrale Frage war, ob es inskünftig im Kanton Freiburg nur deutsch- und französischsprachige Gemeinden geben soll, oder ob und wie man entlang der Sprachgrenze den starken deutschsprachigen Minderheiten entgegenkommen kann. Der Bericht empfahl, jene Gemeinden als zweisprachig zu erklären, in denen eine Sprachenminderheit mindestens 30 Prozent der gesamten französisch- und deutschsprachigen Bevölkerung erreicht. In diesen Gemeinden sollen Schule, Verwaltung und Gerichtsbarkeit zweisprachig sein. Diese Regelung beträfe mehrere Dörfer, nicht aber die Stadt Freiburg (28,1% deutschsprachig) und die Gemeinde Murten (16,4% französischsprachig), die aus historischen Gründen als zweisprachig gelten und es auch bleiben sollen. Eine Kommissionsminderheit schlug zudem vor, Gemeinden mit einer Sprachminderheit von zehn bis dreissig Prozent einen Sonderstatus zu gewähren, der den Schulbesuch und die Gerichtsverhandlungen in der Minderheitssprache ermöglichen würde.

Kantonaler Sprachenbericht in Freiburg

Unter dem Eindruck der Volksabstimmung zum Kulturförderungsartikel, welche einmal mehr einen Graben zwischen deutscher und welscher Schweiz offenbart hatte, geriet dann aber die gesamte Vorlage ins Rutschen. Ständerat Iten (fdp, ZG) stellte den Antrag, die Übung kurzerhand abzubrechen. Er warnte vor einem Abstimmungskampf, der komplexe Sachverhalte vermitteln müsste und leicht irrationale Ängste schüren könnte, und meinte, der heute fragile, aber immerhin bestehende Sprachfriede müsse eindeutig vor eine generell zu ambitiös geratene Neufassung des Sprachenartikels gesetzt werden. Zudem könne das ursprüngliche Anliegen, das zu den Revisionsarbeiten geführt habe, nämlich der Schutz und die Besserstellung des Rätoromanischen auch mit dem bestehenden Verfassungsartikel in die Tat umgesetzt werden.

Aus Sorge, die Rätoromanen könnten sich durch eine Nullösung desavouiert fühlen, brachten die beiden Romands Cavadini (lp, NE) und Petitpierre (fdp, GE) eine Minimalvariante als weitere Kompromisslösung ein. Sie bezeichnet das Deutsche, Französische, Italienische und Rätoromanische als Nationalsprachen der Schweiz und gibt dem Bund die Möglichkeit, auf Begehren der betroffenen Kantone Massnahmen zur Erhaltung des überlieferten Gebietes bedrohter sprachlicher Minderheiten zu unterstützen. Die beiden Bündner Abgeordneten Cavelty (fdp) und Gadient (svp) stellten den Zusatzantrag, das Rätoromanische sei wie im ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates zur Teilamtssprache zu erheben. Auf der Strecke blieb bei dieser Minimallösung die Kompetenz des Bundes, allein oder in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Verständigung unter den Sprachgemeinschaften sowie den gegenseitigen Austausch zu fördern. Auch die Aufnahme der Sprachenfreiheit in den Grundrechtskatalog der Verfassung wurde fallengelassen.

Aus Rücksicht auf die rätoromanische Minderheit des Landes wurde der Antrag Iten mit 14:17 Stimmen knapp abgelehnt. Der Vorschlag der Kommission, für den sich in der Debatte nur noch deren Präsident Jagmetti (fdp, ZH) und der Thurgauer Onken (sp) sowie Bundesrätin Dreifuss stark machten, unterlag mit 23:9 Stimmen klar gegenüber der Minimalvariante Cavadini/Petitpierre/Cavelty/Gadient.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Die kleine Kammer lehnte auf Antrag ihrer Kommission diskussionslos drei ähnlichlautende Standesinitiativen der Kantone Bern, Freiburg und Wallis ab, welche verlangten, der Bund solle die zweisprachigen Kantone bei ihren besonderen Leistungen zur Erhaltung und Förderung der Mehrsprachigkeit finanziell unterstützen. Die Kommission stellte in Aussicht, dass je nach Ausgestaltung des Sprachenartikels gewisse Beiträge eventuell möglich werden könnten, betonte aber auch ganz klar, dass die Mehrsprachigkeit eines Kantons nicht in erster Linie eine Belastung, sondern eine Bereicherung von nicht zu unterschätzendem Wert darstelle.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Die Auswertung der Daten der Volkszählung 1990 zeigte, dass im Zeitraum 1980-1990 mit Ausnahme des Französischen alle Landessprachen an Gewicht verloren haben. Besonders krass ist die Situation beim Rätoromanischen, dessen Anteil von 0,8 auf 0,6% zurückging. Auch das Italienische hat an Einfluss eingebüsst: Mit einem Anteil von 8,9% wurden die Nichtlandessprachen erstmals häufiger als Hauptsprache angegeben als das Italienische (7,6%). Unter den Nichtlandessprachen dominierten die slawischen Sprachen, insbesondere Serbokroatisch, gefolgt von Spanisch, Portugiesisch, Türkisch und Englisch. In der Volkszählung 1990 wurde neu auch nach der Sprachfertigkeit gefragt. Zwei von drei Deutschsprachigen gaben an, im Alltag nur deutsch zu sprechen, und zwar vorwiegend Dialekt. Anders bei den Romands, Tessinern und Rätoromanen: Rund 67% der Welschen bezeichneten sich als mehrsprachig, bei den Tessinern waren es 72% und bei den Rätoromanen 80%.

Anteile der Sprachgruppen: Ergebnisse der Volkszählung 1990

Der Bundesrat war bereit, eine Motion Comby (fdp, VS) anzunehmen, welche verlangt, dass die Weisungen über die Vertretung der sprachlichen Minderheiten in der Bundesverwaltung von 1983 näher auszuführen, zu ergänzen und für verbindlich zu erklären seien. Er legte Wert auf die Feststellung, dass sich die Vertretung der lateinischen Sprachgemeinschaften in der Bundesverwaltung generell verbessert habe, dass die Anstrengungen aber weiterverfolgt und verstärkt werden müssten. Obgleich die Zielquoten nach Landessprachen heute generell nahezu erreicht seien, bestehe nach wie vor eine Untervertretung der Französischsprechenden in den unteren Lohnklassen, während beim Kader teilweise eine Übervertretung entstanden sei.

Der zweite Punkt der Motion, welcher die Überwachung dieser Massnahme vom Eidgenössischen Personalamt zur Dienststelle für Verwaltungskontrolle des Bundesrates transferieren wollte, wurde auf Antrag der Regierung nur als Postulat überwiesen.

Weisung zur Förderung der Mehrsprachigkeit
Dossier: Vorstösse zu Sprachminderheiten in der Bundesverwaltung 1990-2000

Gegen den Widerstand des Zürcher SD-Vertreters Steffen stimmte der Nationalrat einem Postulat seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur zu, welches den Bundesrat ersucht, dem Parlament innert nützlicher Frist die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen zur Ratifikation zu unterbreiten. Die Schweiz, welche das Abkommen im Oktober in Wien unterzeichnete, erfüllt, ja übertrifft die von der Charta minimal geforderten Schutz- und Förderungsbestimmungen bereits heute.

In einer Vernehmlassung sondierte der Bundesrat die Haltung der Kantone in dieser Frage.

Postulat zur Unterzeichnung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen

Mit Bundespräsident Ogi nahm die Schweiz erstmals auf höchstem Niveau an der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Länder teil, in denen Französisch gesprochen wird. Am 5. Frankophoniegipfel, der alle zwei Jahre stattfindet und diesmal Mitte Oktober auf der Insel Mauritius abgehalten wurde, waren 47 Staaten vertreten. Die Schweiz, welche sich bisher bei den staatsübergreifenden politischen Aktivitäten der Frankophonie-Gipfel stets zurückgehalten hatte, stimmte mit den anderen Teilnehmerstaaten für einen "kulturellen Ausnahmeartikel" im künftigen Gatt-Abkommen, der den französischsprachigen Produktionen Schutz in einem deregulierten kulturellen Markt sichern soll.

Bisher war die Schweiz an den Frankophoniegipfeln nur durch Staatssekretäre und 1991 erstmals durch den Vorsteher des EDA vertreten gewesen.

Bundespräsident nimmt erstmals am Frankophonie-Gipfel teil

In der vorberatenden Kommission des Nationalrates und dann auch im Plenum brach bei der Behandlung des zu revidierenden Sprachenartikels in der Bundesverfassung die Kontroverse zwischen jenen, welche die Sprachenfreiheit – und damit eine lebendige Weiterentwicklung der Sprachensituation – in der Verfassung festschreiben wollen, und jenen, die ohne verfassungsrechtliche Verankerung des Territorialitätsprinzips das sprachliche Gleichgewicht unter den Landessprachen und damit den Sprachenfrieden gefährdet sehen, erneut und recht heftig aus. Die grosse Kammer stimmte schliesslich im Einverständnis mit dem Bundesrat einer von einer Arbeitsgruppe der Kommission ausgearbeiteten Kompromissvariante zu, welche weder die Sprachenfreiheit noch das Territorialitätsprinzip erwähnt, dem Bund aber – entgegen der restriktiven Haltung des Ständerates – wieder die Kompetenz erteilt, zusammen mit den Kantonen die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften zu fördern und besondere Massnahmen zum Schutze bedrohter Landessprachen zu treffen. Unbestritten war – wie zuvor schon im Ständerat – dass das Rätoromanische in den Rang einer Teilamtssprache erhoben werden soll.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Im an der Sprachgrenze gelegenen Walliser Ort Sierre/Siders wurden im Herbst auf Druck von engagierten Eltern und als eidgenössische Premiere 16 französischsprachige Mädchen und Buben einem deutschsprachigen Kindergarten zugewiesen. Interesse an Pilotprojekten auch auf Schulstufe meldeten der Kanton Freiburg (mit geplanten zweisprachigen Schulklassen in Freiburg und Murten) sowie die Stadt Biel an.

Sierre/Siders führt zweisprachige Kindergarten ein

Der Kanton Bern rückte vom bisher geltenden Territorialitätsprinzip im Schulwesen ab und öffnete die französische Schule Bern für alle in der Agglomeration wohnhaften französisch- oder italienischsprachigen Kinder. Bis anhin war die "Ecole française" lediglich den Kindern von internationalen Funktionären sowie von Beamten des Bundes und des Kantons welscher Zunge vorbehalten gewesen. Bern bildet hier aufgrund seiner Stellung als Bundesstadt eine Ausnahme.

Französische Schule Bern für alle Französischsprechenden geöffnet

Das Bundesgericht wird im Streit zwischen Territorialitätsprinzip und Schulhoheit nicht entscheiden. Es weigerte sich, auf eine Beschwerde einzutreten, welche den Entscheid des Freiburger Staatsrates (Exekutive) angefochten hatte, den deutschsprachigen Kindern der (französischsprachigen) Freiburger Vorortsgemeinde Marly den Transport in eine deutschsprachige Schule in Freiburg zu bezahlen. Die Lausanner Richter vertraten die Auffassung, der heute in Art. 116 festgehaltene Grundsatz der Territorialität der Sprachen sei zwar ein Verfassungsprinzip, doch lasse sich dadurch kein Verfassungsrecht ableiten, weshalb eine Verletzung des Territorialitätsprinzips nicht mit einer staatsrechtlichen Beschwerde gerügt werden könne, es sei denn, es werde zusätzlich eine Verletzung der Sprachenfreiheit geltend gemacht, was hier nicht der Fall sei, da die französischsprachigen Kinder der Gemeinde durch das Entgegenkommen an ihre deutschsprachigen Altersgenossen nicht gehindert worden seien, den Unterricht in ihrer Muttersprache zu besuchen.

Im Fall der Beschwerde einer grossen Versicherungsgesellschaft gegen das Baugesetz von Disentis/Mustér, welches Reklameinschriften nur in romanischer Sprache zulässt, entschied das Bundesgericht hingegen klar im Sinn des Territorialitätsprinzips.

Sprachenartikel in der Freiburger Staatsverfassung

Obgleich die fundierte Analyse der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 zeigte, dass der Beitritt zum EWR nicht nur am Graben zwischen Deutsch und Welsch, sondern auch am Gegensatz Stadt-Land gescheitert war, blieben die möglichen Spannungen zwischen den Sprachgemeinschaften und deren Überwindung ein vieldiskutiertes Thema. Im Berichtsjahr behandelte das Parlament eine ganze Reihe von Vorstössen, welche unmittelbar nach der EWR-Abstimmung eingereicht worden waren.

Die kleine Kammer überwies einstimmig eine von 41 Ständerätinnen und Ständeräten mitunterzeichnete Motion Rhinow (fdp, BL), welche den Bundesrat beauftragt, Massnahmen zu treffen sowie allfällige Änderungen auf dem Wege der Rechtssetzung vorzulegen, um die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften, namentlich zwischen der Deutschschweiz und der Romandie, im Interesse des nationalen Zusammenhalts nachhaltig zu fördern. Mit dem Hinweis, dass er vor Annahme des revidierten Sprachen- und des neuen Kulturförderungsartikels keine verfassungsmässige Grundlage für ein weitergehendes Handeln auf Bundesebene sehe, hatte die Landesregierung Umwandlung in ein Postulat beantragt.

Sprachzusammenhalt nach der EWR-Abstimmung

Die Büros beider Räte beriefen je eine parlamentarische ad-hoc-Kommission ein, die sich mit den Gründen sowie den Auswegen aus dem "Sprachengraben" befassen sollen. Der Nationalratskommission gehören 15 Mitglieder unter dem Präsidium des Waadtländers Leuba (lp) an, der Ständeratskommission sieben Mitglieder unter der Leitung des Deutschfreiburgers Piller (sp). Die beiden Kommission werden vorerst einen Bericht zur Lage erstellen und dann bis zum Herbst 1993 Vorschläge zur Überwindung des "Sprachengrabens" vorlegen.

EWR-Nein führt zu Graben zwischen West- und Restschweiz

Das wuchtige EWR-Nein der meisten deutschsprachigen Kantone riss zwischen der Deutschschweiz und der Romandie eine Kluft auf, wie sie die Schweiz seit dem 1. Weltkrieg kaum mehr erlebt hatte. "Les Romands ont mal à la Suisse" diagnostizierte im Nationalrat der Genfer Eggly (lp). Obgleich politologische Analysen zeigten, dass das Erklärungsmuster "Röschtigraben" offensichtlich zu kurz griff und die Haltung zum EWR nicht allein von der Sprachkultur, sondern ebensosehr vom Gegensatz Stadt-Land geprägt gewesen war, regten doch Politiker aus allen Lagern Massnahmen an, welche ein weiteres sprachlich-kulturelles und politisches Auseinanderdriften der beiden Landesteile verhindern sollten. Dabei taten sich in erster Linie die Genfer Abgeordneten Brunner (sp), Tschopp (fdp) und Ziegler (sp) hervor, aber auch jener Teil der SVP (Zimmerli/BE sowie der Generalsekretär der Partei), welcher sich im Gegensatz zur Gesamtpartei für den EWR engagiert hatte. Unter anderem wurde die Einsetzung eines Rats der Weisen oder die Einberufung einer Art "Etats généraux" der kulturellen Kräfte bzw. einer nationalen Einigungskonferenz vorgeschlagen, ein dritter Bundesrat für die Romandie und die Schaffung eines ständigen Gremiums zur Diskussion gestellt, welches alle Parlamentsgeschäfte auf ihre Auswirkungen auf die Romandie durchleuchten sollte.

EWR-Nein führt zu Graben zwischen West- und Restschweiz

In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Sprachgrenzen in der Schweiz kaum verschoben, mit Ausnahme Graubündens, wo das Rätoromanische weiterhin an Boden verloren hat. Dies ging aus den vom Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichten Ergebnissen der Volkszählung 1990 zur Sprachenverteilung hervor. In acht Bündner Gemeinden hat sich in dieser Zeitspanne die Sprachmehrheit zugunsten des Deutschen verändert. In den Gemeinden mit weiterhin rätoromanischer Sprachmehrheit nahm diese um durchschnittlich zehn Prozentpunkte ab. Nur gerade in einer Gemeinde (Alvaschein im Bezirk Albula) wechselte die Mehrheit vom Deutschen zum Rätoromanischen. Die Angst gewisser Romands vor einer "germanisation rampante" konnte hingegen nicht bestätigt werden: Im Grenzkanton Freiburg änderte die Sprachmehrheit nur in zwei Gemeinden, einmal zugunsten des Deutschen, einmal zugunsten des Französischen.

Der Behauptung eines alemannischen Sprachimperialismus widersprachen auch mehrere wissenschaftliche Arbeiten über das Sprachverhalten in den Grenzgebieten.

Sprachgrenzen in der Schweiz verschieben sich kaum

In Bern konnte Ende November nach längerem finanzierungsbedingtem Tauziehen die Gründung der "Maison latine" bekanntgegeben werden. Diese neue Begegnungsstätte zwischen deutscher und lateinischer Kultur wird getragen von einer Stiftung mit der Burgergemeinde Bern als Initiatorin, sowie von der Einwohnergemeinde Bern, den Kantonen Aargau, Freiburg, Graubünden, Solothurn, Tessin, Waadt und Wallis sowie den Organisationen Helvetia Latina, Pro Grigioni Italiani, Lia Rumantscha, Pro Ticino, Neue Helvetische Gesellschaft, Anciens Helvétiens Vaudois und der Vereinigung der Kader des Bundes als Mitstifter.

Eröffnung des "Maison latine" in Bern

Bei der Erteilung der neuen Konzession wurde die SRG darauf verpflichtet, vermehrt die Hochsprache zu verwenden und damit einer Forderung der Romands und Tessiner zu entsprechen. Namentlich Nachrichten und Informationssendungen von übergreifendem Interesse sollen in der Regel in Hochdeutsch gestaltet werden.

Diese Forderung war auch in der Ständeratsdebatte zum revidierten Sprachenartikel erhoben worden.

Neue SRG-Konzession: Hochsprache soll vermehrt zum Einsatz kommen

Weil der revidierte Sprachenartikel im Parlament im Berichtsjahr nicht abschliessend behandelt wurde, unterschrieb die Schweiz die Charta der Regional- und Minderheitssprachen des Europarates vorderhand nicht. Mit Frankreich und Grossbritannien, welche sich mit ihren Minderheitssprachen Baskisch, Bretonisch, Korsisch bzw. Walisisch schwer tun, befand sich die Schweiz damit in prominenter Gesellschaft.

Charta der Regional- und Minderheitensprachen vorderhand nicht unterzeichnet

Die kleine Kammer, welche den revidierten Sprachenartikel (Art. 116 BV) als Erstrat behandelte, trug den Befürchtungen der Romands — vor allem auf Druck von Ständerat Cavadini (lp, NE) — dennoch weitgehend Rechnung. Der Passus, der gemäss bundesrätlichem Vorschlag die individuelle Sprachenfreiheit garantiert hätte, wurde, entgegen einem Minderheitsantrag Onken (sp, TG), ersatzlos gestrichen, das strikte Territorialitätsprinzip für die Amts- und Schulsprachen also gestärkt. Die Kompetenz zur Erhaltung und Förderung der Landessprachen wurde ganz den Kantonen übertragen und nicht mehr gleichberechtigt dem Bund und den Kantonen, wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Der Bund soll hier lediglich subsidiär wirken sowie die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften unterstützen. Unbestritten war, das Romanische zur halbamtlichen Sprache zu erheben.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Eine vom Universitären Forschungszentrum für Mehrsprachigkeit der Universität Bern durchgeführte Umfrage unter Politikerinnen und Politikern in den zweisprachigen Kantonen Bern und Wallis ergab erste Anhaltspunkte über das Verhältnis zwischen den Sprachgruppen. Grundsätzlich äusserten sich die Befragten positiv zur Zweisprachigkeit: Das Beherrschen beider Sprachen wurde als Vorteil angesehen und das Zusammenleben in beiden Kantonen von der Mehrheit als zufriedenstellend bis gut bezeichnet.

Umfrage zur Zweisprachigkeit unter den Mandatsträgern des Kantons Bern

Um die Mehrausgaben, die ihnen aus der Zweisprachigkeit entstehen, wenigstens teilweise abzugelten, reichten die Kantone Freiburg und Wallis je eine entsprechende Standesinitiative ein. Sie schlossen sich damit dem ebenfalls zweisprachigen Kanton Bern an, welcher bereits im Vorjahr einen analogen Vorstoss eingereicht hatte.

Standesinitiativen zur Abgeltung der Aufwände der Mehrsprachigkeit

Die schweizerische Gruppe der Internationalen Versammlung der Parlamentarier französischer Sprache (AIPLF) legte erstmals ihren Tätigkeitsbericht vor. Diese Delegation war 1989 aufgrund einer parlamentarischen Initiative des damaligen Nationalrates de Chastonay (cvp, VS) gebildet worden. Ursprünglich von Nationalrat Guy-Olivier Segond (fdp, GE) angeführt, wird die Gruppe seit 1990 von Ständerat Jean-François Roth (cvp, JU) präsidiert. Beide Räte nahmen zustimmend vom Bericht Kenntnis.

Bericht der Gruppe der Internationalen Versammlung der Parlamentarier französischer Sprache

Gemäss den Ergebnissen der Pädagogischen Rekrutenprüfung 1985 ist für die jungen Deutschschweizer der Dialekt ein überaus wichtiges Identitätsmerkmal. Sie grenzen sich damit von den anderen Deutschsprachigen in Deutschland und Osterreich ab, was die Romands — entgegen einer vorherrschenden Auffassung — nicht stört, da sie die Spannungen zwischen deutscher und welscher Schweiz als nicht mundartbedingt empfinden. Während die Antworten der befragten jungen Deutschschweizer eine bereits früher beobachtete Tendenz bestätigten und kaum Neues brachten, überraschten jene der Romands. Ihre Einstellung zur deutschschweizerischen Sprachsituation ist offenbar viel sachlicher als gemeinhin angenommen. Eine Mehrheit vertrat die Meinung, von einer hohen Sprachenbarriere könne nicht die Rede sein, wenn sich ein Romand in der deutschen Schweiz niederlasse. Gemäss den mit der Auswertung beauftragten Wissenschaftern ist nicht die Mundartwelle schuld am "malaise" zwischen Deutschschweiz und Romandie, sondern die Angst vor einer alemannischen Dominanz namentlich in der Wirtschaft.

Deutschschweizer Dialekt ist wichtiges Identitätsmerkmal