Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Mehrsprachigkeit

Akteure

Prozesse

174 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Zu der auf Beginn der 45. Legislatur eingeführten neuen Sitzordnung im Nationalrat, welche die bisher bestehenden sprachlichen Blöcke auflöst, siehe oben, Teil I, 1c (Parlament). Für die Bedeutung der Entfremdung zwischen den Sprachgruppen als Problem der nationalen Identität siehe oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen).

Zu der auf Beginn der 45

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesverwaltung sollen in der von ihnen gewünschten Amtssprache arbeiten können. Damit dies für das französisch- und italienischsprachige Personal gewährleistet ist, müssen die Departemente und Ämter neu eine Übersetzung ins Deutsche garantieren, weshalb in jedem Departement ein eigener Sprachendienst eingerichtet werden soll. Der Bundesrat setzte auf den 1. Juli eine entsprechende neue Verordnung über das Übersetzungswesen in Kraft.

Neue Verordnung über das Übersetzungswesen in der allgemeinen Bundesverwaltung

In einer Erklärung empfahl die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) den Kantonen und Gemeinden, Initiativen zur Einführung einer zweiten Unterrichtssprache zu unterstützen. Fächer wie Geographie, Mathematik oder Geschichte könnten durchaus in einer Fremdsprache vermittelt werden.

zweiten Unterrichtssprache

In seiner Botschaft zu einem Bundesgesetz über Finanzhilfen für die Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache hat sich der Bundesrat für die Unterstützung der romanischen Presse durch den Bund als spracherhaltende Massnahme ausgesprochen. Voraussetzung ist aber, dass ein realisierbares Konzept die breite Zustimmung der Zeitungsverleger und der betroffenen Organisationen findet. Nach dem Scheitern des Zeitungsprojektes "La Vusch" verfolgte eine Interessengemeinschaft die Gründung einer romanischen Nachrichtenagentur weiter. In der Interessengemeinschaft sind alle Verleger romanischer Zeitungen, die beiden Bündner Lokalradios, das romanische Radio und Fernsehen sowie die SDA und die romanische Dachorganisation Lia Rumantscha vertreten. Im April reichten sie bei der Bündner Regierung ein Grobkonzept ein, das den Akzent auf Dezentralisierung legt und Jahreskosten von 1,2 Mio Fr. vorsieht. Davon sollen der Bund 700 000 und der Kanton 300 000 Fr. übernehmen. Die Regierung begrüsste das Projekt, wollte sich aber nicht auf eine finanzielle Unterstützung festlegen und leitete das Projekt zur Prüfung an die Bundesbehörden weiter.

Unterstützung der romanischen Presse Nachrichtenagentur

Nach dem Ständerat lehnte auch der Nationalrat diskussionslos und mit deutlicher Mehrheit drei Standesinitiativen der Kantone Bern, Freiburg und Wallis ab, mit denen diese eine Bundesentschädigung für ihre durch die Zweisprachigkeit bedingten Mehrkosten verlangten. Die grosse Kammer übernahm dabei die Argumentation des Ständerates und ihrer vorberatenden Kommission, wonach Zwei- und Mehrsprachigkeit im administrativen und im schulischen Bereich zwar zusätzliche Kosten verursache, eine Sprachenvielfalt innerhalb der Kantonsgrenzen aber bereichernd sei. Einzelne Sprecher machten geltend, für die Unterstützung der mehrsprachigen Kantone könne es auch noch andere Wege als jene über direkte Bundessubventionen geben, so etwa über den interkantonalen Finanzausgleich.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Die an der Sprachgrenze gelegene Gemeinde Sierre/Siders (VS) weitete das im Vorjahr auf Kindergartenstufe eingeführte Pilotprojekt eines zweisprachigen Unterrichts auf die Primarschulen aus. Das Westschweizer Institut für pädagogische Forschung will hier während sieben Jahren mit zwei Modellen Erfahrungen sammeln. Im Kanton Wallis soll zudem vom Sommer 1995 an in allen Mittelschulen und Gymnasien ein Fach in der zweiten Sprache unterrichtet werden. Das Wallis hat damit in Sachen zweisprachiger Unterricht an öffentlichen Schulen die Führung übernommen. Im Kanton Freiburg, der in den vergangenen Jahren mehrfach sein Interesse an Versuchen mit zweisprachigen Unterrichtsformen bekundet hatte, wurde in Villars-sur-Glâne auf Druck der Eltern erstmals eine zweisprachige Kindergartenklasse eröffnet. Der Berner Stadtrat überwies ein Postulat zur Prüfung der Möglichkeit, an den Stadtberner Schulen verschiedene Fächer französisch zu unterrichten.

Versuche mit zweisprachigem Unterricht in den Kantonen Wallis, Freiburg und Bern

Der Bundesrat zeigte sich offen für die Anliegen der Rätoromanen. In Anbetracht der Dringlichkeit von zusätzlichen Massnahmen gab er Ende Jahr seine Absicht bekannt, noch vor Abschluss der parlamentarischen Beratungen über den Sprachenartikel der Bundesverfassung eine Revision des Beitragsgesetzes zur Förderung der rätoromanischen und italienischen Kultur in die Wege zu leiten. Gemäss der Gesetzesrevision soll neu auch die Unterstützung der rätoromanischen Presse und des Verlagswesens in der italienisch- und rätoromanischsprachigen Schweiz ermöglicht werden, doch wird ein Engagement der Kantone und von Privaten vorausgesetzt. Nach dem Revisionsentwurf soll die Finanzhilfe des Bundes höchstens 75% der Gesamtkosten betragen, die Eigenleistung der Kantone mindestens 25%. Gleichzeitig mit der Gesetzesänderung sieht der Bundesrat eine Erhöhung der Bundesbeiträge an den Kanton Graubünden vor. Von 4 Mio Fr. im Budget 1995 (250'000 Fr. mehr als 1994) sollen die Beiträge in den folgenden drei Jahren auf 5 Mio Fr. steigen. Die Subventionen an den Kanton Tessin bleiben mit 2,5 Mio Fr. unverändert.

Bundesrat will rätoromanische Presse fördern

Im Nationalrat fand eine parlamentarische Initiative Robert (gp, BE) für die Förderung der zweisprachigen Erziehung breite Unterstützung. Der Bund soll insbesondere in den Bereichen Forschung, Begleitung und Auswertung die diesbezüglichen Bemühungen der Kantone unterstützen. Direkt auf diese Initiative Bezug nahm ein von der grossen Kammer diskussionslos überwiesenes Postulat Schmid (gp, TG), welches die Förderung des Austausches verschiedensprachiger Schüler durch stark verbilligte Fahrkarten für den öffentlichen Verkehr anregte.

Erziehungsfachleute aus der ganzen Schweiz gründeten zudem im November in Luzern die "Schweizer Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des mehrsprachigen Unterrichts".

Parlamentarische Initiativen zur Förderung der Mehrsprachigkeit

Im Spätherbst wurde ein im Auftrag der Bündner Kantonsregierung von einer gemischtsprachigen Arbeitsgruppe verfasster Bericht zur sprachlichen Situation in Graubünden veröffentlicht. Die Autoren kamen in ihrer Bestandesaufnahme zum Schluss, dass die Dreisprachigkeit Graubündens angesichts der immer dominanteren Stellung des Deutschen zunehmend gefährdet ist. Um dem weiteren Abbau der Dreisprachigkeit wirksam entgegenzutreten, sind nach Ansicht der Arbeitsgruppe umfangreiche Massnahmen auf verschiedenen Ebenen notwenig. Der diesbezügliche Katalog von 39 Postulaten umfasste die Bereiche Verwaltung, Recht, Bildung, Medien, Wirtschaft sowie gegenseitige Verständigung. In ihrer Palette der konkreten Vorschläge sprach sich die Arbeitsgruppe unter anderem für die Schaffung eines Sprachförderungsgesetzes und die gezielte Erweiterung des Kulturförderungsgesetzes, für die Bestimmung einer einzigen romanischen Amtssprache, die Einrichtung von regionalen Sprachterritorien auf der Basis von interkommunalen Zusammenschlüssen, eine vermehrte Präsenz der schwächeren Sprachen in Verwaltung, Wirtschaft, Schulen und im Alltag sowie für die Förderung der romanisch- und italienischsprachigen Presse im Kanton aus.

Bericht zur Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden

Auch im Kanton Graubünden laufen Bestrebungen, die Zweisprachigkeit der Bevölkerung bereits auf Schulstufe sicherzustllen. Im oberengadinischen Samedan, in dem sich nur noch 10% der Bevölkerung zum Romanischen bekennen, soll im nächsten Jahr an den Schulen das sogenannte Immersionsmodell eingeführt werden. Dabei werden Deutsch und Rätoromanisch in der ganzen Volksschule als zwei gleichwertige Sprachen behandelt und im Unterricht verwendet.

Immersionsmodell zur Sicherung des Rätoromanischen eingeführt

Mit Beginn des neuen Schuljahres führte der Kanton Uri als bisher erster und einziger Schweizer Kanton Italienisch als erste Fremdsprache ein. Uri begründete diese Neuerung, die in Widerspruch zu den Richtlinien der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz steht, mit der geographischen, historischen und mentalitätsmässigen Nähe zum Kanton Tessin. Dieser leistete denn auch einen substantiellen Beitrag an die Ausbildung der urnerischen Lehrkräfte sowie an die Ausarbeitung der für die Durchführung des neuen Fremdsprachenkonzeptes notwendigen Lehrmittel. Frühitalienisch steht auch im Kanton Graubünden zur Diskussion.

Uri führt Italienisch als erste Fremdsprache ein

Wegen mangelndem Publikumsinteresse hat die SRG die Live-Übersetzung welscher Diskussionssendungen für das Publikum in der Deutschschweiz gestoppt. In der Westschweiz will die SRG Deutschschweizer Sendungen aber vermehrt übersetzen, da sich die Zahl der französischsprachigen Interessenten vervielfacht habe.

Live-Übersetzung

Der Versuch, das Rätoromanische in der Armee zu institutionalisieren, muss als gescheitert betrachtet werden. Die 1988 versuchsweise eingeführten vier Romanen-Kompanien der Füsiliere wurden mit der Armee-Reform 95 wieder abgeschafft. Grund dafür waren Rekrutierungsprobleme bei den Kaderleuten.

Armee schafft Romanen-Kompagnien wieder ab

Unter dem Eindruck der Volksabstimmung zum Kulturförderungsartikel, welche einmal mehr einen Graben zwischen deutscher und welscher Schweiz offenbart hatte, geriet dann aber die gesamte Vorlage ins Rutschen. Ständerat Iten (fdp, ZG) stellte den Antrag, die Übung kurzerhand abzubrechen. Er warnte vor einem Abstimmungskampf, der komplexe Sachverhalte vermitteln müsste und leicht irrationale Ängste schüren könnte, und meinte, der heute fragile, aber immerhin bestehende Sprachfriede müsse eindeutig vor eine generell zu ambitiös geratene Neufassung des Sprachenartikels gesetzt werden. Zudem könne das ursprüngliche Anliegen, das zu den Revisionsarbeiten geführt habe, nämlich der Schutz und die Besserstellung des Rätoromanischen auch mit dem bestehenden Verfassungsartikel in die Tat umgesetzt werden.

Aus Sorge, die Rätoromanen könnten sich durch eine Nullösung desavouiert fühlen, brachten die beiden Romands Cavadini (lp, NE) und Petitpierre (fdp, GE) eine Minimalvariante als weitere Kompromisslösung ein. Sie bezeichnet das Deutsche, Französische, Italienische und Rätoromanische als Nationalsprachen der Schweiz und gibt dem Bund die Möglichkeit, auf Begehren der betroffenen Kantone Massnahmen zur Erhaltung des überlieferten Gebietes bedrohter sprachlicher Minderheiten zu unterstützen. Die beiden Bündner Abgeordneten Cavelty (fdp) und Gadient (svp) stellten den Zusatzantrag, das Rätoromanische sei wie im ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates zur Teilamtssprache zu erheben. Auf der Strecke blieb bei dieser Minimallösung die Kompetenz des Bundes, allein oder in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Verständigung unter den Sprachgemeinschaften sowie den gegenseitigen Austausch zu fördern. Auch die Aufnahme der Sprachenfreiheit in den Grundrechtskatalog der Verfassung wurde fallengelassen.

Aus Rücksicht auf die rätoromanische Minderheit des Landes wurde der Antrag Iten mit 14:17 Stimmen knapp abgelehnt. Der Vorschlag der Kommission, für den sich in der Debatte nur noch deren Präsident Jagmetti (fdp, ZH) und der Thurgauer Onken (sp) sowie Bundesrätin Dreifuss stark machten, unterlag mit 23:9 Stimmen klar gegenüber der Minimalvariante Cavadini/Petitpierre/Cavelty/Gadient.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Der Basler SP-Ständerat Plattner hatte anfänglich einen Rückweisungsantrag eingereicht mit dem Inhalt, die Besserstellung des Rätoromanischen sei ausgehend vom bestehenden Art. 116 BV auf Gesetzesstufe zu realisieren. Er zog diesen Antrag im Verlauf der Beratungen zurück, kleidete ihn aber in die Form einer Motion, die von 26 seiner Kolleginnnen und Kollegen mitunterzeichnet wurde.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Die kleine Kammer lehnte auf Antrag ihrer Kommission diskussionslos drei ähnlichlautende Standesinitiativen der Kantone Bern, Freiburg und Wallis ab, welche verlangten, der Bund solle die zweisprachigen Kantone bei ihren besonderen Leistungen zur Erhaltung und Förderung der Mehrsprachigkeit finanziell unterstützen. Die Kommission stellte in Aussicht, dass je nach Ausgestaltung des Sprachenartikels gewisse Beiträge eventuell möglich werden könnten, betonte aber auch ganz klar, dass die Mehrsprachigkeit eines Kantons nicht in erster Linie eine Belastung, sondern eine Bereicherung von nicht zu unterschätzendem Wert darstelle.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Auch im zweiten Anlauf scheiterte der Kulturförderungsartikel in der Bundesverfassung (Art. 27septies) nicht am Willen einer Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, sondern an abstimmungstechnischen Modalitäten. 1986 hatten sich die Kulturinitiative, die unter anderem ein Prozent des jährlichen Gesamtbudgets für die Kultur forderte, und der unverbindlichere bundesrätliche Gegenvorschlag durch die damals noch geltende Unvereinbarkeit des doppelten Ja gegenseitig blockiert. Im Berichtsjahr erwies sich das für Verfassungsänderungen notwendige Ständemehr als Stolperstein für die Vorlage. 51% der Stimmberechtigten wollten dem Bund die Kompetenz erteilen, das Kulturschaffen subsidiär und im Interesse der Verständigung unter den vier Kulturregionen zu erhalten, zu fördern und zu vermitteln. Damit sollte dem Bund die verfassungsrechtliche Grundlage für die Übernahme von Aufgaben erteilt werden, die er aufgrund einer etwas grosszügigen Interpretation des Zweckartikels der Bundesverfassung (Art. 2) über die "Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt" faktisch seit dem letzten Jahrhundert wahrnimmt. Durch verschiedene Bundesbeschlüsse wurde dem Bund seither die Kompetenz erteilt, die Denkmalpflege zu unterstützen, die bildende und angewandte Kunst zu fördern sowie Museen und Archive von nationaler Bedeutung zu unterhalten. 1962 wurde der Heimatschutz (Art. 24sexies) in die Verfassung aufgenommen. Der einzige Bereich des eigentlichen Kunstschaffens, in welchem der Bund ausdrücklich durch die Verfassung zu einem Engagement berechtigt wurde, ist jener der Filmförderung, da Volk und Stände 1958 vorwiegend aus handelspolitischen Gründen einem "Filmartikel" in der Bundesverfassung (Art. 27ter) zustimmten. Andere Kunstgattungen, so etwa Literatur, Musik, Theater und Tanz konnten bisher nur indirekt über die Subventionen an die Schweizerische Volksbibliothek, die Jugendliteratur, die Erwachsenenbildung oder die Pro Helvetia unterstützt werden.

Mit dem vorliegenden Kulturförderungsartikel wollten Bundesrat und Parlament der Kulturpolitik des Bundes eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage schaffen und die Entwicklung dieser Politik langfristig sichern. Ausgehend von den Grundsätzen des Föderalismus, der Subsidiarität und des Ausgleichs sollte kulturelles Schaffen gefördert und der Zugang auch weniger begünstigter Gruppen oder Landesteile zur Kultur erleichtert werden. Besondere Bedeutung kam dem Austausch und damit der Verbesserung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Sprachen und Kulturen der Schweiz zu. Lediglich 49% der Stimmberechtigten sprachen sich gegen dieses Ansinnen aus. Da sie jedoch in zehn Kantonen und vier Halbkantonen - namentlich allen rein deutschsprachigen Kantonen mit Ausnahme Zürichs und der beiden Basel - die Mehrheit bildeten, konnten sie sich gegen die zustimmenden zehn Kantone und zwei Halbkantone - neben den bereits genannten alle mehrsprachigen Kantone, das Tessin und die Romandie - durchsetzen und die Vorlage zu Fall bringen.


Abstimmung vom 12. Juni 1994

Beteiligung: 46,6%
Nein: 1 018 188 (49,0%) / 10 4/2 Stände
Ja: 1 114 158 (51,0%) / 10 2/2 Stände

Parolen:
Ja: FDP (4*), SP, CVP, GP, LdU, EVP, PdA; SGB, CNG.
Nein: SVP (9*), LP (2*), FP, SD, Lega, EDU; SGV, Redressement national.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundeskompetenz in der Kulturförderung

Im emotional nach wie vor stark aufgeladenen Spannungsverhältnis zwischen Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip ging das Ringen um eine Neufassung des Sprachenartikels in der Bundesverfassung mit der zweiten Lesung des Ständerates in eine weitere Runde. Der kleinen Kammer lag zu Beginn ihrer Beratungen ein Kompromissvorschlag ihrer Kommission vor, der die beiden umstrittenen Begriffe wieder aufnahm, allerdings in einer anderen systematischen Einordnung. Aus Rücksicht auf die Germanisierungsängste der Romandie sollte im eigentlichen Sprachenartikel (Art. 116 BV) nur das Verhältnis zwischen den Nationalsprachen festgeschrieben und dabei allein das Territorialitätsprinzip berücksichtigt werden, welches ein Gebiet verbindlich einer Sprache zuordnet. Hinzu kam eine Bestimmung über die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachregionen. Als Konzession an den Nationalrat, der aus Gründen des Gleichgewichts den einen Begriff nicht ohne den anderen stehen lassen wollte und deshalb auch das Territorialitätsprinzip aus der Vorlage gekippt hatte, schlug die Kommission vor, das Element der individuellen Sprachenfreiheit als neuen Art. 54bis in den Grundrechtskatalog der Verfassung aufzunehmen.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Nach dieser grundsätzlichen Diskussion behandelte der Nationalrat eine Reihe parlamentarischer Vorstösse zu diesem Thema. Wie bereits der Ständerat überwies auch er eine in beiden Räten eingereichte gleichlautende Motion der beiden Ratskommissionen, welche die Landesregierung bei all ihren Beschlüssen zu besonderer Beachtung der sprachlichen und regionalen Verständigung verpflichtet. Damit konnte sich der Bundesrat nicht durchsetzen, welcher die Vorschläge zwar seinerseits begrüsste, jedoch für deren Überweisung als Postulat plädiert hatte. Er überwies weiter eine Motion des Ständerats (92.3493), welche im Anschluss an die Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zum EWR eingereicht worden war und den Bundesrat beauftragt, im Zusammenwirken mit gesellschaftlichen und kulturellen Organisationen Massnahmen zu treffen, um die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften nachhaltig zu fördern.

Erfolg hatte auch eine parlamentarische Initiative von Robert (gp, BE). Darin wird der Bund aufgefordert, Bemühungen der Kantone zur Förderung der zweisprachigen Erziehung im Rahmen der Landessprachen zu unterstützen. Der Antrag Maspolis (lega, TI), der Initiative keine Folge zu geben, wurde deutlich verworfen. Eine weitere parlamentarische Initiative von Borel (sp, NE) für den Empfang mindestens eines Radioprogramms in jeder der drei Amtssprachen in der ganzen Schweiz wurde von der zuständigen Ratskommission in ein eigenes Postulat umgewandelt und dergestalt vom Plenum überwiesen.

Parlamentarische Initiativen zur Förderung der Mehrsprachigkeit

Der Nationalrat hat mit der Überweisung eines Postulats der Verständigungskommission den Bundesrat aufgefordert, Möglichkeiten insbesondere im technischen Bereich zu prüfen, wie auch nach Einstellung des Telefonrundspruchs 1997 mindestens ein Radioprogramm in allen drei Amtssprachen in der ganzen Schweiz empfangen werden kann. Er hat damit ein Anliegen der parlamentarischen Initiative Borel (sp, NE) "Drei Sprachen im Radio für alle" an den Bundesrat weitergeleitet, die von Borel verlangte Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) aber abgelehnt. Das RTVG sieht die Abdeckung mit Programmen in drei Sprachen vor, räumt allerdings den Lokal- und Regionalprogrammen Priorität ein. Gemäss Verständigungskommission würde die Erfüllung der Forderung der Initiative die Planungsarbeiten im Bereich der Frequenzzuweisungen des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) in Frage stellen und gewisse Lokalradios verdrängen.

Drei Sprachen im Radio für alle

Die Auswertung der Daten der Volkszählung 1990 zeigte, dass im Zeitraum 1980-1990 mit Ausnahme des Französischen alle Landessprachen an Gewicht verloren haben. Besonders krass ist die Situation beim Rätoromanischen, dessen Anteil von 0,8 auf 0,6% zurückging. Auch das Italienische hat an Einfluss eingebüsst: Mit einem Anteil von 8,9% wurden die Nichtlandessprachen erstmals häufiger als Hauptsprache angegeben als das Italienische (7,6%). Unter den Nichtlandessprachen dominierten die slawischen Sprachen, insbesondere Serbokroatisch, gefolgt von Spanisch, Portugiesisch, Türkisch und Englisch. In der Volkszählung 1990 wurde neu auch nach der Sprachfertigkeit gefragt. Zwei von drei Deutschsprachigen gaben an, im Alltag nur deutsch zu sprechen, und zwar vorwiegend Dialekt. Anders bei den Romands, Tessinern und Rätoromanen: Rund 67% der Welschen bezeichneten sich als mehrsprachig, bei den Tessinern waren es 72% und bei den Rätoromanen 80%.

Anteile der Sprachgruppen: Ergebnisse der Volkszählung 1990

Die sprachliche Zusammensetzung des Personals der allgemeinen Bundesverwaltung hat sich in den letzten Jahren der Verteilung der Sprachgruppen unter den Schweizer Bürgern angepasst: die Deutschsprachigen waren im Dezember 1993 bei einem Bevölkerungsanteil von 73,4% mit einer Quote von 74,4% nur noch geringfügig übervertreten. Diese Entwicklung ist zu einem guten Teil gezielten Massnahmen bei der Rekrutierung zu verdanken. Der Nationalrat überwies eine Motion Comby (fdp, VS), welche verlangt, dass die entsprechenden Weisungen präzisiert und verbindlich erklärt werden, um den Anteil der Nichtdeutschsprachigen weiter zu verbessern.

Weisung zur Förderung der Mehrsprachigkeit
Dossier: Vorstösse zu Sprachminderheiten in der Bundesverwaltung 1990-2000

Der Bundesrat war bereit, eine Motion Comby (fdp, VS) anzunehmen, welche verlangt, dass die Weisungen über die Vertretung der sprachlichen Minderheiten in der Bundesverwaltung von 1983 näher auszuführen, zu ergänzen und für verbindlich zu erklären seien. Er legte Wert auf die Feststellung, dass sich die Vertretung der lateinischen Sprachgemeinschaften in der Bundesverwaltung generell verbessert habe, dass die Anstrengungen aber weiterverfolgt und verstärkt werden müssten. Obgleich die Zielquoten nach Landessprachen heute generell nahezu erreicht seien, bestehe nach wie vor eine Untervertretung der Französischsprechenden in den unteren Lohnklassen, während beim Kader teilweise eine Übervertretung entstanden sei.

Der zweite Punkt der Motion, welcher die Überwachung dieser Massnahme vom Eidgenössischen Personalamt zur Dienststelle für Verwaltungskontrolle des Bundesrates transferieren wollte, wurde auf Antrag der Regierung nur als Postulat überwiesen.

Weisung zur Förderung der Mehrsprachigkeit
Dossier: Vorstösse zu Sprachminderheiten in der Bundesverwaltung 1990-2000

Gegen den Widerstand des Zürcher SD-Vertreters Steffen stimmte der Nationalrat einem Postulat seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur zu, welches den Bundesrat ersucht, dem Parlament innert nützlicher Frist die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen zur Ratifikation zu unterbreiten. Die Schweiz, welche das Abkommen im Oktober in Wien unterzeichnete, erfüllt, ja übertrifft die von der Charta minimal geforderten Schutz- und Förderungsbestimmungen bereits heute.

In einer Vernehmlassung sondierte der Bundesrat die Haltung der Kantone in dieser Frage.

Postulat zur Unterzeichnung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen

Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, verlangte die mit der Vorberatung des Sprachenartikels betraute nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur in einer als Postulat überwiesenen Motion, dass das Bundesgesetz über die Sprachförderung in den Kantonen Graubünden und Tessin unverzüglich in dem Sinn zu revidieren sei, dass zur Stärkung der bedrohten rätoromanischen Sprache erheblich höhere Mittel bereitzustellen sind. Dies nahm die Lia Rumantscha, das Dachorgan der Romanen, zum Anlass, einen acht Punkte umfassenden dringlichen Massnahmenkatalog zu verfassen, welcher von der Bündner Regierung ans EDI weitergeleitet wurde. Angeregt wurde unter anderem eine Stärkung der Schulen in Gemeinden mit vielen fremdsprachigen, d.h. nichtromanischen Schülerinnen und Schülern, die Schaffung eines Institutes für rätoromanische Linguistik und die Realisierung einer rätoromanischen Tageszeitung. Der Bundesrat anerkannte die Dringlichkeit von Massnahmen, vermisste in diesem Forderungskatalog aber den Grundsatz der Subsidiarität, weshalb er entsprechende Verhandlungen mit der Bündner Regierung aufnahm.

Dringlicher Massnahmenkatalog zur Erhaltung des Rätoromanischen