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Im Jahr ihres 150-jährigen Bestehens bemühte sich die Schweizerische Bischofskonferenz um Einheit. In einem Vademecum für die Zusammenarbeit der katholischen Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften in der Schweiz erinnerte sie die Körperschaften an ihre Funktion als kirchenstaatliche Administrationen. In diesem Sinne sei eine Bezeichnung von Körperschaften als Landeskirchen oder Kantonalkirchen nicht zulässig, da es nur eine katholische Kirche gebe. Das Bistum Chur liess verlauten, eine klare Abgrenzung zwischen Kirche und Körperschaften sei gerade im Hinblick auf aktuelle Geschehnisse wie die Pfarrei-Initiative und kantonale Bestrebungen zur Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen zentral. Des Weiteren bemängelten die Schweizer Bischöfe die Befristung der Amtszeit resp. die Wiederwahl von Pfarrern in einigen Körperschaften. Der Bischof setze einen Pfarrer auf unbestimmte Dauer ein und eine Widerhandlung gegen diese Ernennung sei als unzulässiger Verstoss gegen die Religionsfreiheit zu werten. Dies und die Vorschläge der SBK, Schweizer Bischöfe bei der Verteilung der Kirchensteuern wie auch bei der Wahl von Gemeindeleitern stärker miteinzubeziehen, provozierten ablehnende Reaktionen von Seiten der Körperschaften und Initianten der Pfarrei-Initiative.

Zusammenarbeit der katholischen Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften

Die Kirchensteuer für juristische Personen gelangte auch im Berichtsjahr auf die politische Agenda einzelner Kantone. In den Kantonen Graubünden und Zürich stehen Abstimmungen zu Volksinitiativen bevor, welche die Aufhebung dieser Steuer fordern. Darüber hinaus gab die Staatskanzlei des katholisch geprägten Kantons Nidwalden im Juni des Berichtsjahrs das Zustandekommen eines ähnlich lautenden Volksanliegens bekannt. Ende Jahr zogen die Initianten ihr Anliegen jedoch wieder zurück, mit der Begründung, im Moment könne im Kanton keine Mehrheit für das Begehren gefunden werden.

Kirchensteuer für juristische Personen

Im Juni gab der Evangelische Kirchenbund (SEK) einen Vorentwurf zur Neustrukturierung der evangelischen Kirche bis Ende November in die Vernehmlassung. Um den Mitgliederschwund aufzuhalten, soll anstelle der Dachorganisation SEK eine nationale Evangelische Kirche in der Schweiz (EKS) mit dem Ziel „Einheit in der Vielfalt“ gegründet werden. Eine einmal jährlich tagende, von den kantonalen Synoden gewählte, nationale Synode soll neu gemeinsame Positionen und Strategien verabschieden. Ein neunköpfiger Rat als Exekutive sowie ein Ratspräsident, der mit gewissen bischofsähnlichen Aufgaben betraut wäre, soll die dreigliedrige Kirchenleitung komplettieren. Erste, im November bekannt gewordene Positionen einzelner Kantonalkirchen äusserten ihre grundsätzliche Unterstützung zur Schaffung von mehr Einheit. Letzteres solle jedoch eher in Form eines „Staatenbundes“ realisiert werden. Den Verfassungsentwurf lehnten verschiedene Kantonalkirchen aus Angst vor übermässiger Zentralisierung ab. Der Vernehmlassungsbericht wird im Frühjahr 2014 folgen.

Neustrukturierung der evangelischen Kirche

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Zürcher Katholiken durch den Kanton wurde die Kirchenführung des Bistums Chur vom Zürcher Justizdirektor Martin Graf (ZH, gp) beanstandet. Graf bezeichnete den Churer Bischof wegen dem Festhalten am Zölibat, der Verweigerung der Priesterweihe für Frauen und der Wiederverheiratung von geschiedenen Personen sowie der Nichtanerkennung gleichgeschlechtlicher Paare als rückständig und dessen Positionen als den Grundrechten widersprechend. Im Sommer brachten die Zürcher Katholiken ein altes Begehren wieder auf den Tisch und forderten durch die erneute Einreichung eines Gesuchs bei der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) die Ablösung von Chur und die Schaffung eines Bistums Zürich. Als Auslöser für die Wiederbelebung des zum letzten Mal in den späten 80er Jahren diskutierten Anliegens wurde unter anderem die aktuelle Kirchenführung durch Bischof Huonder genannt. Letzterer zeigte sich im Dezember grundsätzlich offen für die Gründung eines Zürcher Bistums. Im Frühjahr des kommenden Jahres will er in Gesprächen mit dem Apostolischen Nuntius und den Zuständigen in Rom die Lage abschliessend beurteilen.

Wolfgang Haas alleiniger Leiter des zweitgrössten Schweizer Bistums

Mehr als 500 Seelsorger und Sympathisanten überbrachten Mitte Januar dem Bistum Chur eine Erklärung zur im Vorjahr von Seelsorgern der Bistümer Basel, Chur und St. Gallen lancierten Pfarrei-Initiative, worin sich die Unterzeichnenden für eine liberale Kirchenpraxis aussprechen und zum Ungehorsam gegen die Kirchenführung in Rom aufrufen. Die Abwesenheit des Churer Bischofs Huonder bei der Übergabe der von ihm geforderten Erklärungen sowie die durch den Generalvikar erfolgte Verteilung von USB-Sticks mit wesentlichen Lehrsätzen der katholischen Kirche stiessen bei den Auflehnenden auf Abneigung. Während Huonder in einer Stellungnahme kundtat, die Initiative sei nicht mit der katholischen Lehre vereinbar und wer nach ihren Prinzipien leben wolle, solle dies nicht länger im Auftrag der Kirche tun, legten die Bischöfe der Bistümer Basel und St. Gallen trotz Ablehnung des Anliegens durch die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) eine höhere Bereitschaft zum Dialog an den Tag. Felix Gmür, Bischof des Basler Bistums, traf sich im Frühjahr mit über 230 Seelsorgern und teilweise Unterzeichnern der Initiative und beschloss die Weiterführung der Gespräche unter dem Titel „Pastoraler Entwicklungsplan im Dialog“. Im Juli wurden die drei Bischöfe aufgrund der mittlerweile durch über 540 Seelsorger und 1000 Sympathisanten unterzeichneten Pfarrei-Initiative nach Rom geladen, wo die Verbindlichkeit der katholischen Lehre wie sie in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils festgehalten ist, bekräftigt wurde. Somit stelle sich die Kirche explizit gegen die Ausübung kirchlicher Dienste durch Laien wie auch gegen die Aufhebung des Zölibats, was zwei zentralen Forderungen der Initiative entspreche, liess das Bistum Chur verlauten. Im Bistum Basel indes versicherte man die Fortsetzung des im Frühjahr lancierten Dialogs. In beiden Basel sind darüber hinaus zwei Gleichstellungsinitiativen hängig, welche die Aufhebung des Zölibats und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt fordern. In Kritik geriet der Churer Bischof Vitus Huonder im Berichtsjahr des Weiteren durch einen rund zehnminütigen Beitrag in der „Rundschau“ des SRF zum Umgang des Bistums mit der Pfarrei-Initiative. Huonder kritisierte die Sendung daraufhin stark wegen in Umlauf bringen von Falschmeldungen und legte Beschwerde ein. Konkret wehrte er sich gegen die Darstellung, bei der Pfarrei-Initiative handle es sich um einen von ihm alleine geführten Kampf sowie gegen die Aussage, er sei aufgrund seines Führungsstils nach Rom berufen worden. SRF wies die Vorwürfe zurück. Man habe mehrmals vergeblich versucht, Bischof Huonder zu einer Stellungnahme zu bewegen und der Fokus auf Huonder erkläre sich mit der geringen Gesprächsbereitschaft des Bischofs im Gegensatz zu den anderen beiden betroffenen Bischöfen. Im Mai gab die SRG-Ombudsstelle Huonder jedoch in beiden Punkten recht.

„Pfarrei-Initiative“

Im September des Berichtjahres wurde eine schweizerische „Pfarrei-Initiative“ lanciert. Diese sollte deutlich machen, wo die katholische Kirche tatsächlich steht und wo sie hinwill. Die Pfarrei-Initiative richtete sich in erster Linie an die Bischöfe, welche dadurch zu Reformen und Gesprächen gezwungen werden sollten. Mit dem Text sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass die seelsorgerische Praxis in den Pfarreien längst nicht mehr den offiziellen Vorgaben der Kirche entspräche. So wurde beispielsweise betont, dass die Kommunion mit allen geteilt werde – egal, ob geschieden oder homosexuell. Ausserdem werde und solle zukünftig weiterhin die Predigt auch von theologisch gebildeten Frauen gehalten werden können. In kürzester Zeit kamen über 200 Unterschriften zustande, was den Druck auf die Bischöfe in der Schweiz erhöhen sollte. Obwohl sich die Initianten im November des Berichtjahres mit drei Schweizer Bischöfen zur Aussprache trafen, blieben die Fronten bis zum Ende des Berichtjahres verhärtet.

„Pfarrei-Initiative“

Im August des Berichtjahres bestätigte das Bundesgericht die Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche. Ein Austritt aus der Landeskirche ohne gleichzeitige Abkehr von der katholischen Weltkirche ist weiterhin möglich. Somit kann der katholische Glauben beibehalten werden auch wenn keine Kirchensteuern mehr bezahlt werden. Begründet wurde dieser Entscheid dadurch, dass andernfalls das Grundrecht der Religionsfreiheit verletzt würde. Die Schweizer Bischofskonferenz verzichtete darauf, eine einheitliche Regelung zu beschliessen, wie mit den partiellen Austritten umzugehen sei. Dies solle jedem Bistum selber überlassen bleiben.

Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“ entstanden in den letzten fünf Jahren insgesamt 28 Studien, welche im Juli des Berichtjahres in Form einer Synthese vorgestellt wurden. Die zentrale Erkenntnis aus dem NFP 58 war, dass sich in der Schweiz zusehends ein religiöser Graben zwischen der Politik und der säkularisierten Bevölkerung öffnet. Die Religion sei einerseits in den öffentlichen Debatten stark präsent, im privaten Leben der meisten Menschen werde sie aber immer unwichtiger. Indes verbinden die öffentlichen Debatten die Religion meist mit kontroversen anderen Themen wie etwa mit politischen Konflikten oder Migrationsproblemen. Ausserdem ergab eine Umfrage unter lokalen Verantwortlichen aller religiösen Gemeinschaften in der Schweiz, dass Frauen in muslimischen Gemeinden oft mehr Einfluss haben als Katholikinnen, Frauen in Freikirchen oder orthodoxen Jüdinnen. Dies rühre daher, dass Frauen beispielsweise bei Aleviten und Sufis mehr Möglichkeiten hätten, in spirituelle Führungspositionen aufzusteigen als dies bei Neuapostolen oder konservativen Freikirchen der Fall sei. Sehr offen gegenüber Frauen waren gemäss den Umfrage-Ergebnissen Reformierte, Christkatholiken, liberale Juden, Buddhisten und Hindus.

Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“

Das Bundesamt für Statistik veröffentlichte im Juni des Berichtjahres die Daten der jährlichen Strukturerhebung. Gemäss dieser war die römisch-katholische Kirche zwar immer noch die grösste Konfessionsgruppe der Schweiz, allerdings hat sie seit dem Jahr 1990 um 6.4 Prozentpunkte abgenommen. Auch die evangelisch-reformierte Kirche hat an Bindekraft verloren und beide Landeskirchen haben mit einer Überalterung der Anhängerschaft zu kämpfen. Parallel dazu hat sich die Anzahl der Konfessionslosen beinahe verdoppelt.

Strukturerhebung

Für zahlreiche Schlagzeilen sorgte auch in diesem Jahr der konservative Bischof Vitus Huonder. Zu Beginn des Berichtjahres wurde ihm vorgeworfen, er verschärfe den aktuellen Priestermangel anstatt diesen zu bekämpfen. Diese Vorwürfe rührten daher, dass der Bischof zwei ehemaligen Priesteramtskandidaten nicht die kirchliche Beauftragung als Laientheologen erteilen wollte. Im Februar errichtete Bischof Huonder zwei Personalpfarreien, was ebenfalls grosse Kritik hervorrief. Personalpfarreien vereinigen ihre Mitglieder – anders als territoriale Pfarreien – aufgrund gemeinsamer Sprache, Bedürfnisse oder Nationalität. Mit diesem Schritt wurden die Traditionalisten aufgewertet und die Angst von einer „Kirche in der Kirche“ geschürt. Für die grösste Empörung schliesslich sorgte ein Hirtenbrief Huonders in welchem er forderte, dass Geschiedene, welche wieder heiraten, von den Sakramenten ausgeschlossen werden sollten. Viele Seelsorger warfen dem Bischof mangelnde Barmherzigkeit vor und konnten diese Forderung nicht unterstützen, weshalb sie darauf verzichteten, den Hirtenbrief in der Messe vorzulesen.

Bischof Vitus Huonder

Der Freiburger Dominikaner Charles Morerod wurde im November zum neuen Bischof von Freiburg (Diözese Lausanne-Genf-Fribourg) ernannt. Er folgt auf den im September 2010 im Amt verstorbenen Bernard Genoud.

Bischof von Freiburg

Auf Mehrheitsantrag seiner Aussenpolitischen Kommission (APK) wies der Nationalrat eine Petition der Arbeitsgemeinschaft Religionsfreiheit mit dem Titel „Volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung für Christen in islamischen Ländern“ mit 177 zu 66 Stimmen ab. Neben der geschlossen stimmenden SVP, vermochten sich nur einige Vertreter der CVP- und SP-Fraktionen für das Anliegen erwärmen. Die Petitionäre hatten zum einen verlangt, dass der Bundesrat sich für die volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Christen in islamischen Ländern verwende. Zum anderen hatten sie gefordert, dass der Schweiz die Unterzeichnung internationaler Abkommen nur noch mit jenen Ländern erlaubt sein soll, die den Minderheitenschutz verfassungs-, allenfalls vertragsrechtlich garantierten.

volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Christen

Mit umstrittenen Personalentscheiden und Demissionen wichtiger Amtsträger geriet das konservativ geleitete Bistum Chur in die Schlagzeilen. Bischof Vitus Huonder forcierte Anfang des Berichtsjahrs seine seit 2008 gehegte Absicht, den Kirchenrechtler Martin Grichting zu einem der beiden seit 1993 im Bistum Chur amtierenden Weihbischöfen ernennen zu lassen. Bei den staatskirchenrechtlichen Institutionen seines Bistums stiess er damit auf Unverständnis, Kritik und erfolgreiche Gegenwehr. Die beabsichtigte Ernennung Grichtings, der u.a. die Abschaffung der Kirchensteuer fordert und die staatskirchenrechtlichen Strukturen der Schweiz grundlegend hinterfragt, kam nicht zustande. Als Reaktion auf weitere umstrittene Personalentscheide kritisierten mehrere Amtsträger des Bistums öffentlich die Kirchenführung. Beide Lager suchten in der Folge die Vermittlung des Vatikans. Die Vereinigung der Kantonalkirchen des Bistums Chur erwog dabei gar, die Schweizer Landesregierung um eine Intervention in Rom zu bitten. Die Schweizerische Bischofskonferenz stützte Huonder, stellte sich in der Frage der Kirchensteuer aber dezidiert hinter die Kantonalkirchen und die Kirchgemeinden.

Bistum Chur

Im Herbst wurde aufgrund zweier durch Freidenker provozierten Vorfällen eine nationale Debatte über die Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum lanciert. Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) reichte daraufhin eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher sie Klarheit über solche Fragen schaffen will. Das Geschäft will in der Bundesverfassung verankern, dass christlich-abendländische Symbole in der Öffentlichkeit generell zulässig sein sollen.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

Im November wurde der Luzerner Felix Gmür, Generalsekretär der Bischofskonferenz, als neuer Bischof des Bistums Basel vorgestellt. Er tritt in die Fussstapfen von Bischof Kurt Koch, welcher kurz zuvor in Rom zum Kardinal geweiht wurde.

neuer Bischof des Bistums Basel

Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) wählte im Juni den Berner Theologen Gottfried Locher als Nachfolger des noch bis Jahresende amtierenden Präsidenten Thomas Wipf. Gewählt wurde Locher im zweiten Wahlgang mit Unterstützung von Abgeordneten aus der Romandie. Der einzige westschweizer Kandidat zog seine Kandidatur als Drittplatzierter nach dem ersten Wahlgang zurück.

Gottfried Locher

Die Aufdeckung diverser Fälle von sexuellen Übergriffen in der katholischen Kirche entfachte im Berichtsjahr eine hitzige Debatte. Auf Protest stiess insbesondere die Aussage der römisch-katholischen Kirche, dass sie es den Missbrauchsopfern selbst überlasse, Anzeige zu erstatten. Von verschiedensten Seiten wurde von der Kirche daraufhin eine aktivere Rolle in dieser Frage gefordert. An der ordentlichen Schweizer Bischofskonferenz Anfangs Juni wurde schliesslich eine Anzeigepflicht bei bestehendem Verdacht auf sexuellen Missbrauch beschlossen. Zudem betonten die Bischöfe die Wichtigkeit eines verbesserten Informationsflusses zwischen den Bistümern. Ein Priester könne nur noch eingestellt werden, wenn ein lückenloser, schriftlicher Leumund vorläge. Die Diskussion um Pädophilie im Priestertum liess darüber hinaus Stimmen laut werden, welche eine Modernisierung der katholischen Kirche forderten. So wurden im Berichtsjahr Diskussionen zur Abschwächung der Zölibatsregel und zur Ordination von Priesterinnen lanciert.

Anzeigepflicht bei bestehendem Verdacht auf sexuellen Missbrauch

Im Vorjahr war einmal mehr ein Streit zwischen der katholischen Kirchenbasis und einer romtreuen Bistumsleitung eskaliert. Dabei geht es immer wieder um die Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat. Das Bistum Basel hatte dem etwas obrigkeitskritischen Priester der Gemeinde Röschenz (BL) die „Missio canonica“, also das Recht, Sakramente zu erteilen, entzogen, und wollte damit die Kirchgemeinde zwingen, den allseits beliebten Pfarrer zu entlassen. Diese war ans Kantonsgericht gelangt, welches befand, der Entzug der „Missio“ sei eine innerkirchliche Angelegenheit, welche auf ein zivilrechtliches Arbeitsverhältnis keinen Einfluss habe, insbesondere da dem Priester das rechtliche Gehör verweigert worden sei. Der Basler Bischof wies das Urteil als unzulässige Einmischung in die Belange des Bistums und als befangen zurück, verzichtete aber auf einen Rekurs ans Bundesgericht. Er erklärte den Medien, dass er den Vatikan informiert habe und drohte offen mit einer Trennung von katholischer Kirche und Staat.

zwischen Kirche und Staat

In der Fragestunde der Wintersession nahm der Bundesrat zur Frage von Weihnachtsfeiern an Schulen Stellung. Nationalrat Hess (sd, BE) hatte dazu Auskunft verlangt. Er wollte wissen, ob es dem Bundesrat ein Anliegen sei, Weihnachten in der Schule als Teil des abendländischen Brauchtums zu pflegen. Im Namen der Landesregierung vertrat Bundesrat Couchepin die Ansicht, die Schulen sollten Weihnachten feiern können; wer in der Schweiz geboren werde, solle die christliche Kultur kennen lernen. Sukkurs erhielt der Bundesrat gleichentags von islamischen Organisationen in der Schweiz, die dazu aufriefen, christliche und besonders weihnachtliche Traditionen nicht aus den Schulzimmern zu verbannen. Ein solches Ansinnen sei unangemessen und diene dem religiösen Frieden nicht. Der Zentralpräsident des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) relativierte das Problem und sagte, die meisten schulischen Anlässe seien ohnehin Jahresabschlussfeiern ohne religiösen Charakter. Handle es sich aber um Feiern mit christlichem Charakter, sei es richtig, Dispensationsgesuche von Schülerinnen und Schülern anderer Glaubensrichtungen zu bewilligen.

Antwort des Bundesrates auf Frage von Weihnachtsfeiern an Schulen schlägt hohe Wellen

In der katholischen Kirchgemeinde Röschenz (BL) erreichte ein seit längerem schwelender Streit zwischen Kirchenbasis und Bistum Basel, gewissermassen eine kleine «causa Haas basiliensis», eine neue Dimension. Erneut ging es um das Verhältnis zwischen übergeordneter Kirchenbehörde und Basis, damit auch indirekt um das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Staat resp. Zivilgesellschaft. Seit längerem schon hatte das Bistum versucht, den fortschrittlichen Gemeindepfarrer zu disziplinieren und hatte ihm schliesslich die «Missio canonica», das Recht, die Sakramente zu spenden, in der katholischen Kirche die Voraussetzung für eine Anstellung als Pfarrer in einer Kirchgemeinde, entzogen. Die Basis hatte sich aber stets geschlossen hinter ihren Pfarrer gestellt. Im Juni nun verfügte der Landeskirchenrat, die Gemeinde müsse den Pfarrer entlassen. Diese weigerte sich und appellierte ans Kantonsgericht.

Streit zwischen Kirchenbasis der katholischen Kirchegemeinde Röschenz und dem Bistum Basel

In Genf öffnete das Internationale Reformationsmuseum, das mit privater Unterstützung gegründet worden war, seine Tore. Da die Reformation in Genf den Grundstein zur Trennung von Kirche und Staat gelegt hatte, konnten die Initianten nicht mit öffentlichen Geldern rechnen.

Erföffnung des Internationalen Reformationsmuseum in Genf

Vertreter von zehn schweizerischen Kirchen (des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, der römisch-katholischen Bischofskonferenz, der Christkatholiken, der Methodisten, der Baptisten, der Heilsarmee, der Lutheraner, der Griechisch- und der Serbisch-Orthodoxen sowie der Anglikaner) unterzeichneten in einem Gottesdienst in St-Ursanne (JU) die Charta Oecumenica. Das auf europäischer Ebene entstandene Dokument beinhaltet die Selbstverpflichtung, an der Gemeinschaft der Kirchen weiterzuarbeiten und gemeinsam Verantwortung für Versöhnung, die Bewahrung der Schöpfung und das Zusammenleben der Religionen wahrzunehmen und insbesondere dem nationalistischen Gebrauch von Religion entgegenzutreten. Besondere Bedeutung komme dem Dialog mit dem Judentum, der Wertschätzung der Muslime und dem Engagement für die individuelle und kollektive Religionsfreiheit zu.

Schweizerische Kirchen unterschreiben die Charta Oecumenica

Papst Johannes Paul II nahm die Einladung der Schweizerischen Bischofskonferenz an, Anfang Juni ein Jugendtreffen in Bern zu besuchen. Bei seiner Ankunft auf dem Militärflughafen Payerne (VD) wurde er von Bundespräsident Deiss, Bundesrätin Calmy-Rey und Bundesrat Schmid empfangen. Anlässlich dieses Besuches normalisierte die Schweiz auch ihre diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. 1873, auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes, war der päpstliche Gesandte aus der Schweiz ausgewiesen worden. Erst 1920 war wieder eine Nuntiatur in Bern errichtet worden, doch hatte der Bundesrat aus Rücksicht auf die protestantische Bevölkerung auf die Eröffnung einer schweizerischen Vertretung beim Heiligen Stuhl verzichtet. 1991 hatte er in Folge der Auseinandersetzungen um den Churer Bischof Wolfgang Haas einen «Botschafter in Sondermission» beim Vatikan ernannt, dessen Titel nun in jenen eines ordentlichen Gesandten umgewandelt wurde.

Papst Johannes Paul II zu Besuch bei einem Jugendtreffen in Bern

Nur in wenigen Ländern Europas wird bei Volkszählungen die Frage nach der Religionszugehörigkeit gestellt. Das Bundesamt für Statistik hält aber weiter daran fest, weil sie ein wichtiger Indikator für Einstellungen, Werte und das Verständnis des sozialen Wandels sei. Die definitiven Zahlen der Volkszählung 2000 zeichneten denn auch das Bild einer rasch sich verändernden Gesellschaft. Zwischen 1990 und 2000 verloren die beiden grossen Landeskirchen 363'000 Mitglieder. Noch knapp 42 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung bezeichneten sich als römisch-katholisch (1990: 46.2%), 33 Prozent (38.5%) als evangelisch-reformiert. Die Freikirchen und übrigen protestantischen Gemeinschaften blieben mit einem Anteil von 2.2 Prozent stabil, ebenso die Angehörigen der jüdischen Glaubensgemeinschaft und der Christkatholiken (je 0.2%). 11 Prozent gaben an, zu keiner Konfession zu gehören. 1990 waren es erst 7.4 Prozent und 1970 lediglich 1.1 Prozent gewesen. Der Anteil der Konfessionslosen ist besonders hoch bei den 30- bis 50-Jährigen, und er ist bei Männern höher als bei Frauen. In städtischen Gebieten gibt es doppelt so viele Konfessionslose wie auf dem Land, und in der Westschweiz ist deren Anteil wesentlich höher als in der Deutschschweiz und im Tessin (GE: 23%; NE: 22%). Gemäss BFS zieht sich ein Bogen der starken Säkularisierung von Genf hinauf über die Waadt, Neuenburg, die Region Solothurn-Basel, den Aargau, die Stadt Zürich nach Schaffhausen.

Seit der Volkszählung von 1990 hat sich in Folge der Zuwanderung vor allem aus den Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens der Anteil neuer Religionsgruppen auf 7 Prozent verdoppelt. Besonders zugelegt hat der Anteil von Angehörigen islamischer Glaubengemeinschaften (rund 4.3%). Ebenfalls steigend, wenn auch auf niedrigerem Niveau, ist der Anteil von Mitgliedern christlich-orthodoxer Kirchen (1.8%), von Hindus (0.4%), Buddhisten (0.3%) und Anhängern synkretistischer Glaubengemeinschaften. Die neuen Religionsgruppen konzentrieren sich in der Nordwestschweiz, im Grossraum Zürich und in der Ostschweiz. Im Kanton St. Gallen beträgt ihr Anteil 9.8 Prozent, im Thurgau 8.5 Prozent. Aufgrund dieser Entwicklung sowie der geographischen Mobilität und der Zunahme von Mischehen hätten sich die religiösen Grenzen in der Schweiz aufgelöst, stellte das BFS fest. In einem breiten, mehrheitlich städtischen Gürtel, der vom Genfersee entlang der Jurakette bis zum Bodensee und ins St. Galler Rheintal reicht, gebe es keine deutlich dominierenden Kirchen mehr.

Religiöse und konfessionelle Auswertung der Volkszählung 2000

Angesichts der Ergebnisse der Volkszählung nahm der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) seine bereits in Zusammenhang mit der Volksabstimmung über die Abschaffung des Bistumsartikels erhobene Forderung nach einem eigentlichen Religionsartikel in der Bundesverfassung wieder auf. Aus Sicht des SEK ist Religion zwar eine persönliche Angelegenheit, in einem pluralistischen Staat aber nicht nur Privatsache; Religion habe auch einen Gemeinschaftsbezug und Öffentlichkeitsanspruch. Er schlug eine Erweiterung von Art. 15 BV vor, der die individuelle Glaubens- und Gewissensfreiheit regelt. Neu sollen die Religionsgemeinschaften das Recht erhalten, frei zu lehren und zu wirken, sich nach ihrem Selbstverständnis zu organisieren und ihre Angelegenheiten selber zu regeln. In Art. 72 BV, wonach die Kantone für die Beziehungen zwischen Kirchen und Staat zuständig sind, soll der Bund als «Hüter der Toleranz» stärker eingebunden werden. Mit dem neuen Religionsartikel möchte der SEK die christlich-abendländische Prägung der schweizerischen Kultur bejahen, gleichzeitig aber die Weiterentwicklung der kulturellen und religiösen Identität ermöglichen. Entgegen früheren Erwägungen will der SEK aber zumindest vorderhand auf die Lancierung einer entsprechenden Volksinitiative verzichten.

Schweizerische Evangelische Kirchenbund fordert einen Religionsartikel in der Bundesverfassung