Die Wettbewerbskommission (Weko) nahm die Tessiner Presselandschaft ins Visier, nachdem der Verdacht aufgekommen war, die dort bis anhin vor Fusionsstürmen verschont gebliebenen Zeitungen hielten sich mit Preisabsprachen am Leben. Laut Weko war es nicht Ziel der Untersuchung, auf die Anzahl der Zeitungstitel Einfluss zu nehmen, sondern die Abonnements- und Inseratepreise zu überprüfen. So haben die drei grossen Tageszeitungen „Corriere del Ticino“, „La Regione“ und „Giornale del Popolo“, die den südschweizerischen Inseratemarkt via Publigroup im Pool „Tre Top Ticino“ bewirtschaften, ihre Verkaufspreise seit 1993 (mit Ausnahme von 1995) immer gleichzeitig und um den gleichen Betrag angehoben. Praktisch identisch waren bei allen drei Titeln auch die Inseratepreise.

Gemäss den durch die AG für Werbemedienforschung (Wemf) erhobenen Daten konnten die Schweizerischen Tageszeitungen trotz der Turbulenzen auf dem globalisierten Medienmarkt weiterhin auf die Treue ihrer Leserschaft zählen. Selbst im Mehrjahresvergleich über sechs Jahre ergab sich ein Bild stabiler Verhältnisse. Nur bei wenigen Blättern waren Gewinne oder Verluste auszumachen; Bewegungen ergaben sich aber dort, wo Fusionen oder Übernahmen von Zeitungstiteln erfolgten – ein Hinweis darauf, dass der Konzentrationsprozess in der Schweizer Presse noch nicht zu Ende war. Der „Blick“ musste vor allem in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einen starken Schwund hinnehmen. Eine leichte Erholung war bei der arg gebeutelten „Weltwoche“ auszumachen. Hingegen konnte „Le Temps“ als Fusionsprodukt aus „Nouveau Quotidien“ und „Journal de Genève“ nicht die Leserschaft seiner beiden Vorgänger halten.

Eine vierte Verhandlungsrunde über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für Journalistinnen und Journalisten wurde anfangs des Berichtsjahres abgebrochen, da die Forderungen der Verlegerorganisation Verband Schweizer Presse, die Lohnverhandlungen seien von den Verbänden an die Betriebe zu delegieren, und die nur gelegentlich freischaffenden Journalistinnen und Journalisten vom Vertrag auszuschliessen, bei der Gewerkschaft Comedia und dem SVJ auf Ablehnung stiessen. Erst im Dezember – nach über einjährigen Verhandlungen – einigten sich Gewerkschaften sowie Zeitungs- und Zeitschriftenverleger auf einen neuen, für Journalistinnen und Journalisten der Deutschschweiz und des Tessins geltenden GAV. Der ab Mai 2000 in Kraft tretende Vertrag enthält regional abgestufte Minimallöhne und honorare, neue Kompensationsregelungen für regelmässige Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Weiterbildungsmassnahmen. Neu wurde dem GAV auch das technische Personal der Redaktionen unterstellt. Eine Zustimmung der beteiligten Verbände stand Ende Jahr noch aus.

Ab Dezember warb die Gratiszeitung „20 Minuten“ allmorgentlich um die Gunst der Pendlerinnen und Pendler auf dem Netz der Zürcher S-Bahn und der städtischen Verkehrsbetriebe. Die Pendlerzeitung aus dem norwegischen Verlagshaus Schibsted entspricht einer Schnelllesezeitung, bilderreich und vierfarbig aufgemacht. Mit einer Startauflage von 100 000 Exemplaren wurde die Zeitung vorerst von 200 Handverteilerinnen und -verteilern unter die Leute gebracht, welche mittelfristig durch Zeitungsboxen ersetzt werden sollten. Die Eile, mit welcher die ursprünglich erst für Februar 2000 angekündigte Erstausgabe von „20 Minuten“ auf den Markt geworfen wurde, stand im Zusammenhang mit der Absicht des schwedischen Medienkonzerns Modern Times Group, wie schon in mehreren anderen europäischen Städten ab 2000 auch in Zürich die Pendlerzeitung „Metro“ herauszugeben. Der schwedische Konkurrent konnte einen erheblichen Vorteil für sich verbuchen, da er sich per Vertrag mit der SBB das exklusive Recht gesichert hatte, auf den Bahnhofarealen das Gratisblatt zu verteilen. Zusätzliche Konkurrenz erwuchs „20 Minuten“ durch den von der TA Media AG und der NZZ gemeinsam herausgegebenen „Zürich-Express“, der seit Ende August in trendiger Aufmachung das „Tagblatt der Stadt Zürich“ ersetzte. Ob der Raum Zürich genügend Platz für drei Gratiszeitungen bietet, blieb Ende Jahr noch unklar.

Ein jähes Ende fand im Mai der Gratisanzeiger „Züri Woche“, welcher wegen ungenügender Rentabilität eingestellt wurde. Das 1982 aus dem „Züri-Leu“ hervorgegangene Blatt mit einer Auflage von 250 000 hatte als Flaggschiff unter den Deutschschweizer Gratiszeitungen gegolten [18]. Nicht wirklich glücken wollte der Aufstieg der „Aargauer Zeitung“ (AZ) zu einem der führenden Titel der Schweiz, den diese seit ihrer Gründung im Jahre 1996 anstrebte. Die heterogenen, stark föderalistischen Strukturen des Kantons hatten verhindert, dass sich die aus einer Fusion von „Aargauer Tagblatt“ und „Badener Tagblatt“ hervorgegangene Tageszeitung mit einer Auflage von knapp 120 000 zur verbindenden Klammer entwickeln konnte. So versuchte die AZ dank regionalen „Zeitungen in der Zeitung“ die Leser und Inserentinnen im Kanton zurückgewinnen: Mit einer Investition von 15 Mio Fr. strukturierte sie im Berichtsjahr ihr Angebot neu und erhöhte die Anzahl Regionalausgaben von fünf auf neun. Der Ausbau der Regionalteile bescherte den Regionen Brugg-Windisch, Lenzburg-Seetal, Wynental-Suhrental und Bremgarten-Mutschellen eine Zeitung mit einem eigenen regionalen Bund. In der Region unteres Aaretal lancierte die AZ im November ihre zehnte Splitausgabe.

Ein Genfer Versuch, das Sonntagsblatt „Info Dimanche“ als zweite, vom Verlagshaus Edipresse unabhängige Westschweizer Sonntagszeitung neben „Le Matin Dimanche“ zu etablieren, scheiterte. Edipresse hielt mit dem auflagenstarken „Le Matin Dimanche“ (200 000 Exemplare) seit dem Verschwinden von „La Suisse“ im Jahre 1994 die einzige Sonntagszeitung in der Romandie. Das im Mai 1998 gegründete „Info Dimanche“ musste nach knapp einem Jahr trotz finanzieller Mitwirkung von Kanton und Stadt Genf Konkurs anmelden. Die Überschuldung der Zeitung wurde auf zwei Mio Fr. geschätzt. Eine zweite Sonntagszeitung erhielt die Westschweiz Ende Jahr aber doch noch: „dimanche.ch“ aus dem Hause Ringier startete mit einer Auflage von 50 000 Exemplaren und einer schmal besetzten Redaktion. Zuweilen wurden Zweifel daran geäussert, ob der preislich und redaktionell im Billigsegment arbeitende „dimanche.ch“ mit einem Team von nur 13 Mitarbeitenden als alleiniger Konkurrent zu „Le Matin Dimanche“ mehr als blosses Weiterverarbeiten von bestehendem Material anderer Ringier-Redaktionen bieten könne.

Einem harten Überlebenskampf mussten sich einige unabhängige Pressetitel stellen: Im Dezember erschien die Luzerner Wochenzeitung „Luzern heute“ zum letzten Mal. Gegründet als Antwort auf die Fusion von „Luzerner Zeitung“ und „Luzerner Neuste Nachrichten“ zur „Neuen Luzerner Zeitung“, hatte sich das vor allem von rot-grünen Politikerinnen und Politikern sowie Gewerkschaftsvertretern getragene Blatt zur eigenständigen Zweitzeitung entwickelt. Die Auflage blieb weit unter den angestrebten 5000 Exemplaren, und das Defizit belief sich im Berichtsjahr auf 200 000 Fr. Die „Zuger Presse“, welche ein halbes Jahr nach „Luzern heute“ als dreimal pro Woche erscheinendes Blatt gestartet war, verzeichnete ebenfalls hohe Verluste und eine stagnierende Auflage. Obwohl der Weiterbestand für 2000 gesichert schien, äusserte sich Herausgeber Josef Speck pessimistisch zum langfristigen Fortbestehen der parteiunabhängigen Forumszeitung.

Ende Dezember schien das Überleben des Genfer „Le Courrier“ als einzige linke Tageszeitung der Schweiz vorerst gesichert zu sein: Die 400 für das Blatt existentiell wichtigen Neuabonnenten hatten vor Jahresende doch noch gefunden werden können. „Le Courrier“ war in den 90er Jahren zur Plattform der Genfer Linken geworden. Unter der Leitung von Chefredaktor Patrice Mugny, der im Juni des Berichtsjahres die Zeitung verliess, um als Nationalratskandidat der Genfer Grünen voll in die Politik einzusteigen, hatte „Le Courrier“ seine Abonnentenzahl verdoppeln können. Mugnys Nachfolger, Manuel Grandjean, trat nun kein einfaches Erbe an: Mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren, einem Budget von 3,3 Mio Fr. und einem Defizit von 650 000 Fr. im Jahr 1998 stand dem Blatt seit längerem das Wasser bis zum Hals. Aus Kostengründen kündigte „Le Courrier“ unter Grandjean die Zusammenarbeit mit der Freiburger „Liberté“ im redaktionellen und drucktechnischen Bereich auf.

Die Neuenburger Tageszeitungen “L’Express“ und „L’Impartial“ schlossen sich auf juristischer und finanzieller Ebene zur „Société Neuchâteloise de Presse SA“ zusammen. Damit wurde die im Sinne einer schrittweisen Fusion bereits 1996 auf technischer und redaktioneller Basis eingeleitete Kooperation der beiden Blätter abgeschlossen.

Definitiv eingestellt wurde die Wochenzeitung „Sport“. Die Basler Mediengruppe hatte als Herausgeberin gemäss eigenen Angaben keine Lösung gefunden, um die arg defizitäre Zeitung am Leben zu halten.

Entwicklungen in der Presselandschaft Schweiz