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Jahresrückblick 2021: Rechtsordnung

Das erste Halbjahr 2021 stand im Zeichen von drei Volksabstimmungen, die die öffentliche Debatte im Bereich der Rechtsordnung prägten. Am 7. März 2021 kamen die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und das E-ID-Gesetz zur Abstimmung. Am 13. Juni 2021 folgte das Referendum zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT). Die damit einhergehenden Abstimmungskampagnen waren in der Medienkonjunktur deutlich zu erkennen, wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt: Das Thema Bürgerrechte, worunter das Verhüllungsverbot fällt, verzeichnete über das ganze Jahr gesehen den höchsten Anteil an Zeitungsartikeln zur Rechtsordnung (vgl. Abbildung 2 im Anhang) und dominierte die Medienberichterstattung im Bereich Rechtsordnung von Januar bis März (vgl. Abbildung 1). An zweiter Stelle lag im ersten Quartal das Thema Öffentlicher Dienst, dem die E-ID zuzuordnen ist. Von April bis Juni galt die meiste Beachtung dem Thema Innere Sicherheit, wo das PMT-Referendum angesiedelt ist.

Nach einem intensiven und vielschichtigen Abstimmungskampf, in dem viele Argumente gleichzeitig von der Pro- und der Contra-Seite verwendet wurden, nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die vom Egerkinger Komitee lancierte Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» am 7. März 2021 mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Während das befürwortende Lager den Volksentscheid als klares Zeichen gegen den Islamismus in der Schweiz wertete, beklagte das unterlegene Lager einen unnötigen Eingriff in die Grundrechte von Musliminnen. Die für das Geschäft zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die den Erfolg der Initiative trotz indirekten Gegenvorschlags nicht hatte abwenden können, legte viel Wert darauf zu betonen, das Resultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Die Vox-Analyse bestätigte denn auch, dass das Ja nicht nur von kulturellen, sondern ebenso von sicherheitspolitischen und feministischen Argumenten getragen wurde.

Am selben Tag erlitt Justizministerin Karin Keller-Sutter mit dem Nein zur E-ID auch beim zweiten Geschäft aus ihrem Zuständigkeitsbereich eine Niederlage. Die Schweizer Stimmbevölkerung versenkte das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste in der Referendumsabstimmung mit 64.4 Prozent Nein-Stimmen deutlich. Gemäss der Vox-Nachbefragung war es den Behörden nicht gelungen, das Misstrauen gegenüber den privaten Anbieterinnen und Anbietern der E-ID abzubauen, das die Abstimmungskampagne dominiert hatte. Die E-ID ist damit nicht grundsätzlich gescheitert, allerdings würde von der Stimmbevölkerung eine staatliche Lösung gewünscht.

In der dritten Volksabstimmung des Jahres im Bereich Rechtsordnung konnte die Justizministerin schliesslich einen Erfolg verbuchen. Eine klare Mehrheit von 56.6 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiess am 13. Juni 2021 das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) an der Urne gut. Angesichts der wahrgenommenen Terrorgefahr überwog das Vertrauen in den Bundesrat und die Polizei letztlich die Bedenken bezüglich polizeilicher Willkür und Verlust der Rechtsstaatlichkeit, wovor das Referendumskomitee gewarnt hatte, so die Schlussfolgerung der Vox-Analyse. Der Staat erhält damit verschiedene präventiv-polizeiliche Mittel – von der Meldepflicht bis zum Hausarrest –, um terroristische Gefährderinnen und Gefährder zu kontrollieren.

In der zweiten Jahreshälfte zog das Thema Innere Konflikte und Krisen zunehmende Aufmerksamkeit auf sich, sodass es im September und Oktober im Bereich der Rechtsordnung das von den Medien meistbeachtete Thema war (vgl. Abbildung 1). Dafür verantwortlich waren hauptsächlich die Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen. Insbesondere im Herbst, als der Bundesrat die Zertifikatspflicht beschloss, intensivierten sich die Proteste. So fanden in der Bundesstadt wöchentliche Kundgebungen der Massnahmenkritikerszene statt. Nachdem es mehrmals zu Ausschreitungen gekommen war und die Stadt Bern die Kundgebungen nicht mehr bewilligte – was die Massnahmengegnerinnen und -gegner aber nicht davon abhielt, weiter zu demonstrieren –, wurde auch die Radikalisierung der Szene in den Medien debattiert. Im Vorfeld der Referendumsabstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes Ende November erhitzten sich die Gemüter weiter. Die aufgeladene Stimmung gipfelte darin, dass aufgrund befürchteter Ausschreitungen am Abstimmungssonntag das Bundeshaus von der Polizei grossräumig abgeriegelt wurde. Eine weitere Eskalation blieb dann aber glücklicherweise aus.

Etwas abseits der Medienaufmerksamkeit widmete sich das Parlament 2021 mehreren umfangreichen Gesetzesrevisionen im Strafrecht. In der Frühjahrssession nahm der Nationalrat die Revision der Strafprozessordnung in Angriff, die der Ständerat in der Wintersession fortsetzte. Das Revisionsprojekt geht auf eine 2015 überwiesene Motion der RK-SR zurück, die den Bundesrat beauftragt hatte, die Strafprozessordnung auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen und allfällige Anpassungen vorzuschlagen. Nachdem die Räte die Bestimmungen zur Sicherheitshaft aufgrund ihrer Dringlichkeit ausgekoppelt und 2020 bereits verabschiedet hatten, begannen 2021 die Beratungen zum Hauptentwurf. Das zweite zentrale Gesetzgebungsprojekt im Strafrecht, die Harmonisierung der Strafrahmen, durchlief 2021 die Differenzbereinigung. Einer der Hauptstreitpunkte dieser Vorlage war, inwieweit die Strafen für Gewalt gegen Behörden und Beamte verschärft werden sollen. Zusammen mit der Revision des Sexualstrafrechts bildet die Strafrahmenharmonisierung die zweite Etappe einer umfassenden StGB-Revision, in der nach dem Allgemeinen Teil (abgeschlossen 2016) nun auch der Besondere Teil erneuert wird. Aufgrund des festgestellten Diskussionsbedarfs hatte das Parlament die Revision des Sexualstrafrechts in einen eigenen Entwurf ausgelagert, der Anfang 2021 in die Vernehmlassung gegeben wurde. Des Weiteren brachten die eidgenössischen Räte in der Wintersession 2021 die Änderung des DNA-Profil-Gesetzes zum Abschluss. Nach Inkrafttreten dürfen die Ermittlungsbehörden neu mittels sogenannter Phänotypisierung äusserliche Merkmale wie Haar-, Haut- und Augenfarbe oder das Alter der gesuchten Person aus DNA-Spuren bestimmen.

Jahresrückblick 2021: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2021

Le Conseil national a adopté, sans discussion, le postulat déposé par Judith Bellaïche (pvl, ZH) intitulé Cyberrisques dans l'espace. Le Conseil fédéral est donc chargé de présenter la situation de la Suisse face à la numérisation croissante de l'espace et aux cyberrisques y relatifs. L'espace étant de plus en plus utilisé pour la transmission de données à des fins étatiques et commerciales, des milliers de satellites seront en orbite dans les années à venir. Pour optimiser la situation de la Suisse vis-à-vis de la dépendance aux satellites étrangers, le Conseil fédéral se saisira de la question de la dépendance et de la sécurité des données étatiques et privées. Le Conseil fédéral proposait d'accepter le postulat.

Cybberrisques dans l'espace (Po 21.4176)

Weil sich in der Wintersession 2021 beide Räte wenig kompromissbereit zeigten, mündete die Differenzbereinigung bei der Harmonisierung der Strafrahmen in eine Einigungskonferenz. Einzig die Differenzen zu den Bancomatensprengungen und zur Verjährung im Verwaltungsstrafrecht konnten vorher ausgeräumt werden. Bei Ersterem beugte sich der Ständerat dem Willen seiner Schwesterkammer und stimmte der Aufnahme einer speziell auf Bancomatensprengungen zugeschnittenen Qualifikation in Art. 139 StGB zu. Bei Letzterem einigte man sich darauf, die aufgeworfenen Fragen nicht an dieser Stelle, sondern im Rahmen der vom Bundesrat angekündigten Revision des Verwaltungsstrafrechts zu klären. Bis zum Schluss umstritten blieben dagegen die Parallelität von Geld- und Freiheitsstrafen sowie die Strafdrohung für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte.
Der Ständerat stellte sich auf den Standpunkt, es sei in der juristischen Praxis unbestritten, dass eine Mindestgeldstrafe von beispielsweise 30 Tagessätzen auch immer eine Mindestfreiheitsstrafe von 30 Tagen bedeute, weshalb er diese Parallelität mehrheitlich ausdrücklich im Gesetz festhalten wollte. Die Mehrheit im Nationalrat sah in dieser Änderung jedoch einen Eingriff in den richterlichen Ermessensspielraum und lehnte sie deshalb ab. Die Argumentation des Nationalrates bekräftigte die ständerätliche Mehrheit indessen in ihrer Meinung, dass es wichtig sei, die Parallelität im StGB niederzuschreiben. Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) befürchtete, wenn man darauf verzichte, könnte dieser Entscheid künftig dahingehend ausgelegt werden, dass das Parlament die Parallelität an sich verneint habe, was ja aber nicht der Fall sei – zumindest nach Ansicht des Ständerates und des Bundesrates. Die Einigungskonferenz beantragte schliesslich mit 13 zu 11 Stimmen, dem Beschluss des Ständerates zu folgen und die Parallelität von Mindestgeld- und -freiheitsstrafen explizit im StGB zu verankern.
Bei Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte sprach sich der Ständerat mehrheitlich für eine Strafverschärfung gegenüber dem geltenden Recht aus, indem er die Freiheitsstrafe zur Regel machen und Geldstrafen nur noch in Bagatellfällen zulassen wollte. Eine Verschärfung bei diesem Tatbestand sei nicht zuletzt von verschiedenen Kantonen gefordert worden, argumentierte Daniel Jositsch (sp, ZH) als Sprecher der RK-SR. Die Nationalratsmehrheit wollte hingegen am geltenden Recht festhalten und die Freiheitsstrafe alternativ zur Geldstrafe vorsehen, weil sie auch hier nicht in den richterlichen Ermessensspielraum eingreifen wollte. Ein Einzelantrag Bregy (mitte, VS), der einen Konzeptionsfehler in der ständerätlichen Variante korrigierte – in der ursprünglichen Formulierung des Ständerates hätte in leichten Fällen immer eine Geldstrafe ausgesprochen werden müssen, während in der korrigierten Version in leichten Fällen eine Geldstrafe ausgesprochen werden kann –, scheiterte in der grossen Kammer am Stichentscheid von Ratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG). Wenig überraschend war es dann auch diese korrigierte Lösung, die sich in der Einigungskonferenz durchsetzen konnte.
Der Antrag der Einigungskonferenz wurde im Ständerat mit 35 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen gutgeheissen, im Nationalrat mit 122 zu 65 Stimmen. Dagegen stellten sich die Fraktionen der SP und der Grünen. In den Schlussabstimmungen stimmte der Ständerat dem Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen sowie jenem zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht einstimmig (bei 4 bzw. 5 Enthaltungen aus der SVP-Fraktion) zu. Der Nationalrat nahm die Strafrahmenharmonisierung mit 96 zu 67 Stimmen bei 30 Enthaltungen an, wobei sich die Ratslinke gegen die ihrer Ansicht nach zu weitgehenden Verschärfungen aussprach und sich die SVP-Fraktion mehrheitlich der Stimme enthielt, weil sie die Vorlage als «verwässert» (Andrea Geissbühler/svp, ZH), d.h. zu wenig scharf, ansah. Der zweite Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts passierte die Schlussabstimmung in der grossen Kammer mit 123 zu 67 Stimmen bei 3 Enthaltungen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im November 2021 beriet die RK-NR die St. Galler Standesinitiative betreffend eine Erhöhung des Strafrahmens für die Herstellung von Kinderpornografie und für Gewaltdarstellungen. Da in der Zwischenzeit die Höchststrafe für die Herstellung von Kinderpornografie im Rahmen der Lanzarote-Konvention angepasst worden und der Tatbestand der Gewaltdarstellung Gegenstand der Harmonisierung der Strafrahmen gewesen war, sah die Kommission keinen Bedarf mehr für einen separaten Erlassentwurf. Der Nationalrat sah dies als Zweitrat gleich und gab der Standesinitiative in der Wintersession 2021 keine Folge, womit das Geschäft erledigt war.

Revision des Strafgesetzbuches (Kt.Iv. 08.334)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im November 2020 äusserte der Kanton Genf mittels Standesinitiative die Forderung, eine Revision des Sexualstrafrechts vorzunehmen. Konkret müssten die Bestimmungen des Sexualstrafrechts so geändert werden, dass die Verletzung der sexuellen Integrität bereits beim fehlenden Einverständnis ansetze, die beiden Tatbestandsmerkmale der Gewalt und Drohung gestrichen und ein Straftatbestand der sexuellen Belästigung geschaffen werde. Die strafrechtliche Ahndung sexueller Gewalt und Belästigung sei ein öffentliches Interesse und dürfe nicht vernachlässigt werden, damit solches Verhalten nicht ungestraft bleibe. Obschon die Schweiz 2018 mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention den richtigen Weg eingeschlagen habe, setze das Schweizer Strafrecht – anders als in der Konvention vorgesehen – noch immer das Tatbestandsmerkmal der Unfähigkeit zum Widerstand voraus. Dies führe dazu, dass von den 22 Prozent der Frauen, welche in ihrem Leben bereits Opfer von Eingriffen in die sexuelle Integrität geworden seien, dies nur 8 Prozent der Polizei meldeten. Ein nicht vorliegendes Einverständnis müsse zur Erfüllung dieses Tatbestands allerdings ausreichen, so der Kanton.
Die RK-SR beantragte ihrem Rat im November 2021 einstimmig, der Standesinitiative keine Folge zu geben. In ihrem Bericht begründete sie dies damit, dass sie auf Basis der abgeschlossenen Vernehmlassung zur Sexualstrafrechtsrevision bereits einen Entwurf ausarbeite und es als wenig sinnvoll erachte, parallel noch weitere Anpassungen in diesem Bereich vorzunehmen. Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS) fügte im Ratsplenum an, dass das Anliegen sicherlich in der zu erwartenden kontroversen Debatte über die Revision des Sexualstrafrechts zur Diskussion kommen werde. Die Kantonskammer folgte dem Antrag ihrer Kommission stillschweigend und gab der Standesinitiative in der Wintersession 2021 keine Folge.

Revision der strafrechtlichen Bestimmungen über die Verletzung der sexuellen Integrität (Kt.Iv. 20.339)

Alors que la sécurité nationale est au centre des discussions depuis la fin de l'année 2021 – nombreuses cyberattaques, éclatement de la guerre en Ukraine depuis février 2022 –, une initiative parlementaire du conseiller aux États Charles Juillard (centre, JU), lancée fin 2021 rappelle que ce thème est une préoccupation avérée. En effet, avec l'objet «Cybersécurité. Mettre en place une infrastructure numérique souveraine et des standards de sécurité de gouvernance», le sénateur jurassien espère convaincre qu'un virage est à prendre et qu'une collaboration entre les différents acteurs suisses – privés et publics – est nécessaire afin de protéger le pays contre les différentes menaces qui existent au temps du numérique. Le but est ainsi de renforcer la cybersécurité du pays et de favoriser une unité du système de données sur l'ensemble du territoire, notamment par la création d'un «cloud souverain» qui rassemblera l'ensemble de ces dernières. Si l'objet est accepté, la Confédération sera à la tête des opérations et prendra en charge le financement du projet.

Cybersécurité. Mettre en place une infrastructure numérique souveraine et des standards de sécurité de gouvernance (Iv.pa. 21.507)
Dossier: Ratifizierung des Übereinkommens über Cyberkriminalität des Europarates (2011)
Dossier: Eigenständige digitale Infrastruktur für die Schweiz

Weil der Nationalrat auf Eintreten auf die Umsetzung der parlamentarischen Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zur Änderung des Öffentlichkeitsgesetzes beharrt hatte, musste der Ständerat ein zweites Mal darüber debattieren, ob er das Geschäft detailliert behandeln will oder nicht. Das «Wohl des Landes» stehe und falle nicht mit dieser Vorlage, beschrieb Andrea Caroni (fdp, AR) die Initiative, bei der es eigentlich lediglich darum ging, ob die Einsicht amtlicher Dokumente gänzlich gebührenfrei werden soll oder ob an der aktuellen Regel festgehalten werden soll, die Gebühren als Regelfall vorsieht. Da die Gebühren in der Praxis in 97 Prozent aller Fälle erlassen würden, könnte man dies eigentlich auch ins Gesetz übernehmen, argumentierte eine starke Minderheit der SPK-SR, die Eintreten und damit Zustimmung zum Beschluss des Nationalrats empfahl. Es gehe darum, das Verursacherprinzip hochzuhalten, begründete hingegen Heidi Z'graggen (mitte, UR) als Kommissionssprecherin die Empfehlung der Kommissionsmehrheit für Festhalten am ursprünglichen Entscheid und somit für Nichteintreten. Wenn bei einer Einsicht hohe Kosten entstünden, dann sollen diese nicht die Allgemeinheit, sondern die Gesuchsstellenden bezahlen müssen. Es müsste gar ein Anstieg von Gesuchen befürchtet werden, wenn diese gänzlich kostenfrei würden. Man könne in der Detailberatung ja immer noch Details regeln – etwa eine Obergrenze von CHF 2'000 bei aufwändigen Gesuchen (Lisa Mazzone, gp, GE) oder die Information, dass Gebühren anfallen könnten (Andrea Caroni, fdp, AR) – entgegneten die Sprechenden für die Minderheit. Justizministerin Karin Keller-Sutter, die noch einmal die positive Haltung des Bundesrates zu einem gebührenfreien Öffentlichkeitsprinzip deutlich machte, verwies schliesslich auch auf die Vernehmlassung, die gezeigt habe, dass eine Mehrheit der Kantone die Vorlage befürwortete. Die kleine Kammer liess sich in der Folge umstimmen. Mit 25 zu 18 Stimmen folgte sie dem Minderheitsantrag und beschloss Eintreten. Damit geht die Vorlage zur Detailberatung an die Kommissionen zurück.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Nachdem die Referendumsfrist zur Änderung des AHV-Gesetzes, die den Behörden die systematische Verwendung der AHV-Nummer als Personenidentifikator ermöglicht, ungenutzt abgelaufen war, beschloss der Bundesrat im November 2021, die Gesetzesänderung auf den 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen. Damit ist es nicht mehr notwendig, für jede neue systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden eine spezialgesetzliche Grundlage zu schaffen.

Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden (BRG 19.057)
Dossier: Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden

En raison du DEVA, les structures et le fonctionnement de l'administration militaire ont considérablement évolué. Les nouveaux besoins de l'armée en ce qui concerne le traitement des données personnelles n'étant pas compris dans la base légale actuelle, le Conseil fédéral demande une révision de la loi fédérale sur les systèmes d'information de l'armée. En effet, afin de traiter les données personnelles de manière optimale, une adaptation de la LSIA est nécessaire. Cette modification concerne principalement le traitement et la collecte de données personnelles sans toutefois conduire à recueillir des informations supplémentaires.
Le premier mars 2022, la modification de la loi a été acceptée à l'unanimité par le Conseil des États.

Loi fédérale sur les systèmes d'information de l'armée. Modification (BRG 21.069)

In der Herbstsession 2021 verlängerte der Nationalrat die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative Rickli (svp, ZH) für eine Verwahrung von rückfälligen Tätern stillschweigend um weitere zwei Jahre. Die RK-NR beantragte die Fristverlängerung ohne Gegenstimme und begründete dies damit, dass das BJ die gesetzgeberischen Arbeiten zur Erfüllung einer inhaltlich ähnlichen Kommissionsmotion (Mo. 16.3002) bereits aufgenommen habe. Die Kommission erachtete es als sinnvoll, jenen Vorentwurf abzuwarten, bevor sie einen Erlassentwurf für die parlamentarische Initiative Rickli ausarbeite.

Verwahrung bei rückfälligen Tätern (Pa.Iv. 13.463)

Nachdem der Nationalrat in der Sondersession vom Mai 2021 den Vorschlag der SPK-NR zur Änderung des Asylgesetzes (AsylG) unverändert angenommen hatte, befasste sich in der Herbstsession 2021 der Ständerat mit dem Geschäft. Die Anpassung hatte zum Ziel, dass das SEM zur Feststellung der Identität von Asylsuchenden künftig auch deren mobile Datenträger nutzen darf, falls die Identität nicht anders festgestellt werden kann. Als Sprecher der vorberatenden SPK-SR erläuterte Marco Chiesa (svp, TI), dass die Identität bei 70 bis 80 Prozent der Asylsuchenden in der Schweiz nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne. Die Kommission anerkenne zwar das Recht auf Asyl, doch um die Fairness im Asylprozess zu bewahren, empfinde sie es als wichtig, durch die Identifizierung der betroffenen Person herauszufinden, ob Schutzbedarf bestehe oder nicht. Ausserdem habe ein Pilotprojekt des SEM vom November 2017 bis Mai 2018 den Nutzen dieser Massnahme bestätigt. Eine Minderheit um Hans Stöckli (sp, BE) wollte nicht auf die Vorlage eintreten. Gestützt auf Erfahrungen aus Deutschland bezweifelte der Berner die Wirksamkeit der Massnahme – wie es im Übrigen auch der EDÖB tue. Zudem sei es höchst problematisch, dass im Asylverfahren – im Gegensatz zum Strafverfahren – für die Einforderung der mobilen Datenträger keine richterliche Anordnung vorgesehen sei. Darüber hinaus könnte die Weigerung, das Handy abzugeben, den betroffenen Personen zu deren Nachteil als Missachtung der Mitwirkungspflicht ausgelegt werden. Abschliessend kritisierte Stöckli den seiner Ansicht nach mangelhaften Datenschutz. Justizministerin Karin Keller-Sutter äusserte sich bezüglich der Zweifel über die Wirksamkeit der Massnahme verständnisvoll, entgegnete aber, dass der Bundesrat dem Parlament aus diesem Grund drei Jahre nach Inkrafttreten einen Evaluationsbericht vorlegen müsse. Sie betonte überdies, dass die mobilen Datenträger den Asylsuchenden nicht zwangsweise abgenommen werden dürfen. In der Folge trat der Ständerat mit 28 zu 12 Stimmen auf die Vorlage ein und nahm sie in der Gesamtabstimmung unverändert mit 30 zu 12 Stimmen an.
In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 68 Stimmen an. Der Ständerat hiess ihn mit 31 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Wie schon während der Beratungen sprachen sich die Grüne und die SP-Fraktion gegen die Gesetzesänderung aus. Am 20. Januar 2022 lief die Referendumsfrist ungenutzt aus.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

In Anbetracht der steigenden Vernetzung und Zahl von Datenbanken auf Bundes- und Kantonsebene forderte Beat Flach (glp, AG) mittels eines Postulats einen Bericht, welcher die Risiken der Datenbanken und den Handlungsbedarf bezüglich des Datenschutzes aufzeigen soll. Ferner solle der Bericht auch als Gesamtübersicht über die bestehenden Datenbanken, deren Art, Umfang und Zweck, deren Vernetzung und Zugriffe dienen. Um hohe Kosten im Schadensfall zu verhindern, sei es unerlässlich, die Risiken des Datentransfers zu kennen und Sicherheitslücken vorsorglich zu schliessen, argumentierte der Postulant. Der Bundesrat beantragte mit dem Argument des Legalitätsprinzips die Ablehnung des Postulats: Staatliche Datenbanken müssten demnach zwingend auf einer gesetzlichen Grundlage basieren, die deren Zweck, die Zugriffe und das Auskunftsrecht regle. Ausserdem sei die Transparenz solcher Datenbanken auf Bundesebene durch die Meldepflicht nach dem Datenschutzgesetz gewährleistet. Bezüglich kantonaler Datenbanken lägen die Kompetenzen hingegen vollständig bei den Kantonen. Justizministerin Karin Keller-Sutter merkte im Nationalratsplenum an, dass gewisse Herausforderungen bezüglich der Datensicherheit in Datenbanken bereits 2018 und 2019 in den Berichten «Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit» respektive «Herausforderungen der künstlichen Intelligenz» dokumentiert worden seien. Entgegen dem Antrag des Bundesrats nahm der Nationalrat das Postulat in der Herbstsession 2021 mit 167 zu 24 Stimmen bei 3 Enthaltungen an.

Datenschutz bei den Datenbanken des Bundes und der Kantone - Es braucht eine Gesamtschau (Po. 19.4567)

Weil sich der Ständerat ziemlich knapp dazu entschieden hatte, nicht auf die Vorlage der SPK-NR für eine Änderung des Öffentlichkeitsgesetzes einzutreten, musste sich die grosse Kammer in der Herbstsession 2021 erneut über die Idee eines kostenlosen Zugangs zu öffentlichen Dokumenten beugen. Eine 18-köpfige Mehrheit der Kommission empfahl Festhalten am Eintretensentscheid und eine 5-köpfige Minderheit wollte sich dem Ständerat anschliessen und damit die bisherige Regelung beibehalten, welche die Erhebung von Gebühren erlaubt.
In der Regel seien Anfragen kostenlos. Gebühren würden effektiv nur in jenen Fällen erhoben, in denen die Bereitstellung nachgefragter Dokumente mit hohem Aufwand für die Verwaltung verbunden ist, führte Andri Silberschmidt (fdp, ZH) in der Ratsdebatte für die Kommissionsminderheit aus, also etwa in 3 Prozent aller Fälle. Ein Handlungsbedarf mache die FDP.Liberale-Fraktion aufgrund dieser geringen Zahl nicht aus. Auch die Mitte-Fraktion – ausgenommen die EVP – sehe nicht ein, weshalb das bewährte Vorgehen geändert werden soll, erklärte Marianne Binder-Keller (mitte, AG). In Ausnahmefällen dürfe eine Anfrage durchaus etwas kosten, zumal die Gebühren für den teilweise hohen Aufwand «wirklich marginal» seien. Auf der anderen Seite argumentierten die Grüne sowie die Grünliberale Fraktion mit der Transparenz, die nur dann gegeben sei, wenn alle Dokumente kostenlos zur Verfügung gestellt würden – so Irène Kälin (gp, AG) und Corina Gredig (glp, ZH) einhellig. Verwundert zeigte sich Nadine Masshardt (sp, BE) über die Ablehnung des Ständerats, habe doch die SPK-SR der parlamentarischen Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG), auf welche die Vorlage zurückgeht, noch einstimmig Folge gegeben. Neue Argumente seien in der Ständeratsdebatte allerdings keine aufgekommen. Das 2004 eingeführte Öffentlichkeitsprinzip und das Ziel «die Verwaltung bürgerfreundlicher und zugänglicher» zu machen, könne aber nur gänzlich gebührenfrei umgesetzt werden. Auch der Bundesrat stehe hinter der Vorlage, liess Karin Keller-Sutter verlauten. Der Handlungsbedarf sei in der Tat «eher punktuell», aber es könne nicht ausgeschlossen werden, dass überhöhte Gebühren Gesuchstellende abschrecken könnten. Weil neben der geschlossenen FDP- und der mehrheitlichen Mitte-Fraktion niemand die ständerätliche Ablehnung des Vorschlags teilen mochte, entschied sich der Nationalrat mit 132 zu 47 Stimmen für Festhalten am Eintretensentscheid. Damit ging die Vorlage zurück an den Ständerat.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

In der Herbstsession 2021 überwies der Nationalrat gemäss Mehrheitsantrag der RK-NR die Motion Caroni (fdp, AR) für eine Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe. Ihre Empfehlung begründete die zuständige Kommission damit, dass der Bundesrat in seinem Bericht zur Reform der lebenslangen Haftstrafe zwar keinen grundlegenden Handlungsbedarf erkannt hatte, jedoch punktuelle Revisionsmöglichkeiten einräumte. Sowohl aus dem Kommissionsbericht als auch aus den Erläuterungen der beiden Kommissionssprechenden Andrea Martina Geissbühler (svp, BE) und Sidney Kamerzin (mitte, VS) im Ratsplenum ging hervor, dass eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder diese Verbesserungen am bestehenden System unterstützten und als notwendig erachteten. Im Namen der starken Minderheit widersprach SP-Nationalrätin Min Li Marti (ZH): Da erstens in der Praxis weder Handlungs- noch Sicherheitsprobleme bestünden und zweitens der Bundesrat in seinem Bericht keinen akuten Reformbedarf sehe, lohne sich der Anstoss eines Gesetzgebungsprozesses nicht. Besonders schwere Straftaten könnten bereits heute angemessen bestraft und so dem Schutzbedürfnis der Gesellschaft Rechnung getragen werden. Darüber hinaus sei die generalpräventive Wirkung von langen Haftstrafen umstrittener als deren erschwerender Effekt auf die Resozialisierung. Justizministerin Karin Keller Sutter stimmte dem insofern zu, als dass die Verbesserungsmöglichkeiten von eher untergeordneter Bedeutung seien. Der Bundesrat wolle einer Gesetzesrevision jedoch nicht im Wege stehen und habe deshalb die Annahme beantragt. Der Nationalrat stimmte der Motion mit 110 zu 60 Stimmen zu.

Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe (Mo. 20.4465)

Im Rahmen der Beratung der parlamentarischen Initiative Suter (sp, AG; Pa.Iv. 20.445) beschloss die RK-NR, ein Postulat für Ergänzungen des Strafgesetzbuchs betreffend Cybermobbing und digitaler Gewalt einzureichen. Gegenwärtig enthalte das Strafgesetzbuch zwar verschiedenste Artikel, die zur Bestrafung von Cybermobbing zur Anwendung kommen könnten, allerdings reiche die blosse Erwähnung des Cybermobbings im StGB nicht aus, um die «Nöte der Betroffenen» zu lindern, begründete die Kommission ihren Vorstoss. In der Herbstsession 2021 nahm der Nationalrat das Postulat stillschweigend an.

Ergänzungen betreffend Cybermobbing im Strafgesetzbuch (Po. 21.3969)

Wie es im Herbst des Vorjahres der Nationalrat getan hatte, stimmte in der Herbstsession 2021 auch der Ständerat der Motion Addor (svp, VS) für die Verstärkung des Identitätsschutzes von Polizistinnen und Polizisten, die Ordnungsbussen verhängen, stillschweigend zu. Die RK-SR hatte die Motion im Vorhinein beraten und – wie auch der Bundesrat – deren Annahme beantragt. Wie sie in ihrem Bericht festhielt, handle es sich beim Ordnungsbussengesetz um ein besonderes Strafverfahrensrecht, weshalb sie das Anliegen der Motion grundsätzlich bereits im Rahmen der in der Kommission hängigen Detailberatung der Revision der Strafprozessordnung umgesetzt habe.

Die Personen schützen, die Ordnungsbussen verhängen (Mo. 20.3388)

Mit derselben Begründung wie ein Jahr zuvor der Ständerat lehnte in der Herbstsession 2021 auch der Nationalrat die Tessiner Standesinitiative für die Erhöhung des Strafmasses bei Delikten gegen die sexuelle Integrität ab: Der betreffende Strafrahmen sei im Zuge der laufenden Revision des Sexualstrafrechts zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Eine SVP-Minderheit beantragte Folgegeben, um ein «deutliches Zeichen» für den Schutz vor sexuellen Übergriffen zu setzen, wie Andrea Geissbühler (svp, BE) ausführte, unterlag mit 123 zu 55 Stimmen bei 2 Enthaltungen aber deutlich. Die Initiative war damit erledigt.

Erhöhung des Strafmasses für Straftaten im Zweiten Buch, Fünften Titel des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Kt.Iv. 19.301)

In der Herbstsession 2021 nahm sich der Ständerat als Zweitrat der Änderung des DNA-Profil-Gesetzes an. Er trat ohne Gegenantrag auf das Geschäft ein. Wie bereits den Nationalrat beschäftigte auch den Ständerat die Frage, welche äusserlichen Merkmale für die Phänotypisierung aus einer DNA-Spur ermittelt werden dürfen bzw. ob die Liste im Gesetz abschliessend sein soll. Der Bundesrat hatte im Entwurf eine Delegationsnorm vorgesehen, die es ihm erlaubt, in Abhängigkeit vom technischen Fortschritt weitere äusserliche Merkmale – zusätzlich zu den im Gesetzestext explizit genannten Augen-, Haar- und Hautfarbe, biogeografische Herkunft und Alter – für die Phänotypisierung zuzulassen. Der Nationalrat hatte diese Bestimmung entgegen dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit bestätigt. Der Ständerat tat es ihm nun gleich; die Minderheit Sommaruga (sp, GE), die die Streichung der Delegationsnorm forderte, unterlag mit 26 zu 17 Stimmen. Anders als die Volkskammer sprach sich der Ständerat indes gegen die generelle Möglichkeit aus, nach einem Suizid ein DNA-Profil der toten Person zu erstellen. Für die vorberatende RK-SR sei eine solche Stigmatisierung von Suiziden unverständlich, zumal sich die meisten Suizide ohne vorherige Straftat ereigneten, erläuterte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Bestünden Anzeichen auf einen Zusammenhang mit einer Straftat, könne die Staatsanwaltschaft bereits nach geltendem Recht ein DNA-Profil erstellen lassen. Die kleine Kammer folgte ihrer Kommission diesbezüglich stillschweigend und kehrte damit zur bundesrätlichen Version zurück. Differenzen zur Fassung des Bundesrats schuf der Ständerat hingegen bei den Regeln über die Löschung von DNA-Profilen. Einerseits entschied die Kantonskammer, dass DNA-Profile von Beschuldigten im Falle eines Freispruchs, einer Nichtanhandnahme oder einer Einstellung des Verfahrens nur mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts weiter aufbewahrt werden dürfen. Der Bundesrat wollte diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft überlassen. Justizministerin Karin Keller-Sutter brachte der ständerätlichen Lösung Skepsis entgegen, verzichtete angesichts des einstimmigen Kommissionsbeschlusses jedoch auf eine Abstimmung und kündigte an, die Frage im Nationalrat noch einmal zur Diskussion zu bringen. Andererseits setzte der Ständerat die Löschfrist für DNA-Profile von schuldunfähigen Täterinnen und Tätern auf zwanzig Jahre fest. Der Bundesrat hätte diese Frist, so die EJPD-Chefin, in der Verordnung regeln wollen, begrüsste aber die «grössere Klarheit und Transparenz» des Kommissionsantrages, worauf dieser stillschweigend gutgeheissen wurde. Als Letztes diskutierte die kleine Kammer die Frage, bei welchen Delikten Phänotypisierung und Verwandtenrecherche eingesetzt werden dürfen. Der Nationalrat hatte den bundesrätlichen Vorschlag gutgeheissen, der diese Methoden für alle Verbrechen, d.h. Delikte mit Strafandrohung von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe, vorgesehen hatte. Der ständerätlichen Kommission war dieser Anwendungsbereich zu breit; sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit beantragten daher die Einführung eines – mehr oder weniger umfassenden – Deliktkatalogs. Mit 31 zu 12 Stimmen nahm der Ständerat den enger gefassten Katalog der Kommissionsmehrheit an, der nur die schwersten Delikte abdeckt, insbesondere Gewalt- und Sexualdelikte. Nicht anwendbar sein sollen die neuen Ermittlungsverfahren demnach bei Vermögensdelikten wie Diebstahl oder Hehlerei. Dem so angepassten Entwurf stimmte die Ständekammer in der Gesamtabstimmung einstimmig zu.

Änderung des DNA-Profil-Gesetzes (BRG 20.088)
Dossier: DNA-Profile

Mit der Umsetzung der Lanzarote-Konvention und der laufenden Revision des StGB im Zuge der Strafrahmenharmonisierung sei dem Anliegen der St. Galler Standesinitiative, den Strafrahmen für Gewaltdarstellungen und die Herstellung von Kinderpornografie zu erhöhen, bereits Rechnung getragen worden, befand die RK-SR im August 2021. Mangels Bedarf für einen gesonderten Erlassentwurf beantragte sie ihrem Rat einstimmig, der seit zehn Jahren sistierten Standesinitiative keine Folge zu geben. Der Ständerat folgte diesem Antrag in der darauffolgenden Herbstsession stillschweigend.

Revision des Strafgesetzbuches (Kt.Iv. 08.334)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In der Herbstsession 2021 verlängerte der Ständerat die Behandlungsfrist der Tessiner Standesinitiative zur Überprüfung der Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte zum dritten Mal um weitere zwei Jahre. Das Anliegen sei Gegenstand der laufenden Differenzbereinigung im Entwurf zur Strafrahmenharmonisierung; deren Ergebnis soll abgewartet werden, bevor mit der Standesinitiative weiter verfahren wird, erklärte Beat Rieder (mitte, VS) als Sprecher der zuständigen RK-SR.

Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte überprüfen (Kt.Iv. 14.301)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In der Herbstsession 2021 begann der Ständerat mit der Differenzbereinigung bei der Harmonisierung der Strafrahmen. Dabei schloss er sich in zwei umstrittenen Punkten dem Nationalrat an. Einerseits verzichtete die Ständekammer nun darauf, den Wortlaut von Art. 42 StGB anzupassen, sodass bei Ersttäterinnen und Ersttätern mit günstiger Prognose weiterhin «in der Regel» eine bedingte Strafe verhängt wird und nicht nur verhängt werden «kann». Die Kommissionsminderheit hätte mit der Änderung den Entscheidungsspielraum für das Gericht vergrössern wollen, wie deren Vertreter Stefan Engler (mitte, GR) erklärte. Die Mehrheit beantragte, dem Nationalrat zu folgen und beim geltenden Recht zu bleiben, weil damit eine Anpassung von 2007 rückgängig gemacht würde, «obwohl die damalige Praxis betreffend Ersttäter mit der gleichen Begründung wie heute kritisiert wurde», wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter anmerkte. Mit der Kann-Bestimmung schriebe man nur wieder etwas ins Gesetz, «was schon damals nicht so funktioniert hat, wie Sie es sich wünschen», kritisierte auch Mathias Zopfi (gp, GL). Der Entscheid, die Änderung fallen zu lassen, fiel bei 20 zu 20 Stimmen mit Stichentscheid des Ratspräsidenten Alex Kuprecht (svp, SZ).
Andererseits stimmte der Ständerat mit 33 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung dem Beschluss seiner Schwesterkammer zu, im sogenannten Raserartikel (Art. 90 Abs. SVG) die Mindeststrafe zu streichen. Dass bei Raserdelikten immer eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenngleich möglicherweise bedingt, ausgesprochen werden müsse, sei im Vergleich zu anderen Strafrahmen unverhältnismässig. Selbst bei Vergewaltigungen seien kürzere Strafen möglich, und beim Raserdelikt werde allein die Gefährdung anderer geahndet, ohne dass es zu einem Unfall mit Verletzten oder Toten gekommen sei, so die Argumente für die Abschaffung der Mindeststrafe. EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter zeigte sich mit der Begründung einverstanden und erklärte, der Bundesrat schlage mit der Revision des SVG ebendiese Änderung vor. Sie hatte den Ständerat allerdings vergebens gebeten, jener vom UVEK erarbeiteten Vorlage nicht vorzugreifen und die Änderung dort vorzunehmen anstatt bei der Strafrahmenharmonisierung.
Ebenfalls übernahm die Kantonskammer das Konzept des Nationalrates, das bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte aus einem zusammengerotteten Haufen heraus zwischen Gewalt an Personen und Gewalt an Sachen unterscheidet. Wer aus einer Zusammenrottung heraus Gewalt an Personen verübt, wird künftig mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Geldstrafen sind nur noch bei Gewalt an Sachen möglich, wobei auch hier die Mindeststrafe auf 90 Tagessätze angehoben wurde (bisher 30). Fest hielt der Ständerat indessen an seinem Beschluss, dass bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte – unabhängig von einer Zusammenrottung – grundsätzlich eine Freiheitsstrafe auszusprechen sei und Geldstrafen nur noch in Bagatellfällen möglich sein sollen. Der Nationalrat hatte dies abgelehnt.
Für erstaunlich umfangreiche Diskussionen sorgte die Parallelität von Geld- und Freiheitsstrafen, also dass eine Mindestgeldstrafe von beispielsweise 30 Tagessätzen auch immer eine Mindestfreiheitsstrafe von 30 Tagen bedeutet. Erstaunlich deshalb, weil sich der Rat bezüglich der Parallelität einig war und nur noch darüber diskutierte, ob dieser Aspekt ausdrücklich ins Gesetz geschrieben werden muss. Der Nationalrat hatte nicht gutgeheissen, dass der Ständerat dies im Gesetz explizit festhalten wollte. Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter sprach sich gegen die entsprechende Ergänzung aus; dies sei «nicht nötig, da solche Zweifel weder in der Praxis noch in der Lehre bestehen». Mit 27 zu 11 Stimmen entschied sich der Ständerat dennoch dafür, diese Parallelität ausdrücklich niederzuschreiben. Der mit der Mehrheit stimmende Andrea Caroni (fdp, AR) wunderte sich denn auch etwas schalkhaft über die intensive Diskussion darüber, «ob man das, worüber man sich ja eigentlich einig ist, jetzt auch ins Gesetz schreiben soll oder nicht». Mit einigen weiteren kleineren Differenzen übergab die Ständekammer das Geschäft wieder an den Nationalrat.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In der Herbstsession 2021 verlängerte der Ständerat die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative Jositsch (sp, ZH) für Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren erneut um zwei Jahre. Das Anliegen sei Gegenstand der laufenden Revision des Sexualstrafrechts; deren Abschluss soll abgewartet werden, bevor mit der parlamentarischen Initiative weiter verfahren wird, erklärte Beat Rieder (mitte, VS) als Sprecher der zuständigen RK-SR.

Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren (Pa.Iv. 16.408)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit einem Postulat forderte SP-Nationalrätin Laurence Rielle Fehlmann (sp, GE) im Juni 2021 den Bundesrat dazu auf, zu überprüfen, ob die Möglichkeit zu einem Verbot der Datenbeschaffung bei gekauften Videospielen bestehe, insbesondere wenn diese von Kindern benutzt würden. So würden die Benutzerinnen und Benutzer zu Beginn eines Spiels nach verschiedenen Informationen, wie geographischen Angaben, Daten zu ihrer Identifikation und teils gar nach biometrischen Daten, gefragt. Diese Informationen würden dann in Japan oder in den Vereinigten Staaten gespeichert und könnten, sobald sie diese Server einmal erreicht hätten, nicht mehr einfach so gelöscht werden, selbst wenn die Einwilligung zur Nutzung ihrer Daten von den Benutzenden zu einem späteren Zeitpunkt entzogen würde. Der Bundesrat hatte das Postulat zur Ablehnung empfohlen, da der Weg über ein generelles Verbot nicht zielführend sei. Vielmehr sei es zentral, die Daten der Kinder «unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse zu bearbeiten und sie angemessen darüber aufzuklären». Dies sei bereits mit der Stärkung des Datenschutzrechts, welches im September 2020 vom Parlament verabschiedet worden war, geschehen. Zusätzlich sei unter anderem das BSV seit 2011 dabei, Eltern, Lehr- und Betreuungspersonen über die Plattform «Jugend und Medien» über die Gefahren und Chancen des Internets aufzuklären.
Auf Grund neuer Entwicklungen zog Rielle Fehlmann ihr Postulat wieder zurück, wie sie in der Sondersession 2023 bekannt gab. So wurde seither etwa im neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (JSFVG) geregelt, dass Daten von Minderjährigen nur zur Alterskontrolle benutzt werden dürfen. Zudem wurde ein Postulat «zum Schutz vor Zusatzfunktionen in Videospielen» im Nationalrat gutgeheissen, womit der Bundesrat beauftragt wurde, Mikrotransaktionen, die Spielende zu weiteren In-App Käufen bewegen sollen, sowie deren Suchtpotenzial, besser zu beleuchten.

Datenbeschaffung bei Videospielen. Ist das wirklich nötig?

Die Vernehmlassung zur Revision des Sexualstrafrechts, die in der ersten Jahreshälfte 2021 durchgeführt wurde, wurde von einer lebhaften öffentlichen Debatte begleitet. Vor allem die Tatsache, dass die zuständige RK-SR im Vernehmlassungsentwurf keine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung zur Debatte stellte, sorgte für Unverständnis bei den linken Parteien sowie bei Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Nur die Zustimmungslösung verwirkliche die sexuelle Selbstbestimmung, weil Sex ohne Einverständnis grundsätzlich als Vergewaltigung anzusehen sei, argumentierten sie. Demgegenüber traten Kritikerinnen und Kritiker mit Bedenken an die Medien, dass eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung faktisch die Beweislast im Strafprozess umkehre und zu mehr Falschanschuldigungen führen könnte.
Das rege Interesse spiegelte sich denn auch in der rekordhohen Zahl an Stellungnahmen: Von den Kantonen, Parteien und Verbänden sowie interessierten Kreisen gingen 124 individuelle Stellungnahmen ein. Darüber hinaus wurden im Zuge der Kampagne «Nur Ja heisst Ja! – Art. 190 ändern» der SP Frauen* mehr als 10'000 gleichlautende Stellungnahmen von Privatpersonen eingereicht. Noch nie hätten sich in einer Vernehmlassung so viele Einzelpersonen geäussert, berichtete die Presse. Wie der im August 2021 erschienene Ergebnisbericht zeigte, wurde der Bedarf für eine Revision des Sexualstrafrechts überwiegend bejaht, wobei sich an der konkreten Ausgestaltung die Geister schieden. Dabei waren nicht nur diverse Mindest- und Höchststrafmasse umstritten, sondern insbesondere auch der von der RK-SR neu eingeführte Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs (Art. 187a StGB). Im Gegensatz zur Vergewaltigung, die im Vorentwurf wie bisher über ein Nötigungselement definiert wird, sollte der neue Tatbestand den Geschlechtsverkehr gegen den Willen einer Person erfassen, wenn diese nicht dazu genötigt wird. Diese Unterscheidung wurde von vielen Teilnehmenden kritisiert, weil sie die Klassifizierung einer Sexualstraftat als Vergewaltigung weiterhin an der Reaktion des Opfers festmache bzw. daran, dass der Täter oder die Täterin dessen (physischen) Widerstand überwunden haben müsse. Wenn das Opfer allerdings in einen Schockzustand gerate und sich gar nicht wehren könne, sei eine Nötigung in diesem Sinne gar nicht erforderlich, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Stattdessen wurde gefordert, diesen Aspekt in Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) und 190 StGB (Vergewaltigung) zu integrieren. Diese Ansicht wurde von rund zwei Dritteln der Teilnehmenden vertreten. Höchst umstritten war des Weiteren die im Vorentwurf vorgesehene «Nein-heisst-Nein»-Lösung: Strafbar soll es werden, «gegen den Willen einer Person oder überraschend» eine sexuelle Handlung vorzunehmen. 36 Teilnehmende sprachen sich hierfür aus. Demgegenüber hätten sich 80 Teilnehmende eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung gewünscht, also die Ersetzung des Ausdrucks «gegen den Willen» durch «ohne Einwilligung». Dies würde gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal setzen, dass bestimmte Verhaltensweisen gesellschaftlich nicht toleriert würden, erklärten verschiedene Frauenrechtsorganisationen. Unter den Parteien sprachen sich die SP, die Grünen und die GLP für die Zustimmungslösung aus. Während sich die Mitte dazu nicht äusserte, weil ein solcher Vorschlag nicht Gegenstand der Vernehmlassung war, zeigte sich die FDP grundsätzlich offen für eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regel; die FDP-Frauen mit Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) an der Spitze traten in den Medien unterdessen prominent für die Zustimmungslösung ein. Dezidiert dagegen äusserte sich die SVP. Die Kantone zeigten sich in dieser Frage gespalten, wobei sich gemäss NZZ für ein ursprünglich linkes Anliegen «auffällig viele» Kantone positiv zur Zustimmungslösung äusserten – neben Zürich und den meisten Westschweizer Kantonen notabene auch «diverse konservativere Kantone wie Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen oder Nidwalden».
Zusätzlich befeuert wurde die öffentliche Debatte um Zustimmungs- oder Widerspruchslösung durch die Anfang August 2021 ausgesprochene Urteilsbegründung des Basler Appellationsgerichts in einem Vergewaltigungsfall. Das Appellationsgericht hatte die Freiheitsstrafe für einen Vergewaltiger verkürzt und in der mündlichen Urteilsbegründung unter anderem angeführt, das Opfer habe «Signale gesendet» und «mit dem Feuer gespielt». Obwohl sich das Gericht ob der prompten und heftigen öffentlichen Kritik zu einer Stellungnahme gedrängt sah, in der es versuchte, die in der Öffentlichkeit entstandenen «Missverständnisse» zu erklären, wurden diese Aussagen in den Medien dahingehend interpretiert, dass das Gericht dem Opfer die Mitschuld an der Vergewaltigung gebe. Vor diesem Hintergrund erhielten die Forderungen nach einer «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung weiteren Auftrieb, nun auch explizit verstärkt durch Stellungnahmen von Fachpersonen aus der Psychologie und dem Rechtswesen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Le Conseil national a suivi l'avis de sa commission de l'économie et des redevances (CER-CN) et classé l'initiative parlementaire sans discussion.

Les données étant le bien le plus précieux des entreprises privées, il convient de régler leur restitution en cas de faillite (Iv.pa. 17.410)