Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Strafmass und Vollzug

Akteure

Prozesse

250 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

In der Herbstsession 2016 stimmte der Nationalrat einer Motion Freysinger (svp, VS) zu und forderte damit eine strengere Bestrafung bei Aggressionen gegen Beamte und Behörden. Die im einschlägigen Art. 285 StGB vorgesehene Höchststrafe von drei Jahren Haft soll auf fünf Jahre angehoben werden. Zudem soll in jedem Fall eine mindestens einjährige Freiheitsstrafe verhängt werden. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt, da härtere Strafen nicht erwiesenermassen zu weniger Straftaten führten und der geltende Strafrahmen von den Gerichten schon heute nicht ausgeschöpft werde. Die 92 zustimmenden Abgeordneten aus den Fraktionen der SVP, CVP und BDP liessen sich von dieser Argumentation allerdings nicht überzeugen. Sie setzten sich gegen 72 ablehnende Stimmen bei 18 Enthaltungen durch.

Strengere Bestrafung bei Aggressionen gegen Beamte und Behörden (Mo. 14.3995)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Frühling 2015 besuchte eine Delegation des Anti-Folter-Ausschusses verschiedene Einrichtungen des Freiheitsentzuges der Schweiz und führte Gespräche mit inhaftierten Personen. Im daraus hervorgegangenen Bericht zu den Schweizer Gefängnissen formulierte sie anschliessend verschiedene Empfehlungen, Beobachtungen und Fragen. Der Ausschuss kam zum Schluss, dass Gefangene in der Mehrheit der Einrichtungen korrekt behandelt und unter sehr guten Haftbedingungen leben würden. Gegenüber der Haftanstalt Champ-Dollon (GE) wurde die Kritik geäussert, dass diese seit der letzten Evaluation weiterhin stark überbelegt sei. Laut Aargauer Zeitung sei dies insbesondere deshalb problematisch, da Forschende kurz zuvor erstmals einen Zusammenhang zwischen der Überbelegung und der Zahl der Selbstmordversuche im «berüchtigten Genfer Gefängnis» nachgewiesen hatten. Handlungsbedarf legte der Bericht des Anti-Folter-Ausschusses zudem bei der Unterbringung von Gefangenen mit schweren psychischen Störungen offen. Diese seien noch immer häufig in Hochsicherheitstrakten untergebracht, würden isoliert und hätten nur beschränkt Zugang zu Therapiemassnahmen. In polizeilichen Einrichtungen im Kanton Genf berichteten Betroffene von Polizeigewalt und Misshandlungen. Darüber hinaus würde festgenommenen Personen in einigen polizeilichen Anstalten das Recht, Angehörige zu informieren, gar nicht oder erst nach Verstreichen von Stunden gewährt. Von ähnlichen Umständen berichtete auch die NZZ im September 2016: Im Gegensatz zum Strafvollzug gelte für Inhaftierte in einigen Einrichtungen der Untersuchungshaft ein Telefon-Verbot, sie hätten keine Sport- und Arbeitsmöglichkeiten und sässen bis zu 23 Stunden am Tag in der Zelle. Personen in Untersuchungshaft, für welche die Unschuldsvermutung gilt, würden hierzulande teilweise schlechter behandelt als verurteilte Straftäter, schloss der Artikel der NZZ. Hinzu komme, dass aufgrund der Überbelegung in Schweizer Gefängnissen viele verurteilte Personen in der eigentlich für kurzfristige Aufenthalte konzipierten Untersuchungshaft längere Zeit auf einen Haftplatz warten müssten (Blick am Sonntag und St. Galler Tagblatt).
Zum Bericht der Anti-Folter-Kommission nahm der Bundesrat zusammen mit den Kantonen im Juni 2016 ausführlich Stellung und führte zahlreiche Massnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Personen im Freiheitsentzug auf. So sollen Misshandlungen strikter geahndet sowie verstärkt in der Aus- und Weiterbildung thematisiert werden. Um sowohl der Überbelegung in Strafvollzugsanstalten als auch der nicht angemessenen Unterbringung von Personen mit schweren psychischen Störungen entgegenzuwirken, sei die Entstehung neuer Strafvollzugsanstalten bzw. zusätzlicher spezieller Haftplätze bereits in Planung. Der Bundesrat gab in seiner Stellungnahme zudem Auskunft zu den Beschäftigungs- und Kontaktmöglichkeiten in verschiedenen Einrichtungen des Schweizer Freiheitsentzugs und begründete das teilweise kleine Angebot mit dem Mangel an Personal- und Infrastrukturkapazitäten.

Bericht des europäischen Anti-Folter-Ausschusses über Schweizer Gefängnisse

Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Lang (alternative, ZG), die die Aufhebung von Art. 293 StGB (Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen) forderte, hatte die RK-NR 2014 einen Vorentwurf mit zwei Umsetzungsvarianten in die Vernehmlassung geschickt. Eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden sprach sich dabei für Variante A aus, welche vorsah, den Artikel nicht wie von der parlamentarischen Initiative gefordert zu streichen, sondern ihn abzuändern und ihn konform zur aktuellen Rechtsprechung des EGMR zu gestalten. Dafür sollte eine Veröffentlichung neu zwingend straflos bleiben, wenn das Veröffentlichungsinteresse stärker gewogen hat als das Geheimhaltungsinteresse. Variante B, die die Streichung von Art. 293 StGB vorsah, fand weitaus weniger Unterstützung. Die RK-NR hatte hierzu eingewandt, dass behördliche Verfahren einen gewissen Geheimnisschutz brauchten. Im Juni 2016 verabschiedete die Kommission die Variante A als Erlassentwurf zuhanden des Nationalrats.

Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Pa.Iv. 11.489)

Nachdem der Ständerat die Motion dahingehend abgeändert hatte, dass es keine unbegleiteten Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte mehr geben soll, musste sich der Nationalrat noch einmal mit Natalie Ricklis (svp, ZH) Anliegen befassen. Die RK-NR beantragte ihrem Rat mit 12 zu 11 Stimmen die Ablehnung der Motion und schloss sich damit der Ansicht des Bundesrates an. Während die Minderheit, welche sich für die Annahme des Vorstosses aussprach, verwahrte Personen als „potenziell sehr gefährlich“ einstufte und die Gesellschaft keinem „vermeidbaren Risiko“ in der Begegnung mit solchen Personen aussetzen wollte, zweifelte die Mehrheit am sicherheitsfördernden Charakter der Massnahme. Bundesrätin Simonetta Sommaruga begründete die Bedenken damit, dass Verwahrte – nicht: lebenslänglich Verwahrte – dereinst entlassen werden können, wenn sie keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellen. Hierzu sei ein schrittweiser Vollzug nötig, in dem Sinne, dass sich die verwahrte Person zuerst in begleiteten, dann in unbegleiteten Ausgängen bewähren müsse, bevor eine bedingte Freilassung in Frage komme. Es sei nicht einleuchtend, dass es der öffentlichen Sicherheit dienlich sei, hier den Schritt des unbegleiteten Urlaubs herauszubrechen und vom begleiteten Ausgang direkt zur bedingten Entlassung überzugehen. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von dieser Argumentation jedoch nicht überzeugen und überwies die Motion mit 100 zu 71 Stimmen bei 10 Enthaltungen an den Bundesrat.

Keine Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte (Mo. 11.3767)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Mit der Annahme einer Motion Janiak (sp, BL) fordert der Ständerat den Bundesrat auf, eine Ergänzung in Art. 320 StGB zum Verhältnis zwischen Amtsgeheimnis und Behördenkooperation anzubringen. Die Rechtfertigungsgründe beim Tatbestand der Amtsgeheimnisverletzung sollen dahingehend erweitert werden, dass die Offenbarung eines Geheimnisses im Rahmen der Behördenkooperation auch dann gerechtfertigt ist, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Weitergabe der betreffenden Information von einer Behörde zur anderen besteht. Bis heute stellt in diesem Fall nur die schriftliche Einwilligung der vorgesetzten Behörde einen Rechtfertigungsgrund dar. Obwohl der Bundesrat die Ansicht vertritt, dass diese Thematik im geltenden Recht bereits „sachgemäss und auch im Sinne von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit“ geregelt sei und die Motion damit zur Ablehnung empfahl, sprach sich die Ständekammer in der Sommersession 2016 mit 30 zu 9 Stimmen für das Anliegen aus.

Mo. Janiak: Amtsgeheimnis und Behördenkooperation

In Erfüllung eines Postulats von Nationalrätin Natalie Rickli (svp, ZH) veröffentlichte der Bundesrat im Juli 2015 seinen Bericht zur Verwahrungspraxis in der Schweiz. Der Bericht basierte auf Daten des BFS, auf Erhebungen einer Arbeitsgruppe der KKJPD sowie auf einer schriftlichen Umfrage bei den Kantonen. Er zeigte auf, dass seit dem Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts im Januar 2007, gemäss welcher eine gefährliche Person mit einer psychischen Störung nur verwahrt werden darf, wenn eine Therapie keinen Erfolg verspricht (Art. 64 StGB), die Anzahl verwahrter Personen abgenommen hat. Waren Ende Dezember 2006 noch 229 Straftäter und Straftäterinnen verwahrt, schrumpfte diese Zahl in den nächsten sieben Jahren auf 144. 80 altrechtliche Verwahrungen wurden in diesem Zeitraum in eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB umgewandelt. Der Nationalrat schrieb das Postulat im Sommer 2016 ab.

Bericht über die Verwahrungspraxis in der Schweiz (Po. 13.3978)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In einem Grundsatzurteil vollzog das Bundesgericht im Sommer 2016 einen Paradigmenwechsel in der Raser-Rechtsprechung: Richterinnen und Richter sollten bei der Beurteilung von Raserdelikten neu wieder mehr Beurteilungsspielraum erhalten. In seinem Entscheid hielt das Bundesgericht fest, es sei durchaus plausibel, dass ein Raserdelikt unter speziellen Umständen zwar objektiv bejaht werden müsse, allerdings auf subjektiver Ebene der Vorsatz fehle und es sich damit nicht um ein solches Delikt handle. Die bestehende Gesetzesnorm stelle «keine unwiderlegbare Vermutung» auf, dass die zu schnell fahrende Person in jedem Fall vorsätzlich gehandelt habe, schrieb die NZZ. Aus diesem Grund sollten Richterinnen und Richter künftig unter bestimmten Umständen von einem fehlenden Vorsatz ausgehen können. Mit dieser Erweiterung des Ermessensspielraums für Richterinnen und Richter weichte das Bundesgericht das im Jahr 2013 in Kraft getretene und aufgrund seiner Automatismen oft als zu hart kritisierte Gesetzesregime «Via sicura» etwas auf.

Bundesgerichtsurteil: Paradigmenwechsel in der Raser-Rechtsprechung

Da die Referendumsfrist für die Revision des Sanktionenrechts ungenutzt verstrichen ist, werden die neuen Bestimmungen am 1. Januar 2018 in Kraft treten. Die Änderungen im Jugendstrafgesetzbuch setzt der Bundesrat bereits per 1. Juli 2016 in Kraft. Insbesondere die Erhöhung der Altersgrenze für die Beendigung jugendstrafrechtlicher Massnahmen von 22 auf 25 Jahre bringe entscheidende Vorzüge und soll darum rasch umgesetzt werden. Jugendlichen soll es so beispielsweise ermöglicht werden, während einer Massnahme eine Berufslehre abzuschliessen.

Revision des Sanktionenrechts (BRG 12.046)
Dossier: Revision des Sanktionenrechts (Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )

Als Zweitrat befasste sich im Frühling 2016 der Nationalrat mit der Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes. Nachdem der Nichteintretensantrag der drei SVP-Abgeordneten Yves Nidegger (svp, GE), Lukas Reimann (svp, SG) und Pirmin Schwander (svp, SZ) chancenlos geblieben war, hatte sich die grosse Kammer in der Detailberatung mit einem weiteren Minderheitsantrag aus der SVP-Fraktion zu beschäftigen. Die Kommissionsminderheit um Andrea Martina Geissbühler (svp, BE) wollte, dass Zuwiderhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht mehr im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können. Ausserhalb der SVP-Fraktion fand das Anliegen allerdings keine Zustimmung und wurde klar abgelehnt. Abgesehen von einer sprachlichen Änderung schuf der Nationalrat keine Differenzen und nahm die Vorlage mit 167 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen an. Der Ständerat stimmte dieser Anpassung stillschweigend zu und hiess den Entwurf in der Schlussabstimmung einstimmig gut. Auch der Nationalrat sprach sich in der Schlussabstimmung mit sehr grosser Mehrheit (182 zu 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen) für die Gesetzesrevision aus.

Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes (BRG 14.099)

Mit der Annahme des revidierten Sanktionenrechts durch die eidgenössischen Räte im Sommer 2015 wurden auch Massnahmen zur wirksameren Verfolgung der Kleinkriminalität eingeführt. Es sind dies konkret die Wiedereinführung der kurzen Freiheitsstrafen und die Herabsetzung der Geldstrafe von höchstens 360 auf maximal 180 Tagessätze. Aufgrund dieser Änderungen sahen beide Räte bei einer Standesinitiative des Kantons Genf „Für eine wirksame Verfolgung der Kleinkriminalität“ keinen Gesetzgebungsbedarf und gaben der Initiative keine Folge.

Für eine wirksame Verfolgung der Kleinkriminalität

Nachdem der Bericht in Erfüllung eines Postulates Amherd (cvp, VS; Po. 11.4072) aufgezeigt hatte, dass zwischen den Kantonen erhebliche Unterschiede in der Ausführung des Strafvollzugs bestehen, reichte die RK-NR Anfang 2016 eine Motion zur Vereinheitlichung der Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern ein. Obschon im Rahmen der KKJPD Harmonisierungsschritte in diesem Bereich im Gang sind, war die Kommission der Ansicht, dass gewisse Defizite auf das fehlende Bundesgesetz zurückzuführen seien. Der Bundesrat beantragte hingegen die Ablehnung der Motion, da der Strafvollzug im Verantwortungsbereich der Kantone liege; der Bund solle nicht eingreifen und die Regelung der KKJPD überlassen. Die grosse Mehrheit im Nationalrat teilte diese Ansicht jedoch nicht und nahm den Vorstoss im März mit 156 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung an.

Einheitliche Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern (Mo. 16.3002)
Dossier: Straf- und Massnahmenvollzug bei gefährlichen Tätern
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Im Gegensatz zum Ständerat lehnte der Nationalrat die Motion, mit der die RK-SR eine Bussenkompetenz für Transportunternehmen forderte, in der Frühjahrssession 2016 stillschweigend ab. Die grosse Kammer folgte damit dem Antrag ihrer Kommissionsmehrheit und auch der Ansicht des Bundesrates, welche beide eine Motion im Sinne eines klar definierten Gesetzgebungsauftrages als nicht zielführend betrachteten. Es gebe noch zu viele offene Fragen, die zuerst geklärt werden müssten, bevor man über diese Thematik legiferieren könne. In diesem Sinne soll der Bundesrat zunächst die Möglichkeiten, die Sachdienlichkeit und die Machbarkeit einer einschlägigen Gesetzesänderung prüfen und dem Parlament einen entsprechenden Bericht vorlegen. Der Nationalrat nahm das so lautende Postulat seiner Rechtskommission (Po. 16.3004) stillschweigend an.

Bussenkompetenz für Transportunternehmen (Mo. 15.4080, Po. 16.3004)

Der Ständerat lehnte die Motion Fiala (fdp, ZH) zum Stalking, welche von der grossen Kammer im Herbst 2015 angenommen worden war, in der Frühjahrssession 2016 stillschweigend ab. Im Vorentwurf über Massnahmen zum verbesserten Schutz für Opfer von Gewalt und Stalking, den der Bundesrat im vergangenen Herbst in die Vernehmlassung gegeben hatte, sah die kleine Kammer das Anliegen des Vorstosses erfüllt.

Stalking-Thema nicht auf die lange Bank schieben (Mo. 13.3742)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Im Zuge der im Juni 2015 abgeschlossenen Revision des Sanktionenrechts wurde das sogenannte Electronic Monitoring als Vollzugsform für Freiheitsstrafen mit einer Dauer zwischen 20 Tagen und 12 Monaten im Gesetz verankert. Das Anliegen der Kantone Basel-Stadt (Kt.Iv. 10.327) und Basel-Landschaft (Kt.Iv. 10.329), welche beide die elektronische Fussfessel schon vorher versuchsweise eingeführt hatten, ist damit erfüllt. Wie der Nationalrat schrieb auch der Ständerat die beiden Standesinitiativen ab.

Kt.Iv. BS und BL: Einsatz von elektronischen Fussfesseln

Le peuple s'est prononcé le 28 février 2016 sur l'initiative de mise en oeuvre. Le renvoi des étrangers criminels avait été accepté en votation populaire en 2010. En raison de contradictions avec les textes de loi internationaux, notamment les bilatérales et la convention européenne des droits de l'Homme, le parlement avait proposé une mise en oeuvre qui différait quelque peu du texte proposé par le parti agrarien. Celui-ci, fâché par le non-respect littéral du texte, a lancé l'initiative dite "de mise en oeuvre", qui proposait, en addition à la version de 2010, un catalogue d'effractions menant à l'automaticité du renvoi. Cette liste, qui va du meurtre au viol, en passant par le cambriolage ou la fraude aux assurances sociales, est en outre complétée par un certain nombre de délits mineurs (infractions au code de la route, lésions corporelles légères, par exemple) pouvant également conduire à l'expulsion en cas de récidive.
La campagne a été marquée par une mobilisation hors du commun, notamment du côté de la société civile. En décembre 2015, trois comités distincts se déclaraient pour le non: les partis bourgeois, secondés par les milieux économiques, une alliance des partis de gauche, du parti écologistes ainsi que des syndicats, ainsi qu'un groupe d'ONG. Les premiers sondages annonçaient un taux de 66% de oui. En décembre, 40 des 46 conseillers aux Etats ont lancé un appel contre l'initiative, les six non-signataires étant 5 conseillers UDC et l'indépendant Thomas Minder. Les milieux économiques, à l'exception de l'USAM se sont engagés pour le non, economiesuisse annonçant toutefois ne pas vouloir engager de moyens financiers dans la campagne. Au fur et à mesure que le jour de la votation approchait, de plus en plus de milieux ont pris position publiquement contre l'initiative: certains milieux religieux, un groupement de 180 professeur.e.s de droit, ainsi qu'un groupe de personnalités appelé "appel urgent contre l'initiative inhumaine de l'UDC". Les gouvernements cantonaux de Zurich, Soleure, Argovie, Bâle-ville et Berne ont également pris position contre l'initiative.
Les affiches de l'UDC reprenaient leur fameux mouton noir, chassé à coup de pied par un mouton blanc, sis sur une surface rouge à croix blanche. Il a d'ailleurs été reproché aux trois comités initiaux de s'être approprié les codes graphiques de l'union démocratique du centre, sur leurs affiches représentant une botte militaire écrasant le palais fédéral ou encore une boule de démolition tombant sur l'allégorie Helvetia. Ces affiches ont plus tard dans la campagne laissé la place à celle de l'appel urgent, mettant en scène un "non" géant en lettres noires, dans les trois langues.
Si l'UDC s'est retrouvée dans cette campagne seule contre tous, elle a dû également faire face à des dissidences au sein de ses propres rangs. En effet, le conseiller national zurichois Hans-Ueli Vogt a déclaré que l'initiative devait protéger les étranger.e.s issus de la deuxième génération de l'automaticité des renvois. Il a été soutenu par les sénateurs Roland Eberle, Alex Kuprecht et Hannes Germann, mais fortement critiqué par la direction du parti, notamment Christoph Blocher. Il faut d'ailleurs signaler qu'une augmentation importante des demandes de naturalisation a été observée durant la campagne.
La nature du débat sur la mise en oeuvre a quelque peu différé de celle de l'initiative de 2010, en centrant le débat sur les droits de l'Homme ainsi que le respect des valeurs suisses et de l'Etat de droit. La mobilisation de la société civile plus importante qu'en 2010 peut expliquer cet état de fait. L'UDC s'est quant à elle cantonnée à ses arguments phares, à savoir la sécurité nationale et la primauté du droit suisse sur le droit étranger. Le catalogue des délits proposé par l'union du centre a d'ailleurs été largement utilisé par les opposants à l'initiative, afin de démontrer le caractère de bagatelle de certains délits menant à une expulsion.
A l'issue de la campagne, le non l'a emporté dans les urnes à 58.9% contre 41.1% de oui. Seuls trois cantons et trois demi-cantons se sont prononcés en faveur de l'initiative, à savoir Uri, Schwyz, le Tessin, ainsi qu'Obwald, Nidwald et Appenzell Rhodes Intérieures.
L'analyse VOX de la votation met en lumière la plus importante participation depuis la question de l'entrée dans l'espace économique européen en 1992. Une forte mobilisation des milieux de gauche ainsi que des jeunes expliquent cette différence de participation par rapport aux autres votations.
Les choix de votes sont fortement influencés par les appartenances politiques, la grande majorité des votants ayant un parti préféré en ont suivi les mots d'ordre. Si le PLR et le PDC avaient en 2010 fortement plébiscité l'initiative de base, ils en ont très fortement rejeté la proposition de mise en oeuvre six ans après. Un net conflit entre ouverture et traditions marque les choix de vote, les partisans d'une Suisse ouverte sur le reste du monde ayant massivement rejeté l'initiative. De plus, le non augmente avec le niveau de formation des votants, mais pas en fonction de l'âge. Les arguments qui ont influencé le choix des votants sont, parmi les partisans du non, les mêmes que ceux présentés par les comités d'opposition: l'initiative a été jugée trop extrême et disproportionnée, les aspects juridiques de non-respect des Droits de l'Homme ainsi que le court-circuitage du système judiciaire classique ont fortement pesé dans la balance, de même que la menace que l'initiative faisait planer sur les étrangers bien intégrés et les secondos. Chez les personnes favorables à la mise en oeuvre selon la proposition de l'UDC, les arguments principaux étaient le renvoi conséquent des étrangers criminels ainsi que l'importance de l'ordre et de la sécurité.
L'analyse APS des encarts publicitaires publiés dans les journaux témoigne également de l'importance de la mobilisation pour deux des objets proposés en votation populaire le 28 février. En effet, plus de 400 encarts ont été publiés pour l'initiative de mise en oeuvre, 592 pour le tunnel du Gothard, contre 114 pour la spéculation sur les matières premières et seulement 24 pour l'initiative "contre la pénalisation du mariage". Concernant l'initiative de mise en oeuvre, 47% des encarts provenaient des partisans de l'initiative, et 51% de ses opposants, et 2% étaient de nature neutre, quand elles annonçaient un débat public, par exemple. Le contenu des encarts reprend les principaux arguments de la campagne, à savoir l'importance du renvoi effectif des étrangers, statistiques à l'appui, ainsi que l'ordre et la sécurité pour les partisans et le caractère de violation des droits de l'Homme pour les opposants. De plus, de nombreuses personnalités se sont prononcées en leur nom propre contre l'initiative.


Votation populaire du 28 février 2016

Participation: 63.1%
Oui: 1 375 057 (41.1%) / cantons 3 3/2
Non: 1 966 989 (58.9%) / cantons 17 3/2

Mots d'ordre
- oui: UDC
- non: PS, Les Verts, PLR, PDC, succèssuisse, économiesuisse, Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz, Operation Libero, gouvernements des cantons de Zurich, Soleure, Bâle-Ville, Argovie et Berne

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)

Da die Revision des Sanktionenrechts bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, entschied der Nationalrat in der Sommersession 2015 zunächst, die Frist für die beiden Standesinitiativen der Kantone Basel-Stadt (10.327) und Basel-Landschaft (10.329) zum Einsatz elektronischer Fussfesseln erneut zu verlängern. Mit der Annahme der Änderungen des Sanktionenrechts am 19. Juni 2015 wurde sodann eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz elektronischer Fussfesseln geschaffen, wie sie von den beiden Initiativen gefordert worden war. In der Folge schrieb der Nationalrat im Dezember 2015 die beiden Standesinitiativen ab.

Kt.Iv. BS und BL: Einsatz von elektronischen Fussfesseln

Im Herbst 2013 hatte der Nationalrat eine Motion Rickli (svp, ZH) angenommen, welche Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte in Zukunft ausschliessen wollte. Der Ständerat ergänzte den Motionstext auf Antrag seiner Kommissionsmehrheit dahingehend, dass nur unbegleitete Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte ausgeschlossen werden sollen. Mit 26 zu 14 Stimmen bei 0 Enthaltungen nahm der Zweitrat in der Wintersession 2015 die Motion in geänderter Fassung an.

Keine Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte (Mo. 11.3767)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Abgesehen von einer rein sprachlichen Änderung nahm der Ständerat den Entwurf des Bundesrates zum Ordnungsbussengesetz unverändert und einstimmig an. Ziel der Vorlage ist es, durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf weitere Gesetze geringfügige Verstösse gegen diese einfach, schnell und einheitlich sanktionieren zu können. Der Vorlage liegen die folgenden drei Überlegungen zugrunde: Erstens orientiert sich das Gesetz an den Regeln des geltenden Ordnungsbussengesetzes, da sich dessen Struktur in der Anwendung seit mehr als 40 Jahren bewährt. Zweitens findet das Ordnungsbussenverfahren nur auf Fälle mit klarem Sachverhalt Anwendung, da die Personen, welche das Gesetz anwenden, in der Regel über keine juristische Ausbildung verfügen und deshalb keine Würdigung des Sachverhalts von ihnen verlangt werden soll. Drittens beschränkt sich das Ordnungsbussensystem auf Bagatellfälle. Anlass zu Diskussionen gab in der RK-SR vor allem die Tatsache, dass Übertretungen im Eisenbahnbereich weiterhin nicht nach dem Ordnungsbussenverfahren geahndet werden sollen. Dies führe zu einer Diskrepanz zwischen Strasse und Schiene, indem äquivalente Übertretungen unterschiedlich sanktioniert würden. Um nicht die gesamte Gesetzesrevision zu gefährden, verzichtete die RK-SR jedoch darauf, entsprechende Änderungen am vorliegenden Entwurf vorzunehmen und reichte stattdessen eine separate Motion zu diesem Anliegen ein.

Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes (BRG 14.099)

Da der Entwurf zur Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes nicht vorsah, den Anwendungsbereich von Ordnungsbussen auf das Eisenbahn- und das Personenbeförderungsgesetz auszuweiten, verlangte die Rechtskommission des Ständerates mit einer Motion eine Bussenkompetenz für Transportunternehmen. Der Vorstoss fordert den Bundesrat auf, Sicherheitsorgane von Transportunternehmen zu bezeichnen, welche vom Bundesrat festzulegende Übertretungen der einschlägigen Gesetze anhand eines Bussenkataloges mit Busse bestrafen können. Das Anliegen des öffentlichen Verkehrs stiess im Ständerat auf Zustimmung; die Motion wurde in der Wintersession mit 32 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.

Bussenkompetenz für Transportunternehmen (Mo. 15.4080, Po. 16.3004)

Nach 2008 reichte Doris Fiala (fdp, ZH) 2013 erneut eine Motion zum Stalking ein und wollte damit verhindern, dass das Thema auf die lange Bank geschoben wird. Die frühere Motion war mit der Begründung abgelehnt worden, das geltende Strafrecht und der damals neu geschaffene Artikel 28b ZGB (Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen) böten ausreichenden Schutz für Stalking-Opfer. Gleichzeitig hatte der Bundesrat versprochen, fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Artikels am 1. Januar 2007 dessen praktische Umsetzung und Wirksamkeit zu evaluieren. Mit der neueren Motion forderte Fiala vom Bundesrat, den in Aussicht gestellten Evaluationsbericht vorzulegen. Allfällige Massnahmen zum verbesserten Schutz von Stalking-Opfern sollen zudem nicht nur geprüft, sondern umgehend in die Wege geleitet werden. Der Bundesrat liess in seiner Stellungnahme verlauten, die Evaluation sei im Gange und der Schlussbericht werde voraussichtlich bis Ende 2014 vorliegen. Er beantragte die Ablehnung der Motion; es sei verfrüht, den Handlungsbedarf vor Vorliegen der Evaluationsergebnisse zu bejahen.
In der Herbstsession 2015 nahm der Nationalrat die Motion schliesslich mit überwältigender Mehrheit an. Der Evaluationsbericht lag zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht vor. Bundesrätin Simonetta Sommaruga versicherte jedoch, der Bundesrat arbeite mit Nachdruck daran und das Anliegen der Motion werde bald erfüllt sein, weshalb eine Annahme der Motion jetzt auch nichts mehr ändere.

Stalking-Thema nicht auf die lange Bank schieben (Mo. 13.3742)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Die im Nachhall der Debatte um den Fall „Carlos“ eingereichte und von 110 Nationalrätinnen und Nationalräten mitunterzeichnete Motion Fehr (svp, ZH) zur Verschärfung des Jugendstrafrechts wurde im Herbst 2015 von der grossen Kammer abgelehnt. Der Motionär forderte unter anderem die Möglichkeit, Jugendliche bei besonders schweren Taten nach Erwachsenenstrafrecht verurteilen zu können. Die verlangten Änderungen seien unnötig und „erst noch kontraproduktiv“, so Justizministerin Sommaruga.

Mo. Fehr (13.3725): Verschärfung des Jugendstrafrechts („Carlos“)

Wenn gegenüber einer beschuldigten Person im Strafprozess rechtswidrige Zwangsmassnahmen angewandt wurden, hat diese Person gemäss geltender Strafprozessordnung Anspruch auf Genugtuung. Eine solche rechtswidrige Zwangsmassnahme kann beispielsweise darin bestehen, dass die Dauer der Untersuchungshaft länger war als die schliesslich verhängte Strafe. Falls der Staat einer verurteilten Person eine solche Entschädigung zahlen muss, stellt sich die Frage, ob diese Genugtuung mit den Gerichtskosten, welche der verurteilten Person auferlegt werden, verrechnet werden kann oder nicht. Mit einer parlamentarischen Initiative wollte die RK-NR den unklaren Wortlaut von Art. 442 Abs. 4 StPO ändern, „um die widersinnige Situation auszuschliessen, dass der Staat einer verurteilten Person erst eine Entschädigung bezahlen muss und danach Schritte einleiten muss, um die eben dieser Person auferlegten Gerichtskosten einzufordern“, so die Begründung des Vorstosses. Die Schwesterkommission (RK-SR) betonte jedoch, dass solche Entschädigungszahlungen nur bei sehr problematischen Haftbedingungen ein Thema seien und es in diesen Fällen wichtig sei, dass die geschädigte Person tatsächlich eine Genugtuung erhalte, und sprach sich mit 5 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen die Initiative aus. Die RK-NR wollte im Sinne der Prozessökonomie am Vorstoss festhalten und argumentierte, die Umsetzung der Initiative könne im Rahmen der ohnehin anstehenden StPO-Revision (als Folge der Überprüfung der StPO auf ihre Praxistauglichkeit) erfolgen. In der Herbstsession 2015 liess sich der Nationalrat von der Argumentation seiner Kommission mehrheitlich überzeugen und gab der Initiative mit 130 zu 53 Stimmen Folge.

Verrechnung der Gerichtskosten mit den Genugtuungsansprüchen aufgrund rechtswidriger Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 13.466)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Die tragischen Mordfälle Lucie, Marie und Adeline zeigten laut Natalie Rickli (svp, ZH), dass der Resozialisierung der Täter höheres Gewicht beigemessen werde als dem Schutz der Bevölkerung. Sie forderte deshalb mit einer parlamentarischen Initiative, dass Wiederholungstäter, die bereits einmal rechtskräftig wegen Mordes, vorsätzlicher Tötung, schwerer Körperverletzung oder Vergewaltigung verurteilt worden sind, ungeachtet der Erfüllung weiterer Bedingungen verwahrt werden müssen. Es sei nicht gerechtfertigt, dass jemand, der seine zweite Chance verwirkt habe, noch eine dritte Chance bekomme. Eine therapeutische Behandlung und Strafvollzugslockerungen sowie die bedingte Entlassung – bei hinreichend geringem Rückfallrisiko nach erfolgreicher Therapie – würden dadurch nicht ausgeschlossen. Die RK-NR gab der Initiative im Oktober 2014 mit 13 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge. Anfang September 2015 tat es ihr die RK-SR mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen gleich.

Verwahrung bei rückfälligen Tätern (Pa.Iv. 13.463)

Mit einer Anfang 2014 eingereichten Standesinitiative forderte der Kanton Tessin die Bundesversammlung auf, die Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB) sowie für die Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) hinsichtlich ihrer Angemessenheit zu überprüfen. Im Jahr 2012 habe es gemäss Zahlen des BfS in der Schweiz 2957 Fälle von Gewalt und Drohung gegen Beamte gegeben – mehr als 90% davon gegen Polizeibeamte –, wohingegen zehn Jahre zuvor nur gut 700 solche Fälle verzeichnet worden seien. Nicht zuletzt bei Sportanlässen komme es immer wieder zu solchen Gefährdungen durch Hooligans. Weder das Hooligan-Konkordat noch die nationale Kampagne gegen Gewalt an Ordnungskräften entfalte ausreichende Wirkung, weshalb die Strafrahmen im Strafgesetzbuch auf ihre Angemessenheit überprüft werden müssten. Die RK-SR unterstützte das Anliegen im Januar 2015 einstimmig; ihre Schwesterkommission gab der Initiative im Juni mit 20 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung Folge.

Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte überprüfen (Kt.Iv. 14.301)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Frühling 2015 setzte der Nationalrat das laufende Differenzbereinigungsverfahren zur Revision des Sanktionenrechts fort. Die umstrittenen Kernpunkte waren nach wie vor die Mindesthöhe der Tagessätze, die Möglichkeiten der Zahlungsfristverlängerung sowie des Vollzugs von Geldstrafen über den Betreibungsweg, der Vorrang von Geldstrafen vor Freiheitsstrafen und die Existenz der bedingten Geldstrafen. Betreffend die Mindesthöhe von Tagessätzen stimmte die grosse Kammer mit 104 zu 87 Stimmen einem Kompromissvorschlag ihrer Kommissionsmehrheit zu. Demnach sollen Tagessätze grundsätzlich mindestens CHF 30 betragen, in Anbetracht der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bestraften aber ausnahmsweise auf CHF 10 gesenkt werden können. Bundesrätin Sommaruga zeigte sich zufrieden mit diesem Vorschlag, da er die bestehende Praxis klar und eindeutig ins Gesetz schreibe. Die Möglichkeiten zur Verlängerung der Zahlungsfrist von Geldstrafen und zum Vollzug über den Betreibungsweg akzeptierte der Nationalrat mit 124 zu 55 Stimmen und räumte damit diese Differenz aus. Da mit der Wiedereinführung der kurzen Freiheitsstrafen ein Bereich geschaffen wurde, in dem entweder eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden kann, war das Verhältnis dieser beiden Sanktionsformen noch zu regeln. Der Nationalrat akzeptierte den grundsätzlichen Vorrang von Geld- vor Freiheitsstrafen, strich aber gleichzeitig die Begründungspflicht bei Abweichungen vom Grundsatz. Mit den vier verbleibenden Differenzen befasste sich der Ständerat in der Sommersession.

Der Kompromiss betreffend die Tagessätze stiess in der Kantonskammer auf stillschweigende Zustimmung. Die Pflicht zu begründen, warum statt einer Geld- eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, wollte der Ständerat jedoch beibehalten. Bei den bedingten Geldstrafen folgte er der grossen Kammer und gab seine Position auf, dass Geldstrafen immer zur Hälfte unbedingt ausgesprochen werden müssten. Eine Differenz bezüglich der Strafprozessordnung blieb weiter bestehen, da der Ständerat die vom Nationalrat vorgesehene Ausweitung der Strafbefehlskompetenz des Staatsanwaltes ablehnte. Zum Abschluss ihrer Beratungen fügte die kleine Kammer noch eine Koordinationsbestimmung mit den im März 2015 verabschiedeten Änderungen im Ausschaffungsrecht ein: Im Falle des Inkrafttretens beider Gesetzesrevisionen sollen die Bestimmungen zur Landesverweisung im Ausschaffungsrecht Vorrang haben vor der entsprechenden, weniger weit gehenden Bestimmung im Sanktionenrecht. Die Einigungskonferenz beantragte schliesslich, in beiden verbleibenden Differenzen dem ständerätlichen Standpunkt zu folgen. Dieser Antrag wurde in beiden Kammern stillschweigend angenommen. In der Schlussabstimmung sprach sich der Ständerat einstimmig für die Gesetzesrevision aus, während sie im Nationalrat mit 142 zu 50 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen wurde. Alle ablehnenden Voten kamen aus der Fraktion der SVP.

Stefan Engler (cvp, GR), Sprecher der RK-SR, fragte am Schluss der Ratsdebatte: „Was schaut nach rund drei Jahren Arbeit des Gesetzgebers an wesentlichen Neuerungen heraus?“ Die Freiheitsstrafe erhält gegenüber der Geldstrafe mehr Gewicht, kurze Freiheitsstrafen sind unter Vorbehalt des Vorrangs der Geldstrafe wieder möglich, die gemeinnützige Arbeit ist neu Vollzugsform und nicht mehr eigene Sanktion und es wurde eine gesetzliche Grundlage für das sogenannte Electronic Monitoring geschaffen. Die bedingte Geldstrafe, welche im Zentrum der diese Revision auslösenden Kritik stand, besteht weiter.

Revision des Sanktionenrechts (BRG 12.046)
Dossier: Revision des Sanktionenrechts (Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )