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Im Januar 2018 nahm die RK-NR Kenntnis von den Vernehmlassungsergebnissen zu ihrem Vorentwurf betreffend die strengere Regelung der Wiedergutmachung (Art. 53 StGB). Der Vorentwurf hatte zwei Umsetzungsvarianten umfasst. Eine Mehrheit der Vernehmlassenden sprach sich für die Variante der Kommissionsmehrheit aus, die eine Wiedergutmachung nur noch ermöglichen wollte, wenn als Strafe eine bedingte Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, eine bedingte Geldstrafe oder eine Busse in Betracht kommt und die angeklagte Person die Tat gesteht. Eine Minderheit der RK-NR hatte die Möglichkeit der Wiedergutmachung gar nur noch bei einer bedingten Geldstrafe oder einer Busse vorsehen wollen.
Der Bundesrat begrüsste in seiner Stellungnahme eine Verschärfung von Art. 53 StGB und stellte sich ebenfalls hinter den Vorschlag der Kommissionsmehrheit. Im Mai verabschiedete die Kommission daher einen dem Mehrheitsvorschlag entsprechenden Erlassentwurf. Die Neuerungen des StGB sollten demnach in gleicher Weise auch in das MStG aufgenommen werden. In das JStG sollte hingegen nur die neue Voraussetzung, wonach der Täter den Sachverhalt eingestanden haben muss, Eingang finden.
In der Herbstsession 2018 – und damit sechs Jahre, nachdem die Rechtskommissionen beider Räte der parlamentarischen Initiative Vischer (gp, ZH) Folge gegeben hatten – debattierte der Nationalrat als Erstrat über deren Umsetzung. Die Mehrheit der grossen Kammer unterstützte den Vorschlag der Kommissionsmehrheit. Eine ausschliesslich aus Vertretern der SVP-Fraktion bestehende Minderheit argumentierte vergeblich, dass der Artikel 53 StGB nicht mehr zu retten sei und nicht revidiert, sondern ganz abgeschafft werden sollte. Sowohl deren Antrag auf Nichteintreten als auch der Antrag, stattdessen den Vorschlag der Kommissionsminderheit zu übernehmen, scheiterten klar. Im Ständerat regte sich in der Wintersession darauf indes kein Widerstand gegen den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, womit er diskussionslos einstimmig angenommen wurde. In den Schlussabstimmungen hiessen der Ständerat mit 43 zu 0 Stimmen und der Nationalrat mit 137 zu 54 Stimmen die Vorlage gut.

Strengere Regeln für die Wiedergutmachung im Strafrecht (Pa.Iv. 10.519)

Anders als zuvor der Ständerat fand der Nationalrat in der Wintersession 2018 keinen Gefallen am Vorhaben der Motion Rieder (cvp, VS), das Strafmass für Landfriedensbruch nach Art. 260 StGB dahingehend zu erhöhen, dass zusätzlich zu einer Geldstrafe zwingend immer auch eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden muss. Stillschweigend folgte er dem Antrag seiner Rechtskommission und lehnte die Motion ab. Es sei unverhältnismässig, die blosse Teilnahme an einer Veranstaltung, in deren Rahmen es zu Gewalttätigkeiten komme, härter zu bestrafen als die Begehung einer Gewalttat – zum Beispiel Körperverletzung – selber. Ausserdem verwies die Kommission auf die anstehende Harmonisierung der Strafrahmen, die eine geeignete Gelegenheit biete, die von der Motion aufgeworfene Frage zu entscheiden.

Landfriedensbruch ist kein Bagatelldelikt (Mo. 17.3863)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit der Annahme einer Motion der RK-NR im Herbst 2016 hatten die eidgenössischen Räte den Bundesrat beauftragt, einheitliche Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern festzulegen. Infolgedessen analysierte das Bundesamt für Justiz in Zusammenarbeit mit der KKJPD die kantonalen Vollzugspraktiken und erarbeitete Vorschläge für verschiedene gesetzgeberische Massnahmen. Der entsprechende Bericht wurde im November 2018 am ersten Forum des Schweizerischen Kompetenzzentrums für den Justizvollzug (SKJV) in Freiburg vorgestellt. In vier Bereichen wurden uneinheitliche Systeme oder Funktionsweisen als möglicherweise problematisch erkannt: bei den Fachkommissionen zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit, beim Risikomanagement, beim Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten sowie beim Verfahren zur nachträglichen Anordnung oder Änderung einer Sanktion bzw. zur Verlängerung einer Massnahme. Der bedeutendste Neuerungsvorschlag sieht die Schaffung einer Aufsichtsmassnahme als Zwischenform zwischen einer therapeutischen und einer sichernden Massnahme – z.B. einer Verwahrung – vor, die nach Ende der Sanktion bei gefährlichen Straftätern mit erhöhtem Rückfallrisiko angeordnet werden könnte. Damit soll verhindert werden, dass gefährliche Straftäter am Ende der Sanktion ohne Vorbereitung, Betreuung oder Auflagen freigelassen werden, falls das Gericht einen Antrag auf nachträgliche Anordnung oder Änderung der Sanktion bzw. Verlängerung der Massnahme ablehnt.

Einheitliche Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern (Mo. 16.3002)
Dossier: Straf- und Massnahmenvollzug bei gefährlichen Tätern
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Im Gegensatz zum Nationalrat blieb die Motion Flückiger-Bäni (svp, AG) für schärfere Strafen bei Gewalt gegen Polizei, Behörden und Beamte im Ständerat chancenlos. Die kleine Kammer folgte in der Herbstsession 2018 dem einstimmigen Antrag ihrer Rechtskommission und erteilte dem Vorstoss eine stillschweigende Absage. Sie verkenne damit nicht den politischen Handlungsbedarf in dieser Sache, erachte die Forderungen der Motion jedoch als unverhältnismässig für den sehr breiten und facettenreichen Tatbestand von Art. 285 StGB, begründete die Kommission ihren Antrag. Der Problematik werde stattdessen im Zuge der Strafrahmenharmonisierung Rechnung getragen.

Schärfere Strafen bei Gewalt gegen Polizei, Behörden und Beamte (Mo. 16.3547)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Indem eine Landesverweisung in jedem Fall von einem Strafgericht ausgesprochen werden müsse, bei der Anwendung der Härtefallklausel jedoch teilweise das Strafbefehlsverfahren angewandt werde, böten die Bestimmungen über die strafrechtliche Landesverweisung einen verfahrensökonomischen Anreiz, die Härtefallklausel anzuwenden und auf einen Landesverweis zu verzichten. So begründete Ständerat Philipp Müller (fdp, AG) seine Motion, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, die entsprechenden Bestimmungen anzupassen, um den konsequenten Vollzug von Landesverweisungen sicherzustellen. Der Bundesrat begrüsste die offene Formulierung des Vorstosses und erklärte sich bereit, künftig als sich notwendig erweisende Anpassungen vorzunehmen, sollte sich abzeichnen, dass der Wille des Gesetzgebers in der Praxis nicht umgesetzt werde. Der Ständerat lehnte in der Herbstsession 2018 zuerst einen Ordnungsantrag Jositsch (sp, ZH) ab, der die Motion der Kommission zur Vorberatung zuweisen wollte, damit diese die Forderung im Zusammenhang mit der Revision der Strafprozessordnung beraten könnte. Die Ratsmehrheit sah eine solche Vorgehensweise nicht als zweckmässig an und wollte sich direkt zum Anliegen der Motion äussern, die schliesslich oppositionslos angenommen wurde.

Mo. Müller: Konsequenter Vollzug von Landesverweisungen

Eine Motion Fehlmann Rielle (sp, GE) forderte vom Bundesrat eine Änderung der Definition von Vergewaltigung im Schweizer Gesetz. Die heute sehr eng gefasste Definition der Vergewaltigung (Art. 190 StGB) solle mit der Inklusion männlicher Opfer sowie mit dem Tatbestand der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB) erweitert werden. Im Lichte gesellschaftlicher Entwicklungen und der 2017 erfolgten Ratifizierung der Istanbul-Konvention, welche die Definition der Vergewaltigung geschlechterneutral formuliert, sei der Zeitpunkt zur Anpassung der Schweizer Gesetzgebung gekommen. Viele andere westeuropäische Länder hätten dies schon getan, so die Motionärin. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. In seiner Stellungnahme wies er darauf hin, dass er den Handlungsbedarf erkannt habe und dieses Anliegen mit der Harmonisierung der Strafrahmen angehen wolle. Dabei solle jedoch nicht der gesamte Tatbestand der sexuellen Nötigung unter die Vergewaltigung fallen, sondern ausschliesslich die «abgenötigten beischlafsähnlichen Handlungen».
Die 2017 eingereichte Motion wurde in der Frühjahrssession 2018 von SVP-Nationalrat Yves Nidegger (GE) bekämpft. Er begründete dies damit, dass sich die Gefahr einer Schwangerschaft nach der Vergewaltigung auf weibliche Opfer und auf den Beischlaf im engeren Sinne beschränke. Durch die Erweiterung des Begriffes der Vergewaltigung würde daher die Schutzwirkung gegenüber Frauen geschwächt, so Nidegger.
In der Herbstsession 2018 folgte der Nationalrat der Empfehlung des Bundesrates und nahm die Motion mit 151 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen und einer Enthaltung an.

Definition von Vergewaltigung im Schweizer Recht. Das Gesetz muss geändert werden! (Mo. 17.3992)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Die Motion Caroni (fdp, AR) für fairere Verfahren im Strassenverkehr und mehr Rechtsstaatlichkeit bei Führerschein-Entzügen war auch in der grossen Kammer nicht umstritten: Der Nationalrat nahm die Motion im September 2018 stillschweigend an, nachdem der Ständerat die Motion im März 2018 gutgeheissen hatte.

Fairere Verfahren im Strassenverkehr (Mo. 17.4317)

Die steigende Zahl von Gewalttaten im Umfeld von politischen Demonstrationen und Sportveranstaltungen war es, die Ständerat Beat Rieder (cvp, VS) dazu veranlasste, mittels Motion ein höheres Strafmass für Landfriedensbruch gemäss Art. 260 StGB zu fordern. Zusätzlich zu einer Geldstrafe soll zukünftig zwingend immer auch eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden, so die Forderung des Motionärs. Der richterliche Ermessensspielraum bliebe insofern erhalten, als dass keine Mindeststrafe vorgesehen und auch bedingte Strafen nicht ausgeschlossen würden. Wie schon seine vorberatende Rechtskommission zeigte sich auch der Ständerat in dieser Frage gespalten. Während die knappe Mehrheit der Freiheitsstrafe eine stärkere präventive Wirkung zusprach, argumentierte die Minderheit vergeblich, dass es sich einerseits mehr um ein Durchsetzungs- als um ein Rechtsetzungsproblem handle, da solche Personen nur schwer gefasst werden könnten, und dass man diese Problematik andererseits besser in der anstehenden Diskussion um die Harmonisierung der Strafrahmen angehen solle, um eine Unverhältnismässigkeit in den Strafrahmen zu verhindern. Minderheitsvertreter wiesen darauf hin, dass es mit der vom Motionär vorgeschlagenen Regelung möglich würde, nicht gewalttätige Beteiligte einer Manifestation für den Landfriedensbruch härter zu bestrafen als gewalttätige Beteiligte für beispielsweise Sachbeschädigungen, Körperverletzung oder fahrlässige Tötung. Rieder entgegnete jedoch, ohne die Strafmasserhöhung nehme man den Einsatzkräften die «Lust, überhaupt zu intervenieren», da sich ein Einsatz nicht lohne, wenn die gefassten Personen am Ende mit einer bedingten Geldstrafe davonkämen. So nahm der Ständerat den Vorstoss im Sommer 2018 mit 21 zu 18 Stimmen an.

Landfriedensbruch ist kein Bagatelldelikt (Mo. 17.3863)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ende April 2018 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Harmonisierung der Strafrahmen und zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht. Zur Strafrahmenharmonisierung wird der Besondere Teil des StGB teilrevidiert. Ein besonderes Augenmerk fällt dabei auf die Sexualstraftaten sowie die Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Beim Vorliegen letzterer sollen Gruppen von gewalttätigen Randalierern und Chaoten neu mindestens mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen bestraft werden anstatt wie bisher mit mindestens 30 Tagessätzen. Eine Erhöhung der Mindeststrafe ist ebenfalls bei Vergewaltigung (von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe) und schwerer Körperverletzung (von sechs Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe) vorgesehen. Der Tatbestand der Vergewaltigung soll ausserdem in zweifacher Hinsicht ausgeweitet werden: Erstens wird er neu geschlechtsneutral gefasst und zweitens auch auf beischlafsähnliche Handlungen ausgedehnt, die bisher der sexuellen Nötigung zugeordnet waren. Im Zuge dessen soll die Höchststrafe für sexuelle Nötigung neu nur noch fünf anstatt wie bisher zehn Jahre Freiheitsstrafe betragen. Diese Änderungen werden analog für den Schändungstatbestand übernommen. Sexuelle Handlungen mit Kindern unter zwölf Jahren sollen neu mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden, wobei für leichtere Fälle dem Unrechtsgehalt entsprechend ein tieferer Strafrahmen gelten soll. Auf Geldstrafen wird bei Sexualdelikten mit Ausnahme der Pornografie und des Exhibitionismus gänzlich verzichtet. Bei gemeinsam begangenen Sexualdelikten soll eine Strafschärfung zwingend werden. Darüber hinaus soll die Mindeststrafe für gewerbsmässig begangene Vermögensdelikte auf sechs Monate Freiheitsstrafe vereinheitlicht werden, was teilweise einer Erhöhung, teilweise einer Verminderung gegenüber dem geltenden Recht entspricht. Ebenfalls harmonisiert werden die Strafausschlussgründe bei Rechtspflegedelikten.
Von den Parteien und den Kantonen wurde die seit 2012 lang ersehnte Vorlage grundsätzlich begrüsst. Der SVP gehe der Entwurf zu wenig weit, aber immerhin «in die richtige Richtung», berichtete die Presse. Auf Kritik stiessen in Strafrechtskreisen die erhöhten bzw. neu eingeführten Mindeststrafen, da sie den richterlichen Ermessensspielraum beschnitten und somit einerseits zu mehr ungerechten Urteilen führten sowie andererseits als Misstrauen in die Gerichte interpretiert werden könnten. Enttäuscht zeigte sich auch der Verband der schweizerischen Polizeibeamten, dass seine Forderung nach mindestens drei Tagen Gefängnis für Gewalt gegen Behörden und Beamte keinen Eingang in die Vorlage gefunden hatte. Demgegenüber kam das Gesetzgebungsprojekt bei der schweizerischen Staatsanwältekonferenz gut an, wo man es nicht als Misstrauensvotum auffasste, sondern vielmehr als «gesellschaftlichen Anstoss», bestimmte Taten härter zu bestrafen, dem die Justiz nun folgen müsse.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit einer im Sommer 2016 eingereichten Motion reagierte Nationalrätin Silvia Flückiger-Bäni (svp, AG) auf die ihrer Ansicht nach nicht mehr hinnehmbare Gewalt gegen die Polizei in jüngster Zeit. Sie forderte, die entsprechende Strafbestimmung (Art. 285 StGB) dahingehend zu verschärfen, dass bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte zwingend eine unbedingte Gefängnisstrafe auszusprechen und überdies der Arbeitgeber über ein rechtskräftiges Urteil im Zusammenhang mit diesem Straftatbestand zu informieren ist. Damit wollte die Motionärin einerseits eine abschreckende Wirkung erzielen und so die Zahl der Gewalttaten senken und andererseits die Attraktivität des Polizeistandes fördern, um sicherzustellen, dass auch in Zukunft fähige Leute diesen Beruf wählen. Obschon der Bundesrat die Ablehnung des Vorstosses empfahl, da die Thematik in der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen behandelt werde, stimmte die grosse Kammer im März 2018 der Motion mit 96 zu 92 Stimmen bei 4 Enthaltungen zu.

Schärfere Strafen bei Gewalt gegen Polizei, Behörden und Beamte (Mo. 16.3547)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Auf Antrag seiner Rechtskommission beschloss der Nationalrat in der Frühjahrssession 2018 mit 117 zu 70 Stimmen, einer parlamentarischen Initiative Quadri (lega, TI) keine Folge zu geben. Diese hatte zum Ziel, das Recht auf Notwehr auszuweiten, insbesondere bei Notwehrhandlungen gegen unbefugt in Wohnraum eindringende Dritte. Eine Mehrheit der RK-NR und des Nationalrates befürchteten, die vorgeschlagene Änderung werde zu vermehrten Missbräuchen des Notwehrrechts führen oder könne gar als Anreiz zur Selbstjustiz missverstanden werden. Eine Minderheit, bestehend aus der SVP-Fraktion sowie einigen Abweichlern aus den Fraktionen der CVP und der BDP, argumentierte vergeblich, dass ein Angriff in der eigenen Wohnung besonders traumatisch sei und daher einen speziellen Schutz rechtfertige.

Das Recht auf Notwehr verstärken (Pa.Iv. 16.476)

Mit einer Motion verlangte Ständerat Caroni (fdp, AR) fairere Verfahren im Strassenverkehr und insbesondere mehr Rechtsstaatlichkeit bei Führerschein-Entzügen. Diese Verfahren dauerten oft zu lange, was angesichts des erheblichen Eingriffs in die Freiheit der betroffenen Person problematisch sei. Mit vier Massnahmen sollen die Verfahren gestrafft werden: Die polizeiliche Ausweisabnahme soll auf zehn Tage befristet werden, beim anschliessenden vorsorglichen Entzug durch das Strassenverkehrsamt soll die betroffene Person jeweils nach drei Monaten darüber informiert werden, ob und weshalb der Entzug fortgesetzt wird. Drittens sollen die Rechte von Personen, denen der Führerschein aufgrund mutwilliger oder ungerechtfertigter Privatdenunziation entzogen wurde, gestärkt werden. Psychologische und medizinische Abklärungen sollen viertens dadurch beschleunigt werden, dass sie bei allen anerkannten Labors durchgeführt werden können, nicht nur beim bisher vom Amt festgelegten Labor. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion und Bundesrätin Leuthard erklärte am 5. März 2018 im Ständerat, die drei ersten Punkte der Motion könnten wohl bis 2021 über Verordnungsänderungen umgesetzt werden, während der vierte Punkte bereits umgesetzt sei. Die Motion wurde vom Ständerat diskussionslos angenommen.

Fairere Verfahren im Strassenverkehr (Mo. 17.4317)

Auch der Ständerat hiess die Motion von Bernhard Guhl (bdp, AG) für ein längeres Prüfungsintervall nach drei negativen Prüfungen der Verwahrung ohne Diskussion gut. Kommissionssprecher Robert Cramer (gp, GE) erwähnte einzig, dass sich die Motion ausschliesslich auf die Prüfung von Amtes wegen beschränke, da bereits heute die Möglichkeit bestehe, bei unveränderten Verhältnissen auf eine erneute Begutachtung zu verzichten. Dadurch läge eine mögliche Umsetzung dieser Motion im Rahmen der zu gewährleistenden Minimalrechte der EMRK. Justizministerin Simonetta Sommaruga hatte dem nichts beizufügen.

Längeres Prüfungsintervall nach drei negativen Prüfungen der Verwahrung (Mo. 17.3572)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Als Reaktion auf die zunehmenden Fälle von Gewalt und Drohungen gegen Beamte, seien es Polizistinnen und Polizisten, Beamte in Sozialdiensten oder bei Betreibungsämtern, reichte der Kanton Bern im Oktober 2016 eine Standesinitiative ein, mit der er bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte zwingend eine Freiheitsstrafe forderte. Im Januar 2017 bzw. im Februar 2018 gaben die Rechtskommissionen beider Räte der Standesinitiative Folge.

Standesinitiative BE fordert Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Beamte (Kt.Iv. 16.317)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Wie im Vorjahr der Ständerat gab in der Wintersession 2017 auch der Nationalrat der Standesinitiative Basel-Landschaft zur Ausweitung des Anwendungsbereichs von Electronic Monitoring keine Folge. Es sollten zunächst erste Praxiserfahrungen mit dem am 1. Januar 2018 in Kraft tretenden neuen Sanktionenrecht und der entsprechende Evaluationsbericht des Bundesrates (verlangt durch das Postulat 16.3632) abgewartet werden, begründete die vorberatende RK-NR ihren Antrag.

Kt.Iv. BL: Ausweitung des Electronic Monitoring (elektronische Fussfessel)

Gemäss geltendem Recht wird bei jedem nach Art. 64 Abs. 1 StGB verwahrten Straftäter mindestens einmal jährlich mittels Gutachten geprüft, ob und wann eine bedingte Entlassung in Frage kommt. Diese jährlichen Gutachten verursachten enorme Kosten und verkämen bei über mehrere Jahre verwahrten Straftätern zur «Alibiübung», kritisierte Nationalrat Guhl (bdp, AG) und forderte mit einer Motion ein längeres Prüfungsintervall nach drei negativen Prüfungen der Verwahrung. So soll nach drei negativen Gutachten die nächste Überprüfung erst nach drei Jahren durchgeführt werden, ausser eine frühere Prüfung wird von der verwahrten Person beantragt. Der Nationalrat nahm die Motion in der Herbstsession 2017 stillschweigend an, nachdem auch der Bundesrat deren Annahme beantragt hatte.

Längeres Prüfungsintervall nach drei negativen Prüfungen der Verwahrung (Mo. 17.3572)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Im Dezember 2012 beschloss der Bundesrat, die Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen, wozu er 2010 einen Vorentwurf in die Vernehmlassung gegeben hatte, vorerst zurückzustellen. Er wollte mit diesem umfassenden Quervergleich der Strafbestimmungen zuwarten, bis die Revision des Sanktionenrechts und damit die Revision des Allgemeinen Teils des StGB abgeschlossen ist. Danach sollte das EJPD allerdings, so der Auftrag des Bundesrates, gestützt auf die Vernehmlassungsergebnisse und die Beschlüsse des Parlaments zum Sanktionenrecht eine Botschaft zur Harmonisierung der Strafrahmen, also zur Revision des Besonderen Teils des StGB, ausarbeiten. Da im April 2017 noch keine Botschaft vorlag, reichte die RK-NR eine Motion ein, die Bewegung in die Sache bringen sollte. Nicht zuletzt war der Verweis auf diese mittlerweile lang ersehnte Vorlage bei zahlreichen Vorstössen als Begründung für die Ablehnung angeführt worden – geleitet von der Absicht, den Besonderen Teil des StGB im Rahmen einer Gesamtschau und nicht nur punktuell anzupassen.

Im Nationalrat erklärte Bundesrätin Simonetta Sommaruga in der Sommersession 2017, dass diese Motion auf ein Missverständnis zurückgehe. Man habe nie – wie die Kommission indes angenommen hatte – auf diese Vorlage verzichten wollen und sei daran, den Entwurf zu überarbeiten. Da die Vernehmlassung dazu schon so lange zurückliege, müssten viele Anpassungen an die inzwischen veränderte Rechtslage vorgenommen werden. Der Bundesrat wolle die entsprechende Vorlage so bald als möglich den Räten unterbreiten und unterstütze deshalb auch die Motion. Nachdem der Nationalrat den Vorstoss stillschweigend angenommen hatte, tat es ihm der Ständerat in der Herbstsession 2017 gleich. Damit ist der Bundesrat nun beauftragt, die Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen bis spätestens Mitte 2018 dem Parlament zu unterbreiten.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Die nationalrätliche Rechtskommission möchte vor der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Rickli (svp, ZH) zur Verwahrung bei rückfälligen Tätern ausführliche Anhörungen durchführen. Sie beantragte ihrem Rat deshalb, die Frist für die Umsetzung der Initiative um zwei Jahre, also bis zur Sommersession 2019, zu verlängern. In der Sommersession 2017 genehmigte der Nationalrat die Fristverlängerung diskussionslos.

Verwahrung bei rückfälligen Tätern (Pa.Iv. 13.463)

Den Antrag einer Minderheit der RK-NR – im Rahmen der Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Lang (al, ZG) – Art. 293 StGB betreffend die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen zu streichen, unterstützte im Nationalrat in der Frühjahrssession 2017 einzig die SP-Fraktion. Die SP-Vertreterinnen und -Vertreter hatten argumentiert, dass eine Streichung des Artikels die Medienfreiheit stärken würde. Alle anderen Fraktionen – und damit eine klare Ratsmehrheit – stellten sich hinter den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, den Artikel bloss abzuändern und ihn EGMR-konform zu gestalten. Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga sprach sich inzwischen für den Vorschlag der Kommissionsmehrheit aus, nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom September 2019 noch keine klare Position bezogen hatte. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage einstimmig bei einer Enthaltung an.
Kontroverser diskutiert wurde das Geschäft in der Sommersession im Ständerat. Ein Antrag der Minderheit um Ständerat Jositsch (sp, ZH) zur Streichung des Artikels blieb aber ebenso erfolglos (abgelehnt mit 29 zu 15 Stimmen) wie der Versuch vonseiten SVP und FDP, die Vorlage in der Gesamtabstimmung noch zu kippen (angenommen mit 32 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung).
In den Schlussabstimmungen verabschiedeten der Nationalrat einstimmig und der Ständerat mit 34 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen den angepassten Art. 293 StGB.

Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Pa.Iv. 11.489)

Im Sommer 2017 verlängerte der Ständerat die Behandlungsfrist für die Standesinitiative des Kantons Tessin zur Überprüfung der Angemessenheit der Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB) sowie für die Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) bis zur Sommersession 2019. Er folgte damit dem einstimmigen Antrag seiner Rechtskommission. Die Umsetzung der Standesinitiative soll mit der Revision des Besonderen Teil des Strafgesetzbuches koordiniert werden, wozu schon länger eine Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen in Aussicht gestellt worden war. Durch eine vom Nationalrat gutgeheissene und beim Ständerat hängige Kommissionsmotion der RK-NR wird dieser Stein voraussichtlich ins Rollen gebracht werden.

Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte überprüfen (Kt.Iv. 14.301)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit einer parlamentarischen Initiative wollte Céline Amaudruz (svp, GE) den Straftatbestand der Schändung in den Deliktkatalog von Art. 64 StGB aufnehmen, welcher festlegt, bei welchen Straftaten das Gericht eine lebenslängliche Verwahrung aussprechen kann. Begründend führte sie aus, dass eine Vergewaltigung mit Hilfe von Betäubungsmitteln nicht als Grund für eine lebenslängliche Verwahrung geltend gemacht werden könne, eine „einfache“ Vergewaltigung dagegen schon. Nachdem die RK-NR der Initiative im August 2016 Folge gegeben hatte, liess sie die RK-SR im November desselben Jahres jedoch abblitzen, weshalb im Sommer 2017 der Nationalrat darüber zu befinden hatte. Dieser folgte mit 101 zu 84 Stimmen bei vier Enthaltungen seiner sich inzwischen anders besonnenen Kommissionsmehrheit und lehnte die Initiative ab. Begründet wurde die ablehnende Haltung damit, dass sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch mit der Aufnahme der Schändung in den Straftatenkatalog nichts ändern würde. Bei jedem Fall müsse beurteilt werden, wie schwer die Tat war und welche Beeinträchtigung sie beim Opfer verursacht habe. Gerade Letzteres müsse immer gesondert geprüft werden und ergebe sich nicht eo ipso aus der Tat selber. Nur eine Minderheit war der Ansicht, damit könnte ein Beitrag an den Schutz der Gesellschaft und die Achtung der Opfer geleistet werden.

Pa.Iv. Amaudruz: Lebenslängliche Verwahrung

Mittels parlamentarischer Initiative wollte Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren einführen, um diese Straftaten härter zu bestrafen. Zusätzlich sollten die einschlägigen Strafdrohungen zwischen Taten gegenüber Jugendlichen unter 16 Jahren und Kindern unter 12 Jahren differenzieren. Die RK-SR gab der parlamentarischen Initiative im August 2016 mit 7 zu 5 Stimmen Folge. Die nationalrätliche Schwesterkommission tat es ihr im April 2017 gleich und hiess die Initiative mit 16 zu 6 Stimmen ebenfalls gut.

Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren (Pa.Iv. 16.408)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Nationalrat stiess die Motion Janiak (sp, BL) zum Verhältnis von Amtsgeheimnis und Behördenkooperation, die auf einen besseren Schutz von Angestellten in Fällen von Whistleblowing zielte, auf mehrheitliche Ablehnung. Mit 135 zu 43 Stimmen bei einer Enthaltung folgte die grosse Kammer dem Antrag ihrer Kommissionsmehrheit, welche im Gegensatz zum Motionär keine Schwierigkeiten für betroffene Personen feststellte, Missstände zu melden, ohne selbst ins Visier der Strafverfolgungsbehörden zu gelangen.

Mo. Janiak: Amtsgeheimnis und Behördenkooperation

Der Weg der parlamentarischen Initiative Rickli (svp, ZH) mit der Forderung, dass bedingte Entlassungen aus der Verwahrung nur bei praktisch vorhandener Sicherheit erfolgen dürfen, endete in der Frühjahrssession 2017 in der kleinen Kammer. Die Standesvertreter folgten den Argumenten der vorberatenden RK-SR, welche dem Rat deutlich mit 11 zu einer Stimme beantragt hatte, der Initiative keine Folge zu geben, da sie sich in der vorliegenden Formulierung nicht umsetzen lasse.

Pa.Iv. Rickli: Bedingte Entlassungen aus der Verwahrung nur bei praktisch vorhandener Sicherheit

Der Ständerat beriet die Motion Freysinger (svp, VS), die Aggressionen gegen Beamte und Behörden strenger bestrafen wollte, in der Frühjahrssession 2017 und lehnte sie mit 33 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. Die Stossrichtung der Motion wurde grundsätzlich begrüsst, aber mit der Formulierung waren sowohl die vorberatende Rechtskommission als auch der Rat mehrheitlich nicht einverstanden. Vor allem die Forderung nach einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft für alle Vergehen, die unter Art. 285 StGB fallen, stand wegen Unverhältnismässigkeit in der Kritik. Stattdessen warte man auf die bundesrätliche Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen.

Strengere Bestrafung bei Aggressionen gegen Beamte und Behörden (Mo. 14.3995)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)