Wer von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt wird, legt unmittelbar nach der Wahl den Eid oder das Gelübde ab. Dies gilt laut Parlamentsgesetz für die Mitglieder des Bundesrates, der beiden Kammern sowie für den General, nicht aber für Richterinnen und Richter. Diese werden im Beisein des Bundesgerichtspräsidenten oder der Bundesgerichtspräsidentin im Bundesgericht selber „auf gewissenhafte Pflichterfüllung“ vereidigt. Mit einer parlamentarischen Initiative will die SVP-Fraktion diese Ausnahme aufheben und künftig auch die Vereidigung von Richterinnen und Richtern unmittelbar nach der Wahl vor der Vereinigten Bundesversammlung durchführen zu lassen. Zudem sollen auch die Mitglieder der Gerichte den Eid oder das Gelübde ablegen und nicht einfach Pflichterfüllung versprechen.
In der SPK-NR war die Idee der SVP umstritten. Erst mit Stichentscheid des Präsidenten empfahl die Kommission mit 12:12 Stimmen bei einer Enthaltung, der Initiative nicht Folge zu geben. Die Wiederholung des Eides oder Gelübdes nach jeder Wahl sei wenig praktikabel und könnte sich auf die Feierlichkeit dieses Aktes kontraproduktiv auswirken. Zudem könnte die Vereidigung im Parlament auch als Zeichen für eine Schwächung der richterlichen Unabhängigkeit verstanden werden. Gegensätzlicher Ansicht war die starke Minderheit: Das Ansehen der höchsten Gerichte würde im Gegenteil erhöht, wenn die Verpflichtung durch Eid oder Gelübde öffentlich gemacht und die Mitglieder der Judikative auch in dieser Hinsicht mit Mitgliedern der Legislative und der Exekutive gleich gestellt würden. Der Rat stellte sich mit 111 zu 74 Stimmen bei vier Enthaltungen hinter die Argumentation der knappen Mehrheit. Neben der geschlossenen SVP-Fraktion stimmten auch einzelne CVP- und FDP-Mitglieder sowie ein BDP-Mitglied vergeblich für den SVP-Vorstoss.
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative