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Die in der Wintersession 2013 durchgeführten Wahlen verliefen im Vergleich zu den Vorjahren ohne viel Geplänkel. Zum Bundespräsidenten für das Jahr 2014 wurde turnusgemäss Didier Burkhalter mit 183 von 222 eingegangenen Stimmen gewählt. Johann Schneider-Ammann erhielt 10 Stimmen und auf neun Stimmzetteln waren Namen anderer Regierungsmitglieder vermerkt. 17 Stimmzettel gingen leer und drei ungültig ein. Die im Vergleich zu vergangenen Jahren unumstrittene Wahl wurde in der Presse als Vertrauensbeweis für den FDP-Bundesrat gewertet. Didier Burkhalter wird 2014 nicht nur als Bundespräsident, sondern auch als Präsident der OSZE walten. Er kündigte an, dass die Öffnung der Schweiz auf die Welt sein Präsidialjahr prägen solle, was von der Presse besonders positiv hervorgehoben wurde. Dies stehe in Kontrast zum Präsidialjahr des aktuellen Bundespräsidenten Ueli Maurer, für den das Amt mehr Bürde als Würde sei, was durch eine Igelmentalität und einige, vor allem aussenpolitische Fauxpas zum Ausdruck gebracht wurde. Maurer selber zog allerdings ein positives Fazit; er habe seine Ziele, nämlich effizientere Bundesratssitzungen und den geschlossenen Auftritt des Gremiums als Team, erreicht. Als Vizepräsidentin für 2014 wurde ebenfalls turnusgemäss Simonetta Sommaruga gewählt. Sie erhielt für eine SP-Kandidatin neben 17 leeren und neun ungültig eingereichten Stimmzetteln bemerkenswerte 180 Stimmen. 12 Stimmen entfielen auf Doris Leuthard und 13 Stimmen auf andere Personen. Auch dieses Resultat wurde in der Presse als solid bezeichnet. Die höchste Stimmenzahl (seit Einführung der Proporzwahl 1920) hatten in den 1970er Jahren Hans Peter Tschudi (sp) und Willi Ritschard (sp) mit jeweils 213 Stimmen erzielt; den Negativrekord hält Micheline Calmy-Rey (sp) mit den 2011 erhaltenen 106 Stimmen.

2014 - Didier Burkhalter
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Die VOX-Analyse zur Volkswahl-Initiative zeigte einen starken positiven Zusammenhang zwischen Zustimmung zur Initiative und Misstrauen in den Bundesrat. Lediglich jede zehnte Person mit Vertrauen in den Bundesrat stimmte dem Volksbegehren zu, während immerhin jeder zweite Misstrauende ein Ja einlegte. Die Analyse bestätigte zudem die Skepsis in den eigenen Reihen der SVP. Gemäss VOX stimmte lediglich gut die Hälfte der SVP-Sympathisantinnen und Sympathisanten der Initiative aus der Küche ihrer präferierten Partei zu. Bei Anhängerinnen und Anhängern von CVP und FDP lag die Zustimmungsrate bei rund 20% und bei jenen der SP gar unter 10%. Die Nachbefragung zeigte zudem einen Geschlechterbias: Frauen waren der Volkswahl gegenüber skeptischer eingestellt als Männer. Die verschiedenen Argumente der Initiativgegner schienen allerdings laut der VOX nicht verfangen zu haben, als wichtigstes Ablehnungsargument wurde nämlich relativ unspezifisch das gute Funktionieren des aktuellen Wahlsystems genannt. Auch der zweitwichtigste Grund, das neue System stelle zu hohe Anforderungen an die Stimmbevölkerung, die nicht über das Interesse und die Kompetenz verfüge, die Regierung zu bestimmen, weist darauf hin, dass das Vertrauen ins politische System und in die Institutionen relativ hoch und der Wunsch nach Veränderung relativ gering ist.

Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates (BRG 12.056)
Dossier: Vorschläge für eine Volkswahl des Bundesrates
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Die Stimmberechtigten befanden am 9. Juni über die Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates. Das von der SVP lancierte Volksbegehren verlangte, dass die Schweizer Regierung nicht mehr von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt, sondern durch die Wahlbevölkerung bestimmt wird. Die Wahl wäre zeitgleich mit den Gesamterneuerungswahlen für den Nationalrat und in gesamtschweizerischem Majorzverfahren mit einem Wahlkreis abzuhalten. Für die italienischen und französischen Sprachminderheiten würden insgesamt zwei Sitze reserviert. Im Vorjahr hatten sich Bundesrat und Parlament ziemlich eindeutig gegen das nach der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat 2007 aufgegleiste Begehren ausgesprochen, das schon bei den Verfassungsdiskussionen 1848 und 1872 und zwei Mal als Initiative der SP in den Jahren 1900 und 1942 keine Mehrheiten gefunden hatte. Die Initiative wurde von einem überparteilichen Komitee bekämpft, dem alle Parteien ausser der SVP angehörten. Sogar die Grünen, die als Oppositionspartei selber schon ähnliche parlamentarische Vorstösse lanciert hatten, sprachen sich gegen das Anliegen aus. Das Gegnerkomitee trat unter dem Motto an, dass Bewährtes nicht aufs Spiel zu setzen sei. Das aktuelle Gleichgewicht zwischen den Gewalten sei eine zentrale Determinante für die politische Stabilität und den Wohlstand in der Schweiz. Der von der SVP geforderte Systemwechsel sei kaum begründbar und beruhe auf populistischen Forderungen. Der Verweis auf die Kantone, wo die Volkswahl der Regierung funktioniere – das bedeutendste Argument der Initiativbefürworter – wurde von den Initiativgegnern abgewiesen, da ein Wahlkampf in den Kantonen mit einem Wahlkampf auf nationaler Ebene kaum vergleichbar sei. Ein solcher würde amerikanische Verhältnisse evozieren und die zeitlich bereits arg belasteten Bundesräte nicht nur zusätzlich unter Druck setzen, sondern auch in einen Dauerwahlkampf verwickeln, der eine Kollegialregierung verunmöglichen würde. Stille Schaffer hätten zudem gegen charismatische, medial taugliche Personen weniger gute Chancen und Geld würde eine noch grössere Rolle spielen als heute. Schliesslich wurde auch die Quotenregel für die sprachlichen Minderheiten kritisiert; die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Sitze an die Romandie gingen und der Kanton Tessin kaum mehr Regierungsvertreter stellen könnte, sei enorm hoch. Die SVP ihrerseits setzte sich überraschend lau für ihr Anliegen ein. Zwar wurde ein 2,8 Mio. Auflagen starkes Extrablatt in die Haushalte gestreut, in dem mit dem Untergang der Schweiz gedroht wurde, wenn den Mauscheleien im Bundesrat und den Hintertreppen-Absprachen bei Regierungswahlen nicht durch das Volk Einhalt geboten würden. Im Gegensatz zu anderen Parteien wolle man die Mitspracherechte des Souveräns stärken und nicht noch weiter abbauen. Zudem schaltete die Partei ein für SVP-Verhältnisse sehr unspektakuläres Text-Plakat („Dem Volk vertrauen!“). Wichtige Exponenten der Partei schalteten sich aber kaum in den Abstimmungskampf ein und nahmen teilweise gar demonstrativ Stellung gegen die Initiative. Die Kantonalsektion Thurgau empfahl gar die Nein-Parole und die SVP Unterwallis beschloss Stimmfreigabe bei der parteieigenen Initiative. Es wurde parteiintern auch befürchtet, dass sich eine Volkswahl zuungunsten der SVP auswirken könnte. Prominente Unterstützung erhielt die Idee der Volkswahl allerdings durch die ehemalige SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Sie befand, dass die Volkswahl zu einer besseren Machtbalance zwischen Bundesrat und Parlament führe, weil die Regierung damit über mehr Legitimität verfügen würde. Erste Umfragen Anfang Mai liessen eine relativ geringe Begeisterung in der Bevölkerung für die Idee der Volkswahl erahnen. Tatsächlich wurde das Begehren Anfang Juni dann auch deutlich mit 76,3% Nein-Stimmenanteil und durch alle Kantone abgelehnt. In einigen Kantonen der Romandie (FR, NE, JU) lagen die Ja-Anteile gar unter 20%. Am höchsten war die Zustimmung im Kanton Tessin (32,2% Ja), was aufgrund der Debatten um den Minderheitenschutz etwas überraschend war. Die gesamtschweizerische Stimmbeteiligung lag bei 39,2%, was die laue Kampagne neben dem Umstand, dass die APS-Inserateanalyse einen absoluten Negativrekord hinsichtlich Anzahl Zeitungsinserate ausmachte, ebenfalls wiederspiegelt. Noch am Abend der Abstimmung äusserten sich die Parteipräsidenten zum Abstimmungsausgang. CVP-Präsident Darbellay wertete das Resultat als Zeichen nationaler Kohäsion, FDP-Präsident Müller war froh über die Wahrung der Konkordanz, die durch eine Volkswahl in Gefahr geraten wäre, und SP-Präsident Levrat freute sich, dass die „psychologische Verarbeitung der Abwahl Blochers“ nun zum Abschluss kommen könne. SVP-Präsident Brunner anerkannte zwar, dass das Thema vom Tisch sei, wehrte sich aber vorsorglich gegen künftige Beschneidungen der direkten Demokratie. Der Leidensdruck sei anscheinend momentan noch zu tief. Justizministerin Sommaruga sah im Resultat den Wunsch des Souveräns, die Demokratie vor Dauerwahlkämpfen zu schützen. Das deutliche Nein wurde in der Presse als Vertrauensbeweis in die Institutionen und insbesondere in den Bundesrat gewertet, man sah im Abstimmungsergebnis aber auch eine Ohrfeige an die SVP, die an einem wenig experimentierfreudigen Volk vorbeipolitisiert habe. Die noch im Vorjahr von Wermuth (sp, AG) eingereichte parlamentarische Initiative (12.489), die neben der Volkswahl auch einige zusätzliche Reformen wie die Aufstockung der Regierungsmitglieder auf neun oder die Transparenz der Wahlkampagnenfinanzierung gefordert hatte, wurde im Berichtjahr kurz nach dem abschlägigen Volksentscheid zurückgezogen.


Abstimmung vom 9. Juni 2013

Beteiligung: 39,5%
Ja: 480 291 (23,7%) / 0 Stände
Nein: 1 550 080 (76,3%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja: SVP (2)*.
– Nein: FDP, CVP, SP, GP, GLP, BDP, EVP, CSP; SGV, Travail.Suisse.
* in Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates (BRG 12.056)
Dossier: Vorschläge für eine Volkswahl des Bundesrates
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Nachdem sich 2012 die Staatspolitischen Kommissionen (SPK) der beiden Kammern uneinig gewesen waren über eine parlamentarische Initiative Minder (parteilos, SH), welche auf eine Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte abzielte, kam das Geschäft im Berichtjahr in den Ständerat. Minder forderte eine gleichzeitige und gesamthafte Wahl der Regierungsmitglieder, um taktischen Spielchen vorzubeugen. Die ständerätliche Kommission hatte den Vorstoss mit Stichentscheid des Präsidenten gutgeheissen, in der SPK-NR war die bisherige nacheinander erfolgende Einzelwahl aber vorgezogen worden mit der Begründung, Parteitaktik könne durch neue Regelungen nicht verhindert werden. Mit demselben Argument wurde der Initiative dann auch in der kleinen Kammer mit 30:8 Stimmen keine Folge gegeben.

Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte

In der Wintersession wählte die vereinigte Bundesversammlung Ueli Maurer turnusgemäss zum Bundespräsidenten für das Jahr 2013. Maurer erhielt 148 von 202 gültigen Stimmen. 40 Stimmen entfielen auf Didier Burkhalter, vierzehn auf Verschiedene; 27 Wahlzettel wurden leer und acht ungültig eingelegt. Die 148 Stimmen sind im langjährigen Vergleich wenig: nur sechs Mal in den letzten 90 Jahren gab es noch weniger Stimmen. Das bisher schlechteste Resultat (106 Stimmen) erzielte Micheline Calmy-Rey bei ihrem zweiten Präsidium. Im Vorfeld hatte die GP ihre Unterstützung verweigert und auch der Fraktionschef der SP, Andy Tschümperlin (SZ), hatte mehrmals öffentlich gedroht, Maurer nicht wählen zu wollen. Zum Vizepräsidenten wurde Didier Burkhalter gewählt. Der FDP-Bundesrat erhielt 205 Stimmen, vierzehn entfielen auch bei ihm auf Diverse, dreizehn wurden leer eingelegt und acht waren ungültig. Seit 35 Jahren wurde kein besseres Resultat mehr erzielt. Freilich sind die Stimmen bei den Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftswahlen lediglich eine Anzeige der Zufriedenheit des Parlaments mit dem entsprechenden Magistraten. Usanz ist, dass die Funktionen streng nach Anciennitätsprinzip vergeben werden.

2013 - Ueli Maurer
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Im Berichtjahr berieten die Räte über die Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates. Die SVP hatte im Vorjahr 108'826 beglaubigte Unterschriften eingereicht. Das Begehren verlangt, dass der Bundesrat nicht mehr von der Bundesversammlung, sondern durch die Wahlbevölkerung gewählt wird. Die Wahl würde zeitgleich mit den Gesamterneuerungswahlen für den Nationalrat und im Majorzverfahren mit der Schweiz als einem Wahlkreis durchgeführt. Den italienischen und französischen Sprachminderheiten wären zwei Sitze garantiert. In seiner Mitte Mai an einer Medienkonferenz präsentierten Botschaft listete der Bundesrat zwar einige Vorteile einer Wahl der Regierung durch die Bürgerinnen und Bürger auf – so etwa die Stärkung der Legitimität der Exekutive, die Möglichkeit einer Belebung der Demokratie durch eine Debatte über Regierungsprogramme oder die zumindest vordergründig höhere Transparenz –, er empfahl das Begehren letztlich aber aufgrund gewichtigerer Nachteile zur Ablehnung: Das Regierungsgremium wäre kein Kollegium mehr, sondern eher eine Versammlung parteipolitischer Akteure. Die Kooperation mit den Medien würde im Interesse einer Wiederwahl noch stärker werden. Das Gewaltengefüge würde sich verändern, weil die Bundesversammlung eines wichtigen Kontroll- und Entscheidungsinstruments beraubt würde. Die stärker im Zentrum stehende Partei- statt Sachpolitik berge die Gefahr von Blockaden zwischen Parlament und Regierung. Weil bevölkerungsstarke Kantone mit dem vorgeschlagenen Wahlverfahren bevorteilt wären, würde das föderale Gleichgewicht gestört. Die teuren Wahlkampagnen würden zu einer Stärkung der Landes- gegenüber den Kantonalparteien führen und würden erstere überlasten. Die sprachliche Quotenregelung könnte sich als kontraproduktiv erweisen, weil ein Schutz der rätoromanischen Sprachminderheit gar nicht vorgesehen ist und die italienische und die französische Minderheit gegeneinander ausgespielt würden. Der Bundesrat wies insbesondere darauf hin, dass es für die Änderung gar keinen Anlass gebe. Die bisherigen, von der Bundesversammlung gewählten Bundesratskollegien seien nicht nur repräsentativ für alle Landesgegenden, sondern würden auch hohes Ansehen in der Bevölkerung geniessen und hätten sich als fähig erwiesen, Kriege, Bedrohungen und Wirtschaftskrisen zu umschiffen und verschiedene Herausforderungen erfolgreich anzunehmen und zu meistern. Es gäbe keinen Anlass, ein derart bewährtes Wahlverfahren zu ändern. In den langen und lebhaften Ratsdiskussionen wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Idee einer Volkswahl des Bundesrates bereits bei den Verfassungsdiskussionen 1848 und 1872 und zweimal als Initiative der SP 1900 und 1942 jeweils abgelehnt worden sei. Diskutiert wurde auch ein drohender permanenter Wahlkampf, der stark von der finanziellen Potenz einzelner Parteien abhängen würde. Die SVP-Ratsvertreter argumentierten, dass die direkte Wahl der Exekutive in allen Kantonen sehr gut funktioniere. Die direkte Demokratie würde mit diesem Anliegen ausgebaut. Im Nationalrat hatten zwei Anträge von linker Seite für einen Gegenvorschlag, der die Erhöhung der Mitgliederzahl im Bundesrat auf neun und eine Transparenz der Kampagnenfinanzierung gefordert hätte, keine Chance. In der Schlussabstimmung wurde die Initiative im Ständerat mit 34 zu fünf Stimmen (bei 3 Enthaltungen) und im Nationalrat mit 137 zu 49 Stimmen abgelehnt. Zu den 48 Stimmen aus der SVP-Fraktion gesellte sich die Stimme von Girod (gp, ZH). Dass das Anliegen nicht wirklich in ein Links-Rechts-Schema passt, zeigt die im Berichtjahr noch nicht behandelte parlamentarische Initiative Wermuth (sp, AG) (12.489), die ebenfalls eine Volkswahl, allerdings in Verbindung mit einer Erhöhung der Zahl der Bundesräte auf neun und einer Einführung von Wahlfinanzierungsregeln, fordert. Der Vorstoss fand einige Mitunterzeichner aus dem linken Lager.

Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates (BRG 12.056)
Dossier: Vorschläge für eine Volkswahl des Bundesrates
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Gleich zwei parlamentarische Initiativen Minder (parteilos, SH) zielten auf eine Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte ab. Im ersten Vorstoss forderte der Schaffhauser Ständerat, dass Bundesräte gesamthaft und nicht einzeln gewählt werden. Gewählt würde in mehreren Runden so lange, bis die nötige Anzahl Personen (sieben bei Gesamterneuerungswahlen) das absolute Mehr erreicht haben. Damit würde taktischen und parteipolitischen Ränkespielen ein Riegel vorgeschoben. Die zweite Initiative wollte die Gesamterneuerungswahl der Exekutive zeitlich nach hinten verschieben. Konkret: der Bundesrat sollte erst ein Jahr nach den Gesamterneuerungswahlen des Nationalrates bestellt werden. Damit sollte neu gewählten Ratsmitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, die Bundesräte und allfällige Ersatzkandidatinnen und -kandidaten besser kennen zu lernen. Darüber hinaus würde damit vermieden, dass zu spät vereidigte, gewählte National- und Ständeräte den Wahltag verpassen würden. Schliesslich würde damit auch die zunehmend vorgebrachte Forderung der Übersetzung von Wähleranteilen in Regierungssitze abgeschwächt. Nachdem die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) die zweite Vorlage mit der Begründung abgelehnt hatte, dass das Parlament bei grossen Wahlverschiebungen rasch handeln können müsse, da es sonst zu Friktionen zwischen Legislative und Exekutive kommen könne, zog Minder diesen Vorstoss zurück. Mehr Erfolg hatte hingegen seine erste Idee, für die von der SPK-S mit Stichentscheid des Präsidenten Folge geben beantragt wurde. Die Wahlreihenfolge sei in der Tat ein sachfremdes Kriterium. Mit einer Listenwahl werde die Wahlfreiheit der Mitglieder der Bundesversammlung hingegen erweitert, da ein Kandidierender auch nicht gewählt werden könne, ohne dass dabei Auswirkungen auf nachfolgende Kandidierende bedacht werden müssten. Die SPK-N verweigerte im Berichtjahr allerdings ihre Zustimmung. Die Behandlung in den Räten stand Ende 2012 noch aus.

Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte

Auch wenn die Partei im Wahlkampf mit Themen in Erscheinung zu treten versuchte, berichteten die Medien praktisch nur im Zusammenhang mit den Spekulationen über die Wiederwahl ihrer Bundesrätin über die BDP. Zahlreiche mögliche Abwehrszenarien gegen den Angriff der SVP auf den BDP-Regierungssitz wurden erörtert. Dabei wurde immer wieder eine Fusion mit der CVP diskutiert, die von der BDP jeweils deutlich abgelehnt wurde. Indem sie sich etwa an der Delegiertenversammlung Mitte September in Zofingen scharf von der SVP-Politik abgrenzte und sich als verlässliche, konstruktive und lösungsorientierte Alternative zur Volkspartei präsentierte, versuchte die BDP deutlich zu machen, dass sie die bessere Wahl sei. Als wichtig wurde in den Medien zudem die Positionierung der Regierung in der Atomausstiegsfrage beurteilt, welche Widmer-Schlumpf aktiv mitgetragen hatte und welche ihr eine Mehrheit in der Bundesversammlung bescheren könnte. Das gute Abschneiden bei den Nationalratswahlen wurde zudem als Kompliment für die BDP-Bundesrätin gewertet. Bei den Bundesratswahlen wurde Widmer-Schlumpf, die laut eigener Aussage selber nicht mit ihrer Wiederwahl gerechnet hatte, dann tatsächlich glänzend bestätigt. Sie erhielt mit 131 Stimmen wahrscheinlich die Unterstützung aller Parlamentarier mit Ausnahme der SVP- und der FDP-Fraktion, welche sich auf die SVP-Herausforderer Rime (41 Stimmen) und Walter (63 Stimmen) verteilten. Mit 174 Stimmen wurde die BDP-Magistratin auch zur neuen Bundepräsidentin gewählt.

Wahlkampf und Resultate der BDP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011
Dossier: Gründung und Entwicklung der BDP

Entgegen den Erwartungen kam es nach 2010 erneut zu einem Wechsel in der Departementsverteilung. Didier Burkhalter (fdp) übernahm das Aussendepartement und überliess dem neu gewählten Alain Berset das Departement des Inneren.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Nachdem Sie Ende Mai eine positive Bilanz der ablaufenden Legislatur gezogen hatten, wo sie gezeigt hätten, dass ihre Positionen in der Umweltpolitik mehrheitsfähig und dass sie zu einer ernstzunehmenden Kraft geworden seien, kündeten die Grünen ihre Ambitionen für einen eigenen Bundesratssitz an, der allerdings nur auf Kosten der SVP oder der FDP gehen dürfe. Eine atomkritische Regierung mit grüner Beteiligung liege im Bereich des Möglichen. Mit der Präsentation möglicher valabler Bundesratskandidatinnen und -kandidaten (Morin, BS; Hochuli, AG; Genner, ZH; Pulver, BE; Uster, ZG oder Cramer, GE) unterstrich die GP Anfang August ihre Ambitionen und erhielt damit ein grosses Medienecho. Nach der Niederlage bei den eidgenössischen Wahlen blies die GP ihren geplanten Angriff auf den Bundesrat allerdings wieder ab und half in der Folge mit, den Status quo in der Exekutive zu wahren. Die GP bestätigte BDP-Bundesrätin Widmer-Schlumpf, obwohl die BDP eigentlich weniger stark ist als die Grünen. Ein grüner Bundesrat bleibe ein langfristiges Ziel der Partei, gab Fraktionspräsident Antonio Hodgers (GE) zu Protokoll.

Wahlkampf und Resultate der Grünen bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011

Im September erklärte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ihren Rücktritt. Die SP konnte dadurch eine im Wahlkampf nicht unwichtige, verstärkte Medienaufmerksamkeit generieren, da das Karussell mit den potentiellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern relativ rasch zu drehen begann. Früh gab die Partei bekannt, nur Kandidierende aus der lateinischen Schweiz zu berücksichtigen. Schliesslich entschied sich die Fraktion für ein Zweierticket mit dem Staatsrat Pierre-Yves Maillard aus dem Kanton Waadt und dem Freiburger Ständerat Alain Berset. Obwohl die SVP bei den Bundesratswahlen im Dezember schliesslich beide Sitze der SP angriff, wurden sowohl Simonetta Sommaruga im ersten Wahlgang bestätigt als auch Alain Berset bereits im zweiten Umgang gewählt. Sommaruga behielt das EJPD und Berset übernahm das EDI.

Wahlkampf und Resultate der SP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011

Die Atomkatastrophe in Fukushima wurde in den Medien auch als Menetekel für die Bundesratswahlen herangezogen. Da die FDP sich weniger dezidiert gegen die Atomenergie geäussert habe, sei nicht so sehr der Sitz von BDP-Bundesrätin Widmer-Schlumpf gefährdet, die auf die Unterstützung der Anti-Atomkraft-Parteien zählen könne, sondern einer der beiden FDP-Sitze. Als besonders wacklig wurde der Sitz von Johann Schneider-Ammann betrachtet, da dieser aufgrund seiner Kommunikation in der Frankenkrise stark kritisiert wurde. Bei den Wahlen Mitte Dezember erfolgte denn auch ein Angriff der SVP auf den Sitz von Schneider-Ammann, der jedoch wie zuvor sein Parteikollege in der Exekutive, Didier Burkhalter, im ersten Wahlgang bestätigt wurde. Damit verfügten die Freisinnigen nach wie vor über zwei Bundesratssitze.

Wahlkampf und Resultate der FDP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011

Die Bundesratswahlen vom 14. Dezember verliefen schliesslich weit weniger spektakulär, als dies die Berichterstattung im Vorfeld hätte vermuten lassen. Die NZZ betitelte die Wahlen gar als „Ruhe nach dem Sturm“ und die AZ bezeichnete das Ereignis als „langweilig“, was Bundesratswahlen aber eigentlich gut anstünde. In den Fraktionserklärungen vor dem Wahlakt wurde noch einmal von allen Parteien die Konkordanz beschworen, wobei Antonio Hodgers (gp) auf den Punkt brachte, dass es zwischen den Parteien eben „keine Konkordanz darüber (gebe), was Konkordanz konkret bedeutet“. Schliesslich wurden alle amtierenden Bundesrätinnen und Bundesräte bereits im ersten Wahlgang bestätigt: Doris Leuthard (cvp) erhielt glanzvolle 216 Stimmen (11 Stimmen entfielen auf Verschiedene). Die mit Spannung erwartete Bestätigungswahl von Eveline Widmer-Schlumpf war relativ eindeutig: die BDP-Magistratin erhielt 131 Stimmen und war damit im ersten Umgang gewählt. 63 Stimmen entfielen auf Hansjörg Walter und 41 Stimmen auf Jean-François Rime (Verschiedene: 4 Stimmen). Ueli Maurer wurde mit respektablen 159 Stimmen gewählt. 41 Stimmen fielen hier auf Hansjörg Walter und 13 auf Luc Recordon (gp) (Verschiedene: 13). Erstaunlicherweise erfolgte vor der Wahl von Didier Burkhalter – der FDP-Bundesrat erhielt 194 Stimmen und 24 Stimmen entfielen auf Jean-François Rime (Verschiedene: 14) – keine Erklärung der SVP. Fraktionspräsident Baader ergriff erst vor dem fünften Wahlgang das Wort und klagte, dass sich die FDP nicht an die Konkordanz gehalten habe und die SVP deshalb alle drei verbleibenden Sitze mit Jean-François Rime angreifen werde. Dieses Unterfangen scheiterte jedoch sowohl bei der Bestätigung von Simonetta Sommaruga (sp), die mit 179 Stimmen (Rime: 61 Stimmen; Verschiedene: 2 Stimmen) genauso im ersten Wahlgang bestätigt wurde wie auch bei Johann Schneider-Ammann (fdp), der 159 Stimmen auf sich vereinte (Rime: 64 Stimmen; Verschiedene: 11 Stimmen). Auch bei der Ersatzwahl von Micheline Calmy-Rey war rasch klar, dass dem Angriff der SVP kein Erfolg beschieden war. Im ersten Wahlgang erhielten die beiden SP-Kandidaten mehr Stimmen als der Sprengkandidat Rime: Auf Alain Berset entfielen 114 Stimmen, Pierre-Yves Maillard und Jean-François Rime erhielten beide 59 Stimmen. Die 10 Stimmen, die Marina Carobbio im ersten Wahlgang erhielt (Verschiedene: 1), fielen dann wahrscheinlich Alain Berset zu, der bereits im zweiten Wahlgang mit 126 Stimmen das absolute Mehr erreichte und zum neuen SP-Bundesrat erkoren wurde (Maillard: 63 Stimmen; Rime: 54 Stimmen; Verschiedene: 2 Stimmen).

Eine weitere Bestätigung erhielt Eveline Widmer-Schlumpf mit der Wahl zur Bundespräsidentin 2012. Sie bekam 174 Stimmen; 32 Stimmen entfielen auf Bundesrat Maurer, der anschliessend mit 122 Stimmen turnusgemäss zum Vizepräsidenten gewählt wurde.

Die Bundesratswahlen wurden in der Presse unterschiedlich kommentiert. Auf der einen Seite wurde der SP eine strategische Meisterleistung attestiert. Der ideale Zeitpunkt des Rücktritts von Calmy-Rey, die guten Kandidaten und die Erfolge bei den Ständeratswahlen hätten ihr eine ausgezeichnete Ausgangslage verschafft, die sie gut genutzt habe. Zudem hätte die Allianz zwischen SP, GP, GLP und CVP gut funktioniert, um die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf zu schaffen. Auf der anderen Seite wurden der SVP Fehler und eine wenig überzeugende Strategie vorgeworfen. Das Verheizen bekannter Köpfe bei den Ständeratswahlen, die (zu) späte Nominierung der Kandidaten und die negativen Schlagzeilen um Bruno Zuppiger hätten der erfolgsverwöhnten Partei geschadet. Alain Berset wurde als viertjüngster Bundesrat in der Geschichte des Bundesstaates als idealer, linker Bundesrat gewürdigt. (Nur Numa Droz (31 Jahre; 1876-1892), Jakob Stämpfli (34 Jahre; 1855-1863) und Ruth Metzler (34; 1999-2003) waren bei Amtsantritt jünger als Berset.) Insgesamt habe sich das Parlament nach den Querelen von 2003 und 2007 wieder für Stabilität im Gremium entschieden. Allerdings bleibe abzuwarten, wie die SVP, die in der Regierung deutlich untervertreten sei, nun reagieren werde. Für ersten Wirbel sorgte der Umstand, dass Ueli Maurer entgegen des Kollegialprinzips seine Wahl nicht im Bundeshaus, sondern mit Parteifreunden in einer Gaststätte verfolgt und dort auch Kommentare zu den Wahlen abgegeben hatte.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Ein weiteres wichtiges Ziel der SVP wurde im Wahljahr ebenfalls verpasst: Der Partei blieb ein zweiter Bundesratssitz, auf den sie aus einer arithmetisch begründeten Konkordanz Anspruch erhob, bei den Bundesratswahlen verwehrt. Dies war auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen. Erstens nahm ihre Niederlage bei den National- und Ständeratswahlen der SVP einigen Wind aus den Segeln. Zweitens machte die Partei bei der Auswahl ihrer Bundesratsanwärter eine überaus schlechte Figur. Sie brauchte sehr lange, bis sie endlich ein Zweierticket bestehend aus Jean-François Rime (FR) und Bruno Zuppiger (ZH) bekannt gab. Zuvor war lange gerätselt worden, ob die Volkspartei ein politisches Schwergewicht (Amstutz, Baader, Brunner, Eberle, Spuhler) auf den Schild heben würde. Als unprofessionell wurde die Kandididatenkür dann schliesslich nicht nur aufgrund der langen Vorlaufzeit bezeichnet, sondern auch weil Zuppiger aufgrund eines Vorwurfs, bei einer Erbschaft unrechtmässig Geld abgezweigt zu haben, seine Kandidatur zurückziehen musste. Anscheinend hatte die SVP-Spitze davon gewusst, aber trotzdem an Zuppiger festgehalten. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde Hansjörg Walter für Zuppiger nachnominiert. Der Partei wurde vorgeworfen, es versäumt zu haben, die nötigen Kandidaten für den eindringlich geforderten zweiten Bunderatssitz aufzubauen. Drittens erwies sich bei den Bundesratswahlen ein Umstand als zentral, der sich auch bei kantonalen Regierungswahlen und bei den Ständeratswahlen deutlich gezeigt hatte: Die Oppositionspartei hat keine verlässlichen Partner mehr. Für ihren Kandidaten stimmte ausser beim Angriff auf den Sitz von Bundesrätin Widmer-Schlumpf praktisch nur die geschlossene SVP-Fraktion. Bei der Wahl der BDP-Bundesrätin erhielt Rime 41 Stimmen und Walter, der schon vor den Wahlen angekündigte hatte, nur für dieses Manöver zur Verfügung zu stehen, 63 Stimmen. Bei der Bestätigung des Sitzes von Didier Burkhalter erhielt Jean-François Rime 24 Stimmen, bei Simonetta Sommaruga 61 Stimmen, bei Johann Schneider-Ammann 64 Stimmen. Bei der Ersatzwahl für Micheline Calmy-Rey entfielen noch 59 Voten auf den SVP-Kandidaten.

Wahlkampf und Resultate der SVP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011

Aufgrund des schlechten Abschneidens bei den Nationalratswahlen war rasch klar, dass die CVP nicht wie geplant einen Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz erheben konnte. Gleichzeitig war der Sitz von Doris Leuthard unbestritten. Die Christdemokraten spielten bei den Bundesratswahlen dann vielmehr das Zünglein an der Waage. Rasch wurde klar, dass die intensivierten Gespräche mit der BDP auch die Unterstützung von deren Bundesrätin Widmer-Schlumpf beinhaltete. Diese verdankte ihre Wiederwahl denn auch zu einem nicht unbedeutenden Teil der CVP-Fraktion. Die CVP-Bundesrätin ihrerseits wurde als erste in der Wahlabfolge mit glanzvollen 216 von 227 gültigen Stimmen bestätigt.

Wahlkampf und Resultate der CVP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011

Zu einer ersten Klärung der Situation trugen die Parlamentswahlen bei. So zogen die Grünen aufgrund der Niederlage bei den Parlamentswahlen ihren Anspruch auf einen Bundesratssitz zurück und traten nicht bei den Erneuerungswahlen an, obwohl sie noch vor den Wahlen einen Regierungssitz für sich reklamiert hatten. Sie hatten dabei nicht nur mit ihrer Wählerstärke sondern auch mit der wachsenden Bedeutung und Berücksichtigung der Umweltpolitik argumentiert und eine Liste mit möglichen Kandidierenden (darunter die Regierungsräte Bernhard Pulver (BE) und Guy Morin (BS), der Genfer Ständerat Robert Cramer oder die Zürcher Stadträtin Ruth Genner) ins Gespräch gebracht. Die BDP hingegen sah dank ihres Erfolges bei den Wahlen keinen Anlass, ihre Bundesrätin zurückzuziehen. Eveline Widmer-Schlumpf gab Ende Oktober denn auch definitiv bekannt, sich für die Wiederwahl bereitzustellen. Die SVP ihrerseits, die bei den Wahlen Sitze einbüssen musste, schloss vorerst eine Kampfkandidatur gegen die FDP aus.

Die SP brachte mögliche Kandidaten für die Nachfolge von Micheline Calmy-Rey früh in Stellung und nutzte die Auswahlprozedur geschickt für zusätzliche Medienaufmerksamkeit im Wahlkampf. Die Partei bekräftigte, dass nur Kandidierende aus der lateinischen Schweiz in Frage kämen. Als Topfavoriten galten der Waadtländer Staatsrat Pierre-Yves Maillard und der Freiburger Ständerat Alain Berset. Kandidaturen reichten zudem Nationalrat Stéphane Rossini (VS) und die Tessiner Nationalrätin Marina Carobbio ein. Die SP-Fraktion präsentierte Ende November mit Alain Berset und Pierre-Yves Maillard ein Zweierticket. Die Nichtnomination von Marina Carobbio stiess insbesondere in der Südschweiz auf Enttäuschung, bedeutete dies doch, dass das Tessin seit 1996 (Rücktritt von Flavio Cotti) weiter auf eine Vertretung in der Landesregierung warten musste.

Obwohl die SVP sich schon sehr früh als Herausforderin profilierte, tat sie sich mit der Suche nach Kandidierenden schwer. Zwar brachte sich Jean-François Rime (FR) schon früh in Stellung. Die als Favoriten gehandelten Kandidaten sagten aber spätestens nach den Parlamentswahlen alle ab: So verzichteten etwa der nicht in den Ständerat gewählte Caspar Baader (BL) oder der neue Ständerat Roland Eberle (TG). Auch Nationalrat Adrian Amstutz (BE), der im November seine Wiederwahl in den Ständerat nicht geschafft hatte, verzichtete genauso auf eine Kandidatur wie der umworbene Nationalrat Peter Spuhler (TG) und Parteipräsident Toni Brunner (SG). Zum Problem der SVP wurde allgemein die Wählbarkeit der Kandidierenden: Während linientreue Hardliner vom Parlament als nicht wählbar betrachtet wurden, hatten es moderate SVP-Exponenten schwer, die Hürde der Fraktionsnominierung zu überspringen. Bis Ende November meldeten schliesslich Nationalrat Guy Parmelin (VD), Ständerat Hannes Germann (SH), und die Regierungsräte Jakob Stark (TG) und Heinz Tännler (ZG) ihre Ambitionen an. Eher überraschend kam die Kandidatur von Nationalrat und Gewerbeverbandspräsident Bruno Zuppiger (ZH), der als Schwergewicht betrachtet wurde und der angab, auf Bitte von Christoph Blocher (ZH) anzutreten. Zuppiger war jeweils schon bei den Bundesratswahlen 2003, 2007 und 2008 von der SP als valabler SVP-Kandidat ins Spiel gebracht worden. Er galt deshalb weit über das bürgerliche Lager hinaus als wählbar und wurde denn auch prompt neben Rime auf ein Zweierticket gehievt. Allerdings zwang ihn ein von der Weltwoche verbreiteter Vorwurf, bei einer Erbschaft unrechtmässig Geld abgezweigt zu haben, zum Rückzug seiner Kandidatur. Die Presse ging mit der SVP-Spitze, die offenbar von der Sache gewusst hatte und vorerst an Zuppiger festhielt, hart ins Gericht. In einer Nacht- und Nebelaktion stellte die SVP in der Folge nicht etwa einen der von den Kantonalsektionen nominierten Kandidaten, sondern Nationalrat Hansjörg Walter als Ersatzkandidaten auf. Dieser hatte sich im offiziellen Nominationsverfahren nicht zur Verfügung gestellt, weil er das Amt des Nationalratspräsidenten übernehmen wollte. Der Wechsel wurde in der Presse als unprofessionell, unglaubwürdig und peinlich bezeichnet und die Spitze der SVP musste Fehler bei der Beurteilung der Kandidaten einräumen. Walter selber, der noch 2008 aufgrund einer einzigen Stimme nicht zum Bundesrat und im Berichtjahr mit einem glänzenden Resultat zum Nationalratspräsidenten gewählt worden war, machte deutlich, dass er nur gegen den Sitz der BDP antreten würde.

Nach den Hearings gaben sowohl die Grünen als auch die SP bekannt, dass sie ihrer Fraktion die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf empfehlen würden. Die CVP und die BDP diskutierten gleichzeitig über eine stärkere künftige Kooperation. Es zeichnete sich deshalb ab, dass die SVP höchstens auf Kosten der FDP einen zweiten Sitz erhalten würde.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Mit dem Rücktritt der SP-Bundesrätin Calmy-Rey veränderte sich die Ausgangslage für die Bundesratserneuerungswahlen im Dezember nur unwesentlich, da sich die Diskussionen insbesondere um die Nichtbestätigung von Eveline Widmer-Schlumpf oder allenfalls einer der beiden FDP-Bundesräte drehte. Die SVP pochte zwar auf einen zweiten Sitz und drohte auch der SP mit einem Angriff, falls diese die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf unterstütze. Eine Sanktionierung der SP wurde aber insgesamt als wenig wahrscheinlich betrachtet. Als realistischere Szenarien wurden – neben dem Status Quo – in den Medien die Ersetzung von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf oder von einem der beiden FDP-Bundesräte durch einen zweiten SVP-Sitz erwogen. Johann Schneider-Ammann musste in der Presse viel Kritik an seiner Amtsführung einstecken und der Sitz von Didier Burkhalter wurde als wacklig betrachtet, weil mit Jean-François Rime ein SVP-Sprengkandidat aus der Romandie antrat, der schon früh seine Ambitionen angemeldet hatte. Der geplante und lange vorher angekündigte Angriff der SVP, aber auch die zunehmende Personalisierung der medialen Politikberichterstattung brachten es mit sich, dass die Erneuerungswahlen in den Medien zum Grossereignis stilisiert wurden.

Zur Debatte stand insbesondere die Konkordanz. Der Begriff wird in der Politikwissenschaft zur Bezeichnung eines Demokratiesystems verwendet, in dem die wichtigsten Kräfte in die Regierungsverantwortung eingebunden werden und Entscheide eher konsensorientiert als mittels Mehrheit gefällt werden. Die Parteien zeigten sich jedoch hinsichtlich der Deutung des Begriffs wenig konsensual. Je nachdem wurde mit arithmetischer oder inhaltlicher Logik argumentiert, wobei die Wählerstärke, die Fraktionsstärke oder programmatische Ähnlichkeit als Grundlage gewählt wurden.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Anfang September erklärte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ihren Rücktritt. Sie betonte, dass sie sich während zwei vollen Legislaturen für das Wohl der Eidgenossenschaft eingesetzt und dabei insbesondere Wert auf die Beziehungen der Schweiz zur EU, die Entwicklung der Aussenpolitik und die Funktion der Schweiz als Vermittlerin in der Friedenspolitik gelegt habe. Auch wenn es in der Schweiz keinen Konsens zur Aussenpolitik gäbe, so müssten die Interessen der Schweiz auch zukünftig mit einer aktiven Präsenz auf internationaler Ebene gewahrt werden. Als eine der letzten Amtshandlungen präsentierte die scheidende Magistratin in der Wintersession die Jahresziele des Bundesrates für 2012 (11.9005). Der Rücktritt per Ende der 48. Legislaturperiode war erwartet worden, da Calmy-Rey bei den Rücktritten von Moritz Leuenberger und Hans-Rudolf Merz im Jahr 2010 leisen Missmut gegen Rücktritte im Verlauf einer Legislatur bekundet hatte. Die Würdigungen der Genfer Bundesrätin waren durchmischt. Die Kritiker warfen ihr auf der einen Seite Selbstprofilierung und Mediendrang vor, hoben etwa den Kopftuchauftritt im Iran oder verschiedene medienwirksame Vorstösse ohne Ergebnisse hervor. Auf der anderen Seite wurde gerade die frische, medial unterstützte und aktive Aussenpolitik gelobt. Ihre Überzeugung, dass die Schweiz nur internationalen Einfluss habe, wenn sich das Land aktiv und öffentlich sichtbar positioniere, sowie das pragmatische Vorgehen in der EU-Politik brachten Calmy-Rey von links und rechts Anerkennung. Hervorgehoben wurde zudem ihre Standfestigkeit und Willensstärke, die sie aber auch als Einzelgängerin und weniger als Teamplayerin hätten funktionieren lassen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Am 7. Juli reichte die SVP mit 108'826 beglaubigten Unterschriften ihre Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates ein. Das Begehren fordert Wahlen der Landesregierung nach Majorzprinzip in einem Einerwahlkreis, wobei für die Sprachminderheiten mindestens zwei Sitze reserviert wären. Damit wird die Idee einer Volkswahl nach 1889 und 1942 zum dritten Mal zur Abstimmung vorgelegt.

Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates (BRG 12.056)
Dossier: Vorschläge für eine Volkswahl des Bundesrates
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Mit einer parlamentarischen Initiative wollte die grüne Fraktion ein Amtsenthebungsverfahren installieren. Mit einer Zweidrittelmehrheit der Bundesversammlung hätte ein Exekutivmitglied seines Amtes enthoben werden können. Die Argumentation der staatspolitischen Kommission, dass mit einem solchen Instrument die Stabilität der Regierung massiv geschwächt würde, überzeugte im Nationalrat, der mit 124 zu 25 Stimmen gegen ein Folgegeben war. Ein direktdemokratisches Abberufungsrecht existiert in einigen Kantonen.

Pa.Iv. für ein Amtsenthebungsverfahren gegen ein Mitglied des Bundesrates (10.413)

Auch die beiden parlamentarischen Initiativen – von Hiltpold (fdp, GE) sowie der grünen Fraktion (10.412) - wurden von der grossen Kammer auf Antrag der Staatspolitischen Kommission (SPK-NR) abgelehnt. Beide Vorstösse hatten eine Listenwahl des Bundesrates gefordert, um das Einzelkämpfertum mit einer teamfähigen Regierung zu ersetzen. Eine Listenwahl hätte bedingt, dass sich die Parteien mit Anspruch auf Regierungsbeteiligung, auf der Basis eines gemeinsamen Programms hätten zusammenschliessen müssen. Die SPK-NR hatte geltend gemacht, dass eine solche Änderung das gesamte politische System der Schweiz verändern würde. Die Ratsmehrheit (121:48 Stimmen) folgte diesem Argument und lehnte beide Vorlagen ab.

Listenwahl des Bundesrates

Wohl auch aufgrund ihres breit kritisierten Vorgehens in der Libyen-Affäre wurde Micheline Calmy-Rey im Anschluss an die Bundesratsersatzwahlen mit lediglich 106 von 193 gültigen Stimmen für die ausstehenden zwei Monate zur Vizepräsidentin gewählt. Ganze 32 Stimmzettel wurden leer eingelegt und einige Stimmen gingen an andere Regierungsmitglieder (13 sogar an die neu gewählte Simonetta Sommaruga). Auch die Wahl zur Bundespräsidentin im Dezember widerspiegelte den Missmut, den das Parlament gegen die Genfer Magistratin hegte. Kurz zuvor waren der Aussenministerin im GPK-Bericht über die Libyen-Affäre gravierende Unterlassungen und Kompetenzüberschreitungen vorgeworfen worden. Mit lediglich 106 Stimmen, dem schlechtesten Resultat seit 1919, verpasste die Bundesversammlung der Magistratin einen eigentlichen Denkzettel. Mehr Sukkurs erhielt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, die mit 146 Stimmen turnusgemäss zur Vizepräsidentin gewählt wurde.

2011 - Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Für einen Eklat sorgte SP-Präsident Christian Levrat, der – unzufrieden mit der Departementsverteilung nach den Bundesratsersatzwahlen – den Präsidenten der FDP Fulvio Pelli der Lüge bezichtigte. Die FDP hätte versprochen, dass sie einen Departementswechsel der Bundesräte Maurer und Widmer-Schlumpf verhindern würde und einer Sitzverteilung nach dem Anciennitätsprinzip nicht entgegenstehen würde, unter der Bedingung, dass die SP den FDP-Bundesratssitz unterstützte. Beide Versprechen hätten die Freisinnigen nicht eingehalten. Die grosse Rochade bei der Departementsverteilung hatte zur Folge, dass die SP nicht nur das Uvek an die CVP abgeben musste, sondern auch, dass Bundesrätin Sommaruga als Konsumentenschützerin nicht das Volkswirtschaftsdepartement erhielt, sondern als Nichtjuristin das EJPD übernehmen musste. Pelli seinerseits kündigte eine Verleumdungsklage gegen Levrat an. Die Causa Levrat-Pelli beschäftigte die Presse einige Tage lang, bevor der Streit Mitte Oktober mit einer dürren Medienmitteilung beigelegt wurde.

Streit zwischen SP und FDP bei Departementsverteilung

Viel zu reden gab die Departementsverteilung, die erstmals seit 1960 mit einer sogenannten grossen Rochade und vier neuen Departementsvorstehern endete. Die Presse mutmasste, dass die Verteilung nicht sehr konsensual vonstattengegangen war. Es wäre nur teilweise nach dem Anciennitätsprinzip vorgegangen worden: Bundesrätin Calmy-Rey wollte nicht wechseln; Doris Leuthard wünschte einen Wechsel ins Uvek und Eveline Widmer-Schlumpf wollte das Finanzdepartement übernehmen. Beide Wünsche wurden gewährt. Da weder Didier Burkhalter noch Ueli Maurer wechseln wollten, blieben das Justiz- und Polizeidepartement und das Volkswirtschaftsdepartement übrig. Obwohl Simonetta Sommaruga laut ungeschriebenem Anciennitätsprinzip zuerst ihre Wünsche hätte äussern dürfen, wurde schliesslich Johann Schneider-Ammann das Volkswirtschaftsdepartement übergeben, da die bürgerliche Regierungsmehrheit dieses Departement nicht der ehemaligen Konsumentenschützerin hätte überlassen wollen. Obwohl sie als Nichtjuristin eher nicht in das JPD passen würde, hätte die neu gewählte Magistratin dieses nun übernehmen müssen. Die SP – allen Voran ihr Präsident Christian Levrat (FR) – reagierte sehr verärgert auf die Verteilung und warf den anderen Parteien einen Coup und eine Strafaktion gegen Sommaruga vor. Auch die SVP und die Grünen äusserten Unmut über die Departementswechsel. Ein Jahr vor den nationalen Wahlen Wechsel vorzunehmen, sei eine Zwängerei und demokratisch fragwürdig. Nur die FDP, die CVP und die BDP zeigten sich zufrieden mit der neuen Verteilung.

Bundesratsersatzwahlen 2010 – Nachfolge Moritz Leuenberger und Hans-Rudolf Merz
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Nicht alle Parlamentarier der CVP waren einverstanden mit der Strategie der Parteispitze, bei den Bundesratsersatzwahlen den frei werdenden FDP-Bundesratssitz nicht anzugreifen. Nachdem die Kampfkandidatur Schwaller für die Nachfolge von Bundesrat Couchepin im Jahr 2009 gescheitert war, wollte man sich nicht auf eine neuerliche Herausforderung der FDP einlassen. Da Ständerat Bruno Frick (SZ) befürchtete, dass mit der Wahl von Schneider-Ammann der CVP auf längere Zeit die erneute Besetzung eines zweiten Sitzes verwehrt bleiben wird, schlug er eine Fusion mit der BDP vor. Eine Idee, die bei diversen Exponenten seiner Partei durchaus Beachtung fand.

CVP greift den vakanten FDP-Sitz nicht an