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Auf Antrag der Zürcher SVP beschloss die Delegiertenkonferenz der nationalen SVP im August, die von ihr seit langem angekündigte Volksinitiative für die Volkswahl des Bundesrates definitiv zu lancieren. Diese verlangt die Volkswahl nach Majorzprinzip, wobei mindestens zwei Gewählte ihren Wohnsitz in der lateinischen Schweiz, d.h. in einem französisch- resp. italienischsprachigen Kanton oder im nichtdeutschen Teil eines mehrsprachigen Kantons haben müssen.

Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates (BRG 12.056)
Dossier: Vorschläge für eine Volkswahl des Bundesrates
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Mit der Nichtwiederwahl von Bundesrat Blocher Ende 2007 und dem darauf folgenden Parteiausschluss resp. -austritt der SVP-Bundesräte Widmer-Schlumpf und Schmid war vom Sommer an zum ersten Mal seit 1959 eine der vier grössten Parteien nicht mehr in der Landesregierung vertreten. Dass es mit der SVP die mit Abstand stärkste betraf, machte die Situation erst recht brisant. Von einer Konkordanzregierung durfte deshalb im Jahre 2008 nicht mehr gesprochen werden, und die Ankündigung der SVP, eine permanente und aggressive Oppositionspolitik betreiben zu wollen, liess Schlimmes für das Funktionieren der politischen Institutionen und die Stabilität des Systems befürchten.
Es zeigte sich dann aber bald, dass diese Befürchtungen übertrieben waren. Zum einen war die SVP, wie auf der anderen Seite des politischen Spektrums auch die SP, schon vorher als Regierungspartei oft in Opposition zur Parlamentsmehrheit und zum Bundesrat gewesen und hatte deren Entscheide in Volksabstimmungen bekämpft. Zum anderen hatte die SVP in den Nationalratswahlen vom Herbst 2007 ihre Position als stärkste Partei zwar noch ausgebaut, sie war aber mit 62 von 200 Sitzen (und gar bloss 8 von 46 im Ständerat) weiterhin eine Minderheitspartei geblieben. Sie konnte deshalb im Parlament, wenn sie sich nicht den anderen bürgerlichen Parteien anschloss, keine wesentliche Rolle spielen. Mit ihren eigenen Vorstössen unterlag sie wie schon in den früheren Jahren fast immer klar. Erfolg hatte sie nur einige Male, als sie zusammen mit der Linken Entscheide blockieren konnte, z.B. in der Armeepolitik. Aber nicht nur im Parlament, sondern auch in den Volksabstimmungen blieb sie erfolglos und musste bei ihrer Volksinitiative zur Einbürgerungspolitik sogar eine Schlappe einstecken.

Konkordanzregierung

Im Berichtsjahr kam es erneut zu einer Ersatzwahl für den Bundesrat. Der Vorsteher des EDI, der 67jährige freisinnige Welschwalliser Pascal Couchepin, erklärte am 12. Juni seinen Rücktritt auf Ende Oktober nach elf Jahren Regierungstätigkeit. In den Medien wurde er als Staatsmann gewürdigt, dem allerdings die Erfolge bei der Durchsetzung von Reformen oft versagt blieben. Dass Letzteres nicht allein an ihm lag, sondern auch mit den in seine Zuständigkeit fallenden komplexen Bereichen der Sozial- und Gesundheitspolitik zu tun hatte, wurde allerdings auch konzediert.

Bundesratsersatzwahl 2009 – Nachfolge von Pascal Couchepin
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Der Nationalrat sprach sich auf Antrag seiner SPK deutlich gegen die Volkswahl des Bundesrates aus. Er beschloss mit 140 zu 23 Stimmen, einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Zisyadis (pda, VD) keine Folge zu geben. Neben der Volkswahl wollte der Initiant auch noch Mindestquoten für die Sprachgruppen und die Geschlechter einführen. Auch eine Mehrheit der SVP-Fraktion lehnte den Vorstoss ab.

Volkswahl des Bundesrates

Nach Bundesrat Schmids Rücktritt im November bestätigte die SP grundsätzlich den Anspruch der SVP auf den frei gewordenen Sitz. Sie wolle nicht mit der Konkordanz brechen, aber auch nicht irgendeinen von der SVP favorisierten Hardliner wählen. Die SP-Parlamentarier gaben ihre Stimme aller Wahrscheinlichkeit nach grösstenteils dem Thurgauer Hansjörg Walter (svp).

SP anerkennt SVP-Sitzanspruch

Bei der Bundesratswahl für die Nachfolge von Samuel Schmid nominierten die Grünen wie im Jahr zuvor Luc Recordon (VD). Sie zogen aber seine Kandidatur nach dem ersten Wahlgang zugunsten von Hansjörg Walter (svp) zurück, dies mit der Begründung, Recordon habe keine Stimmen erhalten. Die Grünen hatten Recordon selber nicht gewählt.

GP stellt Recordon (VD) zur Bundesratswahl auf

Im November kündigte Bundesrat Samuel Schmid seinen Rücktritt an. Durch ihre heftigen Angriffe auf ihn und seine Arbeit hatte die SVP zu dieser Entwicklung beigetragen. Der Partei bot sich nun die Möglichkeit einer Bundesratskandidatur. Mit Spannung wurde erwartet, ob die SVP erneut Christoph Blocher nominieren würde – was angesichts seiner geringen Wahlchancen einem freiwilligen Verbleib in der Opposition gleichgekommen wäre. Die SVP-Bundeshausfraktion entschied sich für ein Zweierticket mit Christoph Blocher und Ueli Maurer. Ueli Maurer wurde am 10. Dezember äusserst knapp in den Bundesrat gewählt – mit 122 Stimmen im dritten Wahlgang, was genau dem absoluten Mehr entsprach. Einer Wahl nahe war der Präsident des Bauernverbands, Hansjörg Walter (svp, TG) mit 121 Stimmen gewesen. Blocher erhielt im ersten Wahlgang 54 Stimmen. Walter hatte vor der Wahl erklärt, er würde das Bundesratsamt ablehnen. Nach Einschätzungen in der Presse setzte ihn die SVP-Parteispitze diesbezüglich stark unter Druck. Mit der Wahl Maurers konnte die SVP einen linientreuen Vertreter in die Regierung bringen.

Ueli Maurer (SVP) als Ersatz für Samuel Schmid (BDP, ex. SVP) in den Bundesrat gewählt

Am 10. Dezember wählte die Vereinigte Bundesversammlung den Nachfolger von Samuel Schmid. Die SVP schlug Christoph Blocher und Ueli Maurer vor, die Fraktionen FDP/LP sowie CVP/EVP/GLP (letztere allerdings nur mit einer äusserst knappen Mehrheit) empfahlen Maurer. Die Grünen präsentierten mit Luc Recordon (VD) einen eigenen Kandidaten. Die SP erklärte, dass sie, wie auch die anderen Regierungsparteien für die Reintegration der SVP in den Bundesrat sei, aber nicht für Maurer stimmen würde. Noch vor dem ersten Wahlgang erklärte Nationalrat Hansjörg Walter (svp, TG), der wusste, dass er von der Linken und einem Teil der CVP viele Stimmen erhalten würde, dass er eine allfällige Wahl ablehnen würde. Trotzdem erhielt er im ersten Wahlgang mit 109 die weitaus höchste Stimmenzahl; Maurer kam auf 67, Blocher auf 54 Stimmen und weitere 11 entfielen auf diverse Kandidaten. Für den zweiten Wahlgang erklärte SVP-Fraktionschef Baader (BL) den Rückzug von Blocher zugunsten von Maurer. Mit 121 Stimmen blieb aber Walter an der Spitze vor Maurer mit 119 und verfehlte das absolute Mehr von 122 nur um eine einzige Stimme. Im dritten Wahlgang steigerte sich Maurer auf 122 Stimmen und erreichte damit genau das absolute Mehr; Walter blieb bei 121. Der 57-jährige Ueli Maurer nahm die Wahl an und erklärte sich erleichtert, dass die SVP wieder in der Regierung vertreten sei. Er übernahm – da kein amtierender Bundesrat Veränderungswünsche hatte – auf den 1. Januar 2009 das VBS.

Die SVP war mit der Wahl ihres ehemaligen Parteipräsidenten in die Landesregierung sehr zufrieden. Sie betonte zwar, dass sie so rasch wie möglich auch den ihr – gemessen an ihrer Wählerstärke – zustehenden zweiten Sitz wieder zurückhaben wolle. Die Konkordanz war aber in ihren Augen soweit wieder hergestellt, dass sie ankündigte, an den zukünftigen Treffen zwischen den Spitzen der Bundesratsparteien und der Landesregierung (so genannte Von-Wattenwyl-Gespräche) wieder teilnehmen zu wollen.

Bundesratsersatzwahlen 2008 – Nachfolge von Samuel Schmid
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Dass der Nachfolger Schmids nicht aus der mit Eveline Widmer-Schlumpf bereits in der Regierung vertretenen kleinen BDP kommen würde, war klar. An sich sprach für die Vertreter von SP, FDP und CVP nichts dagegen, die SVP als stärkste Partei wieder in den Bundesrat aufzunehmen. Noch bevor Schmid seinen Rücktritt bekannt gab, machte sich allerdings der SVP-Präsident Brunner (SG) bereits für eine Kandidatur von alt Bundesrat Christoph Blocher stark. Nur dieser sei fähig, das VBS wieder in „Ordnung“ zu bringen. Der Plan der SVP-Parteileitung, Blocher als einzigen Kandidaten zu nominieren, stiess aber in der dafür zuständigen SVP-Fraktion auf Widerstand. Diese sprach sich zwar für eine Rückkehr in die Regierung aus, lehnte es aber knapp ab, sich auf Blocher als einzigen Kandidaten festzulegen. Die Medien waren sich einig, dass Blocher im Parlament keine echten Wahlchancen hatte und bezeichneten die SVP-Nationalräte Amstutz (BE), Baader (BL), Maurer (ZH) und Zuppiger (ZH) als aussichtsreichste Kandidaten. Obwohl FDP, CVP und SP mehrfach erklärt hatten, dass ihre Parlamentarier Blocher nicht wählen würden, nominierte ihn der Vorstand der SVP des Kantons Zürich mit 47 zu 1 Stimme zuhanden der Fraktion als Kandidat. Die Delegiertenversammlung der Zürcher SVP bestätigte diesen Beschluss mit einem weniger deutlichen Stimmenverhältnis (264 zu 45). Weitere von ihren Kantonalparteien an die Fraktion gemeldete Kandidaten waren die Nationalräte Amstutz und Aebi (beide BE), Schwander (SZ), Hurter (SH) und Baader (BL), Ständerat Germann (SH) und Regierungsrat Mermoud (VD); zudem nominierten die SVP-Frauen die Zürcher Regierungsrätin Fuhrer und die SVP-Bezirkspartei Hinwil (ZH) Nationalrat Zuppiger (ZH). Der Bauernverbandspräsident und Nationalrat Hansjörg Walter (TG), der dem gemässigten Flügel der SVP angehört, war ebenfalls im Gespräch gewesen, wurde aber von seiner Kantonalpartei nicht als Kandidat ins Rennen geschickt.

Der Fraktionsvorstand der SVP empfahl ein Zweierticket mit Blocher, ohne einen zweiten Namen zu nennen. Die Fraktion selbst hielt sich an diesen Vorschlag und stellte neben Blocher den Zürcher Nationalrat Ueli Maurer auf, der bis Ende Februar Parteipräsident gewesen war. Im Vorfeld der Wahlen zeigte sich, dass nicht nur die Linke, sondern auch wichtige Exponenten der CVP und zudem einige Freisinnige sich ebenso wenig für Maurer erwärmen konnten wie für Blocher. SVP-Präsident Brunner rief ihnen – und auch den eigenen Parteiangehörigen – kurz vor der Wahl noch einmal in Erinnerung, dass gemäss den neuen SVP-Statuten jeder automatisch aus der Partei ausgeschlossen würde, der als nicht offizieller Kandidat die Wahl zum Bundesrat annehmen würde.

Bundesratsersatzwahlen 2008 – Nachfolge von Samuel Schmid
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Mis en cause de toutes parts pour son implication dans l’«affaire Nef» (voir ici) et dans l’incapacité de faire passer son programme d’armement 2008 au Conseil national (voir ici), le conseiller fédéral Samuel Schmid a démissionné le 12 novembre, officiellement pour des raisons de santé (hospitalisé pour de violentes douleurs au ventre, il s’est fait opérer de la vésicule biliaire quelques jours auparavant). L’ancien président de l’UDC, le conseiller national Ueli Maurer, a été élu au Conseil fédéral le 10 décembre 2008 (voir ici) et a repris la tête du DDPS le 1er janvier 2009.

le conseiller fédéral Samuel Schmid a démissionné

Im Berichtsjahr kam es zu einer Ersatzwahl für den Bundesrat. Der Vorsteher des VBS, Samuel Schmid, erklärte am 12. November seinen Rücktritt auf den 31. Dezember nach acht Jahren Regierungstätigkeit. Er gab für diesen Entscheid „persönliche, gesundheitliche, aber auch politische Gründe“ an. Seine Amtsmüdigkeit stand in direktem Zusammenhang mit der Kritik an seiner Departementsführung, die sich im Berichtsjahr wesentlich verstärkt hatte. Anlässe zu diesen Vorwürfen boten verschiedene Vorkommnisse in der Armee, namentlich Unfälle mit tödlichem Ausgang, und die Umstände der im Vorjahr erfolgten Wahl des Armeechefs Roland Nef. Besonders intensiv wurde Schmid von seiner früheren Partei, der SVP, während des ganzen Jahres aufs Korn genommen. Diese Angriffe hatte es im Zusammenhang mit der von der SVP grundsätzlich bekämpften Armeereform schon immer gegeben, sie hatten sich aber nach der gescheiterten Wiederwahl ihres Bundesrats Christoph Blocher im Dezember 2007 intensiviert. Nationalrat Bortoluzzi (svp, ZH) hatte Schmid gleich zu Jahresbeginn angedroht, dass er weg müsse, wenn es ihm nicht rasch gelinge, „die Armee zu stärken“. Sekundiert wurden diese Angriffe und Nadelstiche von der armeekritischen Linken, welche gemeinsam mit der SVP einmal mehr das Rüstungsprogramm im Nationalrat zu Fall brachte, und von der vor allem an den personellen Aspekten der Politik interessierten Sonntagspresse. Die Attacken waren im Sommer nach dem Übertritt Schmids in die von der SVP abgespaltene Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) noch heftiger geworden. Im Zusammenhang mit der Affäre Nef häuften sich im Juli in einigen Medien die Aufforderungen an Schmid, von seinem Amt zurückzutreten; diese Forderung wurde auch von der GP und der SVP übernommen und von ihnen in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats erfolglos beantragt.

Bundesratsersatzwahlen 2008 – Nachfolge von Samuel Schmid
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Im Rahmen einer parlamentarischen Initiative der SPK des Nationalrats zur Behandlung von parlamentarischen Vorstössen machte diese auch einen Vorschlag zur präzisen Regelung des Vorgehens bei einer andauernden Amtsunfähigkeit eines Mitglieds des Bundesrates oder der Bundeskanzlerin im Parlamentsgesetz. Gemäss der SPK-NR soll im Fall einer durch schwere und andauernde gesundheitliche Probleme verursachten Amtsabwesenheit und Amtsunfähigkeit eines Regierungsmitglieds das Büro der Vereinigten Bundesversammlung oder der Bundesrat einen Antrag auf Amtsunfähigkeit stellen können. Vor diesem Antrag hätten diese Gremien eine angemessene Frist abzuwarten, um der betroffenen Person Zeit für eine eigene Rücktrittserklärung einzuräumen. Entscheiden über den Antrag auf Amtsunfähigkeit würde die Wahlbehörde, also die Vereinigte Bundesversammlung. Der Nationalrat sprach sich einstimmig für die neue Regelung aus. Das Anliegen des Bundesrates, dass nur er allein, und nicht auch das Ratsbüro über das Antragsrecht verfügen solle, fand im Plenum keinen Anklang. Auch der Ständerat war mit dieser Neuerung einverstanden. Das Parlament verabschiedete die neuen Bestimmungen bereits in der Herbstsession 2008.

Pa.Iv. der SPK-NR zu Änderungen im Parlamentsrecht (Aufwertung der Motion und des Postulats, Handlungsunfähige Bundesräte) (07.400)
Dossier: Änderungen im Parlamentsrecht im Jahr 2008

Gelungen ist der SVP als Oppositionspartei eigentlich nur die Dauerkampagne gegen ihre ehemaligen Parteimitglieder im Bundesrat. VBS-Vorsteher Samuel Schmid gab im Herbst entnervt auf. Die SVP meldete sofort ihren Anspruch auf den frei werdenden Sitz an und ihr früherer Präsident Ueli Maurer (ZH) wurde vom Parlament zu Schmids Nachfolger gewählt. Damit war das Konkordanzsystem formal wieder hergestellt, auch wenn die SVP noch nicht gemäss ihrem Wähleranteil in der Regierung vertreten ist.

Konkordanzregierung

Im März wurde im Schweizer Fernsehen ein Dokumentarfilm gezeigt, der die Möglichkeit in den Raum stellte, Bundesrätin Widmer-Schlumpf habe ihre Wahl mit Vertretern von SP und CVP abgesprochen. In der SVP führte dies zur Auffassung, Widmer-Schlumpf habe die SVP angelogen und die Abwahl Blochers mitinitiiert. Parteipräsident Brunner sprach sich für einen Parteiausschluss Widmer-Schlumpfs aus. Die Bundesrätin bestritt, Vertretern von CVP und SP die Annahme einer allfälligen Wahl im Voraus zugesichert zu haben. Sie habe sich die Arbeit als Bundesrätin ohne Fraktion ursprünglich nicht vorstellen können und habe erst nach der – für sie überraschend erfolgten – Wahl ihre Meinung geändert, als ihr klar geworden sei, dass auch Bundesrat Schmid aus der Fraktion ausgeschlossen wurde und dass Blochers Wiederwahl auch dann nicht gelingen würde, wenn sie verzichten würde.

Parteiausschluss der SVP-Graubünden aus der Mutterpartei
Dossier: Gründung und Entwicklung der BDP

Die CVP begann, die Rückeroberung ihres zweiten Bundesratssitzes in Betracht zu ziehen, als Wahlprognosen sie nur noch knapp hinter der FDP sahen. Sie argumentierte, ihre Bundesrätin könne sich bei der jetzigen Zusammensetzung der Regierung zu selten durchsetzen. Die CVP müsse deshalb in der Regierung wieder stärker vertreten sein. Parteipräsident Darbellay hielt fest, er werde zwar Bundesrat Blocher nicht wählen. Den zweiten Sitz für die CVP wolle er aber nicht auf Kosten der SVP, sondern auf Kosten der FDP holen, falls diese bei den Parlamentswahlen schwächer abschneiden sollte als die CVP. Bei den Nationalratswahlen vermochte die CVP die FDP fast einzuholen (+3 Sitze im Nationalrat, 14,5% Wähleranteil) und sie konnte zusammen mit den Grünliberalen und der EVP eine grössere Fraktion als diejenige von FDP und Liberalen bilden. Darbellay brachte sich mit der Aussage, er habe noch nie eine Wahl abgelehnt, selbst als Kandidat für den Bundesrat ins Gespräch. Ein weiterer diskutierter Kandidat war Fraktionspräsident Urs Schwaller. Der rechte Flügel der Partei wehrte sich jedoch gegen eine Kampfkandidatur. Schliesslich beschloss die CVP, nicht anzutreten. Die CVP-Fraktion unterstützte aber mehrheitlich die Ersetzung von Christoph Blocher durch die Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Als Folge davon kam es zu verärgerten Reaktionen im rechten Flügel der Partei und es wurde spekuliert, ob der CVP ihr Verhalten bei den nächsten Wahlen in den konservativen Kantonen schaden würde.

CVP hilft Blocher abzuwählen

Die Kommentare in den Medien zur Nichtwiederwahl Blochers waren sich ziemlich einig, dass Blocher nicht wegen seiner Politik als Bundesrat gescheitert war, sondern wegen der permanenten Angriffe von ihm und seiner Partei gegen alle anderen politischen Kräfte. Der weitgehend auf seine Person ausgerichtete Parlamentswahlkampf der SVP hatte für viele bürgerliche Politiker, vor allem aus der CVP aber auch aus der FDP, das Fass zum Überlaufen gebracht.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2007

Eine wesentliche Rolle spielte die SP im Dezember bei der Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher und der Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf an seiner Stelle. Durch eine Kooperation mit Teilen der CVP und den Grünen gelang es der SP, im Parlament genügend Stimmen für die Ersetzung von Blocher zu gewinnen.

SP orchestriert Blocher-Abwahl

Nachdem sie sich am Wahltag eine Bedenkzeit erbeten hatte, erklärte Eveline Widmer-Schlumpf am nächsten Morgen vor der Vereinigten Bundesversammlung, dass sie ihre Wahl annehme. SVP-Fraktionschef Baader trat noch einmal ans Rednerpult und kündigte an, dass die beiden SVP-Bundesräte Schmid und Widmer-Schlumpf wie bereits zu Jahresbeginn angedroht, aus der SVP-Fraktion ausgeschlossen würden, die SVP damit nicht mehr in der Landesregierung vertreten sei und sich in Zukunft als Oppositionspartei betrachten würde. (Die Bundesräte sind als nicht dem Parlament Angehörende nur Gäste und nicht Mitglieder der Fraktionen ihrer Parteien.) Als solche werde sie alle den Zielen der SVP zuwiderlaufenden Beschlüsse dieser neuen „Mitte-Links-Regierung“ aber auch des Parlaments bekämpfen und mit Referenden und Volksinitiativen Druck ausüben. Blocher doppelte nach und kündigte an, dass er im Rahmen dieser neuen Opposition politisch aktiv bleiben werde. Dies werde ihm umso leichter fallen, als er sich nun wieder frei und ausserhalb von Konkordanz und Kollegialitätsprinzip werde äussern können. Die neue Bundesrätin Widmer-Schlumpf erklärte, dass sie die Wahl angenommen habe, um der SVP den Sitz zu retten, der sonst an die CVP gegangen wäre. Die SVP-Fraktion bestätigte eine Woche später mit 60 zu 3 Stimmen den Ausschluss von Schmid und Widmer-Schlumpf von den Fraktionssitzungen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2007

Am 12. Dezember trat die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl des Bundesrates für die neue Legislaturperiode zusammen. Am zahlenmässigen Kräfteverhältnis zwischen den Blöcken hatte sich im neuen Parlament gegenüber demjenigen von 2003 wenig geändert. Trotz der Sitzgewinne der SVP im Nationalrat verfügten diejenigen Parteien, die 2003 Blocher gegen die CVP-Bundesrätin Metzler unterstützt hatten (SVP, FDP, LP und kleine Rechtsparteien), über drei Sitze weniger als 2003 und blieben mit 118 Sitzen deutlich unter dem absoluten Mehr von 123. Noch nicht klar war, wie sich die CVP verhalten würde, nachdem ihr Präsident Darbellay (VS) in den Medien mit seiner eigenen Kandidatur gegen Blocher kokettiert hatte. Am Tag vor der Wahl wurde er dann von seiner Fraktion zurückgepfiffen, welche mehrheitlich beschloss, nicht mit einem eigenen Kandidaten anzutreten, aber auch Blocher nicht zu unterstützen. Die meisten professionellen Beobachter rechneten nicht damit, dass es wie 2003 zur Nichtwiederwahl eines Amtsinhabers kommen würde, wobei allerdings für viele offen war, ob es Blocher bereits im 1. Wahlgang schaffen würde.

Obwohl alle bisherigen Bundesräte wieder kandidierten, beantragte einzig die FDP-Fraktion, sie alle in ihrem Amt zu belassen. Die SVP empfahl nur ihre beiden eigenen Vertreter Christoph Blocher und Samuel Schmid sowie die FDP-Bundesräte Pascal Couchepin und Hans-Rudolf Merz zur Wahl. Die SP und die CVP/EVP/GLP-Fraktion sprachen sich für alle Bisherigen mit Ausnahme von Blocher aus, und die Grünen unterstützten in ihrem schriftlichen Antrag nur die beiden SP-Bundesräte Micheline Calmy-Rey und Moritz Leuenberger und präsentierten den grünen Ständerat Luc Recordon (VD) als Kandidaten. Nachdem die Sprecher der SP und der CVP dargelegt hatten, dass sie der SVP ihren zweiten Sitz nicht streitig machen wollten, darauf aber nicht mehr Blocher sehen möchten, trat Zisyadis (pda, VD) ans Rednerpult und schlug die Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf zur Wahl vor. In den Medien war Widmer-Schlumpf zusammen mit Nationalrat Zuppiger (svp, ZH) als mögliche Alternative für Blocher bereits in der Berichterstattung über die CVP-Fraktionssitzung erwähnt worden. Baader (svp, BL) als Fraktionssprecher appellierte anschliessend an die CVP, Blocher zu wählen und sicherte zu, dass in diesem Fall entgegen ihrem schriftlichen Antrag die SVP auch Doris Leuthard (cvp) unterstützen würde.

Anschliessend schritt das Parlament zur Besetzung der Bundesratssitze in der Reihenfolge der Amtsdauer der bisherigen Inhaber. Zuerst wurde Leuenberger mit 157 Stimmen gewählt, dann Couchepin mit 205, Schmid mit 201 und Calmy-Rey mit 153. Vor der Besetzung des Sitzes von Blocher meldete sich Baader nochmals zu Wort und legte dar, dass Blocher in den letzten vier Jahren „einen Leistungsausweis erbracht (habe) wie kaum ein anderes Regierungsmitglied“. Frösch (BE) zog im Namen der Grünen die Kandidatur Recordons „zugunsten einer aussichtsreicheren Kandidatur“ zurück. Im ersten Wahlgang erzielte Widmer-Schlumpf mit 116 Stimmen das bessere Resultat als Blocher mit 111. Das absolute Mehr von 120 verfehlte sie aber; sechs Stimmzettel waren leer, zwei ungültig und elf entfielen auf andere Namen. Im zweiten Wahlgang entfielen nur noch zwei Stimmen auf Diverse, vier blieben leer und keiner war ungültig. Das absolute Mehr stieg damit auf 122. Widmer-Schlumpf übertraf es mit 125, Blocher kam nur auf 115 und verlor damit seinen Sitz. Nachdem ein Ordnungsantrag der SVP auf Verschiebung der weiteren Wahlen abgelehnt worden war, bestätigte die Bundesversammlung Merz und Leuthard mit 213 resp. 160 Stimmen in ihren Ämtern.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2007

Am 12. Dezember wurde anstelle von Christoph Blocher Eveline Widmer-Schlumpf (GR, svp) in den Bundesrat gewählt. Diese nahm die Wahl nach einer Bedenkzeit an. Die SVP hatte für den Fall der Abwahl von Blocher den Gang in die Opposition und den Ausschluss der SVP-Bundesräte aus der Fraktion beschlossen. Fraktionspräsident Baader wollte zunächst eine schriftliche Bestätigung aller SVP-Parlamentarier einholen, in der diese sich zur Unterstützung des Oppositionskurses verpflichten sollten. Aufgrund von Protesten aus dem liberalen Parteiflügel wurde aber auf diese Massnahme verzichtet. Einige Parlamentarier um den Berner Nationalrat Hans Grunder, die mit dem Oppositionskurs nicht einverstanden waren, überlegten sich, eine eigene Fraktion zu gründen. An einer Fraktionssitzung der SVP wurde schliesslich mit 60 zu 3 Stimmen folgendes beschlossen: Keine Abspaltung eines Teils der Fraktion und keine Bildung von Untergruppen, Ausschluss von Schmid und Widmer-Schlumpf aus der Fraktion und Verbot einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit den SVP-Bundesräten. Fraktionspräsident Caspar Baader sagte, Opposition bedeute in erster Linie, dass die SVP Schmid und Widmer-Schlumpf nicht als ihre Bundesräte betrachte und diese demzufolge auch nicht schonen werde. Im Parlament wolle die SVP aber nach wie vor mitarbeiten.

SVP beschliesst den Gang in die Opposition

An ihrer Delegiertenversammlung Anfang Dezember sprachen sich die Grünen mit 132 zu 14 Stimmen bei 4 Enthaltungen dafür aus, einen Sitz im Bundesrat anzustreben. Zu reden gab, ob die Grünen bei den anstehenden Bundesratswahlen gegen Bundesrat Blocher kandidieren sollten. Dies wurde mit 115 zu 34 Stimmen bei 4 Enthaltungen bejaht. Eine Minderheit argumentierte, die Grünen sollten sich an die arithmetische Konkordanz halten und auf das Freiwerden eines freisinnigen Sitzes warten. Als Kandidat der Grünen für den Bundesrat wurde der Waadtländer Ständerat Luc Recordon aufgestellt. Dieser erklärte, er wolle mit seiner Kandidatur eine Alternative zu Blochers Politik anbieten. Er sei bereit, sich zurückzuziehen, wenn ein gemässigter bürgerlicher Kandidat zur Wahl antrete. Weitere Themen der Delegiertenversammlung waren die Unternehmenssteuerreform II, zu der die Nein-Parole beschlossen wurde und die Initiative gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten, welche die Delegierten befürworteten.

Luc Recordon kandidiert für den Bundesrat

Die SP begann spätestens im Sommer Avancen gegenüber der CVP (die 2003 wegen der Wahl Blochers ihren zweiten Bundesratssitz verloren hatte) zu machen. Sie schlug ihr vor, gemeinsam einen Sitz für die CVP zurückzuerobern. Zuerst monierte Parteipräsident Fehr (sp, SH), die mit zwei Sitzen überproportional vertretene FDP ins Visier zu nehmen. Die CVP reagierte jedoch zurückhaltend bis ablehnend auf diesen Vorschlag, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie vor den Parlamentswahlen kein Interesse hatte, als Partnerin der Linken zu erscheinen. Aber auch die Grünen stellten sich in diesem Fall nicht hinter die SP, sondern verlangten vielmehr einen Sitz für sich selbst, und zwar denjenigen von Blocher. Ende August nahm die SVP diese öffentlichen Forderungen nach einer Abwahl Blochers – notabene von Parteien, die Blocher auch 2003 nicht die Stimme gegeben hatten – zum Anlass, um an einer Medienkonferenz von einem „Geheimplan“ zur Abwahl Blochers zu warnen. Sie lancierte eine millionenteure Inserate- und Plakatekampagne, in der sie mit dem Slogan: „Blocher stärken! SVP wählen“ dazu aufrief, bei den Parlamentswahlen dafür zu sorgen, dass der von diesem „Geheimplan“ bedrohte Blocher Bundesrat bleiben könne. Ohne Blocher in der Landesregierung würden gemäss den SVP-Inseraten die Steuern ansteigen, die Schweiz der EU beitreten, die demokratischen Rechte abgebaut und die Kriminalität zunehmen. Der Bericht einer Subkommission der GPK-NR im Sommer 2006, der die Beteiligung Blochers an einem Komplott zur Entlassung von Bundesanwalt Roschacher suggerierte, stellte für Blocher und die SVP einen weiteren Beweis für die Existenz eines solchen Geheimplans gegen Blocher dar. Diese Inseratekampagne der SVP sorgte auch bei Freisinnigen, namentlich aus der französischen Schweiz, für Unmut. Bundesrat Couchepin kritisierte sie in einem Interview im Radio der italienischen Schweiz und erwähnte, dass diese Werbung, die das Wohl des Landes von der Wiederwahl einer einzigen Person abhängig mache, ihn an die Propaganda der italienischen Faschisten mit dem Duce Mussolini erinnere.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2007

Wie noch nie zuvor war 2007 die parteipolitische und personelle Zusammensetzung des Bundesrates ein Thema für die nationalen Parlamentswahlen gewesen. Anlass dafür war nicht so sehr die 2003 an die neuen Kräfteverhältnisse angepasste Zauberformel an sich, sondern die Person des damals in die Landesregierung gewählten zweiten SVP-Vertreters, Christoph Blocher. Die SVP beschwor an ihrer Delegiertenversammlung zu Jahresbeginn Schreckensszenarien herauf, die über die Schweiz im Fall einer Nichtwiederwahl Blochers hereinbrechen würden. Die Delegierten bestätigten an diesem Anlass auch einen früheren Beschluss ihrer Parlamentsfraktion, dass die Partei im Fall seiner Nichtwahl alle übrigen in den Bundesrat gewählten SVP-Mitglieder aus der Fraktion ausschliessen würde. Der zweite SVP-Bundesrat, Samuel Schmid, zeigte sich davon allerdings wenig beeindruckt und erklärte, dass er auch bei einer Abwahl Blochers in der Regierung bleiben würde. Die SP und die Grünen gaben den Gegenpart zur SVP und verkündeten, dass Blocher nicht länger als Bundesrat tragbar sei und auch in der CVP sprachen sich massgebliche Personen gegen eine Wiederwahl Blochers aus.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2007