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Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand aus mindestens vier Gründen 2019 im Fokus der politischen Debatte. Zuerst gab die Departementsverteilung im Nachgang der Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2018, bei denen Doris Leuthard (cvp) und Johann Schneider-Ammann (fdp) durch Viola Amherd (cvp) und Karin Keller-Sutter (fdp) ersetzt worden waren, zu reden (vgl. auch den entsprechenden Peak bei der Medienberichterstattung). Nicht nur, dass mit Viola Amherd zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz eine Frau das VBS übernahm, sondern auch der Wechsel von Guy Parmelin ins WBF und von Simonetta Sommaruga ins UVEK wurden in den Medien diskutiert. Kommentiert wurde dabei insbesondere, dass die Verteilung offenbar erst nach einem Mehrheitsbeschluss innerhalb des Gremiums zustande gekommen war, was als schlechter Start und Herausforderung für die künftige Konkordanz interpretiert wurde. Mit der Wahl von zwei Frauen in die Landesregierung wurde der Debatte um die verfassungsmässige Festschreibung einer Frauenquote im Bundesrat der Wind aus den Segeln genommen. Ein entsprechender Vorstoss, der vom Ständerat noch angenommen worden war, wurde vom Nationalrat versenkt. Auch die Idee einer Karenzfrist, also das Verbot für ehemalige Magistratspersonen, Mandate von Unternehmen anzunehmen, die in Beziehung zu ihrem Regierungsamt stehen, wurde – wie schon 2015abgelehnt. Die Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat Ende Jahr lösten eine breite und medial stark begleitete Debatte um Zauberformel, Konkordanz, Systemstabilität und die Ansprüche der bei den Wahlen 2019 sehr erfolgreichen Grünen Partei auf einen Bundesratssitz aus. Die Mehrheit des Parlaments entschied sich, Regula Rytz, die Sprengkandidatin der Grünen, nicht anstelle von Ignazio Cassis in die Exekutive zu wählen.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament war im Berichtjahr Gegenstand parlamentarischer Arbeit. Beraten wurde dabei insbesondere die Idee eines Verordnungsvetos. Die auf eine parlamentarische Initiative Aeschi (svp, ZG; Pa.Iv. 14.422) zurückgehende, 2014 eingereichte Idee sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates gegen die Veröffentlichung einer bundesrätlichen Verordnung ein Veto einlegen kann, wenn die Stossrichtung der Verordnung nicht dem Willen des Parlaments entspricht. Während sich eine Mehrheit des Nationalrats davon eine präventive Wirkung erhoffte, lehnte die Mehrheit des Ständerats die Vorlage als zu kompliziert ab. Ein weiteres Mal abgelehnt wurde – ebenfalls nach längeren Diskussionen – die Idee einer Neuorganisation der Legislaturplanung. Das Parlament debattiert in schöner Regelmässigkeit seit der 2002 eingeführten Änderung, ob die Diskussionen um die zahlreichen Änderungsanträge an der Legislaturplanung zielführend seien. Der Antrag, die Planung wie vor 2002 einfach zur Kenntnis nehmen zu können und eben nicht als Bundesbeschluss behandeln zu müssen, stiess aber im Parlament erneut auf taube Ohren. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Diskussion nach den eidgenössischen Wahlen 2019 erneut losgehen wird.

Im Nationalrat wurde 2019 die Frage erörtert, wie politisch die Verwaltung sei. Während eine Motion Bigler (fdp, ZH; Mo. 17.4127), die eine Offenlegung der Interessenbindungen von Kaderangestellten verlangt, von der grossen Kammer angenommen wurde, lehnte diese ein Postulat Burgherr (svp, AG; Po. 17.3423) ab, mit dem hätte untersucht werden sollen, wann und wie die Verwaltung effektiv politischen Einfluss ausübt. Dauerbrenner im Parlament waren auch 2019 Sparmassnahmen bei den Personalkosten in der Verwaltung. Diese sollten, wäre es nach dem Nationalrat gegangen, mit Hilfe von Digitalisierung oder durch einen Ausgabenstopp in den Griff bekommen werden – der Ständerat verweigerte aber jeweils seinen Segen dazu.

Im letzten Jahr der 50. Legislatur kam es im Parlament noch zu fünf Mutationen. Insgesamt wurden in der 50. Legislatur 26 Nationalrats- und zwei Ständeratsmandate ersetzt; rund ein Drittel der Mutationen war durch die SP-Fraktion zu verantworten. Das Büro-NR will sich in einem Bericht auf ein Postulat Feri (sp, AG; Po. 18.4252) der Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf annehmen, einem Thema, das in den letzten Jahren immer virulenter zu werden scheint, wie verschiedene Vorstösse zeigen. Nicht einig wurde man sich in den Räten über verschiedene Spesenregelungen. Die SPK-NR entschloss sich deshalb, mit einer Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 19.431) wenigstens die Übernachtungsentschädigungen einheitlicher zu organisieren. Diskutiert wurde im Parlament auch 2019 wieder über Regeln für transparenteres Lobbying. Die seit Langem schwelende Debatte, die spätestens 2015 mit der sogenannten «Kasachstan-Affäre» viel Fahrt aufgenommen hatte, wurde allerdings stark abgebremst: Fast wäre auch der letzte, ziemlich zahnlose Vorstoss in diese Richtung versandet, wenn nicht der nach den eidgenössischen neu zusammengesetzte Nationalrat den Nichteintretensentscheid auf einen Vorschlag der SPK-SR sozusagen in letzter Minute zurückgenommen hätte.

Etwas stärker in den Fokus als auch schon geriet 2019 die Judikative, was sich auch in der Medienkonjunktur zu diesem Thema zwischen März und September 2019 beobachten lässt. Dies hatte einerseits damit zu tun, dass im Nationalrat über die Revision des ziemlich umstrittenen Bundesgerichtsgesetzes debattiert wurde – insbesondere die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird wohl auch 2020 noch zu reden geben, auch wenn der Ständerat kurz vor Ende Jahr beschloss, nicht auf die Vorlage einzutreten. Andererseits standen einige Ersatzwahlen an, die jedoch in aller Regel geräuschlos über die Bühne gehen. Beinahe wäre jedoch eine Ersatzwahl ans Bundesgericht zur Ausnahme dieser Regel geworden, da die GK entgegen den Gepflogenheiten nicht die am stärksten untervertretene SVP, sondern die CVP berücksichtigte, was beinahe zu einer noch nie vorgekommenen Kampfwahl geführt hätte. Dafür, dass das Gerichtswesen auch in Zukunft im Gespräch bleibt, wird wohl auch die 2019 zustande gekommene Justizinitiative sorgen, die vorschlägt, oberste Richterinnen und Richter per Losverfahren zu bestimmen, um eben diese starke, dem Proporzgedanken geschuldete Verbindung zwischen Judikative und Parteien zu verhindern. Viel zu schreiben gab zudem die Bundesanwaltschaft. Nach langen und stark medial begleiteten Diskussionen zu einer Disziplinaruntersuchung um den amtierenden Bundesanwalts Michael Lauber wurde dieser erst nach einer Verschiebung der Wahl von der Sommer- in die Herbstsession und äusserst knapp für eine dritte Amtsperiode bestätigt.

Im Wahljahr 2019 trat die Nutzung der direkten Demokratie ein wenig in den Hintergrund. An zwei Abstimmungswochenenden wurde lediglich über drei Vorlagen abgestimmt. Dabei folgte die Mehrheit der Stimmbevölkerung sowohl bei den beiden Referenden (STAF und Waffenschutzrichtlinie) als auch bei der Zersiedelungsinitiative der Empfehlung von Parlament und Bundesrat. Die Ablehnung der Zersiedelungsinitiative bedeutet zudem, dass in der 50. Legislatur kein einziges Volksbegehren Erfolg hatte. Die wahlbedingte Abstimmungspause wird wohl in den folgenden Jahren zu einigen Abstimmungswochenenden mit mehreren Vorlagen führen, sind doch Ende 2019 ganze 16 Volksinitiativen im Unterschriftenstadium und 19 abstimmungsreif oder beim Bundesrat oder im Parlament in Beratung. Dafür, dass in Zukunft die direkte Demokratie umfassender genutzt werden könnte, sorgte das Parlament zudem mit seiner Entscheidung zur Kündigung von Staatsverträgen, die zukünftig nicht mehr dem Bundesrat, sondern der Legislative und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung obliegt. Eines der anstehenden Volksbegehren ist die Transparenzinitiative, für die die SPK-SR 2019 einen indirekten Gegenentwurf in die Vernehmlassung gab, mit dem die Offenlegung der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen im Gesetz geregelt werden soll und der in der Wintersession vom Ständerat mit Anpassungen gutgeheissen wurde.

Einen herben Dämpfer erlitt 2019 die Idee des elektronischen Wählens und Abstimmens. Nachdem der Kanton Genf bereits Ende 2018 sein E-Voting-System eingestellt hatte und das System der Post in einem öffentlich ausgeschriebenen Stresstest den Anforderungen nicht standgehalten hatte, bestanden keine brauchbaren technischen Angebote mehr für die effektive Durchführung von «Vote électronique». Daher entschied sich der Bundesrat, sein Ziel, E-Voting als ordentlichen Stimmkanal einzuführen, vorläufig zu sistieren. Gegenwind erhielt der elektronische Stimmkanal zudem von einer Anfang 2019 lancierten Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium. Immerhin entschied sich der Nationalrat für eine Motion Zanetti (svp, ZH; Mo. 19.3294) mit dem Ziel, die Abstimmungsunterlagen elektronisch zustellen zu können.

Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2019

Rund eine Woche vor den Regierungswahlen begannen die Fraktionen mit den Hearings der drei SVP-Kandidaten. Lediglich die Grünen verzichteten auf die Anhörungen, weil sie die Wahl eines Vertreters der Volkspartei grundsätzlich ablehnten, da die SVP die Europäische Menschenrechtskonvention kündigen wolle – eine Anspielung auf die geplante Selbstbestimmungsinitiative der SVP. Die GP setzte nach wie vor auf einen Sprengkandidaten aus der Mitte und gab bekannt, zumindest im ersten Wahlgang keinen der SVP-Kandidierenden wählen zu wollen. Die SP entschied sich erst in letzter Minute, die Kandidaten einen Tag vor den Wahlen doch noch zu Bewerbungsgesprächen einzuladen. Die Genossen gaben im Anschluss bekannt, dass Norman Gobbi (TI, lega) für sie nicht wählbar sei. Die restlichen Fraktionen wollten sich nach den Anhörungen zwar nicht festlegen, gaben aber zu Protokoll, einen der drei offiziellen Kandidaten wählen zu wollen. Ein Sprengkandidat war nicht in Sicht – auch wenn Heinz Brand (svp, GR) erst nach einigem Hin und Her und viel Pressewirbel dementierte, eine Wahl annehmen zu wollen, und sich auch Thomas Hurter (svp, SH) noch einmal ins Gespräch brachte, weil er keine Stellung nehmen wollte zur Idee, bei einer allfälligen Wahl und Ausschluss durch die SVP bei der FDP Unterschlupf zu finden. Alle weiteren, in den Medien kolportierten, möglichen Überraschungskandidaten gaben aber jeweils kurz nach der Medienmeldung an, nicht zur Verfügung zu stehen. Zudem signalisierten die Mitteparteien im Verlaufe dieser Geplänkel immer deutlicher, für Spiele nicht zur Verfügung zu stehen. Aufgrund dieser Ausgangslage sahen die meisten Medien am Tag vor der Bundesratswahl Guy Parmelin (svp, VD) im Vorteil, da er von SP und GP wohl eher unterstützt würde als Norman Gobbi (TI, lega) und Thomas Aeschi (svp, ZG).
Dass der Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz allgemein akzeptiert und die Lust auf Experimente im Parlament in der Tat sehr gering war, zeigte sich am Wahltag auch in den Voten der einzelnen Fraktionen. Mit Ausnahme der SP und der GP sprachen sich alle Parteien für ein Ende der bisher nicht adäquaten mathematischen Konkordanz aus. Obwohl alle Parteien freilich auch die Ausschlussklausel der SVP kritisierten, die einer Regierungspartei nicht würdig sei, liessen sie den Worten bei der Ersatzwahl von Eveline Widmer-Schlumpf (bdp) Taten folgen. Zwar erhielten im ersten Wahlgang auch Thomas Hurter (svp, SH) und Viola Amherd (cvp, VS) 22 bzw. 16 Stimmen, auf den insgesamt 245 ausgeteilten Wahlzetteln fanden sich aber vorwiegend die drei SVP-Kandidierenden, wobei sich Guy Parmelin mit 90 Stimmen vor Thomas Aeschi (61 Stimmen) und Norman Gobbi (50 Stimmen) schon leicht absetzen konnte. Mit den vier Stimmen an Verschiedene und den zwei leeren Wahlzetteln hatten sich damit 44 Parlamentarier nicht am offiziellen Dreierticket orientiert – zu wenig für einen Coup. Im zweiten Wahlgang verpasste Parmelin das absolute Mehr nur knapp. Er erhielt 117 von 120 nötigen Stimmen; Aeschi wurde von 78 Mitgliedern der Vereinigten Bundesversammlung favorisiert und Gobbi erhielt lediglich noch 30 Voten. Auf Verschiedene entfielen 14 Stimmen und fünf der 244 ausgeteilten Wahlzettel waren leer. Im dritten Wahlgang – für viele überraschend schnell – konnte Guy Parmelin dann genügend Unterstützerinnen und Unterstützer hinter sich scharen. Mit 138 Stimmen wurde der Waadtländer erster französischsprachiger SVP-Bundesrat der Geschichte. Die 88 Stimmen für Aeschi hätten auch zusammen mit den elf noch auf Gobbi entfallenden Stimmen nicht für einen anderen Wahlausgang gereicht. Im dritten Wahlgang, in dem nur noch 243 Wahlzettel ausgeteilt wurden, waren noch deren sechs leer. Guy Parmelin erklärte die Annahme der Wahl und verwies in seiner kurzen Rede auf die Bedeutung und Symbolkraft seiner Wahl für die Westschweiz. Freilich werde er im Rahmen seiner Regierungstätigkeit auch die Ost- und Zentralschweiz, die diesmal leer ausgegangen seien, nicht vergessen.

Ob der mit Spannung erwarteten Ersatzwahl gingen die vorausgehenden Bestätigungswahlen der bisherigen sechs Regierungsmitglieder fast ein wenig unter. Zwar divergierten die Stimmen, welche die einzelnen Magistratinnen und Magistraten erhielten recht stark – insbesondere Ueli Maurer (svp) und Simonetta Sommaruga (sp) wurden wohl jeweils vom gegnerischen Lager abgestraft – aber insgesamt zeigte sich auch bei den Bestätigungswahlen, dass das Parlament in der Mehrheit ein Zurück zur Normalität anstrebte. Doris Leuthard (cvp) wurde mit 215 von 245 Stimmen erneut gewählt (Verschiedene: 19; leer: acht; ungültig: drei), Ueli Maurer (svp) erhielt 173 von 245 Stimmen (Thomas Hurter (svp, SH): zehn Stimmen, Verschiedene: 27; leer: 32; ungültig: drei), Didier Burkhalter (fdp) wurde mit 217 von 244 Wahlzetteln bestätigt (Verschiedene: 14; leer: 13; ungültig: Null), der Name Simonetta Sommaruga (sp) stand auf 182 von 245 ausgeteilten Wahlzetteln (Daniel Jositsch (sp, ZH): elf Stimmen; Verschiedene: 28; leer: 19; ungültig: fünf), Johann Schneider-Ammann machte 191 von 244 Stimmen (Verschiedene: 28; leer: 23; ungültig: zwei) und überraschend deutlich bestätigt wurde auch Alain Berset mit 210 von 244 möglichen Voten (Verschiedene: 23; leer: acht; ungültig: zwei). Alle sechs hatten damit mehr Stimmen als noch vor vier Jahren erhalten.
Die Reaktionen in den Medien waren geteilt. Auf der einen Seite wurde hervorgehoben, dass Parmelin als Nationalrat kaum aufgefallen sei, über keinerlei Führungserfahrung verfüge und auch nicht besonders sprachgewandt sei – wenig spektakulär wie der Chasselas, den er anbaue, so etwa die BaZ. Sein einziger Ausweis sei es, der SVP anzugehören. Es sei aber nachvollziehbar, dass das Parlament die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung höher gewichtet habe als personelle Fragen. Zudem müsse man Parmelin eine Chance geben, im Amt zu wachsen. Weil er keine hohe Erwartungen wecke, könne er eigentlich nur positiv überraschen. Für viele, vor allem für Mitte-links sei er wohl auch das kleinere Übel gewesen. Parmelin sei ein SVP-Mitglied der alten Schule und sei wohl als leichter formbar vermutet worden als Thomas Aeschi, der als Blocher-Zögling gelte und die neue SVP-Linie vertrete. In der Westschweizer Presse wurde zudem hervorgehoben, dass sich Parmelin stets moderat und kompromissbereit gezeigt habe – eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit im Regierungskollegium. Die Wahl Parmelins sei aber auch ein Zeichen dafür, dass das Parlament angesichts der Erfolge und der immer neuen Forderungen der SVP resigniere – so der Blick. Einig war man sich in der Presse, dass die SVP jetzt in der Verantwortung stehe. Sie müsse wieder in den Kompromiss-Modus zurückfinden – so die NZZ. In den Kommentarspalten wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Volkspartei mit ihrem zweiten Regierungssitz nun auch definitiv in der Westschweiz verankert sei – männiglich prognostizierte gar einen weiteren Schub der SVP im französischsprachigen Landesteil.
Die Reaktionen der Parteien waren unterschiedlich. Die SVP feierte ihren neuen Bundesrat mit auffallender Zurückhaltung. Zwar wiesen die Parteispitzen darauf hin, dass man die Westschweiz jetzt noch besser vertreten könne; verschiedene Stimmen machten aber keinen Hehl daraus, dass Parmelin nicht der Wunschkandidat gewesen sei. Die Aufforderung, jetzt mehr Kompromissbereitschaft zu zeigen, prallte an der SVP ab. Man mache weiter eine SVP-Politik und erwarte vielmehr von der FDP, dass sich im Bundesrat jetzt eine bürgerliche Politik durchsetze. Als Siegerinnen sahen sich die SP- und die CVP-Spitzen. In der französischsprachigen Presse wurde kolportiert, dass Guy Parmelin ohne die von Christoph Darbellay (cvp, VS) und Christian Levrat (sp, FR) im Nationalratswahlkampf aufgestellte Forderung an die SVP, einen Westschweizer Kandidaten zu präsentieren, vielleicht jetzt gar nicht Bundesrat wäre. Prompt wurden die beiden Parteipräsidenten als Königsmacher gefeiert. In der FDP und der CVP machte man sich Gedanken über die nächsten Bundesratswahlen. Klar war, dass mit der Übervertretung der Romandie die Chancen für französischsprachige "Papabili" stark gesunken waren. Potenzielle Ostschweizer und Tessiner-Kandidaten konnten sich hingegen freuen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2015 – Nachfolge Eveline Widmer-Schlumpf
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Die Forderung der SVP, nach einem zweiten Regierungssitz, gehörte seit der Nichtbestätigung von Christoph Blocher (svp, ZH) nach den Wahlen 2007 zum Standardrepertoire der Volkspartei. Bei den Bundesratswahlen 2011 hatte sich die SVP mit ihrem nicht sehr professionellen Nominierungsverfahren praktisch selber aus dem Rennen genommen. Die Vehemenz der Forderung, nach einer adäquaten Regierungsbeteiligung, nahm 2015 gar noch zu und die Attacken der Volkspartei, vor allem auf den BDP-Bundesratssitz, wurden lauter. Die zahlreichen Kandidierenden, die vor den Parlamentswahlen als mögliche Herausforderer angepriesen wurden, dienten dabei einerseits als Nebelpetarden. Weil diese Ankündigungen und sofortigen Dementis, etwa von Toni Brunner (svp, SG) oder Adrian Amstutz (svp, BE), von den Medien bereitwillig aufgenommen und diskutiert wurden, schadete dies anderseits dem Wahlkampf der SVP in keinster Weise. Auch die anderen Parteien profitierten freilich von der medial breitgeschlagenen Diskussion um mögliche Szenarien für die nach den Gesamterneuerungswahlen anstehenden Bundesratswahlen. Die Bürgerlichen bestätigten zwar den prinzipiellen Anspruch der SVP auf einen zweiten Regierungssitz, Regierungsmitglieder, die ihre Sache gut machten, wolle man aber nicht abwählen. SP und GP betonten mit ebendiesem Argument, dass sie Eveline Widmer-Schlumpf (bdp) auf jeden Fall bestätigen wollten.
Die Ausgangslage änderte sich freilich nach der Demissionsankündigung der BDP-Bundesrätin. Die Linke pochte zwar auf einen neuen Mitte-Kandidaten, falls die SVP Kandidierende nominiere, die gegen die Bilateralen seien, und die Grünen sahen ebenfalls weit und breit keinen wählbaren SVP-Kandidierenden. Die restlichen Parteien signalisierten aber rasch, dass sie den Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz guthiessen und für Spielchen nicht zu haben seien. Dazu gehörte auch die Bestätigung, Bisherige nicht abwählen zu wollen. In der Tat wurde die Möglichkeit diskutiert, einen FDP-Bundesrat abzuwählen und mit einem Kandidierenden der Mitteparteien zu ersetzen, um eine rechtslastige Regierung mit 2 FDP und 2 SVP Magistraten zu verhindern. Die Chance für ein solches Szenario, war allerdings mehr als gering, würden doch dafür weder die FDP noch die SVP Hand bieten.
Rasch zeigte sich zudem, dass die Volkspartei das Nominierungsverfahren dieses Mal mit grösserer Sorgfalt angegangen war als vier Jahre zuvor. Aus den elf ursprünglichen Bewerbungen präsentierte die SVP nach ihrer Fraktionssitzung am 20. November drei Kandidierende aus den drei hauptsächlichen Sprachregionen: Thomas Aeschi (svp, ZG), Guy Parmelin (svp, VD) und Norman Gobbi (TI, lega). Der Tessiner Lega-Regierungsrat stellte sich unter das Banner der SVP, wollte aber auf kantonaler Ebene Legist bleiben. SVP-Fraktionspräsident Adrian Amstutz (svp, BE) wies darauf hin, dass Gobbi Mitglied der SVP Schweiz sei und das Gedankengut der SVP vertrete. Man kooperiere mit der Lega auf nationaler Ebene schon lange. Die Lega gehöre im Parlament schliesslich auch zur SVP-Fraktion. Gobbi sei von der Fraktion praktisch einstimmig nominiert worden (mit 72 von 74 Stimmen). Parmelin (svp, VD) siegte mit 48 zu 29 Stimmen über Oskar Freysinger (VS, svp) und Aeschi setzte sich im fünften Wahlgang mit 44 zu 37 Stimmen gegen Heinz Brand (svp, GR) durch. Ohne Chancen, oder gar nicht ins engere Auswahlverfahren aufgenommen, waren die Kandidaturen von Hannes Germann (svp, SH), Thomas Hurter (svp, SH), Res Schmid (NW, svp), Thomas de Courten (svp, BL), Albert Rösti (svp, BE) und David Weiss (BL, svp).
Die Dreier-Auswahl überraschte, waren doch im Vorfeld andere Favoriten gehandelt worden, die im Parlament eine breitere Unterstützung erhalten hätten. Die SVP machte aber von Anfang an klar, dass sie ihre – nach der Nicht-Bestätigung Blochers – in den Parteistatuten verankerte Regel, strikte anwenden werde. In diesem Sinne würden nicht nominierte, aber gewählte Kandidaten, die ihre Wahl dennoch annähmen, aus der Partei ausgeschlossen. Die Chancen für Hannes Germann (svp, SH), der laut der NZZ mehr Freunde im Parlament als in seiner Partei habe und der erste Bundesrat aus dem Kanton Schaffhausen gewesen wäre, oder für Heinz Brand (svp, GR), der lange als Kronfavorit aus der vernachlässigten Ostschweiz gegolten hatte, lagen damit praktisch bei Null. Es wurden zwar Szenarien für einen Sprengkandidaten aus der Reihe der SVP diskutiert und linke Stimmen kritisierten die Ausschlussregel als Erpressungsversuch, dem man sich nicht beugen werde. Mögliche Sprengkandidaten gaben allerdings rasch bekannt, eine allfällige Wahl nicht annehmen zu wollen.
Die SVP wurde nicht müde zu betonen, dass man mit dem sprachregional ausgewogenen Dreierticket eine echte Auswahl anbiete. Man sei der Forderung der SP und der CVP nachgekommen, einen Kandidierenden aus der Westschweiz aufzustellen und wolle als grösste Partei auch in der Regierung zwei Landesteile repräsentieren. Die Auswahl sorgte allerdings auch für Misstöne. Mit der Nominierung von Norman Gobbi (TI, lega) und Guy Parmelin (svp, VD) – der eine laut Presse bekannt für seine verbalen Entgleisungen, der andere ein politisches Leichtgewicht – wolle die SVP dem Parlament den Deutschschweizer Kandidaten Thomas Aeschi (svp, ZG) aufzwingen. Die Romandie wäre mit drei Sitzen deutlich übervertreten und Gobbi sei Vertreter der Lega. Dies sei keine echte Auswahl und der schweizerischen Konkordanz unwürdig – liess sich etwa Eric Nussbaumer (sp, BL) zitieren. Auch die NZZ kommentierte die Dreier-Nomination als Auswahl, die keine sei. In den Medien galt vorab der Zuger Thomas Aeschi als Kronfavorit. Er vertrete den neuen Stil der SVP, sei jung und ein Vertreter Blocher'scher Prägung – so etwa der TA. Die SVP wurde freilich nicht müde zu betonen, dass sie gerne Regierungsmitglieder aus unterschiedlichen Sprachregionen hätte.
Die Stimmen – auch aus der SVP – , die gerne eine breitere Auswahl aus der Deutschschweiz gehabt hätten, verstummten allerdings nicht. Es gebe durchaus Spielraum für einen (SVP-internen) Sprengkandidaten, zitierte das SGT Vertreter von SP und CVP. Immerhin war in den letzten 100 Jahren jeder fünfte gewählte Bundesrat wild, also nicht von der eigenen Partei nominiert worden. Freilich hatte die Volkspartei alle ursprünglich elf SVP-Kandidaten dazu bewegt, schriftlich zu bestätigen, eine Wahl als Sprengkandidat nicht anzunehmen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2015 – Nachfolge Eveline Widmer-Schlumpf
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008