Mit dem Rücktritt der SP-Bundesrätin Calmy-Rey veränderte sich die Ausgangslage für die Bundesratserneuerungswahlen im Dezember nur unwesentlich, da sich die Diskussionen insbesondere um die Nichtbestätigung von Eveline Widmer-Schlumpf oder allenfalls einer der beiden FDP-Bundesräte drehte. Die SVP pochte zwar auf einen zweiten Sitz und drohte auch der SP mit einem Angriff, falls diese die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf unterstütze. Eine Sanktionierung der SP wurde aber insgesamt als wenig wahrscheinlich betrachtet. Als realistischere Szenarien wurden – neben dem Status Quo – in den Medien die Ersetzung von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf oder von einem der beiden FDP-Bundesräte durch einen zweiten SVP-Sitz erwogen. Johann Schneider-Ammann musste in der Presse viel Kritik an seiner Amtsführung einstecken und der Sitz von Didier Burkhalter wurde als wacklig betrachtet, weil mit Jean-François Rime ein SVP-Sprengkandidat aus der Romandie antrat, der schon früh seine Ambitionen angemeldet hatte. Der geplante und lange vorher angekündigte Angriff der SVP, aber auch die zunehmende Personalisierung der medialen Politikberichterstattung brachten es mit sich, dass die Erneuerungswahlen in den Medien zum Grossereignis stilisiert wurden.

Zur Debatte stand insbesondere die Konkordanz. Der Begriff wird in der Politikwissenschaft zur Bezeichnung eines Demokratiesystems verwendet, in dem die wichtigsten Kräfte in die Regierungsverantwortung eingebunden werden und Entscheide eher konsensorientiert als mittels Mehrheit gefällt werden. Die Parteien zeigten sich jedoch hinsichtlich der Deutung des Begriffs wenig konsensual. Je nachdem wurde mit arithmetischer oder inhaltlicher Logik argumentiert, wobei die Wählerstärke, die Fraktionsstärke oder programmatische Ähnlichkeit als Grundlage gewählt wurden.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008