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Jahresrückblick 2021: Verbände

2021 wurde die Verbandslandschaft in der Schweiz wie schon im Vorjahr wesentlich durch das Coronavirus und die Massnahmen zu dessen Bekämpfung geprägt. So versuchten die Dachverbände der Arbeitgebenden und der Gewerkschaften wie auch zahlreiche Branchenverbände wiederholt mit Positionsbezügen auf die Pandemiepolitik der Behörden Einfluss zu nehmen. Während in der Unterstützung für Hilfsgelder und Kurzarbeit im Grossen und Ganzen Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Verbänden der Arbeitgebenden aus verschiedenen Branchen herrschte, traten bei anderen Massnahmen deutliche Interessengegensätze zutage. Besonders stark profilierte sich in der Öffentlichkeit GastroSuisse mit seinem Präsidenten Casimir Platzer, der sich im Frühjahr immer wieder mit markigen Worten gegen die Schliessung der Innenräume von Gastbetrieben und im Herbst gegen die Zertifikatspflicht in Restaurants äusserte. Diese Forderungen brachten Platzer nicht nur mit manchen Gegenstimmen aus den eigenen Reihen in Konflikt, sondern auch mit Economiesuisse und dem Schweizer Arbeitgeberverband (SAV): Die beiden Dachverbände befürworteten die Zertifikatspflicht, forderten aber vom Bundesrat verbindliche Aussagen darüber, ab welchen Impfquoten er welche Lockerungsschritte ausrufen werde. Der Gewerbeverband (SGV) gab wie der SAV und Economiesuisse bei beiden Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz die Ja-Parole heraus, markierte aber ansonsten grössere Distanz zu den Massnahmen des Bundes.
Auch die Gewerkschafts-Dachverbände SGB und Travail.Suisse unterstützten die beiden Covid-Vorlagen. Darüber hinaus wiesen die Gewerkschaften immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Kurzarbeit, des Erwerbsersatzes und der Unterstützungsgelder für betroffene Unternehmen hin, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begrenzen. Mit der Argumentation, dass ein vorsichtiger Weg letztlich schneller aus der Krise führe, mahnten SGB und Travail.Suisse bei Diskussionen über Massnahmenlockerungen meist zu behutsamen Schritten. Zu ihren Hauptforderungen zählten im Weiteren die Umsetzung und Kontrolle von Schutzkonzepten am Arbeitsplatz sowie die Sicherstellung der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden auch im Homeoffice.

Eine strikte oder sogar absolute Beachtung individueller Freiheitsrechte und ein verhältnismässiges Vorgehen des Staats gehörten zu den Hauptforderungen mehrerer politischer Gruppierungen, die im Zuge der Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen entstanden und in der öffentlichen Debatte teilweise starke Beachtung fanden. Zu den prominentesten dieser neuen Organisationen zählten die «Freunde der Verfassung», die im Herbst 2021 bereits über 12'000 Mitglieder zählten und die gleich bei mehreren Referenden und Initiativen eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln von Unterschriften an den Tag legten. Weitere Organisationen, die sich zu Sprachrohren der Covid-Protestbewegung entwickelten, waren die an die jüngere Generation gerichtete Gruppierung «Mass-voll!», das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die «Freiheitstrychler». Auch wenn es zwischen diesen Organisationen bisweilen Differenzen über Inhalte und Stil gab, waren sie in ihrer Opposition gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision geeint; sie unterlagen indessen in beiden Volksabstimmungen klar.

Aber auch unabhängig von der Pandemie machten Verbände und Organisationen im Jahr 2021 von sich reden, so beispielsweise die Operation Libero, die sich gleich zu Beginn des Jahres mit einem medienwirksamen Crowdfunding erfolgreich aus einem Engpass bei der Finanzierung ihrer Fixkosten befreite, im Oktober mit Sanija Ameti eine profilierte neue Co-Präsidentin präsentierte und kurz darauf zusammen mit den Grünen eine Volksinitiative für eine engere Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU ankündigte.

Eher gegen den eigenen Willen geriet im Herbst die Gewerkschaft Unia in die Schlagzeilen, weil der beträchtliche Umfang ihres Vermögens bekannt wurde. Die Unia musste sich in der Folge gegen verschiedene Kritikpunkte verteidigen. Die Diskussion befeuerte aber auch übergeordnete Debatten, die bereits davor am Laufen gewesen waren, namentlich jene um eine angemessene Transparenz in der Politikfinanzierung und jene um eine korrekte Abgeltung der Sozialpartner für ihre quasistaatlichen Aufgaben bei der Kontrolle der Einhaltung allgemeinverbindlicher Gesamtarbeitsverträge.

Auf der Seite der Arbeitgeber-Dachverbände bekannten sich Economiesuisse, der SGV und der SAV 2021 zum Ziel, in Zukunft eine stärkere und harmonischere Zusammenarbeit zugunsten der gemeinsamen Interessen zu pflegen. Das Bekenntnis ist als Neuanlauf zu werten, nachdem in den Vorjahren – etwa vor der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative Ende 2020 – beträchtliche Spannungen zwischen SGV und Economiesuisse zutage getreten waren und sich die Wirtschaftsverbände bei verschiedenen Volksabstimmungen nur mit Mühe oder gar nicht hatten durchsetzen können. Dasselbe war im Jahr 2021 namentlich bei den Abstimmungen über das Freihandelsabkommen mit Indonesien und das E-ID-Gesetz der Fall.

Auch andere Verbände engagierten sich mit wechselndem Erfolg in Abstimmungskämpfen. So konnte etwa der Bauernverband nach einer von ihm angeführten Kampagne, die zu einer aussergewöhnlich starken Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung beitrug, im Juni die Ablehnung der Trinkwasserinitiative und der Pestizidinitiative feiern. Intern gespalten war bei der Parolenfassung zur Trinkwasserinitiative der Interessenverband der biologischen Landwirtschaft BioSuisse, eine Mehrheit seiner Delegierten entschied sich schliesslich für eine Nein-Empfehlung; die Pestizidinitiative wurde von BioSuisse hingegen unterstützt. Bei der Ablehnung des CO2-Gesetzes gehörten Verbände des Autogewerbes und der Erdölindustrie, der Hauseigentümerverband und GastroSuisse zu den Siegern. Die Gewerkschaften wiederum konnten mit der Ablehnung des E-ID-Gesetzes und der Annahme der vom Berufsverband der Pflegefachleute (SBK) lancierten Pflegeinitiative Erfolge feiern; dies ist umso bemerkenswerter, als davor noch nie in der Schweizer Abstimmungsgeschichte eine gewerkschaftlich initiierte Volksinitiative an der Urne angenommen worden war. Auf ähnlich erfolgreiche Kampagnen in der Zukunft hoffen nebst der Operation Libero mit der oben erwähnten Europainitiative auch GastroSuisse mit seiner im März angekündigten Volksinitiative für «gerechte Entschädigungen» in künftigen Pandemiefällen sowie die GSoA mit ihrer Volksinitiative «Stopp F-35», welche die vom Bund geplante Beschaffung von Kampfflugzeugen des Typs F-35 unterbinden soll und für die 2021 bereits die Unterschriftensammlung begann.

Der Anteil der Verbände an der Presseberichterstattung bewegte sich 2021 auf ähnlichem Niveau wie in den beiden Vorjahren (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Im Jahresverlauf nahmen Verbände zwischen September und November am meisten Raum ein (vgl. Abbildung 1). Dies hatte zum einen mit der Berichterstattung zum Unia-Vermögen und zum SBK als Initiant der Pflegeinitiative zu tun. Noch mehr trug die Kategorie «Andere Verbände» bei, von denen neben der Operation Libero und GastroSuisse vor allem Gruppierungen der Klimabewegung – unter anderem mit Protestaktionen von Extinction Rebellion und einer Klage der Klimaseniorinnen – in der Presse von sich reden machten.

Jahresrückblick 2021: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2021

In der Vernehmlassung wurde die Stossrichtung des Bundesgesetzes über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBG) mehrheitlich begrüsst. 26 von 70 eingegangenen Stellungnahmen stimmten der Vorlage im Grundsatz zu, weitere 21 unterstützten die Vorlage teilweise. Demgegenüber lehnten 23 Stellungnahmen den Vorentwurf grundsätzlich ab. Kritisiert wurde vor allem der Vorschlag, dass das Original einer öffentlichen Urkunde künftig grundsätzlich elektronisch erstellt werden muss. Stattdessen wünschten sich viele Vernehmlassungsteilnehmende, dass das Original wahlweise elektronisch oder in Papierform erstellt werden kann. Gegenstand von Kritik war auch das vorgesehene zentrale Urkundenregister, das einige Teilnehmende als unnötigen Eingriff in die Kompetenz der Kantone ansahen. Weiter wurden in Bezug auf das Register Fragen zum konkreten Inhalt, zum Datenschutz, zum Verfahren, zu den Zugriffsrechten und zur technischen Umsetzung des Registers aufgeworfen. Die Mehrheit der Stellungnehmenden beurteilte die Schaffung eines solchen Registers jedoch als sinnvoll.
Der Bundesrat begegnete dieser Kritik, indem er einige Änderungen am Entwurf vornahm, bevor er ihn im Dezember 2021 dem Parlament unterbreitete. So sah er nun nur noch die Möglichkeit zur Erstellung von elektronischen Originalurkunden vor und verzichtete auf das Obligatorium zur Erstellung der Originale in elektronischer Form. Damit einhergehend soll es Urkundspersonen freigestellt werden, ob sie die Dienstleistung der elektronischen Ausfertigung und Beglaubigung anbieten oder nicht. Weiter nahm der Bundesrat eine Regelung der Zugriffsberechtigungen auf das elektronische Urkundenregister in den Entwurf auf und ergänzte eine Bestimmung über die Vereinheitlichung digitaler Prozesse zwischen Urkundspersonen und Registerämtern. Neben anderen Präzisierungen änderte er auf Anregungen aus der Vernehmlassung hin den Titel des Gesetzes zu «Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat (DNG)». Damit gelange stärker zum Ausdruck, dass das Gesetz nicht nur die elektronische Form von Urkunden betreffe, sondern etwa auch deren Aufbewahrung, erklärte er in der Botschaft.

Notariatsdigitalisierungsgesetz (BRG 21.083)

Wie bereits seine Kommission wies auch der Ständerat in der Wintersession 2021 ein zwiespältiges Verhältnis zur Freiburger Standesinitiative für eine Integration des Freiburger Modells der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen in die OKP auf. Eine aus der Freiburger Ständerätin Johanna Gapany (fdp, FR) bestehende Minderheit hatte Folgegeben beantragt, wobei die Minderheitensprecherin im Rahmen der Ratsdebatte insbesondere die positiven Folgen der Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Heimen, Pflegeheimen sowie Ärztinnen und Ärzten im eigenen Kanton betonte. Diese ermögliche eine Reduktion der Medikamentenverschwendung und somit auch der Medikamentenkosten. Dieses Projekt habe sich zwischen 2002 und 2018 bewährt und Kosteneinsparungen von 23 Prozent mit sich gebracht, sei nun aber aufgrund der Änderung der Regelungen zum Risikoausgleich blockiert. Auch Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) lehnte das Modell nicht prinzipiell ab, sondern erklärte, dass es die SGK-SR in eine breite Auslegeordnung aufnehmen und dort insbesondere klären möchte, ob das Modell nicht bereits im geltenden Recht verwendet werden könne. Folglich sei die Standesinitiative nicht nötig, weshalb dieser keine Folge gegeben werden solle. Mit 19 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) folgte der Ständerat dem Antrag der Kommissionsmehrheit und verzichtete auf Folgegeben.

Freiburger Modell der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen (Kt.Iv. 20.332)

Der Nationalrat beschäftigte sich in der Wintersession 2021 mit der Änderung des Entsendegesetzes. Die WAK-NR beantragte knapp, mit 12 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung), wie bereits der Ständerat nicht auf den Entwurf einzutreten, wie Kommissionssprecher Michaël Buffat (svp, VD) und Kommissionssprecherin Petra Gössi (fdp, SZ) am Anfang der Debatte ausführten. In den Augen der knappen Kommissionsmehrheit sollten die Kantone selbst sicherstellen, dass ihre kantonalen Mindestlöhne für alle Arbeitnehmenden auf dem Kantonsgebiet gelten, wie es beispielsweise der Kanton Jura tut – ein Argument, das auch von der WAK-SR und dem Ständerat eingebracht worden war. Somit liege ohne Regelung auf Bundesebene keine rechtliche Unsicherheit vor, die Kantone seien in der Lage, «die Frage [eigenständig] zu lösen». Daniela Schneeberger (fdp, BL) ergänzte, dass die entsprechende Änderung des EntsG zu einer Ungleichbehandlung zwischen schweizerischen Unternehmen und Unternehmen aus den EU/EFTA-Staaten führen würde, da «nur die ausländischen Arbeitnehmenden aufgrund des Entsendegesetzes sanktioniert werden könnten».
Minderheitssprecher Fabio Regazzi (mitte, TI) argumentierte hingegen, dass die Kantone selber das Problem nicht lösen könnten – entgegen den Aussagen der Kommissionsmehrheit. So müssten Arbeitgebende mit Sitz im Ausland gemäss EntsG nur in der Schweiz geltende Lohnbedingungen einhalten, «sofern diese in Bundesgesetzen, in Verordnungen des Bundesrates oder in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen geregelt sind». Folglich würde die Ergänzung des EntsG um solche kantonalen Rechtsgrundlagen eine Garantie gegen allfällige Beschwerden darstellen – und Rechtssicherheit und Transparenz gewährleisten, wie Bundesrat Guy Parmelin ergänzte. Zudem habe sich die Mehrheit der Kantone in der Vernehmlassung für den Entwurf ausgesprochen.
Nach einer langen Debatte setzten sich der Bundesrat und die Minderheit durch: Der Nationalrat sprach sich mit 104 zu 86 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) für Eintreten aus. Für Eintreten sprachen sich die Fraktionen der SP, der Mitte und der Grünen aus.

Révision partielle de la loi sur les travailleurs détachés (MCF 21.032)
Dossier: Vorschläge zur Änderung des Entsendegesetzes (EntsG)

Ende April 2021 lagen die Vorschläge für eine Teilrevision der Verordnung über die politischen Rechte (VPR) sowie für eine Totalrevision der Verordnung der Bundeskanzlei über die elektronische Stimmabgabe (VEIeS) vor und der Bundesrat eröffnete die Vernehmlassung dazu, um bald eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting starten zu können. Die Vorlagen sehen vor, dass die Kantone nach wie vor selber entscheiden können, ob und mit welchem System sie E-Voting-Versuche durchführen möchten. Der Bund bleibt verantwortlich für den rechtlichen Rahmen und die Bewilligungen der Systeme und Versuche. Pro Kanton dürfen maximal 30 Prozent und schweizweit höchstens 10 Prozent der Stimmberechtigten die digitale Stimmabgabe nutzen, von der zudem vor allem Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie Stimmberechtigte mit Behinderung profitieren sollen. Die revidierten Verordnungen regeln überdies, auf welche Weise die E-Voting-Systeme laufend überprüft werden sollen. Dabei werden unabhängige Expertinnen und Experten, aber auch Hackerinnen und Hacker im Rahmen von «Bug-Bounty-Programmen» die Systeme laufend auf Mängel überprüfen.

Die Antworten der Vernehmlassung mussten bis Mitte August 2021 eingereicht werden und Anfang Dezember 2021 lag der entsprechende Ergebnisbericht mit insgesamt 67 Stellungnahmen vor. Die grosse Mehrheit von 48 Stellungnehmenden unterstützte die Vorlagen mit kleinen Anpassungsvorschlägen; darunter 21 Kantone, die FDP, die Mitte, zahlreiche Behindertenorganisationen, der Gemeindeverband und die Auslandschweizerorganisation. Grundlegende Vorbehalte äusserten elf Vernehmlassungsteilnehmende; darunter die Kantone Freiburg, Neuenburg und Wallis, unter den Parteien die SP und die EDU und bei den Organisationen unter anderem die Economiesuisse. Die Vorbehalte betrafen den Umstand, dass momentan lediglich das System der Post bestehe, was den Kantonen kaum Handlungsspielraum gewähre. Der Bund müsse hier mehr Verantwortung übernehmen, forderten etwa die Kantone Freiburg und Wallis, die zusammen mit Neuenburg auch eine finanzielle Unterstützung durch den Bund für die Umsetzung der Versuche forderten. Auch die SP verlangte eine staatliche Lösung und prioritäre Zugänge für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Gänzlich und ausschliesslich auf Letztere wollte die EDU E-Voting beschränken. Economiesuisse forderte vor einem Neustart eine umfassende öffentliche Diskussion über Chancen und Risiken von E-Voting, um zuerst der herrschenden Skepsis in der Bevölkerung zu begegnen und entsprechend Vertrauen zu schaffen. Auf mehrheitliche Ablehnung stiessen die Vorschläge bei acht Vernehmlasserinnen und Vernehmlassern: beim Kanton Schwyz, den Grünen, der SVP und der Piratenpartei und unter den Organisationen unter anderem beim Verein «E-Voting Moratorium», der 2019 eine Initiative für ein solches Moratorium lanciert hatte, die allerdings 2020 an der Unterschriftenhürde gescheitert war. Der Kanton Schwyz befürchtete, dass Manipulationen nie ausgeschlossen werden könnten und vor allem kleine Kantone finanziell an ihre Grenzen kommen würden. Die drei Parteien und der Verein «E-Voting-Moratorium» betonten die Bedeutung des Vertrauens der Stimmberechtigten bei Wahlen und Abstimmungen, das aufgrund von nie wirklich behebbaren Sicherheitsproblemen unnötig aufs Spiel gesetzt würde. Sie forderten zudem tiefere maximale Teilnehmendenzahlen für die Zulassung von E-Voting. Die Grünen und die Piratenpartei kritisieren überdies, dass andere Digitalisierungsprojekte (z.B. E-Collecting oder elektronische Vernehmlassungen) aufgrund der starken Konzentration auf E-Voting unnötig gebremst würden. Ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet hatten unter anderem der Kanton Jura und der Arbeitgeberverband.

Mitte Dezember 2021 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis. Die Vorlagen sollen finalisiert werden, wobei die Regierung eine finanzielle Beteiligung des Bundes als sinnvoll erachtete. Als wichtig bezeichnete der Bundesrat in seiner Medienmitteilung auch die Idee der Entwicklung eines Systems aus öffentlicher Hand und die Vermeidung einer einseitigen Priorisierung von E-Voting bei Digitalisierungsprojekten. Er wolle diese Punkte längerfristig weiterverfolgen.

Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting
Dossier: Vote électronique

Im November 2021 reichte der Bundesrat seine Botschaft für eine Flexibilisierung der Besteuerung von Leibrenten ein und setzte damit eine Motion der FDP.Liberalen-Fraktion um. Leibrenten sind private Versicherungsprodukte, die – ähnlich wie die Rente der AHV oder der Pensionskasse – jährlich ausbezahlt werden, selbst dann noch, wenn der einbezahlte Betrag aufgebraucht ist. Sie stellen demnach eine Absicherung des Langleberisikos dar. Heute wird bei Leibrenten «ein Anteil von 40 Prozent als pauschaler Ertragsanteil besteuert», was gemäss Bundesrat jedoch im aktuellen Zinsumfeld ein zu hoher Anteil sei. Zukünftig soll der steuerbare Ertragsanteil der Leibrenten von den Anlagebedingungen abhängig gemacht werden. Unterschieden wird dabei zwischen Leibrentenversicherungen und obligationenrechtlichen Leibrenten. Bei Ersteren wird der Ertragsanteil in Abhängigkeit des Höchstzinssatzes der FINMA berechnet, während eine angemessene Besteuerung durch die 70-prozentige Versteuerung von allfälligen Überschussleistungen, also «versicherungsvertraglichen Leistungen, die nicht auf die garantierte technische Verzinsung zurückzuführen sind», gesichert werden soll. Da die obligationenrechtlichen Leibrenten und Verpfründungen nicht über Überschussleistungen verfügen, soll ihr steuerbarer Ertragsanteil als Anteil der Durchschnittsrendite zehnjähriger Bundesobligationen berechnet werden. Die steuerlichen Mehr- oder Mindereinnahmen seien damit von den Anlagebedingungen abhängig, erklärte der Bundesrat, wobei im Jahr 2019 CHF 45 Mio. an Mindereinnahmen, mehrheitlich bei den Kantonen, angefallen wären.
Der Bundesrat hatte seinen Entwurf zuvor in die Vernehmlassung geschickt, bei der 47 Stellungnahmen eingingen. Eine grosse Mehrheit der Stellungnehmenden – mit Ausnahme der SP, des SGB und des Kantons Basel-Landschaft – habe sich gemäss Ergebnisbericht für die Reform ausgesprochen, alle Vernehmlassungsteilnehmenden anerkannten zudem den Handlungsbedarf. SP und SGB sprachen sich aufgrund der «Verteilungswirkung, der finanziellen Ausfälle und des dringenderen Handlungsbedarfs bei der AHV und der 2. Säule» gegen die Vorlage aus, der Kanton Basel-Landschaft erachtete die Formel zur Berechnung des Ertragsanteils bei der Versicherungslösung als «zu kompliziert und nicht vollzugstauglich».

Flexibilisierung der Besteuerung von Leibrenten (BRG 21.077)

Im November 2021 gab der Bundesrat den Vorentwurf zur Teilrevision des Kartellgesetzes (2022) in die Vernehmlassung. Nach dem Scheitern der letzten umfassenden Teilrevision des Kartellgesetzes im Jahre 2014 – welche vor allem an der geplanten umfassenden Institutionenreform sowie an der Ausgestaltung der Bekämpfung unzulässiger Wettbewerbsabreden gescheitert war – wollte der Bundesrat mit der vorliegenden Vorlage als Kernelement die Zusammenschlusskontrolle modernisieren und dem internationalen Standard (SIEC-Test) anpassen. Letzterer würde alle Zusammenschlüsse von Firmen, welche den Wettbewerb erheblich einschränken, erfassen – und nicht nur jene Zusammenschlüsse mit einer marktbeherrschenden Wirkung, wie dies der bisher angewandte qualifizierte Marktbeherrschungstest zeigte. Weitere Bestandteile der Revision bildeten einige Anpassungen im Kartellzivilrecht und im Widerspruchsverfahren. Diese zwei Elemente seien in der gescheiterten Revision vom Parlament kaum diskutiert worden und würden die Wirksamkeit und die Umsetzung des Kartellgesetzes verbessern, erklärte der Bundesrat in seinem erläuternden Bericht. Ein angepasstes Kartellzivilrecht würde dazu führen, dass zivilrechtliche Klageerhebungen attraktiver würden und betroffene Endkundinnen und -kunden bei unzulässigen Wettbewerbseinschränkungen eher von Verwaltungsverfahren absehen würden, die keine Möglichkeiten für die Geltendmachung finanzieller Ansprüche böten. Das bestehende Widerspruchsverfahren, wonach Unternehmen ihre geplanten Verhaltensweisen auf kartellrechtliche Konsequenzen prüfen lassen können, soll in der Ausgestaltung verbessert werden. Die Vorlage beinhaltete zudem Umsetzungsvorschläge zu zwei angenommenen Motionen Français (fdp, VD; Mo. 18.4282) und Fournier (cvp, VS; Mo. 16.4094). Die Motion Français forderte die zusätzliche Anerkennung von quantitativen Kriterien bei der Prüfung der Unzulässigkeit von Abreden zwischen Konkurrenten. Die Motion Fournier verlangte die Aufnahme von gesetzlichen Fristen für kartellrechtliche Prozesse und eine gesetzliche Entschädigung der Parteien für die Kosten der Verwaltungsverfahren. Die Vernehmlassung dauert bis Mitte März 2022.

Teilrevision des Kartellgesetzes [2022] (BRG 23.047)
Dossier: Revision Kartellrecht
Dossier: Kartellgesetz

Eine Integration des Freiburger Modells der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen in die OKP forderte der Kanton Freiburg im Jahr 2020 mit einer Standesinitiative. Die 2002 zwischen den Tarifpartnern ausgehandelte Tarifvereinbarung zur Abgeltung der Arzneimittel und des MiGeL-Materials in den freiburgischen Pflegeheimen beinhalte pauschale Vergütungen, ein Pflichtenheft für die verantwortlichen Apothekerinnen und Apotheker sowie eine Monitoring-Stelle, erläuterte der Kanton. So werden gemäss dem Freiburger Modell jeweils Grosspackungen an Medikamenten gekauft und pauschal an alle Heimbewohnerinnen und -bewohner abgerechnet, unabhängig von der individuell benötigten Menge des Medikaments. Durch die «aktive[...] berufsübergreifende[...] Zusammenarbeit bei der Medikation der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner» könnten die medizinisch-therapeutische Betreuung sowie die Kosten optimiert werden – damit seien bisher jährlich CHF 3 Mio. eingespart worden –, warb der Kanton für sein System. Seit der Revision der Regelungen zum Risikoausgleich (VORA) von 2018 – mit dem ein finanzieller Ausgleich zwischen Krankenversicherungen mit unterschiedlicher Risikostruktur geschaffen wird – werde jedoch die Verwendung von Pauschalbeträgen erschwert und sei von der Zustimmung der Versicherungen abhängig. Zwar habe man die für die Weiterverwendung von Pauschalbeträgen nötigen Voraussetzungen geschaffen, dennoch hätten die Versicherungen und das EDI das Modell abgelehnt. Entsprechend verlangte der Kanton den Erlass der nötigen Gesetzesbestimmungen, um sein System auch zukünftig betreiben zu können.
Im November 2021 beschäftigte sich die SGK-SR mit der Standesinitiative und zeigte sich zwar am Freiburger Modell interessiert, beantragte aber aufgrund von Zweifeln an der Kompatibilität mit dem Risikoausgleich mit 9 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), der Standesinitiative keine Folge zu geben. Jedoch sollte die Verwaltung eine modifizierte, mit VORA kompatible Variante präsentieren.

Freiburger Modell der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen (Kt.Iv. 20.332)

Daniela Schneeberger (fdp, BL) verlangte in einer parlamentarischen Initiative, dass Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen zukünftig auch Leistungen zur Prävention ausrichten können sollen. Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen sind gemäss ZGB Per­so­nal­für­sor­ge­ein­rich­tun­gen in Stiftungsform und dienen der sozialen Vorsorge der Arbeitnehmenden. Während aber ihr Zweck bisher vor allem auf Personen in Notlagen abzielte, sollen sie zukünftig auch «Leistungen zur Prävention bei Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit» ausrichten können, wie etwa die «Mandatierung einer externen Anlaufstelle für Mitarbeitende mit finanziellen oder psychischen Problemen» oder auch die Unterstützung der Arbeitnehmenden bei der Kinderbetreuung. Zwar seien Präventionszwecke eigentlich bereits jetzt eingeschlossen, da dies jedoch «immer wieder zu Diskussionen mit den Behörden» führe, sollen sie jetzt ausdrücklich genannt werden, argumentierte die Initiantin.
Mit 19 zu 4 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gab die SGK-NR der Initiative im Januar 2021 Folge, im November 2021 stimmte ihr die SGK-SR stillschweigend zu. Somit wird die nationalrätliche Kommission einen Entwurf ausarbeiten.

Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen (Pa.Iv. 19.456)

Mit 15 zu 9 Stimmen verabschiedete die UREK-NR im Oktober 2021 einen Vorentwurf zur Änderung der Lex Koller, wie sie eine von beiden Kommissionen gutgeheissene parlamentarische Initiative Badran (sp, ZH) forderte. Damit soll das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland dahingehend angepasst werden, dass wichtige energiewirtschaftliche Infrastrukturen vor ausländischer Kontrolle geschützt werden und nur noch unter eng gefassten Bedingungen veräussert werden dürfen. Unter «strategische Infrastrukturen der Energiewirtschaft» summierte die Kommission Wasserkraftwerke, gewisse Rohrleitungen, das Stromnetz sowie die Kernkraftwerke. Nach Meinung der Kommissionsmehrheit bestehe ein fundamentales öffentliches Interesse, dass solche Anlagen, die für das Funktionieren des Landes essenziell sind und oft durch Staatsmittel finanziell gestützt werden, nicht in ausländische Hände geraten. Eine Minderheit Jauslin (fdp, AG) erkannte in der Massnahme hingegen einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und warnte vor Umgehungsmöglichkeiten. Die Vernehmlassung zum Vorentwurf läuft bis Mitte Februar 2022.

Verkaufseinschränkung von Energieinfrastrukturanlagen an ausländische Investoren (Pa.Iv. 16.498)
Dossier: Lex Koller
Dossier: Ausländische Investitionen in Schweizer Unternehmen
Dossier: Energie - Versorgungssicherheit
Dossier: Schutz kritischer Infrastrukturen
Dossier: Too-big-to-fail in der Energiebranche

In Erfüllung einer Motion Dobler (fdp, SG; Mo. 17.3067) eröffnete der Bundesrat Ende Oktober 2021 die Vernehmlassung zu seinem Vorentwurf zu einer Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes, mit der er Personen ohne Schweizer Pass aber mit Schweizer Hochschulabschluss (Master oder Doktorat) den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern will. Dadurch, dass diese Personengruppe zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Bereichen mit «ausgewiesenem Fachkräftemangel» von geltenden Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen ausgenommen werden, soll besagter Fachkräftemangel abgeschwächt werden. Die Vernehmlassung dauert bis Februar 2022.

Erleichterte Zulassung zum Arbeitsmarkt für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss (BRG 22.067)
Dossier: Zulassung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss

Mit der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» in der Volksabstimmung vom 7. März 2021 wurde die Bundesverfassung um den neuen Artikel 10a ergänzt, der die Verhüllung des eigenen Gesichts in der Öffentlichkeit verbietet. Zur Umsetzung des Gesichtsverhüllungsverbots gab der Bundesrat im Oktober 2021 eine Änderung des Strafgesetzbuches in die Vernehmlassung. Der vorgesehene Artikel 332a StGB stellt die Gesichtsverhüllung an allen öffentlich zugänglichen Orten unter Strafe. Widerhandlungen sollen mit Busse geahndet werden. Wie in der Verfassung festgeschrieben, bleibt die Verhüllung in Sakralstätten sowie aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums weiterhin erlaubt. Zusätzlich schlug der Bundesrat zwei weitere Ausnahmen vor: Sofern sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht beeinträchtigen, sollen Gesichtsverhüllungen im öffentlichen Raum auch zur Ausübung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit sowie für Auftritte zu Kunst-, Unterhaltungs- oder Werbezwecken erlaubt sein. «Demonstrieren in Kuhmaske erlaubt, Schal zu kurzen Hosen nicht», fasste der Tages-Anzeiger das Vorhaben des Bundesrats lapidar zusammen. Die Vernehmlassung läuft bis Anfang Februar 2022.

Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot (BRG 22.065)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Nachdem der Nationalrat in der Sondersession vom Mai 2021 den Vorschlag der SPK-NR zur Änderung des Asylgesetzes (AsylG) unverändert angenommen hatte, befasste sich in der Herbstsession 2021 der Ständerat mit dem Geschäft. Die Anpassung hatte zum Ziel, dass das SEM zur Feststellung der Identität von Asylsuchenden künftig auch deren mobile Datenträger nutzen darf, falls die Identität nicht anders festgestellt werden kann. Als Sprecher der vorberatenden SPK-SR erläuterte Marco Chiesa (svp, TI), dass die Identität bei 70 bis 80 Prozent der Asylsuchenden in der Schweiz nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne. Die Kommission anerkenne zwar das Recht auf Asyl, doch um die Fairness im Asylprozess zu bewahren, empfinde sie es als wichtig, durch die Identifizierung der betroffenen Person herauszufinden, ob Schutzbedarf bestehe oder nicht. Ausserdem habe ein Pilotprojekt des SEM vom November 2017 bis Mai 2018 den Nutzen dieser Massnahme bestätigt. Eine Minderheit um Hans Stöckli (sp, BE) wollte nicht auf die Vorlage eintreten. Gestützt auf Erfahrungen aus Deutschland bezweifelte der Berner die Wirksamkeit der Massnahme – wie es im Übrigen auch der EDÖB tue. Zudem sei es höchst problematisch, dass im Asylverfahren – im Gegensatz zum Strafverfahren – für die Einforderung der mobilen Datenträger keine richterliche Anordnung vorgesehen sei. Darüber hinaus könnte die Weigerung, das Handy abzugeben, den betroffenen Personen zu deren Nachteil als Missachtung der Mitwirkungspflicht ausgelegt werden. Abschliessend kritisierte Stöckli den seiner Ansicht nach mangelhaften Datenschutz. Justizministerin Karin Keller-Sutter äusserte sich bezüglich der Zweifel über die Wirksamkeit der Massnahme verständnisvoll, entgegnete aber, dass der Bundesrat dem Parlament aus diesem Grund drei Jahre nach Inkrafttreten einen Evaluationsbericht vorlegen müsse. Sie betonte überdies, dass die mobilen Datenträger den Asylsuchenden nicht zwangsweise abgenommen werden dürfen. In der Folge trat der Ständerat mit 28 zu 12 Stimmen auf die Vorlage ein und nahm sie in der Gesamtabstimmung unverändert mit 30 zu 12 Stimmen an.
In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 68 Stimmen an. Der Ständerat hiess ihn mit 31 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Wie schon während der Beratungen sprachen sich die Grüne und die SP-Fraktion gegen die Gesetzesänderung aus. Am 20. Januar 2022 lief die Referendumsfrist ungenutzt aus.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

Die WAK-SR teilte in ihrer Medienmitteilung vom Juli 2021 mit, dass sie mit 8 zu 3 Stimmen (1 Enthaltung) beantragte, nicht auf die Vorlage über die Änderung des Entsendegestezes einzutreten, welche der Bundesrat zur Umsetzung einer Motion Abate (fdp, TI; Mo. 18.3473) geschaffen hatte. Die Mehrheit der Kommission war der Meinung, dass die Festlegung eines Mindestlohns in der Kompetenz der Kantone – und nicht in derjenigen des Bundes – liege. Zudem sollten die Kantone selber entscheiden können, ob alle im Kanton erwerbstätigen Personen einen Mindestlohn erhalten sollen. Die Kommissionsminderheit erachtete es hingegen als nicht nachvollziehbar, wieso die Gesamt- und Normalarbeitsverträge aufgrund des Entsendegesetzes eingehalten werden müssen, nicht aber die kantonalen Mindestlöhne.

Der Ständerat befasste sich mit dem Geschäft im Rahmen der Herbstsession 2021. Neben der Zuständigkeit der Kantone nahmen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier mehrmals Bezug auf den Kanton Tessin, wo das Problem des Lohndumpings besonders akut ist. Die im Entwurf vorgeschlagenen Massnahmen würden nun die Situation im Tessin – aber auch in anderen Grenzkantonen – verbessern, warb Minderheitensprecher Paul Rechsteiner (sp, SG), unterstützt von Bundesrat Guy Parmelin (svp, VD), für Eintreten. Zudem sei die Vorlage im Vernehmlassungsverfahren von 23 Kantonen unterstützt worden. Mehrheitssprecher Hannes Germann (svp, SH) hingegen betonte erneut, dass es besser wäre, wenn die Kantone selber das Problem lösen würden. So kennen neben dem Kanton Tessin auch andere Kantone bereits Regelungen der Mindestlöhne. Damit wäre eine schweizweite Lösung gar nicht nötig. Am Ende der Debatte sprach sich der Ständerat mit 25 Stimmen zu 17 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen Eintreten aus.

Révision partielle de la loi sur les travailleurs détachés (MCF 21.032)
Dossier: Vorschläge zur Änderung des Entsendegesetzes (EntsG)

Mittels Motion forderte Maya Graf (sp, BL) den Bundesrat dazu auf, mit einer Änderung an der KLV sicherzustellen, dass Demenzkranke eine an ihre Situation angepasste Versorgung bezüglich Pflegeleistungen erhalten. In der Vergangenheit habe sich herausgestellt, dass viele Leistungen, auf welche die Betroffenen angewiesen seien, nicht in den durch die KLV definierten Bereich fielen. Zwar decke das KVG etwa das Waschen und die Nahrungseingabe durch Pflegefachpersonen ab, nicht aber «die Anleitung und Überwachung bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme», die bei an Demenz erkrankten Menschen gegebenenfalls eher nötig wäre. Weiter gehe aus der Evaluation der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 hervor, dass die Finanzierung von Pflegeleistungen im Bereich Demenz «nach wie vor» nicht garantiert sei. In der Herbstsession 2021 veranschaulichte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG), welche das Geschäft nach der Wahl Grafs in den Ständerat übernommen hatte, die Lebenssituation einer demenzkranken Frau anhand eines fiktiven Beispiels. Da diese weiterhin zuhause wohnen möchte, sei sie auf gewisse Unterstützung durch Gesundheitsfachpersonen angewiesen. Die von ihr benötigten Leistungen würden jedoch nicht von der OKP übernommen, da sie nicht in das KVG eingeschlossen sind. Gesundheitsminister Berset war hingegen der Ansicht, dass diesbezüglich bereits Einiges unternommen werde – unter anderem sei in der Zwischenzeit ein Artikel der KLV in Kraft getreten, welcher die Verbesserung der Harmonisierung und Unterscheidung zwischen Pflege- und Betreuungsleistungen betreffe. Daher empfehle der Bundesrat die Ablehnung des Geschäfts. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von diesen Worten jedoch nicht überzeugen. Mit 136 zu 46 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an, wobei 44 ablehnende Stimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

19.4194

Wie er ein Jahr zuvor angekündigt hatte, empfahl der Bundesrat die Prämien-Entlastungs-Initiative in seiner im September 2021 publizierten Botschaft zur Ablehnung und stellte ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Er wolle das Anliegen der Initiative, die «Bevölkerung bei den Prämien zu entlasten», im Rahmen des KVG umsetzen, eine Verfassungsänderung sei dafür nicht notwendig. So wolle er dafür sorgen, dass die Anteile verschiedener Kantone an der Prämienverbilligung nicht weiter sinken. Demnach soll zukünftig ein Mindestbeitrag für die Kantone in Abhängigkeit der Bruttokosten der OKP für die im Kanton Versicherten sowie in Abhängigkeit der mit den Prämienverbilligungen verbleibenden Belastung der Versicherten festgesetzt werden.
In der dazu durchgeführten Vernehmlassung mit 57 Teilnehmenden, unter anderem der GDK, der SODK, allen Kantonen, sechs Parteien sowie verschiedenen Verbänden, war der Gegenvorschlag auf geteilte Meinungen gestossen. Ihre Unterstützung sagten die Kantone Waadt und Tessin, die SP und die Grüne Partei, der Gewerkschaftsbund sowie verschiedene Konsumenten- und andere Verbände zu und auch die FDP, die Mitte, die EVP und die Versichererverbände begrüssten gemäss Botschaft den Vorentwurf. Ablehnend reagierten elf Kantone (AR, BL, GL, LU, NW, OW, SG, SZ, UR, ZG, ZH), die SVP und der Gewerbeverband. Alternativvorschläge machten die CLASS, welche die Bundesbeiträge nach deren Bedarf an die Kantone verteilen wollte, und die GDK, die alle kantonalen Beiträge an die Prämien, auch diejenigen über die Sozialhilfe oder die EL, zur Berechnung des Mindestanteils einbeziehen wollte.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Prämienverbilligung
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

In der Herbstsession 2021 behandelte der Nationalrat eine Motion zur Einführung einer «nurse to patient ratio» zur Verbesserung der Pflegequalität und zur Reduktion der Pflegekosten, die 2019 von der BDP-Fraktion eingereicht worden war. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Geschäfts, da das Verhältnis von Pflegefachkräften zur Patientenschaft durch die Komplexität der vorliegenden Krankheiten und die Strukturen der Versorgungssysteme bestimmt werde. Allerdings zeigte sich die Landesregierung bereit, im Zusammenhang mit der Beantwortung eines Postulats Marchand-Balet (cvp, VS; Po. 18.3602) die Frage bezüglich eines Personalschlüssels und der damit in Verbindung stehenden Qualität und Patientensicherheit aufzugreifen. Entgegen der bundesrätlichen Empfehlung nahm der Nationalrat die Motion jedoch mit 106 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an, wobei die Nein-Stimmen mit einer Ausnahme alle aus den Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen stammten.

Einführung einer "nurse to patient ratio" in der Pflege. Eine qualitative und wirtschaftliche Notwendigkeit (Mo. 19.4053)

Im Herbst 2019 reichte die BDP-Fraktion eine Motion ein, mit der sie den Bundesrat beauftragen wollte, die medizinischen Qualitätsindikatoren im ambulanten Pflegebereich auf die gleiche Weise zu überwachen und zu veröffentlichen wie die Indikatoren für den stationären Pflegebereich, wo dies mit den nach Artikel 59a des KVG erhobenen Daten erfolge. Diese beinhalten unter anderem Angaben zur Wirksamkeit, Angemessenheit und Sicherheit von Leistungen. Die Fraktion begründete ihren Vorstoss mit der demographischen Entwicklung, die nicht nur die Gesundheitskosten und die AHV beeinflusse, sondern auch die Pflege und die damit verbundene Patientensicherheit. Die entsprechenden Daten würden durch die Leistungserbringenden bereits erhoben. In seiner Stellungnahme gab der Bundesrat bekannt, dass bei der ambulanten Pflege zwar Handlungsbedarf bestehe, dass die zuständigen Bundesstellen die Angelegenheit jedoch bereits in Angriff genommen hätten. Deshalb spreche sich die Landesregierung gegen den Vorstoss aus. Die Motion kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat, wo sie mit 187 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) angenommen wurde.

Qualitätssicherung in der Pflege. Qualitätsindikatoren auch in der ambulanten Pflege überwachen (Mo. 19.4055)

Le Conseil fédéral a lancé la consultation au sujet de son projet de modification des zones de desserte des radios locales et des télévisions régionales. Ce projet comporte deux volets. D'une part, une adaptation du nombre de zones de desserte est prévue, en vue de l'octroi, en 2025, des nouvelles concessions du service public régional. Le nombre de zones passera de 12 à 20 pour les radios locales commerciales et de 9 à 10 pour les radios locales complémentaires sans but lucratif, alors qu'il restera de 13 pour les télévisions régionales, selon le projet mis en consultation. Pour chaque zone, une radio locale et une télévision régionale reçoivent une concession, leur donnant droit à une quote-part de la redevance si elles remplissent le mandat de service public associé à l'octroi de la concession. D'autre part, le Conseil fédéral prévoit de supprimer les concessions de radio assorties d’un mandat de prestations ne donnant pas droit à une quote-part de la redevance. Celles-ci sont actuellement octroyées aux diffuseurs commerciaux. Ainsi, deux catégories de diffuseurs subsisteront, à savoir les diffuseurs soumis à l'obligation d'annoncer et les diffuseurs titulaires d'une concession assortie d'un mandat de prestations et d'une quote-part de la redevance.
L'adaptation des zones de desserte correspond aux évolutions liées à la numérisation, selon le Conseil fédéral, avec notamment la disparition progressive du mode de diffusion FM, dont les restrictions techniques avaient déterminé le découpage des zones actuelles en 2007. Les nouvelles zones seront définies selon les territoires politiques et géographiques «dans lesquelles une desserte journalistique semble souhaitable pour des raisons sociales, culturelles et économiques».

Futures zones de desserte des radios locales et des TV régionales
Dossier: Diskussionen über die Ausschaltung von UKW

Die RK-NR liess im September 2021 in einer Medienmitteilung verlauten, dass sie die parlamentarische Initiative Egloff (svp, ZH) betreffend die Vermeidung missbräuchlicher Untermiete zusammen mit drei anderen parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 18.475; Pa.Iv. 16.458; Pa.Iv. 16.459) in insgesamt drei Erlassentwürfen umsetzen wolle. Konkret übernahm die Kommission die Forderungen der Initiative Egloff, wonach eine Untermiete künftig nur noch mit einer schriftlichen Zustimmung der Vermieterschaft zulässig sein soll. Die Vermieterschaft solle die Untermiete zudem unter gewissen Umständen ablehnen können – insbesondere bei missbräuchlichen Bedingungen der Untermiete (z.B. einem zu hohen Untermietzins) oder bei einer vorgesehenen Untermietdauer von mehr als zwei Jahren. Die Kommission hat zu den drei Erlassentwürfen ein Vernehmlassungsverfahren gestartet.

Missbräuchliche Untermiete vermeiden (Pa.Iv. 15.455)
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Die RK-NR liess im September 2021 in einer Medienmitteilung verlauten, dass sie die parlamentarische Initiative Merlini (fdp, TI) betreffend die Kündigung eines Mietverhältnisses durch die Vermietendenseite bei Eigenbedarf zusammen mit drei anderen parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 15.455; Pa.Iv. 16.458; Pa.Iv. 16.459) in insgesamt drei Erlassentwürfen umsetzen wolle. Bisher war ein «dringlicher Eigenbedarf» der Vermieterin oder des Vermieters oder deren nahen Verwandten für eine Kündigung erforderlich gewesen. Geht es nach der Kommission soll dafür neu nur noch ein «nach objektiver Beurteilung bedeutender und aktueller Eigenbedarf» bestehen müssen, womit die Schwelle für eine Kündigung gesenkt wird.
Die Kommission hat zu den drei Erlassentwürfen ein Vernehmlassungsverfahren gestartet.

Verfahrensbeschleunigung bei Kündigung des Mietverhältnisses wegen dringendem Eigenbedarf (Pa.Iv. 18.475)

Die RK-NR liess im September 2021 in einer Medienmitteilung verlauten, dass sie die parlamentarische Initiative Vogler (csp, OW) betreffend die Formularpflicht bei gestaffelten Mietzinserhöhungen (Staffelmiete) zusammen mit drei anderen parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 15.455; Pa.Iv. 18.475; Pa.Iv. 16.459) in insgesamt drei Erlassentwürfen umsetzen wolle. Konkret will die Kommission – ganz im Sinne der Initiative –, dass neu für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen nach vorheriger Vereinbarung über eine gestaffelte Mietzinserhöhung die schriftliche Form genügt. Das heisst, die Mitteilung muss zwar weiterhin schriftlich erfolgen, aber die Formvorschriften würden gelockert, denn bisher war dafür bei jeder Erhöhung ein amtliches Formular notwendig gewesen. Die neue Regelung führt zu einer Reduktion des Verwaltungsaufwandes für die Vermieterschaft. Gleichzeitig hält die Kommission fest, dass die Lockerung der Formvorschriften mit einem gewissen Risiko für die Vermieterschaft verbunden sei, denn Formfehler könnten für die erklärende Partei einschneidende Rechtsfolgen haben.
Die Kommission hat zu den drei Erlassentwürfen ein Vernehmlassungsverfahren gestartet.

Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen (Pa.Iv. 16.458)
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Die RK-NR liess im September 2021 in einer Medienmitteilung verlauten, dass sie die parlamentarische Initiative Feller (fdp, VD) betreffend die Zulassung von auf mechanischem Wege nachgebildeten Unterschriften zusammen mit drei anderen parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 15.455; Pa.Iv. 18.475; Pa.Iv. 16.458) in insgesamt drei Erlassentwürfen umsetzen wolle. Konkret plant die Kommission, mechanisch nachgebildete Unterschriften («Faksimile») bei der Mitteilung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen durch die Vermieterschaft zuzulassen. Der Bundesrat wollte Faksimile in der Vergangenheit nur für Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten erlauben. Die RK-NR verzichtete jedoch auf derartige Einschränkungen. Faksimile sollen demnach der eigenhändigen Unterschrift bei allen einseitigen Vertragsänderungen durch die Vermieterschaft gleichgestellt werden. Damit ist der Erlassentwurf der Kommission auf der Linie der Initiative Feller. Mit der Gesetzesanpassung soll der Verwaltungsaufwand für die Vermieterschaft «erheblich vermindert» werden, so die RK-NR.
Die Kommission hat zu den drei Erlassentwürfen ein Vernehmlassungsverfahren gestartet.

Autorisation de la signature reproduite par un moyen mécanique dans le droit du bail (Pa.Iv. 16.459)
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Ende August verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung. Das geänderte Bundesgesetz über die politischen Rechte wurde per 23. Oktober 2022 in Kraft gesetzt. Die neue Regelungen basieren auf einem indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative, welche in der Folge zurückgezogen worden war. Die Revision der Verordnung sah nun zwei grundlegende Änderungen vor:
Erstmals für das Kalenderjahr 2023 müssen einerseits alle Parteien sowie alle Parteilosen, die im eidgenössischen Parlament vertreten sind, sämtliche Einnahmen melden. Zudem sind die Namen von Spenderinnen und Spendern von Beträgen über CHF 15'000 sowie alle Beiträge von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern (z.B. Parteimitglieder im Bundesrat oder in eidgenössischen Gerichten) einzeln in dieser Jahresrechnung aufzuführen. Parteilose Parlamentsmitglieder müssen ebenfalls alle Spenden ausweisen. Als Spenden gelten dabei monetäre wie auch nichtmonetäre Zuwendungen. Anonyme Zuwendungen oder Spenden aus dem Ausland dürfen nicht angenommen werden. Die Angaben sind jeweils spätestens bis Mitte des Folgejahres der EFK vorzulegen.
Andererseits wird auch mehr Transparenz bei Abstimmungs- und Wahlkampagnen geschaffen. Politische Akteure, die solche Kampagnen führen, müssen deren Finanzierung offenlegen, wenn diese mehr als CHF 50'000 beträgt. Auch in diesem Fall sind Zuwendungen von mehr als CHF 15'000 einzeln auszuweisen – auch wenn diese über die Zeit verteilt von der gleichen Urheberin oder dem gleichen Urheber stammen. 45 Tage vor einer Wahl oder einer Abstimmung müssen zudem die Kampagnenbudgets gemeldet werden. Die Schlussrechnungen müssen spätestens 60 Tage nach einem Urnengang ebenfalls bei der EFK eingereicht werden. Führen mehrere Akteure eine Kampagne gemeinsam, werden die Finanzen zusammengezählt. Erreichen diese CHF 50'000 oder mehr, gelten für die Akteure die gleichen Regeln.
Sonderregeln gelten für Ständeratswahlen. Kandidierende für die kleine Kammer müssen kein Budget vorlegen, wohl aber eine Schlussrechnung, in der Zuwendungen über CHF 15'000 ebenfalls einzeln offenzulegen sind.
Der Bundesrat machte die EFK zur verantwortlichen Prüfstelle. Sie muss die eingereichten Parteibudgets spätestens am 31. August eines Jahres im Folgejahr und die Kampagnenbudgets jeweils 15 Tage nach deren Eintreffen, also spätestens 30 Tage vor einem Urnengang, veröffentlichen. Die EFK hat dabei die Einhaltung der Fristen zu kontrollieren. Sie kann Stichproben zur Korrektheit der Angaben durchführen, wobei sie aber lediglich materielle Kontrollen vornimmt, also lediglich prüft, ob die Angaben inhaltlich korrekt und die Quellen, Zuwendungen und Beträge vermutlich vollständig sind. Bei Mängeln muss die sie eine Frist zur Nachmeldung setzen und bei Verdacht auf Verstösse Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erstatten. Sanktionen – vorgesehen sind Bussen bis zu CHF 40'000 – können lediglich von einem Gericht ausgesprochen werden.
Diese endgültige Fassung der Verordnung entsprach praktisch gänzlich dem Entwurf, der in der Vernehmlassung von der Mehrheit der Teilnehmenden grundsätzlich positiv aufgenommen worden war. Einzelne Verbesserungsvorschläge wurden in Form von Präzisierungen vor allem in einer begleitenden Erörterung aufgenommen – so etwa die genauen Anforderungen an Parteien und Kampagnenführende oder eine präzise Definition von «gemeinsamen Kampagnen». Vor allem die Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, SAV, SGV, SBV) hatten sich in der Vernehmlassung freilich sehr kritisch gezeigt und von «Scheintransparenz» gesprochen, weil es nach wie vor zu viele Schlupflöcher gebe.
Der Bundesrat entschied zudem, dass die Regeln erstmals bei den eidgenössischen Wahlen 2023 gelten sollen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Die Vernehmlassung zur Revision des Sexualstrafrechts, die in der ersten Jahreshälfte 2021 durchgeführt wurde, wurde von einer lebhaften öffentlichen Debatte begleitet. Vor allem die Tatsache, dass die zuständige RK-SR im Vernehmlassungsentwurf keine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung zur Debatte stellte, sorgte für Unverständnis bei den linken Parteien sowie bei Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Nur die Zustimmungslösung verwirkliche die sexuelle Selbstbestimmung, weil Sex ohne Einverständnis grundsätzlich als Vergewaltigung anzusehen sei, argumentierten sie. Demgegenüber traten Kritikerinnen und Kritiker mit Bedenken an die Medien, dass eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung faktisch die Beweislast im Strafprozess umkehre und zu mehr Falschanschuldigungen führen könnte.
Das rege Interesse spiegelte sich denn auch in der rekordhohen Zahl an Stellungnahmen: Von den Kantonen, Parteien und Verbänden sowie interessierten Kreisen gingen 124 individuelle Stellungnahmen ein. Darüber hinaus wurden im Zuge der Kampagne «Nur Ja heisst Ja! – Art. 190 ändern» der SP Frauen* mehr als 10'000 gleichlautende Stellungnahmen von Privatpersonen eingereicht. Noch nie hätten sich in einer Vernehmlassung so viele Einzelpersonen geäussert, berichtete die Presse. Wie der im August 2021 erschienene Ergebnisbericht zeigte, wurde der Bedarf für eine Revision des Sexualstrafrechts überwiegend bejaht, wobei sich an der konkreten Ausgestaltung die Geister schieden. Dabei waren nicht nur diverse Mindest- und Höchststrafmasse umstritten, sondern insbesondere auch der von der RK-SR neu eingeführte Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs (Art. 187a StGB). Im Gegensatz zur Vergewaltigung, die im Vorentwurf wie bisher über ein Nötigungselement definiert wird, sollte der neue Tatbestand den Geschlechtsverkehr gegen den Willen einer Person erfassen, wenn diese nicht dazu genötigt wird. Diese Unterscheidung wurde von vielen Teilnehmenden kritisiert, weil sie die Klassifizierung einer Sexualstraftat als Vergewaltigung weiterhin an der Reaktion des Opfers festmache bzw. daran, dass der Täter oder die Täterin dessen (physischen) Widerstand überwunden haben müsse. Wenn das Opfer allerdings in einen Schockzustand gerate und sich gar nicht wehren könne, sei eine Nötigung in diesem Sinne gar nicht erforderlich, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Stattdessen wurde gefordert, diesen Aspekt in Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) und 190 StGB (Vergewaltigung) zu integrieren. Diese Ansicht wurde von rund zwei Dritteln der Teilnehmenden vertreten. Höchst umstritten war des Weiteren die im Vorentwurf vorgesehene «Nein-heisst-Nein»-Lösung: Strafbar soll es werden, «gegen den Willen einer Person oder überraschend» eine sexuelle Handlung vorzunehmen. 36 Teilnehmende sprachen sich hierfür aus. Demgegenüber hätten sich 80 Teilnehmende eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung gewünscht, also die Ersetzung des Ausdrucks «gegen den Willen» durch «ohne Einwilligung». Dies würde gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal setzen, dass bestimmte Verhaltensweisen gesellschaftlich nicht toleriert würden, erklärten verschiedene Frauenrechtsorganisationen. Unter den Parteien sprachen sich die SP, die Grünen und die GLP für die Zustimmungslösung aus. Während sich die Mitte dazu nicht äusserte, weil ein solcher Vorschlag nicht Gegenstand der Vernehmlassung war, zeigte sich die FDP grundsätzlich offen für eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regel; die FDP-Frauen mit Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) an der Spitze traten in den Medien unterdessen prominent für die Zustimmungslösung ein. Dezidiert dagegen äusserte sich die SVP. Die Kantone zeigten sich in dieser Frage gespalten, wobei sich gemäss NZZ für ein ursprünglich linkes Anliegen «auffällig viele» Kantone positiv zur Zustimmungslösung äusserten – neben Zürich und den meisten Westschweizer Kantonen notabene auch «diverse konservativere Kantone wie Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen oder Nidwalden».
Zusätzlich befeuert wurde die öffentliche Debatte um Zustimmungs- oder Widerspruchslösung durch die Anfang August 2021 ausgesprochene Urteilsbegründung des Basler Appellationsgerichts in einem Vergewaltigungsfall. Das Appellationsgericht hatte die Freiheitsstrafe für einen Vergewaltiger verkürzt und in der mündlichen Urteilsbegründung unter anderem angeführt, das Opfer habe «Signale gesendet» und «mit dem Feuer gespielt». Obwohl sich das Gericht ob der prompten und heftigen öffentlichen Kritik zu einer Stellungnahme gedrängt sah, in der es versuchte, die in der Öffentlichkeit entstandenen «Missverständnisse» zu erklären, wurden diese Aussagen in den Medien dahingehend interpretiert, dass das Gericht dem Opfer die Mitschuld an der Vergewaltigung gebe. Vor diesem Hintergrund erhielten die Forderungen nach einer «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung weiteren Auftrieb, nun auch explizit verstärkt durch Stellungnahmen von Fachpersonen aus der Psychologie und dem Rechtswesen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)